Künstlerporträts
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Künstlerporträts
„Ohne Kunst würde die Grausamkeit der Realität die Welt unerträglich machen.“ (George Bernard Shaw) Herausgeber: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. Künstlerporträts Idee Diese Zusammenstellung über Leben und Werk von sechs bedeutenden britischen Künstlern ist der vierte Teil einer kleinen Reihe über das Leben und Wirken von Menschen, die durch Krieg und Gewalt ihr Leben verloren. Die erste Broschüre über sechs deutsche Künstler erschien im Jahr 2010. Sie alle waren, ungeachtet ihrer besonderen Talente, Menschen wie wir. Ihr Schicksal mahnt zum Frieden. Mit ihrer Veröffentlichung soll ein Zeichen gesetzt werden, dass die Opfer der Kriege und der Gewaltherrschaft nicht vergessen sind – und dies auch für die Opfer aus den ehemals mit Deutschland verfeindeten Ländern gilt. Impressum Herausgeber: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., Werner-Hilpert-Straße 2, 34112 Kassel Idee: Dr. Martin Dodenhoeft Konzept, Layout, Druck: Bernecker Mediagruppe (2012/30) Redaktion und Texte: Saskia Wagner Kassel 2012. Gefördert mit Mitteln der Stiftung Gedenken und Frieden, Lützowufer 1, 10785 Berlin. Grußwort „Jeder Mensch ist ein Künstler“: So nannte Joseph Beuys In dieser Broschüre geben wir einen Einblick in Leben und eines seiner Gedichte. Der berührende Text wird oft in Werk von sechs künstlerisch besonders begabten Menschen anderen Zusammenhängen benutzt, aber Beuys selbst hat aus Großbritannien. Sie alle verloren entweder im Ersten dazu geäußert: „Jeder Mensch ist ein Künstler. Damit sage oder im Zweiten Weltkrieg gewaltsam ihr Leben. Jeder ein- ich nichts über die Qualität. Ich sage nur etwas über die zelne von ihnen reiht sich in die unübersehbare Menge un- prinzipielle Möglichkeit, die in jedem Menschen vorliegt wiederbringlicher Verluste für die ganze Menschheit. ... Das Schöpferische erkläre ich als das Künstlerische, und das ist mein Kunstbegriff.“ Jeder einzelne zählt zu den verlorenen Talenten, die wir in unseren Broschüren nach und nach vorstellen möchten, In den beiden Weltkriegen starben als Opfer der Kriegs- um eines zu zeigen: Krieg und Gewaltherrschaft kosten die handlungen und der Gewaltherrschaften 65 Millionen Menschheit zu viel, als dass sie es sich leisten könnte. Menschen. Diesen 65 Millionen gewaltsam aus dem Leben gerissenen Menschen war tatsächlich eines gemeinsam – die von Beuys angeführte prinzipielle Möglichkeit, etwas zu erschaffen. Rainer Ruff Generalsekretär des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. Inhalt/Selbstporträts 1| 4| Brian Hatton Eric Ravilious Der Heimatverbundene Der Kriegsmaler * 12. August 1887 * 22. Juli 1905 † 12. April 1916 † 2. September 1942 18 – 21 6–9 2| 5| Percy Shakespeare Clive Branson Der Aufsteiger Der Aktivist * 28. Februar 1906 *1907 † 25. Mai 1943 † 25. Februar 1944 22 – 25 10 – 13 14 – 17 4 3| 6| Reginald „Rex“ Whistler Graham Bell Der Mutige Der Theoretiker * 24. Juni 1905 * 21. November 1910 † 18. Juli 1944 † 9. August 1943 26 – 28 Fachliche Einleitung Die vorliegende Broschüre ist die vierte in einer Reihe, die vor solcher Kunstwerke hätten noch entstehen können, hätten nicht zwei Jahren ihren Anfang nahm. In der ersten Broschüre im Jahr Krieg oder Gewaltherrschaft dem Leben des Künstlers ein Ende 2010 wurden sechs deutsche Künstler vorgestellt, in der zweiten bereitet? im Jahr 2011 sechs russische bzw. sowjetische. In dieser Broschüre sind es nun – nach einer weiteren über ein einzelnes junges deut- Und mehr noch: Einige der Künstler haben ihre Kriegserlebnisse sches Talent, Peter