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© 2009 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
Pflege 2009; 22: 277–286 DOI 10.1024/1012-5302.22.4.277
Originalarbeit
Kalaidos Fachhochschule Schweiz, Zürich
Institut für Public Health und Pflegeforschung IPP, Universität Bremen, Deutschland
Iren Bischofberger (Dr. phil.; MNS; MSc; RN)1, Julia Lademann (Dr. P.H.; MPH; MSc Biol.; RN)2,
Andrea Radvanszky (lic.rer.soc.)1
1
2
«work & care» – Erwerbstätigkeit und Pflege
vereinbaren: Literaturstudie zu Herausforderungen
für pflegende Angehörige, Betriebe und
professionelle Pflege
• Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege wird in der englischsprachigen
Was ist (zu dieser Thematik) schon bekannt?
Literatur im Vergleich zum deutschsprachigen Raum bereits deutlich
länger forschungsgestützt diskutiert. Dementsprechend gibt es präzisere
Prävalenzzahlen und Informationen zu Unterstützungsangeboten.
ist neu?
• Was
Auch wenn erwerbstätige pflegende Angehörige auf gewisse Angebote
zurückgreifen können, liegt die Inanspruchnahme beispielsweise in
England noch unter den Erwartungen.
Konsequenzen haben die Ergebnisse für die Pflegepraxis?
• Welche
Der Erwerbsstatus der pflegenden Angehörigen ist in der Pflegepraxis
zunehmend zu berücksichtigen und strukturelle und inhaltliche Unterstützungsangebote sind entsprechend anzupassen oder aufzubauen.
Dieser Artikel entstand im Rahmen des
Projektes «work & care – Vereinbarkeit
von Erwerbstätigkeit und Pflege» des
Schweizerischen Nationalfonds (DORE,
13DPD3-118236). Praxispartnerinnen
sind die Schweizerische Alzheimervereinigung, Yverdon-les-Bains, und die
Bank Coop, Basel.
ge noch stärker als nicht berufstätige
auf integrierte und koordinierte Versorgungsangebote angewiesen sind. In
der Literaturanalyse geht es darum,
den Diskussionsstand zu «work & care»
und die Relevanz für die professionelle
Pflege im deutschsprachigen Raum zu
präsentieren. Nach einer Darstellung
Im deutschsprachigen Europa mangelt
der pflegerischen Herausforderungen
es an Konzepten zur Vereinbarkeit von
und der methodischen Vorgehenswei-
Erwerbstätigkeit und familialer Pflege.
se folgen Daten zur Prävalenz, die bis-
Allerdings steigt die Relevanz, weil
lang erst unscharf berechnet werden
Frauen zunehmend erwerbstätig sind
konnten. Aufgrund der identifizierten
und damit über weniger Zeitressour-
Risiken und Ressourcen, die aus der Ver-
cen für die von ihnen traditionell über-
einbarung von beruflichen und pflege-
nommene häusliche Pflege verfügen.
rischen Tätigkeit hervorgehen, werden
Für die professionelle Pflege bringt die
Strategien und Angebote von Betrie-
Thematik insofern Herausforderungen,
ben untersucht. Auf dieser Grundlage
als erwerbstätige pflegende Angehöri-
werden erste Überlegungen angestellt,
welche Lösungsszenarien und innova-
Manuskript erstmals eingereicht am 25.6.2008
Endgültige Fassung eingereicht am 15.12.2008
tiven Angebote die professionelle Pflege (mit)entwickeln sollte.
«work & care» – eine gesellschaftliche
und pflegerische Herausforderung
Zur Vereinbarkeit von Beruf und
Familie werden zunehmend Fördermaßnahmen von Politik und Wirtschaft initiiert (exemplarisch: Schweizerischer Arbeitgeberverband, 2006;
Wirtschaftskammer Österreich, 2008).
Kaum beachtet wird dabei, welche
Herausforderungen Erwerbstätige bei
der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege
von Familienmitgliedern zu meistern
haben. Für pflegende Angehörige, Betriebe und die professionelle Pflege
steigt jedoch die Relevanz dieser Vereinbarkeitsfrage; denn immer mehr
Frauen entscheiden sich für die Erwerbstätigkeit und verfügen damit
über weniger Zeitressourcen für die
ihnen traditionell zugeordneten familialen Pflegeaufgaben (Höpflinger,
2004; Barkholdt & Lasch, 2004): Informelle Pflegearbeit wird hauptsächlich
von Frauen geleistet – in Deutschland
sind einer repräsentativen Befragung
zufolge 83 % der Hauptpflegepersonen
weiblich (Schneekloth & Wahl, 2005).
