05.06.2012 auto bild klassik - bei Oldtimer

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05.06.2012 auto bild klassik - bei Oldtimer
report kultspielzeug
Die
- Saga
Sie fahren zerkratzt durch Sandkästen oder stehen funkelnd
in Vitrinen. Die kleinen Autos von Siku sind längst ein Stück
deutscher Geschichte. Wo kommen sie eigentlich her?
Fotos: Kersten Weichbrodt, Martin Meiners, Picture Alliance/dpa, hersteller
Willkommen in Lüdenscheid, der
Stadt des Lichts! Ziemlich unbescheiden
begrüßt die Homepage der Westfalen ihre
Besucher. Die Stadtväter wollen so die örtliche Lampen- und Leuchtenindustrie
pushen. Dass in Lüdenscheid einer der
weltgrößten Autohersteller zu Hause ist,
wird nicht erwähnt. Weil es nur Spielzeugautos sind?
Viel geschrieben wurde über die SieperWerke nie, das hat eine lange Tradition.
Wie die Firma selbst. Literatur und Fotos:
Mangelware. Immerhin liegt die Historie
des Unternehmens nicht
Die Schlagstempel
ganz im Dunkeln. Seine
aus den 60er-Jahren Geschichte beginnt Ende
gewähren Einblick in 1921 im Keller des Wohndie Handwerkshauses Schlittenbacher
kunst der Graveure Straße 5 in Lüdenscheid.
früherer Zeiten.
Der 41-jährige SchlosserErstaunlich viele
meister Richard Sieper
Stempel sind bei Siku beschließt, sein handerhalten geblieben
werkliches Geschick als
Selbstständiger einzusetzen und Essbestecke aus Aluminium zu
gießen. 1921 ist die Mark fast wertlos. Messer, Gabel und Löffel gelten als attraktive
Zahlungsmittel, Kellergießereien als nichts
Ungewöhnliches.
Nachdem die Inflation 1924 überwunden ist, verschwinden die meisten dieser
Kleinbetriebe wieder. Nicht so der von Sieper. Seine Waren kommen an, er vergrößert die Palette: Aschenbecher, Etuis, Tabak- und Puderdosen. Nach und nach entsteht im Hof des Hauses ein respektabler
Fabrikgebäude-Komplex. Mitte der 30er
erweitert Sieper die Produktion um sogenannte Militäreffekten: Abzeichen, Orden,
Knöpfe und andere Uniformteile – und
trifft damit den Bedarf der nationalsozialistischen Zeit. Die Firma ist überaus erfinderisch, lässt zahlreiche Patente eintragen. Das einträglichste: ein Verfahren,
millionenfach benötigte Koppelschlösser
ohne Löten herzustellen.
1935 treten Richard Siepers Söhne Kurt
und Werner ins Unternehmen ein. Bis zum
Zusammenbruch Deutschlands im Mai
1945 wird in schnellen Schritten expandiert: 1937 entsteht einen halben Kilometer entfernt, aber noch immer in der Schlittenbacher Straße, ein Neubau auf dem Gelände, wo noch heute die Zentrale von Siku steht. 1940 folgt ein Zweigwerk in Komotau im Sudetenland (heute Chomutov,
Tschechien); 1943 ein weiteres in Müsen
im Siegerland.
Der Grundstein für die Spielzeugherstellung der Nachkriegszeit war bereits in
den späten 30er-Jahren gelegt worden –
mit der Verarbeitung von Kunststoff, der
damals noch „thermoplastische Masse“
heißt. Die ersten Plastikartikel sind Sportund Tagungsabzeichen sowie kleine Sammelfiguren des Winterhilfswerks, die es
für fleißige Spender gibt. Der Handarbeitsanteil ist hoch, Kunststoffoberflächen
müssen bemalt, Metallteile entgratet und
gebürstet werden. Heimarbeiterinnen aus
der Umgebung des Werks ergänzen die
mehrere Hundert Mitarbeiter zählende
Belegschaft – eine Tradition, die bis Mitte
der 80er bestehen soll.
