05.06.2012 auto bild klassik - bei Oldtimer
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05.06.2012 auto bild klassik - bei Oldtimer
report kultspielzeug Die - Saga Sie fahren zerkratzt durch Sandkästen oder stehen funkelnd in Vitrinen. Die kleinen Autos von Siku sind längst ein Stück deutscher Geschichte. Wo kommen sie eigentlich her? Fotos: Kersten Weichbrodt, Martin Meiners, Picture Alliance/dpa, hersteller Willkommen in Lüdenscheid, der Stadt des Lichts! Ziemlich unbescheiden begrüßt die Homepage der Westfalen ihre Besucher. Die Stadtväter wollen so die örtliche Lampen- und Leuchtenindustrie pushen. Dass in Lüdenscheid einer der weltgrößten Autohersteller zu Hause ist, wird nicht erwähnt. Weil es nur Spielzeugautos sind? Viel geschrieben wurde über die SieperWerke nie, das hat eine lange Tradition. Wie die Firma selbst. Literatur und Fotos: Mangelware. Immerhin liegt die Historie des Unternehmens nicht Die Schlagstempel ganz im Dunkeln. Seine aus den 60er-Jahren Geschichte beginnt Ende gewähren Einblick in 1921 im Keller des Wohndie Handwerkshauses Schlittenbacher kunst der Graveure Straße 5 in Lüdenscheid. früherer Zeiten. Der 41-jährige SchlosserErstaunlich viele meister Richard Sieper Stempel sind bei Siku beschließt, sein handerhalten geblieben werkliches Geschick als Selbstständiger einzusetzen und Essbestecke aus Aluminium zu gießen. 1921 ist die Mark fast wertlos. Messer, Gabel und Löffel gelten als attraktive Zahlungsmittel, Kellergießereien als nichts Ungewöhnliches. Nachdem die Inflation 1924 überwunden ist, verschwinden die meisten dieser Kleinbetriebe wieder. Nicht so der von Sieper. Seine Waren kommen an, er vergrößert die Palette: Aschenbecher, Etuis, Tabak- und Puderdosen. Nach und nach entsteht im Hof des Hauses ein respektabler Fabrikgebäude-Komplex. Mitte der 30er erweitert Sieper die Produktion um sogenannte Militäreffekten: Abzeichen, Orden, Knöpfe und andere Uniformteile – und trifft damit den Bedarf der nationalsozialistischen Zeit. Die Firma ist überaus erfinderisch, lässt zahlreiche Patente eintragen. Das einträglichste: ein Verfahren, millionenfach benötigte Koppelschlösser ohne Löten herzustellen. 1935 treten Richard Siepers Söhne Kurt und Werner ins Unternehmen ein. Bis zum Zusammenbruch Deutschlands im Mai 1945 wird in schnellen Schritten expandiert: 1937 entsteht einen halben Kilometer entfernt, aber noch immer in der Schlittenbacher Straße, ein Neubau auf dem Gelände, wo noch heute die Zentrale von Siku steht. 1940 folgt ein Zweigwerk in Komotau im Sudetenland (heute Chomutov, Tschechien); 1943 ein weiteres in Müsen im Siegerland. Der Grundstein für die Spielzeugherstellung der Nachkriegszeit war bereits in den späten 30er-Jahren gelegt worden – mit der Verarbeitung von Kunststoff, der damals noch „thermoplastische Masse“ heißt. Die ersten Plastikartikel sind Sportund Tagungsabzeichen sowie kleine Sammelfiguren des Winterhilfswerks, die es für fleißige Spender gibt. Der Handarbeitsanteil ist hoch, Kunststoffoberflächen müssen bemalt, Metallteile entgratet und gebürstet werden. Heimarbeiterinnen aus der Umgebung des Werks ergänzen die mehrere Hundert Mitarbeiter zählende Belegschaft – eine Tradition, die bis Mitte