Krentler – sechs Künstler aus Großbritannien: in ihren Bildern festgehalten – etwa Clive Branson die verhee- Brian Hatton, Percy Shakespeare, Rex Whistler, Eric Ravilious, renden deutschen Luftangriffe auf London zwischen September Clive Branson und Graham Bell. 1940 und Januar 1941. Einer von ihnen, Eric Ravilious, war sogar offizieller Kriegsmaler und bereiste in dieser Eigenschaft Kriegs- All diesen Künstlern ist eines gemeinsam: Sie fanden in einem der schauplätze in ganz Europa. Brian Hatton, der einzige der sechs beiden Weltkriege den Tod. vorgestellten Künstler, der sein Leben im Ersten Weltkrieg ließ, thematisierte die Schrecken des Stellungskrieges. Damit wurden Jeder von ihnen hat seine eigene Geschichte. Das Anliegen dieser diese Künstler zu Chronisten jener finsteren Zeiten, von denen zu Reihe ist es, diese Geschichten zu erzählen. Es sind individuelle hoffen ist, dass sie sich niemals wiederholen werden. Mögen ihre Geschichten, die jedoch auch exemplarisch stehen für die unzäh- Bilder und die Erinnerung an das Schicksal der Menschen, die sie ligen weiteren Schicksale, die mit den beiden Weltkriegen ver- schufen, dazu beitragen. knüpft sind. Saskia Wagner Die Künstler werden neben einer Auswahl ihrer Werke präsentiert, die die Zeiten überdauert haben, wenngleich viele Kunstwerke während der Kriege zerstört wurden. Die verbliebenen sind nicht nur Teil des Kulturguts, sondern auch Mahnmale, die auf den viel zu frühen Tod des jeweiligen Künstlers weisen. Wie viele 5 Brian Hatton Der Heimatverbundene * geboren am 12. August 1887 in Carlton Villa † gestorben am 12. April 1916 in Oghratina (Ägypten) Maler Realismus Heuernte (1895) Dieses Ölgemälde fertigte Brian Hatton im Alter von acht Jahren. Es war seine erste Arbeit in Öl. 6 Brian Hatton Brian Hatton bekam sein künstlerisches Talent offenbar in die Wiege gelegt. Bereits im Alter von acht Jahren wurde er von der Königlichen Zeichengesellschaft ausgezeichnet. Im Alter von elf Jahren folgte der „Gold Star“, die höchste Auszeichnung dieser Einrichtung, die sich der künstlerischen Ausbildung von Kindern widmete. In der Folge wurde der bekannte viktorianische Maler George Frederic Watts auf Hatton aufmerksam, begann sich für seine Entwicklung zu interessieren und wurde schließlich sein Mentor. 1906 bereiste Hatton mit seinem Onkel die Niederlande, wo er die Werke der Alten Meister kennenlernte. Zurück auf der Insel, besuchte er die Kunstakademie in Hospitalfield, Schottland, die vermutlich älteste Kunstakademie Großbritanniens. Im Jahr 1908 richtete Hatton sich ein Atelier in Mount Craig, in der Grafschaft Herefordshire, nahe seiner Heimat, ein. Kurze Zeit später ging er für ein Jahr nach Ägypten. Dort begleitete er den berühmten Ägyptologen William Flinders Petrie auf einer archäologischen Expedition. Araber (1909) Die schnellen Pinselstriche geben Aufschluss über den speziellen Ort, an dem dieses Gemälde entstand: Brian Hatton malte es in der ägyptischen Wüste, als er die Flinders-Petrie-Expedition begleitete. Brian Hatton 7 Zivilisation (1914) Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs fertigte Brian Hatton diese Kohlezeichnung, die die Gräuel des Krieges atmosphärisch eindrucksvoll einfängt. Nach einem kurzen Aufenthalt in Paris im Jahr 1910, wo er an 1916 wurde das Regiment nach Ägypten entsandt, um die Ost- der renommierten Académie Julien malte, ging Hatton nach seite des Suezkanals zu verteidigen. Am Morgen des 23. April London, wo er sich ein Atelier mit einem Freund teilte und 1916, des Ostersonntages, wurde ihre Garnison in der Stadt seinen Lebensunterhalt mit Auftragsarbeiten, vornehmlich