In der Schweiz geben ebenfalls Frauen,
insbesondere zwischen 40 und 64 Jahren, einen deutlich größeren Zeitaufwand für die informelle Pflege an als
Männer. Allerdings fallen die höheren
Beteiligungsquoten der erwachsenen
Söhne (bis 39 Jahre) auf, die noch im
Elternhaus wohnen, verglichen mit zuhause wohnenden Töchtern (SchönBühlmann, 2005). Insgesamt stellt sich
die Frage nach der Vereinbarkeit von
Berufstätigkeit und Pflege vorwiegend
für Frauen. Dass die Vereinbarkeitsfrage zunehmend bzw. gerade auch für
Männer zu diskutieren ist, dafür
sprechen nicht nur die gesellschaftspolitische Brisanz des steigenden
Pflegebedarfs, sondern auch gleich-
277
I. Bischofberger Beruf und Pflege vereinbaren: Eine Literaturstudie
278
Originalarbeit
Tabelle 1: Erwerbstätigkeit in den USA und in England bei pflegenden Angehörigen und bei Nichtpflegenden; Ergebnisse
einer Metaanalyse, Angaben in Prozent und absolute Häufigkeiten (Lilly et al., 2007: 662).
pflegende Angehörige
Nichtpflegende
Frauen
Männer
Frauen
Männer
USA
46,6 % (1.809)
63,7 % (466)
55,3 % (7.133)
85,8 % (2.961)
England
61,4 % (5.452)
76,6 % (2.718)
60,4 % (19.358)
84,8 % (11.900)
stellungspolitische Bemühungen. Die
Notwendigkeit, jetzt und in Zukunft
verstärkt an einer adäquaten Vereinbarkeit von «work & care» zu arbeiten,
ergibt sich darüber hinaus aus dem
gesellschaftlich und politisch gewünschten Vorrang «ambulant vor
stationär» (exemplarisch WHO, 1999).
Außerdem gilt es zu bedenken, dass
mit dem demografischen Wandel in
den industrialisierten Ländern – verursacht durch die steigende Lebenserwartung und den Geburtenrückgang
– ein zunehmender pflegerischer Vorsorgungsbedarf Älterer von immer
weniger Jüngeren zu bewältigen sein
wird (exemplarisch Barkholdt & Lasch,
2004).
In dem vorliegenden Beitrag geht es
darum, den Diskussionsstand zu «work
& care» und die Relevanz für die professionelle Pflege im deutschsprachigen Raum darzustellen. Darüber
hinaus werden mögliche Lösungsansätze an der Schnittstelle zwischen politischen und betrieblichen Maßnahmen einerseits und professionellen
pflegerischen Angeboten andererseits
diskutiert.
Methodisches Vorgehen
Um den Stand zur pflegewissenschaftlichen Diskussion der Vereinbarkeitsthematik bei erwerbstätigen pflegenden Angehörigen zu erfassen,
wurde zunächst eine Literaturrecherche in den relevanten Datenbanken
«CINAHL» und «MEDLINE» durchge-
führt. Darüber hinaus wurden Abfragen im Karlsruher Virtuellen Katalog
durchgeführt, in welchem ein Großteil
der deutschsprachigen Bibliotheksverbünde erfasst ist. Recherchiert wurde
mithilfe einer Kombination der trunkierten Begriffe «work*», «care*» sowie «employment» und «familiy care»,
in der Datenbank CINAHL auch unter
der Kombination der Thesaurus-Stichworte «employment» und «caregiver».
Als deutsche Schlagworte wurden «Beruf*» bzw. «Erwerbstätigkeit» «Pflege*», «Angehörige» und «Vereinbarkeit» kombiniert. Weiterhin wurden
relevante Literaturhinweise einschlägiger Studien aufgenommen (Handsuche). Es zeigte sich, dass explizit
pflegewissenschaftliche Studien zu
dieser Thematik ganz überwiegend aus
dem angloamerikanischen Raum vorgelegt wurden. In den deutschsprachigen Ländern wird die Thematik eher
in einem breiteren sozialwissenschaftlichen Rahmen präsentiert, und es liegen insgesamt nur wenige empirische
Untersuchungen vor. Für die Situation
in Deutschland sind die Ausführungen
von Bäcker, Naegele und Reichert
(Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 1997a und
1997b) hervorzuheben, auf die in vielen
deutschsprachigen Veröffentlichungen
Bezug genommen wird, sowie die Ausführungen von Barkholdt und Lasch
(2004) im Rahmen einer Expertise zum
5. Altenbericht zuhanden der Deutschen Bundesregierung. Neue empirische Daten für Deutschland liefern
die Studie von Schneider, Häuser, Rup-
penthal und Stengel (2006) sowie erste
Ergebnisse einer repräsentativen Befragung durch das BMFSFJ (2006). Darüber hinaus gibt es vor allem in
Deutschland einen regen Diskurs zur
Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit
und Pflege in Praxis und Politik.1 In den
folgenden Ausführungen steht allerdings die Analyse der wissenschaftlichen Studien im Vordergrund.