Goliath GP 700 E, 1954
Mercedes 190 SL, 1957
VW 1500 Variant, 1962
Opel Kadett, 1963
Ferrari 275 GTB, 1967
Ford Capri, 1970
Toyota 2000 GT, 1971
Chevrolet Corvette C4, 1984
Mercedes 300 SL, 1990
Richard Sieper
1880–1941
Werner Sieper
1904–1981
Kurt Sieper
1909–2006
Volker Sieper (70),
seit 1972 in der Geschäftsführung
Britta Sieper (35),
die 4. Generation
VW Karmann-Ghia Cabrio, 2008
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Arbeitsalltag anno 1939 bei Sieper. Modellautos sind noch nicht im Programm,
dafür Abzeichen aus Polystyrol und Metall. Die Frauen trennen die filigranen
Teile mittels Kneifzange vom Gussast. Arbeitszeit: von sieben bis 18 Uhr
Foto: www.koppelschlösser.com
foto: h. bitsch/www.margarinefiguren.de
Während des Krieges
beherrschen Uniformteile
und Armeeausrüstung das
Sortiment. Meisthergestellter Artikel: das Koppelschloss – die Gürtelschnalle
für Parteigänger und
Soldaten. Rechts ein Exemplar der Luftwaffe; daneben
frühe Plastik-Anstecker
Die Mercedessterne aus
Lüdenscheid
glänzen nur kurz.
Schon 1950 findet
sich Sieper nicht
mehr im Zuliefererverzeichnis
des schwäbischen
Autobauers
Oben: Für den
Verkauf im Fachhandel werden
die Figuren
in Handarbeit
bunt bemalt.
Als Margarinezugabe bleiben sie
stets farblos
Messestand, Nürnberg 1951
Kürzeren Bestand hat bekanntlich das selbst ernannte
Tausendjährige Reich. Für Sieper bedeutet die Kriegsniederlage den Verlust des Werks in
Komotau sowie das Verschwinden der wichtigsten Kunden:
der Bekleidungsämter der
Wehrmacht.
Der Neuanfang gestaltet sich
entsprechend schwierig. Zunächst stellen die Sieper-Brüder
– Vater Richard war bereits 1941
verstorben – Knöpfe und Kämme her. Doch die Unternehmer
sind stets auf der Suche nach
neuen Märkten. Sie ziehen einen Großauftrag für TesafilmAbroller an Land, der bis weit
in die 50er-Jahre reicht. Eine frisch geknüpfte Geschäftsbeziehung zu
Daimler-Benz währt
dagegen nur kurz:
1949 liefern die Lüdenscheider MercedesSterne nach Stuttgart.
Die verchromte Kühlerzier aus Zinkspritzguss hat
allerdings nicht die geforderte
Qualität, und so wird die Zusammenarbeit kurzerhand beendet. Damit sind die SpritzgussmaschiAb 1932 regelt die
nen vorerst
Zugabenordnung,
arbeitslos.
dass nur noch
Was noch nieKleinigkeiten zu
mand ahnt:
Waren beigegeben
15 Jahre späwerden durften.
ter sollen sie
Margarinehersteller die GrundlaFri-Homa (heute
ge bilden, um
Homann) reizt das
Matchbox PaKonzept aus
roli zu bieten,
die mit Metallmodellen auf den Markt
drängen.
Doch bevor die Spielzeugautos aus Zinkguss ihren Siegeszug beginnen, widmet sich die
Firma voll dem Kunststoff – Sieper Kunststoff. Kurz: Siku. Kurt
Sieper kreiert 1950 mit seinem
Prokuristen Karl Brockhaus diesen Namen. Die beiden sind die
treibende Kraft in Lüdenscheid,
Werner Sieper kümmert sich
seit 1948 um das Werk in Müsen. Dort werden bis 2009 Haushaltswaren und Badezimmerschränke hergestellt.
Daher bleiben wir
bei Kurt und Karl, die
sich 1950 die deutschen Kinderzimmer
als Absatzgebiet vornehmen. Bisher war
der Bereich von Holzund Blechspielzeug geprägt. Von der ersten
Nürnberger Spielwarenmesse berichten die
„Lüdenscheider Nachrichten“ am 6. April
1950 stolz: „Anklang
fanden die neuartigen
Plastik-Spielzeuge der
Firma Richard Sieper &
Söhne [...] aus Kunstharz. Es wurden zahlreiche Aufträge erteilt.“ Das Angebot bestand aus Western-, Bauernhof- und
Tierfiguren sowie einer Schneekugel.