Oghratina von einer Übermacht türkischer Truppen inklusi- Porträts, bestritt. ve einer Maschinengewehrkompanie angegriffen. Das einzige Maschinengewehr der Verteidiger war schnell außer Gefecht 8 Im September 1914, kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrie- gesetzt, sämtliche Schützen wurden verletzt oder getötet. Einer ges, schloss sich Hatton der Worcester Yeomanry, der traditi- davon war Brian Hatton. Er starb sechs Monate nach der Ge- onsreichen britischen Milizkavallerie, an. burt seiner ersten und einzigen Tochter im Alter von 28 Jahren. Brian Hatton Der Fluss Wye bei Sugwas (1906) Dieses Landschaftsidyll malte Brian Hatton nahe dem Dorf Sugwas in seiner Heimat, der Grafschaft Herefordshire. Die spielenden Kinder im Vordergrund stellte er niemals fertig. Brian Hatton 9 Percy Shakespeare Der Aufsteiger * geboren am 28. Februar 1906 in Dudley † gestorben am 25. Mai 1943 in Brighton Maler Realismus See mit Booten (ca. 1939) Diese Szenerie besticht durch ihre Lebendigkeit. Percy Shakespeare ist es gelungen, die Personen in fast fotorealistischer Manier in natürlich wirkenden Posen darzustellen. 10 Percy Shakespeare Percy Shakespeares Biografie könnte einem Roman von Charles Dickens entstammen. Er wurde als eines von acht Kindern in ärmlichen Verhältnissen in den Slums von Dudley im Westen Englands geboren. In punkto Bildung hätte er demnach nicht viel zu erwarten gehabt. Doch im Alter von vierzehn Jahren besuchte er das lokale Museum mit angegliederter Kunstgalerie und traf dort zufällig Ivo Shaw, den Direktor der Dudley Kunstakademie. Dieser war beeindruckt von Shakespeares Zeichnungen und verschaffte ihm ein Stipendium für die Akademie. Dort offenbarte Shakespeare ein großes Talent, vor allem für das figürliche Zeichnen. Seine Darstellung des menschlichen Körpers erwies sich als ungewöhnlich präzise und souverän. Und Shakespeare war gewillt, hart zu arbeiten, um seine Fähigkeiten noch zu erweitern. Auf dem Rhein (ca. 1935) Dieses Gemälde ist exemplarisch für Percy Shakespeares Stil. Die Farbkomposition und der Bildaufbau fangen auf bemerkenswerte Weise die Atmosphäre der 1930er Jahre ein. Percy Shakespeare 11 An der Kunstakademie von Birmingham ließ er sich schließlich zum Kunstlehrer ausbilden. Obwohl ihn seine Familie unter Druck setzte, sich Arbeit zu suchen und sie zu unterstützen, war er entschlossen, ein ernstzunehmender Maler zu werden. Der Einstieg erwies sich jedoch als schwierig. Aufträge waren nicht leicht zu bekommen und er konnte nur wenige seiner Bilder verkaufen. Er bestritt seinen Lebensunterhalt, indem er Zeichenstunden gab. Nicht einmal ein eigenes Atelier konnte er sich leisten – viele seiner Bilder entstanden in seinem Schlafzimmer. Im Jahr 1933 wurde erstmals eines seiner Werke an der Königlichen Kunstakademie ausgestellt. Außerdem kaufte die Dudley Kunstgalerie die Arbeit als Akt der Unterstützung an. Auch einige seiner später in den 1930er Jahren entstandenen Arbeiten, vornehmlich Ölgemälde, wurden in der Königlichen Kunstakademie sowie im renommierten Paris Salon Junge mit Hund (ca. 1937) und in der Royal Birmingham Society of Artists aus- Shakespeare parodiert hier das klassische Genre der Por- gestellt. Kritiker sagten ihm eine große Zukunft vor- trätmalerei, indem er einen Jungen zusammen mit einem aus. Jagdhund darstellt. Jagdhunde waren im 18. Jahrhundert oft auf Porträts von Adligen zu finden, um auf das entsprechende standesgemäße Freizeitvergnügen zu verweisen. 