Themenheft Risikofaktor Luft

Transcrição

Themenheft Risikofaktor Luft
Schadenspiegel 1/2008
Bestellnummer 302-05654
Münchener Rück Munich Re Group
© 2008
Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft
Königinstraße 107
80802 München
1/2008, 51. Jahrgang
Schäden und Schadenverhütung
Schadenspiegel
Themenheft
Risikofaktor Luft
Deutsch
Editorial
© 2008
Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft
Königinstraße 107
80802 München
Risikofaktor Luft
Stürmisch, zerstörerisch,
gefährlich.
Jutta Püschel
Unternehmenskommunikation
(Anschrift wie oben)
Telefon: +49 (89) 38 91-57 58
Telefax: +49 (89) 38 91-7 57 58
E-Mail: [email protected]
Bildnachweis
Titelbild: picture-alliance/dpa
S. 2, 3: MR-Archiv
S. 6: AP/Huntington Herald-Press/
Andrew Hancock
S. 10: U.S. Chemical Safety & Hazard
Investigation Board, Washington D.C.
S. 13: AP Photo/Stephen Morton
S. 14: Getty Images/John Fiordalisi
S. 18: Getty Images/Jim Reed
S. 22: MR-Archiv (Possler)
S. 24: Getty Images/David McNeese
S. 30 von links nach rechts: AP Photo/Staff/
Koundakjian, MR-Archiv, AP Photo, picturealliance/dpa, Getty Images/Junko Kimura,
MR-Archiv, MR-Archiv (Rauch), MR-Archiv
(Kron), Reuters/Carlos Barria
S. 31: von links nach rechts: picture-alliance/
dpa, picture-alliance/dpa, Jürgen A. Schwarz,
München, Loser/mediacolors, Sascha
Schuermann/ddp, Tannen Maury/AFP/
Getty Images
S. 33: 2005 NOAA /Getty Images
S. 35, 36: Marte Rebollar/AFP/Getty Images
S. 38, 40, 43: Maritime and Coastguard
Agency, Southampton, Hampshire
S. 44: Andanson James/Corbis Sygma
S. 45 von links nach rechts: Robert
Nickelsberg/Time Life Pictures/Getty Images,
Modrow/laif, AP Photo/Anat Givon
S. 46 von links nach rechts: Heeb/laif, Getty
Images/Tim Graham, Barry Lewis/Alamy
S. 47 von links nach rechts: Gabriel Bouys/
AFP/Getty Images, Getty Images/Paula
Bronstein, picture-alliance/dpa
S. 48 von links nach rechts: Chris Niedenthal/
Time Life Pictures/Getty Images, Peter
Scholey/Alamy, picture-alliance/dpa
S. 49 von links nach rechts: picture-alliance/
Uwe S. Meschede, Yann Arthus-Bertrand/
Corbis, Mark Ralston/AFP/Getty Images
S. 50, 53: Intel Corporation, Santa Clara, CA
S. 54 von links nach rechts: picture-alliance/
dpa, picture-alliance/dpa, picture-alliance/
dpa, AP Photo/Marcelo Min, Mandel Ngan/
AFP/Getty Images, picture-alliance/dpa
S. 55 von links nach rechts: picture-alliance/
dpa, Reuters/Reuters TV, picture-alliance/dpa,
picture-alliance/maxppp, Lothar Zimmermann, Hamm, picture-alliance/dpa
Redaktionsassistenz
Michael Domke
Unternehmenskommunikation
(Anschrift wie oben)
Druck
Druckerei Fritz Kriechbaumer
Wettersteinstraße 12
82024 Taufkirchen/München
Anmerkung der Redaktion
In Veröffentlichungen der Münchener Rück
verwenden wir in der Regel aus Gründen
des Leseflusses die männliche Form von
Personenbezeichnungen. Damit sind grundsätzlich – sofern inhaltlich zutreffend –
Frauen und Männer gemeint.
Weitere Hefte sind gegen eine Schutzgebühr
von 8 € erhältlich. Ihre Bestellung schicken
Sie bitte an [email protected].
Aufsichtsrat
Dr. Hans-Jürgen Schinzler (Vorsitzender),
Herbert Bach (stellvertretender Vorsitzender),
Hans-Georg Appel, Holger Emmert,
Ulrich Hartmann, Dr. Rainer Janßen,
Prof. Dr. Henning Kagermann,
Prof. Dr. Hubert Markl, Wolfgang Mayrhuber,
Kerstin Michl, Prof. Karel Van Miert,
Ingrid Müller, Prof. Dr. Heinrich v. Pierer,
Dr. Bernd Pischetsrieder,
Dr. Jürgen Schimetschek,
Dr. Albrecht Schmidt, Dr. Ron Sommer,
Wolfgang Stögbauer, Josef Süßl,
Judy Võ
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Telefon: +49 (89) 38 91-0
Telefax: +49 (89) 39 90 56
http://www.munichre.com
bewegte Luft kommt die Versicherungswirtschaft teuer: Stürme
verwüsten ganze Landstriche und richten Schäden in MilliardenEuro-Höhe an. In unserem Spezial „Wetterphänomen Sturm“
haben wir für Sie alles Wissenswerte rund um die Elementargefahr zusammengestellt. Wir zeigen Ihnen die Schadensituation
nach Hurrikan Wilma, der 2004 im mexikanischen Ferienparadies Yucatán wütete. Besonders heikel war hier die Regulierung
der Betriebsunterbrechungsschäden. Und: Wie aufwendig die
Bergung eines Containerschiffs sein kann, verdeutlicht das Beispiel der MSC Napoli – sie havarierte 2007 während des Wintersturms Kyrill.
Verantwortlich für den Inhalt
Claims Management & Consulting:
Nicholas Roenneberg
Geo Risks Research/Corporate Climate
Centre: Prof. Dr. Peter Höppe
Marine: Thomas Artmann
Risk, Liability & Insurance:
Christian Lahnstein
Schaden: Dr. Paolo Bussolera,
Arno Studener, Dr. Eberhard Witthoff
Space: Philip Ruari McDougall
Doch der „Risikofaktor Luft“ geht über die reine Sturmgefahr
hinaus. Stichwort Luftverunreinigung: Von den Umweltmedien
Luft, Boden und Wasser beeinflusst die Luft unser körperliches
Wohlbefinden besonders intensiv. Wie verhält es sich mit Aufwendungen für asbestverursachte Berufskrankheiten oder
imissionsbedingte Atemwegserkrankungen? Und: Ist Luft der
Freund der Luftfahrt oder vielmehr ein unkalkulierbares Risiko?
Im Interview mit einem Piloten und Aviation-Underwriter klären
wir, wie gefährlich turbulente Luftbewegungen für den Flugverkehr wirklich sind.
Luft kann auch Feuer fangen: So berichten unsere Autoren im
vierten und letzten Themenheft der Reihe „Wasser, Feuer, Erde,
Luft“ über die Explosionsgefahr brennbarer Stäube. Außerdem
über die Notwendigkeit reiner Luft bei der Halbleiterproduktion
oder über eine defekte Windenergieanlage, deren Rotor ungebremst immer schneller drehte, bis ein Rotorblatt abknickte.
Schließlich finden Sie in dieser Ausgabe auch unseren Rückblick
auf die Großschäden 2007.
Wie gefällt Ihnen das Heft? Schreiben Sie uns doch unter:
[email protected]
Redaktion
Daniela Pürzer
Unternehmenskommunikation
(Anschrift wie oben)
Telefon: +49 (89) 38 91-93 84
Telefax: +49 (89) 38 91-7 93 84
E-Mail: [email protected]
Ihr Schadenspiegel-Team
ISSN 0940-8878
Auf www.munichre.com können Sie im Publikationsportal alle Schadenspiegel-Ausgaben seit 2000 bestellen oder als PDF herunterladen.
Die Zeitschrift erscheint in zwangloser
Folge. Nachdruck ohne Genehmigung
nicht gestattet.
Inhalt
Erneuerbare Energien
Nichts dreht sich mehr:
Defekte Windenergieanlage
Ein Rotorblatt knickt und wird
um die Gondel gewickelt.
Seite 2
Brandrisiko
Staubexplosionen – wenn die Luft
Feuer fängt
Brennbare Stäube gefährden die
Industrie.
Seite 6
Im Interview
Luftfahrtrisiken
Scherwind und Wirbelschleppen
Moderne Technik macht
Luftfahrtrisiken beherrschbar.
Seite 14
Umweltrisiko
Luftverunreinigung und Haftung
Gesundheitsbelastungen durch
Asbest und Emissionen.
Seite 44
Spezialrisiko
Reine Luft bei der Halbleiterproduktion
Warum Brandschutz in der Branche
so wichtig ist.
Seite 50
Spezial:
Wetterphänomen Sturm
Stürme – weltweit bedeutendste
Elementargefahr
Schadenprävention heißt auch,
windfest zu bauen.
Seite 19
Hurrikan Wilma – Regulierung von
Betriebsunterbrechungsschäden
Wie werden Entschädigungszahlungen berechnet?
Seite 32
Wintersturm Kyrill – die MSC Napoli
Schwierige Bergung von Schiff
und Container.
Seite 38
Großschäden 2007
Brände, Flugzeugunglücke,
Naturkatastrophen
Seite 54
Leserbriefe
Seite 57
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
1
Erneuerbare Energien
Nichts dreht sich mehr:
Defekte Windenergieanlage
Mehr als vier Monate verstrichen, bis sich ein weit reichender
Fehler, der bei Servicearbeiten an einer 2,5-MW-Windenergieanlage begangen wurde, zu einem spektakulären Schaden
ausweitete. Wie so oft war menschliches Versagen die Ursache.
Der Betrieb der Anlage wurde nicht nur jäh unterbrochen – er
machte langwierige und umfangreiche Reparaturen erforderlich.
Autoren
Winrich Krupp, Markus von Stumberg, beide München
Ein spektakulärer Anblick: Das
Rotorblatt der Windenergieanlage wurde um den Stahlturm
gewickelt. Menschliches Versagen und technische Mängel
führten zu diesem Schaden.
2
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Erneuerbare Energien
Die Anlage ist Teil einer Windfarm, in der zwanzig
Windenergieanlagen im Verbund zusammengeschlossen sind. Etwa ein Jahr lang arbeiteten
alle Anlagen ohne bemerkenswerte Auffälligkeiten.
So ergab auch ein routinemäßiger Serviceeinsatz
des Herstellers keine Beanstandungen. Jedoch:
Bei den Wartungsarbeiten an einer der 2,5-MWAnlagen wurde ein folgenschwerer Fehler begangen – der zunächst noch unentdeckt blieb.
Der Schaden
Erst vier Monate später führte das unglückliche
Zusammentreffen mit weiteren Fahrlässigkeiten
und widrigen Begleitumständen zum Schaden.
Was war geschehen?
Die automatische Überwachungsanlage des Windparks erfasste am Schadentag eine Störung in
dem Hochspannungs-Erdkabel, das den Windpark
mit einer etwa 10 km entfernten Umspannstation
verband. Wie für einen solchen Fall vorgesehen,
löste sie automatisch das Herunterfahren aller
Windenergieanlagen und die elektrische Trennung
vom Netz aus.
Dazu drehten Stellmotoren die Rotorblätter der
Anlagen in die sogenannte Segelstellung. Die seitlich angeströmten Blätter bieten auf diese Weise
dem Wind nur noch die geringst mögliche Angriffsfläche, und die Rotoren kommen zum Stehen.
Zusätzlich wurden Rotorbremsen aktiviert, um
den Stillstand zu sichern.
Doch nur neunzehn der zwanzig Windenergieanlagen folgten der vorgesehenen Routine zum
koordinierten Stopp. Eine führte die automatisierte
Sequenz nicht aus. Im Gegenteil: Vom Stromnetz
getrennt und somit ungebremst, drehte ihr Rotor
immer schneller, bis eines der drei Rotorblätter
den Druck- und Fliehkräften schließlich nicht mehr
standhalten konnte: Das rund 38 m lange glasfaserverstärkte Kunststoffblatt knickte ab und wurde
um die Gondel gewickelt, die sich an der Spitze des
rund 80 m hohen Stahlturms befindet.
Doch damit nicht genug: Die große Unwucht durch
den sich weiter drehenden Rotor und die daraus
resultierenden Kräfte und Drehmomente wurden
durch den Turm der Anlage in das Fundament aus
Stahlbeton weitergeleitet. Während der Stahlturm
durch die vergleichsweise hohe Elastizität des
Werkstoffs praktisch unbeschädigt blieb, stellte
man später im Betonfundament zahlreiche Risse
fest. Die Schäden waren dort so stark, dass ein vollständiger Abtrag und Wiederaufbau nötig wurde.
Risse im Beton ließen keine
Wahl: Das Fundament der
Anlage musste abgetragen
und neu wiederaufgebaut
werden.
Auch den Rotor mit den zwei verbliebenen Rotorblättern musste man komplett austauschen.
Dagegen konnte die Gondel – in ihr befinden sich
Generator und Getriebe inklusive der Rotorlagerung – repariert werden.
Fazit: Neben einem Sachschaden von rund 2 Millionen € fiel die Anlage für mehrere Monate aus.
Die Ursache
Betreiber wie auch Hersteller war es gleichermaßen
wichtig, der Schadenursache sofort und genau auf
den Grund zu gehen – nicht zuletzt, um einen weiteren gleich gelagerten Vorfall auszuschließen.
Nach Auswertung aller aufgezeichneten Betriebsdaten, der Serviceprotokolle, der Anlagensoftware
und weiteren Untersuchungen vor Ort als auch im
Werk des Herstellers ergab sich zweifelsohne:
Bei den Wartungsarbeiten, die dem Schaden vorausgegangen waren, wurden Alarme zur Überwachung der Anlage vorübergehend außer Kraft
gesetzt und nach Abschluss der Arbeiten fehlerhafterweise nicht mehr reaktiviert. Die weit reichenden Konsequenzen dieses Fehlers: Eine Tief-Entladung des netzunabhängigen Batteriesystems, das
die Stellmotoren der Rotorblatt-Anstellung mit
Energie versorgen sollte, blieb unerkannt.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
3
Erneuerbare Energien
Tab. 1 Bauteile einer Windenergieanlage –
und deren häufigste Schadenursachen
Lager und Wellen
Abnutzung
Ermüdung/Risse
Generator
Wicklungsschäden
Unsymmetrien
Überhitzung/Brand
Getriebe
Abnutzung Zähne
Versatz
Überlastung
Exzentrizität
Schmiermittel
Als Ursache der Tief-Entladung stellte sich zum
einen ein fehlerhafter Schleifring heraus, dessen
Aufgabe es ist, das Batterie-Ladegerät mit Strom zu
versorgen. Hinzu kam ein korrodierter Kontakt im
Kabelsystem des Ladegeräts. Als Folge war die
automatische Anlagensteuerung nicht mehr in der
Lage, die Rotorblätter während des Stromausfalls
in Segelstellung zu bringen.
Rotorblätter
Blitzschlag
Eisansatz
Ermüdung/Risse
Unwucht
Aus Erfahrung klug
Turm
Resonanzen
Ermüdung/Risse
Quelle: Gesamtverband
der Deutschen
Versicherungswirtschaft e.V.
(GDV), Berlin
Abb.1 Top-5-Länder: Installierte Leistung 2007
Deutschland
22 247 MW
USA
16 818 MW
Spanien
15 145 MW
Indien
8 000 MW
China
6 050 MW
0
5 000
10 000
15 000
Klarer Spitzenreiter: Weltweit
führt Deutschland mit einer
installierten Gesamtleistung
von 22 247 MW am Markt der
Windenergie. Künftig kann
sich auch die Weiterentwicklung des Offshore-Segments
positiv auf den durch Wind
erzeugten Energieanteil auswirken.
Quelle: Global Wind Energy
Council (GWEC), Brüssel
4
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
20 000 MW
Mit einem vollständig aktivierten Sicherheitssystem hätte die Steuerung alle technischen Mängel
erkannt und die Anlage rechtzeitig außer Betrieb
genommen. Ausschlaggebend für die beschädigte
Windenergieanlage waren daher eindeutig die
außer Kraft gesetzten Alarme.
Immerhin: Der Hersteller der Windenergieanlage
reagierte mit einer Reihe von Maßnahmen vorbildlich. Von nun an durchläuft das Wartungspersonal
nochmals verbesserte Schulungsmaßnahmen.
Besonderen Wert legt man seitdem auf vertiefte
Kenntnisse über Funktion und Bedeutung der
Sicherheitssysteme. Eine Softwareänderung der
Überwachungsanlage verhindert künftig, dass sich
besonders wichtige Alarme abschalten lassen,
etwa in Bezug auf Überdrehzahl, Schwingungen,
Temperaturen und Batterie-Ladezustand.
Zusätzliche Sicherheit bieten verschärfte Passwortkontrollen sowie stark eingeschränkte Berechtigungsstufen in der Betriebssoftware, die nun
notwendig sind, um Überwachungs- und Sicherheitseinrichtungen zu umgehen. Nicht zuletzt wird
seither die volle Funktionsfähigkeit der Überwachungsanlage täglich automatisch über Datenfernabfrage überprüft.
Fazit
Fest steht: Der manuelle Eingriff in Überwachungsund Steuerungssysteme technischer Anlagen –
ob bei Inbetriebnahme oder während der späteren
Betriebsphase – stellt für deren Sicherheit stets
eine enorme Gefahr dar. Wo es im Einzelfall unvermeidbar ist, solche Systeme zu deaktivieren, erfordert dies größte Sorgfalt, Kenntnis und Zuverlässigkeit des verantwortlichen Personals. Denn
häufig führt gerade diese Ausnahmesituation zu
enormen Schäden.
Erneuerbare Energien
Windbranche im Aufwind
Doch das Schadenpotenzial steigt
Rotorfeststellbremse
Schadenspiegel-Team
Getriebe
Elektrische
Schaltanlage und
Regelsystem
Rotornabe,
Welle und
Stellwerk
Gondel
Generator
Rotorachse
Rotorblatt
Turm
Fundament
Transformator
Grafik: Münchener Rück
Abb. 2 Schematischer Aufbau einer Windenergieanlage
Mithilfe von Rotoren wandelt die Anlage Windenergie in mechanische Rotationsenergie um.
Wo früher Windmühlen diese Energie für rein
mechanische Anwendungen direkt nutzten, treibt
man damit heute Generatoren an, um elektrische
Energie zu erzeugen.
In der EU drehen sich derzeit Windenergieanlagen
mit einer Gesamtleistung von über 48 000 MW.
Damit ist der europäische Markt in den vergangenen 5 Jahren um rund 300 % gewachsen. Der
starke Wettbewerb unter den Herstellern ließ nicht
nur die Zahl der Anlagen kontinuierlich steigen,
sondern auch die Turbinen wurden im Laufe der
Zeit immer größer und leistungsfähiger. Betrug
etwa 1992 die durchschnittlich installierte Leistung
einer Anlage in Europa weniger als 200 kW, so
waren es bei den neuinstallierten Anlagen 2006
rund 1 800 kW. Für die Assekuranz bedeutet Windkraft ein riskantes Geschäft: Defekte Getriebe, überhitzte Generatoren und verschlissene Lager – Materialermüdung und mangelnde Zuverlässigkeit bei
Service und Wartung sind die Hauptursachen für
Schäden. Je leistungsfähiger die Anlagen werden,
desto schadenanfälliger sind sie auch. Hinzu
kommt: In der noch jungen Branche gibt es erst
seit wenigen Jahren praktische Erfahrungswerte.
Bereits jetzt ist aber klar, dass Regulierungskosten
für Maschinen- und Maschinen-Betriebsunterbrechungs-Versicherungen von Windenergieanlagen in den nächsten Jahren kontinuierlich
steigen werden.
Um das Ausmaß der Schäden möglichst gering zu
halten, muss nicht nur mehr Zeit in Entwicklung
und Erprobung neuer Anlagen investiert werden,
es sind auch höhere Qualitätsstandards für Fertigung, Wartung und Reparatur nötig. Nach einer
exakten und umfassenden Risikobewertung müssen die Versicherer daher auf Vorbeugung und
Schadenvermeidung setzen: Wartungs- und
Instandhaltungsklauseln sollten fester Bestandteil
jedes Versicherungsvertrags sein. Darin muss
unter anderem festgehalten werden, in welchen
Abständen die wesentlichen Anlagenkomponenten
ausgetauscht bzw. überholt werden.
In der sogenannten Gondel befinden sich auf der
liegenden Rotorachse Rotornabe, Getriebe und
Generator. Die Gondel wird der Windrichtung
nachgeführt und stellt sicher, dass sich der Rotor
den Windbedingungen optimal anpassen kann.
Übrigens: Erst ab einer bestimmten Geschwindigkeit des Winds – der sogenannten Anlaufwindgeschwindigkeit – ist der Betrieb einer Windenergieanlage technisch und wirtschaftlich sinnvoll.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
5
Brandrisiko
Staubexplosionen – wenn die Luft
Feuer fängt
Schätzungsweise ereignet sich in Europa täglich eine Staubexplosion. Gefahr besteht grundsätzlich – wie eine aktuelle
Studie aus den USA zeigt – in allen Industrieanlagen, in
denen brennbare Stäube vorkommen, vorausgesetzt, deren
Konzentration in der Luft stimmt und es gibt eine Zündquelle.
Versicherer kostet diese explosive Mischung Millionen Euro.
Autor
Dr. Alfons Maier, München
Großbrand beim Automobilzulieferer Hayes Lemmerz
International: Einer Aluminiumstaubexplosion folgte ein
Feuerball mit enormer Brandentwicklung.
6
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Brandrisiko
Es gilt: Brennbare Stäube sind umso explosiver,
je kleiner und feiner verteilt die Partikel in der
Luft sind. Als Zündquelle reicht eine kleine elektrische Entladung, ausgelöst zum Beispiel durch
das Ziehen eines Steckers oder ein heißes
Metallteil, aus.
Staubexplosionen in der Agrarindustrie, USA
Die Staubexplosionsstatistik der US-amerikanischen Agrarindustrie erfasst:
Besonders die holz-, kunststoff- und metallverarbeitende Industrie sowie Chemie-, Papier-,
Agrar-, Futtermittel- und Nahrungsmittelindustrie
kennen das Risiko der Staubexplosion und versuchen daher, durch Prävention solche Ereignisse
zu verhindern. Viele Anlagen produzieren über
Jahre hinweg ohne Schaden.
– 192 Explosionen von 1957 bis 1975 mit Schäden
von 55 Millionen US$,
– 490 Explosionen in den Jahren 1900 bis 1956 mit
Schäden von rund 70 Millionen US$,
– 202 Ereignisse von 1979 bis 1988 mit Schäden
von 169 Millionen US$,
– 1996 bis 2005 zählte man 106 Explosionen mit
Schäden von rund 163 Millionen US$.
Statistiken zu Staubexplosionsschäden
Bekannt für große Schäden und eine gewisse
Schadenhäufigkeit sind trotz aller Vorkehrungen
hauptsächlich die Agrar- und Nahrungsmittelindustrie. Zwar ereignen sich auch in anderen Industrien immer wieder einzelne Großschäden, aussagekräftige Statistiken aber werden hier nur für
bestimmte Bereiche oder Industriezweige und
auch nur für einzelne Länder erstellt und gepflegt.
Sie sind meist kaum miteinander zu vergleichen,
weil man Quellen heranzieht, die sich in Bezeichnung und Zusammenstellung der Stäube, Anlagentypen und Zündquellen unterscheiden. Staubexplosionen in der Agrarindustrie oder durch
Kohlenstaub, etwa im Bergbau, sind dagegen
überwiegend gut erfasst.