Ergebnisse
Risiken, Anpassungsstrategien und
Ressourcen der Erwerbsarbeit für
pflegende Angehörige
International werden die speziellen
Herausforderungen zu «work & care»
bereits seit rund 20 Jahren bearbeitet
(Arksey, 2002; Dellasega, 1990; Ko, Aycock, Clark, 2007; Martin-Matthews &
Phillips, 2008; Phillips, 1995c; Scharlach, 1994). Im deutschsprachigen
Raum setzt die Diskussion erst rund 10
Jahre später ein, und dies vorwiegend in
Deutschland (BMFSFJ, 1997b, 2006;
Dallinger, 1997; Schneider et al., 2006).
Erwerbstätige pflegende Angehörige:
Daten zur Prävalenz
Aufgrund der in der internationalen
Literatur diskutierten Definitionsunschärfe zur Beschreibung erwerbs-
1 Exemplarisch: Deutscher Gewerkschaftsbund
(2006), Bündnis 90/Die Grünen (2007), Beruf
und Pflege (2007), Gesellschaft für Innovative
Beschäftigungsförderung (2008), Bremer Verbundprojekt Beruf und Familie (2008).
Pflege 2009; 22: 277–286
Originalarbeit
Tabelle 2: Erwerbstätige mit Pflegeaufgaben in der Schweiz, Angaben in Prozent und absolute Häufigkeiten (Bischofberger & Höglinger, 2008: 36).
Anteil der Erwerbstätigen
Pflegebedürftige oder behinderte
Person innerhalb des eigenen
Haushaltes
2,1 %
Pflege für Verwandte oder Bekannte
außerhalb des eigenen Haushaltes
2,0 %
gesamt
4,1 %
(etwa 160 000)
Tabelle 3: Erwerbsbeteiligung bei pflegenden Angehörigen in Deutschland in
den Jahren 1991, 1998 (Schneekloth & Müller, 2000: 58) und 2002 (Schneekloth, 2003: 20), Repräsentativerhebungen, Angaben in Prozent.
Vollzeit
Teilzeit/geringfügig
nicht erwerbstätig
1991
16 %
18 %
66 %
1998
16 %
21 %
64 %
2002
19 %
21 %
60 %
tätiger pflegender Angehöriger sind
Angaben zu Prävalenzraten dieser
Zielgruppe schwierig. Dies zeigt sich
vor allem bei den Angaben, ab wann
jemand und wer «pflegerisch» tätig ist
(BMFSFJ, 1997b; Schneider et al., 2006,
Lilly; Laporte & Coyte, 2007; Phillips,
1995b). Engere Definitionen gelten
dann, wenn pflegende Angehörige
Unterstützung in der körpernahen
Pflege leisten (z. B. Hilfe beim Anziehen oder beim Gehen). Weiter gefasste
Definitionen umfassen auch Unterstützungsleistungen, beispielsweise im
Rahmen von «distance caregiving»
(Neal, Wagner, Bonn, Niles-Yokum,
2008). Auch informelle Hilfe zählt dazu,
die bei finanziellen oder rechtlichen
Fragen im Zusammenhang mit der
Behinderung oder Erkrankung geleistet wird.2 Diese Begriffsunschärfen gilt
2 Als definitorische Schwierigkeit kommt hinzu,
dass sich die informelle Freiwilligenhilfe nicht
scharf von den Leistungen der pflegenden Angehörigen trennen lässt, z. B. wenn eine Nachbarin stärker in die unbezahlte Hilfe zuhause
eingebunden ist als entfernt lebende Verwandte
(Arpagaus & Höglinger, 2006; Nadai, 2004).
es zu berücksichtigen, wenn Angaben
zur Anzahl erwerbstätiger pflegender
Angehöriger betrachtet werden.
Repräsentative Daten liegen zum Verhältnis zwischen erwerbstätigen pflegenden Angehörigen und Erwerbstätigen ohne Pflegeaufgaben in den USA
und in England vor (Lilly et al., 2007).
Die Ergebnisse der Metaanalyse entsprechender Studien, die zwischen
1990 und 2005 durchgeführt wurden,
zeigt Tabelle 1.
Für die Schweiz lässt sich die Anzahl
erwerbstätiger pflegender Angehöriger
anhand der Daten der Schweizerischen
Arbeitskräfteerhebung (SAKE) schätzen. Basierend auf der Erhebung im
Jahr 2004 zeigt Tabelle 2 die Ergebnisse
erster Berechnungen (Bischofberger &
Höglinger, 2008).
Angaben zum Erwerbsstatus pflegender Angehöriger in Deutschland
liegen für die Jahre 1991, 1998 und 2002
vor und sind Tabelle 3 zu entnehmen.
Aus pflegeepidemiologischer Perspektive ergeben sich für den deutschsprachigen Raum folgende Forschungslücken.
1) Innerhalb der Gruppe der Erwerbstätigen: Es mangelt an bevölkerungsbezogenen Daten zum Verhältnis zwischen Erwerbstätigen
mit und ohne Pflegeaufgaben.
2) Innerhalb der Gruppe der pflegenden Angehörigen: Es liegen bislang nur wenige Daten zum Verhältnis zwischen erwerbstätigen
und nicht erwerbstätigen pflegenden Angehörigen vor.