Schon im
Jahr daraufkommt Siku nicht
m e h r
ums Automobil
herum –
und präDie Feuerwehr von 1951 kann einen dünnen Wasserstrahl sechs Meter weit spritzen
sentiert
auf dem zehn Quadratmeter
scheider Werk. Mehr als 500 vergroßen Stand das erste Auto: eischiedene Teile bietet Siku an –
ne Drehleiter, 21 cm lang, mit
für Kraft, Nigrin, Rewe, Unilever
Schwungradmotor, inklusive
und viele andere. Die Kinder
Besatzung, Sprungtuch und als
freut’s, doch der LebensmitClou einem Wassertank mit
telindustrie galoppieren die
Schlauch. Weitere Großmodelle
Kosten davon. Sie einigt sich
folgen, immer mit hohem Spielin einem gemeinsamen Abwert versehen. Obwohl bis in die
kommen, am 1. März 1954 die
60er vor allem in Warenhäusern
Zugaben einzustellen.
erhältlich, sind diese frühen
Aber diese Zeitspanne hat geModelle heutzutage sehr selten.
reicht, um Siku ein dickes Fi- Die Siku-Autos Nummer zwei und drei
Etwas häufiger anzutreffen
nanzpolster zu bescheren – das kommen 1952 heraus: der „Supersind Vertreter des zweiten daWirtschaftswunder ist in der Rennwagen“ (rechts) mit Schwungradmaligen Siku-Standbeins: der
Schlittenbacher Straße angekom- antrieb und der schwimmfähige
Amphibienwagen mit Uhrwerkantrieb
Margarinefigur. Die sind nicht
men. Das nächste Projekt wird
etwa aus Margarine geformt,
sondern aus Polystyrol – ihren
die siku-konkurrenten
Namen bekommen sie, weil es
sie beim Kauf von Kaffee, HaMatchbox wurde 1947 in London gegrün- arm zu lagern und weich zu federn. Ein Konferflocken, Schuhcreme oder
det. Erster Bestseller war 1952 eine Minia- zept, das heute bei allen Herstellern zu fineben Margarine beim Lebenstur der Krönungskutsche von Queen Eli- den ist. Von 1961 bis 87 fertigte Majomittel-Kaufmann kostenlos dazabeth II. Im Jahr darauf legte man die be- rette in Frankreich Modelle, die auch in
zugibt. Ähnlich wie Sammelrühmte 1:75-Miniaturenserie auf, die in Deutschland sehr beliebt waren. Dann wurbilder. Die kleinen Figuren verkleinen Kartons in Streichholzschachtel- de die Produktion nach Thailand verlegt,
lassen ab 1950 täglich lastwaOptik daherkam. Obwohl über viele Jahre und das Unternehmen geriet in unruhiges
genweise das LüdenWeltmarktführer, ging die Firma 1982 in Fahrwasser. Seit 2010 gehört die Marke
Abbildung in OriginalKonkurs und wurde von Chinesen, später Simba-Dickie und ist wieder etwas prägröße: Diese putzigen
Amerikanern gekauft. Heute gehört Match- senter. Auch Schuco (66er-Serie) und
Siku-Zirkusfiguren
box zu Mattel. Der US-Spielzeuggigant war Faller (Hit-Car) feierten in den 70ern Vergab es beim Kauf
von Effkaes auch, der 1968 Hot Wheels auf den kaufserfolge. Weniger verbreitet waren
Margarine
Markt brachte, in Deutschland zeitweise dagegen Modelle von Efsi (Niederlande,
unter dem Namen „Heiße Räder“. Firmen- 1971–88), Husky/Corgi (England, 1964–
gründer Elliot Handler persönlich hatte 90), Politoys/Polistil (Italien, 1965–90),
die Idee, die Achsen extrem widerstands- Tomica (Japan) und Yatming (Hongkong).
