Artikel lesen - Pferdepsychologie

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Erziehung
früh übt sich...
Was die Fohlen früh kennenlernen,
z. B. Halfter anlegen, das merken
sie sich – und sie haben nach einer
kurzen Gewöhnungsphase auch
keine Angst mehr davor.
Wie bereitet man das Fohlen in den
ersten Lebenstagen optimal auf
seine späteren Aufgaben vor?
Welches Training ist dabei sinnvoll
– und was vielleicht sogar
gefährlich? Wir haben dazu
bekannte Trainer befragt, mit einer
Pferdepsychologin gesprochen,
versierten Züchtern zugehört und
den Gestütsleiter von Piber
interviewt.
I
n den ersten Tagen und
Wochen nach der Geburt wird der Grundstein für die Zukunft des
Fohlens gelegt. In dieser
Zeit erfolgen die wichtigsten Prägungen, alle
Erfahrungen, die es jetzt
macht – egal ob gute oder
schlechte – wird das Pferd
ein Leben lang mit sich
herumtragen. Wie aber
bereitet man sein Fohlen
optimal für sein späteres
Leben als Freizeit-, Turnier- oder Zuchtpferd vor?
Was soll man tun, was darf man tun – und was
sollte man lieber lassen?
Dabeisein oder nicht?
Verläuft die Geburt ohne weitere Komplikationen, gibt es mehrere Möglichkeiten, Beistand
zu leisten. In vielen Betrieben gibt es Videoüberwachung und Geburtsmelder, die der
Stute erlauben, vor und während der Geburt
Großes Vorbild
völlig ungestört zu sein. Viele Pferde warten
mit dem Abfohlen so lange, bis keiner mehr
Wichtige Weichen werden bereits vor der
in ihrer Nähe ist. Andere wiederum – je nach
Geburt des Fohlens gestellt. Studien haben
Stärke der Beziehung und des Vertrauens zum
gezeigt, dass die Beziehung des Besitzers oder
Menschen – dulden Menschen währenddessen
der Bezugsperson zur Mutterstute auch von
ganz entscheidender Bedeutung für das Fohlen in ihrer Nähe oder fordern diese sogar. Im
renommierten Zuchtstall Neumann-Ullrich in
ist. Besteht ein gutes und vertrauensvolles
Gumpersberg/NÖ schwört man auf ein zuverVerhältnis zur Stute, wirkt sich dies auch auf
lässiges Abfohlmeldesystem, das ein ständiges
das Fohlen aus und erleichtert in der späteren
„Nach der Stute sehen“ nicht mehr notwendig
Erziehung einiges. Ängstliche oder unruhige
macht. Bei der Geburt der Fohlen am Hof ist
Stuten werden diese Eigenschaften auch ihren
immer jemand in der Box dabei, der für den
Fohlen weiter geben – im Frühstadium imitieren Fohlen einfach die Mutterstute und können Fall helfend eingreifen kann – durch die enge
Beziehung der Züchter zu ihren Mutterstuten,
sich dabei gute, aber natürlich auch schlechte
fühlen diese sich währenddessen auch nicht
Dinge abschauen (wie z. B. Ohren anlegen,
gestört.
wenn man die Box betritt).
André Stockinger (NHT Trainer) dazu:
Herde oder Abfohlbox?
„Während der Geburt behalten wir die Stuten
aus einer gewissen Entfernung im Auge, um
Bereits die Umstände der Geburt können die
bei möglichen Komplikationen helfen zu
Prägung des Fohlens beeinflussen. Während
können. Treten gar keine Komplikationen
die meisten Züchter ihre tragenden Stuten in
auf, vollzieht die Stute den Geburtsvorgang
einer geräumigen Abfohlbox unterbringen,
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Foto: www.slawik.com
Die ersten
Schritte in
die Welt
bevorzugt es Michael Grohmann (ParelliInstructor), die Stute in der Herde zu belassen:
„Die Geburt sollte so natürlich wie möglich ablaufen, idealerweise in einer Herde von trächtigen Stuten und mit viel Platz rundherum – auf
einer großen Weide mit Unterstandmöglichkeit
etwa. Möglich wäre auch ein größerer Paddock, wo die trächtige Stute in den letzten
Wochen der Schwangerschaft zumindest über
Nacht allein sein kann und sich so nach der
Geburt ungestört mit dem Fohlen befassen
kann.“ Pferdepsychologin Daniela Bühler findet es wichtig, dass die Stute sich zurückziehen kann, damit nach der Geburt die sensible
Phase der Prägung auf die Mutterstute nicht
gestört wird. Die Züchter Johanna und Ernst
Mayr bringen ihre Stuten schon Tage vorher in
geräumigen Abfohlboxen unter, damit sie sich
an ihre Umgebung in Ruhe gewöhnen können
– in dieser Box kann die Stute meistens sogar
so lange verbleiben, bis die Abfohlbox für eine
andere trächtige Stute gebraucht wird.