Das bedeutet: etwa ein Ereignis pro Monat. Wobei
die Anzahl der jährlichen Ereignisse zwischen
6 und 18 und die Höhe der Einzelschäden zwischen
etwa 4 und 56 Millionen US$ schwanken.
Als langjähriger Trend ist erkennbar: Staubexplosionen in der Agrarindustrie treten vorwiegend in
Elevatoren (z. B. Ketten- oder Becherelevatoren als
Förderanlagen für Getreide) in Futtermittel- und
Mehlmühlen sowie in Siloanlagen auf.
Dokumentation Staubexplosionen, Deutschland
Für Deutschland wertete das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung über einen Zeitraum von etwa 25 Jahren
bis einschließlich 1995 in verschiedenen Industriebereichen 599 Staubexplosionen aus.
Was ist eine Staubexplosion ?
Bei einer Staubexplosion entzündet
sich eine Mischung aus Staubpartikeln in der Luft: Die Partikel müssen
aus brennbarem Material bestehen,
kleiner als etwa 500 µm sein, und ihre
Konzentration in der Luft muss zwischen der unteren Explosionsgrenze
(UEG) und der oberen Explosionsgrenze (OEG) liegen. Beispielsweise
liegt für viele Nahrungsmittelstäube
die UEG zwischen 30 und 60 g/m3,
die OEG bei 2 bis 6 kg/m3.
Außerdem müssen Sauerstoff und
eine Zündquelle, die ausreichend
Energie liefert, vorhanden sein.
Man unterscheidet zwischen primären und sekundären Staubexplosionen. Von einer primären Staubexplosion spricht man, wenn sich
eine Staubsuspension etwa in einem
Container, Raum oder Anlagenteil
entzündet und explodiert. Eine
sekundäre Staubexplosion liegt vor,
wenn am Boden oder auf anderen
Oberflächen abgelagerter Staub
durch die primäre Explosion aufwirbelt und sich entzündet. Es folgt eine
Kettenreaktion: Die Druckwelle der
sekundären Staubexplosion kann
weitere Staubablagerungen aufwirbeln, die erneut in Staubexplosionen
verpuffen.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
7
Brandrisiko
Rückblick:
Große Staubexplosionen in der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie
Die erste dokumentierte Staubexplosion ereignete sich 1785 in einem
Lagerhaus für Mehl im italienischen
Turin. Seitdem haben die Explosionen nichts von ihrer Häufigkeit und
Zerstörungskraft verloren: 1977
kamen in den USA bei fünf Staubexplosionen in Getreidesilo-Anlagen
59 Personen ums Leben, 49 wurden
verletzt.
1997 starben bei einer Explosion in
einem Getreidesilo in Blaye, Frankreich, zwölf Menschen, der Sach- und
Betriebsunterbrechungsschaden
belief sich auf etwa 23 Millionen €.
Von 44 Silozellen blieben nur 16 in
ihrer ursprünglich geometrischen
Struktur erhalten. Aus Sicherheitsgründen musste jedoch auch der
verbleibende Rest der Anlage
gesprengt werden.
14 Tote, 17 Verletzte und ein Sachschaden von umgerechnet über
50 Millionen € waren die Folgen einer
Mehlstaubexplosion 1979 in der
Bremer Rolandmühle, Deutschland.
Im gleichen Jahr traf es eine Futtermittelfabrik in Lérida, Spanien. Die
Bilanz: 10 Tote und eine schwer
beschädigte Getreidesilo-Anlage.
1998 explodierte in Haysville, Kansas, USA, in einer großen Getreidesilo-Anlage ein Staub-Luft-Gemisch:
7 Tote, 10 Verletzte, ein geschätzter
Sach- und BU-Schaden von mehreren Millionen US$. Allein die Kosten
für Rettungs-, Lösch- und Folgemaßnahmen beliefen sich auf rund
850 000 US$.
Obwohl die Konstruktion von Getreidesilos im Laufe der Jahre deutlich verbessert wurde, ereignen sich
Explosionen weiter mit beunruhigender Regelmäßigkeit.
mit 3 Toten und 7 Verletzten. Nur
einen Monat später war wiederum
ein Hafenterminal betroffen, diesmal
in Paranaguá, Brasilien. Bilanz hier:
Totalschaden an einer Lagerhalle.
Die Wucht der Explosion schleuderte
rund 300 kg schwere Betonteile mehrere hundert Meter weit, Dachteile
sogar bis zu 1 km. Das Getreide
brannte annähernd 3 Wochen lang.
2002 zerstörte eine Staubexplosion,
die sich während der Beladung eines
Schiffs mit Soja im Hafen von San
Lorenzo, Argentinien, ereignete, den
gesamten Terminal. 3 Menschen
starben, 19 wurden verletzt.
Im Hafen von Puerto General San
Martín, Argentinien, kam es 2001 an
einem Terminal zu einer schweren
Staubexplosion in einer Siloanlage
Abb. 1 Anteil der am häufigsten betroffenen Anlagen
in den Staubgruppen
Die Gesamtübersicht zeigt:
Silos/Bunker sind die
Anlagen, in denen sich am
häufigsten Staubexplosionen ereignen. Vor allem
in den Staubgruppen Holz
und Kohle haben sie mit
34,7 % und 22,2 % den größten Anteil.
Staubgruppen
19,4 %
Gesamtübersicht
Silos/Bunker
Holz/Holzprodukte
Silos/Bunker
Papier
Mahlanlagen
Kohle/Torf
Silos/Bunker
Nahrungs- und
Futtermittel
Förderanlagen/Elevatoren
Kunststoffe
Mischanlagen
Metalle
Entstaubungsanlagen/Abscheider
Sonstige
Mahlanlagen
0
34,7 %
25 %
22,2 %
26,9 %
15,4 %
44,1 %
18,6 %
10
20
30
40
50
Anteil in %
8
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Brandrisiko
Eine Übersicht der am häufigsten betroffenen
Anlagen in den einzelnen Staubgruppen (Holz/
Holzprodukte, Papier, Kohle/Torf, Nahrungs- und
Futtermittel, Kunststoffe, Metalle und Sonstige)
zeigt Abb. 1. Die Zündquellen, die am häufigsten in
den einzelnen Staubgruppen auftraten, sind die
mechanischen (siehe auch Abb. 2).
Neue Erkenntnisse:
„Combustible Dust Hazard Study“
Die „Combustible Dust Hazard Study“ des U.S.
Chemical Safety and Hazard Investigation Board
(CSB) aus dem Jahr 2006 fasst nun erstmals
Schäden aus verschiedenen Industriezweigen in
einer Untersuchung zusammen. Sie zeigt:
Explosionsgefahr besteht in allen Industrien,
in denen brennbare Stäube vorkommen.
Untersucht wurden neben der Nahrungsmittelindustrie die Bereiche Gummi, Metall, Holz, Pharmazeutik, Plastik, Farben und Beschichtungen,
synthetisch organische Chemie und andere Industrien, für die es teilweise keine umfassenden
Sicherheitsvorschriften der Occupational Safety
and Health Administration (OSHA) gibt. Die Agrarindustrie und den Kohlebergbau bezog man nicht
ein, weil hier die Sicherheitsvorschriften „Grain
Handling Facilities and Standards“ und „Mine
Health and Safety Act Regulation“ gelten.
Einrichtungen wie Krankenhäuser, Militär,
Forschungsinstitute sowie der Bereich Transport
blieben ebenfalls unberücksichtigt.
Für 1980 bis 2005 listet die Studie 281 größere
Staubexplosionen mit 119 Toten und 718 Verletzten
auf. Das zeigt: Für die Industrie sind Staubexplosionen ein großes Sicherheitsproblem. Verletzte und
Tote registrierte man bei immerhin 71 % der Schadenfälle in verschiedenen Industriezweigen. Die
Explosionen ereigneten sich in 44 Bundesstaaten.
Dabei waren unterschiedliche Materialien beteiligt.
Man zählte eine durchschnittliche Häufigkeit von
10 Staubexplosionsereignissen pro Jahr in diesem
Zeitraum. Die Industriezweige Nahrungsmittel
(25 %), Holz (15 %), Chemie (12 %) und Metall (8 %)
verzeichneten mehr als die Hälfte der Ereignisse.
Für die Staubexplosionen verantwortlich waren:
Holzstäube (24 %), Nahrungsmittelstäube (23 %),
Metallstäube (20 %) und Plastikstäube (14 %).
Abb. 2 Anteil der am häufigsten aufgetretenen Zündquellen
in den Staubgruppen
Die Abbildung verdeutlicht,
welche Zündquellen in den
einzelnen Staubgruppen am
häufigsten vorkommen. Die
„mechanischen Zündquellen“
haben außer in der Staubgruppe Kohle/Torf den größten
Anteil.
Staubgruppen
Gesamtübersicht
Mechanische Zündquellen
Holz/Holzprodukte
Mechanische Zündquellen
Papier
Mechanische Zündquellen
Kohle/Torf
Glimmnest
Nahrungs- und
Futtermittel
Mechanische Zündquellen
Kunststoffe
32,7 %
35,9 %
50 %
25,4 %
35 %
Mechanische Zündquellen
29,2 %
Elektrostatische Entladung
Metalle
Sonstige
30,8 %
49,4 %
Mechanische Zündquellen
Mechanische Zündquellen
23,7 %
Elektrostatische Entladung
23,7 %
0
10
20
30
40
50
Quelle Abb. 1 und Abb. 2:
Jeske, Arno; Beck,
Hartmut: Dokumentation
Staubexplosionen – Analyse
und Einzelfalldarstellung,
Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften
(HVBG) (Hrsg.), St. Augustin,
BIA-Report 11/1997.
Anteil in %
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
9
Brandrisiko
Polyethylenstaub explodierte
bei West Pharmaceutical
Services, Inc. Die Produktionsanlage für pharmazeutische
Produkte wurde vollständig
zerstört.
Eine Serie von PhenolharzStaubexplosionen verwüstete
die Produktion von CTA
Acoustics, Inc. Mangelhafte
Sauberkeit war einer der
Gründe, warum sich der Harzstaub entzünden konnte.
10
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Brandrisiko
Schadenbeispiele
Drei große Staubexplosionen in den USA aus dem
Jahr 2003 mit insgesamt 14 Toten und 81 Verletzten
waren mit ein Grund, warum das CSB die „Combustible Dust Hazard Study“ durchführte. Anhand
dieser untersuchten Schadenfälle lassen sich
einige typische Faktoren herausfiltern, die zu
Explosionsschäden führen.
West Pharmaceutical Services, Inc.
Polyethylenstaub war die Ursache für die Explosion bei West Pharmaceutical Services, Inc., Kinston, North Carolina, am 29. Januar 2003, bei der
6 Menschen starben und das Werk vollständig
zerstört wurde. Das Unternehmen produzierte an
diesem Standort pharmazeutische Produkte aus
Gummi: Im Produktionsprozess tauchte man
Gummistreifen in eine Polyethylenpulver-Flüssigkeits-Mischung und trocknete sie anschließend an
der Luft, dabei wurde feiner Polyethylenstaub
freigesetzt. Aufgrund der hohen Hygieneanforderungen an pharmazeutische Betriebe wurde der
Produktionsbereich regelmäßig gereinigt. Allerdings sammelte sich brennbarer, feiner Plastikstaub oberhalb der abgehängten Decke an und
entzündete sich mit einer nachfolgenden Staubexplosion.
Einige Mitarbeiter wussten zwar von den Ablagerungen, man hatte sie jedoch nicht für die Gefahren
einer Staubexplosion sensibilisiert. Auch das
Sicherheitsdatenblatt, das Material Safety Data
Sheet für die Polyethylenmischung, enthielt keine
Warnung vor möglichen Staubexplosionen. Und:
Der Sicherheitsreview-Prozess des Unternehmens
berücksichtigte für diesen Produktionsschritt die
Explosionsgefahr nicht.
Die OSHA, die lokale Brandbehörde, Versicherungs- und Hygieneexperten hatten den Betrieb
besichtigt, die Staubexplosionsgefahr aber letztlich
nicht erkannt. Daher waren die elektrischen Leitungen im Deckenbereich auch nicht entsprechend
der Gefährdung ausgelegt.
Das CSB folgert: Die Explosion hätte verhindert
oder in ihren Auswirkungen reduziert werden können, wenn die Standards für brennbaren Staub der
National Fire Protection Association eingehalten
worden wären. Der versicherte Schaden betrug
nach Presseberichten insgesamt 41 Millionen US$
(Sach: 32 Millionen US$, BU: 9 Millionen US$).
Weitere Kosten im Millionenbereich ergaben sich
für West Pharmaceutical Services, Inc. vor allem
aus Versicherungsselbstbehalt, Untersuchungs-,
Anwalts- und Umweltkosten.
CTA Acoustics, Inc.
Eine Staubexplosionsserie ereignete sich am
20. Februar 2003 bei CTA Acoustics, Inc., die in
Corbin, Kentucky, Isolations- und Dämmmaterial
für die Automobilindustrie herstellt. Die Bilanz:
7 Tote, 37 Verletzte und eine zerstörte Produktionsanlage. Während der Herstellung imprägnierte
man Fiberglasmatten mit Phenolharzen. Am Tag
der Explosion stand ein Härteofen aufgrund eines
Temperaturproblems offen. Vermutlich wirbelten
Arbeiter, die den Produktionsbereich in der Nähe
des Ofens säuberten, brennbare Harzstäube auf,
die sich sofort entzündeten.
Laut CSB trugen sehr wahrscheinlich Anlagendesign, Arbeitspraktiken und Probleme bei Ordnung
und Sauberkeit zu dieser Staubexplosion bei. Das
Produktionsgebäude war zudem nicht dafür ausgelegt, sekundäre Explosionen zu minimieren: beispielsweise durch eine Reduzierung flacher Oberflächen, auf denen sich Staub ablagern kann, oder
die Errichtung von Brandwänden zur Trennung einzelner Produktionsbereiche.
Das CSB ermittelte außerdem: Das Sicherheitsdatenblatt, das für das verwendete Harz vorliegt,
verdeutlichte die Staubexplosionsgefahr nicht
ausreichend. Ferner hatten die zuständigen Behörden keine Auflagen wegen Staubexplosionsgefahren erlassen und die Brandschutzbehörde hatte
den Betrieb nicht besichtigt. Auch der Versicherer
erkannte die Explosionsgefahr des Phenolharzstaubs nicht.
Auch hier folgert das CSB: Wären in Bezug auf Ordnung und Sauberkeit sowie Brand- und Explosionsbarrieren die Standards der National Fire Protection
Association umgesetzt worden, hätten die Explosionen verhindert oder minimiert werden können.
Ein Geschworenengericht lastete laut Presseberichten dem Harzlieferanten nach langwierigen
Verhandlungen die Hauptverantwortung für die
Explosion an und verurteilte ihn zu einer Entschädigungsleistung von rund 123 Millionen US$ an
CTA Acoustics, Inc. Begründung: Der Lieferant
hatte keine ausreichenden Sicherheitsvorschriften
für den Umgang mit dem Harz zur Verfügung
gestellt und nicht auf die Explosionsgefährdung
hingewiesen.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
11
Brandrisiko
Hayes Lemmerz International
Zum dritten Großschaden kam es am 29. Oktober
2003 in Huntington, Indiana: Hier explodierte Aluminiumstaub. Ein Mitarbeiter wurde getötet, mehrere wurden verletzt. Die Explosion fand in dem
Bereich der Produktion statt, der zur Herstellung
von Aluminiumguss und Aluminiumlegierungen
für Fahrzeugfelgen dient: Aluminiumschrott wird
zerkleinert, weiter im Verarbeitungsbereich
transportiert und getrocknet, anschließend landet
das Aluminium im Schmelzofen.
Während das Material transportiert wird und
anschließend trocknet, gelangt brennbarer Aluminiumstaub in die Luft. Diesen sammelte man in
einem Staubabscheider (Filteranlage). Vermutlich
explodierte der Staub dort. Wahrscheinlich ist,
dass der Abscheider nicht ausreichend belüftet
oder gereinigt worden war, außerdem lag er zu
nahe am Verarbeitungsbereich. Die Explosion
setzte sich durch die Abluftkanäle fort, und: Im
Bereich des Ofens brach ein großer Feuerball aus.
Das CSB stellte fest: Das Staubabscheidesystem
war nicht staubexplosionssicher ausgelegt, auch
wurde nicht berücksichtigt, dass Staubexplosionen
möglicherweise durch die Abluftkanäle weitergeleitet werden können. Hinzu kam: Als das Unternehmen das Schrottverarbeitungs- und Staubabscheidesystem in ihre bestehende Gesamtanlage
einbaute, setzte man keine „Management of
change procedures“ um. Diese hätten möglicherweise die Gefahr verdeutlicht. Darüber hinaus
hatte man den Staub nicht entfernt, der sich auf der
Trägerstruktur der Produktionshalle abgelagert
hatte. Er verursachte eine sekundäre Explosion, die
das Dach der Halle zerstörte.
Ferner hatte man die Mitarbeiter zum Thema
„Staubexplosionsgefahren durch Aluminiumstaub“ nicht geschult, und Behörden hatten während früherer Betriebsbesichtigungen keine Staubexplosionsgefahren aufgezeigt.
Leider kam auch hier das CSB zu dem Schluss:
Wären die Standards für brennbare Metalle der
National Fire Protection Association eingehalten
worden, hätte die Explosion verhindert oder
zumindest minimiert werden können.
Übrigens: Das CSB empfiehlt zum Thema Aluminiumstaub weiterführende Forschungen, um in
der Aluminiumindustrie langfristig einen besseren
Staubexplosionsschutz für Staubabscheider zu
erreichen.
Ergebnisse: „Combustible Dust Hazard Study“
Bei allen drei Großschäden hätten die jeweiligen
Standards der National Fire Protection Association
eingehalten werden müssen. Nur dann sind die
Sicherheitsmaßnahmen ausreichend,
um das Risiko einer Staubexplosion zu verringern
oder gar auszuschließen.
Nicht nur bei diesen drei Großschäden, sondern
bei anderen der vom CSB untersuchten Fälle führten unter anderem folgende Faktoren zu Schäden:
– Facility-Management, behördliche Stellen,
Arbeitsschutz- und Gesundheitsexperten sowie
Versicherungen identifizierten keine Staubexplosionsgefahren oder empfahlen keine entsprechenden Schutzmaßnahmen.
– Ordnung und Sauberkeit waren unzureichend.
In den meisten Produktionsanlagen hatte sich
potenziell gefährlicher, brennbarer Staub
gesammelt.
– Staubfilter waren nicht ausreichend gegen
Staubexplosionen ausgelegt oder nicht ausreichend gewartet worden.
– Die Produktionsprozesse wurden ohne ausreichende Überprüfung der möglichen Gefahren
verändert.
Bemerkenswert ist laut CSB, dass sich nur etwa
die Hälfte der Sicherheitsdatenblätter für bekannte
brennbare Materialien eignet, um Anwender oder
Mitarbeiter über Staubexplosionsgefahren ausreichend zu informieren. Und: Von 140 Sicherheitsdatenblättern für brennbare Stäube enthielt beinahe
die Hälfte (41 %) keine Staubexplosionswarnung.
Nur sieben verwiesen auf entsprechende Standards der National Fire Protection Association zur
Verhütung von Staubexplosionen.
Das CSB spricht in der Studie auch eine Reihe von
Empfehlungen aus. Diese nahmen die zuständigen
Behörden teilweise bereits auf. Zu hoffen bleibt,
dass ihre Umsetzung sukzessive zu einem verbesserten Staubexplosionsschutz in der Industrie
führt.
12
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Brandrisiko
Fazit
Beim Risiko Staubexplosion standen in der Assekuranz bislang vor allem Großschäden in der
Agrar- und Nahrungsmittelindustrie im Mittelpunkt
des Interesses. Die aktuelle Studie des CSB verdeutlicht jedoch, dass alle Industriezweige, in
denen brennbare Stäube vorkommen, gleichsam
gefährdet sind.
Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen
Gesetzlichen Unfallversicherung, die aktuelle
„Combustible Dust Hazard Study“ des U.S. Chemical Safety and Hazard Investigation Board und die
Schadenerfahrung der Münchener Rück belegen:
Die Risikofaktoren, die zu Staubexplosionen führen, sind international ähnlich. Im Sinne einer wirksamen Schadenvorsorge sollten sie künftig vermehrt Beachtung finden, ansonsten sind weiterhin
Tote, Verletzte und hohe Sach- und BU-Schäden zu
befürchten.
Wie aktuell das Thema „brennbare Stäube“ ist,
zeigt die verheerende Explosion – vermutlich von
Zuckerstaub – bei der Imperial Sugar Company in
Port Wentworth, Georgia, USA, am 7. Februar 2008:
12 Menschen kamen ums Leben, mehrere wurden
schwer verletzt. Der Schaden ist erheblich.
Für die Münchener Rück steht fest: Unternehmen,
Behörden und Versicherungen müssen noch mehr
als bisher forcieren, dass Staubexplosionsrisiken
in der Industrie identifiziert, kontrolliert und minimiert werden.
Quellen
Jeske, Arno; Beck, Hartmut:
Dokumentation Staubexplosionen – Analyse und Einzelfalldarstellung, Hauptverband der
gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) (Hrsg.), St.
Augustin, BIA-Report 11/1997.
Schoeff, Robert W.: U.S. Agricultural Dust Explosion Statistics, Kansas State University in
cooperation with FGIS-USDA,
20. März 2006.
U.S. Chemical Safety and
Hazard Investigation Board
(Hrsg.): Investigation Report –
Combustible Dust Hazard
Study, Report-No. 2006-H-1,
November 2006.
Weiterführende Informationen
Das BGIA-Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung bietet unter www.dguv.de/bgia/de
die GESTIS-STAUB-EX Datenbank. Als Grundlage zum
sicheren Handhaben brennbarer Stäube und zum Projektieren von Schutzmaßnahmen
gegen Staubexplosionen in
stauberzeugenden und -verarbeitenden Anlagen sind hier
wichtige Brenn- und Explosionskenngrößen von über
4 000 Staubproben aus nahezu
allen Branchen zusammengestellt.
Aktueller Explosionsschaden:
In der Produktionsanlage eines
US-amerikanischen Zuckerherstellers war vermutlich
Zuckerstaub explodiert.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
13
Luftfahrtrisiken
Scherwind und Wirbelschleppen
„Luft ist der Freund der Luftfahrt“, entgegnet Thomas
Endriß, Aviation-Underwriter und Pilot, als wir ihn nach
dem Risikofaktor Luft im Flugverkehr fragen. Doch wir
haken nach: „Was ist mit Scherwind, Wirbelschleppen
und Luftlöchern?“
Im Interview
Thomas Endriß, München
Das größte Risiko in der Luftfahrt ist menschliches Versagen. Wind wird nur gefährlich,
wenn er unerwartet, zum Beispiel als Scherwind, auftritt.
14
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Luftfahrtrisiken
Endriß: Scherwinde und Wirbelschleppen können
zwar zu Problemen führen, Hauptrisiko für die
Luftfahrt ist und bleibt jedoch menschliches Versagen. Menschen täuschen sich, ziehen falsche
Rückschlüsse, treffen falsche Entscheidungen –
davor kann die beste Technologie nicht schützen.
Meist sind es auch nicht einzelne Ursachen, die
zu einem Schaden oder einem Unfall führen, sondern vielmehr eine Kette von Ereignissen.
Schadenspiegel: Wie gefährlich sind Scherwinde?
