Der Einsatz einer Bullenbox in der Praxis
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Der Einsatz einer Bullenbox in der Praxis
34 Tier sich am Liegekomfort und am Vorhandensein oder auch Nichtvorhandensein von seitlich geschlossenen Buchtenabtrennungen unterscheiden. Ein hoher Liegekomfort war gegeben, wenn beim Liegen der Kälber im Stroh die Beine nicht mehr zu sehen waren. Die Tiere lagen quasi in einem Nest, das sie ringsherum schützte. Ein mittlerer Liegekomfort war gegeben, wenn die Beine teilweise, und ein niedriger, wenn die Beine komplett zu sehen waren. In Kombination mit den unterschiedlichen Varianten des Liegekomforts waren die Buchten zum Teil mit seitlich geschlossenen Trennwänden oder einfachen offenen Gittern ausgestattet. Wir können erkennen, dass die Kälber mit einem hohen Liegekomfort, das heißt sehr stark eingestreuten Buchten, und geschlossenen Seitenabtrennungen selbst bei höheren Keimbelastungen mit weitem Abstand das geringste Risiko für Atemwegserkrankungen besaßen. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen schränken die geschlossenen Seitenwände eine Keimübertragung zwischen den Kälbern ein, zum anderen sorgte die hohe Einstreumenge dafür, dass die Kälber ihr Mikroklima gerade bei den im Untersuchungszeitraum vorhandenen niedrigen Temperaturen besser halten konnten und somit ausreichend Energie für das Immunsystem übrig blieb. Wir können deutlich die Bedeutung eines ausreichenden Schutzes der Kälber erkennen, der in Form von Einstreu und Schutz vor einem erhöhten Infektionsdruck vorhanden sein sollte. Kälber mit niedrigem Komfort und seitlich offenen Buchtengittern hatten nicht nur bereits bei der geringsten Keimbelastung ein erhöhtes Risiko, an einer Pneumonie zu erkranken, sondern der prozentuale Anteil dieses Risikos verdoppelte sich, wenn die Keimbelastung in der Stallluft von 27.000 auf 327.000 koloniebildende Einheiten anstieg (siehe Grafik). Im Vergleich dazu traten in der Gruppe mit hohem Tierkomfort und geschlossenen Seitenwänden erste Atemwegserkrankungen erst bei einer bakteriellen Belastung von 227.000 koloniebildenden Einheiten auf. Was nicht untersucht wurde, aber wichtig ist! Ein wichtiger Punkt wird von den Autoren der Studie angesprochen und diskutiert. Es ist der Ernährungsstatus der Kälber, der allerdings aufgrund einer zu ungenau- BAUERNBLATT l 22. Juni 2013 ■ en Datenlage auf den Betrieben nicht miterfasst werden konnte. Mit einem durchschnittlichen Alter von 36,7 Tagen, also etwas mehr als fünf Wochen, besaßen die Kälber ein Gewicht von 60,6 kg. Das entspricht einem täglichen Zuwachs in dieser Periode von unter 500 g. Es wird und muss davon ausgegangen werden, dass diejenigen Kälber, die weniger gut eingestreut und einer stärkeren Windbelastung ausgesetzt waren, ein geschwächtes Immunsystem aufgrund eines zu vermutenden Energiemangels besaßen. Es wird auch hier deutlich, dass der Ernährungsstatus ein bedeutendes Merkmal bei der Gesundheitsprophylaxe darstellt. Diese Aussage deckt sich mit den Erfahrungen, die in den vergangenen vier Jahren in der Kälberaufzucht im Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp mit der Ad-libitum-Tränke in den ersten Lebenswochen gemacht wurden. Der Gesundheitsstatus der ad libitum getränkten Kälber ist im Vergleich zu rationiert getränkten Kontrolltieren auf einem deutlich höheren Niveau. FAZIT Ein Anstieg der Keimbelastung erhöht das Risiko für Atemwegserkrankungen bei Kälbern in der Tränkephase auf sehr unterschiedlichem Niveau in Abhängigkeit von den Haltungsbedingungen. Das Risiko, an einer Pneumonie zu erkranken, wird durch die Menge der Stroheinstreu, die den Kälbern als Schutz bei sinkenden Temperaturen