Ressort
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Erziehung
in der Herde
Wenn Stuten es so gewöhnt sind,
ist auch eine Geburt im Beisein
anderer Pferde kein Problem.
Neugierig heißen sie hier den
kleinen Neuzugang willkommen.
Ich denke, mit ein bisschen Einfühlungsvermögen und Respekt findet man die
passende Distanz.“
Wie nah man letzten Endes wirklich
kurz vor der Geburt und währenddessen
dabei ist, hängt letztlich vom Verhalten
und den Bedürfnissen der Stute ab. Besitzer, Trainer oder Züchter sollten mit Fingerspitzengefühl und situationsangepasst
reagieren.
Imprinting nach Dr. Miller
Fotos: www.slawik.com
Die Zeit unmittelbar nach der Geburt
ist sicherlich die sensibelste im jungen
Leben des Fohlens und beeinflusst dessen
weitere Zukunft gravierend. Genau in
dieser heiklen Phase gibt es nun verschiedene Theorien und Ansichten über das
richtige Verhalten des Menschen.
Dr. Robert M. Miller – Tierarzt in den
USA und spezialisiert auf Pferde – hat
vor einigen Jahrzehnten ein PrägungsTraining entwickelt, das er „Imprinting“
nennt. Der erste Schritt seines Trainings
wird unmittelbar nach der Geburt gesetzt.
Nachdem das Fohlen trockengerieben
und ev. medizinisch versorgt wurde, übt
er kreisende Bewegungen über den ganzen Körper aus. Nichts wird ausgelassen.
So berührt er auch das Innere der Nüstern, die Zunge, den Gaumen, die Hufe
usw. Außerdem lernt das Fohlen gleich
raschelndes Plastik kennen und auch Rektalbzw. Vaginaluntersuchungen werden angedeutet. Während des ganzen Trainings wird das
Fohlen sanft aber konsequent am Aufstehen
gehindert und die verschiedenen Bewegungen
30 bis 100 Mal ausgeführt. Nachdem dieses
erste Training abgeschlossen ist, dürfen die
Fohlen erst einmal aufstehen und trinken.
Doch Dr. Millers nächste Trainingseinheit
steht schon bevor – wenn das Fohlen genug getrunken hat und sicher auf seinen Beinen steht
(einige Stunden nach der Geburt), beginnt
der zweite Teil des Trainings. Im nächsten
Abschnitt lernt das Fohlen einerseits Berührungen und Druck in der Sattel- und Gurtlage
zu akzeptieren sowie Geräusche hinzunehmen und andererseits auf Druck seitwärts,
rückwärts oder vorwärts auszuweichen. Am
Tag nach der Geburt wird in einer weiteren
imprinting
Nach Dr. Miller ist die erste
Stunde nach der Geburt die
wichtigste Lernphase für
das Fohlen.
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alleine.“ Familie Mayr belässt es ebenfalls
dabei, die Stute zu beobachten – dem Pferd
vertraute Menschen bleiben aber zur Sicherheit
in der Nähe. Auch Daniela Bühler empfiehlt,
die Stute ungestört zu lassen, jedoch auf jeden
Fall zu überwachen, ob das Fohlen innerhalb
der folgenden zwei Stunden nach der Geburt
die Kolostralmilch aufgenommen hat und das
Darmpech abgegangen ist. Auch auf die Nachgeburt der Stute ist zu achten.
Eine andere Philosophie vertritt Michael
Grohmann, der kein Problem darin sieht,
wenn Menschen bei der Fohlengeburt anwesend sind: „Wenn Sie die Möglichkeit haben
bei der Geburt dabei zu sein und die Stute
dies problemlos zuläßt, dann würde ich sie
nützen. Je nach Erfahrungsgrad und der Stärke der Beziehung zur Mutterstute würde ich
entsprechend näher oder weiter weg dabei sein.