Endriß: Sie sind nur gefährlich, wenn sie unerwartet auftreten. Scherwind – englisch: wind shear –
bedeutet, dass sich die Windrichtung in kürzester
Zeit ändert, etwa während eines Gewitters. Davor
schützen aber „wind shear detection systems“,
die seit etwa acht Jahren in Flugzeugen eingesetzt
werden. Ein Radar misst die Dichte der Luft – und
sobald anormale Druckverhältnisse herrschen,
wird akustisch gewarnt. Moderne Systeme können
die drohende Gefahr durch drehende Winde sogar
grafisch darstellen. Übrigens verfügen die meisten
Flughäfen, auf denen häufig Scherwinde auftreten,
über solche Sicherheitsvorkehrungen.
Schadenspiegel: Und wie muss ein Pilot dann
handeln?
Endriß: Ganz einfach: Beim Landeanflug schneller
anfliegen, also mit einer höheren Restgeschwindigkeit. Denn wo immer es möglich ist, landet man
gegen den Wind. Wenn ein Flugzeug nun bereits
Landegeschwindigkeit hat – sagen wir rund 160
km/h – und bei 20 km/h Gegenwind kurz davor ist
aufzusetzen, wird seine Geschwindigkeit relativ zur
Luftbewegung schlagartig langsamer, sobald sich
der Wind auf beispielsweise 20 km/h Rückenwind
dreht. Die Konsequenz: Die Maschine stürzt ab,
weil kein Auftrieb mehr vorhanden ist.
Schadenspiegel: Und beim Start des Flugzeugs?
Endriß: Beim Start kann der Pilot Scherwinde
entweder abwarten oder mithilfe moderner Technologie einfach umfliegen. Die Flugsicherung
oder auch die Cockpitinstrumente liefern ihm dazu
sogenannte Vektoren, die ihn um die Gefahrenzone
leiten. Übrigens: Während des Reiseflugs sind
Scherwinde zumeist nicht gefährlich. Ein durchschnittlicher Passagierjet fliegt beispielsweise mit
850 bis 880 km/h, wenn sich die Windgeschwindigkeit dann um 100 km/h ändert, wird die Maschine
lediglich etwas langsamer oder schneller. Die Passagiere merken – außer einem mehr oder weniger
unangenehmen Schütteln der Maschine – überhaupt nichts.
Schadenspiegel: Die Technik macht Scherwinde
also beherrschbar. Haben Sie Beispiele, wo es
trotzdem zum Unglück kam?
Endriß: Es gibt glücklicherweise nur wenige. Ein
Unglück passierte am 2. August 2005 am Toronto
Pearson International Airport in Kanada: Eine AirFrance-Maschine, ein neuer Airbus A340, befand
sich während einer weitläufigen Gewitterfront
zusammen mit vielen anderen Maschinen im
Anflug auf Toronto. Diese flogen Warteschleifen,
der Pilot des A340 entschied zu landen, flog aber
deutlich zu schnell an. Vermutlich wollte er vermeiden, dass die Maschine aufgrund drehender
Gewitterböen zu langsam wird. Was ja, wie eben
erläutert, theoretisch auch korrekt ist. Nur: Der
Rückenwind war längst nicht so stark wie vermutet.
Die Maschine setzte daher viel zu spät auf und
konnte auf der nassen Landebahn nicht mehr stoppen. Sie rollte 200 m weiter in einen Graben, brach
auseinander und ging in Flammen auf. Zum Glück
konnten sich alle Passagiere retten – es gab nur
ein paar Leicht- und Mittelschwerverletzte.
Schadenspiegel: Was wieder die entscheidende
Rolle der Piloten verdeutlicht. Wie wichtig ist Ihnen
deren Ausbildung bei der Beurteilung einer Fluggesellschaft?
Endriß: Sehr wichtig. Da die Anzahl der Risiken
bei weltweit etwa 600 Fluggesellschaften stark
begrenzt ist, hat bei uns in erster Linie der persönliche Kontakt einen hohen Stellenwert. So sehen
wir uns zusammen mit den Riskmanagern der
Fluglinien deren Flugtrainingscenter sowie die
Simulatoren an. Außerdem wollen wir wissen, wie
das Flugtraining organisiert ist. Aber wir sprechen
auch über Zahlen und darüber, wie sich die jeweilige Flotte entwickeln will, etwa weg von alten Flugzeugen und hin zu Topmodellen mit modernster
Cockpittechnologie. Und natürlich besichtigen wir
die Flugzeuge und Wartungseinrichtungen. Wie
sieht der Hangar aus – ist er sauber oder liegen
Gegenstände herum?
Schadenspiegel: Und welche Mitarbeiter der
Münchener Rück beurteilen die Fluglinien?
Endriß: Bei uns haben die Underwriter unterschiedliche Qualifikationen, die in der Summe
unser Expertenwissen ergeben: vom Versicherungskaufmann mit Pilotenschein und Wartungslizenz über die Luftfahrtingenieurin bis hin zum
Juristen.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
15
Luftfahrtrisiken
Schema einer Starkwind
und Hagel produzierenden
Gewitterzelle im Querschnitt. Die Pfeile in Orange
zeigen die Luftströmungen
an, die schwarzen dünnen
Pfeile markieren mögliche
Bahnen von Hagelkörnern.
Entlang der Böenlinie
können Sturmschäden und
Scherwinde auftreten.
Abb. 1 Windentwicklung bei Gewitter
Höhe (km)
Zugrichtung
Tropopause
10
–40 °C
Aufwindzone
5
0 °C
Aufwindzone
Abwindzone
10
8
Regen
6
4
2
0
Hagel
2
4
6
8
Endriß: Natürlich, besonders wenn wir eine Fluglinie noch nicht gut kennen. Aber auch wenn
wir wissen, dass bestimmte Flughäfen angeflogen
werden, die für Scherwinde bekannt sind. Allerdings haben fast alle Fluglinien inzwischen „wind
shear detection systems“.
Schadenspiegel: Für welche Flughäfen ist es denn
besonders wichtig?
Endriß: Berühmt-berüchtigt ist etwa der Dallas Fort
Worth International Airport in Texas, USA. Auch
auf dem Denver International Airport in Colorado,
USA, kann Scherwind entstehen, weil es in den
Rocky Mountains ein ähnliches Wetterphänomen
gibt wie in den bayerischen Alpen: den Föhn.
Außerdem sind alle Gebiete betroffen, in denen
starke Niederschläge in kurzer Zeit auftreten. Das
ist vor allem im Fernen Osten der Fall, bei Flughäfen in Singapur, Malaysia und Indonesien.
Schadenspiegel: Was ist mit einem Flughafen
wie Santa Catarina auf der portugiesischen Insel
Madeira? Die Landebahn, teilweise auf Pfeilern
errichtet, liegt dort an einem Steilhang direkt
am Meer.
Endriß: Dieser Flughafen ist extrem schwierig
anzufliegen. Aufgrund seiner Lage im Südosten
der bergigen Insel kommt der Wind nämlich „aus
der falschen Richtung“ – aus Nordost bis Nordwest. Durch die Luftmassen, die über den Berg
geleitet werden, der direkt neben der Landebahn
liegt, entstehen Luftwirbel: Der Wind bildet quasi
einen Luftrotor, genau dort wo sich die Landebahn
befindet. Der Flughafen hatte zudem bis vor einiger
Zeit nur eine relativ kurze Piste – mit höherer
Geschwindigkeit anzufliegen war daher nicht
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
km
Böenlinie
Schadenspiegel: Noch einmal zurück zu den Scherwinden: Fragen Sie auch nach, ob die genannten
Frühwarnsysteme an Bord sind?
16
10
Quelle: Grafik in Anlehnung
an Kurz, Manfred: Synoptische Meteorologie, Deutscher Wetterdienst (Hrsg.),
Offenbach am Main, 1990
möglich. 2000 verlängerte man aber Start- und
Landebahn, wenn auch mit einigen Schwierigkeiten. Hat nicht sogar der Schadenspiegel über
diesen Fall berichtet?
Schadenspiegel: Ja, in Heft 2/2000: Es hatten sich
Risse in den Pfeilern gebildet. Der versicherte
Schaden betrug immerhin rund 1,4 Millionen €.
Endriß: Auch mit dieser verlängerten Start- und
Landebahn dürfen den Flughafen aber nur Piloten
anfliegen, die ein spezielles Training am Simulator
durchlaufen haben. Die Lufthansa beispielsweise
schreibt dies zweimal im Jahr vor.
Schadenspiegel: Andere Frage – was genau sind
eigentlich Wirbelschleppen?
Endriß: Wirbelschleppen entstehen am hinteren
Ende der Tragflächen eines Flugzeugs. Man muss
sich das so vorstellen: Die Form der Flügel beschleunigt die Luft, die über ihnen strömt. Dadurch
entsteht Unterdruck – das ist der Auftrieb. Die Luft,
die unter den Tragflächen hindurchströmt, wird
weniger beschleunigt. Trifft nun die beschleunigte
Luft der Tragflächenoberseite wieder auf die der
Unterseite, entstehen Luftwirbel. An den Flügelspitzen bilden sich dann Verwirbelungen, die sich
wie kleine Tornados drehen und sich mit größer
werdender Entfernung immer weiter ausdehnen.
Schadenspiegel: Ähnlich wie die Ringe, die ent stehen, wenn man einen Stein ins Wasser wirft?
Endriß: Genau. Aber Wirbelschleppen erzeugen
auch Luftwiderstand. Daher gibt es neuerdings
immer öfter sogenannte Winglets an den Tragflächenspitzen: kleine, nach oben gebogene Flächenstücke. Die sind nicht aus optischen Gründen da.
Winglets verringern vielmehr den Luftwiderstand,
man benötigt daher weniger Energie und letztlich
weniger Kerosin.
Luftfahrtrisiken
Schadenspiegel: Sind Wirbelschleppen eine
Gefahr für den Flugverkehr?
Schadenspiegel: Also am Ende doch wieder
menschliches Versagen?
Endriß: Nicht für das Flugzeug, das die Wirbelschleppen erzeugt, aber für ein nachfolgendes.
Und besonders in der Start- oder Steigflugphase,
da ein Flugzeug dort viel langsamer ist als während
des Reiseflugs. Dadurch wird es auch anfälliger
für Wirbelschleppen, die während des normalen
Reiseflugs kein Problem darstellen. Das einzige
mir bekannte schwere Unglück, das passierte, weil
eine Maschine in die Wirbelschleppen einer zuvor
gestarteten geriet, ist der Absturz eines Airbus
A300 der American Airlines über dem New Yorker
Stadtteil Queens am 12. November 2001.
Endriß: In der Tat. Die Wirbelschleppen haben den
Absturz nicht verursacht. Auch die Staffelung der
Flugzeuge beim Start ist nicht unterschritten worden. Es war schlicht das ungünstige Zusammenspiel von Wetter, Wirbelschleppen und der falschen
Reaktion des Piloten.
Schadenspiegel: Was war geschehen?
Endriß: Da es ein sonniger, windstiller Tag war,
blieben die Wirbelschleppen „stehen“ und wurden
nicht vom Wind verblasen, wie es sonst üblich ist.
Weil alle Flugzeuge beim Abflug Standardrouten
einhalten müssen, etwa um Lärmschutzvorschriften zu genügen, flog der Airbus A300 exakt
die gleiche Route wie eine vor ihm gestartete
Maschine. Nur ein wenig niedriger. Dadurch geriet
er in die Wirbelschleppen und rollte extrem zur
Seite. Für solche Situationen gibt es zwar die
Anweisung des Herstellers, ausschließlich das
Querruder zu betätigen – der Pilot hat aber vermutlich instinktiv versucht, mit dem Seitenruder
gegenzusteuern. Das war allerdings nicht dafür
ausgelegt, eine solche Last aufzunehmen – es
brach. Das Flugzeug war nicht mehr steuerbar,
stürzte ab und alle Insassen kamen ums Leben.
Abb. 2 Wirbelschleppen
Schadenspiegel: Noch eine letzte Frage – was hat
es denn mit Luftlöchern auf sich?
Endriß: Dieses Wort amüsiert mich. Luft ist ständig
in Bewegung – von der Sonne erwärmte Luft
steigt nach oben, abgekühlte Luft, zum Beispiel
im Schatten von Wolken, sinkt nach unten. Um in
diesen ständig wechselnden Bedingungen mit
einem Flugzeug die Höhe zu halten, muss man den
Luftbewegungen entgegensteuern. Fliegen Sie
aber nun von einem sonnigen in einen schattigen
Abschnitt, steigt die Luft plötzlich nicht mehr, und
die Maschine sackt ab. Das alles passiert relativ
schnell, und aufgrund der Massenträgheit hebt es
Sie als Passagier kurzzeitig aus dem Sitz. Es fühlt
sich an, als ob man in ein Loch fällt.
Schadenspiegel: Aber deswegen ist noch kein
Flugzeug vom Himmel gefallen?
Endriß: Nein. Und es hat auch nichts mit Turbulenzen zu tun, diese äußern sich eher als Wackeln
des Flugzeugs. Trotzdem empfehle ich sowohl
als Pilot als auch als Fluggast: Wenn man Sie auffordert, den Sicherheitsgurt anzulegen, dann tun
Sie das bitte. So kann Ihnen auch bei stärkeren
Turbulenzen oder „Luftlöchern“ nichts passieren.
Wirbelschleppen bilden sich
am hinteren Ende der Tragflächen. Die Verwirbelungen
an den Flügelspitzen drehen
sich wie kleine Tornados
und dehnen sich mit größer
werdender Entfernung
immer weiter aus. Gefährlich können sie besonders in
der Start- oder Steigflugphase für ein nachfolgendes
Flugzeug werden.
Grafik: Münchener Rück
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
17
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Mehrsteht
als nur
ein laues
LüftHier
Blindtext,
hier
chen:Blindtext,
Wind ist die
schadensteht
hier
steht
trächtigste aller ElementarBlindtext.
gefahren
turbulente
Stürme
Hier
steht–Blindtext,
hier
hinterlassen
weltweit
ihre
steht
Blindtext,
hier steht
Spuren. Hier steht BlindBlindtext.
text, hier steht Blindtext,
hier steht Blindtext.
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Alle reden vom Wetter – aber was wissen
wir über den Wind? Wie entsteht er und wie
kann man Sturmschäden an Gebäuden wirkungsvoll vorbeugen? Lesen Sie, welche
Zerstörungen ein Hurrikan in touristischen
Gebieten anrichten kann oder was passiert,
wenn ein Containerschiff in einen Wintersturm
gerät. Außerdem: Verheerende Sturmkatastrophen weltweit – eine Chronologie von
1970 bis 2007.
18
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Stürme – weltweit bedeutendste
Elementargefahr
Autor
Ernst Rauch, München
Winterstürme Daria, Lothar und Kyrill in Europa,
Taifun Mireille in Japan, Hurrikan Andrew und
Hurrikan Katrina in den USA: Nur einige Beispiele
großer Sturmkatastrophen, die in den vergangenen Jahren ganze Landstriche verwüstet,
Wälder und Küstenorte zerstört und Schäden in
Milliarden-Euro-Höhe angerichtet haben. Häufigkeit und Dimension der Schäden rüttelten weltweit die Versicherungswirtschaft auf.
Stürme sind die bedeutendste Elementargefahr
der letzten Jahrzehnte – gemessen an der Häufigkeit von Schadenereignissen, an der Gesamtfläche
der betroffenen Gebiete und vor allem am Schadenausmaß. So musste die Versicherungswirtschaft immer höhere Sturmschäden tragen: Rund
79 % der 370 Milliarden US$ (Werte von 2007),
welche die Assekuranz von 1950 bis 2007 für große
Naturkatastrophen zahlen musste, entfielen auf
diese Naturgefahr (siehe Abb. 1).
Was wissen wir über den Wind?
Meteorologische Beobachtungen von Sturmereignissen werden bereits seit Jahrhunderten
dokumentiert – fast so lange, wie es geschriebene
Geschichte gibt. Dagegen existieren instrumentelle Messwerte von Windfeldern mit ihrer rund
100-jährigen Geschichte erst relativ kurz. Da Windfelder zudem sehr empfindlich auf die Rauhigkeit
einer Region – Topografie, Bewuchs, Bebauung –
reagieren, kann man sie über längere Beobachtungsperioden nur in den seltensten Fällen miteinander vergleichen. Einer der Gründe, warum
es bisher nur für wenige Gebiete aussagekräftige
Windstatistiken bzw. Sturm-Gefährdungszonierungen gibt. Hinzu kommt: In gebirgigen Gegenden können topografische Einflüsse, etwa Flusstäler, die Sturmgefährdung auf kleinstem Raum
extrem verändern. Das meteorologische RoutineMessnetz ist aber meist zu grobmaschig, um
auch lokale Veränderungen im Windfeld oder
kleinräumige Sturmphänomene wie Tornados
und Gewitterböen zu erfassen.
Abb. 1 Große Naturkatastrophen 1950–2007:
Weltweite Verteilung der versicherten Schäden
4%
7%
10 %
79 %
Wetterbedingte
Ereignisse
Sturm
Überschwemmung
Geologisch bedingte
Ereignisse
Erdbeben, Tsunami,
Vulkanausbruch
Temperaturextreme
Grafik: Münchener Rück
Einsamer Spitzenreiter: Stürme waren in der
Vergangenheit die bedeutendste Elementargefahr
für die Assekuranz – noch vor Erdbeben, Vulkanausbrüchen oder Überschwemmungen. Dafür sind
sowohl ihre Schadenhäufigkeit als auch ihr Schadenausmaß und nicht zuletzt die hohe Versicherungsdichte gegen die Sturmgefahr verantwortlich
zu machen.
Schnell wie der Wind
Windbeobachtungen bergen noch ein weiteres
Problem: Die Geschwindigkeit des Winds nimmt
mit der Höhe über Grund stetig zu – und folgt
dabei in der Regel dem Potenzgesetz. Sie reagiert jedoch auch stark auf die Rauhigkeit der
Erdoberfläche. Kurz: Je glatter die Oberfläche,
desto weniger wird die Strömung gebremst.
Daher sind Windgeschwindigkeiten über dem
Meer durchschnittlich wesentlich höher als
über einer bewachsenen Oberfläche oder einer
Großstadt.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
19
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Da die Höhe, in welcher der Wind gemessen wird,
eine so entscheidende Rolle spielt, hat die World
Meteorological Organization international vereinbart, zu Vergleichszwecken eine Standardreferenzhöhe von 10 m über Grund zu verwenden.
liegt das Verhältnis aus Böengeschwindigkeit und
Mittelwind, der sogenannte Böenfaktor, zwischen
1,2 und 1,5. In sehr rauem Gelände können aber
auch Werte größer 2 erreicht werden. Die Sturmstärke nach der Beaufortskala bezieht sich stets
auf den 10-minütigen Mittelwert.
Turbulente Risikobewertung
Um das Sturmrisiko bestmöglich zu bewerten,
benötigt die Assekuranz jedoch weitere Informationen. So ist ein wesentlicher Parameter für das
Schadenausmaß die Dauer der Windeinwirkung:
Viele Schäden ergeben sich erst als Folge einer
Vielzahl von „Windangriffen“, sogenannten Lastwechselfällen, die Material ermüden und schließlich brechen lassen.
Neben Geschwindigkeit und Dauer ist auch die
Richtung des Winds ausschlaggebend. Bläst er
aus stark unterschiedlichen Richtungen, kann dies
das Schadenausmaß deutlich beeinflussen: Denn
Bäume mit ihrem Wurzelwerk oder Bauwerke mit
ihrer Lastenauslegung sind darauf nicht eingestellt.
Der Wind ist turbulent. Kurzzeitige Böen erreichen – verglichen mit dem Mittelwert – wesentlich
höhere Windgeschwindigkeiten. Normalerweise
Hurrikane erhalten ihre Energie aus
der Verdunstung von warmem
Oberflächenwasser. Die Darstellung
zeigt, wie warme Luft im zentralen
Wolkenwall des Hurrikans aufsteigt
(1). Hier kommt es zur stärksten
Kondensation von Wasserdampf
und damit auch zu extremen Niederschlägen. Dagegen kühlt die Luft
außerhalb des Wolkenwalls (2) sowie
im sogenannten Auge (3) – in einer
wind- und niederschlagsfreien Zone
3
4
1
Schauer
Starkregen
mind. 27 °C
Grafik: Münchener Rück
20
Stürme: von tropisch bis winterlich
Meteorologisch lassen sich Stürme im Wesentlichen in vier Klassen unterteilen: tropische Wirbelstürme, außertropische Stürme (Winterstürme),
regionale Stürme (auch: Monsunstürme) sowie
lokale Stürme (Tornado, Gewitter/Hagel). Die
exemplarischen Zugbahnen sowie Entstehungsorte der verschiedenen Sturmtypen verdeutlicht
unsere Grafik „Weltkarte der Stürme“ auf den
Seiten 28–29.
im Zentrum des Hurrikans – ab und
fließt zurück. Beim Einströmen über
der Meeresoberfläche (4) nimmt sie
erneut Wärme und Feuchtigkeit auf –
die atmosphärische Wärmemaschine
wird weiter angeheizt. Über Land
verliert das System ohne neue
Wasserdampfzufuhr und durch die
einsetzende Bodenreibung jedoch
schnell an Energie.
Abb. 2 Querschnitt durch einen tropischen Wirbelsturm (Hurrikan)
2
Nicht zuletzt: Aufgrund der turbulenten Natur des
Winds schwankt auch die in ihm enthaltene kinetische Energie sehr stark. Diese Eigenschaft wird
als Energiespektrum des Winds bezeichnet und
entscheidet über Schäden an Bäumen und schwingungsfähigen Bauwerken, insbesondere Brücken,
Türmen oder Kaminen.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Tropischer Wirbelsturm
Wenn tropische Wirbelstürme Orkanstärke (Beaufort 12, d. h. 118 km/h) erreichen, nennt man sie
im Atlantik und Nordostpazifik Hurrikan, im
Indischen Ozean, im Seegebiet vor Australien oder
im Südpazifik Zyklon und im Nordwestpazifik
Taifun. Unterhalb der Orkanstärke, also im Bereich
von 62–117 km/h (Beaufort 8–11), werden sie tropische Stürme genannt.
Sie können sich über große Gebiete erstrecken –
und das mit Windgeschwindigkeiten über
250 km/h, in Einzelfällen sogar über 300 km/h.
Besonders Küstengebiete und Inseln im Bereich
von 10–40° nördlicher und südlicher geografischer
Breite sind betroffen. Der Durchmesser des Sturmfelds liegt meist bei 100–500 km.
Landeinwärts werden die tropischen Wirbelstürme
rasch schwächer, was vor allem an der Reibung der
Landoberfläche und der verminderten Energiezufuhr durch Wasserdampf liegt. Und dennoch: Da
sich die über dem warmen Meer aufgenommenen
gewaltigen Wassermassen bevorzugt im Luv (der
dem Wind zugekehrten Seite) von Gebirgen ausregnen, können extreme Überschwemmungen und
Hangrutschungen die Folgen sein – auch weit im
Landesinneren. Zur Entstehung eines tropischen
Wirbelsturms siehe auch Abb. 2.
Tropische Wirbelstürme haben in vielen Küstenregionen mit ihrer oftmals hohen Wertedichte,
dem hohen Freizeitwert und der damit verbundenen Zuwanderung ein außerordentlich großes
Katastrophenpotenzial. Die Versicherungswirtschaft bekam dies erst 2005 wieder einmal deutlich
zu spüren: Hurrikan Katrina verursachte versicherte
Originalschäden von rund 62 Milliarden US$.
Außertropischer Sturm (Wintersturm)
Außertropische Stürme unterscheiden sich von
tropischen nicht nur durch die Entstehungsgebiete
und Zugbahnen, sondern vor allem auch durch
ihre Intensität und geografische Ausdehnung. Sie
entstehen im Übergangsbereich zwischen subtropischen und polaren Klimazonen (etwa 35–70°
nördlicher und südlicher geografischer Breite).