insbesondere bei einem niedrigen Ernährungsniveau dient, entscheidend mitbestimmt. Das gleiche gilt für einen seitlichen Schutz durch geschlossene Wände, die Zugluft verhindern und den Keimeintrag minimieren. Die Autoren empfehlen zudem eine Mindestbuchtengröße pro Kalb von 3 m³. Zusammengefasst bedeutet dies, ein ausreichender Schutz vor Zugluft, eine komfortabel mit Stroh eingestreute Bucht und eine Ernährung, die Energiereserven für ein intaktes Immunsystem bereitstellt, sind die besten Voraussetzungen für gesunde Kälber, insbesondere bei erhöhtem Infektionsdruck. Dr. Hans-Jürgen Kunz Landwirtschaftskammer Tel.: 0 43 81-90 09-48 [email protected] Sicherheit im Milchviehbetrieb Der Einsatz einer Bullenbox in der Praxis In den ständig wachsenden Milchviehbetrieben ist immer öfter ein Deckbulle im Einsatz. Das kann unter Umständen sehr gefährlich sein. Wie man sich vor der Gefahr eines Bullenangriffs wirksam schützen kann, wird im folgenden Beitrag erläutert. Der Umgang mit Bullen war, ist und bleibt gefährlich. Dabei weiß man, dass der Einsatz von Deckbullen nicht nur gefährlich ist, sondern unter Umständen auch wirtschaftlich große Schäden in den Milchviehherden verursachen kann. Mit dem Einzug der künstlichen Besamung in den 1970er Jahren wurde der Deckbulleneinsatz immer weiter zurückgedrängt. Zum einen konnte durch den Einsatz geprüfter Besamungsbullen der Zuchtfortschritt beträchtlich gesteigert werden, zum anderen konnte durch Aufgabe des Natursprunges aber auch den Deckseuchen, die in früheren Jahren zum Teil erhebliche wirtschaftliche Einbußen brachten, der Garaus gemacht werden. Ein weiteres bekanntes Problem beim Deckbulleneinsatz ist, dass oftmals das genaue Deckdatum nicht bekannt ist, zum Beispiel wenn ein frei laufender Bulle während der Nacht eine Kuh gedeckt hat. Werden solche Kühe nun nicht rechtzeitig trockengestellt, kann die betroffene Kuh nur einen Bruchteil ihres Leistungspotenzials in der folgenden Laktation abrufen. Der Rückgang der Deckbullenhaltung hatte aber auch zur Folge, Deckbullen müssen enthornt sein, und ab einem Alter von zwölf Monaten muss ein Nasenring eingezogen werden. dass die Arbeit in den Milchviehbetrieben erheblich sicherer wurde. Man kann aufgrund der genannten Gründe gut behaupten, dass der Einzug der künstlichen Besamung eine ganze Reihe von Vorteilen für die Milchviehhaltung brachte, trotzdem ist in den letzten Jahren wieder ein Trend in Richtung des Deckbulleneinsatzes zu sehen. Deckbulleneinsatz nimmt zu Die Gründe sind vielfältig. Große Milchviehherden sind nur unter hohem Zeitaufwand erfolgreich zu managen, und gerade in Familienbe- Zur Bullenbox gehört unbedingt auch eine Fixiereinrichtung. Im Idealfall gibt es zwei Selbstfangfressplätze, damit Bulle und Kuh vor dem Heraustreiben der Kuh aus der Box nach dem Deckakt gleichzeitig fixiert werden können. Tier ■ BAUERNBLATT l 22. Juni 2013 Abbildung 1: Zweiraum-Deckbullenbox – hier Planskizze Integration Neubau – Integration der Deckbullenbox in den Stall Schlupf Strohbucht Abwurfschächte Schieberentmistung Futtertisch Abbildung 2: Zweiraum-Deckbullenbox – hier Planskizze Anbau trieben stößt man immer öfter an die eigenen Leistungsgrenzen. Für die Brunstkontrolle bleibt zunehmend zu wenig Zeit übrig, die jedoch zur erfolgreichen Besamung äußerst wichtig ist. Eine Milchviehhaltung kann aber nur dann wirtschaftlich funktionieren, wenn die Zwischenkalbezeit von etwa 400 Tagen nicht zu weit überschritten wird. Die Industrie hat dieses Problem erkannt und bietet in Form von elektronischen Aktivitätsmessungen mittlerweile praxistaugliche Lösungen zur Brunsterkennung an. Trotzdem steigt der Deckbulleneinsatz. Viele Betriebe nutzen