Die Wiege der Beatles - Hamburger Abendblatt

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Die Wiege der Beatles - Hamburger Abendblatt
SONNABEND / SONNTAG, 14. / 15. AUGUST 2010
33
2010
Unterwegs: Liverpool feiert die Pilzköpfe › Stadtgespräch: „Sturkopp“ Achim Reichel › Titel-Thema: Das Hamburger Beatles-Tagebuch
Rezept: Rinderfilet auf Rotweinschalotten › Gestern & Heute: 6 Beatles-Zeitzeugen schauen zurück › Handgemacht: Akustik-Gitarren
Die Wiege
der Beatles
Fotograf und Vater des Pilzkopfs:
JÜRGEN VOLLMER erinnert
sich, wie er vor 50 Jahren in einer
Hamburger Kellerkneipe fünf
Jungs aus Liverpool kennenlernte.
E
s war das Jahr 1960, und eine neue Ära brach
für mich an: Ich wurde ein Rock’n’Roll-Fan.
Damals begann eine Invasion britischer Bands
in meine Heimatstadt Hamburg, die das Hafenviertel mehrere Jahre rockten. Unter ihnen
befand sich auch eine Gruppe von Teenagern
aus Liverpool. Sie trugen schwarze Lederjacken, und auf ihren Köpfen thronten ElvisTollen: The Beatles. In jenen Tagen gab es zwei
Außenseitergruppen unter Hamburgs Jugendlichen: Halbstarke und
sogenannte Exis. Sie waren Feinde und bewegten sich in verschiedenen
Territorien, den Rockkellern und Jazzclubs. Grenzüberschreitungen
endeten oft in Schlägereien. Ich selbst war ein typischer Exi, hatte gerade
die Kunstschule verlassen und arbeitete als Assistent des Fotografen
Reinhart Wolf. Bis dahin war ich Jazzfan und trug Künstlerklamotten wie
Cordjacketts und schwarze Rollkragenpullover. Außer Jazz mochte ich
die Chansons von Juliette Gréco und hatte Camus und Sartre gelesen.
Meine Haare hatte ich über die Stirn gekämmt. Ich kannte keine Halbstarken und mied ihre Treffpunkte. Aber durch
einen Zufall geriet ich in die Welt meiner Feinde. Klaus Voormann, ein
Freund aus der Kunstschule, hörte eines Abends, als er durch das Hafenviertel ging, die Musik aus einem Rockkeller und wagte hineinzugehen.
Er war völlig begeistert. Animiert durch seinen Enthusiasmus, aber auch
ziemlich ängstlich, begleitete ich ihn und seine Freundin Astrid Kirchherr am nächsten Abend in den Kaiserkeller. Das Lokal befand sich auf
der Großen Freiheit, mitten im Rotlichtviertel von St. Pauli. Damals war
Hamburgs Hafengegend das Sündenbabel von Europa, wo sich kein Normalbürger hintraute. An einem bulligen Türsteher vorbei stiegen wir aus
dem glitzernden Neonlicht der Straße eine dunkle Treppe hinunter. Der
kleine Raum war voll von Halbstarken. Jeder wirkte brutal. Betrunkenes
Gegröle. Bedrohliche Blicke. Schwarze Lederjacken. Wir bemühten uns,
bloß keine Aufmerksamkeit auf uns zu lenken, und schlichen zu einem
leeren Tisch am Rand der Bühne.
Die Beatles waren damals zu fünft. John Lennon, der offensichtliche
Kopf der Band, benahm sich wie ein typischer Halbstarker: Fast unbeweglich, während er Gitarre spielte, schob er nur leicht seinen Körper im
Rhythmus der Musik nach vorn. Cool. Zurückgehaltene Aggressivität. Er
erinnerte mich an Marlon Brando aus „Der Wilde“. James Dean diente
ebenfalls als Vorbild, und zwar dem kurzzeitigen Beatles-Mitglied Stuart
Sutcliffe, der sich geheimnisvoll hinter einer Sonnenbrille verbarg. Paul
McCartney erschien mir als ziemlich freundlich, er schüttelte beim Singen seinen Kopf hin und her und konkurrierte mit John als Führer der
Band. Ein energiegeladener Charmeur. Das jüngste Mitglied war George
Harrison. Wenn der 17-Jährige auf seine Gitarre einschlug, sah er wechselweise trotzig und traurig aus. Auch Pete Best, der damalige Schlagzeuger, hatte diese coole, aber bedrohlich wirkende Ausstrahlung.
Manchmal ging es im Kaiserkeller wie in einem Cowboyfilm zu. Die
Halbstarken bewarfen sich mit Stühlen und schlugen sich Bierflaschen
auf den Kopf. Wir kamen jeden Abend, und wir kamen immer sehr früh,
um sicher zu sein, dass der Tisch neben der Bühne frei war. Die Beatles
wollten uns kennenlernen, gerade weil wir so anders aussahen – in ihrem Innern schlummerte eine Exi-Seele. Stuart war der Erste, der uns
ansprach, direkt von der Bühne, zwischen zwei Songs. Dann wurden
auch die anderen neugierig. Wir drei Exis waren endlich mal Deutsche,
mit denen sie sich verständigen konnten – wir sprachen Englisch. Stuart
bot uns sogar an, dass wir uns hinter dem Piano auf der Bühne verstecken könnten, wenn die Schlägereien zu gefährlich wurden.
Die Beatles wechselten sich jede Stunde mit einer anderen Band ab:
Rory Storm & The Hurricanes. Deren Schlagzeuger war Ringo Starr, der
zwei Jahre später Petes Platz einnehmen sollte. In ihren freien Stunden
setzten sich die Beatles oft zu uns an den Tisch, oder wir gingen essen in
einen Imbiss gegenüber vom Kaiserkeller. Eines der ersten Dinge, über
die sie uns ausfragten, war unsere Kleidung. Ich bemerkte stolz, dass ich
alles, was ich trug, in Paris gekauft hätte – auf dem Flohmarkt. John, Paul
und George sahen sich an und machten übertrieben beeindruckte
Gesichter. Dann schnippte John mit einem Finger einen imaginären
Floh von meiner Cordjacke und fragte, ob ich meinen „komischen“
Haarschnitt auch in Paris bekommen hätte. „Nein“, antwortete ich,
„meine Haare schneide ich mir immer selber.“ „Sieht lustig aus, oder,
Georgie?“, fragte er dann, und George bestätigte scherzend: „Ja, sehr
witzig, Paul würde es auch gut stehen, was meinst du?“, und er hielt seine
Hand, die Finger nach unten, über Pauls Elvis-Tolle. John zog seinen
Kamm hervor und hielt dessen Ende unter Pauls Nase, wie einen kleinen
Schnurrbart. Paul bemühte sich um einen strengen Gesichtsausdruck
und vollendete die Imitation von Hitler, indem er den Arm zum NaziGruß erhob. John intonierte dazu die ersten Takte von Beethovens Fünfter Symphonie. Ein Jahr später allerdings scherzten Paul und John
nicht, als sie mich baten, ihnen ihre Haare so wie meine zu schneiden.
Die Beatles waren für mich eine ungeheuer wichtige Inspiration. Ich
wollte visuellen Rock ’n’ Roll. Als ich einmal jedoch Andeutungen machte, sie fotografieren zu wollen, fragte John: „Wofür?“ Darauf war ich
nicht vorbereitet und stotterte: „Für … für … Kunst?!“ Kunst heißt auf
Englisch „art“, was auch eine Kurzform des Namens Arthur ist. „Art?“,
fragte John spöttisch, „wer ist das denn?“ Aber John spielte nur mal
wieder den Witzbold. Ich hatte eine ganz genaue Idee für ein Foto: John
sollte als Mittelpunkt in einem Hauseingang eines Hinterhofs auf
St. Pauli stehen, und Paul, George und Stuart sollten an ihm vorbeigehen.
John, dem ich nur Variationen eines „arroganten“ Gesichtsausdrucks
abverlangte, fing an, sich zu beschweren, aber die drei Marschierenden
amüsierten sich köstlich. Jahre später, 1975, benutzte John eines dieser
Fotos für das Cover seines Solo-Albums „Rock ’n’ Roll“.