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Einheit zuerst einiges wiederholt und dann
das Halftern, Anbinden und Führen geübt. In
den nächsten Tagen wird das Fohlen jeweils
in kurzen Sequenzen an das Gelernte erinnert
und danach nur mehr ein wöchentliches Training durchgeführt.
Gefahren des Imprintings
Das von Dr. Miller entwickelte Fohlentraining
ist unter anderen Pferdeexperten jedoch umstritten. Michael Grohmann (Parelli-Trainer)
lernte Dr. Miller während eines mehrjährigen
Auslandsaufenthaltes persönlich kennen und
bestätigt zwar, dass sein Prägungstraining
funktioniert – rät jedoch unerfahrenen Personen klar davon ab, Imprinting selbst zu versuchen: „Sowohl in der Prägungsphase als auch
im Early Learning in den Stunden danach
kann man zwar sehr viel Gutes tun, aber auch
Missverständnisse, Misstrauen, und Dominanz
bilden – Fehler, die man den Rest des Lebens
wieder versuchen muss auszubügeln.“
Trainer André Stockinger geht einen Zwischenweg: Er versucht ebenfalls schon früh,
mit dem Fohlen Kontakt aufzunehmen, führt
aber keinerlei frühzeitige Trainingssequenzen
durch wie Dr. Miller: „Direkt nach der Geburt
wird das Fohlen nur kurz abgestreichelt um
unseren Geruch wahrzunehmen. Am Tag darauf wiederholt man das Abstreicheln und hebt
kurz jeden Huf an. In den darauf folgenden
Tagen wird das Fohlen an ein Halfter gewöhnt,
allerdings wird dieses nur kurz angelegt und
dann wieder entfernt. Funktioniert das Aufhalftern gut, kann auch damit begonnen werden, die Hinterhand über körperlichen Druck
vorsichtig für einen Schritt zu verschieben.
Danach folgt das Verschieben der Vorhand –
ebenfalls über leichten körperlichen Druck
und wieder nur für einen Schritt.“ Außerdem
weist André Stockinger darauf hin, dass das
Training immer nur im Beisein der Stute
durchgeführt wird.
Der andere Weg
Pferdepsychologin Daniela Bühler steht Millers Methode kritisch gegenüber. Sie hält es
für sehr wichtig, die sensible Prägungsphase
zwischen Stute und Fohlen noch abzuwarten,
ehe irgendeine Form von Training gestartet
wird. Diese Phase kann unterschiedlich lange
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„Wenn die Mutterstute ihr Fohlen
nicht ableckt, reiben wir es mit
Stroh trocken und
dauern – sie kann schon nach einer halben
regen den KreisStunde abgeschlossen sein oder aber auch
lauf des Babys an.“
erst nach zwei Tagen. Erst wenn die Stute es
Fam. Mayr
zulässt, dass das Fohlen mit anderen Pferden
oder auch Menschen Kontakt aufnimmt, ohne
es mit ihrem Körper schützen zu wollen, soll
man mit dem Fohlen-Training beginnen.
Auch Züchter Johanna und Ernst Mayr greifen in den ersten Tagen des Fohlenlebens nur
bedingt und sehr zurückhaltend ein. „Wenn
eine Mutterstute ihr Fohlen nicht ableckt, dann
reiben wir es mit Stroh trocken und regen den
Kreislauf des Babys an.“ Ein richtiges Training
wird also anfangs nicht durchgeführt, jedoch
wird das Fohlen z. B.: beim Füttern oder
Putzen der Mutterstute sehr wohl mit dem
Menschen vertraut gemacht. Nach und nach
wird dann das Halfter angelegt, die Beine
werden gestreichelt und hin und wieder angehoben. Familie Mayr: „Jedoch wird alles im
Spiel im Beisein der Mama gemacht, die Stute
gibt dem Fohlen Sicherheit. Ist diese beim
Herumspielen mit dem Fohlen cool, so sind es
die Fohlen auch.“ Züchter Dipl. Tzt. Werner
Neumann und seine Frau Susanne NeumannUllrich wenden in der ersten Zeit nach der
Geburt ebenfalls keinerlei Trainingsmethoden
an sondern versorgen Fohlen und Mutterstute
nur medizinisch. Allerdings gibt’s auch im
Zuchtstall Neumann-Ullrich nach langjähriger
Erfahrung einen Geheimtip, der sich bewährt
hat: „Wir melken die Stuten prinzipiell nach
der Geburt und das Fohlen bekommt noch
bevor es von selbst aufsteht Kolostralmilch
mit der Flasche. Fohlen, die so früh schon
diese wichtige erste Nahrung bekommen sind
schneller kräftig und lebendig.“
Gewöhnung an den Menschen
Egal, wie früh mit dem Training begonnen
wird, bestimmte Dinge sollten die kleinen
Fohlen doch relativ bald beherrschen. So ist es
natürlich prinzipiell wichtig, dass Fohlen Menschen in ihrer Gegenwart dulden und ihnen
vertrauen. Sie sollten sich überall berühren
und die Hufe aufheben lassen – sollte ein Tierarzt oder Hufschmied gebraucht werden, sind
diese Fähigkeiten auf jeden Fall sehr nützlich
und erleichtern vieles. Michael Grohmann:
„Wichtig ist im Umgang mit Fohlen vor allem:
Geduld, Geduld, Geduld. Es wird ein bisschen
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Erziehung
Vertr auen
Eine gute und Beziehung zur
Mutterstute erleichtert beim
Fohlen vieles und ermöglicht
außerdem engen Kontakt zum
Jungtier.