den Deckbullen dabei nur als Ausputzer. Das heißt, dass der Deckbulle nur dann zum Einsatz kommt, wenn nach mehreren gescheiterten Besamungsversuchen sich noch immer nicht die gewünschte Trächtigkeit bedeutet, dass sich der Tierhalter, seine Familienangehörigen oder Mitarbeiter zum Teil mehrere Stunden täglich in das Reich des Deckbullen begeben müssen. Deckbullen, die beim Betreten der Herde erste Anzeichen eines Imponiergehabes zeigen, sind praktisch unberechenbar und können jederzeit angreifen. Das geschieht leider allzu oft und endet in zum Teil sehr tragischen Unfällen. Die Lösung für Unternehmer, die sich nun für einen Deckbulleneinsatz entscheiden, egal ob nun als Ausputzer oder frei laufender Deckbulle in der Herde, kann allein aus Sicherheitsgründen immer nur eine Bullenbox sein. Obwohl der Einsatz von Deckbullen in den letzten Jahren rapide angestiegen ist, wird diesem Thema besonders beim Neubau von Kuhställen viel zu wenig Beachtung geschenkt. Es gibt praktisch kaum Der Anbau einer Deckbullenbox wird bei dieser Planskizze vorgesehen. Dafür wird der Güllabwurfschacht am Futtertisch um etwa 3,50 m bis 4 m nach außen versetzt. Schieberentmistung Futtertisch Zwischen den Metallstangen hindurch gelangt der Landwirt in die Bullenbox. Er treibt den Bullen in den überdachten Bereich und sperrt ihn dort ein. Mit der Vorlage von etwas Lockfutter im überdachten Bereich lässt sich der Bulle leichter dorthin leiten. eingestellt hat. Hier kann ein Natursprung wahre Wunder wirken und hat schon so manche züchterisch So kann im Bedarfsfall die Deckbullenbox sehr einfach auch im Nachhinein hervorragende Kuh vor dem frühzeitigen Gang zum Schlachter bewahrt. erstellt werden. Es gibt aber auch eine nicht unerhebliche Anzahl von Betrieben, die trotz aller Nachteile ganzjährig nur mit frei laufenden Deckbullen arbeiten. Deckbullen sind exzellente Brunsterkenner, und die Kosten pro Trächtigkeit sind im Vergleich zur Schlupf künstlichen Besamung äußerst gering. Dies kann sich jedoch auch als Strohbucht Bumerang erweisen, wenn zum Beispiel ein kompletter Jahrgang weiblicher Tiere die vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennbaren KlauenSchieberentmistung mängel des Vaters erbt. Nun müssen Milchkühe zweimal täglich gemolken und im Sommer gegebenenfalls zweimal täglich von der Weide zum Futtertisch Melkstand getrieben werden. Das Abbildung 3: Zweiraum-Deckbullenbox – hier Planskizze Anbau neue Ställe, bei denen eine Bullenbox direkt in das Stallsystem mit integriert ist. Das muss sich ändern! Erst im Nachhinein merken viele Betriebsleiter plötzlich, dass ein Deckbulle gebraucht wird, und Planungen für den Anbau einer Bullenbox stellen in vielen Fällen eine Kompromisslösung dar. Die Integrierung einer Deckbullenbox im Milchviehstall kann den Milchviehhalter wirksam bei der Brunstbeobachtung unterstützen, jedoch nicht gänzlich ersetzen. So ergeben sich sowohl zeitliche als auch wirtschaftliche Vorteile, denn jede, egal ob nun vom Personal oder vom Deckbullen erkannte Brunst bedeutet bares Geld für den Milchviehhalter! Vor allem brünstige, gegebenenfalls aber auch stillbrünstige Kühe suchen die Nähe zum Deckbullen und weichen ihm während der Brunst nicht von 35 36 Tier BAUERNBLATT l 22. Juni 2013 ■ Jetzt wird die Eingangstür zum Freilaufbereich geöffnet und die Der Bulle kann nun den Deckakt vollziehen. Danach kann er praktisch von außen von der brünstige Kuh hineingetrieben. Der Landwirt tritt danach von der Kuh getrennt und wieder im überdachten Bereich eingesperrt werden. Nachdem die Kuh Seite her in die Box und öffnet das Tor des eingesperrten Bullen. die Box wieder verlassen hat, kann auch der Bulle freigelassen