3) Eine differenzierte Darstellung solcher Daten, z. B. hinsichtlich Alter,
Geschlecht und weiteren Merkmalen von Pflegenden sowie Pflegebedürftigen, wäre sinnvoll.
4) Es ist eine Entwicklung spezifischer
Umfrageinstrumente nötig, welche
eine kohärente und möglichst umfassende Konzeption des Begriffs
«pflegende Angehörige» berücksichtigen.
Dennoch machen die jetzt schon
vorliegenden Daten deutlich, dass
es sich bei der angesprochenen
Thematik nicht um ein Einzelphänomen, sondern ein gesellschaftlich
sehr relevantes Problem handelt.
Risiken
Die Motivation, informelle Pflegeleistungen trotz Erwerbsarbeit zu erbringen, basiert vor allem auf dem
Wunsch der Pflegebedürftigen und der
Angehörigen, die Pflege zuhause zu
ermöglichen. Auch die hohen finanziellen Kosten für eine stationäre Versorgung beeinflussen die Entscheidung zugunsten der häuslichen Pflege
(BMFSFJ, 1997b). Daneben fühlen sich
pflegende Angehörige offenbar auch
einem gewissen Leistungsdruck ausgesetzt und interpretieren es als persönliches Versagen, wenn ihnen eine
Vereinbarkeit von Erwerbs- und Pflegearbeit nicht gelingt (Arksey, 2002;
BMFSFJ, 1997b). Trotz einiger Überschneidungen mit der Vereinbarkeit
von Beruf und Kinderbetreuung gibt es
auch gravierende Unterschiede: Die
279
I. Bischofberger Beruf und Pflege vereinbaren: Eine Literaturstudie
280
Originalarbeit
Pflege von kranken oder behinderten
Kindern oder erwachsenen Angehörigen stellt sich als wenig planbare und
eher durch negative als durch positive
Veränderungen geprägte Entwicklung
dar (Schneider et al., 2006; Vickers,
2005). Zudem gilt die gesellschaftliche
Aufmerksamkeit in erster Linie erwerbstätigen Müttern mit gesunden
Kindern, hingegen scheint die Vereinbarkeit von «work & care» – selbst für
erwerbstätige Eltern mit kranken Kindern – nahezu inexistent. Dies wirkt
sich motivationsmindernd aus.
Anpassungsstrategien und
Konsequenzen
Die Reduktion und Flexibilisierung von
Arbeitszeiten zählen zu den probaten
Anpassungen, um Berufstätigkeit und
Pflegeaufgaben zu bewältigen. Dabei
reduzieren vor allem Frauen ihre Arbeitszeit. Auch die völlige Aufgabe der
Berufstätigkeit ist gerade bei einem
umfassenden und hohen Pflegebedarf
ein Schritt, zu dem sich in erster Linie
Frauen entscheiden: Während Frauen
zur Vereinbarkeit von Kindererziehung
und Berufstätigkeit vor allem auf Teilzeitbeschäftigung setzten, geben sie
zur Bewältigung von Pflegeaufgaben
noch eher ihre Berufstätigkeit auf
(Schneider, Drobnic, Blossfeld, 2001).
Daraus erwachsen ihnen erhebliche
Einbußen hinsichtlich Karriere und
Einkommen (Chorn Dunham & Dietz,
2003; Covinsky, Eng, Lui, Sands, Sehgal,
Walter et al., 2001; Fredriksen, 1996)
sowie in Bezug auf Urlaubs- und Rentenansprüche (Chorn Dunham & Dietz,
2003; Evandrou & Glaser, 2003).
Ferner werden flexible berufliche Zeitarrangements mit verschobenen Arbeitszeiten und Unterbrechungen individuell vor allem mit Vorgesetzten
abgesprochen. Oftmals passen pflegende Angehörige nicht ihre Berufstätigkeit an die Pflegeerfordernisse an,
sondern sie suchen sich einen Arbeitsplatz, der mit den Pflegeaufgaben
kompatibel ist (Chorn Dunham &
Dietz, 2003; Rosenzweig, Brennan,
Ogilvie, 2002). Im Zuge solcher Stellenoder Funktionswechsel «outen» sich
Betroffene selten. Gründe dafür sind
unter anderem, dass sie die Pflegetätigkeit als ausschließliche Privatangelegenheit verstehen, oder sie wollen
nicht als weniger leistungsfähige «Sozialfälle» gelten (BMFSFJ, 1997b; Rosenzweig et al., 2002; Schneider et al.,
2006). Bezüglich Leistungsfähigkeit ist
tatsächlich festzustellen, dass berufstätige pflegende Angehörige mit hoher
Pflegebelastung über Müdigkeit und
Konzentrationsmangel am Arbeitsplatz
klagen sowie über häufige Arbeitsunterbrechungen oder -absenzen bei Krisen im Krankheitsverlauf der pflegebedürftigen Person (Chorn Dunham &
Dietz, 2003; Creedon, 1995; Matthews &
Keefe, 1995; Phillips, 1995a; Scharlach,
1994; Schneider et al., 2006).