Wo polare Kaltluftausbrüche auf subtropische
Warmluftmassen treffen, bilden sich großräumige
Tiefdruckwirbel. Die Sturmintensität innerhalb dieser Verwirbelungen steigt dabei proportional mit
dem Temperaturunterschied der beiden Luftmassen an. Sie ist im Spätherbst und Winter am größten, wenn die Meere noch warm, die polare Luft
aber bereits kalt ist – daher auch die Bezeichnung
Wintersturm. Zur Entstehung siehe Abb. 3.
Zwischen polarer Kaltluft im Norden
und subtropischer Warmluft im Süden
bildet sich eine sogenannte Luftmassengrenze. Die schwerere Kaltluft setzt
sich bodennah nach Süden in Bewegung. Im Gegenzug schiebt sich in
höheren Luftschichten die Warmluft
nach Norden vor. Folge: Im Zentrum
der Verwirbelung fällt der Druck.
Die schnellere Kaltluft holt die Warmluft ein, beide vermischen sich – es
kommt zur Wirbelbildung.
Abb. 3 Entwicklung eines außertropischen Sturmtiefs (Wintersturm)
L
L
L
L
H = Hochdruckgebiet
H
H
L = Tiefdruckgebiet
H
H
Kaltfront
Warmfront
Grafik: Münchener Rück
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
21
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Die maximalen Windgeschwindigkeiten liegen bei
140–200 km/h, in exponierten Küstenlagen und auf
höheren Bergen können Winterstürme aber auch
Werte weit über 250 km/h erreichen. Das Sturmfeld
der außertropischen Stürme kann dabei bis zu
2 000 km breit werden.
Auch beim regionalen Sturm sind die Windgeschwindigkeiten umso höher, je größer Temperaturdifferenz und Fallhöhe sind. Überlagert zusätzlich eine großräumige Strömung die Fallwinde
in der gleichen Richtung, sind Geschwindigkeiten
bis zu 200 km/h möglich.
Eis- und Schneestürme (Blizzards) sind weitere
Varianten der außertropischen Stürme. Ihre potenziellen Schäden durch Eis- oder Schneedruck können – ähnlich wie bei den anderen außertropischen
Stürmen, wo hohe Windgeschwindigkeiten die
Hauptschadenursache sind – Schäden im ein- bis
zweistelligen Milliarden-Euro-Bereich verursachen.
Die bekanntesten Vertreter regionaler Stürme sind
die Bora an der dalmatinischen Adriaküste, warme
Winde wie der Föhn in den Alpen, der Mistral im
unteren Rhonetal oder der Chinook in den Rocky
Mountains. Doch solche Fallwinde können in allen
Gebirgsregionen der Welt vorkommen, insbesondere am Rand gemäßigter Klimazonen. Ihre Entstehung ist so eng an die jeweilige Topografie gekoppelt, dass sie regelmäßig an denselben Orten mit
derselben Windrichtung auftreten.
Ein Eissturm, der 1951 vom 28. Januar bis zum
4. Februar anhielt, überzog riesige Gebiete in den
USA – von den Neuenglandstaaten bis Texas – mit
einer bis zu 10 cm dicken Eisschicht. Bezogen auf
seine geografische Ausdehnung war dies vermutlich der größte Eissturm des 20. Jahrhunderts.
Regionaler Sturm und Monsunsturm
Regionale und Monsunstürme sind meteorologisch überwiegend der Gruppe der orografischen
Stürme (Fallwinde) zuzuordnen. Ihnen ist gemein,
dass sie durch Hebung der Luftmassen auf der
Leeseite, der Wind abgewandten Seite von Gebirgen, entstehen. Dabei kühlt sich die Luft ab, kondensiert bei Überschreitung der Feuchtigkeitssättigung aus – was zum Teil starke Niederschläge zur
Folge hat – und stürzt vom Gebirgskamm oder von
den Passhöhen in die Täler hinunter.
Am intensivsten sind diese Windsysteme allerdings am Rande der Antarktis und Grönlands:
Hier stürzt die extrem kalte Luft der zentralen Hochflächen in engen Gletschertälern auf Meereshöhe
hinab – teilweise um mehr als 3 000 m. Die Folge:
Sie erreicht dabei häufig und über lange Zeiträume
hinweg Orkanstärke.
Ein eigenständiges Sturmphänomen regionaler
Ausdehnung ist der Monsunsturm. Die große
Landfläche Asiens saugt, wenn sie sich im Frühund Hochsommer unter der fast senkrecht stehenden Sonne aufheizt, warme und feuchte Luftmassen aus dem Indischen und Pazifischen Ozean an.
Übrigens: Ohne diese Zirkulation wären der
gesamte indische Subkontinent und auch angrenzende Gebiete unbewohnbare Wüsten.
Phänomen Böenwalze: Vor einem
Gewitter wird die von der Sonne
erwärmte Luft leichter und steigt
nach oben. Auf ihrem Weg kühlt sie
ab, Wasserdampf kondensiert und
Wolken bilden sich – die jetzt wieder
schwerere Kaltluft sinkt schließlich
ab. Fällt sie sehr schnell, wird sie
als Böenwalze sichtbar. Die nach
unten durchhängenden Wolkenteile
kennzeichnen dabei das „Durchsacken“ der kälteren, feuchteren
Luft in die wärmere, trockenere Luftschicht darunter.
22
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Abb. 4 Die Entstehung eines lokalen Sturms (Tornado)
Kalte,
trockene Luft
Feuchtwarme
Luft
Tornados sind die Windsysteme mit
den höchsten Windgeschwindigkeiten. Sie entstehen immer dann,
wenn in der Atmosphäre starke vertikale Luftbewegungen auftreten – und
sind daher stets an intensive Gewitterzellen gekoppelt. Die schematische
Darstellung verdeutlicht Strömungsprozesse innerhalb eines Tornados
und in seinem Umfeld. Vor allem die
herabstürzende kalte, trockene Luft
auf die darunterliegende feuchtwarme verstärkt die Wirbelbildung.
Grafik: Münchener Rück
Lokale Stürme (Tornado, Gewitter/Hagel)
Gewitter sind die Folge vertikaler Umwälzungen in
der Atmosphäre. Kalte, schwerere Luft sinkt ab und
lässt die davorliegende Warmluft aufsteigen. Vor
allem bei Gewittern, die an einer Kaltfront entstehen, strömt die Luft aus mehreren Kilometern zur
Erdoberfläche herab und schießt zungenförmig
unter die vorhandene Warmluft. Es kommt zum
typischen Böenkopf oder der Böenwalze, siehe Bild
Seite 22.
Wie bei den orografischen Stürmen wandelt sich
hier potenzielle in kinetische Energie um. Besonders heftig sind Böen immer dann, wenn sich im
Gewitter starker Regen oder Hagel bildet. Durch
den Niederschlag kühlt sich auch die umgebende
Luft ab und wird schließlich mitgerissen. In Bodennähe biegt der Luftstrom in die Horizontale um und
lenkt damit auch Regentropfen oder Hagelkörner
auf eine schräge Flugbahn – teilweise um mehr als
45° gegen die Vertikale.
Tornados – sehr kleinräumige Sturmsysteme –
entstehen innerhalb starker Gewittergebiete, wenn
sich kalte, trockene Luft über warme und feuchte
Luftmassen schiebt. Die Kaltluft kann bei entsprechenden Temperaturgegensätzen heftig und strudelartig herabstürzen – ähnlich dem Effekt, wenn
man eine Flasche schnell entleert. Am Rande des
Strudels ersetzt die emporgerissene Warmluft
herabstürzende Kaltluft, kondensiert und macht
so den Wirbel nach außen sichtbar – was Abb. 4
verdeutlicht.
führt dies ebenfalls zur Abkühlung und durch die
Feuchtigkeitsübersättigung zur Tröpfchen- und
Wolkenbildung. Ähnlich wie beim tropischen Wirbelsturm bestimmt in der Regel die Erddrehung die
Rotation des Tornadorüssels. So drehen sich Tornados auf der Südhalbkugel im Uhrzeigersinn und
auf der Nordhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn. Vereinzelt sind aber auch gegenläufige Drehungen dokumentiert.
Die Breite des Tornadorüssels liegt durchschnittlich
bei rund 100 m, die mittlere Zuglänge bei einigen
Kilometern. Allerdings wurden auch schon mehr
als 1 000 m breite Tornados und Zuglängen bis zu
300 km beobachtet. Am Rande des Rüssels schätzt
man die maximal möglichen Windgeschwindigkeiten auf über 500 km/h – die höchsten Geschwindigkeiten aller existierenden Sturmarten. Die
meisten Tornados haben jedoch durchschnittliche
Windgeschwindigkeiten von etwas über 100 km/h.
Weltweit kommen diese Stürme vor allem im
Bereich von 20–60° nördlicher und südlicher geografischer Breite vor.
Wie beim tropischen Wirbelsturm gibt es auch
für den Tornado weitere Bezeichnungen: Man
spricht in Japan vom Tatsumaki und in Deutschland von der Trombe. Wasserhose bzw. Waterspout
nennt man ihn dann, wenn er über Wasserflächen
entsteht.
Oft kommt es aber auch im Kern des Tornadoschlauchs zur Kondensation: Fällt der Luftdruck
schlagartig um bis zu 10 % unter den Normalwert,
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
23
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Abb. 5 Vom Wind umströmt
Druck
Sog
Wind
Luftwirbel
Grafik: Münchener Rück
Wie stark der Wind Dächer
und Fassaden von Gebäuden beschädigen kann,
verdeutlicht dieses Motel
in Oklahoma City, nachdem
es 2003 von einem Tornado
getroffen wurde. Verantwortlich für die Schäden
sind Druck- und Sogkräfte,
aber auch die Luftverwirbelungen, die sich gerade an
Ecken und Kanten eines
Baukörpers im Luftfeld
bilden – vergleiche Abb. 5.
24
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Wind ist bewegte Luft. Steht ihm ein
Gebäude im Weg, umströmt er es.
An der dem Wind zugewandten Seite
entsteht Staudruck, an der dem Wind
abgewandten Sog. Dabei bilden sich
an Ecken und Kanten Luftwirbel,
deren Druck- oder Sogkräfte um ein
Vielfaches höher sein können. Die
Wirbel hängen in ihrer Größe, Frequenz und Intensität außer von der
Windgeschwindigkeit auch von der
Form des umströmten Körpers ab.
Generell gilt: Je unregelmäßiger das
Gebäude, desto stärker ist die Wirbelbildung.
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Ruhe vor dem Sturm: Jetzt vorbeugen!
Die beste Methode, Sturmschäden mittel- und
langfristig zu reduzieren oder gar zu verhindern,
ist, Bauwerke und ihre Komponenten windfester zu
machen. Dazu gehört auch, Infrastruktureinrichtungen wie Brücken oder Verkehrsmittel (Stichwort: Aerodynamik von Fahrzeugen) entsprechend
anzupassen.
Zur Schadenminderung müssen alle Bauwerkskomponenten so bemessen werden, dass sie
Zusatzlasten standhalten, die sich bei einem Sturm
mit der sogenannten Auslegungswindgeschwindigkeit ergeben. Dabei sind sowohl statische als
auch dynamische Kräfte zu berücksichtigen: Tatsächlich wirken auf ein Gebäude während eines
Sturms höchst instationäre, in Stärke und Richtung
ständig wechselnde Strömungen, wie Abb. 5
erkennen lässt.
Um langfristig Sturmschäden an Dächern zu vermeiden, sind folgende Maßnahmen sinnvoll:
– Bei einer flächig ausgebildeten Dachhaut (etwa
Wellblech): Verschraubung an der tragenden
Konstruktion. Ansonsten flexible Befestigung der
einzelnen Dachelemente bzw. Dachziegel.
– Verankerung der Dachkonstruktion im Mauerwerk mithilfe von Mauerankern, Schrauben und
Metallbändern. Einfache Nägel sind hierfür
ungeeignet.
– Gebäude-Aerodynamik: Man sollte zu flache oder
zu steile Dächer bzw. zu große Dachüberstände
vermeiden. So verringern sich auch die Druckund Sogkräfte des Winds.
– Gärtnerische Pflege: Ausreichender Abstand
schützt das Gebäude vor Sturmschäden durch
umgeknickte Bäume.
Schlechtes Wetter braucht gute Architektur
Der Wind wirkt nicht nur einseitig – auch die
Gebäude selbst beeinflussen die Windströmung.
So verstärken die Luftwirbel, die sich von Ecken
und Kanten der Bauwerke ablösen, wiederum die
Lasten auf das Bauwerk.
Auch das Resonanzverhalten des Gebäudes spielt
eine Rolle. Handelt es sich um einen wenig
gedämpften, elastischen Körper, können sich
schon bei relativ niedrigen Windgeschwindigkeiten
starke Schwingungen entwickeln. Aus dem Trend,
Bauwerke immer größer und leichter zu machen,
entstanden auch immer schwingungsanfälligere
Konstruktionen.
Welche vorbeugenden Maßnahmen können diese
schadenträchtige Entwicklung abschwächen oder
gar stoppen? Dazu einige typische Schadenursachen mit jeweils möglichen Vorsorgemaßnahmen:
Dächer
Dächer sind der Gebäudeteil, der am häufigsten
von Sturmschäden betroffen ist. Gründe dafür:
– Sinnvolle Vorratshaltung: Ersatzdachplatten oder
Folien ermöglichen im Schadenfall eine schnelle
Reparatur und bieten einen (zumindest temporären) Nässeschutz.
Außenwände, Fassaden
Die Außenwände von Gebäuden werden in der
Regel nur bei besonders starken Sturmereignissen
beschädigt. Allerdings zeigt sich, dass sich durch
die Verwendung teurer und gleichzeitig sehr empfindlicher Wandverkleidungen auch Schäden an
den Außenwänden häufen. Anders als bei herkömmlich gemauerten oder verputzten Fassaden,
hat der Wind hier leichtes Spiel. Durchaus eine
besorgniserregende Entwicklung. Dabei ist es egal,
ob es sich um Isolierung gegen Wärmeverlust bzw.
eindringende Nässe mit aufgeklebten oder aufgeschraubten Stoffen, Metall- oder Pressstoffplatten
oder um ganze Fassaden aus Leichtmetall oder
Kunststoff handelt.
Mögliche Vorsorgemaßnahmen, um Schäden an
Außenwänden und Fassaden vorzubeugen:
– Die Windgeschwindigkeit nimmt mit der Höhe zu.
– Stabile Verankerung von Isolierungs- und Fassadenelementen im Tragwerk des Gebäudes.
– An scharfen bzw. überstehenden Dachkanten
bilden sich Windverwirbelungen.
– Weiche Fassadenmaterialien sollten in hagelgefährdeten Gebieten generell vermieden werden.
– Dächer, Kamine, Dach- und Antennenaufbauten
usw. sind oft nur unzureichend im Tragwerk des
Gebäudes verankert und/oder werden mangelhaft instand gehalten.
– Großflächige Glaselemente müssen stets flexibel
aufgehängt sein.
– Das Bauwerk sollte stabil im Fundament verankert sein.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
25
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Sturmsicheres Bauen:
Weiterführende Informationen und Regelungen
Deutschland
Abgesehen von der unten erwähnten
DIN-Reihe 1055 existieren in Deutschland bisher keine verbindlichen Normen oder Vorschriften, um Sturmschäden an Gebäuden vorzubeugen.
Die bauaufsichtlich eingeführte DIN
1055-4 „Windlasten“ beschreibt die
Einwirkung von Windlasten auf Bauwerke, deren Bauteile und Anbauten
und regelt Berechnungsverfahren.
Weitere nationale Dokumente dieser
Reihe wie auch Eurocode 1 „Einwirkungen-Windlasten“ sind zu finden
unter der Internetadresse
www.eurocode-online.de
Die VdS Schadenverhütung GmbH,
hat das Merkblatt „Sturm – eine
Gefahr für bauliche Anlagen. Planungs- und Ausführungshinweise zur
Schadenverhütung“ herausgegeben.
Es ist gegen eine geringe Gebühr
unter der NR. 2389 erhältlich.
www.vds.de
USA
Für die USA hat die American Society
of Civil Engineers bauliche Anforderungen zum Schutz vor Elementargefahren unter „Minimum Design
Loads for Buildings and Other Structures“ als ASCE-Standard No. 7-05
eingeführt. www.asce.org
Weltweit
Das monatliche „Journal of Wind
Engineering and Industrial Aerodynamics“ der International Association
for Wind Engineering wendet sich
weltweit gleichermaßen an Architekten, Bauingenieure und Meteorologen. Zu beziehen ist die Publikation
unter ISSN: 0167-6105.
Gerade für den „Florida Building
Code“ – die Bauvorschriften des von
Hurrikanen besonders betroffenen
US-Bundesstaats – wurden nach den
verheerenden Hurrikansaisonen der
vergangenen Jahre etliche Ergänzungen eingefügt.
www.floridabuilding.org
Die American Association for Wind
Engineering bietet auf ihrer Website
mehrere Publikationen zum Thema
Wind und windsicheres Bauen. Dazu
gehören neben baulichen Richtlinien
und Normen auch Veröffentlichungen über Windenergie oder zur
Risikoeinschätzung von Hurrikanen.
www.aawe.org
Bewegliches gegen schlechtes Wetter schützen
Gerüste, Kräne
Gerüste und Kräne sind typische sturmgefährdete,
temporäre Bauten, ebenso Traglufthallen (Hallen
ohne Traggerüst, die durch Überdruck stabil sind)
und Zelte. Gerade hier wird die so wichtige Verankerung im Boden oftmals nicht ausreichend
beachtet. Die Folge: Nicht nur Gerüst oder Kran
werden bei einem Sturm schwer beschädigt, es
kommt auch zu Schäden in der näheren Umgebung, an geparkten Autos oder an anderen Gebäuden im Sturzbereich. Häufig werden dabei auch
Menschen verletzt.
Es bestehen folgende Möglichkeiten, Schäden
vorzubeugen:
– Ob bei Neubau oder Reparatur: eine sichere
Verankerung der Gerüste an den Bauwerken.
– Austausch abgenutzter, korrodierter oder
sonstiger unsicherer Anlagenteile – sowie deren
regelmäßige Kontrollen.
– Bei Kränen, die auf Schienen laufen: sichere
Verankerung des Fahrgestells mit Bolzen und
Laschen auf dem Schienenfundament.
– Bei Turmdrehkränen sollte man die Ausleger
entriegeln, um sie flexibel in den Wind ausrichten
zu können.
– Generell bei Kränen: Tragfähigkeit des Untergrunds prüfen, vor allem mit Blick auf die stark
einseitige Belastung bei Sturm. Notfalls ist es
erforderlich, sie mit einer Seilabspannung zu
sichern.
26
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Kraftfahrzeuge, Wohnanhänger
Gerade im Autokaskobereich ist die Versicherungswirtschaft bei jedem signifikanten Sturmereignis
von umfangreichen Schäden betroffen. Die
Summe der Kfz-Kaskoschäden beträgt in Regionen
mit hoher Sach-Versicherungsdichte häufig 5–10 %
des versicherten Gesamtschadens. Auf sich erst
entwickelnden, neuen Märkten kann dieser Anteil
auch deutlich höher sein. Schäden entstehen vor
allem durch umstürzende Bäume oder herabfallende Äste, Dachplatten oder Fassadenteile.
So kann man vorbeugen:
– bei Sturm oder Unwetterwarnung: Fahrzeuge in
Garagen unterstellen
– bei Gefahr starker Sturmböen: besonders exponierte Straßenabschnitte und Brücken für große
Lastwagen und Wohnanhänger sperren
– auf Campingplätzen: Wohnanhänger mit Abspannungen sichern
– in hagelexponierten Gebieten: Autolager mit
Hagelnetzen schützen
– generell: Schäden schnell reparieren, um Korrosion und andere Folgeschäden zu vermeiden
Durch vorsorgende Maßnahmen lassen sich
Sturmschäden erheblich reduzieren oder sogar
verhindern. Die wirksamste Prävention jedoch ist,
Infrastruktureinrichtungen sowie alle Bauwerke
samt ihrer einzelnen Komponenten bereits im
Vorfeld windresistent zu planen. Landnutzungsbeschränkungen für stark exponierte Gebiete,
etwa in unmittelbarer Küstennähe, kommt ebenfalls eine besondere Bedeutung zu.
Stürmischen Zeiten entgegen
Fest steht: Ob Hurrikane in den USA oder Winterstürme in Europa – Schäden aus Sturmereignissen
werden weltweit ansteigen. Die erwarteten Schäden in Abhängigkeit ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit verdeutlicht Abb. 6 eindrucksvoll. Wie kommt
es zu diesem Anstieg? Verantwortlich zu machen
sind die zunehmende Wertedichte, aber auch die
Veränderungen von Wettermustern durch die globale Erwärmung der Atmosphäre. Dabei gibt es
kaum eine Versicherungssparte, die ein derart
hohes Schadenpotenzial (bezogen auf ein einzelnes Schadenereignis) birgt wie die Sturmversicherung.
Versicherungsbedingungen haben einen nicht
unerheblichen Einfluss auf das Verhalten von
Öffentlichkeit, Industrie und Behörden, daher ist es
nicht zuletzt auch die Aufgabe der Assekuranz, sich
für einen effektiveren Schutz einzusetzen. Welche
Maßnahmen im Einzelfall geeignet sind, welche
Preise und Bedingungen das Risiko adäquat
abdecken – all dies gilt es zu klären.
Gerade die Zeit der „Ruhe vor dem Sturm“ bietet
die passende Gelegenheit, sich auf eine sich
ändernde Risikosituation einzustellen – wenn es
bereits stürmt, ist es wieder einmal zu spät.
Abb. 6 Stürme weltweit: erwartete Schäden in Abhängigkeit
ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit
US$ Mrd.
300
250
200
150
100
50
100
200
Hurrikan USA
300
400
Sturm Europa
500
600
700
800
900
1 000
Jahre (Wiederkehrperiode)
Betrachtet man die zu erwartenden
Schäden in Abhängigkeit der Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. Wiederkehrperiode, wird deutlich, dass Hurrikane auf dem US-amerikanischen
Kontinent die teuerste Sturmgefahr
darstellen. Was zum einen an ihren
über große Flächen potenziell sehr
hohen Windgeschwindigkeit liegt,
zum anderen an der Konzentration
von Werten in Küstenregionen der
USA, etwa der Golf- bzw. Südostküste (z. B. Florida). Beide Faktoren
sind weder in Europa noch in Japan
in dieser Kombination gegeben.