12 Percy Shakespeare Ein Nachmittag auf der Eisbahn (1939) In den 1930ern fertigte Percy Shakespeare eine Serie von Gemälden, die Personengruppen bei Freizeitaktivitäten zeigen. Und endlich konnte Shakespeare von der Kunst leben – wenngleich nicht lange: Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er zur Royal Navy einberufen. Im Mai 1943, Shakespeare war in Brighton an der britischen Südküste stationiert, machte er eines Tages einen Spaziergang auf den Klippen. Dort traf ihn eine fehlgeleitete deutsche Bombe, die ihn in Stücke riss. Percy Shakespeare 13 Reginald „Rex“ Whistler Der Mutige * geboren am 24. Juni 1905 in Eltham † gestorben am 18. Juli 1944 Maler, Illustrator, Gestalter Realismus Teil des Whistler-Wandgemäldes in Plas Newydd (1936) Der 6. Marquis von Anglesey beauftragte Rex Whistler, ein Dekorationskonzept für sein Anwesen zu entwickeln. Noch heute sind in Plas Newydd, Wales, zahlreiche seiner Gemälde zu finden, darunter ein Wandgemälde im Esszimmer, das mit 17,7 Metern Breite als das größte Großbritanniens gilt. 14 Reginald „Rex“ Whistler Rex Whistler zeigte bereits in seiner Jugend eine große Affinität zur Kunst. Im Alter von vierzehn Jahren gestaltete er etwa Bühnenbilder für Aufführungen in seinem Internat. Zugleich verband er sein Talent mit seiner rebellischen Seite. Eine Bestrafung im Internat sah vor, dass der betreffende Schüler eine Liste von historischen Daten zu erstellen hatte – der junge Rex Whistler jedoch zeichnete stattdessen Skizzen der Ereignisse. Später wurde Whistler an der Königlichen Kunstakademie angenommen. Dort war er aber unzufrieden mit dem System – was er auch zeigte – und wurde schließlich mit der Begründung „Inkompetenz“ der Schule verwiesen. Er setzte sein Studium an der renommierten Slade-Kunstakademie in London fort. Nach seinem Abschluss begann für Whistler schnell eine beeindruckende Karriere. Seine Arbeit umfasste alle Felder der Kunst – von Bühnenbildern über Buchillustrationen bis hin zu Ölgemälden. Im Alter von nur 22 Jahren wurde er mit einer Wandmalerei im Café der weltbekannten Tate-Galerie beauftragt. Außerdem fertigte er Poster und Illustrationen für das Mineralölunternehmen Shell und Designs für Porzellanservices. Vor allem aber sicherten ihm seine Ohne Titel (1938/39) Rex Whistler stattete die ehemalige Eingangshalle der Mottisfont-Abtei in Hampshire mit zahlreichen Trompe-L’oeil-Gemälden, -Trophäen und -Wandfriesen aus und transformierte sie so in einen Salon im gotischen Stil. Reginald „Rex“ Whistler 15 Porträt von Mrs. David Gubbay (ohne Jahr) Seine Eleganz und sein Charme sicherten Rex Whistler viele Aufträge für Porträts von angesehenen Persönlichkeiten Großbritanniens, darunter auch für dieses von Mrs David Gubbay, einer reichen Erbin. Eleganz und sein Charme viele Aufträge für Porträts von ange- Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges war Whistler bereits 35 sehenen Persönlichkeiten Londons. Jahre alt. Trotzdem brannte er darauf, der Armee beizutreten. Er wurde den Welsh Guards, einem britischen Infanterieregiment, zugeteilt und mit diesem im Jahr 1944, in der Folge der D-Day-Landungen, in die Normandie gesandt. 16 Reginald „Rex“ Whistler Lady Caroline Paget (ca. 1938) Während seiner Zeit in Plas Newydd freundete sich Rex Whistler mit der Tochter seines Auftraggebers an. Möglicherweise wurde er sogar ihr Liebhaber. Er fertigte unzählige Gemälde von ihr an, darunter auch einen Akt. Im Juli verfingen sich einige Telegrafendrähte in den Ketten Panzer zurückzugelangen. Whistler rannte fünfzig Meter über seines Panzers, so dass die Besatzung aussteigen musste, um offenes Feld zu einem weiteren Panzer, um dessen Besatzung den Panzer zu befreien. Ein deutscher Maschinengewehrschüt- Anweisungen zu geben. Auf dem Rückweg explodierte eine ze