werden. der Seite. Der Unternehmer kann nun je nach Zuchtpotenzial oder Laktationsstadium der Kuh entscheiden, ob er die Kuh künstlich besamen oder durch Natursprung des Bullen belegen lässt. Da eine Bullenbox wegen der Gülleabwurfschächte bei planbefestigten Laufgängen oder Güllerührschächten bei Spaltenböden mit Unterkellerlagerung nicht mehr so einfach in oder an einen bestehenden Stall zu integrieren ist, scheuen sich viele Betriebsleiter vor dem nachträglichen Bau einer Bullenbox. Diese Entscheidung hatte bereits in der Vergangenheit leider in vielen Fällen fatale Folgen. Beispiel aus der Praxis Es gibt aber auch Beispiele aus der Praxis, wo man die Vorteile eines Deckbullen gezielt nutzt, sich jedoch auch der vom Deckbullen ausgehenden Gefahren wohlbewusst ist. So auf dem Antonius-Hof im hessischen Haimbach nahe Fulda. Dort wird eine 110-köpfige Milchviehherde plus Nachzucht gehalten. Der Hof gehört zum Antoniusheim, einem von Bürgern getragenen heilpädagogischen Zentrum. 60 Menschen mit einer Behinderung wird dort die Möglichkeit geboten, einen Arbeitsplatz in der Landwirtschaft zu erhalten, der ihre individuellen Fähigkeiten berücksichtigt. In dem Arbeitsbereich Viehhaltung arbeiten 20 Mitarbeiter mit einer Behinderung und zwei Landwirte mit einer pädagogischen Zusatzausbildung, die für die Betreuung, Anleitung und Ausbildung der Mitarbeiter verantwortlich sind. Da mehr als 20 Personen in der Milchviehhaltung tätig sind, wurde nach einer Lösung der problematischen Deckbullenhaltung gesucht. Herdenmanager Marco Kimpel berichtet: „In unserer Herde wird der überwiegende Teil der Kühe mittels der künstlichen Besamung gezielt angepaart. Die restlichen Kühe, insbe- sondere diejenigen, die nach mehrmaligem Besamen noch nicht trächtig geworden sind, bringen wir zum Deckbullen. Einen Deckbullen in unserer Herde frei laufen zu lassen, wäre jedoch unverantwortlich. Es ist unmöglich, immer alle Personen genau im Blick zu haben. Daher hatten wir uns bereits im Jahr 1994 entschieden, eine Deckbullenbox an den bestehenden Kuhstall anzubauen.“ Die Bullenbox hat eine Grundfläche von 32 m² (8 m lang und 4 m breit) und ist in der Mitte geteilt. Eine Hälfte besteht aus einer überdachten und mit Stroh eingestreuten Box, die andere Hälfte dient als Freilauf für den Deckbullen. Die Box hat durch die Teilung jedoch einen entscheidenden Vorteil. Vor dem Eintreiben der Kuh in die Bullenbox wird der Bulle im überdachten Bereich eingesperrt. Danach wird die brünstige Kuh in den Freilaufbereich gebracht. Nach dem Deckakt wird der Bulle entweder im Fangfressgitter eingefangen oder wieder in den überdachten Bereich getrieben. Nun kann die Kuh wieder ohne Gefahr aus der Bullenbox in den Stall gebracht werden. Der Freilaufbereich ist mit 2 m hohen und 6 cm dicken Eisenstangen umwehrt, dabei wurden die Eisenstangen im Abstand von jeweils 34 cm aufgestellt – Platz genug, um im Gefahrfall die Box sicher zu verlassen. Marco Kimpel möchte allein aus Sicht der Arbeitssicherheit nicht mehr auf die Unterbringung des Deckbullen in der Bullenbox verzichten. Er gibt aber auch zu bedenken, dass die Anbaulösung nicht die Ideallösung darstellt. Er rät daher allen Milchviehhaltern, sich bereits vor dem Bau eines Milchviehstalles Gedanken über den möglichen Standplatz einer Bullenbox zu machen, damit sie später bei Bedarf am bestmöglichen Standpunkt im oder am Stall errichtet werden kann. Benedikt Rodens SVLFG Tel.: 0 67 89-97 06 22 [email protected] Mit einem Pedometer kann durch die Aktivitätsmessung eine Brunst auf elek- Auch im überdachten Bereich ist eine Fluchtmöglichkeit gewährleistet. tronischem Wege ohne Brunstbeobachtung erkannt werden. Fotos: Jürgen Lamm