Taifun Japan
Quelle: Münchener Rück
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
27
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Weltkarte der Stürme: von tropisch bis winterlich
Lokaler Sturm
(Tornado)
40°N
Außertropischer
Sturm
(Wintersturm)
Außertropischer
Sturm
(Wintersturm)
Tropischer
Wirbelsturm
(Hurrikan)
0°
40°S
Außertropische Stürme (Hauptzugbahnen)
Tropische Stürme (Hauptzugbahnen)
Tornados (Hauptvorkommen)
Außertropischer Sturm (Wintersturm)
Beaufort-Skala
Tropischer Wirbelsturm (Hurrikan, Taifun, Zyklon)
Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala
m/s
km/h
mph
Knoten
Stärke
m/s
km/h
mph
Knoten
Stärke
0–0,2
0–1
0–1
0–1
0
32,7–42,6
118–153
73–95
64–82
1
0,3–1,5
1–5
1–3
1–3
1
42,7–49,5
154–177
96–110
83–96
2
1,6–3,3
6–11
4–7
4–6
2
49,6–58,5
178–209
111–130
97–113
3
3,4–5,4
12–19
8–12
7–10
3
58,6–69,4
210–249
131–155
114–134
4
5,5–7,9
20–28
13–18
11–15
4
69,5–
250–
156–
135–
5
8,0–10,7
29–38
19–24
16–21
5
10,8–13,8
39–49
25–31
22–27
6
13,9–17,1
50–61
32–38
28–33
7
17,2–20,7
62–74
39–46
34–40
8
20,8–24,4
75–88
47–54
41–47
9
m/s
km/h
mph
Knoten
Stärke
24,5–28,4
89–102
55–63
48–55
10
25,0–34,5
90–124
56–77
47–67
1
28,5–32,6
103–117
64–72
56–63
11
34,6–47,0
125–169
78–105
68–91
2
32,7–
118–
73–
64–
12
47,1–62,3
170–224
106–139
92–121
3
62,4–77,6
225–279
140–173
122–150
4
280–
174–
151–
5
Australian-Tropical-Cyclone-Severity-Skala
77,7–
28
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Exemplarische Zugbahnen der verschiedenen Sturmtypen:
Tropische Wirbelstürme entwickeln sich meist im tropischen
und subtropischen Atlantik oder Pazifik und ziehen im
späteren Verlauf auf das Festland. Winterstürme dagegen
bewegen sich als Tiefdruckwirbel im Übergangsbereich
zwischen polarer Kaltluft und den subtropischen Warmluftmassen. Die verheerenden Tornados treten sehr kleinräumig
auf – ihr Durchmesser reicht von wenigen dutzend bis hin
zu mehreren hundert Metern. Zur Klassifikation der Sturmtypen werden aufgrund ihrer unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten individuelle Messskalen benötigt.
Bedeutende historische Sturmereignisse:
40°N
Tropischer Wirbelsturm
(Taifun)
Tropische Wirbelstürme
1970 Zyklon/Sturmflut, Bangladesch
1974 Zyklon Tracy, Australien
1983 Hurrikan Alicia, USA
1991 Zyklon/Sturmflut, Bangladesch
1991 Taifun Mireille, Japan
1992 Hurrikan Andrew, USA
1998 Zyklon 03A, Indien
1998 Hurrikan Mitch, Mittelamerika
2005 Hurrikan Katrina, USA
Außertropische Stürme (Winterstürme)
1976 Wintersturm Capella, Europa
1990 Winterstürme Daria, Vivian, Wiebke, Europa
1999 Winterstürme Anatol, Martin und Lothar, Europa
2007 Wintersturm Kyrill, Europa
0°
Lokale Stürme (Tornados, Gewitter/Hagel)
1984 Hagelsturm, Deutschland
2003 Tornadoserie, USA
Tropischer Wirbelsturm
(Zyklon)
40°S
Grafik: Münchener Rück
Lokaler Sturm (Tornado)
TORRO-Skala
Fujita-Tornado-Skala
m/s
km/h
mph
Knoten
Stärke
m/s
km/h
mph
17–24
61–86
39–54
33–47
0
17,8–32,4
64–116
40–72
35–63
0
25–32
87–115
55–72
48–63
1
32,5–50,2
117–180
73–112
64–97
1
33–41
116–147
73–92
64–80
2
50,3–70,3
181–253
113–157
98–136
2
42–51
148–184
93–114
81–100
3
70,4–92,2
254–332
158–206
137–179
3
52–61
185–220
115–136
101–119
4
92,3–116,3
333–418
207–260
180–226
4
62–72
221–259
137–160
120–140
5
116,4–142,3
419–512
261–318
227–276
5
73–83
260–299
161–186
141–162
6
142,4–169,4
513–610
319–379
277–329
6
84–95
300–342
187–212
163–185
7
8
96–107
343–385
213–240
186–208
108–120
386–432
241–269
209–233
9
121–134
433–482
270–299
234–260
10
0 km/h
100 km/h
200 km/h
300 km/h
400 km/h
Knoten Stärke
500 km/h
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
29
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Chronologie der verheerendsten Stürme
von 1970 bis 2007 (alle Schadensummen in Originalwerten)
Tropische Wirbelstürme
1970 Zyklon/Sturmflut, Bangladesch
In Bangladesch sterben im November
1970 beim bislang tödlichsten Wirbelsturm rund eine halbe Million Menschen.
Nach der Katastrophe werden Notunterkünfte ausgebaut und Frühwarnsysteme verbessert.
1974 Zyklon Tracy, Australien
Ein Weihnachtsfest, das den Australiern
in schrecklicher Erinnerung bleiben
wird: Zyklon Tracy verwüstet am 24. und
25. Dezember 1974 große Teile Darwins,
der nördlichsten Stadt des Kontinents.
1983 Hurrikan Alicia, USA
Alicia verursacht im August 1983 den
ersten Sturmschaden jenseits der Milliardengrenze: 3 Milliarden US$ Gesamtschaden, davon 1,5 Milliarden versichert.
Und erstmals macht das National
Hurricane Center Angaben zur LandfallWahrscheinlichkeit: ein Meilenstein
der Sturmvorhersage.
1991 Zyklon/Sturmflut, Bangladesch
Gut 20 Jahre nach der Katastrophe
von 1970 wird Bangladesch erneut von
einem schweren Sturm heimgesucht:
Fast 10 % der Gesamtbevölkerung
werden im April 1991 durch einen Zyklon
mit Windstärken von bis zu 250 km/h
obdachlos.
1991 Taifun Mireille, Japan
Massive Gebäude- und Ernteschäden
sind die Folge, als Mireille im September
1991 über Japan zieht. Mit versicherten
Schäden von 7 Milliarden US$ ist es
für die Assekuranz der teuerste Sturm
in der Geschichte Japans.
1992 Hurrikan Andrew, USA
Mit 17 Milliarden US$ bis dato der
größte Versicherungsschaden weltweit.
Für eine Reihe von Erstversicherern
auch das letzte Schadenereignis:
Sie mussten nach Andrew Insolvenz
anmelden.
1998 Zyklon 03A, Indien
03A ist im Juni 1998 einer der stärksten
Zyklone in Indien seit 25 Jahren –
mit 1,7 Milliarden US$ ist er auch der
teuerste Sturm Indiens aller Zeiten.
Der Grund dafür sind die vielen betroffenen Industrieanlagen: Raffinerien,
Tanks, Häfen und Windfarmen.
1998 Hurrikan Mitch, Mittelamerika
Mitch ist im Oktober/November 1998 der
traurige Höhepunkt einer überaus aktiven
Hurrikansaison im Atlantik – die Zahl
der Todesopfer ist die höchste seit über
200 Jahren: 9 700 Menschen in Mittelamerika verlieren ihr Leben. Hauptsächlich
betroffen sind Honduras und Nicaragua.
2005 Hurrikan Katrina, USA
Hurrikan Katrina verwüstet im August
2005 Teile der Golfküste und die Stadt
New Orleans. Mit 125 Milliarden US$
entsteht der höchste Gesamtschaden aller
Zeiten durch einen Hurrikan. Auch der
versicherte Schaden von 62 Milliarden
US$ setzt eine neue Rekordmarke – Katrina
wird für die Assekuranz zum bislang
teuersten Sturm.
30
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Außertropische Stürme
Lokale Stürme
1976 Wintersturm Capella, Europa
Sturmflut, Deichbrüche, Schneeverwehungen. Wintersturm Capella hinterlässt
im Januar 1976 1,5 Millionen geknickte
Bäume und rund 600 Millionen €
versicherten Gesamtschaden.
1990 Winterstürme Daria, Vivian,
Wiebke, Europa
Im milden Winter 1990 zieht eine Sturmserie über Europa. Mit 4,4 Milliarden €
ist Daria der bis dato höchste versicherte
Orkanschaden – erstmals wird zu diesem
Zeitpunkt auch der Zusammenhang
zwischen Extremereignissen und der
Klimaänderung thematisiert.
1984 Hagelsturm, Deutschland
Am 12. Juli 1984 richtet ein Hagelsturm
mit rund 1,5 Milliarden € den volkswirtschaftlich größten Hagelschaden in
Deutschland an, wovon nur etwa die Hälfte
versichert ist. Der 300 km lange Hagelzug
mit Körnern in Tennisballgröße trifft vor
allem München.
1999 Winterstürme Anatol, Martin
und Lothar, Europa
Unter dem Titel „Dezemberstürme“
wachsen sich die drei Orkane zu einer
immensen Naturkatastrophe aus.
Allein Lothar zerstört über 100 Millionen Bäume. Weil sich das Wissen
über Eintrittswahrscheinlichkeiten
großer Sturmschäden in Europa
mittlerweile verbessert hatte, trifft
Lothar die Assekuranz trotz seiner
Schadensumme von 5,9 Milliarden €
nicht unerwartet.
2007 Wintersturm Kyrill, Europa
Große Teile West-, Mittel- sowie Gebiete
Osteuropas sind vom 18. bis 20. Januar
2007 von Kyrill betroffen: Zeitweilig
ist die Stromversorgung für über eine
Million Menschen unterbrochen. Flüge
werden gestrichen, Fährverbindungen
und Bahnverkehr eingestellt und etliche
Straßen gesperrt. Der versicherte
Schaden: 4,5 Milliarden €.
2003 Tornadoserie, USA
Im Mai 2003 registrieren Meteorologen
in den USA mit 562 Tornados einen
neuen Rekord. In mehreren Bezirken in
Kansas und Missouri wird der Notstand
ausgerufen. Die Schneisen der Zerstörung, welche die Wirbelstürme hinterlassen, sind teilweise bis zu 400 m
breit. Die Assekuranz trifft es mit
3,2 Milliarden US$.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
31
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Hurrikan Wilma – Regulierung
von Betriebsunterbrechungsschäden
Autoren
Richard Gross, Cunningham Lindsey, México SA de CV, Mexiko-Stadt,
Josef Probst, München
Eine Betriebsunterbrechungsversicherung soll
Versicherungsnehmer nach einem Schaden so
stellen, als hätte er sich nicht ereignet. Diese
einfache Aussage birgt in der Praxis erhebliche
Schwierigkeiten, wie das Beispiel des Hurrikans
Wilma zeigt: Mit rund 1,75 Milliarden US$ ver
ursachte der Wirbelsturm die größten versicherten
Katastrophenschäden in der Geschichte Mexikos.
Am 21. Oktober 2005 traf Hurrikan Wilma auf die
Insel Cozumel vor der Ostküste der mexikanischen
Halbinsel Yucatán. 48 Stunden lang ließ er nicht
von der Region ab und verursachte auf Cozumel
sowie entlang der Riviera Maya bis hinauf zur Stadt
Cancún große Schäden.
Nachdem der Sturm in Richtung Florida abgezogen
war, zeigte sich das Ausmaß der Katastrophe:
Viele touristische Einrichtungen und Hotels waren
schwer beschädigt. Hauptschadenmerkmale waren
eingedrückte Fensterfronten, zerstörte Dächer
sowie korrosives Salzwasser, das in die beschädigten Gebäude eindrang. Das augenfälligste Zeichen der Verwüstung: Der feine helle Sand, für
den die Strände Cancúns berühmt sind, war fast
vollständig verschwunden; ein Phänomen, das
zuletzt 1988 nach Hurrikan Gilbert beobachtet
wurde – damals allerdings weniger stark
ausgeprägt. Wilma verursachte die größten versicherten Katastrophenschäden in der Geschichte
Mexikos: insgesamt rund 1,75 Milliarden US$.
Erst- und Rückversicherer sahen sich einer komplexen Schadensituation gegenüber: Wilma hatte in
einer Region gewütet, die nur vier Monate zuvor
bereits Hurrikan Emily getroffen hatte. Viele Schäden an Hotels und touristischer Infrastruktur waren
noch nicht vollständig behoben, als der neue
Wirbelsturm das Gebiet traf. Daher war es häufig
sehr schwer zu entscheiden, welche Schäden auf
sein Konto gingen. Insbesondere bei der Berechnung von Betriebsunterbrechungsentschädigungen kam es zu großen Überschneidungen.
Viele Hotels in Cancún bemühten sich, den Betrieb
innerhalb kürzester Zeit wieder aufzunehmen.
Sie hatten anfangs damit zu kämpfen, dass qualifizierte Handwerker und Baumaterialien fehlten.
Diejenigen Hoteleigentümer, die nach ihren
Erfahrungen mit Hurrikan Gilbert eine BU-Versicherung abgeschlossen hatten, erkannten, dass es
Monate dauern würde, bis wieder so viele Urlauber
wie zuvor in die Region kämen. Daher nutzten viele
Abb. 1 Ferienparadies Yucatán
Tizimín
Cancún
a
Mérida
er
aM
ay
Valladolid
Ri
vi
Yucatán
Campeche
Campeche
Grafik: Münchener Rück
32
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Quintana
Roo
Cozumel
Die 600 km lange und 450 km breite
Halbinsel Yucatán trennt den Golf
von Mexiko vom Karibischen Meer.
Sie liegt nur wenige Meter über
Meeresniveau. Seit den 70er-Jahren
hat sich ihre östliche Küste, die Riviera
Maya, in ein Ferienparadies verwandelt. Der Hauptort Cancún wurde zu
einem Touristenmagneten mit derzeit
über 24 000 Hotelzimmern. Häuser
großer internationaler Ketten finden
sich überwiegend entlang des Boulevard Kukulkán auf einem schmalen
Landstreifen mit feinen hellen Sandstränden.
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Hurrikan Wilma trifft auf
die mexikanischen Halbinsel
Yucatán. In nur 15 Stunden
war aus einem harmlosen
Tropensturm der stärkste
Hurrikan seit Beginn
der Aufzeichnungen 1851
geworden.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
33
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Abb. 2 Zugbahn des Hurrikans Wilma
SS: Saffir-Simpson-Hurrikanskala
Windgeschwindigkeit in km/h
• Dallas
•Houston• New Orleans
• Miami
• Mexiko-Stadt
Tropischer Sturm
(< 118 km/h)
SS1 (118–153 km/h)
SS2 (154–177 km/h)
SS3 (178–209 km/h)
SS4 (210–249 km/h)
SS5 (≥ 250 km/h)
• Guatemala-Stadt
Grafik: Münchener Rück
Nach Katrina und Rita war Wilma
2005 bereits der 21. tropische Wirbelsturm und der 13. Hurrikan – so viele
gab es nicht einmal in den Rekordjahren 1933 und 1969.
Mit Spitzenböen von bis zu 350 km/h
raste er über das offene Meer, der
Luftdruck in seinem Kern sank auf bis
zu 882 hPa – das hatte man im Atlantik noch nie zuvor beobachtet.
Wilma entstand südwestlich von
Jamaika und zog über die Karibik in
nordwestlicher Richtung auf die
Nordspitze Yucatáns zu. Der Wirbelsturm hatte etwa die Größe Deutschlands, als er am 21. Oktober 2005
mit mittleren Windgeschwindigkeiten
von 230 km/h auf die Insel Cozumel
vor der Ostküste Yucatáns traf.
Kurios: Wegen der geringen Zuggeschwindigkeit des Hurrikans von
Hoteliers die Gelegenheit und führten umfangreiche Umbau- und Erneuerungsmaßnahmen
durch. In einigen Fällen wurden Anlagen sogar
komplett umgestaltet und unter neuem Namen
wieder eröffnet.
Schadenbearbeitung
Bei Wilma war es für die Versicherer oftmals mühsam, die Kosten für Umbaumaßnahmen von den
Reparaturkosten der Hurrikanschäden abzugrenzen. Noch schwieriger war es festzustellen, welche
dieser Schäden Teil einer versicherten Betriebsunterbrechung waren. Dafür ist nur relevant, wie
lange die Reparaturen dauern, nicht aber die für die
zusätzlichen Umbauten aufgewendete Zeit. Einige
Hotelbetreiber argumentierten, dass die Umbauarbeiten gleichzeitig mit den Schadenreparaturen
durchgeführt wurden und sich die Betriebsunterbrechung dadurch nicht verlängert habe. Für größere Umbau- bzw. Umgestaltungsmaßnahmen traf
das jedoch nicht zu.
34
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
nur rund 6 km/h befand sich Cozumel
etwa zwei Stunden lang unter dem
etwa 50 km breiten Auge des Sturms
– bei Sonnenschein und Windstille.
Da Menschen unmittelbar gefährdet
waren, starteten mexikanische
Behörden einen umfangreichen Evakuierungsplan. Urlauber, denen es
nicht gelang, die Region rechtzeitig
zu verlassen, suchten in den zahlreichen Schutzunterkünften Zuflucht.
Noch problematischer war, wie der tatsächliche
Ertragsausfall berechnet werden sollte, den die
BU-Versicherung deckt. Das Verfahren, das hier
üblicherweise angewendet wird, vergleicht die
während der Betriebsunterbrechung erwarteten
Einnahmen mit denen des Vorjahreszeitraums.
Mögliche saisonale Abweichungen gegenüber den
Vorjahren werden herausgerechnet.
Versicherer können so feststellen, was sich im Vergleich zu den Vorjahren möglicherweise einnahmemindernd auswirkt und somit die Erstattungsleistung verringert – etwa der Attraktivitätsverlust
einer Region (loss of attraction). Mindereinnahmen, die dadurch entstehen, decken BU-Versicherungen nicht. Vielmehr ist ein Sachschaden an
eigenem Hab und Gut Voraussetzung dafür, dass
eine BU-Police greift. Dies gilt allerdings nicht für
den Verlust des attraktiven Sandstrands, auf den
einige Versicherungsnehmer hinwiesen. Denn der
ist mexikanisches Staatseigentum.
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Geschädigte hingegen können das, was sich auf
ihr Geschäft auswirkt, in die Kalkulation der Entschädigungsleistung einbeziehen. Ein Beispiel ist
der Steigerungstrend, den die meisten Hoteleigentümer bei ihren prognostizierten Einnahmen zur
Berechnung der BU-Schäden berücksichtigten.
Bei Wilma schätzten sie die zu erwartenden Einnahmen und Übernachtungszahlen auf der Grundlage historischer Daten. Dabei rechneten sie mit
ein, dass Cancún in den letzten Jahren immer mehr
Touristen hatte. Besonders die wachsende Zahl
einheimischer Gäste in der Nebensaison führte
dazu, dass sich Haupt- und Nebensaison bei der
Hotelbelegung sehr stark angeglichen hatten. Die
operativen Mindereinnahmen der Hotels berechneten sich aus der Differenz von hypothetischen
und tatsächlichen Umsätzen. Um die versicherte
Schadenhöhe festzustellen, multiplizierte man den
Einnahmeausfall mit einem Bruttogewinnfaktor.
Einige internationale Schadenregulierungsfirmen
argumentierten gegen einen solchen Steigerungstrend: Sie versuchten, durch einen Korrekturfaktor,
der die geringere touristische Attraktivität Cancúns
infolge des Hurrikans widerspiegeln sollte, die
prognostizierten Einnahmen auf ein realistisches
Niveau zu senken. Denn angesichts der Situation
in Cancún nach Wilma war klar, dass selbst ein
völlig unbeschädigtes Hotel nach dem Sturm kaum
Einnahmen auf dem alten Niveau erzielen würde –
ganz zu schweigen von den projizierten Steigerungen. Der Grund: Die Medien hatten ausführlich
über die zerstörten Strände berichtet. Außerdem
waren zahlreiche touristische Einrichtungen
(Wasserparks, Bars, Nachtclubs und Restaurants)
beschädigt. Wie bereits oben beschrieben, deckt
eine BU-Police nicht Mindereinnahmen, die ein
derartiger Attraktivitätsverlust verursacht.
Der feine Sand, für den die
Strände Cancúns bekannt
sind, ist nach Hurrikan Wilma
völlig verschwunden (Bild
oben). Etwa ein halbes Jahr
nach der Verwüstung kann
der Strand wieder touristisch
genutzt werden (Bild unten).
Bei der Überprüfung der Vorjahreseinnahmen und
-übernachtungen von Hotels in Cancún stellte sich
zudem heraus, dass bereits im September 2004
das Geschäft deutlich zurückgegangen war – allein
wegen der Befürchtungen, dass Hurrikan Jeanne
die Stadt treffen könnte, was jedoch nicht der Fall
war. Wenn bereits die Angst vor einem Hurrikan
Umsatzeinbußen bei Hotels zur Folge haben
konnte, wäre bei einer tatsächlichen Verwüstung
der Region zu erwarten gewesen, dass der Rückgang noch deutlicher ist – auch wenn die betreffenden Hotels von unmittelbaren Schäden verschont geblieben wären.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
35
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Besondere Aspekte bei BU-Policen – Auslegung
des Policenwortlauts
Das Grundprinzip der BU-Deckungen ist, dass sie
an eine Sachdeckung gekoppelt sind, die ihnen
zugrunde liegt. Bei der Auslegung der BU-Wordings
kommt es allerdings häufig zu Meinungsverschiedenheiten und Konflikten – gerade bei größeren,
kostspieligen Schäden. Das gilt insbesondere für
Märkte, auf denen diese Deckungsform noch nicht
so bekannt ist.
Bei einem Streitfall verschärft sich dieses Problem,
wenn
– es in der jeweiligen lokalen Rechtsprechung keine
oder nur wenige Vergleichsfälle gibt, an denen
man sich orientieren kann.
– keine verlässlichen, bewährten Policentexte verwendet werden.
– Märkte/Länder mit besonders verbraucherfreundlicher Gerichtsbarkeit konfrontiert sind.
Zu den oft unrealistischen Schadenforderungen
kommt nicht selten, dass Rechtsberater bestehende
oder vermeintliche Lücken in den Policenbedingungen nutzen, um eine maximale Erstattungsleistung herauszuholen. Bei gerichtsanhängigen Fällen
ist dann wiederum mit Entscheidungen von Richtern zu rechnen, die in dieser speziellen Materie
eher wenig Erfahrung haben. Diese Aspekte können
sehr wichtig sein und sollten bei der Risikobeurteilung und der Akzeptpolitik berücksichtigt werden.
Die BU-Versicherungssumme sollte individuell und
hinreichend genau für jedes Einzelrisiko ermittelt
werden. Abgesehen von eingeschränkten Deckungen (z. B. allein für Fixkosten oder Deckungen ausschließlich für Mehrkosten) sollte die Versicherungssumme daher den betrieblichen Bruttogewinn
(Fixkosten plus Nettogewinn) widerspiegeln.
Der Versicherungsnehmer sollte über den Umfang
und die Möglichkeiten, die seine BU-Deckung bietet, besonders gut informiert sein. Versicherungsnehmer, Versicherer und Makler sollten sich idealerweise von vornherein über das Vorgehen im
Schadenfall klar sein, Aktionen und Schadenminderungsmaßnahmen planen und potenzielle, kompetente Schadengutachter bestimmen. Dies hilft im
Schadenfall nicht nur, schnell zu reagieren, sondern
auch potenzielle Konflikte gar nicht erst entstehen
zu lassen. Unstrittig ist, dass insbesondere bei BUDeckungen ein enges kooperatives Verhältnis zwischen den Parteien präventiv schadenmindernd
wirken kann und sollte.
36
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Das Einkaufzentrum „La
Isla“ nach Hurrikan Wilma
(Bild oben) – schwer beschädigt. Etwa ein Jahr später ist
das Zentrum wieder aufgebaut (Bild unten).
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Statistiken zu Wilma zeigten tatsächlich, dass im
Vergleich zu früheren Jahren deutlich weniger
Gäste am internationalen Flughafen Cancún eintrafen und die Übernachtungszahlen selbst bei Hotels,
die keine oder nur geringfügige Schäden aufwiesen, insgesamt zurückgingen (Abb. 3). Angesichts
solcher Daten sahen es einige Schadenregulierer
letztlich als gerechtfertigt an, bei der Ermittlung der
BU-Entschädigung einen Korrekturfaktor anzusetzen. Das stieß bei vielen Versicherungsnehmern
auf erbitterten Widerstand. Auch bei einigen mexikanischen Versicherern fand das Argument wenig
Zustimmung. Also korrigierte man bei der Mehrzahl der BU-Schäden letztlich nicht und regulierte
viele Schäden noch vor Ablauf der Haftzeit auf der
Basis von Hochrechnungen.