eröffnete das Feuer auf sie und hinderte sie daran, in den Mörsergranate in nächster Nähe, die ihn sofort tötete. Reginald „Rex“ Whistler 17 Eric Ravilious Der Kriegsmaler * geboren am 22. Juli 1905 in London † gestorben am 2. September 1942 vor der Küste von Island Maler, Illustrator, Gestalter, Holzdruck-Künstler Realismus Das Gewächshaus: Zyklamen und Tomaten (1935) Ravilious’ Lehrer Paul Nash erwähnte dieses Aquarell in einem Brief. Es soll in der Baumschule eines alten Mannes in Firle, East Sussex, entstanden sein, wo Ravilious Freunde besuchte. 18 Eric Ravilious Das Tal des weißen Pferdes (1939) Eric Ravilious spiegelt hier nicht nur die lange Tradition von britischen Landschaftsgemälden wider, er unterläuft sie zugleich. Die Abbildung einer Landschaft im Regen ist klassisch, die Perspektive hingegen ungewöhnlich. U-Boote im Trockendock (1940) Seine ersten Monate als Kriegsmaler verbrachte Eric Ravilious in der Grafschaft Kent an der britischen Südostküste. Dieses Aquarell war eines der ersten, die Ravilious dort fertigte. Eric Ravilious 19 Bombardement bei Nacht (1941) Dieses Aquarell zeigt vermutlich die britische Kanalküste. Die klassische Darstellung der Landschaft wird durchbrochen von der Explosion am Horizont. Eric Ravilious war einer der erfolgreichsten britischen Künstler reits im Jahr 1925, Ravilious war gerade einmal 22, schlug Paul der 1930er Jahre. Seine Fähigkeiten hatte er sich an verschiede- Nash ihn als Mitglied der Society of Wood Engravers vor. In nen Kunstakademien erworben, wo er unter anderem bei dem der Folge erhielt Ravilious einige Aufträge von Verlagen, unter bekannten britischen Surrealisten Paul Nash studiert hatte. Ein anderem für die Illustration des Romans „Desert, a Legend“ Reisestipendium ermöglichte ihm darüber hinaus, in Florenz von Martin Armstrong. und Siena die Werke der Alten Meister kennenzulernen. Seine beiden ersten Einzelausstellungen in den Jahren 1933 Bekannt wurde Ravilious vor allem durch seine Holzdruck- und 1936, beide in der Zwemmer Galerie in London, zeigten Arbeiten, wenngleich er seinen Lebensunterhalt zunächst vor- jedoch Ravilious’ Aquarelle, sein zweites Steckenpferd. Auch nehmlich mit dem Verkauf von Wandgemälden bestritt. Be- an Ölgemälden versuchte er sich, gab diese aber bald wieder 20 Eric Ravilious Tiger Moth (1942) Die de Havilland DH 82 Tiger Moth wurde während des Zweiten Weltkrieges von der Royal Air Force als Schulflugzeug eingesetzt. Ravilious malte sie, als er auf einem Stützpunkt der Royal Air Force stationiert war. auf, weil er fand, dass Ölfarbe in der Konsistenz zu sehr Zahn- Kriegsmaler mit dem Rang eines Ehrenkapitäns der Royal Ma- pasta ähnelte. Des Weiteren entwarf er Keramik-, Möbel- und rines. In den ersten Kriegsjahren malte er vor allem Seeschlach- Glasdesigns, unter anderem für die bekannte Keramik- und ten, unter anderem auf dem Ärmelkanal und in der Arktis. Porzellanmanufaktur Wedgwood. Im Jahr 1930 heiratete Ravilious die gefeierte Künstlerin Ei- Ende August 1942 brach Ravilious auf der Suche nach neuen leen „Tirzah“ Garwood, seine ehemalige Schülerin an der East- Motiven zu einem Stützpunkt der Royal Air Force in Island bourne Kunstakademie, an der er zeitweise unterrichtet hatte. auf. Am Morgen des 2. September bestieg er ein Seerettungsflugzeug, um von dort aus eine Rettungsaktion zu beobachten Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde Ravilious, wie und dies anschließend abzubilden. Das Flugzeug stürzte ab bereits sein Lehrer Paul Nash im Ersten Weltkrieg, offizieller und riss ihn mit in den Tod. Eric Ravilious 21 Clive Branson Der Aktivist * geboren 1907 (genaues Datum unbekannt) in Ahmednagar (Indien) † gestorben am 25. Februar 1944 in Aarakan (heutiges Myanmar) Maler, Journalist Realismus, Surrealismus Verkauf des ‚Daily Workers‘ vor einer Muntitionsfabrik (1937) Der ‚Daily Worker‘ war eine kommunistische Zeitung in Großbritannien. Das Sujet der Munitionsfabrik war in den Vorkriegsjahren weitverbreitet – vor allem in kommunistischen Kreisen, die die Hauptopfer eines zukünftigen Krieges in den Menschen der Arbeiterklasse sahen, die bei Verteidigung des Kapitalismus getötet würden. 