Erfahrungsbericht Seattle

Transcrição

Erfahrungsbericht Seattle
Attila Högner
19.09.2006
Austauschjahr an der University of Washington in Seattle
1. Ankunft
Am 20. September ging es los... Um 7 Uhr morgens ging mein Flug nach Seattle. Es gibt 3
verschiedene Direktflüge nach Seattle über Amsterdam, Kopenhagen oder London Heathrow.
Aufgrund der 9 Stunden Zeitverschiebung kommt man ungefähr zur gleichen Zeit in Seattle
an, zu der man in Europa weggeflogen ist. Mit etwas Glück findet man im Flugzeug
jemanden, der einen in seinem Auto mit zur Universität nimmt. So spart man sich 35$ für die
fast 30minütige Taxifahrt. Auf dem Weg zur Uni bekommt man schon den ersten Eindruck
von Seattle, da der Highway direkt an Downtown Seattle vorbeiführt.
Die Universität bietet einigen der über 100 Austauschstudenten die Möglichkeit in einem
Wohnheim auf dem Campus zu wohnen. Die Zimmer in den Dorms sind zwar nicht besonders
groß, aber dafür hat man es morgens nicht weit zu den Vorlesungen. Der einzige wirkliche
Nachteil an einem Zimmer im Wohnheim besteht darin, dass man keine Küche hat und somit
zum Essen immer in die Dining Halls oder ein Restaurant gehen muss.
Wenn man lieber in eine Wohnung ziehen möchte, muss man nur durch die Umgebung der
Universität laufen. Die meisten Häuser sind Student Houses oder Fraternities, die Zimmer an
Studenten vermieten und Schilder mit „Room available“ vor der Haustür haben. Die Preise
sind allerdings mit denen in München zu vergleichen. Die ersten Tage in Seattle, bevor man
eine dauerhafte Unterkunft gefunden hat, kann man in einem Hostel verbringen. Die Uni
vermittelt aber auch Gastfamilien für die ersten 2 Wochen, bei denen man wohnen kann und
die einem helfen, sich schnell einzugewöhnen.
FIUTS, die Organisation der Universität für Austauschstudenten, hält ab Mitte September
viele verschiedene Einführungsveranstaltungen ab, bei denen man die Universität, den
Campus und vor allem auch andere Austauschstudenten aus der ganzen Welt kennen lernt.
FIUTS begleitet die internationalen Studenten das ganze Jahr über, organisiert Ausflüge
sowie den wöchentlichen Pub-Abend und hilft dabei, Kontakte zu knüpfen. Amerikanische
Studenten lernt man jedoch eher später in den Kursen oder in seiner Unterkunft kennen.
Bei den VISA-Formalitäten und den Verwaltungsunterlagen für die Uni stehen einem
Advisors zur Seite, die Auskunft geben, wo man welches Office findet, was bei einem
Ausflug nach Kanada zu beachten ist oder welche Angelegenheiten durch die Versicherung
der Uni abgedeckt sind. Die Academic Advisors des Economics Departments unterstützen die
Studenten dann bei fachlichen Fragen und der Kurswahl. Sie wissen, welche Themen in den
einzelnen Kursen besprochen werden, welcher Professor gut erklären kann und welche Kurse
sich gut ergänzen.
2. Stadt
Seattle liegt zwischen dem Lake Washington und dem Puget Sound, einem Meeresarm des
Pazifischen Ozeans, und ist sehr vom Wasser geprägt. Dieses ist zwar zum Baden sehr kalt,
aber ideal zum Segeln, Kajak fahren, etc. Die Stadt ist für amerikanische Verhältnisse
ziemlich sauber und sicher. Im Vergleich zu anderen Städten der USA ist es sehr grün; es gibt
viele Parks und Grünanlagen. Aber es regnet häufig, vor allem im Winter. Dafür ist es
während der Wintermonate ziemlich mild und die Temperatur sinkt eigentlich nie unter den
Gefrierpunkt.