der 80er bestehen soll. Goliath GP 700 E, 1954 Mercedes 190 SL, 1957 VW 1500 Variant, 1962 Opel Kadett, 1963 Ferrari 275 GTB, 1967 Ford Capri, 1970 Toyota 2000 GT, 1971 Chevrolet Corvette C4, 1984 Mercedes 300 SL, 1990 Richard Sieper 1880–1941 Werner Sieper 1904–1981 Kurt Sieper 1909–2006 Volker Sieper (70), seit 1972 in der Geschäftsführung Britta Sieper (35), die 4. Generation VW Karmann-Ghia Cabrio, 2008 xx. Monatx April20XX 2012∧ ∧ Nr.Nr.XX5 | www.autobild-klassik.de 77 Arbeitsalltag anno 1939 bei Sieper. Modellautos sind noch nicht im Programm, dafür Abzeichen aus Polystyrol und Metall. Die Frauen trennen die filigranen Teile mittels Kneifzange vom Gussast. Arbeitszeit: von sieben bis 18 Uhr Foto: www.koppelschlösser.com foto: h. bitsch/www.margarinefiguren.de Während des Krieges beherrschen Uniformteile und Armeeausrüstung das Sortiment. Meisthergestellter Artikel: das Koppelschloss – die Gürtelschnalle für Parteigänger und Soldaten. Rechts ein Exemplar der Luftwaffe; daneben frühe Plastik-Anstecker Die Mercedessterne aus Lüdenscheid glänzen nur kurz. Schon 1950 findet sich Sieper nicht mehr im Zuliefererverzeichnis des schwäbischen Autobauers Oben: Für den Verkauf im Fachhandel werden die Figuren in Handarbeit bunt bemalt. Als Margarinezugabe bleiben sie stets farblos Messestand, Nürnberg 1951 Kürzeren Bestand hat bekanntlich das selbst ernannte Tausendjährige Reich. Für Sieper bedeutet die Kriegsniederlage den Verlust des Werks in Komotau sowie das Verschwinden der wichtigsten Kunden: der Bekleidungsämter der Wehrmacht. Der Neuanfang gestaltet sich entsprechend schwierig. Zunächst stellen die Sieper-Brüder – Vater Richard war bereits 1941 verstorben – Knöpfe und Kämme her. Doch die Unternehmer sind stets auf der Suche nach neuen Märkten. Sie ziehen einen Großauftrag für TesafilmAbroller an Land, der bis weit in die 50er-Jahre reicht. Eine frisch geknüpfte Geschäftsbeziehung zu Daimler-Benz währt dagegen nur kurz: 1949 liefern die Lüdenscheider MercedesSterne nach Stuttgart. Die verchromte Kühlerzier aus Zinkspritzguss hat allerdings nicht die geforderte Qualität, und so wird die Zusammenarbeit kurzerhand beendet. Damit sind die SpritzgussmaschiAb 1932 regelt die nen vorerst Zugabenordnung, arbeitslos. dass nur noch Was noch nieKleinigkeiten zu mand ahnt: Waren beigegeben 15 Jahre späwerden durften. ter sollen sie Margarinehersteller die GrundlaFri-Homa (heute ge bilden, um Homann) reizt das Matchbox PaKonzept aus roli zu bieten, die mit Metallmodellen auf den Markt drängen. Doch bevor die Spielzeugautos aus Zinkguss ihren Siegeszug beginnen, widmet sich die Firma voll dem Kunststoff – Sieper Kunststoff. Kurz: Siku. Kurt Sieper kreiert 1950 mit seinem Prokuristen Karl Brockhaus diesen Namen. Die beiden sind die treibende Kraft in Lüdenscheid, Werner Sieper kümmert sich seit 1948 um das Werk in Müsen. Dort werden bis 2009 Haushaltswaren und Badezimmerschränke hergestellt. Daher bleiben wir bei Kurt und Karl, die sich 1950 die deutschen Kinderzimmer als Absatzgebiet vornehmen. Bisher war der Bereich von Holzund Blechspielzeug geprägt. Von der ersten Nürnberger Spielwarenmesse berichten die „Lüdenscheider Nachrichten“ am 6. April 1950 stolz: „Anklang fanden die neuartigen Plastik-Spielzeuge der Firma Richard Sieper & Söhne [...] aus Kunstharz. Es wurden zahlreiche Aufträge erteilt.