Sowohl dem Schadenregulierer als auch dem
Versicherer und dem Makler muss von vornherein
klar sein, wie eine mögliche Entschädigung bei
einem BU-Schadenfall berechnet wird.
Unklare Vertragsformulierungen machen den
Schadenregulierungsprozess tendenziell unnötig
kompliziert und konfliktträchtig. Die Konsequenz:
Versicherer müssen häufig Schadenzahlungen
leisten, die über das hinausgehen, was bei Vertragsabschluss beabsichtigt war.
Weiterführende Informationen
Informationen zum Thema bietet
auch unsere Broschüre
„Schadenmanagement bei Naturkatastrophen – Erfahrungen,
Analysen, Aktionspläne“, die sie
auf unserer Homepage
www.munichre.com als PDF
herunterladen oder bestellen
können.
Fazit
Oftmals unklare Vertragsformulierungen erschwerten die Bemühungen erheblich, die Schäden
gemäß dem Grundgedanken und Zweck der BUDeckung zu regulieren. Viele Versicherer sahen
sich sogar gezwungen, Entschädigungsforderungen zu akzeptieren, die ihrer Meinung nach
über die eigentliche Leistungspflicht hinausgingen.
Das zeigt: Will man BU versichern, ist es wichtig,
dass die Policen eindeutig formuliert sind. Schließlich hat man es hier oft mit äußerst komplexen
Sachverhalten zu tun, bei denen viele Faktoren
hineinspielen und sich möglicherweise gegenseitig
beeinflussen.
Abb. 3 Hotelbelegungen in Cancún 2003–2007
Prozent
100
80
60
40
20
0
Jan.
Feb.
2003
März
April
2004
Mai
Juni
Juli
2005
Quelle: Cunningham Lindsey México SA de CV, Mexiko-Stadt
Aug.
2006
Sept.
Okt.
2007
Nov.
Dez.
Deutlich erkennbar:
Hurrikan Wilma ließ die
Belegungszahlen zu Beginn
der Hochsaison im Oktober
2005 einbrechen.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
37
Havarie im Ärmelkanal:
Die MSC Napoli nach dem
Wintersturm Kyrill. Schiff
und Ladung – über 2 000
Container – müssen sicher
geborgen werden.
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Wintersturm Kyrill – die MSC Napoli
Autorin
Vera Maria Schneider, München
Stürme sind mit ihrer Urgewalt eines der großen
Risiken für die Seeschifffahrt. Sie kosten die
Versicherer hohe Millionenbeträge. Die Haftungsfragen zu klären ist dabei oft mindestens so
komplex wie manche der aufwendigen Bergungsaktionen.
Der Seenotruf der MSC Napoli ging am 18. Januar
2007 um 10.30 Uhr ein. Sie war in den Wintersturm
Kyrill geraten. Die zuständige Küstenwache begriff
schnell, dass ein langer und schwieriger Einsatz
bevorstand: Denn die havarierte MSC Napoli war
ein 275 m langes, 37 m breites Containerschiff
(53 409 BRZ), beladen mit 2 318 Containern. Einige
enthielten Gefahrgut.
Wenige Stunden zuvor hatte die MSC Napoli den
Hafen von Antwerpen verlassen, um an Portugal
vorbei nach Südafrika zu fahren. An der engsten
Stelle des Ärmelkanals geriet das mit einem Kaskowert von 45 Millionen US$ versicherte Schiff in
den Wintersturm Kyrill, einen der heftigsten Winterstürme über Nordeuropa im Jahr 2007. Das Schiff
geriet in Seenot – Wasser drang in den Maschinenraum ein. Die MSC Napoli war manövrierunfähig.
38
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Gemeinsam starteten britische und französische
Küstenwachen eine Rettungsaktion. Vier Hubschrauber, zwei Schlepper und ein Seenotrettungskreuzer versuchten, das havarierte Schiff zu retten.
Bei zwölf Meter hohen Wellen und Windböen von
über 110 km/h wurde zunächst die Besatzung per
Seilwinde an Bord der Hubschrauber gebracht und
dann an Land geflogen.
Ein französischer Schlepper zog die MSC Napoli in
Richtung Portland. Dieser Hafen schien am besten
geeignet, um den Frachter aufzunehmen. Doch die
Risse vergrößerten sich, der Rumpf drohte auseinanderzubrechen. Die Maritime and Coastguard
Agency (MCA) entschied daher, das Schiff vor der
Küste von Devon in der Nähe von Sidmouth in der
Lyme Bay auf Grund zu setzen. Damit sollte die
Wahrscheinlichkeit von Umweltschäden durch
austretendes Schweröl gesenkt und ein Auseinanderbrechen des Schiffs verhindert werden. In der
seichten Bucht schien es zudem am einfachsten,
möglichst viele der Container zu bergen – was
später tatsächlich gelang.
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Containerschiffe
Extreme Beanspruchung
Containerschiffe sollen so profitabel wie möglich sein.
Unter dem Druck wirtschaftlicher Erwägungen wächst die
Ladekapazität mit jeder neuen Schiffsgeneration. Moderne
Schiffe stapeln bis zu acht Schichten Container auf Deck,
rund zehn Lagen verschwinden im Schiffsbauch. Schon
heute sind Schiffe in Fahrt, die über 10 000 TEU laden
können, neue mit bis zu 15 000 TEU sind bereits in Planung.
Die exponierten Container auf Deck bilden eine hohe und
breite, fast durchgängige Metallfront, die überkommendem
Wasser und stürmischen Böen eine riesige Angriffsfläche
bietet. Schon in ruhigem Fahrwasser sind die Containerschiffe und ihre Ladung hohen Beschleunigungs- und
Bremskräften ausgesetzt. Bei rauer See und starkem Wind
verstärken sie sich erheblich. Das Material von Schiff und
Ladung wird dabei stark beansprucht.
Natürlich sind Schiffe grundsätzlich so konstruiert, dass sie
den „perils of the sea“ (Seegefahren) ohne Weiteres standhalten können. Trotzdem tragen die Wetterbedingungen
bei vielen Unglücken zur Schadenursache bei. Oft spielen
mehrere Faktoren zusammen: Sturm, Material(vor)schäden
und menschliches Versagen führen letztlich zum Schadenereignis.
Zeitweise drückte der anhaltende Sturm das nun
auf Grund liegende Schiff in eine Steuerbordschlagseite von bis zu 35°. Mehr als 110 Container
gingen über Bord. Knapp 100 davon spülte das
Meer an Land. Die Bilder von Plünderern gingen
um die Welt. Erst durch weiträumige Absperrungen bekam die Polizei die Situation unter
Kontrolle.
Währenddessen kämpften die Berger weiter um
das Schiff und seine Ladung. Die rund 3 500 t Öl
aus den Tanks der MSC Napoli wurden in ein Tankschiff gepumpt. Gleichzeitig begann man, die
Container mithilfe eines gecharterten, mit Schwerlastkränen ausgestatteten Pontons zu löschen. Die
Container, die von der MSC Napoli gerettet wurden, schlug man auf ein Container-Shuttle-Schiff,
das sie in den Hafen von Portland transportierte.
Durch Abpumpen und Löschen der Ladung stabilisierten die Berger den Frachter in einer Neigung
von rund 10°. Ein Landungsschiff sammelte unterdessen die angespülten Container. An der Küste
musste ein Behelfshafen mit Lagerplätzen und
Containerreinigungsanlagen eingerichtet werden.
Allgemeiner Trend zur Kostensteigerung
Mit steigenden Schiffs- und Ladungswerten erhöht
sich auch das Risiko im Schadenfall. Während
Totalverluste eher rückläufig sind, werden Teilschäden immer teurer. Nicht nur Schiff und Ladung sind
wesentliche Schadenbeträge, sondern häufig auch
ihre Bergung. Ein Beispiel aus dem ersten Quartal
2007 für aufwendige Bergungs- bzw. Rettungsversuche und damit hohe Schadenbelastungen über
den eigentlichen Kaskowert ist das Baggerschiff W.
D. Fairway, das am 8. März vor der chinesischen
Küste mit dem Containerschiff MSC Joanna kollidierte. Versicherungswert: über 150 Millionen US$.
Im Fall der Mighty Servant 3, eines Halbtauchers,
dauerte die Bergung mehrere Monate und kostete
die Versicherer zweistellige Millionenbeträge. Das
Schiff war am 6. Dezember 2006 vor der Küste
Luandas, Angola, gesunken und wurde aus 52 m
Tiefe geholt. Dazu wurde es mit komprimierter Luft
befüllt und mithilfe eines Krans geborgen.
Hohe Bergungskosten dürften auch für die New
Flame entstehen, einen Schüttgutfrachter, der am
22. Dezember 2006 vor Gibraltar nach einer Kollision auf Grund lief und auch mit mehreren Versuchen nicht wieder flottgemacht werden konnte.
Schließlich musste er mit einem aufwendigen
Schneidverfahren in zwei Teile zerlegt werden.
Eines der Teile liegt wegen widriger Wetterbedingungen noch immer vor Ort und wartet auf Bergung.
Der Frachter Pasha Bulker, der am 8. Juli 2007
als eines von mehreren Schiffen vor Newcastle,
Australien, in stürmischem Wetter auf Grund lief,
konnte erst nach mehr als zwei Monaten und
einigen Versuchen wieder flott gemacht werden.
Er musste dann allerdings bis nach Asien ins
Trockendock geschleppt werden.
Die meisten dieser Bergungen gehen schnell in
zweistellige Millionenbeträge.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
39
Spezial: Wetterphänomen Sturm
MSC Napoli – entstandener Schaden
Die Bergung der MSC Napoli ist ein prominentes
Beispiel für den allgemeinen Trend zur Kostensteigerung bei Schiffsbergungen, denn so gut diese
im Ergebnis – zumindest was die Waren betrifft –
auch verlief, die International Group of P&I Clubs
(Zusammenschluss der Protection-&-IndemnityVersicherer) trafen hohe Kosten. Sie liegen weit
über dem, was bisher als „üblich“ bezeichnet
werden konnte.
Zur Kostenexplosion bei der MSC Napoli trug bei,
dass die Bergung ein langwieriges Unterfangen
war. Zunächst war lange unklar, ob das Schiff als
Totalverlust oder als konstruktiver Totalverlust
(constructive total loss, CTL) zu bewerten ist. Nach
Untersuchungen der beauftragten Gutachter
gelangten die Versicherer zu dem Schluss, dass tatsächlich ein CTL vorliegt. Ging man im ersten Halbjahr 2007 noch davon aus, dass man die MSC
Napoli würde abschleppen können, zeigte sich im
Laufe der Bergungsaktion, dass sie in einem Stück
nicht von ihrem Lageplatz zu entfernen war. Sie
wurde deshalb im Sommer 2007 in zwei Teile
gesprengt, die einzeln der Verwertung zugeführt
werden.
Auch im Hinblick auf die Waren gibt es bei einem
Schadenereignis wie dem der MSC Napoli nur
langsam Klarheit: Inwieweit die Ladung beschädigt
wurde, ist bis heute noch nicht in allen Fällen
geklärt. Da jeder Container geöffnet und separat
untersucht werden muss, braucht es viel Zeit, um
die Warenschäden zu evaluieren. Nicht immer findet sich der Empfänger oder Absender der Ware,
oder nicht immer will er gefunden werden, da er
möglicherweise Kosten für Entsorgung und/oder
Bergung tragen muss.
Spektakuläre Bergung: Vor
der Küste von Devon bereitet
sich ein Ponton mit Schwerlastkränen vor – er wird die
Ladung aufnehmen.
Die Berger schaffen es, das
Schiff mit einer Neigung von
10° zu stabilisieren.
40
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Herausforderung für die Zukunft
Nun stellt man sich nicht nur bei der MCA, die
den „Napoli-Fall“ betreute, sondern auch in der
Schifffahrtswelt die Frage, ob eine Bergung von
Schiff und Ladung wie bei der MSC Napoli bei
einem der großen, neuen Containerschiffe überhaupt realisierbar wäre. Wäre eine Herausforderung dieser Größenordnung mit den heute vorhandenen Ausrüstungen und Arbeitskräften zu
bewältigen? Nach Angaben der MCA gibt es zurzeit
beispielweise keine Kräne entsprechender Größe,
die unter ähnlich widrigen Umständen eingesetzt
werden könnten. Und selbst wenn es sie geben
würde, was wäre, wenn ein solches Riesencontainerschiff dort in Seenot geriete, wo Equipment,
Arbeitskräfte und Infrastruktur fern sind? Diese
Fragen werden in den nächsten Jahren ein aktuelles Thema bleiben. Adäquate Lösungen werden
die Zusammenarbeit der gesamten Industrie
erfordern.
– Für die P&I-Clubs/Versicherer stellt sich die Frage:
Lässt sich die Haftung der Eigner/Charterer
gegenüber Forderungen limitieren – zum Beispiel
nach dem Londoner Abkommen von 1976 (Convention on Limitation of Liability for Maritime
Claims)? Die Anwendbarkeit der entsprechenden
Rechtsgrundlagen für die Limitierung richtet sich
nach der jeweiligen Rechtsordnung. Verschiedene Länder haben unterschiedliche Vereinbarungen umgesetzt bzw. ratifiziert. Auch die Möglichkeiten, die Limitierungen zu durchbrechen,
richten sich nach der geltenden Rechtsordnung.
Darüber hinaus wird der Verfrachter (Eigner/
Charterer) per Gesetz anwendbare Haftungsbeschränkungen prüfen, zum Beispiel ob die Hagueoder Hague-Visby-Rules2 anzuwenden sind oder
nicht. Wenn eine gesetzliche Haftungsbeschränkung vorliegt, trifft den Versicherungsnehmer
bzw. den Versicherer auch nur die Haftung in dieser (begrenzten) Höhe.
Faktische und rechtliche Hintergründe
Die Versicherer
Am Beispiel der MSC Napoli lassen sich nicht nur
die komplexen faktischen Probleme, sondern auch
die rechtlichen Fragen bei Schäden dieser Größenordnung illustrieren. Die Unfallursache ist dabei
von besonderer Bedeutung: Sie ist die Grundlage
für die Klärung der meisten Haftungsfragen.
– Kaskoversicherer werden versuchen zu klären,
dass tatsächlich eine versicherte Seegefahr Ursache des Unglücks war. Die Beweislast dafür, dass
andere Faktoren als Ursache infrage kommen,
trägt der Versicherer. Fehlende Seetüchtigkeit des
Schiffs oder Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers können die Haftung ausschließen.
– Warenversicherer sehen hohe Forderungen für
die Bergung der Container auf sich zukommen.
Sie werden prüfen, ob sie Regress gegen den Verfrachter anstrengen können. Bei einer erklärten
Havarie grosse werden sie prüfen, ob sie ihren
Havarie-grosse-Beitrag1 vermeiden können. Hier
kommt es unter anderem auf die Transportbedingungen an, die zugrunde liegen.
1 Die
Havarie grosse regelt im Grundsatz die Verteilung
außergewöhnlicher Kosten zwischen Schiff und Ladung,
die durch eine Rettung aus gemeinsamer Gefahr anfallen.
Diese Kosten entstehen entweder direkt durch Aufwendungen (z. B. Schlepplohn) oder durch bewusst mit
Rettungsmaßnahmen von der Schiffsführung herbeigeführten oder geduldeten Schäden am Schiff und/oder
seiner Ladung (z. B. Seewurf von Decksladung).
Bergungskosten machen oft einen großen Teil der
Gesamtbelastung der Kasko- oder bei Wrackbeseitigung der P&I-Versicherer aus. Bei den meisten
größeren Schiffsunglücken werden heute Spezialisten und Hightech-Ausrüstungen eingesetzt.
Details der Schiffsbergung können oft erst festgelegt werden, wenn das Schiff entladen ist, und richten sich unter anderem nach den gesetzlichen und
behördlichen Vorgaben. Ziel ist meist, das Schiff
an einen sicheren Ort zu bringen oder vor Ort zu
sichern. Zu den am häufigsten in Anspruch genommenen Diensten der Bergungsunternehmen gehören Schleppdienste und Refloating (Wiederflottmachen).
Ist der erste Bergungsversuch nicht erfolgreich,
folgen oft weitere. Auch gesunkene Schiffe müssen
teilweise geborgen werden, um Gefahren für
andere Schiffe auszuschließen oder um Umweltgesichtspunkten Rechnung zu tragen. Sie sind
manchmal Folge behördlicher Anordnungen. Lässt
sich ein auf Grund liegendes Schiff nicht mehr flott
machen, um es in einen Hafen oder ein Dock zu
schleppen, kann es in Teilen entsorgt oder unter
Einhaltung bestimmter Voraussetzungen versenkt
werden.
2 Internationale
Übereinkommen, die einheitliche Haftungsregelungen und -limitierungen des Verfrachters gegenüber
dem Befrachter (shipper) regeln.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
41
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Rechtliche Grundlagen der Bergung
Auf internationaler Ebene wurde das Recht der
Bergung erstmals im Bergungsübereinkommen
von 1910 („Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Hilfsleistung und Bergung in Seenot“) normiert und später in nationales
Recht umgesetzt. Die Entlohnung des Bergers ging
ursprünglich weltweit vom Grundsatz der Erfolgsvergütung aus – es galt das „no cure, no pay“-Prinzip. Die Höhe der Bezahlung richtete sich grundsätzlich nach der Höhe der geretteten Werte. Waren
die Bemühungen vergeblich, erhielt der Berger
nach diesem Prinzip keine Entlohnung. Das galt
zum Beispiel für die Rettung von Mannschaftsmitgliedern eines sinkenden Schiffs.
Große Öltankerhavarien in den 70er- und 80erJahren und der politische Wille, mehr Umweltbelange bei der Schiffsbergung zu berücksichtigen,
führten zu Neuerungen im internationalen Bergungsrecht. Der Berger sollte mehr Anreize erhalten, die Umweltverschmutzung im Zusammenhang mit havarierten Schiffen zu bekämpfen.
Besonders in Situationen, die dem Berger sonst
wenig Anlass boten, aktiv zu werden – etwa wenn
die Chancen auf Rettung der Ladung und die
Bezahlung gering waren oder die Bergung eines
verhältnismäßig wertlosen Schiffs kompliziert war.
Das „Internationale Übereinkommen von 1989
über Bergung“ (Bergungsübereinkommen 1989)
modifizierte erstmals den „no cure, no pay“Grundsatz. Lloyd’s-Markt und Industrie nahmen
die neuen Regelungen umgehend an und arbeiteten sie in das Lloyd’s Standard Form of Salvage
Agreement (auch: Lloyd’s Open Form, kurz LOF)
ein. Dieses ist auch heute noch die für Bergungen
am meisten genutzte Vertragsform. Artikel 13 des
Übereinkommens formulierte im Wesentlichen
den „no cure, no pay“-Ansatz neu, indem er unter
anderem das Verhindern einer Ölverschmutzung
als einen relevanten Faktor für die Berechnung des
Bergerlohns benennt. Eine der wichtigsten Neuerungen fand sich in Artikel 14: Danach kann der
Berger unter bestimmten Voraussetzungen
42
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
über den Bergelohn hinaus die Zahlung einer Sondervergütung verlangen, wenn die Standardentlohnung nicht ausreichend ist und es sich um einen
Fall mit möglicher Umweltverschmutzung handelt.
In der praktischen Anwendung warf Artikel 14
jedoch zahlreiche Fragen auf, zum Beispiel bei der
Berechnung der Sondervergütung und ihrer Höhe.
Vertreter der Versicherungsindustrie und der International Salvage Union einigten sich daher 1999
auf die SCOPIC-Klausel (Special Compensation P&I
Clause), die als Zusatz zum LOF-Formular genutzt
werden kann. Sie ermöglicht eine praktikable und
standardisierte Berechnung der Sondervergütung
des Bergungsunternehmens und setzt Tarife für
Personal und Ausrüstung fest. Die Wahl zwischen
Artikel 13 und SCOPIC-Abrechnung ist nicht immer
unproblematisch für den Berger: Er profitiert nur
von SCOPIC, wenn diese Kosten die Entlohnung
nach Artikel 13 übersteigen. Können sich die Parteien nicht über die Bergungskosten einigen, entscheidet das Schiedsgericht.
Während in der Regel Kaskoversicherer die Bergungskosten nach Artikel 13 decken, werden die
SCOPIC-Kosten grundsätzlich von den P&I-Clubs
übernommen. Von dieser Linie kann – je nach
Originalbedingungen – auch abgewichen werden.
Die Abgrenzung oder Zuordnung kann dann ein
Streitpunkt sein. In den letzten Jahren sind die
Kosten für Bergungen erheblich gestiegen. Dies
ist einer der Gründe, warum die Tarife des SCOPICVergütungssystems zum 1. Juli 2007 um bis zu
25 % erhöht wurden.
Spezial: Wetterphänomen Sturm
Schiffseigner und Reedereien versuchen dabei,
Umweltschäden zu verhindern oder zumindest zu
minimieren. Die – auch teilweise – Rettung der
Ladung kann ebenso ein Ziel des Vertrags sein wie
die Wrackbeseitigung nach der Aufgabe des
Schiffs.
Während Bergungsaktionen früher ausschließlich
auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen durchgeführt wurden, schließen Bergungsunternehmen
heute meist spezielle Verträge ab. Das Lloyd’s
Standard Form of Salvage Agreement ist die wohl
bekannteste und am häufigsten genutzte SalvageVereinbarung. Besonders der Teil der Bergungskosten, der über den Sonderzusatz SCOPIC
entsteht, ist oft hoch und gleichzeitig nur schwer
vorhersehbar.
Nachdem die Container geborgen sind, zeigt sich, dass die
MSC Napoli nicht in einem
Stück vom Lagerplatz entfernt
werden kann.
Die Entscheidung: Das Schiff
wird in zwei Teile gesprengt.
Die Einzelteile werden anschließend abgeschleppt und verwertet.
Die Berger der MSC Napoli engagierte man offensichtlich nach den Bedingungen des Lloyd’s-Standardformulars LOF 2000 inklusive SCOPIC-Klausel
für Sondervergütungen. Da die MSC Napoli als
CTL gilt, wird grundsätzlich der P&I-Club bzw. die
International Group of P&I Clubs die Wrackbeseitigungskosten im zweistelligen Millionenbereich
tragen müssen. Der Kasten links bietet einen Überblick über Entwicklungen im Bergungsrecht.
Fazit
Vor dem Hintergrund dieser zahlreichen faktischen
und juristischen Fragen, spektakulärer Kaskoschäden und immer größerer Schiffskonstruktionen – und komplexerer Märkte – ist es wichtig,
dass sowohl in der Erst- als auch in der Rückversicherung klar definierte und umrissene Deckungen
bestehen.
Wie dargestellt, entstehen immer teurere Schadenbeträge, deren Zuordnung zu den verschiedenen
Sparten eindeutig möglich sein muss. Transparenz
und Kommunikation trotz steigender Komplexität
der Sachverhalte werden daher sowohl auf Underwriting- als auch auf Schadenseite immer wichtiger. Dies ermöglicht einerseits bereits im Vorhinein ein adäquates Pricing, andererseits kann die
Bearbeitung eines Schadens kundenfreundlich und
effizient gestaltet werden.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
43
Umweltrisiko
Umweltrisiko
Luftverunreinigung und Haftung
Von den Umweltmedien Luft, Boden und Wasser beeinflusst
die Luft unser körperliches Wohlbefinden besonders intensiv. In Gebäuden oder im Freien: Wir sind alle ständig davon
umgeben – und wo sie zu viel mit Schadstoffen angereichert
wird, gerät unsere Gesundheit in Gefahr.