Zudem nehmen berufstätige pflegende
Angehörige eine Reihe an Einschränkungen in ihrer Freizeitgestaltung in
Kauf (Scharlach, 1994; Schneider et al.,
2006). Da nicht genügend Zeit für Erholung zur Verfügung steht und zum
Beispiel auch Urlaube genutzt werden,
um liegen gebliebene Besorgungen aus
dem Alltag zu erledigen, führt dies zu
einer Kumulation von gesundheitlichen
und sozialen Beeinträchtigungen (Arksey, 2002; BMFSFJ, 1997b; Creedon,
1995; Phillips, 1995a; Scharlach, 1994;
Schneider et al., 2006). Sind Berufstätige
täglich in die Versorgung Pflegebedürftiger involviert, können sie dies nur mit
einem straff organisierten Tagesablauf
vereinbaren. Oftmals sind sie dabei auch
auf weitere informelle und/oder professionelle Unterstützung angewiesen.
Diese Unterstützung muss aus Sicht der
erwerbstätigen pflegenden Angehörigen nicht nur qualitativ gut, sondern
vor allem auch verlässlich sein, damit
berufliche Termine unbesorgt eingehalten werden können (Rosenzweig et al.,
2002; Schneider et al., 2006).
Ressourcen
Trotz der Belastungen rund um die
Vereinbarkeit von «work & care» wird
die positive Bedeutung der Berufstätigkeit betont (Scharlach, 1994). Neben
der finanziellen Absicherung gilt der
Arbeitsplatz als Ort ohne pflegerische
und familiäre Belastung (Chorn
Dunham & Dietz, 2003; Yeandle, Wigfield, Crompton, Dennett, 2002). Die
Erwerbstätigkeit wird als unverzichtbarer Ausgleich wahrgenommen, der
andere persönliche Herausforderungen
bereithält als die Pflege (Schneider et
al., 2006). Zudem bietet er Möglichkeiten für soziale Kontakte. Mitunter
ergeben sich wertvolle Gespräche am
Arbeitsplatz, wenn verschiedene Mitarbeitende in einer Firma von der Thematik «work & care» betroffen sind
(Arksey, 2002; Chorn Dunham & Dietz,
2003). Inwieweit die Berufstätigkeit
tatsächlich eine entlastende Wirkung
hat, ist allerdings umstritten bzw. Belastungen und Ressourcen sind unscharf getrennt. Dies zeigt sich unter
anderem daran, dass Frauen mit einer
hohen beruflichen Zufriedenheit bei
gleichzeitig geringer Belastung mit
Pflegeaufgaben deutlich weniger depressive Symptome aufweisen als
Frauen, die beruflich unzufrieden sind
(Martire, Stephens, Atienza, 1997).
Dieser positive Effekt zufriedenstellender Berufstätigkeit «verpufft» allerdings dann, wenn die pflegerische Belastung sehr hoch ist: Die Anzahl
depressiver Symptome steigt in diesem
Fall auch bei den beruflich zufriedenen
Frauen stark an (Martire et al., 1997).
Insgesamt plädiert Scharlach (1994)
deshalb dafür, die Vereinbarkeit von
Berufstätigkeit und Pflege nicht nur als
Konflikt- und Problembereich zu beleuchten, sondern auch unter dem Aspekt von Kompensations- und Erweiterungsmöglichkeiten zu sehen – und
zwar in der beruflichen und pflegerischen Rolle.
Pflege 2009; 22: 277–286
Originalarbeit
Betriebliche Strategien und Angebote
Unternehmen setzen in erster Linie auf
folgende Strategien:
• Angebote zur Reduzierung und Flexibilisierung von Arbeitszeiten bzw.