Beim letzten Auftritt der Beatles im Kaiserkeller, zum Abschluss ihres
ersten Hamburg-Besuchs, hatte ich die Idee, ihnen fünf rote Rosen zu
schenken. Astrid sollte sie ihnen überreichen. Es war schwierig, die langstieligen Blumen unbemerkt in den Club zu bringen. Wir versteckten sie
unter unserem Tisch. Aber diese „blumige“ Idee erwies sich in der rauen
Welt der Halbstarken, in der wir nur geduldet waren, als unangemessen.
Unsere feierliche Abschiedszeremonie musste am Ende verworfen
werden. Schließlich zertrat ich die Rosen unter dem Tisch.
Baby-Beatles: George, Paul und John
1961 im Hamburger Top Ten Club,
fotografiert von Jürgen Vollmer.
FOTO: JÜRGEN VOLLMER / REDFERNS
S. 4/5 – Von 1960 bis 1962:
Wie die Beatles in Hamburg alles (!)
für ihre Weltkarriere lernten.
II
› WOCHENENDE
SONNABEND / SONNTAG, 14. / 15. AUGUST 2010
FOTO: PICTURE-ALLIANCE
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Der Musikkenner und TV-Moderator
Kuno Dreysse („Kuno’s“), 65,
schläft lange aus – und hört Musik.
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KARTE: GRAFIKANSTALT
Ab nach Liverpool
3
Mein perfekter
Sonntag
4.30 Uhr Es wird langsam
hell. Nach einer harten Disconacht als DJ genieße ich die
frühmorgendlichen Vogelgesänge, die ich sonst schon
mal als störendes Gezeter
abtue. Der Bäcker bei mir in
der Straße beginnt schon
mit seinen Morgenvorbereitungen. Ich bringe meine CDKoffer nach oben – ich wohne
im ersten Stock – und mache
anschließend noch eine kleine
Runde um den Block. Diese
frühe Sonntagszeit ist so ganz
anders. Dann schlafe ich bis
zum Mittag.
12 Uhr Frühstück mit
meiner Liebsten – aber bitte
nicht zu früh. Mittagessen
gibt’s nicht.
13 Uhr Und dann raus zum
Walken oder Spaziergang!
Entweder „um die Ecke“ am
Kaiser-Friedrich-Ufer entlang oder im Stadtpark, um
bei einem Abstecher im
„Landhaus Walter“ einen
Milchkaffee zu trinken – im
Landhaus, wo der Downtown
Bluesclub beheimatet ist. Da
hab ich so manches tolle Konzert erlebt und so manches
interessante Interview für
meine wöchentliche Musiksendung „Kuno’s“ bei Hamburg1 aufgezeichnet. Kommende Woche bereite ich
schon meine 777. Sendung
vor. Eine unheimliche Zahl!
14.30 Uhr Normalerweise spiele ich sonntagnachmittags seit Jahrzehnten
Tennis beim SC Victoria,
meiner zweiten Heimat am
Lokstedter Steindamm. Dort
habe ich viele Freunde fürs
Leben gefunden, abseits der
Musik. Doch dieser Sonntag
ist kein normaler Sonntag:
Es gibt Fußball, erste Pokalrunde, „Vici“ als OddsetPokalgewinner ist auf nationaler Ebene dabei und spielt
gegen den Zweitligaklub
Rot-Weiß Oberhausen. Wenn
sie gewinnen, kommt Bayern
München an die Hoheluft.
Versprochen!
18 Uhr Die Musik ist mein
Leben, aber reine Hintergrundmusik gibt’s bei mir
nicht. Sonntags wird immer
in ein paar CDs reingehört,
alte und neue, selbst gekaufte!
Ans Herunterladen kann
ich mich einfach nicht gewöhnen. Ein Booklet mit Fotos,
Namen und Credits in der
Hand zu haben ist mir doch
wichtig, Informationen zum
Produkt. Gerade auch bei
den sogenannten ClassicRock-Pop-Teilen (denn der
Begriff „Oldies“ ist leider
inzwischen verpönt).
19.30 Uhr Ich gehe irgendwo etwas essen, meist mit
Freunden. Danach einen Absacker bei Jorgo in der Tegetthoffstraße. Und dann ins Bett.
Vor 24 Uhr!
280Mio.
Euro würde Paul
McCartney heute für
die 280 Nächte fordern, die er von 1960
bis 1962 mit den
Beatles in Hamburg
auf der Bühne stand
– eine Million pro
Auftritt. Damals
kassierte er zwischen
30 und 150 Mark.
Eintritt: 0 bis 1 Mark.
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7 AUSFLÜGE ZU DEN BEATLES
Handys aus! Das Mittelalterfest verzaubert
mit Authentizität.
FOTO: PR
Vorsicht, Helmpflicht!
An diesem Wochenende laden Schwertkämpfer und Gaukler, Musikanten und
mystische Tänzer beim Mittelalterfest „Spielmannswucht und Ritterglanz“ vor dem
Bergedorfer Schloss zu einer echten Zeitreise ein – darauf erst einmal einen Met.
E
ine Schlacht schlagen im Kettenhemd oder in
einem Robin-Hood-Kostüm über den Waldboden robben – nicht nur im Internet und im
Kino, auch in Rollenspielen, Vereinen und auf historischen Märkten erfährt das Mittelalter seit einigen
Jahren ein echtes Revival. Vielleicht weil uns das damalige Leben so viel einfacher und zugleich aufregender erscheint: gut und böse, Leben oder Tod.
Seit 1995 bringt das Museum für Bergedorf und die
Vierlande Licht ins „dunkle Jahrhundert“: Im Kellergewölbe lassen eine Rüst- und Waffenkammer, Folterinstrumente und weitere Antiquitäten das Leben
im Mittelalter und in der frühen Neuzeit wieder auferstehen. Und alle zwei Jahre wird’s dabei sogar richtig lustig: auf einem mittelalterlichen Markt, mit
„Spielmannswucht und Ritterglanz“ und dem Bergedorfer Schloss als perfekter Kulisse.
Im Jahr 1220 als Wasserburg von Albrecht von Orlamünde in einer wunderschönen Parkanlage an der
Bille gebaut, ist es hamburgweit das letzte Relikt aus
dieser Epoche. Der Impuls für das Mittelalter-Spektakel kam vor rund 20 Jahren aus der alternativen
Szene – es sollte ein traditionelles, familiäres Fest
entstehen, bei dem möglichst wenig Müll anfällt. Und
so ist es bis heute noch: „Die Faszination entsteht
durch das kulturelle Programm, etwa die Spielmänner mit ihren besonderen Instrumenten, durch die
Tänzer, Puppenspieler und Handwerker, deren Künste es wieder zu entdecken gilt“, sagt Veranstalter und
„Kulturbüttel“ Wolfgang Struchtrup. Authentizität
wird hier großgeschrieben, bis hin zur mittelalterlichen Sprache, die man beim Fest pflegt. Und nicht
zu vergessen, die Ritterkampfturniere für Kinder.
Statt der üblichen Pommes-Buden gibt es Garküchen und Tavernen, in denen frisches Brot gebacken,
Fleisch am Spieß gegrillt, Met ausgeschenkt und die
Reisspeise umweltfreundlich im Kohlblatt serviert
wird. Die Schausteller erscheinen selbstverständlich
nur in originalgetreuen Gewändern, und damit der
Markt möglichst ursprünglich erscheint, sind alle
Darsteller zu äußerster Disziplin angehalten: Einen
Ritter mit Handy am Ohr und Zigarette im Mund will
der Büttel hier nicht sehen. Die Besucher werden etwas freundlicher zu angemessener Kleiderordnung
animiert: Wer mit einem schicken Kostüm anreist,
erhält als Belohnung ermäßigten Eintritt.
Sonst aber herrscht in Bergedorf Friede, Freude,
Apfelküchlein. Okay, am Ende wird’s dann doch noch
mal ein bisschen gruselig, wenn der Henker sein
Meisterstück an der Galgenbühne gibt…
Eigentlich sind Hamburg und Liverpool Bruderstädte: Beide liegen auf dem
53. Breitengrad, sie sind Hafenmetropolen, die trocken-humorvollen Bewohner
gelten als Nordlichter ihres Landes – und beide feiern zurzeit die Beatles.