“ Das Angebot bestand aus Western-, Bauernhof- und Tierfiguren sowie einer Schneekugel. Schon im Jahr daraufkommt Siku nicht m e h r ums Automobil herum – und präDie Feuerwehr von 1951 kann einen dünnen Wasserstrahl sechs Meter weit spritzen sentiert auf dem zehn Quadratmeter scheider Werk. Mehr als 500 vergroßen Stand das erste Auto: eischiedene Teile bietet Siku an – ne Drehleiter, 21 cm lang, mit für Kraft, Nigrin, Rewe, Unilever Schwungradmotor, inklusive und viele andere. Die Kinder Besatzung, Sprungtuch und als freut’s, doch der LebensmitClou einem Wassertank mit telindustrie galoppieren die Schlauch. Weitere Großmodelle Kosten davon. Sie einigt sich folgen, immer mit hohem Spielin einem gemeinsamen Abwert versehen. Obwohl bis in die kommen, am 1. März 1954 die 60er vor allem in Warenhäusern Zugaben einzustellen. erhältlich, sind diese frühen Aber diese Zeitspanne hat geModelle heutzutage sehr selten. reicht, um Siku ein dickes Fi- Die Siku-Autos Nummer zwei und drei Etwas häufiger anzutreffen nanzpolster zu bescheren – das kommen 1952 heraus: der „Supersind Vertreter des zweiten daWirtschaftswunder ist in der Rennwagen“ (rechts) mit Schwungradmaligen Siku-Standbeins: der Schlittenbacher Straße angekom- antrieb und der schwimmfähige Amphibienwagen mit Uhrwerkantrieb Margarinefigur. Die sind nicht men. Das nächste Projekt wird etwa aus Margarine geformt, sondern aus Polystyrol – ihren die siku-konkurrenten Namen bekommen sie, weil es sie beim Kauf von Kaffee, HaMatchbox wurde 1947 in London gegrün- arm zu lagern und weich zu federn. Ein Konferflocken, Schuhcreme oder det. Erster Bestseller war 1952 eine Minia- zept, das heute bei allen Herstellern zu fineben Margarine beim Lebenstur der Krönungskutsche von Queen Eli- den ist. Von 1961 bis 87 fertigte Majomittel-Kaufmann kostenlos dazabeth II. Im Jahr darauf legte man die be- rette in Frankreich Modelle, die auch in zugibt. Ähnlich wie Sammelrühmte 1:75-Miniaturenserie auf, die in Deutschland sehr beliebt waren. Dann wurbilder. Die kleinen Figuren verkleinen Kartons in Streichholzschachtel- de die Produktion nach Thailand verlegt, lassen ab 1950 täglich lastwaOptik daherkam. Obwohl über viele Jahre und das Unternehmen geriet in unruhiges genweise das LüdenWeltmarktführer, ging die Firma 1982 in Fahrwasser. Seit 2010 gehört die Marke Abbildung in OriginalKonkurs und wurde von Chinesen, später Simba-Dickie und ist wieder etwas prägröße: Diese putzigen Amerikanern gekauft. Heute gehört Match- senter. Auch Schuco (66er-Serie) und Siku-Zirkusfiguren box zu Mattel. Der US-Spielzeuggigant war Faller (Hit-Car) feierten in den 70ern Vergab es beim Kauf von Effkaes auch, der 1968 Hot Wheels auf den kaufserfolge. Weniger verbreitet waren Margarine Markt brachte, in Deutschland zeitweise dagegen Modelle von Efsi (Niederlande, unter dem Namen „Heiße Räder“. Firmen- 1971–88), Husky/Corgi (England, 1964– gründer Elliot Handler persönlich hatte 90), Politoys/Polistil (Italien, 1965–90), die Idee, die Achsen extrem widerstands- Tomica (Japan) und Yatming (Hongkong). Fotos: m. meiners, hersteller, S. krieger (1) Foto: sammlung schumacher, Lüdenscheid report kultspielzeug Messestand, Nürnberg 1954. Ganz rechts Karl Brockhaus Ein Prospekt zeigt 1954 die aufregende Siku-Welt zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Renn- und Amphibienwagen werden ab 1952 in Nürnberg im Wasserbassin und auf einer Rampe mit 57 Prozent Steigung vorgeführt (ganz oben) Der schmucke Mercedes 300 von 1954 trägt die (Bestell-) Nummer V 1. Das V steht für Verkehrsmodell Bleistiftzeichnungen aus der Sieper-„Designabteilung“, leider unsigniert. Rechts eine frühe Skizze eines Mercedes 300 S Coupé. Links oben die berühmte Feuerwehr, allerdings in der Miniaturversion für Fri-Homa. Darunter die Zündapp Bella mit Fahrerin, die als V 417 von 1955 bis 1958 im Katalog ist xx. Monatx April20XX 2012∧ ∧ Nr.Nr.XX5 | www.autobild-klassik.de 79 report kultspielzeug Fotos: m. meiners, hersteller Die Sieper-Werke 1971. Aus dem kleinen Garagenbetrieb wurde in 50 Jahren ein klassisches mittelständisches Unternehmen – und das am selben Ort, bis heute Die Spielzeuge im Großmaßstab bleiben bis in die 60er im Programm. Oben das „Selbstbau-Auto“ Ähnlich wie Wiking liegt auch Siku in den 50ern die Verkehrserziehung am Herzen. Kindern wird ein Plan nahegelegt, der mit Autos, Häusern und Verkehrsschildern bestückt werden kann. Für Fahrschulen gibt es spezielle Sortimente, in denen die Modelle unten Magnete haben. Die Verkehrspläne werden auf Bleche gezogen und hängen platzsparend an der Wand Ende der 50er steigt Siku in das Geschäft mit Werbemodellen ein. Meist nimmt der Auftraggeber 1000 Stück ab. Etwa zur gleichen Zeit beginnt man, europäische Exportmärkte zu beliefern, zum Beispiel die Niederlande Eine Doppelseite aus dem 1965er Prospekt. Der Stil mit Illustrationen des Hauszeichners Runde wirkt zu diesem Zeitpunkt schon etwas angestaubt. Gut zu sehen ist das Bemühen, jedes bewegliche Teil darzustellen begeistert angegangen: Automodelle. Ein ganzes Sortiment soll es sein, im einheitlichen Maßstab. Über den sich Sieper und Brockhaus lange beraten. Schließlich entscheiden sie sich für 1:60 – denn „ein Modell im Maßstab 1:60 gestattet die genaue Ausarbeitung sämtlicher Feinheiten. [...] Auch das kleinste Modell muß noch eine Größe haben, daß es als ein Spielzeug anzusprechen ist und nicht verwechselt werden kann mit primitiven Massenartikeln.“ So ein Brief an den Handel. Weitere Merkmale sind Sieper wichtig: eingesetzte glasklare Fensterscheiben, Stahlachsen, Bemalung. Um den Qualitätseindruck zu verbessern, sind 80 www.autobild-klassik.de | Nr. 5 ∧ April 2012 Hoher Spielwert und gleichzeitig große Detailtreue sind für die Plastik-Serie charakteristisch: Im Krankenwagen befinden sich herausnehmbare Tragen, das Gepäck auf dem Opel können Kinder auspacken. Der Borgward-Verkaufswagen rechts ist unbeschädigt und mit Karton bei Sammlern extrem gesucht im Innern „Schwereinlagen“ aus Zink montiert. Damit bekommen die Modelle ein höheres Gewicht und rollen besser. Die Zeichner, Graveure und Werkzeugmacher leisten Beachtliches. Anfang 1954 fotografieren und vermessen sie 18 verschiedene Pkw, dazu 15 Lastwagen und Transporter. Unterstützung der Autoindustrie gibt es nicht, die Wagen