22 Clive Branson Ausgebombte Frauen und Suchscheinwerfer (1940) Dieses Gemälde zeigt die Folgen der deutschen Luftangriffe auf London. Die surrealistische Komposition und die ungewöhnliche Perspektive geben dem Gemälde eine erstaunliche visuelle Intensität. Porträt eines Arbeiters (ca. 1930) Dieses klassische Porträt eines nicht identifizierten Mannes ist charakteristisch für Clive Branson. Menschen aus der Arbeiterklasse gehörten zu seinen favorisierten Motiven. Clive Branson 23 Clive Branson wurde also Sohn eines britischen Armeeoffiziers in Indien – zu der Zeit britische Kolonie – geboren. Er wurde jedoch schon bald zurück nach Großbritannien gebracht, um dort die Schule zu besuchen. Bereits in jungen Jahren offenbarte sich sein großes Zeichentalent, das ihn schließlich an die Slade School of Fine Art (Kunstschule des University College London) führte. Bransons zweites Hauptinteresse galt der Lektüre von kommunistischer Literatur, vor allem Marx’ „Kapital“. Im Jahr 1932 schloss er sich der Kommunistischen Partei Großbritanniens an. In der Folge ver- Stillleben (1940) schrieb er sich vollends der Arbeiterbewegung und Clive Branson greift das klassische Genre des Stilllebens auf und ergänzt hörte zwischenzeitlich sogar für fünf Jahre ganz auf die traditionelle Darstellung von Lebensmitteln durch solche mit moderner zu malen. Seine Auffassung war, dass man über das Eines davon ist Marx’ „Kapital“ – entsprechend Bransons Gesinnung. Verpackung. Außerdem fügt er Bücher als „Nahrung für den Geist“ hinzu. Leben Bescheid wissen müsse, um wirklich malen zu können. Im Jahr 1936 meldete sich Branson freiwillig zum bri- unter General Franco zu verteidigen. Doch bereits tischen Bataillon der Brigadas Internationales. Diese bei einem seiner ersten Einsätze, in Calceite, wurde er militärischen Einheiten setzten sich aus Freiwilligen gefangengenommen. Danach war er für acht Mona- verschiedener Länder zusammen, um die Zweite Spa- te in einem Konzentrationslager der Franco-Truppen nische Republik gegen die faschistischen Putschisten interniert. 24 Clive Branson Auch nach seiner Rückkehr nach Großbritannien setzte Branson seine politischen Aktivitäten fort. So organisierte er etwa einen Konvoi zur Unterstützung der Brigadas Internationales, zog durchs Land und sammelte Geld, um Nahrung und Medikamente nach Spanien senden zu können. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges begann Branson mehr und intensiver als je zuvor zu malen. Nach den Gründen gefragt, pflegte er zu antworten, es könne seine letzte Chance sein. 1941 wurde er einberufen und ein Jahr später als Panzerkommandant zurück in sein Geburtsland Indien gesandt. Im Februar 1944 nahm Branson an der sogenannten Zweiten ArakanOffensive teil, einem von drei Versuchen der Alliierten, die eigentlich Britisch-Indien zugehörige und von den Deutscher Luftangriff auf London (1940/41) Japanern besetzte Region Arakan zurückzugewinnen. Dieses Gemälde zeigt ein Londoner Arbeiterviertel während Eine japanische Granate durchschlug das Dach seines der verheerenden deutschen Luftangriffe zwischen