Früher galt Liverpool als tiefste Provinz – doch das haben die Beatles gründlich
geändert. Und ihre Heimatstadt hat es ihnen gedankt: Heute landet man auf dem
John Lennon Airport, und die Popstars von morgen studieren hier nicht auf irgendeiner
Uni, sondern natürlich an Paul McCartneys Liverpool Institute for Performing Arts.
Sein eigenes 50. Beatles-Jubiläum beging Liverpool zusammen mit dem 800. Stadtgeburtstag schon vor drei Jahren – denn schließlich war Paul McCartney der Band
von John Lennon, den Quarrymen, schon 1957 beigetreten. Trotzdem werden auch
dieses Jahr die Fab Four gefeiert: auf dem International Beatle Week Festival Ende
August mit Konzerten, Ausstellungen und prominenten Gästen. Außerdem würdigt
die Hafenmetropole den 70. Geburtstag von John Lennon und gedenkt gleichzeitig
seiner Ermordung: Vom 9. Oktober bis 9. Dezember wird ein Kulturprogramm mit
Musik, Filmen, Kunst und Poesie an ihn erinnern. Doch Liverpool hat neben Touren zu
den Beatles-Elternhäusern und dem legendären Cavern Club noch mehr zu bieten:
Von hier stürmten auch andere Bands wie Frankie goes to Hollywood, Echo and the
Bunnymen oder Atomic Kitten die Charts. 2004 wurde der historische Hafen von der
Unesco zum Weltkulturerbe erhoben. 2008 war Liverpool die Kulturhauptstadt Europas und wurde endgültig zu Livercool, der zweiten Kulturmetropole des Landes
nach London. Und trotzdem: Für Fans aus aller Welt – und auch ihre Bürger – bleibt
Liverpool doch immer die Stadt der Beatles.
STADTLEBEN
TEXT: VERA ALTROCK
Die fröhlichen Nordlichter Englands
TIPPS & TERMINE
1 HARD DAYS NIGHT HOTEL Rund um die Uhr laufen Beatles-Songs, jedes Zimmer ist einem anderen Lied gewidmet, und wer ausschlafen will, hängt das Schild
„I’ve had a hard day’s night“ („Ich hatte die Nacht eines harten Tages“) an die Tür.
» North John Street, L2 6RR, Tel. +44 (0)151/236 19 64, DZ ab 105 £,
www.harddaysnighthotel.com
Service
» Spielmannswucht und
Ritterglanz, Sa 14.8., 11 – 22 Uhr,
So 15.8., 11 – 19 Uhr, Bergedorfer
Schloss, Bergedorfer Schloßstr. 4,
Eintritt: 5 Euro, ermäßigt (mit
Kostüm) 3 Euro, Kinder unter
1,38 Meter frei,
www.schlossbergedorf.de
2 BEATLES MUSEUM Von den Anfängen in Liverpool bis zur Auflösung in London
reicht die umfassende Pilzkopf-Ausstellung mit vielen interaktiven Stationen, die
auch die Solokarrieren von John, Paul, George und Ringo vorstellen. Nicht verpassen: den „White Room“ zum Andenken an John Lennon.
» The Beatles Story, Britannia Vaults Albert Dock, L3 4AD,
Tel. +44 (0)151/709 19 63, tägl. 9–19 Uhr, Erw. 12,95 £, www.beatlesstory.com
3 THE YELLOWDUCKMARINE Stilecht im gelben Amphibienfahrzeug führt die
Tour zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Liverpools. Höhepunkt ist die Fahrt
ins Wasser, schwimmend geht es dann zum Beatles-Museum in den Albert Docks.
» 32 Anchor Courtyard, Albert Dock, L3 4AS, Tel. +44 (0)151/708 77 99, tägl.
ab 11 Uhr, Erw. ab 9,95 £, www.theyellowduckmarine.co.uk
KULTUR ERLEBEN
4 CAVERN CLUB Obwohl das Kellergewölbe nur
ein Nachbau des abgerissenen Originals ist, gilt
es nach wie vor als berühmtester Rock-Tempel
der Welt. Von 1961 bis 1963 traten die Beatles
hier fast 300-mal auf, auch heute noch sind
fast täglich Livebands zu hören, und nebenan
kann man in ihren früheren Stammkneipen auf die Fab Four trinken.
» 10 Mathew Street, L2 6RE, Tel. +44 (0)151/236 19 65, tägl. ab 11 Uhr,
Eintritt ab 2,50 £, www.cavernclub.org
THE FAMOUS GRAPES Pub, in dem die Beatles gern einen hoben.
» 25 Mathew Street, L2 6RE, Tel. +44 (0)151/255 15 25, tägl. 12–4 Uhr,
www.liverpool0151.co.uk/grapes/
THE BEATLES SHOP „Penny Lane“-Ohrringe, „Ringo Starr“-Schlagzeugstöcke,
Beatles-Schlabberlätzchen: Was der Fan auch sucht, hier wird er fündig.
» 31 Mathew Street, L2 6RE, Tel. +44 (0)151/2368066, www.thebeatleshop.co.uk
Sehnsucht im
Doppelpack
5 INTERNATIONAL BEATLE WEEK FESTIVAL 2010 vom 25.–31.8. Die weltweit
größte jährliche Beatles-Feier mit über einer halben Million Besuchern: Rund
200 Bands spielen live, dazu gibt es Ausstellungen. Spezielle Führungen, Filme,
eine Plattenbörse sowie ein großer Flohmarkt runden das Programm ab.
» Highlights: 26.8. „Warm Liverpool Welcome“, Cavern Club, 20 Uhr, 10 £.
29.8. Beatles Convention, Adelphi Hotel, 10 Uhr, 15 £; „Peace, Love and Understanding“-Konzert, Liverpool Cathedral, 19.30 Uhr, 30 £. www.beatlesfestival.co.uk
Richard Linklaters wunderbare Liebesfilme
„Before Sunrise“ und „Before Sunset“
betören als Doublefeature im B-Movie.
6 ASTRID KIRCHHERR IN DER VICTORIA GALLERY & MUSEUM Die Hamburger
Fotografin und Freundin der Beatles lichtete sie bereits in ihren frühen Tagen ab.
Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf den Jahren 1960 bis 1967.
» Ashton Street, University Liverpool, L69 3DR, Tel. +44 (0)151/794 23 48,
25.8.2010–29.1.2011, Di–Sa 10–17 Uhr, freier Eintritt, www.liv.ac.uk/vgm/
DER GRÜNE PUNKT Auf den Spuren von Ameisenlöwe und Kreuzkröte: Die Dünen-Detektive treffen
sich jeden Donnerstag von 15 bis 16 Uhr am Infohaus Boberger Niederung, um unter Anleitung das
Naturschutzgebiet zu erforschen. Nächster Termin: 19.8. Infos: www.stiftung-naturschutz-hh.de
G
1000-mal berührt: Celine und
Jesse (Julie Delpy und Ethan
Hawke) erleben Stunden, die
ein Leben lang dauern dürften.
TEXT: ANNETTE STIEKELE
roße Liebesgeschichten beginnen mitunter
mit einer sehr unspektakulären Begegnung.
So wie die von Jesse und Celine. Die Blicke
des ungelenken amerikanischen Hippies auf EuropaUrlaub und der hübschen Französin kreuzen sich in
einem Eisenbahnabteil auf der Fahrt durch Österreich. Und siehe da, es passiert: Jesse, verkörpert von
Ethan Hawke, rafft all seinen Mut zusammen und
fragt Celine, herrlich neurotisch gespielt von Julie
Delpy, ob sie mit ihm in Wien aussteigt, um sich die
Stadt anzusehen. Doch so romantisch, wie sich das
anbahnt, geht es nicht weiter – zunächst.
Als „Before Sunrise“ 1995 in die Kinos kam, galt er
sofort als moderner Liebesfilmklassiker und treffsichere Charakterstudie seiner Zeit: Je nach Sichtweise sind Jesse und Celine unbekümmerte Vertreter
der planlos durchs Leben strauchelnden GenerationX – oder aber mit der Gabe gesegnet, sorglos in
den Tag und eine mögliche Liebe hineinzuleben.
Jedenfalls tun sie beides, straucheln und leben.