kommen aus der Belegschaft oder werden von Händlern geliehen. Im Mai erobert die neue Kollektion unter dem Namen „Siku-Verkehrsmodelle“ den Handel (V 1 bis V 32). Später werden Typen sogar auf Grundlage von Zeitschriftenberichten realisiert – was man etwa dem 59er Edsel (V 98) auch ansieht. Meist stimmen aber die Proportionen, und so sind von Beginn an nicht nur Kinder von den Miniaturen fasziniert, sondern auch erwachsene Sammler. Bis 1963 entstehen rund 200 Plastikmodelle, dazu gibt es mehr als 600 Zubehörartikel wie Gebäude, Zäune, Bäume, Schilder und Figuren. Sogar Flugzeuge stellt Siku her (F-Serie, Maßstab 1:250). Höhepunkt im Programm ist V 179, das einzige Modell ohne reales Vorbild: ein Henschel-Sattelzug mit Atlas-Rakete aus dem NASA-Mercury-Programm als Ladung. Prokurist Brockhaus und Produktionsleiter Heimroth kombinieren so Spieltrieb mit Weltraumbegeisterung. Einen Höhenflug erlebt Anfang der 60er nicht nur die Raumfahrt. Spielzeughersteller Lesney ge- winnt seit 1953 kontinuierlich mit Zinkguss-Modellen der Marke Matchbox Marktanteile. 1962 verstärken die Londoner ihre Werbung in Deutschland, Siku verliert an Boden. Die robusten englischen Autos werden bei Kindern schnell beliebt, die Deutschen müssen reagieren. Der Druck wirkt: Schon auf der Spielwarenmesse 1963 können die Besucher die ersten acht Metallmodelle auf dem Siku-Stand bewundern. Ähnlich wie zehn Jahre zuvor ist die neue Fahrzeugflotte Ergebnis eines enormen Kraftakts, auch finanziell. Eine große Hilfe ist der Umstand, dass bereits leistungsfähige Zinkgussmaschinen vorhanden sind. Trotzdem müssen viele Bereiche der Fabrik radikal umorganisiert werden. So fehlt bislang zum Beispiel eine Lackiererei – die Der Ford F500 (V 222) ist ab 1963 neun Jahre lang im Programm. Am rechten Exemplar ist gut zu sehen, was Siku in den 70ern gern ändert: Die Swarovski-Steine fallen weg, die Verglasung ergrünt Für zahlreiche Banken und Sparkassen fertigt Siku Spardosen in Form eines BüssingBusses. Sie sind nicht in Geschäften erhältlich und erzielen heute regelmäßig hohe Preise Werbemodelle der V-200-Serie. BASF und Raab Karcher sind gewinnbringende Kunden, die Sieper-Badmöbelwerke aus Müsen ordern naheliegenderweise auch. Am unteren Bildrand die seltene FirehunterRennfeuerwehr als Auftragsmodell von Cosmos Brandschutz, Velbert xx. Monatx April20XX 2012∧ ∧ Nr.Nr.XX5 | www.autobild-klassik.de 81 top 25: die kostbarsten siku-raritäten report kultspielzeug Wurden in Brasilien montiert und verkauft: Siku-Modelle von Rei. Wie beim ungarischen Partner Metchy stimmt die Qualität nicht Die im Herbst 1974 errichtete „elektrostatische Flachlackieranlage“ ist 45 Meter lang und seinerzeit eine Sensation. Die Zinkteile werden statisch aufgeladen und mit feinem Farbpulver besprüht, das dann eingebrannt wird. Hier kommt gerade ein Schwung VW T2 mit DoKa vorbei Plastikmodelle werden von Heimarbeiterinnen per Pinsel bemalt. Die Zinkguss-Autos von 1963–74 bezeichnen Sammler heute als „V200-Serie“. Sie stellt für viele den Höhepunkt des klassischen 1:60-Modellbaus dar. Die Autos begeistern Jung und Alt durch liebevolle Details: gefederte Achsen, eine Inneneinrichtung mit eingesetztem Lenkrad, rote Rücklichter. Und