Freistellung oder «job-sharing»
(Arksey, 2002; Beruf und Familie,
2007; BMFSFJ, 1997a; Howard, 2005;
Yeandle, Bennett, Buckner, Shipton,
Suokas, 2002)
• Flexibilisierung der Arbeitsplatzgestaltung, z. B. «home office» (Beruf
und Familie, 2007; Yeandle et al.,
2006)
• individuelle und betriebsübergreifende Information zur Thematik
(Beruf und Familie, 2007; Yeandle et
al., 2002)
• Beratung und Vermittlung von Pflegeinstitutionen und -möglichkeiten
(Howard, 2005)
• Sensibilisierung von Mitarbeitenden
und Vorgesetzten zur Vereinbarkeitsproblematik (Arksey, 2002; Beruf und Familie, 2007; Howard, 2005;
Schneider et al., 2006; Yeandle et al.,
2006)
• finanzielle Unterstützung bzw. Bereitstellung von pflegerischen Serviceleistungen für Mitarbeitende
(Beruf und Familie, 2007; Howard,
2005)
Maßnahmen im Bereich der Reduzierung und Anpassung von Arbeitszeiten
sowie eine flexible Arbeitsplatzgestaltung zählen sowohl im deutschsprachigen Raum als auch international zu
den wichtigsten betrieblichen Angeboten. Dies deckt sich in etwa mit den
Erwartungen, die pflegende Angehörige an einen familienfreundlichen Betrieb haben (BMFSFJ, 2006): Einer
repräsentativen Befragung zufolge
wünschen sie sich in erster Linie an
ihre familiären Aufgaben angepasste
Arbeitszeiten und Freistellungsmöglichkeiten. An zweiter Stelle rangiert
der Wunsch nach finanzieller Unterstützung. Darüber hinaus sehen die
Betroffenen auch die Vermittlung von
Betreuungsangeboten als wichtige
Unterstützung zur Verbesserung der
Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und
familiärer Pflege (BMFSFJ, 2006). Dies
– sowie individuelle fachliche Beratung – bieten beispielsweise in USamerikanischen Betrieben «occupational health nurses» an (Begriff für
Betriebskrankenschwestern im angloamerikanischen Raum; McGill & Kelley, 1990). Informationsmaterial und
die Organisation von Seminaren und
Ausstellungen dienen dazu, Mitarbeitende und Vorgesetzte für das Thema
«work & care» zu sensibilisieren und
zu dessen Ent-Tabuisierung beizutragen. Zudem bieten Unternehmen zum
Teil gezielte finanzielle Unterstützung
an, beispielsweise in Form von Spenden an Pflegedienste, die von den Mitarbeitenden in Anspruch genommen
werden. Diese Form der Unterstützung
wird vor allem im US-amerikanischen
Raum praktiziert, wo die Rolle des
Wohlfahrtsstaates traditionell wesentlich schwächer ausgeprägt ist als in europäischen Ländern (Phillips, 1995b).
Auch wenn international vermehrt solche Angebote – vorwiegend bei Großfirmen – geschaffen wurden, so wird
über die Erfahrungen bislang eher verhalten berichtet, bzw. die angebotenen
Möglichkeiten werden insgesamt von
Mitarbeitenden zu wenig genutzt. Erklärt wird dies zum einen damit, dass
Betroffene durch die Inanspruchnahme Nachteile am Arbeitsplatz befürchten. Zum anderen scheinen viele
Mitarbeitende entsprechende Angebote ihrer Betriebe gar nicht zu kennen. So haben Yeandle et al. (2002) in
einer Studie zu unterschiedlichen Firmen festgestellt, dass etwa nur die
Hälfte der von ihnen befragten Beschäftigten über die betrieblichen Angebote und Möglichkeiten informiert
ist. Vor allem in typischen Frauenbranchen (wie Reinigungsbetrieben, Hotellerie) fehlt es allerdings an Regelungen
zur Förderung der Vereinbarkeit von
«work & care» (BMFSFJ, 1997a; Phillips, 1995c). Deshalb werden Absprachen in zahlreichen Betrieben zumeist
informell getroffen und sind nur möglich, wenn diese den Arbeitsabläufen
nicht widersprechen. In deutschsprachigen Ländern wird zunehmend die
Funktion von betrieblichem Gesundheitsmanagement diskutiert und auch
implementiert (exemplarisch Ulich &
Wülser, 2005), in dessen Rahmen Fördermaßnahmen zur Vereinbarkeit von
Erwerbstätigkeit und Pflege umgesetzt
werden könnten. Zu fragen ist allerdings, inwiefern diese Dienste, die üblicherweise auf Prävention und Rehabilitation bei Mitarbeitenden spezialisiert
sind, neben der traditionellen Aufgabe
der Sozialberatung (BMFSFJ, 1997a;
Schneider et al., 2006) auch zur Thematik «work & care» tätig werden können,
denn dazu wären Kenntnisse zu pflegerischen Versorgungsfragen unabdingbar.
Gesetzliche Maßnahmen zur Unterstützung von pflegenden Erwerbstätigen
In Deutschland trat am 1. Juli 2008 das
Gesetz über die Pflegezeit (Pflegezeitgesetz, kurz: PflegeZG) in Kraft, welches
die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege verbessern soll. Damit liegt
erstmals eine gesetzliche Regelung vor,
die kurzzeitige pflegebedingte Abwesenheiten vom Arbeitsplatz sowie eine
zwar unbezahlte aber sozialversicherte
Freistellung («Pflegezeit») ermöglicht
(Kossens, 2008). Bereits davor bestehende Regelungen, z. B. zu Teilzeit- und
Freistellungsregelungen, beziehen sich
auf die Vereinbarkeit mit der Kindererziehung und -betreuung, die aber für
pflegende Erwerbstätige durchaus
nützlich sein können. In der Schweiz
können Erwerbstätige, die ihre Angehörigen zuhause pflegen und dadurch
erhebliche Lohneinbußen erleiden, bei
der Renten- oder Invalidenversicherung eine Kompensation beantragen;
281
I. Bischofberger Beruf und Pflege vereinbaren: Eine Literaturstudie
282
Originalarbeit
allerdings nur, wenn die pflegebedürftige Person bereits sogenannte «Ergänzungsleistungen» bezieht. Diese Möglichkeit ist bislang wenig bekannt, wird
dementsprechend kaum genutzt und
bezüglich Antragsverfahren unterschiedlich gehandhabt (Latzel & Andermatt, 2008). Mitarbeitende können
in der Schweiz gemäß Arbeitsgesetz
drei Abwesenheitstage pro Krankheitsereignis für die Pflege von kranken
Kindern (bis 15 Jahre) beziehen. Diese
Regelung gilt demnach nicht für die
Betreuung älterer Angehöriger. Eine
solche Anpassung wurde jüngst in
England im Rahmen des Carers Equal
Opportunities Act eingeführt (Evandrou & Glaser, 2008). Auch in Österreich erlaubt die sogenannte Pflegefreistellung, eine bis zwei Wochen
bezahlte Abwesenheit vom Arbeitsplatz, unabhängig vom Alter der
pflegebedürftigen Person. In Österreich dient zudem seit dem Jahr 2002
die Familienhospizkarenz dazu, dass
Erwerbstätige die Sterbebegleitung
schwerstkranker Angehöriger im eigenen oder fremden Haushalt übernehmen können (Pleschberger, 2002).