Fotos: m. meiners, hersteller, S. krieger (1)
Foto: sammlung schumacher, Lüdenscheid
report kultspielzeug
Messestand, Nürnberg 1954. Ganz rechts
Karl Brockhaus
Ein Prospekt zeigt 1954 die aufregende Siku-Welt zu Lande, zu Wasser und in
der Luft. Renn- und Amphibienwagen werden ab 1952 in Nürnberg im Wasserbassin und auf einer Rampe mit 57 Prozent Steigung vorgeführt (ganz oben)
Der schmucke
Mercedes 300 von
1954 trägt die
(Bestell-)
Nummer V 1. Das
V steht für
Verkehrsmodell
Bleistiftzeichnungen aus der Sieper-„Designabteilung“, leider unsigniert.
Rechts eine frühe Skizze eines Mercedes 300 S Coupé. Links oben die berühmte
Feuerwehr, allerdings in der Miniaturversion für Fri-Homa. Darunter
die Zündapp Bella mit Fahrerin, die als V 417 von 1955 bis 1958 im Katalog ist
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report kultspielzeug
Fotos: m. meiners, hersteller
Die Sieper-Werke 1971. Aus dem kleinen Garagenbetrieb
wurde in 50 Jahren ein klassisches mittelständisches Unternehmen – und das am selben Ort, bis heute
Die Spielzeuge im Großmaßstab bleiben bis in die
60er im Programm. Oben das „Selbstbau-Auto“
Ähnlich wie Wiking liegt auch Siku in den 50ern
die Verkehrserziehung am Herzen. Kindern wird
ein Plan nahegelegt, der mit Autos, Häusern und
Verkehrsschildern bestückt werden kann. Für
Fahrschulen gibt es spezielle Sortimente, in denen
die Modelle unten Magnete haben. Die
Verkehrspläne werden auf Bleche gezogen und
hängen platzsparend an der Wand
Ende der 50er steigt Siku in das Geschäft mit Werbemodellen ein. Meist
nimmt der Auftraggeber 1000 Stück ab. Etwa zur gleichen Zeit beginnt man,
europäische Exportmärkte zu beliefern, zum Beispiel die Niederlande
Eine Doppelseite aus dem 1965er Prospekt.
Der Stil mit Illustrationen des Hauszeichners
Runde wirkt zu diesem Zeitpunkt schon etwas
angestaubt. Gut zu sehen ist das Bemühen,
jedes bewegliche Teil darzustellen
begeistert angegangen: Automodelle. Ein ganzes Sortiment soll
es sein, im einheitlichen Maßstab. Über den sich Sieper und
Brockhaus lange beraten. Schließlich entscheiden sie sich für 1:60
– denn „ein Modell im Maßstab
1:60 gestattet die genaue Ausarbeitung sämtlicher Feinheiten.
[...] Auch das kleinste Modell
muß noch eine Größe haben, daß
es als ein Spielzeug anzusprechen ist und nicht verwechselt
werden kann mit primitiven Massenartikeln.“ So ein Brief an den
Handel. Weitere Merkmale sind
Sieper wichtig: eingesetzte glasklare Fensterscheiben, Stahlachsen, Bemalung. Um den Qualitätseindruck zu verbessern, sind
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Hoher Spielwert und gleichzeitig große Detailtreue sind für die Plastik-Serie
charakteristisch: Im Krankenwagen befinden sich herausnehmbare Tragen,
das Gepäck auf dem Opel können Kinder auspacken. Der Borgward-Verkaufswagen rechts ist unbeschädigt und mit Karton bei Sammlern extrem gesucht
im Innern „Schwereinlagen“ aus
Zink montiert. Damit bekommen
die Modelle ein höheres Gewicht
und rollen besser.
Die Zeichner, Graveure und
Werkzeugmacher leisten Beachtliches. Anfang 1954 fotografieren
und vermessen sie 18 verschiedene Pkw, dazu 15 Lastwagen
und Transporter. Unterstützung
der Autoindustrie gibt es nicht,
die Wagen kommen aus der Belegschaft oder werden von Händlern geliehen. Im Mai erobert die
neue Kollektion unter dem Namen „Siku-Verkehrsmodelle“
den Handel (V 1 bis V 32).