Und es wird viel geredet in „Before Sunrise“, über
Lebenswichtiges und Banales – und dann wieder
äußerst kunstvoll geschwiegen und unterschwellig
geflirtet. Dabei folgt die Kamera den beiden Anfangszwanzigern, wie sie die Straßen der Donau-Metropole durchstreifen. Aber: Es ist eine seltsam nüchterne Romanze zweier Menschen auf der Durchreise,
und fast möchte man ihnen zurufen: „Na, tut es end-
FOTO: WARNER BROS.
lich, ihr wollt es doch auch!“ Doch das funktioniert
schon im echten Leben nur in den wenigsten Fällen.
Neun Jahre später inszenierte Linklater mit „Before Sunset“ dann die Wiederbegegnung der beiden.
Der unglücklich verheiratete Jesse liest in der Pariser
Buchhandlung „Shakespeare & Company“ aus seinem Roman. Über einen Amerikaner, eine Pariserin
und eine Nacht in Wien. Da steht die Beschriebene
plötzlich wieder vor ihm. Gereift und ein wenig auch
geprügelt vom Leben, nehmen Celine und Jesse die
losen Enden der Beinahe-Beziehung wieder auf.
Doch statt einer ganzen Nacht wie einst in Wien haben die beiden nur 90 Minuten bis zum Abflug. Wieder laufen sie nebeneinander her – und reden. Jesse
hatte vor neun Jahren gesagt: „Stell dir vor, du wärest
irgendwann unglücklich verheiratet und müsstest
dann denken, mit mir wäre alles anders geworden.“
Jetzt keimt in beiden die Frage auf, was geworden
wäre, wenn sie doch damals nur nicht...
Nun lassen sich beide Filme wiederentdecken: Am
14. August laufen sie als Doublefeature im B-Movie,
der Hamburger Kinoadresse für Nostalgiker, TrashFans und Cineasten. Und vielleicht entdeckt man in
Jesse und Celine auch sich selbst wieder – oberflächlich vielleicht etwas zynisch, aber im tiefsten Herzen
romantisch und auf der Suche nach dem Leben.
7 TOUR ZU DEN ELTERNHÄUSERN VON LENNON UND MCCARTNEY Einblick
in die Kindheit von John und Paul: Die Häuser (251 Menlove Avenue, L25 7SA und
20 Forthlin Road, L24 1YP) gehören heute zum National Trust, dem kulturellen
Erbe Großbritanniens, und können nur mit Voranmeldung besichtigt werden.
» Treffpunkt: Jurys Inn Liverpool Hotel, 31 Keel Wharf, L3 4FN, Mi–So 10 Uhr,
Tickets: Tel. +44 (0) 151/427 72 31 oder [email protected], Erw.
16.80 £, Kinder 3.15 £, www.nationaltrust.org.uk/main/w-20forthlinroadallerton,
www.nationaltrust.org.uk/main/w-mendips
INFORMATIONEN City Centre TIC, The 08 Place Whitechapel, L1 6DZ und
Albert Dock Visitor Information Centre, Anchor Courtyard, Albert Dock, L3 4AF,
Tel. +44 (0) 151/233 20 08, www.visitliverpool.com
FLUGVERBINDUNGEN Ab Hamburg nach Liverpool mit Zwischenstopp in
Amsterdam mit KLM ab 199 Euro, www.klm.com
Mit Easy Jet ab Berlin-Schönefeld ab 24,99 Euro, www.easyjet.com
Die „McCartney
Suite“ im HardDays-Night-Hotel.
FOTOS: PR
Service
» Before Sunrise Sa 14.8.,
20 Uhr, Before Sunset 22 Uhr,
B-Movie, Brigittenstr. 5, ab 5 Euro,
Tel. 430 58 67, www.b-movie.de
SONNABEND / SONNTAG, 14. / 15. AUGUST 2010
› STADTGESPRÄCH
III
Jörg Böckem trifft Achim Reichel
Er war Sänger der Rattles,
auf Tour mit den Beatles und
Pionier des deutschen Pop:
Achim Reichel über das
Glück, „ein Sturkopp“ zu sein.
H
Blick zurück nach vorn
Reichels Reich: Achim Reichel, 66, in
seinem Studio, in dem auch ein gemeinsames Foto mit Beatle Paul steht.
FOTO: THOMAS LEIDIG
amburg-Hummelsbüttel,
ein großes, reetgedecktes
Haus, ein wenig versteckt
in einer Grünanlage. Das
Hamburger Schmuddelwetter zeigt sich von seiner
übelsten Seite, es schüttet wie aus Kübeln.
Der Hausherr dagegen erweist sich als
Gentleman, er empfängt seinen Besucher
mit einem großen Schirm am Eingangstor. Achim Reichel ist dieser Tage ein
gefragter Gesprächspartner. Vor 50 Jahren, als die Karriere der Beatles in Hamburg begann, spielte er mit den Rattles im
Star-Club, er war mit den Beatles und den
Rolling Stones auf Tour. Ein Jahr lang war
er dann Betreiber des Star-Clubs und ging
schnell pleite. Der 66-Jährige, ergraut,
aber immer noch jungenhaft und sportlich,
ist Zeitzeuge. Einer, der allerdings nicht
allzu viel hält von wehmütiger Vergangenheitsverklärung. Der stolz darauf ist,
nicht wie viele seiner Mitstreiter aus
den 60ern heute auf der Nostalgiewelle
schwimmen zu müssen, sondern auf eine
fast 50-jährige, facettenreiche Karriere
zurückblicken kann: auf Hits wie „Der
Spieler“ oder „Sansibar (Aloha Heja He)“
und „Kuddel Daddel Du“. Auf die Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Jörg
Fauser, auf seine gefeierte Modernisierung
der Shantys und die Vertonung deutscher
Dichterballaden. Im vergangenen Jahr hat
er den ersten Teil seiner „Solo mit Euch“Tour absolviert, hat intime Versionen
seiner Lieder gespielt, mit großem Erfolg.
Auf dem Sofa liegt eine aktuelle Ausgabe
des britischen Musikmagazins „Uncut“.
Auf der Liste der 50 vergessenen Meisterwerke, Platz 12, ein Album von Achim
Reichel, „A.R. & Machines: Echo“. Das
psychedelische Werk wurde 1972 von der
Kritik verrissen, auf die nachträgliche
Würdigung ist der Musiker sichtlich stolz.
MAGAZIN: Herr Reichel, in den 60ern haben Sie mit den
Rattles die Musikszene kräftig aufgemischt und mit
den Beatles gespielt. Was bedeutet Ihnen diese Zeit?
ACHIM REICHEL: Die 60er waren eine Art Urknall für
mich. Eigentlich hatte ich ja etwas ganz anderes vor
– ich bin auf St. Pauli aufgewachsen, in Hafennähe,
mein Vater und mein Großvater sind zur See gefahren, das wollte ich auch. Im Landungsbrücken-Restaurant, damals eines der besseren Fischrestaurants
in Hamburg, habe ich Kellner gelernt, ich wollte wie
mein Vater als Schiffssteward arbeiten und dabei die
Welt entdecken. Aber die Musik war stärker als meine Lebensplanung.
MAGAZIN: Was ist passiert?
REICHEL: Der Rock ’n’ Roll. Als ich zum ersten Mal Little
Richard gehört habe, hat mich das umgehauen. Die
Härchen, die gerade erst auf meinem Arm gewachsen
waren, stellten sich auf. Im Plattenladen Sonnenberg
in der Mönckebergstraße bekam man, wenn man viel
Glück hatte, Singles aus Amerika. Mit meinem batteriebetriebenen Mignon-Plattenspieler mit eingebautem Lautsprecher und meinen Singles war ich der
König vom Elbstrand. Irgendwann kreuzte dann eine
Gitarre meinen Weg, die habe ich gegen den Plattenspieler eingetauscht, und los ging’s: Hinter dem Oa-
se-Kino auf der Reeperbahn, beim Hansischen Jugendbund, hatten wir einen Übungskeller. Da haben
wir versucht, eine Band zu werden. Dann gewannen
wir den Bandwettbewerb im gerade eröffneten StarClub und lernten dort die englischen Bands kennen.
MAGAZIN: Sie haben mit den Stones und Beatles gespielt.