natürlich die funkelnden Strasssteine, die Swarovski zuliefert. Kein Wunder, dass die Metallminiaturen sofort ein Erfolg werden. Die Plastikserie hingegen wird schnell ausgedünnt, sie verschwindet 1969 ganz. 1971 feiert Sieper 50-jähriges Jubiläum. In Lüdenscheid arbeiten zu diesem Zeitpunkt 430 Menschen, in Müsen 250. Siku ist zur etablierten Marke geworden, auch im Ausland. Die zweite Generation ≥ Die teuersten Modelle bei Versteigerungen (Saal-Auktionen und Ebay) in den letzten fünf Jahren. Gerundete Werte, Aufgeld und sonstige Nebenkosten wurden nicht mitgerechnet.* der Zinkgussmodelle setzt ab 1964 in Sachen Spielfunktionen Maßstäbe: Türen und Hauben, die aufgehen; Sitze, die umklappen. Ein Tempo Matador mit Kanu und Paddeln, ein Opel Rekord Caravan mit Skiern und Bob. Dazu Rettungsfahrzeuge, Baumaschinen, Lastwagen. Ein ganz besonderes Modell ist V 344, die Lamborghini-Rennfeuerwehr. Denn für sie steht ein Maserati Pate. Karl Brockhaus hatte 1973 in einem Magazin den „Firehunter“ entdeckt – einen 330 PS starken Ghibli, der von Brandschutzspezialist Total zu einem spektakulären Löschfahrzeug für den Rennsport umgebaut wurde. So etwas will Siku unbedingt: einen rassigen Exoten, knallrot, mit Blaulicht und beweglicher Löschkanone auf dem Dach. Statt viel Geld in eine neue Form zu investieren, nimmt man kurzerhand den Lamborghini Espada, denn der ist seit 1971 im Programm. Typisch Siku: Geschäftssinn geht über Faktentreue, die Wirkung auf Kinder ist wichtiger als die Meinung von Sammlern. Ebenfalls 1973 kommt der Porsche 914/6 Rennpolizei heraus. Den gibt es in dieser Form wirklich, Einsätze beim 1000-kmRennen Nürburgring 1970 sind belegt. Brockhaus ist Anfang der 70er noch der kreative Kopf hinter den Neuheiten. Er bekommt 1972 einen neuen Boss: Volker Sieper, den Sohn von Werner. Den Junior erwarten große Aufgaben. Unter seiner Regie soll Siku von der regionalen Manufaktur zu einem international agierenden Spielwarenhersteller aufsteigen. Mit Werbefachmann Ernst Kutschinski entwickelt er einen grafischen Auftritt mit hohem Wiedererkennungswert. Violett, Orange und Magenta begleiten fortan eine ganze Generation autobegeisterter Kinder. Zudem werden die Modelle authentischer präsentiert: Auf Verpackungen und in Katalogen ersetzen Fotos die Zeichnungen. Ab 1975 werden die Modelle nach einem neuen vierstelligen Nummernsystem bezeichnet – der Beginn der 1000er-Serie. Die Modelle dieser Ära sind ge- Rang 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. Siku-Modellnummer und Typ V 88 Mercedes LP 315 Pritschenwagen, himmelblau/grau 1 V 147 Opel Caravan, hell-patinagrün 2 Spardose Büssing-Bus LU 55 „Kieler Spar- und Leihkasse“, blau V 305 Mercedes 406 Werbemodell „Baufa“ V 300 VW 411 3 V 122 Fahr-Dieselschlepper mit Kultivator V 216 Lkw mit Postcontainern + V 217 Anhänger mit Postcontainern V 116 Fahr-Dieselschlepper mit Heurechen – nur Schachtel V 287 Hanomag Robust 900 Werbemodell mit Werbeschachtel V 27 Borgward 2400, hellrosa V 28F Borgward 2400 Pullman, rosa/grau V 279/2 Ford 20M mit Westfalia-Wohnanhänger V 151 Robuster III/48, gelb/blau V 41 Henschel-Tankwagen Werbemodell „Strüver“, silber/rot V 314 Ford F500 mit Kippanhänger V 115 Fahr-Dieselschlepper