Die Einwohner Seattles sind sehr liberal, was sich auch darin zeigt, dass es viele alternative
Bars und Clubs gibt. So tut man sich schwer, Bush-Wähler zu finden. Wen man auch trifft,
alle schimpfen über die amerikanische Regierung. Aber man findet in Seattle, wie in den
meisten amerikanischen Großstädten, viele Obdachlose auf den Strassen, die die Passanten
ständig anbetteln.
Die Stadt ist in einzelne Districts gegliedert, die relativ eigenständig sind. Die wichtigsten
sind Downtown, Fremont, Capitol Hill und Belltown. Auf der anderen Seite des Lake
Attila Högner
19.09.2006
Washington liegen noch Bellevue und Redmond. Wie in Downtown sind dort aber
hauptsächlich Bürogebäude (u.a. Microsoft), was zur Folge hat, dass außerhalb der
Geschäftszeiten nicht mehr viel los ist.
3. Universität
Die University of Washington ist eine Campus-Universität und liegt direkt am Ufer des
Lake Washington. Zwischen den verschiedenen Fakultäten gibt es weitläufige Wiesen mit
Bäumen, auf denen die Studenten bei schönem Wetter Sport treiben, lernen oder einfach nur
zusammensitzen. Viele der Gebäude sind in neugotischem Stil errichtet, was der Uni einen
altertümlichen Flair gibt.
Das amerikanische Studienjahr ist in Quarter eingeteilt. Als Austauschstudent besucht man
die Autumn, Winter und Spring Quarters von September bis Juni. Ein Quarter besteht aus 8
bis 10 Wochen Vorlesung, gefolgt von einer Woche für die Abschlussprüfungen. Aber in den
meisten Fächern gibt es zusätzlich einen oder zwei Midterm-Exams während des Quarters.
Die Zahl der Studenten in den Vorlesungen ist viel geringer als in Deutschland. Es sind
maximal 30 Studenten in einem Kurs, meistens aber deutlich weniger. Die Kurse sind auch
interaktiver als bei uns. Bei Fragen kann man den Professor jederzeit unterbrechen oder ihm
E-Mails von Zuhause aus schreiben. Dadurch hat man viel engeren Kontakt zu den
Professoren oder Assistenten, die die Vorlesung halten. Außerdem sind in fast allen Kursen
wöchentlich Hausaufgaben abzugeben, die mit in die Note einfließen. Als Folge, muss man
sich von Beginn des Quarters an mit dem Stoff der Vorlesung vertraut machen. Anders als bei
uns, reicht es nicht, sich erst die letzten Wochen mit dem Thema auseinander zu setzen.
Die meisten undergraduate courses sind für deutsche Verhältnisse sehr verschult. Die
Professoren wiederholen zu Beginn oft den alten Stoff, erklären alles sehr detailliert und
schauen, dass jeder ihren Ausführungen folgen kann. Auch die Prüfungen sind nicht allzu
schwer. Normalerweise reichen ein oder zwei Tage Vorbereitung. In manchen Kursen sind
die Exams sogar daheim zu bearbeiten und man muss sie nach einer Woche wieder abgeben.
Meiner Ansicht nach ist es sinnvoll, im ersten Quarter mit undergraduate Kursen zu beginnen,
um sich mit dem amerikanischen System vertraut zu machen. Danach sollte man aber auch
einige graduate Kurse besuchen. Dort ist der Anspruch mit den Hauptstudiumsvorlesungen
bei uns vergleichbar.