REICHEL: Das waren keine Musikgötter, zu denen wir in
Ehrfurcht aufblicken mussten. Das waren auch nur
normal Verrückte. Die Stones hatten damals gerade
ihre erste Single veröffentlicht. Brian Jones war ein
übler Zyniker, wie der mit den Mädels umgesprungen
ist, war unglaublich. Ich kam ja von St. Pauli und war
daher so einiges gewohnt, aber das war ziemlich hart.
Der englische Humor hat uns oft überfordert. John
Lennon ist zum Beispiel nachts um drei im Star-Club
nackt auf die Bühne, mit seiner Gitarre vor dem
Gemächt und einer Klobrille um den Hals und hat
den Hitlergruß gemacht. Die waren damals halt auch
nur dumme Jungs wie wir.
MAGAZIN: Auch ein Paul McCartney, der Traum aller
Schwiegermütter?
REICHEL: Jeder der Beatles war ein ganz eigener Charakter. Paul war der Galante, wenn er an unseren
Tisch kam, gab er immer zuerst den Mädels die Hand.
„Oho“, dachte ich, „hier kommt einer aus gutem Hause.“ George war schüchtern und zurückhaltend. Auf
den standen die Mädels besonders, mit seinem
scheuen Lächeln und den rehbraunen Augen. John
Lennon war lauter, zynischer und bitterer. Eher der
überspannte Typ.
MAGAZIN: Und plötzlich waren sie weltberühmt.
REICHEL: Anfangs waren die nur eine Band von vielen,
die wie wir auch Rock’n’Roll, Rhythm & Blues und
Rockabilly-Standards spielten, ohne eigene Songs zu
haben. Keiner von uns hat geahnt, was in denen
steckte. Aber die Beatles haben sich dann schnell als
Ideenfabrik und große Songschreiber entpuppt. Ich
werde nie vergessen, als sie das erste Mal auf der
Star-Club-Bühne „Love Me Do“ gesungen haben. Da
haben wir uns verwundert die Augen gerieben.
MAGAZIN: In den 60ern hatte Hamburg einen üblen Ruf
– Prostitution und Waffenhandel.
REICHEL: Ich bin auf St. Pauli aufgewachsen und zur
Schule gegangen, für mich war das nicht bedrohlich,
sondern Alltag. Wenn sich die Zuhälter aufs Auge
gehauen haben, haben wir einfach die Straßenseite
gewechselt. Die Härte und Kriminalität habe ich
dann später im Star-Club hautnah erlebt. Wenn dort
jemand eine dicke Lippe riskierte, haben die Kellner
– alles ziemliche Brecher, die wegen ihrer Oberarme
eingestellt wurden – ihn vor die Tür geschleift, und
dann gab es da Saures.
MAGAZIN: Für einen jungen Mann, der früh Erfolg und
Geld hat, ein gefährliches Pflaster.
REICHEL: Sicher. Wenn da so ein Hüne, dem du sonst
aus dem Weg gehen würdest, den Arm um dich legt
und grölt „ein Bier für meinen Freund!“, weil du im
Beatclub aufgetreten bist, ist das eher beängstigend.
Außerdem war ich ja schon mit 17 Vater geworden,
damals ein streng gehütetes Geheimnis, wir waren ja
„Bravo“-Boys, das passte nicht zum Image. Ich versuchte, mit der Vaterrolle klarzukommen, war aber
viel zu unreif. Gleichzeitig wollten all die Nutten und
Zuhälter unsere Freunde sein. Eine schwere Zeit.
MAGAZIN: Ihnen wurde auch Gratis-Sex angeboten?
REICHEL: Schon, aber das war auch nicht nur erfreulich.
Dieser geschäftsmäßige Umgang mit Sex und Intimität ist für einen jungen Kerl eine schwierige Erfahrung – was hat das mit Gefühlen zu tun, was ist echt,
was ist Ware? Wir mussten diese Erfahrungen irgendwie verarbeiten, dabei half uns keiner.
MAGAZIN: Welche Rolle spielten Drogen?
REICHEL: Nun ja, in den 60ern waren da erst mal Ersatzdrogen wie Captagon und Preludin, Aufputschmittel und Appetitzügler, die wir eingeworfen haben,
um das endlose Tournee-Umhergereise zu überstehen. Bevor dann andere Drogen wie Haschisch und
LSD auftauchten, kam für mich die Bundeswehr dazwischen, da wurde allerdings ungeheuer gesoffen.
MAGAZIN: Und das auf dem Zenit Ihrer Karriere.
REICHEL: Ja. Wir hatten gerade die „Bravo Beatles Blitztournee“ hinter uns und dachten: „Jetzt sind wir ganz
oben.“ Dann wurde ich anderthalb Jahre aus dem
Verkehr gezogen, alles brach zusammen. Ich dachte,
danach muss ich vielleicht doch zur See fahren.
MAGAZIN: Musikalisch sind Sie es dann ja auch – Mitte
der 70er haben Sie Seemannslieder für sich entdeckt.
REICHEL: Ich wollte nicht mehr so tun, als sei ich Engländer, und musikalisch etwas machen, das mit mir,
meiner Herkunft zu tun hatte. Die mit Rockriffs modernisierten Shantys verbanden zwei Seiten meiner
Biografie. Den Weg bin ich dann weitergegangen, mit
der Vertonung deutscher Dichter- und Denkerballaden, der Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Jörg
Fauser, Hits aus eigener Feder wie „Aloha Heja He“,
meiner Auffassung von Volkslied-Erneuerung bis hin
zu meiner aktuellen Tour, bei der ich meine Lieder
singe und dazu den Storyteller gebe, Geschichten aus
meinem Leben erzähle.
MAGAZIN: Hat sich auch das Publikum verändert?
REICHEL: Zum Teil. Manche wollen noch dasselbe wie
früher – man wundert sich als Mann mit Mitte sechzig, wie häufig man noch unsittliche Anträge von reiferen Frauen bekommt. Ansonsten ist mein Publikum mit mir erwachsen geworden. Nach Konzerten
schreiben sie mir E-Mails, in denen sie von den Gefühlen erzählen, die meine Lieder bei ihnen ausgelöst
haben. Das ist geiler als jede Chart-Notierung.
MAGAZIN: In Ihrem Regal steht ein Foto mit Paul McCartney. Wann haben Sie ihn zuletzt getroffen?
REICHEL: Vor drei Jahren. Er hatte mich und meine
Frau Heidi zu seinem Hamburg-Konzert eingeladen.
Er ist immer noch ein großer Charmeur. Er hat sich
Vor drei Jahren traf ich Paul McCartney. Er
erkundigte sich, wie es den Leuten von früher
geht, vor allem den Barfrauen aus dem Star-Club.
erkundigt, wie es den Leuten von früher geht, vor allem den Barfrauen aus dem Star-Club. Eigentlich
schade, dass man bei solchen Gelegenheiten immer
nur von den alten Zeiten redet. Ich wäre gern mit ihm
um die Häuser gezogen, wollte ihm zeigen, wie sich
St. Pauli verändert hat. Aber er ist nach dem Konzert
zurück nach London geflogen, er wollte in seinem
eigenen Bett schlafen.
MAGAZIN: Wie hat sich St. Pauli denn verändert?
REICHEL: Es gefällt mir, dass St. Pauli ein wenig von seinem schlüpfrigen Image abgerückt ist und heute als
Vergnügungsviertel mehr bietet als nur Striptease
und Prostitution. Dass Hamburg irgendwann aufgewacht ist und begonnen hat, sich als Musikstadt zu
begreifen. In den 60ern hat die Stadt Läden wie den
Star-Club, das Top Ten oder den Kaiserkeller gering
geschätzt und hätte sie am liebsten geschlossen.
Heute ist die Musik dahin zurückgekehrt, wo alles
angefangen hat – auf die Bühnen der kleinen Clubs.
Das ist für die Stadt gut und für die Musik. Im Rockbusiness gab es irgendwann zu wenig Rock und zu
viel Business, eine Rückbesinnung wurde wichtig.
Hamburg hat da viel zu bieten.
MAGAZIN: Das klingt jetzt sehr nach dem „norddeutschen
Sturkopp“, als den Sie sich selbst mal bezeichnet haben.
REICHEL: Ich denke, heutzutage wird von uns manchmal zu viel Anpassung verlangt, auch als Musiker.