Später werden Typen sogar auf
Grundlage von Zeitschriftenberichten realisiert – was man etwa
dem 59er Edsel (V 98) auch ansieht. Meist stimmen aber die
Proportionen, und so sind von
Beginn an nicht nur Kinder von
den Miniaturen fasziniert, sondern auch erwachsene Sammler.
Bis 1963 entstehen rund 200 Plastikmodelle, dazu gibt es mehr als
600 Zubehörartikel wie Gebäude,
Zäune, Bäume, Schilder und Figuren. Sogar Flugzeuge stellt Siku her (F-Serie, Maßstab 1:250).
Höhepunkt im Programm ist
V 179, das einzige Modell ohne
reales Vorbild: ein Henschel-Sattelzug mit Atlas-Rakete aus dem
NASA-Mercury-Programm als
Ladung. Prokurist Brockhaus
und Produktionsleiter Heimroth
kombinieren so Spieltrieb mit
Weltraumbegeisterung.
Einen Höhenflug erlebt Anfang
der 60er nicht nur die Raumfahrt.
Spielzeughersteller Lesney ge-
winnt seit 1953 kontinuierlich
mit Zinkguss-Modellen der Marke Matchbox Marktanteile. 1962
verstärken die Londoner ihre
Werbung in Deutschland, Siku
verliert an Boden. Die robusten
englischen Autos werden bei Kindern schnell beliebt, die Deutschen müssen reagieren.
Der Druck wirkt: Schon auf der
Spielwarenmesse 1963 können
die Besucher die ersten acht Metallmodelle auf dem Siku-Stand
bewundern. Ähnlich wie zehn
Jahre zuvor ist die neue Fahrzeugflotte Ergebnis eines enormen Kraftakts, auch finanziell.
Eine große Hilfe ist der Umstand,
dass bereits leistungsfähige Zinkgussmaschinen vorhanden sind.
Trotzdem müssen viele Bereiche
der Fabrik radikal umorganisiert
werden. So fehlt bislang zum Beispiel eine Lackiererei – die
Der Ford F500 (V 222) ist ab 1963 neun Jahre lang im Programm.
Am rechten Exemplar ist gut zu sehen, was Siku in den 70ern gern ändert:
Die Swarovski-Steine fallen weg, die Verglasung ergrünt
Für zahlreiche
Banken und
Sparkassen fertigt
Siku Spardosen in
Form eines BüssingBusses. Sie sind
nicht in Geschäften
erhältlich und erzielen
heute regelmäßig
hohe Preise
Werbemodelle der V-200-Serie. BASF und Raab Karcher sind gewinnbringende Kunden, die Sieper-Badmöbelwerke aus Müsen ordern
naheliegenderweise auch. Am unteren Bildrand die seltene FirehunterRennfeuerwehr als Auftragsmodell von Cosmos Brandschutz, Velbert
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top 25: die kostbarsten siku-raritäten
report kultspielzeug
Wurden in Brasilien
montiert und verkauft:
Siku-Modelle von Rei.
Wie beim ungarischen
Partner Metchy stimmt
die Qualität nicht
Die im Herbst 1974 errichtete
„elektrostatische Flachlackieranlage“ ist 45 Meter
lang und seinerzeit eine
Sensation. Die Zinkteile werden
statisch aufgeladen und mit
feinem Farbpulver besprüht,
das dann eingebrannt wird.
Hier kommt gerade ein Schwung
VW T2 mit DoKa vorbei
Plastikmodelle werden von Heimarbeiterinnen per Pinsel bemalt.
Die Zinkguss-Autos von 1963–74
bezeichnen Sammler heute als „V200-Serie“. Sie stellt für viele den
Höhepunkt des klassischen
1:60-Modellbaus dar. Die Autos
begeistern Jung und Alt durch liebevolle Details: gefederte Achsen,
eine Inneneinrichtung mit eingesetztem Lenkrad, rote Rücklichter.
Und natürlich die funkelnden
Strasssteine, die Swarovski zuliefert. Kein Wunder, dass die Metallminiaturen sofort ein Erfolg werden. Die Plastikserie hingegen wird
schnell ausgedünnt, sie verschwindet 1969 ganz.