Autor
Christian Lahnstein, München
Tokio, Japan –
nachdem Industrieemissionen
reduziert wurden, sind auch die
Zeiten häufiger Smogalarme
vorbei.
44
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Umweltrisiko
Die Quellen der Luftverunreinigung sind vielfältig. Einige davon sind zivilisationsbedingt, etwa
Verkehrs- und Industrieemissionen, Waldbrände,
Brandrodungen, Tierhaltung oder Düngemitteleinsatz. Andere dagegen haben natürliche Ursachen wie Vulkanausbrüche oder die Aufwirbelung von Bodenstäuben in Trocken- und
Wüstengebieten.
– Der Weltverbrauch von Asbest, der sich zwischen
1980 und 2000 halbiert hatte, steigt seit einigen
Jahren unerfreulicherweise wieder an. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass heute
125 Millionen Arbeiter beruflichen Asbestrisiken
ausgesetzt sind – vor allem auf dem informellen
Sektor der Bauwirtschaft mit seinen weitgehend
unkontrollierten Arbeitsbedingungen.
Arbeitsschutz und Umweltschutz
Die von Land zu Land unterschiedlichen Konsequenzen der Asbestproblematik für Haftpflichtversicherer sind Gegenstand des Beitrags „Asbest –
ein Überblick“ (Seite 47).
Bei den Maßnahmen zur Reinerhaltung der Luft
kann zwischen Arbeits- und Umweltschutz unterschieden werden – zwischen Innen- und Außenluft,
mit jeweils fließenden Übergängen. Wo die
Umwelt früher durch die Entlüftung staubiger
Arbeitsplätze zusätzlich belastet wurde, hat sich
aus diesen frühen Maßnahmen des Arbeitsschutzes inzwischen auch der Umweltschutz entwickelt. Was die Innenluft betrifft, so ist in Entwicklungsländern bis heute offenes Feuer zum Heizen
oder Kochen in schlecht ventilierten Wohnräumen
eines der großen Gesundheitsrisiken. Anders in
den Industrieländern: Hier stellt Feinstaub ein
ungelöstes Problem dar. Umweltbehörden haben
das Thema daher genauso auf der Agenda wie
europäische Arbeiterunfallversicherer.
Asbest – noch immer ein Emerging Risk
Überwiegend ein Thema des Arbeitsschutzes ist
Asbest. Für die Versicherungswirtschaft ist es aus
drei Gründen immer noch ein Emerging Risk:
– Durch Latenzzeiten von 10 bis 60 Jahren nimmt
die Zahl der Neuerkrankungen aus den Asbestexponierungen vergangener Jahrzehnte weiterhin zu.
Umwelthaftung
Hier stehen von jeher die meist unversicherten
Haftungen daueremittierender Unternehmen im
Vordergrund. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts
verklagten deutsche Grundbesitzer Industrieunternehmen – zunächst auch erfolgreich. Doch mit
zunehmender Industrialisierung galten deren
Emissionen als „ortsüblich“ und mussten hingenommen werden.
Auch das Problem der grenzüberschreitenden
Luftverunreinigung ist seit über 80 Jahren bekannt.
Im Trail Smelter-Rechtsstreit von 1928 bis 1941
ging es um Pflanzenschäden im US-Bundesstaat
Washington, verursacht durch Schwefeldioxidgase
der kanadischen Zink- und Bleiverhüttungsanlage
Trail Smelter. Das Schiedsgericht urteilte damals,
dass kein Staat der Welt das Recht habe, in einem
anderen Staat Schaden anzurichten – auch nicht
durch verunreinigte Luft. Trail Smelter musste
daher in ihre Anlage investieren, um weitere Schäden in Washington auszuschließen.
– Neuerkrankungen werden heute durch bessere
medizinische Diagnostik häufiger erkannt und
von den Betroffenen durch einen verbesserten
Informationsstand vermehrt geltend gemacht.
Bangkok, Thailand –
jährlich 1 400 Todesfälle durch
Luftverschmutzung.
Delhi, Indien –
Tuk-Tuks und Busse fahren bereits
mit Erdgas.
Hongkong, Volksrepublik China –
Emissionen benachbarter
Fabriken belasten die Stadt.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
45
Umweltrisiko
Japanische Verfahren
Schlechte Luft
Japan liefert besonders interessante, historische
wie aktuelle Beispiele für Umwelthaftung bei
Luftverunreinigung (siehe dazu Beiträge Seiten 48
und 49). Sie verdeutlichen das Ineinandergreifen
von Haftungsrecht und Fondslösungen, aber auch
den zunehmend fließenden Übergang zwischen
rechtlicher und faktischer, durch Reputationsaspekte beeinflusster Unternehmenshaftung.
Je nach Entstehungsort unterscheidet die Weltgesundheitsorganisation bei zivilisationsbedingter
Luftverschmutzung zwischen punktueller, linearer
und flächendeckender Luftverunreinigung.
Etwa durch die punktuellen Emissionen einzelner
Industrieanlagen, linear entlang von Autobahnen
oder flächendeckend über einem Industriegebiet
oder einer Großstadt, wo Luftverunreinigung nicht
mehr einzelnen, spezifischen Emissionsquellen
zuzuordnen ist.
Der Rechtsfall des „Yokkaichi-Asthma“ (Beitrag
Seite 48), der Ende der 60er-Jahre petrochemische
Unternehmen der Stadt Yokkaichi betraf, ist nur ein
Beispiel in der Reihe international beachteter Massenklagen, die im Japan der 50er- und 60er-Jahre
strengere umweltrechtliche Regulierung durchzusetzen halfen. Damit konnte sich auch der Anteil
von Industrieemissionen an der Luftverunreinigung reduzieren.
Infolge der stetigen Zunahme des Individualverkehrs ist jedoch heute in Japan, wie in den meisten
Industrieländern, der Straßenverkehr die Hauptquelle belastender Emissionen – trotz verbesserter
Technologien. Vor diesem Hintergrund ist das
kürzlich beendete Verfahren (Beitrag Seite 49) über
die Entschädigung von Asthmaopfern durch Staat,
Autohersteller und Transportunternehmen von
Interesse.
Kairo, Ägypten –
Dunstglocke trotz strenger
gesetzlicher Auflagen.
46
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Kalkutta, Indien –
rund 70 % der Einwohner leiden
unter Atemwegserkrankungen.
London, Großbritannien –
seit Februar 2008 gibt es eine
Low Emission Zone.
Umweltrisiko
Asbest – ein Überblick
Autorinnen
Rita Müller, Marion Schwehr, beide
München
In den vergangenen 100 Jahren
wurden weltweit rund 200 Millionen t Asbestfasern abgebaut und in
den unterschiedlichsten Industrien
verarbeitet. Während in Australien,
den USA und Westeuropa der Verbrauch inzwischen stark zurückgegangen ist, steigt der Konsum in
Asien, insbesondere in China, Indien
und Thailand: 2005 verarbeiteten
die drei Länder zusammen nahezu
1 Million t Asbest – beinahe die Hälfte
des weltweiten Verbrauchs.
Dabei erfolgt die Verarbeitung von
Asbest oft unter unzureichenden
Arbeitsbedingungen. So gelten in
China immer noch Grenzwerte –
Occupational Exposure Limits (OELs)
– von 2,0 Fasern/cm³ Luft. In Thailand
liegt der OEL sogar bei 5,0 Fasern/
cm³. Zum Vergleich: Die Grenzwerte
in westlichen Ländern wurden über
die Jahre auf mittlerweile 0,1 Fasern/
cm³ reduziert. Unabhängig davon
fehlen Sicherheitskontrollen, vor
allem bei den vielen Kleinbetrieben
oder Subunternehmen der weitgehend unregulierten informellen Bauwirtschaft.
Los Angeles, USA –
Emissionen werden reduziert,
der Smog über der Stadt
lichtet sich.
Die gesundheitlichen Folgen manifestieren sich je nach Krankheitsbild
mit Latenzzeiten zwischen 10 und 60
Jahren nach der Asbest-Exposition.
Laut International Labor Organisation
sterben pro Jahr weltweit etwa
100 000 Arbeiter an einer asbestbedingten Krankheit, davon 30 000 am
Mesotheliom, einem bösartigen,
unheilbaren Tumor am Brustfell,
60 000 an Lungenkrebs und 10 000 an
Asbestose. Und die Opferzahlen steigen: In Australien ist ein Anstieg noch
bis 2010 zu erwarten, in Westeuropa
bis 2015 oder gar bis 2020. Auch in
den Ländern der ehemaligen Sowjetunion und in denen Asiens, die
Asbest auch heute noch in großem
Umfang und bei steigendem Niveau
einsetzen, ist ein Rückgang der Opferzahlen nicht absehbar. Einzig in den
USA scheint der Peak seit 2000 überwunden zu sein.
In Frankreich entfielen 2003 mit 585
Millionen € sogar knapp die Hälfte
aller Aufwendungen für Berufskrankheiten auf die Entschädigung von
Asbestkrankheiten. Nach Schätzungen des US-amerikanischen
RAND-Instituts wurden in den Vereinigten Staaten für die zivilrechtlichen
Haftungen im Zusammenhang mit
asbestbedingten Personenschäden
seit den frühen 60er-Jahren bis 2002
rund 70 Milliarden US$ geleistet. Der
langfristige haftungsrechtliche
Gesamtaufwand wird auf 200 Milliarden US$ geschätzt, der Anteil der
Versicherer auf 120 Milliarden US$.
In Großbritannien schwanken die
Schätzungen der sozial- und haftungsrechtlichen Gesamtkosten für
asbestbedingte Personenschäden
zwischen 15 und 39 Milliarden £.
Bislang haben die Haftpflichtversicherer rund 1,3 Milliarden £ an
Entschädigungszahlungen geleistet.
Kosten der asbestbedingten
Personenschäden
Die Aufwendungen für asbestverursachte Berufskrankheiten sind weltweit beachtlich: Die deutsche gesetzliche Unfallversicherung hat von 1990
bis 2005 bereits über 3 Milliarden €
für die Entschädigung von Asbestkrankheiten ausgegeben, die langfristigen Gesamtaufwendungen werden
auf deutlich über 10 Milliarden €
geschätzt. 2005 entsprachen die Ausgaben von 350 Millionen € einem
Drittel der Entschädigungsleistungen
für Berufskrankheiten.
Manila, Philippinen –
auch hier wird verbleites
Benzin bald verboten.
Mexiko-Stadt, Mexiko –
etablierte einen autofreien
Tag pro Woche.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
47
Umweltrisiko
Unterschiedliche Entschädigungssysteme
In den meisten Fällen lassen sich
die durch Asbeststaub hervorgerufenen Krankheiten auf die berufliche
Exponierung zurückführen. Daneben
gibt es aber Umweltbelastungen,
denen jeder unterliegen kann, verstärkt in dicht besiedelten Industrieländern wie Japan und den Niederlanden, Produktionsländern wie
Australien oder Entwicklungsländern
mit generell weniger kontrollierten
Industrieemissionen.
Berufskrankheiten werden unterschiedlich entschädigt. Der Grund:
individuell ausgestaltete (weil
historisch gewachsene) Sozialversicherungssysteme und ihr Zusammenspiel mit dem Haftungsrecht.
In Deutschland ist es die Deutsche
Gesetzliche Unfallversicherung, die
asbestexponierte Arbeitnehmer
entschädigt. Der Arbeitgeber genießt
ein „Haftungsprivileg“, das heißt,
er kann vom Arbeitnehmer nicht
zivilrechtlich in Anspruch genommen
werden.
In Frankreich wurde 2002 ein Fonds
eingerichtet, um alle Asbestopfer
zu entschädigen – unabhängig von
der beruflichen Exponierung. Der
Umfang der Regresse gegen haftpflichtige Arbeitgeber und Hersteller
ist derzeit noch nicht absehbar. In
Großbritannien, das kein Haftungsprivileg kennt, ist es die obligatorische Arbeitgeberhaftpflichtversicherung, welche die Hauptlast der
Entschädigung trägt. Daneben
existieren eine steuerfinanzierte
Arbeiterunfallversicherung und ein
Spezialfonds, die eine Basisrente
garantieren. Und es steht der ebenfalls steuerfinanzierte, staatliche
Gesundheitsdienst zur Verfügung.
In der Regel sind es also Arbeitgeber
und die hinter ihnen stehenden Versicherungssysteme, die im Zentrum
der Entschädigungsansprüche
asbestexponierter Arbeitnehmer
stehen. In den USA allerdings tragen
die Hersteller von Asbest – und damit
die Produkthaftpflichtversicherung –
die Hauptlast der Entschädigung;
die Arbeiterunfallversicherung spielt
nur eine geringe Rolle.
Yokkaichi-Asthma
Autorin
Sanae Muraoka, München
Ende der 60er- und Anfang der 70erJahre hatten einige Umwelthaftungsprozesse großen Einfluss auf
die japanische Umweltpolitik.
Während es bei den „Minamata“und „Itai-itai“-Prozessen um Wasserverschmutzung durch Quecksilber
und Kadmium ging, behandelte der
Yokkaichi-Asthma-Prozess einen
Fall massiver Luftverschmutzung.
In Yokkaichi wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Treibstofflager der
Marine an die wachsende petrochemische Industrie verkauft. Rauchund Staubbelastungen führten bei
den Einwohnern Ende der 50er-Jahre
zu chronischem Asthma und Bronchitis. Im Stadtteil Shiohama, der im
Windschatten der Industrieanlagen
liegt, litten Anfang der 60er-Jahre
80 % der rund 16 000 Einwohner unter
schweren Erkrankungen der Atemwege.
Der Grund: Man verwendete preisgünstiges Schweröl aus den USA und
dem Nahen Osten, das deutlich mehr
Schwefel enthielt als etwa das aus
Sumatra oder Russland – mit diesem
wäre der Schwefeloxidausstoß um
90 % reduziert worden. Doch nach
dem Zweiten Weltkrieg hatte die
Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Wirtschaft Priorität.
Moskau, Russland –
industrielles Zentrum des
Landes.
48
New York, USA –
Politiker bemühen sich längst,
die Luftqualität zu verbessern.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Peking, Volksrepublik China –
bei Smog will das IOC
olympische Wettbewerbe
verschieben.
Umweltrisiko
1970 erreichte die Konzentration
von Schwefeldioxid in der Luft in
Yokkaichi Werte zwischen 1ppm und
2,5ppm – das Zehn- bis Fünfundzwanzigfache des gesetzlichen Grenzwerts von 0,1ppm. Den Zusammenhang zwischen der Schwefeldioxid
belastung und den Asthmaerkrankungen zeigte 1963 erstmals der japanische Professor Katsumi Yoshida
von der Universität Mie auf.
Zwei Jahre später begann die Stadt
Yokkaichi, die ärztlichen Behandlungskosten für Betroffene zu übernehmen.
Damals wurden zunächst 18 Personen als Yokkaichi-Asthma-Patienten anerkannt, von denen bereits
für 14 eine tödliche Diagnose gestellt
worden war. In den folgenden Jahren
stieg die Zahl der anerkannten Patienten: 1967 waren es 381, 1969
bereits 600. Die Behandlungskosten
belasteten zunehmend die städtischen Finanzen. Ab 1970 übernahm
die japanische Regierung einen Teil
der Kosten für zunächst 464 Patienten.
Am 1. September 1967 reichten neun
Patienten Klage gegen sechs schadstoffemittierende Großunternehmen
ein. Beklagt waren:
Das Urteil wurde 1972 gefällt: Das
Gericht erkannte die zivilrechtliche
Verantwortlichkeit der Unternehmen
an und sprach den Geschädigten
den geforderten Schadensersatz
zu. Die gesamte Entschädigungssumme betrug 88 Millionen ¥ (rund
540 000 €). Die einzelnen Kläger
erhielten Beträge zwischen 3,7 und
17 Millionen ¥. Darüber hinaus leisteten Staat und Stadt Schadenersatz
aufgrund mangelhafter Prävention.
1973 wurde schließlich ein Rentenanspruch für Umweltopfer im
Par-lament durchgesetzt. Ein Fonds
gewährleistet die Zahlungen. Er
wird vor allem von den Unternehmen
finanziert, wobei Betriebe in stark
belasteten Gebieten höhere Beiträge
leisten. 20 % des Fonds werden von
der Kfz-Steuer gedeckt.
Der Yokkaichi-Asthma-Prozess und
die anderen Umweltprozesse der
60er- und 70er-Jahre trugen zur
gegenwärtigen strengeren Regulierung im japanischen Umweltrecht
bei. Doch: Unternehmen verlagern
inzwischen umweltgefährdende
Fabrikanlagen in andere asiatische
Länder, in denen die Restriktionen
deutlich niedriger sind.
– Ishihara (Agrochemikalien)
– Chubu Electric Power Company
(Wärmekraftwerk)
– Showa Yokkaichi (Ölraffinerie)
– Mitsubishi Yokkaichi (Ölraffinerie)
– Mitsubishi Chemical Yokkaichi
– Monsanto Chemical Yokkaichi
Qingdao, Volksrepublik China –
Wirtschaftswachstum contra
Luftverschmutzung.
São Paulo, Brasilien –
hier fahren rund 25 % aller
brasilianischen Pkws.
Dieselabgase in Tokio:
Entschädigung für
Asthmatiker
Autorin
Sanae Muraoka, München
Die Hälfte der Weltbevölkerung
lebt in sogenannten Ballungsräumen – Tendenz steigend. Der
größte Ballungsraum der Welt,
Tokio-Yokohama, zählt inzwischen
über 34 Millionen Einwohner.
1996 verklagten Einwohner Tokios,
die als Folge von Luftverunreinigung
durch Dieselabgase unter Asthma
litten, die Hersteller der Fahrzeuge.
Der Rechtsstreit wurde 2007 beendet – mehr als 500 Asthmatiker nahmen den Schlichtungsvorschlag des
Obersten Zivilgerichts der Stadt an.
Dieser sieht vor, dass die Automobilhersteller insgesamt 7,2 Millionen €
als Entschädigung an die Kläger
zahlen. Zudem beteiligen sich die
Firmen mit knapp 20 Millionen € an
einem Fonds, der die Behandlungskosten deckt.
Die ebenfalls verklagte japanische
Regierung und die Stadt Tokio zahlen
zusammen weitere rund 72 Millionen
€ in den Fonds ein, das Verkehrsunternehmen Metropolitan Expressway
Co. beteiligt sich mit 3 Millionen €.
Der Schlichtungsvorschlag sieht
zudem vor, dass die Stadt Tokio künftig mehr für Stauvermeidung und
Überwachung der Luftqualität leisten
muss.
Schanghai, Volksrepublik China –
eine der am stärksten
umweltgeschädigten Städte.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
49
Spezialrisiko
Spezialrisiko
Reine Luft bei der Halbleiterproduktion
Halbleiterhersteller reagieren beim Thema Luft sehr sensibel,
denn Computerchips werden im Reinraum produziert.
Hier muss die Luft so sauber sein, dass nicht einmal mehr
ein Staubkorn schwebt. Was aber, wenn Feuer ausbricht?
Autoren
Peter Clemenz, Dr. Robert Schmid, beide München
Ein Wafer: Nur unter Reinraumbedingungen ist es möglich,
auf dieser Siliziumscheibe
Hunderte Mikroprozessoren
herzustellen.
50
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Spezialrisiko
Die rasante Entwicklung der Halbleiterindustrie
ist ungebrochen, die Leistungsfähigkeit von
Mikroprozessoren verdoppelt sich zurzeit etwa
alle 18 bis 24 Monate. Halbleiter – extrem leistungsfähige elektronische Schaltkreise – werden mittlerweile im Nanometer-Bereich konzipiert, das heißt,
Leiterbahnen sind nur noch 45 nm breit. Erste
Versuche, sie auf 32 nm zu reduzieren, laufen
bereits.
Der Markt für Mikroprozessoren verändert sich
extrem schnell, eine Generation veraltet innerhalb
von nur 9–12 Monaten. Erfolgreich sind nur
Hersteller, die es schaffen, schneller als der Wettbewerb zu sein. Dazu sind immer modernere
Fabriken erforderlich, in denen störungsfrei immer
leistungsfähigere Chips produziert werden.
Doch verirrt sich ein Staubkorn auf die Oberfläche
eines Wafers, wirkt es in der Vergrößerung eines
Rasterelektronenmikroskops, als hätte ein Meteorit
eingeschlagen. Die Folge: Der Computerchip ist
unbrauchbar, er würde Daten fehlerhaft verarbeiten.
Halbleiterhersteller sind daher besonders daran
interessiert, Luftverunreinigung im Umfeld ihrer
Produktionsanlagen zu vermeiden – deshalb herrschen Reinraumbedingungen. Die höchste „Reinheitsanforderung“: maximal 10 Partikel der Größe
0,1 µm pro m3 Luft (ISO Class1 nach DIN EN ISO
14644). Zum Vergleich: 1 m3 gewöhnliche Umgebungsluft enthält selten weniger als 40 Millionen
Partikel, die größer sind als 0,3 µm.
Reinraum – sauberer geht es nicht
Extreme Anforderungen an die Luftreinheit wie
ISO Class1 nach DIN EN ISO 14644 in Räumen
mit vielen tausend Quadratmetern Grundfläche
sind eine Besonderheit der Halbleiterindustrie.
Daher nennt man diese Art der Fabrikkonstruktion
„ballroom design“.
Aber auch in der pharmazeutischen Industrie
unterliegen beispielsweise Herstellung und Verteilung von Wirkstoffen auf Trägermaterialien
strengen Anforderungen an die Luftreinheit –
allerdings sind weniger große Flächen betroffen.
Die Biotechnologie benötigt ebenfalls reine
Räume, etwa bei der Insulinherstellung durch
Bakterien. Auch in solchen Produktionsbereichen
müssen die hohen Anforderungen erfüllt werden, um zu verhindern, dass fremde Mikroorganismen, die auch durch die Luft übertragen
werden können, die Produktion verändern oder
reduzieren.
Egal wo Reinräume genutzt werden, ob in der
Medizintechnik, Chemikalienherstellung, Optik,
Mikrosystemtechnik oder in der Lebensmittelherstellung und Verpackung: Eine Kontamination
durch Rauch und Ruß kann die Produktion auf
lange Zeit unterbrechen und hohe Schäden verursachen.
Staubfreie Zone für störungsfreie Produktion
Nur wenn diese Luftreinheit auch erreicht wird,
kann die Fertigung störungsfrei verlaufen. Unerlaubter Zutritt von außen oder schlicht das Öffnen
der falschen Tür (Fenster gibt es aus diesem Grund
nicht) können bereits dazu führen, dass die Produktion für mehrere Tage ausfällt und ein finanzieller
Schaden in zweistelliger Millionenhöhe entsteht.
Die Luft zu reinigen und rein zu halten erreicht
man, indem man sie unter Ausschluss von Fremdluft gezielt umwälzt, mehrstufige Filter einsetzt
und besonders empfindliche Fertigungsabschnitte
zusätzlich kapselt. Ein weiteres Verfahren, das
verhindert, dass die gereinigte Luft erneut kontaminiert wird, ergänzt das aufwendige Filtern:
Durch sehr hohe Reinheitsgrade der Betriebsmittel, kombiniert mit einem geringen Überdruck
gegenüber der Umgebungsluft, können Reinraumbedingungen dauerhaft eingehalten werden.