Man läuft Gefahr, seine Identität, seinen inneren
Kompass zu verlieren. Der Sturkopp kann uns vor
Gleichschaltung bewahren. Der hohe Anpassungsdruck, die Angst vor Verlust lässt viele Menschen bereit sein, ihre Seele zu verkaufen. Vielleicht hab ich
gut reden, ich habe das Glück, mein eigener Herr zu
sein, und kann es mir leisten, nach meinen Überzeugungen zu leben.
MAGAZIN: Haben Sie Ihre Sturheit auch mal bedauert?
REICHEL: Mal nachdenken. Dass man sich ausgrenzt,
vielleicht. Die Gefahr, irgendwann allein dazustehen.
Als Musiker kann es zum Beispiel bedeuten, nicht im
Radio gespielt zu werden, weil man nicht mehr in deren Format passt. Aber ich bin weit gekommen, weiter als manch anderer. In meinem Freundeskreis
sind schon einige übern Jordan gegangen. Jörg Fauser, Jörg Gülden oder Frank Wulff, der noch bis vor
einem Jahr in meiner Band gespielt hat, der war acht
Jahre jünger als ich. Heute freue ich mich, dass ich
noch da bin und dass die Musik mich durch das Leben
trägt, mir Spaß und Wohlstand bringt. Mehr kann ich
doch nicht wollen!
Kurz-Biografie
» Achim Reichel wurde am 28. Januar
1944 als Sohn eines Seemanns in
Wentorf bei Hamburg geboren und
wurde auf St. Pauli groß. 1961 gründete
er die Rattles, die zur erfolgreichsten
deutschen Beat-Band aufstiegen und
mit den Beatles und den Rolling Stones
tourten. Nach dem Wehrdienst 1967
versuchte sich Achim Reichel erfolgreich in den unterschiedlichsten
Musikstilen, ohne dabei seine persönliche Note zu verlieren: Psychedelic
(mit James Last als Produzent), Folk,
Shantys, Volksmusik. Heute lebt der
Musiker in Hamburg-Hummelsbüttel.
Am 15. Oktober erscheint die neue
Live-CD „Solo mit Euch – Mein Leben,
meine Musik, gesungen und erzählt“,
und ab dem 25. Oktober wird die gleichnamige Tour fortgesetzt. Konzerttermine unter: http//achimreichel.de
IV
› THEMA DER WOCHE
V
FOTO: JÜRGEN VOLLMER / REDFERNS
SONNABEND/SONNTAG, 14./15. AUGUST 2010
Zweite Heimat
„Macht Schau!“ Vor 50 Jahren erklang auf St. Pauli erstmals dieser Schlachtruf,
der fünf junge Engländer beim Rocken anfeuerte. Von 1960 bis 1962 lernten
sie hier alles für ihre Weltkarriere – das HAMBURGER BEATLES-TAGEBUCH.
1. April bis 3. Juli 1961
Sa, 1. April 1961 Die Beatles sind für den Top Ten
Club gebucht: Laut Vertrag spielen sie sechs Tage die
Woche, von 19 bis 2 Uhr, Gage: 35 Mark pro Mann
und Nacht. George: „Wir wohnten über dem Club in
einem schmuddeligen Kabuff mit fünf Stockbetten.
Nebenan lebte eine kleine alte Frau, die wir Mutti
nannten, sie war ganz schön streng. Sie hielt die Toiletten sauber, das war auch nötig.“
» Beatles-Sightseeing: Top Ten Club, Reeperbahn 136.
Mai 1961 Auf St. Pauli kaufen sie rosa Käppis,
schwarze Lederanzüge bei Erdmann und bestickte
Stiefel bei Hundertmark. Paul: „Es war unser sexuelles Erwachen. Dort wurden wir getauft, denn in
Hamburg waren die Mädchen. Natürlich waren es
Stripperinnen und Huren.“ In diesen Tagen nimmt
Jürgen Vollmer in einem Hauseingang in der Wohlwillstraße Lennons Lieblingsbild auf (s. rechts). Und
im Top Ten erspielen sie sich als lebende Musicbox
eine fanatische Anhängerschaft. Absoluter Heuler ist
„Shakin’ All Over“. George: „Die Deutschen dachten,
es hieße ,Schick ihn nach Hannover‘.“
» Beatles-Sightseeing: Jägerpassage 1, Wohlwillstr. 22.
Do/Fr, 22./23. Juni 1961 Als Begleitband des Sängers Tony Sheridan und mit Bert Kaempfert, Komponist von Klassikern wie „Strangers in the Night“,
machen die Beatles im Preludin-Rausch ihre ersten
professionellen Plattenaufnahmen – in der Harburger Friedrich-Ebert-Halle. Gage: 300 Mark pro Kopf.
Im August erscheint die Single „My Bonnie“ unter
dem Namen „Tony Sheridan & The Beat Brothers“.
» Beatles-Sightseeing: Friedrich-Ebert-Halle, Harburg,
Alter Postweg 30–38.
So/Mo, 2./3. Juli 1961 Rückkehr nach England. Die
Leder-Beatles werden zur beliebtesten Band Liverpools. Als Fans immer wieder „My Bonnie“ verlangen, wird der Plattenhändler Brian Epstein auf sie
aufmerksam – und ihr Manager.
Kiez-Kumpel: Die
Beatles und Rattles
(v.: Achim Reichel)
am 26.6.1966 im
Schlosshotel Tremsbüttel nach ihrem
Hamburg-Konzert.
Der fünfte Beatle:
Bassist Stuart
Sutcliffe war ohne
Talent, aber Johns
bester Freund. Er
starb in Hamburg.
DIE REIFEPRÜFUNG
30. Oktober bis 15. November 1962
ABSCHIED MIT KLOBRILLE
18. Dezember 1962 bis 1. Januar 1963
Di, 18. Dezember 1962 Hello Goodbye: Die letzte
Star-Club-Saison beginnt. Erstmals logieren sie standesgemäß: auf einer ganzen Etage im Hotel Pacific.
» Beatles-Sightseeing: Hotel Pacific, Neuer Pferdemarkt 30 – 31.
Mi, 19. Dezember 1962 John verabschiedet sich vom
Kiez auf seine Weise: Sein Bühnen-Outfit besteht aus
Stiefeln, Unterhose und Klobrille um den Hals.
Mo, 31. Dezember 1962 Silvester auf der Bühne. Nach
dem finalen Song erklärt Horst Fascher dem Publikum: „Das waren die Beatles aus Liverpool. Sie haben
sich gerade von Ihnen verabschiedet, wir verabschieden uns ebenfalls. Wir haben jetzt Feierabend.“
Di, 1. Januar 1963 Rückflug. Für George Harrison
und die Beatles das Ende einer Ära: „In meiner Erinnerung ist das wie ein toller Schwarz-Weiß-Film aus
den 50er-Jahren. Dort gab es Mercedes-Taxis und
Nachtlokale. Hamburg war wirklich am tollsten.“
RÜCKKEHR AN DIE ELBE
1966 bis 2010
Erst am 26. Juni 1966 spielen die Beatles wieder an
der Elbe – weil sie angeblich 1962 von der Kanzel der
St.-Josephs-Kirche in der Großen Freiheit gepinkelt
haben. Erst kurz zuvor wird das Ermittlungsverfahren eingestellt. Nach dem Auftritt in der ErnstMerck-Halle kommt es auf der Reeperbahn zur großen Wiedersehensfeier mit den alten Weggefährten.
Vor allem Paul spielt in den 70ern und 80ern häufig
in Hamburg. Als er 1989 hier gastiert, besucht er den
Kaiserkeller und bezahlt auch endlich bei Gretel &
Alfons in der Großen Freiheit 29 seinen Deckel, der
dort seit 1962 offen ist. Und als Startpunkt seiner
letzten Welttournee 2009 / 2010 besteht er auf Hamburg. Als er am 2. Dezember 2009 die Bühne der Color Line Arena betritt, schallt ihm aus dem Publikum
immer noch der 50 Jahre alte Reeperbahn-Schlachtruf entgegen: „Mach Schau, Paul! Mach Schau!“
Love Me Do: Die Beatles 1962 im
Star-Club – schon etwas gefälliger
mit Pilzköpfen und in Anzügen.