1971 feiert Sieper 50-jähriges Jubiläum. In Lüdenscheid arbeiten
zu diesem Zeitpunkt 430 Menschen, in Müsen 250. Siku ist zur
etablierten Marke geworden, auch
im Ausland. Die zweite Generation
≥ Die teuersten Modelle bei Versteigerungen (Saal-Auktionen und Ebay) in den letzten fünf
Jahren. Gerundete Werte, Aufgeld und sonstige Nebenkosten wurden nicht mitgerechnet.*
der Zinkgussmodelle setzt ab
1964 in Sachen Spielfunktionen
Maßstäbe: Türen und Hauben,
die aufgehen; Sitze, die umklappen. Ein Tempo Matador mit Kanu und Paddeln, ein Opel Rekord
Caravan mit Skiern und Bob. Dazu Rettungsfahrzeuge, Baumaschinen, Lastwagen.
Ein ganz besonderes Modell ist
V 344, die Lamborghini-Rennfeuerwehr. Denn für sie steht ein
Maserati Pate. Karl Brockhaus
hatte 1973 in einem Magazin den
„Firehunter“ entdeckt – einen
330 PS starken Ghibli, der von
Brandschutzspezialist Total zu
einem spektakulären Löschfahrzeug für den Rennsport umgebaut wurde. So etwas will Siku
unbedingt: einen rassigen Exoten, knallrot, mit Blaulicht und
beweglicher Löschkanone auf
dem Dach. Statt viel Geld in eine
neue Form zu investieren, nimmt
man kurzerhand den Lamborghini Espada, denn der ist seit
1971 im Programm. Typisch Siku: Geschäftssinn geht über Faktentreue, die Wirkung auf Kinder
ist wichtiger als die Meinung von
Sammlern.
Ebenfalls 1973 kommt der Porsche 914/6 Rennpolizei heraus.
Den gibt es in dieser Form wirklich, Einsätze beim 1000-kmRennen Nürburgring 1970 sind
belegt.
Brockhaus ist Anfang der 70er
noch der kreative Kopf hinter den
Neuheiten. Er bekommt 1972 einen neuen Boss: Volker Sieper,
den Sohn von Werner. Den Junior erwarten große Aufgaben. Unter seiner Regie soll Siku von der
regionalen Manufaktur zu einem
international agierenden Spielwarenhersteller aufsteigen. Mit
Werbefachmann Ernst Kutschinski entwickelt er einen grafischen
Auftritt mit hohem Wiedererkennungswert. Violett, Orange und
Magenta begleiten fortan eine
ganze Generation autobegeisterter Kinder. Zudem werden die
Modelle authentischer präsentiert: Auf Verpackungen und in
Katalogen ersetzen Fotos die
Zeichnungen.
Ab 1975 werden die Modelle
nach einem neuen vierstelligen
Nummernsystem bezeichnet –
der Beginn der 1000er-Serie. Die
Modelle dieser Ära sind ge-
Rang
  1.
  2.
  3.
  4.
  5.
  6.
  7.
  8.
  9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
Siku-Modellnummer und Typ
V 88 Mercedes LP 315 Pritschenwagen, himmelblau/grau 1
V 147 Opel Caravan, hell-patinagrün 2
Spardose Büssing-Bus LU 55 „Kieler Spar- und Leihkasse“, blau
V 305 Mercedes 406 Werbemodell „Baufa“
V 300 VW 411 3
V 122 Fahr-Dieselschlepper mit Kultivator
V 216 Lkw mit Postcontainern + V 217 Anhänger mit Postcontainern
V 116 Fahr-Dieselschlepper mit Heurechen – nur Schachtel
V 287 Hanomag Robust 900 Werbemodell mit Werbeschachtel
V 27 Borgward 2400, hellrosa
V 28F Borgward 2400 Pullman, rosa/grau
V 279/2 Ford 20M mit Westfalia-Wohnanhänger
V 151 Robuster III/48, gelb/blau
V 41 Henschel-Tankwagen Werbemodell „Strüver“, silber/rot
V 314 Ford F500 mit Kippanhänger
V 115 Fahr-Dieselschlepper mit Anhänger – nur Schachtel
V 286 Opel Olympia, rot 4
V 296 Ford GT40 in originalem Blister
Spardose Büssing-Bus LU 55 „Haspa“, rot
V 261 Mercedes-Drehleiter „Falck“ aus Dänemark
V 102 Borgward-Verkaufswagen, blau/grün
V 200 Berliet Muldenkipper, gelb/blau
V 108 Pionier-Brückenbau-Zug
V 281 Magirus-Deutz M250 Kipper „Raab Karcher“
V 352 Tieflader mit drei Baufahrzeugen
Preis in ¤
2500
2012
2000
1860
1362
1300
1300
1245
1122
1100
1068
1013
1004
1000
  945
  917
  872
  872
  800
  753
  740
  739
  730
  706
  705
Ein buntes, fröhliches
Erscheinungsbild hält 1974 mit dem
neuen Firmendesign Einzug. Unten
das Motiv, das den Siku-Sammelkoffer ziert
Die 500 m∏ große
Formwerkstatt
beherbergt noch
heute ein paar
Maschinen aus den
70er-Jahren, wie
diese Fräse des
Münchener
Herstellers Deckel.