Zudem verhindert Schutzkleidung, dass Mitarbeiter Staub in die Produktion tragen.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
51
Spezialrisiko
Hauptgefahren für die Produktion
Der Albtraum jedes Herstellers: eine Störung des
Fertigungsprozesses durch Stromausfall oder
Feuer. Den Stromausfall kann eine leistungsfähige
Notstromversorgung auffangen, die eine Minimalluftbewegung gewährleistet. Der Luftzug reicht
dann noch aus, Verunreinigungen von Maschinen
und Anlagen fernzuhalten. Erste Schäden, etwa die
Unterbrechung bestimmter Prozesse, treten aber
hier schon auf. Beispiel: Wafer werden im Thermodiffusionsofen erhitzt, damit sich die Fremdatome
gezielt verteilen. Erhitzungsdauer und Temperatur
müssen dabei genau eingehalten werden. Fällt der
Strom auch nur kurze Zeit aus, ist die kontrollierte
Temperaturführung nicht mehr sichergestellt.
Ergebnis: Die Substrate (wafer in progress) sind
unbrauchbar.
Euro-Bereich zur Folge haben. Auch der finanzielle Schaden, den eine Betriebsunterbrechung
auslöst, erreicht schnell eine ähnliche Größenordnung. Bis Reparatur, Reinigung und Wiederinbetriebnahme abgeschlossen sind, vergehen unter
Umständen Monate. Angesichts der schnellen
technologischen Entwicklung kann ein solcher
Stillstand sogar dazu führen, dass die Wiederinbetriebnahme unwirtschaftlich wird. Das gilt möglicherweise auch für Produktionseinheiten, die
nicht direkt betroffen sind.
Die Großschäden der Jahre 1996–2005 (siehe
Tab. 1, Seite 53) zeigen, wie stark die Halbleiterindustrie schadenexponiert ist. Eine hohe Wertekonzentration und die besonderen Produktionsbedingungen dieser Branche erlauben ProbableMaximum-Loss-Szenarien von 1–2 Milliarden €.
Größere Schäden bis hin zu Großschäden verursacht ein Brand im Reinraum. Typische Brandursachen können sein: Kurzschluss, Schweißarbeiten, Selbstentzündung von Ablagerungen
in Abluftkanälen oder Leckage von leicht- oder
selbstentflammbaren Flüssigkeiten und Gasen.
Ausführlichere Informationen zu Schäden und
Statistiken sind nur beschränkt zugänglich. Das
liegt zum Teil daran, dass Schäden wie Produktionsgeheimnisse behandelt werden. Hinzu kommt:
Weder Erst- noch Rückversicherer dominieren
den Markt.
Die höheren Temperaturen beschädigen Geräte
und Betriebsmittel und können innerhalb weniger
Minuten einen Schaden von mehreren Millionen
Euro verursachen; doch das ist erst der Anfang.
Denn die Thermik und der Luftstrom der Klimaanlage verbreiten den Rauch, der selbst weit
entfernte empfindliche und teure Geräte kontaminiert. Im schlimmsten Fall werden die Anlagen
so stark beschädigt, dass sie ausgetauscht werden
müssen. So kann bereits ein kleines Feuer einen
materiellen Schaden im dreistelligen Millionen-
Versicherungsaspekte
Ein effektives Risikomanagement beginnt in der
Halbleiterindustrie wie bei allen großindustriellen
Anlagen bereits bei der Planung. Risikomanager
aller beteiligten Unternehmen sollten bei der
Errichtung eingebunden sein und die Versicherungsaspekte berücksichtigen, die Bau-, Sach- und
BU-Deckung während des Betriebs und auch
zukünftige Pläne betreffen. Naturkatastrophen wie
Erdbeben und Flut dürfen dabei nicht übersehen
werden.
Abb. 1 Kleine Partikel im Größenvergleich
Haar
60 µm
Partikel, die kleiner als 10
und größer als 1 µm sind,
fallen in die Kategorie
Schwebstaub. Reinräume
verfügen über Filter, die
sogar Viren zurückhalten;
im Verhältnis zu Bakterien
sind diese so unterschiedlich groß wie Spielzeugautos und Panzer.
Staubpartikel
5 µm
Rauchpartikel
1 µm
Grafik: Münchener Rück
52
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Maßstab 1:1 000
Spezialrisiko
Neben klaren vertraglichen Formulierungen,
um Unstimmigkeiten bei der Schadenregulierung
zu minimieren, sind Schadenverhütungsmaßnahmen, insbesondere Brandschutzmaßnahmen,
umzusetzen.
Halbleiterhersteller, Versicherungsindustrie und
Brandschutzorganisationen haben gemeinsame
Schutzkonzepte wie den Standard 318 der National
Fire Protection Association (Standard for the Protection of Semiconductor Fabrication Facilities)
erarbeitet. Kernstücke dieser Konzepte sind
– flächendeckende Rauchdetektion durch hochsensitive Rauchmelder im Luftstrom,
– schnell auslösende Sprinkleranlagen auf allen
Ebenen mit brennbaren Materialien und Zündquellen sowie
– weit reichende organisatorische Maßnahmen
wie die Einrichtung von Emergency-ResponseTeams und konsequentes Training der Mitarbeiter für alle denkbaren Unfälle.
Reine Luft: In den Produktionsbereichen der Halbleiterherstellung strömt die Luft durch
Filtersysteme in Decke und
Boden. Zusätzlich wird sie
mehrmals pro Minute ausgetauscht.
Wichtig ist außerdem: Gibt es eine Werksfeuerwehr? Wie sind die lokalen Feuerwehren ausgestattet? Und: Sind die Feuerwehren auf das Risiko
vorbereitet?
Das spezielle Risiko Halbleiterproduktion – hohe
Wertekonzentration und Schadenanfälligkeit –
erfordert ein Versicherungsprogramm, das auf
den Kunden bzw. das Risiko zugeschnitten ist.
Eine Herausforderung für jeden Versicherer.
Tab. 1 Großschäden in der Halbleiterindustrie 1996–2005
Schadenjahr
Schadenursache
Ort
Schaden Sach/BU
in Millionen US$
1996
1997
1999
2000
2000
Großbrand
Großbrand
Erdbeben
Großbrand
Leckage und
Kontaminierung
Leckage und
Kontaminierung
Großbrand
Großbrand
Hsin Chu, Taiwan
Hsin Chu, Taiwan
verschiedene, Taiwan
Albuquerque, USA
Orlando, USA
180
350
300*
200**
40
Temecula, USA
45
Caen, Frankreich
Chung Li, Taiwan
> 100
rund 240
2000
2003
2005
Quelle: Münchener Rück
* Schätzung.
** Rückwirkungsschäden
nicht eingerechnet.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
53
Großschäden 2007
+++ 18.–20. Januar, Europa: Wintersturm Kyrill +++ 25.–30. Juni, Nordostengland, und 20.–23. Juli,
Südwestengland und Wales: Überschwemmungen +++ 17. Juli, Niederlande: Brand in einem
Produktionswerk für Kältetechnik +++ 17. Juli, Brasilien: Flugzeugabsturz +++ 1. August, USA: Brückeneinsturz +++ 15. August, Peru: Erdbeben.
18.–20. Januar, Europa
Wintersturm Kyrill
+++ Der Sturm zieht mit Windgeschwindigkeiten von flächendeckend über 100 km/h –
in exponierten Berglagen über 200 km/h –
über Mitteleuropa. Schwerpunkte sind
Deutschland und Großbritannien. Der versicherte Schaden: 4,5 Milliarden €.
25.–30. Juni, Nordostengland, und
20.–23. Juli, Südwestengland und Wales
Überschwemmungen
+++ Starker und lange anhaltender Regen
führt zu Überschwemmungen. Im Juni
sind am stärksten Gebiete in Yorkshire
und Lincolnshire betroffen, im Juli sind
Gloucestershire, Oxfordshire, Worcestershire gebietsweise überschwemmt.
Die Association of British Insurers schätzt
den versicherten Schaden für die Ereignisse auf je 2,2 Milliarden €.
17. Juli, Niederlande
Brand in einem Produktionswerk für
Kältetechnik
+++ Bei Reparaturarbeiten am Dach gerät
die Produktionshalle der Firma KOMA
Koeltechnische Industrie B. V. in Brand.
Trotz eines massiven Einsatzes der Feuerwehren, sogar aus Deutschland, brennt die
Halle völlig nieder. Der Schaden liegt
voraussichtlich bei 25,7 Millionen €.
17. Juli, Brasilien
Flugzeugabsturz
+++ Ein Airbus A320 der Fluglinie TAM
rast beim Anflug auf den Congonhas-Flughafen in São Paolo bei regennasser Piste
über die Landebahn hinaus, durchbricht
die Absperrung und explodiert in einer
Tankstelle. 199 Menschen kommen ums
Leben. Der versicherte Schaden beträgt
nach vorläufiger Reservemeldung
370 Millionen US$.
1. August, USA
Brückeneinsturz
+++ In Minneapolis bricht im Feierabendverkehr eine Freeway-Brücke über den Mississippi auf einer Länge von 140 m zusammen. Eine Debatte über die US-Infrastruktur
beginnt: Ist sie morsch, marode, mangelhaft?
15. August, Peru
Erdbeben
+++ Ein Erdbeben der Stärke 8,0 zerstört
in den Abendstunden zehntausende Häuser
in der Region Ica. Fast 600 Menschen
kommen ums Leben.
54
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Großschäden 2007
+++ 17.–23. August, Karibik, Mexiko: Hurrikan Dean +++ 5. September, Kasachstan: Satellitenabsturz
+++ 21. Oktober, Kalifornien, USA: Waldbrände +++ 15. November, Frankreich: Schwerer Unfall bei
Airbus +++ 24. November, Deutschland: Großbrand bei einem Automobilzulieferer +++ 7. Dezember
2007, südkoreanische Westküste: Schiffskollision.
17.–23. August, Karibik, Mexiko
Hurrikan Dean
+++ Dean ist der drittstärkste atlantische
Hurrikan, der je das Festland erreicht
hat. In Mittelamerika und der Karibik entstehen versicherte Schäden von rund
450 Millionen US$.
5. September, Kasachstan
Satellitenabsturz
+++ Eine russische Proton-M/Breeze-MRakete, mit dem japanischen Kommunikationssatelliten JCSat 11 an Bord, stürzt
in der Nähe von Dzhezkazgan ab. Ursache:
Probleme bei der Trennung zwischen
1. und 2. Stufe. Der Satellit war für rund
180 Millionen US$ versichert.
21. Oktober, Kalifornien, USA
Waldbrände
+++ Schwere Waldbrände vernichten
in einer Woche mehr als 200 000 ha Land
und zerstören mehr als 2 000 Häuser.
Nach Schätzungen von Versicherungsexperten könnte sich der durch die Brände
verursachte Sachschaden auf rund
1,1 Milliarden € belaufen.
15. November, Frankreich
Schwerer Unfall bei Airbus
+++ Bei einem routinemäßigen Turbinentest löst sich der kurz vor der Auslieferung
an Etihad-Airways stehende Airbus
340-600 aus seiner Verankerung und rast
gegen eine Schallschutzmauer. Glück im
Unglück – außer leichten Verletzungen
trägt niemand ernsthafte Schäden davon.
Die reine Kaskoschadenhöhe liegt bei
rund 200 Millionen US$.
24. November, Deutschland
Großbrand bei einem Automobilzulieferer
+++ Ein Großbrand zerstört eine von vier
Produktionshallen des Automobilzulieferers
Hella KGaA Hueck & Co. Gefertigt wurden
vorwiegend Geräte für die Ersatzteilversorgung, aber auch einige Kleinserienprodukte für die Kfz-Erstausrüstung. Es ist
der größte Feuerschaden 2007 in Deutschland und wird die Versicherer mehr als
60 Millionen € kosten.
7. Dezember 2007,
südkoreanische Westküste
Schiffskollision
+++ Kollision zwischen einem Schwimmkran und dem vor Anker liegenden Rohöltanker Hebei Spirit. Mehr als 10 000 t
Öl gelangen in das Gelbe Meer und verschmutzen die Küste.
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
55
Autoren dieser Ausgabe
56
Peter Clemenz
Schadeningenieur
Germany, Asia Pacific
and Africa
Thomas Endriß
Underwriter
Aviation Facultative
Special and
Financial Risks
Richard Gross
Präsident
Cunningham Lindsey
México SA de CV,
Mexiko-Stadt
Winrich Krupp
Schadeningenieur
Europa und
Lateinamerika
Christian Lahnstein
Referatsleiter
Risk, Liability & Insurance,
Corporate Underwriting
Dr. Alfons Maier
Senior-Schadeningenieur
Germany, Asia Pacific
and Africa
Rita Müller
Underwriter
Europa und Lateinamerika
Sanae Muraoka
Politologin M. A.
Germany, Asia Pacific
and Africa
Josef Probst
Senior-Schadeningenieur
Europa und
Lateinamerika
Ernst Rauch
Abteilungsleiter
Geo Risks Research/
Corporate Climate Centre
Dr. Robert Schmid
Underwriter
Special and Financial Risks
Vera Maria Schneider
Schadenjuristin
Global Clients/
North America
Marion Schwehr
Consultant
Risk, Liability & Insurance
Corporate Underwriting
Markus von Stumberg
Underwriter
Europa und
Lateinamerika
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
Leserbriefe
Wir können Kritik und Lob vertragen! Was gefällt
Ihnen am Schadenspiegel, was können wir besser
machen? Hier eine Auswahl an Reaktionen auf
frühere Ausgaben.
Wie finden Sie das aktuelle Heft? Schreiben Sie
uns: [email protected]
Ausgabe 2/2007
Wieder einmal darf ich mich als Empfänger des
Schadenspiegels bedanken für diese herausragenden Publikationen (aktuell, höchstes Niveau,
ausgezeichnete Qualität der Druckstücke) und das
Engagement aller Beteiligten. Bitte senden Sie
künftig zusätzliche Exemplare an unsere Niederlassungsleiter Konzern bzw. Industrie.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Schneider
HDI-Gerling Industrie Versicherung AG,
Deutschland
Schadenspiegel-Team: Gerne kommen wir der
Anfrage nach. Übrigens: Der Schadenspiegel kann
im Publikationsportal auf www.munichre.com
als PDF heruntergeladen werden.
Ausgabe 1/2007 Themenheft Risikofaktor Erde
Ich bin seit vielen Jahren begeisterter Leser des
Schadenspiegels. Die Publikation ist für mich
äußerst informativ und nützlich. Bei der Ausgabe
1/2007 ist mir allerdings aufgefallen, dass in der
Aufstellung Großschäden und Naturkatastrophen
2006 der Zyklon Larry irrtümlicherweiser mit der
australischen Westküste in Verbindung gebracht
wurde. Richtig ist jedoch, dass die australische
Ostküste von Zyklon Larry betroffen war (die
Küstengebiete von Queensland liegen im Osten
und Norden Australiens).
Ausgabe 2/2006 Themenheft Risikofaktor Feuer
Ich habe vor einiger Zeit den Schadenspiegel
Risikofaktor Feuer erhalten und mit großem Interesse gelesen. Insbesondere der Beitrag „Spezial:
Brandschutz und Schadenverhütung” bietet ausgesprochen gute Informationen zum Thema Sprinkleranlagen – Schutz für Sachwerte und Personen.
Könnten Sie mir bitte mitteilen, ob die Underwriter,
Ingenieure und Schadenexperten der Münchener
Rück weiter gehende Informationen besitzen?
Besonders wertvoll wären für mich zusätzliche
Informationen zur Schadenerwartung bei Objekten
mit und ohne Sprinkleranlage oder Angaben zu
den Kosten für den Einbau von Sprinklersystemen.
Mit freundlichen Grüßen
Brian W. Beeghly
Director of Risk Management
Nike, Inc., USA
Schadenspiegel-Team: Die Experten der
Münchener Rück sind der Anfrage natürlich nachgekommen und konnten Nike die gewünschten
Informationen liefern.
Irfan Choudhry
Underwriting Manager
Calliden Group Ltd, Australien
Schadenspiegel-Team: Hier ist uns tatsächlich
ein Fehler unterlaufen: Zyklon Larry hinterließ an
Australiens Nord-Ost-Küste seine Spuren. Wir
bedanken uns für diesen aufmerksamen Hinweis!
Münchener Rück Schadenspiegel 1/2008
57
Editorial
© 2008
Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft
Königinstraße 107
80802 München
Risikofaktor Luft
Stürmisch, zerstörerisch,
gefährlich.
Jutta Püschel
Unternehmenskommunikation
(Anschrift wie oben)
Telefon: +49 (89) 38 91-57 58
Telefax: +49 (89) 38 91-7 57 58
E-Mail: [email protected]
Bildnachweis
Titelbild: picture-alliance/dpa
S. 2, 3: MR-Archiv
S. 6: AP/Huntington Herald-Press/
Andrew Hancock
S. 10: U.S. Chemical Safety & Hazard
Investigation Board, Washington D.C.
S. 13: AP Photo/Stephen Morton
S. 14: Getty Images/John Fiordalisi
S. 18: Getty Images/Jim Reed
S. 22: MR-Archiv (Possler)
S. 24: Getty Images/David McNeese
S. 30 von links nach rechts: AP Photo/Staff/
Koundakjian, MR-Archiv, AP Photo, picturealliance/dpa, Getty Images/Junko Kimura,
MR-Archiv, MR-Archiv (Rauch), MR-Archiv
(Kron), Reuters/Carlos Barria
S. 31: von links nach rechts: picture-alliance/
dpa, picture-alliance/dpa, Jürgen A. Schwarz,
München, Loser/mediacolors, Sascha
Schuermann/ddp, Tannen Maury/AFP/
Getty Images
S. 33: 2005 NOAA /Getty Images
S. 35, 36: Marte Rebollar/AFP/Getty Images
S. 38, 40, 43: Maritime and Coastguard
Agency, Southampton, Hampshire
S. 44: Andanson James/Corbis Sygma
S. 45 von links nach rechts: Robert
Nickelsberg/Time Life Pictures/Getty Images,
Modrow/laif, AP Photo/Anat Givon
S. 46 von links nach rechts: Heeb/laif, Getty
Images/Tim Graham, Barry Lewis/Alamy
S. 47 von links nach rechts: Gabriel Bouys/
AFP/Getty Images, Getty Images/Paula
Bronstein, picture-alliance/dpa
S. 48 von links nach rechts: Chris Niedenthal/
Time Life Pictures/Getty Images, Peter
Scholey/Alamy, picture-alliance/dpa
S. 49 von links nach rechts: picture-alliance/
Uwe S. Meschede, Yann Arthus-Bertrand/
Corbis, Mark Ralston/AFP/Getty Images
S. 50, 53: Intel Corporation, Santa Clara, CA
S. 54 von links nach rechts: picture-alliance/
dpa, picture-alliance/dpa, picture-alliance/
dpa, AP Photo/Marcelo Min, Mandel Ngan/
AFP/Getty Images, picture-alliance/dpa
S. 55 von links nach rechts: picture-alliance/
dpa, Reuters/Reuters TV, picture-alliance/dpa,
picture-alliance/maxppp, Lothar Zimmermann, Hamm, picture-alliance/dpa
Redaktionsassistenz
Michael Domke
Unternehmenskommunikation
(Anschrift wie oben)
Druck
Druckerei Fritz Kriechbaumer
Wettersteinstraße 12
82024 Taufkirchen/München
Anmerkung der Redaktion
In Veröffentlichungen der Münchener Rück
verwenden wir in der Regel aus Gründen
des Leseflusses die männliche Form von
Personenbezeichnungen. Damit sind grundsätzlich – sofern inhaltlich zutreffend –
Frauen und Männer gemeint.
Weitere Hefte sind gegen eine Schutzgebühr
von 8 € erhältlich. Ihre Bestellung schicken
Sie bitte an [email protected].
Aufsichtsrat
Dr. Hans-Jürgen Schinzler (Vorsitzender),
Herbert Bach (stellvertretender Vorsitzender),
Hans-Georg Appel, Holger Emmert,
Ulrich Hartmann, Dr. Rainer Janßen,
Prof. Dr. Henning Kagermann,
Prof. Dr. Hubert Markl, Wolfgang Mayrhuber,
Kerstin Michl, Prof. Karel Van Miert,
Ingrid Müller, Prof. Dr. Heinrich v. Pierer,
Dr. Bernd Pischetsrieder,
Dr. Jürgen Schimetschek,
Dr. Albrecht Schmidt, Dr. Ron Sommer,
Wolfgang Stögbauer, Josef Süßl,
Judy Võ
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Telefon: +49 (89) 38 91-0
Telefax: +49 (89) 39 90 56
http://www.munichre.com
bewegte Luft kommt die Versicherungswirtschaft teuer: Stürme
verwüsten ganze Landstriche und richten Schäden in MilliardenEuro-Höhe an. In unserem Spezial „Wetterphänomen Sturm“
haben wir für Sie alles Wissenswerte rund um die Elementargefahr zusammengestellt. Wir zeigen Ihnen die Schadensituation
nach Hurrikan Wilma, der 2004 im mexikanischen Ferienparadies Yucatán wütete. Besonders heikel war hier die Regulierung
der Betriebsunterbrechungsschäden. Und: Wie aufwendig die
Bergung eines Containerschiffs sein kann, verdeutlicht das Beispiel der MSC Napoli – sie havarierte 2007 während des Wintersturms Kyrill.
Verantwortlich für den Inhalt
Claims Management & Consulting:
Nicholas Roenneberg
Geo Risks Research/Corporate Climate
Centre: Prof. Dr. Peter Höppe
Marine: Thomas Artmann
Risk, Liability & Insurance:
Christian Lahnstein
Schaden: Dr. Paolo Bussolera,
Arno Studener, Dr. Eberhard Witthoff
Space: Philip Ruari McDougall
Doch der „Risikofaktor Luft“ geht über die reine Sturmgefahr
hinaus. Stichwort Luftverunreinigung: Von den Umweltmedien
Luft, Boden und Wasser beeinflusst die Luft unser körperliches
Wohlbefinden besonders intensiv. Wie verhält es sich mit Aufwendungen für asbestverursachte Berufskrankheiten oder
imissionsbedingte Atemwegserkrankungen? Und: Ist Luft der
Freund der Luftfahrt oder vielmehr ein unkalkulierbares Risiko?
Im Interview mit einem Piloten und Aviation-Underwriter klären
wir, wie gefährlich turbulente Luftbewegungen für den Flugverkehr wirklich sind.
Luft kann auch Feuer fangen: So berichten unsere Autoren im
vierten und letzten Themenheft der Reihe „Wasser, Feuer, Erde,
Luft“ über die Explosionsgefahr brennbarer Stäube. Außerdem
über die Notwendigkeit reiner Luft bei der Halbleiterproduktion
oder über eine defekte Windenergieanlage, deren Rotor ungebremst immer schneller drehte, bis ein Rotorblatt abknickte.
Schließlich finden Sie in dieser Ausgabe auch unseren Rückblick
auf die Großschäden 2007.
Wie gefällt Ihnen das Heft? Schreiben Sie uns doch unter:
[email protected]
Redaktion
Daniela Pürzer
Unternehmenskommunikation
(Anschrift wie oben)
Telefon: +49 (89) 38 91-93 84
Telefax: +49 (89) 38 91-7 93 84
E-Mail: [email protected]
Ihr Schadenspiegel-Team
ISSN 0940-8878
Auf www.munichre.com können Sie im Publikationsportal alle Schadenspiegel-Ausgaben seit 2000 bestellen oder als PDF herunterladen.
Die Zeitschrift erscheint in zwangloser
Folge. Nachdruck ohne Genehmigung
nicht gestattet.
Schadenspiegel 1/2008
Bestellnummer 302-05654
Münchener Rück Munich Re Group
© 2008
Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft
Königinstraße 107
80802 München
1/2008, 51. Jahrgang
Schäden und Schadenverhütung
Schadenspiegel
Themenheft
Risikofaktor Luft
Deutsch

Documentos relacionados