mit Anhänger – nur Schachtel V 286 Opel Olympia, rot 4 V 296 Ford GT40 in originalem Blister Spardose Büssing-Bus LU 55 „Haspa“, rot V 261 Mercedes-Drehleiter „Falck“ aus Dänemark V 102 Borgward-Verkaufswagen, blau/grün V 200 Berliet Muldenkipper, gelb/blau V 108 Pionier-Brückenbau-Zug V 281 Magirus-Deutz M250 Kipper „Raab Karcher“ V 352 Tieflader mit drei Baufahrzeugen Preis in ¤ 2500 2012 2000 1860 1362 1300 1300 1245 1122 1100 1068 1013 1004 1000 945 917 872 872 800 753 740 739 730 706 705 Ein buntes, fröhliches Erscheinungsbild hält 1974 mit dem neuen Firmendesign Einzug. Unten das Motiv, das den Siku-Sammelkoffer ziert Die 500 m∏ große Formwerkstatt beherbergt noch heute ein paar Maschinen aus den 70er-Jahren, wie diese Fräse des Münchener Herstellers Deckel. Mit ihr werden Gusswerkzeuge repariert Welchen Lack ein neues Modell letztlich beim Serienstart trägt, wird bis heute von der SieperGeschäftsleitung gern anhand von Farbreihen entschieden. Links die Parade der bunten Matra-Simca Rancho. In die Schaufenster schaffte er es zeitlebens (1979–88) nur in Rot (Mitte unten) 82 www.autobild-klassik.de | Nr. 5XX∧ ∧ April xx. Monatx 2012 20XX xx. Monatx 20XX ∧ Nr. XX | www.autobild-klassik.de 83 * quelle: eigene recherche/auktionshaus saure, köln. Fotos: m. meiners, l. rohwedder, R. timm, hersteller Die verschiedenen Verpackungen der V-Serien-Modelle: Zehn Jahre lang dominiert die Pappschachtel, bevor der Blister (rechts) seinen Siegeszug antritt 1950 Siku nimmt sich immer wieder größere Maßstäbe vor. Von links nach rechts: Magirus-Deutz Kipper und Unimog U 1500 (1981–83, 1:27); Fendt Favorit 926 Vario, Junior-Serie (1998–2001, 1:20); Mercedes 500 SEL (1992–94, 1:43). 2012 sind sechs Maßstäbe von 1:400 bis 1:32 vertreten kennzeichnet durch den Verzicht auf die Swarovski-Steine sowie der roten Kunststoff-Rückleuchten. Die Ingenieure experimentieren mit leuchtgrünen Verglasungen (siehe Seite 80). Warum, ist nicht überliefert. 1975 werden die Modelle größer, aber auch plumper und weniger filigran. Siku stellt auf den Maßstab 1:55 um – was den Renault 5 größer macht als den CiDer Reiz der Siku-Plastikmodelle troën DS. Rund zehn Jahre bleiben so erschließt sich zwei verschiedene besonders, wenn Maßstäbe im Proman sie mit aktueller Ware aus gramm. Für PedanFernost vergleicht. ten gewöhnungsbeIm Bild 1960er VW dürftig. Doch auch Käfer, T1-Busse und in der V-Serie gab es bereits leicht abFord FK 1000 weichende Größen, wenn die gewünschte Spielfunktion dies erforderte. Beispiel hierfür ist der Mercedes 406 Postwagen, bei dem sich fünf Türen öffnen lassen. 1982 entsteht eine neue Zinkgießerei – wichtig für die neue Farmer-Serie, die 1984 mit 1:24-Modellen aus der Landwirtschaft startet. Die sind bis heute ein Riesenerfolg. 1984 übernehmen die Lüdenscheider Wiking Modellbau. Dessen Gründer und Alleininhaber Friedrich Peltzer war 1981 gestorben. Volker Sieper und seine Brüder Hartmut und Wieland sehen im traditionsreichen Berliner Hersteller eine gute Ergänzung zur Siku-Palette. Die 80er sind über die Wiking-Übernahme hinaus hauptsächlich von internationaler Expansion geprägt. 