Mit ihr werden
Gusswerkzeuge
repariert
Welchen Lack ein neues Modell
letztlich beim Serienstart trägt,
wird bis heute von der SieperGeschäftsleitung gern anhand von
Farbreihen entschieden. Links die
Parade der bunten Matra-Simca
Rancho. In die Schaufenster
schaffte er es zeitlebens (1979–88)
nur in Rot (Mitte unten)
82 www.autobild-klassik.de | Nr. 5XX∧ ∧ April
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* quelle: eigene recherche/auktionshaus saure, köln. Fotos: m. meiners, l. rohwedder, R. timm, hersteller
Die verschiedenen
Verpackungen der
V-Serien-Modelle: Zehn
Jahre lang dominiert die
Pappschachtel, bevor der
Blister (rechts) seinen
Siegeszug antritt
1950
Siku nimmt sich immer wieder größere Maßstäbe vor. Von links nach rechts: Magirus-Deutz Kipper und Unimog U 1500 (1981–83, 1:27); Fendt
Favorit 926 Vario, Junior-Serie (1998–2001, 1:20); Mercedes 500 SEL (1992–94, 1:43). 2012 sind sechs Maßstäbe von 1:400 bis 1:32 vertreten
kennzeichnet durch den Verzicht auf
die Swarovski-Steine sowie der roten
Kunststoff-Rückleuchten. Die Ingenieure experimentieren mit leuchtgrünen Verglasungen (siehe Seite 80). Warum, ist nicht überliefert.
1975 werden die Modelle größer, aber
auch plumper und weniger filigran. Siku stellt auf den Maßstab 1:55 um – was
den Renault 5 größer
macht als den CiDer Reiz der
Siku-Plastikmodelle troën DS. Rund zehn
Jahre bleiben so
erschließt sich
zwei verschiedene
besonders, wenn
Maßstäbe im Proman sie mit
aktueller Ware aus gramm. Für PedanFernost vergleicht. ten gewöhnungsbeIm Bild 1960er VW dürftig. Doch auch
Käfer, T1-Busse und in der V-Serie gab
es bereits leicht abFord FK 1000
weichende Größen,
wenn die gewünschte Spielfunktion
dies erforderte. Beispiel hierfür ist der
Mercedes 406 Postwagen, bei dem
sich fünf Türen öffnen lassen.
1982 entsteht eine neue Zinkgießerei – wichtig für die neue Farmer-Serie, die 1984 mit 1:24-Modellen aus
der Landwirtschaft startet. Die sind
bis heute ein Riesenerfolg.
1984 übernehmen
die Lüdenscheider
Wiking Modellbau.
Dessen Gründer und
Alleininhaber Friedrich Peltzer war 1981
gestorben. Volker
Sieper und seine
Brüder Hartmut und
Wieland sehen im traditionsreichen
Berliner Hersteller eine gute Ergänzung zur Siku-Palette.
Die 80er sind über die Wiking-Übernahme hinaus hauptsächlich von internationaler Expansion geprägt. 1985
exportiert man bereits in 50 Länder
und will weiter wachsen.