der Geburt das erste Mal für einige Zeit
ins Freie lässt, sind die Fohlen bei André Stockinger ab dem Moment, wo sie
laufen können, im Freien untergebracht.
Auch Michael Grohmann rät, dem Fohlen
schon frühzeitig soviel Freiraum wie
möglich zu gönnen, da ja auch Fohlen
in der freien Natur oft schon eine halbe
Stunde nach der Geburt mit der Herde
mitziehen müssen. Bei Pferdepsychologin
Daniela Bühler dürfen Stute und Fohlen
ungefähr ab dem zweiten Tag hinaus
– abhängig davon, ob die Mutter dem
Fohlen schon den Kontakt zur Gruppe
erlaubt, dürfen sie auch zur Herde. Im
Zuchtstall Neumann-Ullrich dürfen Stute
und Fohlen schon nach kurzer Zeit aus
der Box. Nach ein paar „Bewegungseinheiten“ in der Halle, werden sie langsam
mit einer anderen Stute und deren Fohlen
zusammengewöhnt und sind in der Folge
tagsüber (am Anfang nur in kurzen Phasen, dann immer länger) auf Koppel oder
Weide untergebracht.
Fohlentraining ist wichtig
Fotos: www.slawik.com
Die Entwicklung des Fohlentrainings hat
in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. Früher hat man sich
in der Fohlenerziehung oft nur auf das
Notwendigste beschränkt, meist hatten
die Fohlen das erste Mal intensiveren
menschlichen Kontakt, wenn der Hufschmied
gebraucht wurde.
Mittlerweile ist man sich sehr wohl bewusst,
wie viel man für das weitere Leben des Pferdes vorbauen und ebnen kann, wenn man das
Fohlen richtig behandelt und trainiert. Man
sollte allerdings einen Mittelweg finden, der
das Fohlen einerseits auf zukünftige Aufgaben
gut vorbereitet, andererseits aber nicht zu sehr
in die Natur des jungen Tieres eingreift.
André Stockinger findet klare Worte: „Die
Entwicklung in Richtung „Fohlentraining ab
dem ersten Tag“ bringt den Vorteil mit sich,
dass das Jungtier weit stressfreier den Kontakt
zum Menschen annimmt – vorausgesetzt, man
bringt Verantwortungsbewusstsein und Feingefühl mit und vergisst darüber hinaus nicht,
das Fohlen auch Fohlen sein zu lassen!“ Katharina Meissner
Neugier
Fohlen sind von Geburt an
neugierig und ihrer Umwelt
gegenüber aufgeschlossen.
brauchen, sein Gleichgewicht auf nur drei Beinen finden zu können. Wir Menschen müssen
als Freunde da sein, als positive Trainer, ihnen
helfen, die beste Position zu finden. Unser Job
ist es, die Fohlen und Jungpferde zu begeisterten Schülern zu machen – mit positiver, freudiger Einstellung gegenüber Neuem.“ Im Bezug
dazu verweist er auch auf ein Zitat von Ronnie
Willis, einem angesehenen Horseman aus den
USA: „Bestrafe niemals ein junges Pferd für
seine Neugierde.“
Kontakt zu anderen Pferden
Äußerst wichtig ist für ein junges Fohlen auch
der Kontakt mit der Außenwelt und speziell
mit anderen Pferden. Auch in diesem Bereich
macht es jeder ein wenig anders. Während
Familie Mayr ihre Fohlen nach alter Tradition
(vom Vater übernommen) am dritten Tag nach
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Zu Besuch in Piber
Pferdplus stattete dem Bundesgestüt Piber einen Besuch ab und befragte
Gestütsleiter Leopold Weiss nach seiner Art des „Fohlentrainings“.