Nahe Angehörige können sich dazu
teilweise oder ganz zwischen drei und
sechs Monate vom Arbeitsplatz freistellen lassen. Der Lohn wird während
dieser Zeit sistiert, die Sozialversicherung jedoch weiter bezahlt.
Angebote der professionellen Pflege zur
Vereinbarkeit von «work & care»
Bislang sind pflegerische Dienste
und Einrichtungen noch wenig auf
die Vereinbarkeitssituation eingestellt
(BMFSFJ, 1997b; Phillips, 1995b;
Schneider et al., 2006). Dies betrifft
zum Beispiel die Verfügbarkeit von
Beratungsstunden am Abend (Fredriksen, 1996; Lilly et al., 2007; Martire et
al., 1997). Möglicherweise wird von den
Diensten Erwerbstätigkeit und Pflege
von Angehörigen als Dichotomie verstanden, der keine Beachtung ge-
schenkt werden muss, und die deshalb keine Angebotspalette erfordert.
Dies würde erklären, warum sich z. B.
ambulante Pflegedienste bislang mit
ihren Einsätzen kaum an den zeitlichen
Vorgaben von Erwerbstätigen orientieren (BMFSFJ, 1997b; Schneider et al.,
2006). Allerdings wünschen sich die
betroffenen Angehörigen erweiterte
Einsatzzeiten und die verlässliche
Einhaltung vereinbarter Termine
(Schneider et al., 2006). Darüber hinaus
könnten auch Angebote zur Krisenbewältigung pflegerischer Probleme
von Seiten der professionellen Pflege
hilfreich sein, da oftmals gerade zu
Beginn das häusliche Pflegearrangement von Notfällen und Versorgungskrisen geprägt ist. Neben Anpassungen
im ambulanten Bereich wäre auch
ein Ausbau von (teil)stationären Angeboten zur Tages-, Nacht- oder Urlaubspflege im Kontext von «work &
care» sinnvoll. Befragungen der europäischen Studie EUROFAMCARE3 zufolge, werden diese Angebote von pflegenden Angehörigen – zumindest in
Deutschland – noch wenig in Anspruch
genommen, was darauf hindeutet,
dass die Ausgestaltung, insbesondere
Flexibilisierung dieser Angebote und
deren Kommunikation optimierungsfähig sind. Darüber hinaus zählt der
finanziell nicht tragbare Preis der Angebote zu den wichtigsten Gründen,
warum professionelle Dienste nicht
nachgefragt werden (Lamura, Mnich,
Woiszel, Nolan, Krevers, Mestheneos et
al. 2006); das heißt, diese Dienste
müssen aus Sicht der pflegenden Angehörigen auch finanzierbar sein.
Berufstätige pflegende Angehörige benötigen nicht nur pflegepraktische
Hilfen, sondern vor allem auch organisatorische Unterstützung, und sie
haben einen auf ihre Situation ausge-
3 http://www.uke.uni-hamburg.de/extern/eurofamcare-de/
richteten Beratungsbedarf. Die Notwendigkeit, Care und Case Management in der Pflege auszubauen, ergibt
sich nicht nur aus der speziellen
Vereinbarkeitssituation berufstätiger
pflegender Angehöriger, aber bei ihnen
zeigt sich wegen der stark limitierten
Zeitressourcen der Bedarf besonders
deutlich (Rosenthal, Martin-Matthews,
Keefe, 2007). So wird gerade die zeitlich
aufwändige Administration von Versicherungsleistungen von erwerbstätigen pflegenden Angehörigen beklagt
(Phillips, 1995b; Schneider et al., 2006;
Yeandle et al., 2002). Die verstärkte
Übernahme von organisatorischen und
beraterischen Aufgaben durch die
professionelle Pflege beginnt sich im
deutschsprachigen Raum durchzusetzen, und entsprechende Kompetenzen
sind noch zu fördern (Görres & Böckler, 2004).