Die wegen komplizierter Zollgesetze schwer zugänglichen Märkte
Brasilien und Ungarn sollen über
Joint-Ventures erobert werden. Doch
Qualitätsprobleme bei den Partnern
Rei und Metchy beenden die Zusammenarbeit 1987 – außer unter Liebhabern gesuchte Varianten bringt dieses
Kapitel nicht viel Nutzen hervor.
In den 90ern dann das Unvermeidliche: Teile der Produktion werden ins
Ausland verlagert. Den Anfang macht
1992 ein Werk in Hongkong, 1993
Der Mercedes SL Typ
R 107 blieb ein Prototyp.
Sein Vorgänger, die
Pagode, verkaufte sich
einfach zu gut. Sie lief
bis 1984 – das Vorbild
war da längst in Rente.
1992 folgte der R 129
Die Farmer-Serie
ist heute Eckpfeiler
des Sortiments.
Sehr begehrt ist der
Unimog U 411 als
Werbemodell der
Firma Profi
folgt eine Niederlassung bei Wrozlaw
(Breslau) in Polen. Aber auch in der
Heimat wird investiert, nahe der A 45
entsteht 1995 ein Logistikzentrum.
Heute beschäftigt Siku weltweit 700
Mitarbeiter. Die Stars im Sortiment
sind ferngesteuerte Trucks. Siku ist in
60 Ländern vertreten, in Deutschland
sind die Lüdenscheider Marktführer.
Im Jahr werden 80 Millionen Miniaturen produziert. Im Katalog finden
sich über 400 Gefährte, vom Le-MansRennwagen bis zum Kartoffelroder.
Den Fans ist das noch immer nicht
genug: Monatlich erreichen das Unternehmen 1000 Modellwünsche. Geschäftsführerin Britta Sieper nimmt
sie alle ernst. Jede Zuschrift werde gewissenhaft geprüft , versichert Marketingchef Thomas Kalkuhl.
Grund genug für AUTO BILD KLASSIK, vorzupreschen: Haben Sie, liebe
Leser, einen speziellen Wunsch? Welcher Klassiker fehlt Ihnen oder Ihrem
Kind im Siku-Programm? Schreiben
Sie an [email protected]. Wir
werden das meistgenannte Modell
nach Lüdenscheid weiterleiten. Vielleicht wird ja aus dem Wunsch- ein
Erfolgsmodell.
Leif Rohwedder
1952
1963
1971
1973
1974
1994
Fotos: martin meiners
einen besuch wert: DAs siku-museum in stadtlohn
‡ Ohne Thomas Höing (45) und Ehefrau
Karin wäre unsere Siku-Story in diesem
Heft erheblich trister. Das große Foto links
zum Beispiel und viele weitere auf den
vorangegangenen Seiten entstanden im
2200 m∏ großen Siku- und Oldtimermuseum, das von den beiden seit 1999
stetig ausgebaut wird. Auf rund 2700
Metern Glasboden stehen knapp 12 000
Siku-Autos, -Flugzeuge und -Figuren – und
wöchentlich kommen neue aus der aktu-
ellen Produktion hinzu. Höing (erstes
Siku-Modell: VW Passat ADAC Straßenwacht) möchte so Besucher jeden Alters
auf eine Reise in die Kindheit schicken. Neben Siku ist Audi das zweite große Thema
des Museums – und zwar auch in 1:1. Shop,
Bistro und Kinderspielecke runden das Angebot ab. Das Museum in der Von-Ardenne-Straße 42 in Stadtlohn hat montags bis
donnerstags jeweils 14–19, sonn-/feiertags 11–16 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet
Erwachsene 7,50 Euro; Ermäßigungen
siehe www.oldtimermuseum-hoeing.de.
Auch die Sieper GmbH will historische Exponate präsentieren. Die SIKU//WIKING
Modellwelt in der Schlittenbacher Straße 60, Lüdenscheid, ist 500 m∏ groß und
eröffnet in den nächsten Wochen. Eintrittspreise und -zeiten standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest, sollen aber
demnächst auf www.siku.de veröffentlicht werden.
April 2012 ∧ Nr. 5 | www.autobild-klassik.de 85

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