O
bwohl er ursprünglich als Tischler in Piber arbeiten wollte, verschlug es ihn dann doch zufällig zu den Pferden – und dort ist er nun seit
43 Jahren tätig. Jährlich kommen im Gestüt Piber ca. 50
Fohlen auf die Welt, wobei das Verhältnis zwischen Stutund Hengstfohlen meist sehr ausgeglichen ist. Während
der über 40 Dienstjahre von Leopold Weiss haben mehr
als 2.000 Fohlen in Piber das Licht der Welt
erblickt: „Ganz selten
kommt es vor, dass Stuten einen nicht zum Fohlen lassen und richtig
aggressiv werden. Aber
solche Pferde werden
dann aus der Zucht sehr
schnell ausgemustert.“
Die Stuten im Gestüt
Piber werden frühestens
im Alter von vier Jahren
das erste Mal belegt.
Im Gestüt ist Tag und
Nacht jemand vor Ort,
besonders bei den tragenden Stuten wird immer wieder ein Blick in
die Box geworfen, ob es
vielleicht schon so weit
ist. Die hochträchtigen
Stuten dürfen bis zur
letzten Minute mit allen
anderen hinaus auf die
Koppel. Dass eine Stute ihr Fohlen einmal im
Freien zur Welt bringt,
Fotos: Katharina Meissner
kommt so gut wie nie
vor: „… manchmal, wenn sie nachmittags von der Weide kommen, sieht man bei hochträchtigen Stuten schon
einmal einen kleinen Fohlenhuf hervorblitzen, doch noch
jede hat so lange zusammengezwickt, bis sie in der Box
gestanden ist.“ Ist es dann soweit, ist immer jemand vor
Ort, der wenn nötig der Stute bei der Geburt etwas hilft.
Besonders wird darauf geachtet, dass die Fohlen bald
nach der Geburt zu säugen beginnen. Je länger es dauert,
bis das Fohlen saugt, desto höher ist die Wahrscheinlich-
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keit, dass die Stute durch den Druck der Milch schon
Schmerzen im Euter hat. Wenn das Fohlen dann erst ansetzt, schmerzt es die Stute so stark, dass sie es vielleicht
abwehrt. Sollte es zu so einer Situation kommen, melkt
der Geburtshelfer die Stute ein wenig, damit der Druck
nachlässt und hilft dann dem Fohlen zum Euter.
Ebenso wird natürlich darauf geachtet, dass das Neugeborene das Darmpech
abgibt. Wenn nach der
Geburt alles in Ordnung ist, werden Stute
und Fohlen erst mal sich
selbst überlassen. Einige
Tage später dürfen sie
dann ihre eigene Box im
Geburtsstall beziehen
und bleiben dort etwa
zwei Wochen. Schon in
der ersten Lebenswoche
werden die Fohlen das
erste Mal genau vermessen und begutachtet.
Am dritten Tag nach der
Geburt gibt’s den ersten Fohlenspaziergang
– Mutter und Fohlen
werden im Gelände des
Gestütes herumgeführt,
und das Fohlen lernt
zum ersten Mal, mit der
Mutterstute Schritt zu
halten. Ungefähr zwei
Wochen nach der Geburt
werden Stute und Fohlen
vorsichtig in die Stutenherde eingegliedert.
Im Alter von ca. drei bis vier Monaten werden die
Fohlen an das Halfter und das Führen bzw. Anbinden
gewöhnt. Nachdem die Fohlen von Geburt an in Kontakt
mit Menschen sind und immer wieder gestreichelt und
berührt werden, ist auch das kein großer Sprung mehr.
Wer in Piber die Gelegenheit hat, inmitten einer Stutenherde mit Fohlen zu stehen, ist verblüfft, wie natürlich
und stressfrei Pferde und Menschen miteinander umgehen – ganz ohne Imprinting.
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