Septem- Panzers. Branson war sofort tot. ber 1940 und Januar 1941, die in Großbritannien als „Blitz“ bezeichnet werden. Clive Branson 25 Graham Bell Der Theoretiker * geboren am 21. November 1910 in Transvaal (heutige Republik Südafrika) † gestorben am 9. August 1943 nahe Newark-on-Trent Maler, Journalist Realismus Dover-Promenade (1938) Dieses Gemälde begann Graham Bell während einer Reise nach Dover und stellte es vermutlich mithilfe einer Fotografie in seinem Atelier fertig. Die detaillierte und präzise Darstellung des Hotels auf der linken Seite ist exemplarisch für den Realismus der Euston Road School, der Bell angehörte. 26 Graham Bell Graham Bell wurde in Transvaal geboren, einer ehemaligen unabhängigen Burenrepublik, die zu dieser Zeit britische Kolonie war. Bevor er seine Liebe zur Kunst entdeckte, arbeitete Bell zuerst in einer Bank sowie auf einer Farm. Schließlich schrieb er sich an der Kunstakademie von Durban ein. Nach seinem Abschluss – Transvaal war mittlerweile eine Provinz der Südafrikanischen Union – entschloss er sich, nach England zu gehen. Dort inspirierten ihn vor allem die Werke von Duncan Grant, einem Mitglied des enorm einflussreichen Künstlerkollektivs „Bloomsbury Group“, dem zum Beispiel auch Virginia Woolf angehörte. Im Jahr 1934 kehrte Bell der Malerei den Rücken und wurde journalistisch tätig. Er schrieb unter anderem für den New Statesman, ein linksgerichtetes wöchentliches Kulturmagazin, und wurde schließlich dessen erster Kunstredakteur. Erst 1937 begann Bell wieder zu malen. Zusammen mit William Coldstream, einem bekannten realistischen Maler, und anderen Kollegen gründete er im gleichen Jahr die Euston Road School. Dieses Das Café (1937/38) Dieses Gemälde zeigt das Café Conte in London, wo Graham Bell und seine Freunde und Kollegen der Euston Road School regelmäßig verkehrten. Einige davon hat Bell hier dargestellt: Rechts im Vordergrund befindet sich William Coldstream, dahinter Igor Anrep und Claude Rogers sowie hinter dem Tresen Victor Pasmore und Geoffrey Tibble. Graham Bell 27 Künstlerkollektiv bezog sich vor allem auf Paul Cézanne und damit auf traditionelle, also realistische, Darstellungsweisen. Damit stand die Gruppe im Gegensatz zur Avantgarde der Zeit. Ihr Kunstverständnis fußte auf der politischen Anschauung des Kollektivs. Die meisten von ihnen waren Sozialisten und forderten demnach eine verständliche und gesellschaftlich relevante Kunst. Dies spiegelt sich auch in Bells 1939 veröffentlichtem Pamphlet „The Artist and his public“ (deutsch: Der Künstler und sein Publikum) wider. Die Euston Road School war außerdem eng verbunden mit der Artists’ International Association (Internationaler Künstlerverband) und half Künstlern, aus dem nationalsozialistischen Deutschland zu fliehen. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges meldete Bell sich freiwillig zur Royal Air Force und ließ Miss Anne Popham (1937/38) sich zum Piloten ausbilden. Im August 1943 Anne Popham war Graham Bells Geliebte, für die er seine Frau verlas- brach er als Teil der Besatzung eines Wellington- sen wollte. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges machte diese Pläne Bombers aus Newark-on-Trent zu einem Trainingsflug auf. Das Flugzeug stürzte ab. Es gab keine Überlebenden. 