Neben der Anpassung von professionellen pflegerischen Angeboten
könnten Pflegedienste mit Unternehmen kooperieren, indem sie auf die
zunehmende Vereinbarkeitsproblematik hinweisen und Angebote entwickeln. So wären beispielsweise die
Durchführung von Sensibilisierungsund Informationsmaßnahmen in Betrieben oder spezielle Angebote von
Pflegediensten für betroffene Mitarbeitende in Unternehmen denkbar.
Diese – und auch die Ausweitung der
betrieblichen Sozialberatung auf pflegerische Belange – zählen international zu den Strategien, die professionelle Pflege zusammen mit Betrieben
entwickelt haben (Creedon, 1995; McGill & Kelley, 1990; Phillips, 1995a).
Hierzu wären auch internationale Kooperationsanstrengungen zur Etablierung innovativer Ansätze sinnvoll,
denn selbst in diesbezüglich fortschrittlichen Ländern wie England
werden Vereinbarkeitsangebote nicht
flächendeckend angeboten und genutzt (Yeandle et al., 2002).
Pflege 2009; 22: 277–286
Originalarbeit
Fazit
Anhand der bisherigen Ausführungen
zeigt sich, dass die Vereinbarkeit
von Erwerbstätigkeit und Pflege im
deutschsprachigen Raum noch wenig
konzeptualisiert ist. Vermutlich müsste
es zu einer deutlicheren Häufung des
Phänomens kommen, damit sich Unternehmen verstärkt mit der Thematik
auseinandersetzen (BMFSFJ, 1997a;
Schneider et al., 2006). Im Zuge der
Bemühungen zur «corporate social
responsibility», d. h. der unternehmerischen Verantwortung für gesellschaftliche Anliegen (exemplarisch:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2001), könnte die Thematik «work & care» in Betrieben
aufgegriffen werden, um mit den involvierten Personen proaktiv Strategien und Instrumente zur Unterstützung von pflegenden Mitarbeitenden
zu entwickeln. In diese Strategien
sind auch Pflegefachpersonen einzubeziehen. Durch ihre klinischen Kenntnisse und interprofessionellen Kooperationsbemühungen im Gesundheitswesen können sie die Abläufe
im Gesundheitssystem angehörigenfreundlich (mit)steuern, denn die oft
arbeitsteiligen Abläufe können sich negativ auf die Erwerbstätigkeit auswirken. Insofern ist die Beschäftigung mit
der Thematik «work & care» ein wichtiges Element einer zeitgemäßen familienorientierten Pflegepraxis.
Aus Forschungssicht ist abschließend
festzuhalten, dass die quantitativen
und qualitativen Dimensionen von
«work & care» besser zu erfassen und
zu konzeptualisieren sind. Dazu ist einerseits die Entwicklung eines Umfrageinstruments für Betriebe erforderlich, um die Prävalenzzahlen der
betroffenen Mitarbeitenden und deren
Beanspruchung für die familiale Pflege erfassen zu können. Zudem sollte
die Thematik «work & care» deutlicher
in bestehende statistische Erhebungen
eingebaut werden, um die nationalen
Prävalenzen besser zu kennen und
darauf basierend Problembereiche
identifizieren sowie Maßnahmen initiieren zu können. Andererseits sind
konkrete Situationsbeschreibungen zu
erarbeiten, die es Arbeitnehmenden
und Arbeitgebern erlauben, Details,
beispielsweise zum Krankheitsverlauf
des Familienmitglieds oder zum Unterstützungsbedarf, anhand exemplarischer Situationen zu verstehen und
die Erkenntnisse für die Lösung individueller Vereinbarkeitsarrangements
in den Betrieben zu nutzen. Insgesamt
sind klare gesellschafts-, gesundheitsund wirtschaftspolitische Positionierungen nötig, um die zunehmenden
Herausforderungen rund um «work &
care» zu meistern und die Konsequenzen für Individuen, Familien und
Betriebe abzufedern.
“work & care” – Combining employment and care: A literature analysis
on challenges for family caregivers,
companies, and nursing
In German speaking Europe, concepts
on combining family care and employment are widely lacking. However,
due to increased participation of
women in the labour market, women
have less time to engage in traditional
family care giving. For nurses, working
caregivers are challenging because
they are even more in need of integrated care models than non-caregivers. In the literature analysis, the current situation on “work & care” and
its relevance for nursing in Germanspeaking countries is discussed. After
presenting the relevance and the chosen research method, identified prevalence data are listed. Focusing on risks
and resources resulting from combining employment and care, strategies
and services used by companies are
analysed. Based on this analysis, concepts will be presented which enable
nurses to become involved in solutions
for family caregivers and the development of innovative nursing services.
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Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Iren Bischofberger
Kalaidos Fachhochschule Schweiz
Kalaidos Research
Hohlstraße 535
CH-8048 Zürich
E-Mail: [email protected]
www.kalaidos-fh.ch/research