WHO’S WHO AUF DER REEPERBAHN
» John Lennon (9.10.1940–8.12.1980): Gitarrist, Sänger,
FOTO: GÜNTER ZINT / K&K
Di, 30. Oktober 1962 Zurück im Star-Club: Für sechs
Abende à drei Stunden die Woche erhält jeder 600
Mark. Neue Zeiten brechen an: Als modernen Look
tragen die Beatles kragenlose Jacketts, die an den
„Exi“-Look von Astrid, Klaus und Jürgen erinnern.
November 1962 Musik-Akademie Große Freiheit:
Der Sänger Little Richard („Tutti Frutti“) lehrt Paul
im Star-Club sein Markenzeichen, die jubilierenden
Falsettschreie. Und Paul baut die „Oooohs“ als Erkennungsmerkmal in Songs wie „She Loves You“ ein.
Do, 15. November 1962 Rückflug nach England. Plattenaufnahmen in London und Konzerte.
30 Mark die Nacht: Die Beatles
spielten in Hamburg sechs Tage
die Woche für einen Hungerlohn.
DIE „HAMBURG-BEATLES“ AUF CD
Wiederkehr als Superstars: Rund
11000 Fans kamen 1966 zu den
Konzerten in der Ernst-MerckHalle – 1960 musste noch eifrig
Reklame betrieben werden.
Rotzlümmel: Lennon 1960 – auf der
Paul-Roosen-Straße nackt um halb eins.
Saubermann: Vor der Presse 1966 wollte
Lennon von den Eskapaden nichts wissen.
» „Live! at The Star-Club in Hamburg, Germany; 1962“
(Bellaphon, 1977), aufgenommen beim letzten Kiez-Gig in der
Silvesternacht 1962/63, ist das authentischste Dokument –
auch wenn die Beatles den Tonbandmitschnitt aus dem Verkehr zogen. George Harrison erkannte sich selbst nicht wieder,
sondern nur eine Band, „die auf der Bühne herumgrölt und sich
die Beatles nennt“. Dennoch zeigt das Doppelalbum, welch
mitreißende Rock’n’Roll-Sänger Lennon und McCartney
waren. Erhältlich über Amazon und E-Bay.
» „Beatles First“ (Polydor, 2004) präsentiert die Hamburger
Aufnahmen mit dem Sänger Tony Sheridan: Die Beatles mit
Pete Best am Schlagzeug spielen aufgeputschten Rock’n’Roll,
John Lennon darf auch ein Stück singen, und das Instrumentalstück „Cry For A Shadow“ ist ihre erste jemals veröffentlichte Eigenkomposition.
» „Beatles for Sale“ (Parlophone, 1964) nahmen sie erst
zwei Jahre nach Hamburg auf. Aber weil sie knapp an Songs
waren, donnerten sie durch ein halbes Dutzend Kiez-Klassiker
wie „Kansas City“. Und die Schals, die sie auf dem Cover
tragen, hatte ihnen Astrid Kirchherr gestrickt.
» „Let It Be“ (Apple Records, 1970) entstand, weil die zerstrittenen Beatles wieder zurück zum guten alten Rock’n’Roll
aus Hamburg wollten. Auf „Get Back“ ist am Piano Billy
Preston zu hören, der als Keyboarder von Little Richard 1962
mit den Beatles im Star-Club auftrat.
» „Rock’n’Roll“ (Apple Records, 1975) war von John Lennon
eigentlich als sein allerletztes Album geplant: eine Reise zu den
Lieblingsliedern seiner Jugend, von Chuck Berry bis Buddy
Holly. „Stand by Me“ singt er wie als 19-jähriger ReeperbahnRocker, vorn auf dem berühmten Coverfoto lehnt Lennon in
einem Hamburger Hauseingang, und auf der Rückseite schreibt
er: „Ach, wärt ihr doch dabei gewesen ...“
Raubein. Er flunkert seiner Tante Mimi vor, er würde in Hamburg 100 Pfund die Woche verdienen – sie lässt ihn gehen.
» Paul McCartney (18.6.1942): Gitarrist, Bassist, Sänger,
Charmeur.„Denk daran, regelmäßig zu essen! Und benimm dich
anständig!“, ermahnt ihn sein Vater James vor der Abreise.
» George Harrison (25.2.1943–29.11.2001): Solo-Gitarrist,
Sänger, Band-Küken. Von Mama Louise leiht er sich das Geld
für die Reise: „Ich geb’s dir zurück, wenn ich reich bin.“
» Stuart Sutcliffe (23.6.1940–10.4.1962): Bassist und
„fünfter Beatle“. Er verlässt 1961 die Band und zieht nach
Hamburg zu seiner Freundin Astrid Kirchherr, wo er an einer
plötzlichen Hirnblutung stirbt.
» Pete Best (24.11.1941): Schlagzeuger und größter Pechvogel der Musikgeschichte – 1962 wird er von Ringo ersetzt.
Tingelt jahrelang als Ex-Beatle durch die Clubs, bis ihn die
Veröffentlichung von „Anthology I“, auf der er mitspielt, 1995
zum Millionär macht.
» Ringo Starr (7.7.1940): Schlagzeuger, Komiker. Trommelt
in Hamburg mit Rory Storm & The Hurricanes, lernt hier die
Beatles kennen, ersetzt Pete Best zuerst bei Kneipen-Touren
und später auch am Schlagzeug.
» Bruno Koschmider (30.4.1926–2000): Club-Manager,
der über einen Liverpooler Freund die Beatles für das Indra
bucht. Unfreiwilliger Namensgeber für John Lennons Hamburger Haustier, das Ferkel Bruno.
» Klaus Voormann (29.4.1938): Grafiker, Musiker und Hamburger Freund der Beatles. Entwirft 1966 für sie das AlbumCover für „Revolver“, spielt als Bassist u. a. mit Manfred Mann,
Eric Clapton, Lennon und Harrison. Als Produzent von „Trio“
und ihrem Hit „Da Da Da“ mischt er 1982 auch bei der Neuen
Deutschen Welle ganz vorn mit.
» Astrid Kirchherr (20.5.1938): Fotografin und heimliche
Leidenschaft aller Beatles. Sie nimmt einige ihrer besten Bilder
auf, prägt ihr Denken und ihren Look. Hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
» Jürgen Vollmer (11.7.1939): Fotograf und der Mann, der
Paul und John die Pilzkopf-Frisur schneidet. Lebt viele Jahre
als Filmfotograf u. a. in den USA. Lennon benutzt eines seiner
Bilder 1975 als LP-Cover.
» Tony Sheridan (21.5.1940): Rock-Sänger und frühes Idol
der Beatles. Sie begleiten ihn u. a. im Top Ten Club sowie bei
ihren ersten Plattenaufnahmen in Hamburg. Der Musiker lebt
heute in Seestermühe / Pinneberg.
» Manfred Weissleder (29.1.1928–26. oder 27.2.1980):
Sexclub-Betreiber und Inhaber des Star-Clubs.
» Horst Fascher (5.2.1936): Ex-Boxer, Geschäftsführer im
Star-Club und noch heute mit Paul McCartney befreundet.
FOTO: JÜRGEN VOLLMER / REDFERNS
FOTO: GERMIN / GÜNTER ZINT
FOTO: ASTRID KIRCHHERR / K&K / REDFERNS
St. Paulis Lonely Hartz Club Band:
Pete Best, George, John, Paul und Stuart
Sutcliffe 1960 abgebrannt auf dem Dom.
FOTO: REDFERNS
MUTTI UND DIE MÄDCHEN
With a Little Help from My Friends:
Mit Aufputschpillen rockten sie 1961
den Top Ten Club – von 19 bis 2 Uhr.
FOTO: J+RGEN VOLLMER / REDFERNS
Mi, 17. August 1960 Schietwetter: John Lennon,
Paul McCartney, George Harrison, Drummer Pete Best
und Bassist Stuart Sutcliffe treffen abends per Schiff
mit ihrem klapprigen Bandbus in Hamburg ein. Als
sie auf der Großen Freiheit am Kaiserkeller ankommen, erklärt Manager Bruno Koschmider, dass sie im
schäbigen Indra-Club einige Häuser weiter spielen
müssen. Paul McCartney: „Wir verbrachten die erste
Nacht in kleinen Nischen auf roten Ledersesseln.“
» Beatles-Sightseeing: Indra, Große Freiheit 64.