1985 exportiert man bereits in 50 Länder und will weiter wachsen. Die wegen komplizierter Zollgesetze schwer zugänglichen Märkte Brasilien und Ungarn sollen über Joint-Ventures erobert werden. Doch Qualitätsprobleme bei den Partnern Rei und Metchy beenden die Zusammenarbeit 1987 – außer unter Liebhabern gesuchte Varianten bringt dieses Kapitel nicht viel Nutzen hervor. In den 90ern dann das Unvermeidliche: Teile der Produktion werden ins Ausland verlagert. Den Anfang macht 1992 ein Werk in Hongkong, 1993 Der Mercedes SL Typ R 107 blieb ein Prototyp. Sein Vorgänger, die Pagode, verkaufte sich einfach zu gut. Sie lief bis 1984 – das Vorbild war da längst in Rente. 1992 folgte der R 129 Die Farmer-Serie ist heute Eckpfeiler des Sortiments. Sehr begehrt ist der Unimog U 411 als Werbemodell der Firma Profi folgt eine Niederlassung bei Wrozlaw (Breslau) in Polen. Aber auch in der Heimat wird investiert, nahe der A 45 entsteht 1995 ein Logistikzentrum. Heute beschäftigt Siku weltweit 700 Mitarbeiter. Die Stars im Sortiment sind ferngesteuerte Trucks. Siku ist in 60 Ländern vertreten, in Deutschland sind die Lüdenscheider Marktführer. Im Jahr werden 80 Millionen Miniaturen produziert. Im Katalog finden sich über 400 Gefährte, vom Le-MansRennwagen bis zum Kartoffelroder. Den Fans ist das noch immer nicht genug: Monatlich erreichen das Unternehmen 1000 Modellwünsche. Geschäftsführerin Britta Sieper nimmt sie alle ernst. Jede Zuschrift werde gewissenhaft geprüft , versichert Marketingchef Thomas Kalkuhl. Grund genug für AUTO BILD KLASSIK, vorzupreschen: Haben Sie, liebe Leser, einen speziellen Wunsch? Welcher Klassiker fehlt Ihnen oder Ihrem Kind im Siku-Programm? Schreiben Sie an [email protected]. Wir werden das meistgenannte Modell nach Lüdenscheid weiterleiten. Vielleicht wird ja aus dem Wunsch- ein Erfolgsmodell. Leif Rohwedder 1952 1963 1971 1973 1974 1994 Fotos: martin meiners einen besuch wert: DAs siku-museum in stadtlohn ‡ Ohne Thomas Höing (45) und Ehefrau Karin wäre unsere Siku-Story in diesem Heft erheblich trister. Das große Foto links zum Beispiel und viele weitere auf den vorangegangenen Seiten entstanden im 2200 m∏ großen Siku- und Oldtimermuseum, das von den beiden seit 1999 stetig ausgebaut wird. Auf rund 2700 Metern Glasboden stehen knapp 12 000 Siku-Autos, -Flugzeuge und -Figuren – und wöchentlich kommen neue aus der aktu- ellen Produktion hinzu. Höing (erstes Siku-Modell: VW Passat ADAC Straßenwacht) möchte so Besucher jeden Alters auf eine Reise in die Kindheit schicken. Neben Siku ist Audi das zweite große Thema des Museums – und zwar auch in 1:1. Shop, Bistro und Kinderspielecke runden das Angebot ab. Das Museum in der Von-Ardenne-Straße 42 in Stadtlohn hat montags bis donnerstags jeweils 14–19, sonn-/feiertags 11–16 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet Erwachsene 7,50 Euro; Ermäßigungen siehe www.oldtimermuseum-hoeing.de. Auch die Sieper GmbH will historische Exponate präsentieren. Die SIKU//WIKING Modellwelt in der Schlittenbacher Straße 60, Lüdenscheid, ist 500 m∏ groß und eröffnet in den nächsten Wochen. Eintrittspreise und -zeiten standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest, sollen aber demnächst auf www.siku.de veröffentlicht werden. April 2012 ∧ Nr. 5 | www.autobild-klassik.de 85