Man kann auch Kurse an anderen Fakultäten besuchen. So bietet es sich für VWLStudenten an, einige MBA-Vorlesungen an der Business School zu hören. Diese Kurse sind
sehr praxisorientiert, d.h. man bearbeitet vor allem Case Studies. Der Professor stellt
normalerweise einen Case pro Woche ins Netz, der dann daheim zu bearbeiten ist und in der
nächsten Woche besprochen wird. Viele Kommilitonen in den MBA-Kursen sind schon älter
und haben mehrere Jahre lang Berufserfahrung gesammelt. In diesen Kursen bekommt man
einen sehr guten Einblick in die Materie.
4. Freizeit
Die Universität verfügt über ein sehr großes Sportangebot. Auf dem Campus ist ein riesiges
Sportzentrum (IMA) mit Schwimmbad, Squash, Fitnessstudio, Kletterhalle und vielem mehr
untergebracht. Die Benutzung ist für Studenten kostenlos. Außerdem befinden sich mehrere
Freiluft-Plätze für Fußball, Tennis, Basketball, etc. auf dem Gelände.
Zum Essen und Weggehen gibt es auf der „Ave“, der Hauptstrasse des UniversitätsViertels, nur 2 Minuten vom Campus entfernt, viele Restaurants, Bars und Cafes. An den
meisten der Wochenenden finden Privatpartys bei diversen Studenten zuhause statt. Man
braucht normalerweise keine Einladung, sondern muss nur jemanden kennen, der einen
mitnimmt. Da man Getränke selber mitbringt, spielt es auch keine große Rolle, wie viele
Personen am Ende kommen. Außerdem treffen sich alle internationalen Studenten mittwochs
in einem Pub an der Ave.
Attila Högner
19.09.2006
Wenn man abends in Clubs oder Bars geht, fährt man aber meistens in andere Districts, v.a.
nach Belltown, Capitol Hill und Fremont. (Wichtig: Immer den Reisepass mitnehmen oder
sich für 10$ eine Washington State ID machen lassen, da ein deutscher Personalausweis oder
Führerschein fast nirgends akzeptiert wird.) Seattle verfügt über ein sehr gutes Busnetz, das
man mit einem Aufkleber auf seinem Studentenausweis ebenfalls umsonst nutzen kann. Mit
dem Bus kommt man am schnellsten voran, nach Downtown benötigt man ca. 20 Minuten.
Wenn nachts die Busse nicht mehr fahren, kann man ziemlich günstig mit dem Taxi nach
Hause kommen.
Was man auch auf keinen Fall verpassen sollte, ist ein Footballspiel der Huskies, der
College-Mannschaft der Uni. Das Team ist zwar miserabel (sie haben die ganze Saison bis auf
ein Spiel nur verloren), aber allein der Stimmung im Stadion wegen lohnt sich der Besuch.
Außerdem sollte man sich noch ein Spiel der Seattle Supersonics oder der Seahawks
anschauen. Mit Fussball ist es schwierig, aber wir haben schließlich sogar ein Pub
aufgetrieben, das mittags live die Champions League Spiele überträgen hat.
Man kann auch viele Ausflüge in die Umgebung von Seattle machen. FIUTS bietet an
vielen Wochenenden Trips in die Umgebung an. Wenn man lieber in einer kleinen Gruppe
losziehen möchte, kann man sich auch ein Auto mieten. Allerdings muss man in den USA
eine Aufschlag von 25$ am Tag bezahlen, wenn man unter 25 ist. Als Ausflugsziele bieten
sich vor allem Vancouver, Victoria auf Vancouver Island sowie die Cascades Bergkette mit
dem Mount Rainier und dem Vulkan Mount St. Helen’s an. Außerdem lohnt die Fahrt über
Portland an die Oregon Coast.
Im Winter kann man über das Wochenende in eines der Skigebiete in der Nähe von Seattle
fahren, allen voran Whistler nördlich von Vancouver. An einem der verlängerten
Wochenenden lohnt sich ein Kurztrip nach San Francisco oder Los Angeles in Kalifornien.
Die 10tägige Spring-Break im März kann man dann für eine größere Reise nach Hawai’i oder
an die Ostküste nutzen.