28 Graham Bell zunichte. Register Brian Hatton Seite 4 Percy Shakespeare Selbstporträt (aka Mephistopheles; 1933) © Dudley Museum and Art Gallery Seite 10 See mit Booten (ca. 1939) © Dudley Museum and Art Gallery Selbstporträt (1909) © Hereford Museum and Art Gallery Seite 6 Heuernte (1895) © Hereford Museum and Art Gallery Seite 7 Araber (1909) © Hereford Museum and Art Gallery Seite 8 Seite 4 Auf dem Rhein (ca. 1935) Seite 11 © Dudley Museum and Art Gallery Seite 12 Junge mit Hund (ca. 1937) © Dudley Museum and Art Gallery Seite 13 Ein Nachmittag auf der Eisbahn (1939) © Dudley Museum and Art Gallery Zivilisation (1914) © Hereford Museum and Art Gallery Der Fluss Wye bei Sugwas (1906) Seite 9 © Hereford Museum and Art Gallery Wir bedanken uns recht herzlich bei den jeweiligen Inhabern der Urheberrechte für ihre Abdruckgenehmigung. Register 29 Reginald „Rex“ Whistler Clive Branson Seite 4 Seite 22 Verkauf des ‚Daily Workers‘ vor einer Muntitionsfabrik (1937) © Tate, London 2012 / Rosa Branson Seite 23 Porträt eines Arbeiters (ca. 1930) © Tate, London 2012 / Rosa Branson Seite 23 Ausgebombte Frauen und Suchscheinwerfer (1940) © Tate, London 2012 / Rosa Branson Seite 24 Stillleben (1940) © Tate, London 2012 / Rosa Branson Seite 25 Deutscher Luftangriff auf London (1940/41) © Tate, London 2012 / Rosa Branson Selbstporträt (ca. 1933) © National Trust Images / John Hammond / VG Bild-Kunst Teil des Whistler-Wandgemäldes in Seite 14 Plas Newydd (1936) © National Trust Images / John Hammond / VG Bild-Kunst Ohne Titel (1938/39) Seite 15 © National Trust Images / Andreas von Einsiedel / VG Bild-Kunst Seite 16 Porträt von Mrs. David Gubbay (ohne Jahr) © National Trust Images / John Hammond / VG Bild-Kunst Seite 17 Lady Caroline Paget (ca. 1938) © National Trust Images / John Hammond / VG Bild-Kunst Eric Ravilious Seite 18 Das Gewächshaus: Zyklamen und Tomaten (1935) © Tate, London 2012 / VG Bild-Kunst Seite 19 Das Tal des weißen Pferdes (1939) © Tate, London 2012 / VG Bild-Kunst Seite 19 U-Boote im Trockendock (1940) © Tate, London 2012 / VG Bild-Kunst Seite 20 Bombardement bei Nacht (1941) © Tate, London 2012 / VG Bild-Kunst Seite 21 30 Tiger Moth (1942) © Tate, London 2012 / VG Bild-Kunst Graham Bell Dover-Promenade (1938) Seite 26 © Tate, London 2012 / John Cullis Seite 27 Das Café (1937/38) © Manchester Art Gallery / John Cullis Miss Anne Popham (1937/38) Seite 28 © Tate, London 2012 / John Cullis Literatur Noreen Branson (Hrsg.): British Soldier in India. The Letters of Clive Branson. London: The Communist Party 1945. Mary Chamot, Dennis Farr und Martin Butlin: The Modern British Paintings, Drawings and Sculpture. London: Oldbourne Verlag 1964. Sir Kenneth Clark: The Paintings Of Graham Bell. London: Lund Humphries Verlag 1947. Celia Davies: Brian Hatton. A Biography of the Artist (1887–1916). Lavenham: Terence Dalton Verlag. 1978. Richard Morphet: Eric Ravilious in Context. London: Fine Art Society 2002. Alan Powers: Eric Ravilious. Imagined Realities. London: Philip Wilson Publishers 2004. Alan Powers, James Russell: Eric Ravilious. The Story of High Street. Sparham: The Mainstone Press 2008. Robin Shaw: Percy Shakespeare. Dudley’s painter of the thirties. Bromsgrove: Verlag Robin Shaw 2000. Walter Shaw Sparrow: Brian Hatton. Young painter of genius killed in the war. In: Walker’s Quarterly Nr. 17, 1926. Laurence Whistler: The Laughter and the Urn. The Life of Rex Whistler. London: Weidenfeld & Nicolson 1985. http://www.herefordshire.gov.uk/brianhatton/540.aspx?search=*&Tab=hatton&P ageNo=10 (3.6.2012) 31 Diese Edition des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. stellt ausgewählte Werke von sechs bedeutenden Malern vor, deren Leben durch Krieg und Gewalt ein viel zu frühes Ende nahm. Brian Hatton (1887-1916) Percy Shakepeare (1906 -1943) Reginald „Rex“ Whistler (1905 -1944) Eric Ravilious (1905 -1942) Clive Branson (1907-1944) Graham Bell (1910 -1943) Herausgeber: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.