Do, 18. August 1960 Ein Hotel für die fünf? Fehlanzeige! Ihr Quartier ist ein fensterloser Raum mit
Pritschen und nackten Betonwänden im Bambi-Kino.
Im Indra beginnt „die Kapelle Beatels“ ihr Engagement: sechs Tage die Woche, samstags sechs, sonst
viereinhalb Stunden. Gage: 150 Mark die Nacht – für
alle fünf. Sie haben es schwer, sich gegen die Hauptattraktion durchzusetzen: Conchita, eine StripteaseTänzerin im Flamencokleid, die zum Finale die Dessous wegwirft – und sich als Mann entpuppt.
» Beatles-Sightseeing: Bambi-Kino, Paul-Roosen-Str. 33.
Fr, 19. August 1960 John Lennon erlebt ein böses
Erwachen: „Wir wurden vom Lärm der Kinovorstellung geweckt.“ Als sie sehen, dass es kein Bad gibt,
versuchen die Beatles, die Damentoilette zu blockieren, „weil sie von allen Klos das sauberste war. Aber
fette, alte, deutsche Weiber drängten sich ständig an
uns vorbei. Dort wuschen wir uns.“ George Harrison:
„Die ganze Gegend war voller Transvestiten, Prostituierten und Gangster. Die Reeperbahn und die Große
Freiheit waren das Beste, was wir je gesehen hatten.“
September 1960 Hard Days’ Nights: Die Beatles
müssen im Indra um jeden Gast kämpfen. Paul: „Das
Erste, was diese Typen interessierte, war der Bierpreis. ,Oh, eine Mark ... teuer‘. Dann waren wir dran.
‚Doch, heute geht hier was ab. Kommt rein!‘ Man
muss das echt lernen. Bei Gott, wir lernten es, und
brachten diese Clubs zum Kochen.“ Hilfreich sind
dabei aufputschende Preludin-Tabletten, die ihnen
oft mit Bier und Sekt aus dem Publikum gereicht werden. Dem Gebrüll von Club-Manager Bruno „Macht
Schau!“ kommen sie immer ungehemmter nach: Paul
schmeißt mit Mikrofonen, und John stülpt sich eine
Kappe des Afrikakorps über – inklusive Hakenkreuz –
und schreit: „Klatscht in die Hände, ihr verdammten
Nazis!“ Das Publikum rast. Nur ein Rocker am Bühnenrand macht ihnen Angst. George: „Mit seinem
Blick, dieser grauen Strähne im Haar, einer grauen
halben Augenbraue und seiner großen Nase sah er
wirklich knallhart aus.“ Sein Name: Ringo Starr.
Di, 4. Oktober 1960 Nach 48 Nächten und 170 Bühnenstunden im Indra werden die Beatles belohnt:
Jetzt dürfen sie im angesagten Kaiserkeller spielen.
Hier wechseln sie sich ab mit Bands wie Rory Storm
& The Hurricanes. Deren Trommler ist die Type mit
der großen Nase: Ringo. In diesen Tagen ereignet sich
jener Zwischenfall, der zur Legende wird: Lennon und
Best sollen bei einem Raubüberfall einen Seemann ermordet haben. Tatsächlich machen sie ihn betrunken,
versprechen ihm ein paar Prostituierte und versuchen, sein Geld zu stehlen. John: „Wir haben es nie
geschafft. Am Ende schlugen wir ihn zweimal und
gaben dann auf. Wir wollten ihm nicht wehtun.“
» Beatles-Sightseeing: Kaiserkeller, Große Freiheit 36.
Lennons Lieblingsbild: Das Foto aus
der Jägerpassage von 1961 wählte er
als Cover für sein Album „Rock‘n‘Roll“.
FOTO: ULLSTEIN BILD / DPA
17. August bis Dezember 1960
Mitte Oktober 1960 Come together: Der Grafiker
Klaus Voormann entdeckt auf dem Kiez die Beatles
und überzeugt seine Freundin Astrid Kirchherr, eine
Fotografin, und seinen Freund Jürgen Vollmer, FotoAssi, sie sich ebenfalls anzuschauen (s. Seite 1). Die
drei schwarz gekleideten Intellektuellen aus der
„Exi“-Szene üben einen ernormen Einfluss auf die
Band aus – ästhetisch, modisch, bis hin zur PilzkopfFrisur. Nachdem sie auf dem Dom für ihre Kamera
posiert haben, lädt Astrid die ausgehungerten Musiker zu sich nach Hause in die Eimsbütteler Straße
45 a zum Abendbrot ein. Der 17-jährige George kann
es nicht fassen: „He, sieh mal an: Schinkenstullen!“
Di, 1. November 1960 Die Beatles bekommen einen
blauen Brief: Die Band solle am 30. November das
Land verlassen, weil Harrison erst 17 sei – zu jung, um
in Nachtclubs zu spielen. Absender ist ihr Boss Bruno
Koschmider, der es gar nicht schätzt, dass sie sich im
viel prestigeträchtigeren Top Ten Club bewerben.
November 1960 Zwischen den Beatles und den
Hurricanes von Rory Storm läuft eine Wette: Wem
gelingt es als Erstes, die alte Bühne im Kaiserkeller
schrottreif zu trampeln? Rorys Band gewinnt, aufgepeitscht durch Ringo, der nun fast jede Nacht mit
den Beatles durch St. Pauli zieht. John kassiert von
George zehn Mark, als er nur in Unterhose, aber dafür Zeitung lesend durch St. Pauli spaziert. Astrid
und Stuart verloben sich. In einem Brief nach Hause
schreibt er überwältigt: „ … und das neben dem großen
Romeo John Lennon und seinen beiden Getreuen
Paul und George: den Casanovas von Hamburg!“
Mo, 21. November 1960 George wird im Morgengrauen von der Polizei des Landes verwiesen. Astrid
und Stuart eskortieren ihn zum Hauptbahnhof. Astrid
Kirchherr: „Da stand er nun, der kleine George, völlig
verlassen. Ich gab ihm eine große Tüte mit Süßigkeiten und ein paar Äpfel.“
Do, 1. Dezember 1960 Get Back! Paul und Pete feiern
den Auszug aus ihrer Absteige im Bambi-Kino auf
Beatles-Art. Sie hängen ein Kondom – manche Quellen sagen, ein benutztes – an einen Nagel an der Steinwand, entzünden das Gummi und lassen es mächtig
rußen. Koschmider teilt den Feuerwerkern mit, dass
auch ihre Aufenthaltsgenehmigungen abgelaufen sind.
Binnen vier Tagen müssen sie das Land verlassen.
So/Mo, 4./5. Dezember 1960 Paul und Pete verbringen in der Davidwache eine Nacht in der Zelle. Stuart
in einem Brief: „Paul und Pete wurden gestern in
Handschellen zum Flughafen gebracht und abgeschoben.“ John treibt sich noch länger auf dem Kiez herum, dann fährt auch er zurück. Stuart bleibt bei Astrid,
die John das Geld für die Reise leiht. Zurück in Liverpool, steigt Stuart aus der Band aus und zieht zu Astrid
nach Hamburg. Paul wird neuer Bassist und schreibt
devote Briefe an die deutsche Ausländerpolizei, um an
eine Auftrittsgenehmigung zu gelangen – mit Erfolg.
Di, 10. April 1962 Ankunft in Fuhlsbüttel. Auf dem
Flughafen vertreibt sich Lennon die Wartezeit mit
seiner Mundharmonika. Draußen wartet Astrid Kirchherr mit einer Schock-Nachricht: Stuart ist wenige
Stunden zuvor in ihren Armen an einer Hirnblutung
gestorben. Auf dem Beatles-Platz erinnert ein Denkmal heute noch an Stuart Sutcliffe – von den fünf
Silhouetten ist seine diejenige, die etwas abseits steht.
» Beatles-Sightseeing: Beatles-Platz.
Fr, 13. April 1962 Die Stars im Star-Club: Sechs Tage
die Woche treten die Beatles im neuen Rockschuppen auf, für 500 Mark pro Mann. Paul: „Der Star-Club
war toll. Der Besitzer Manfred Weissleder und Horst
Fascher hatten flotte Mercedes-Cabrios. Horst hatte
im Gefängnis gesessen, weil er einen Mann umgebracht hatte. Zu uns waren sie jedoch sehr fürsorglich, wir waren für sie wie Schoßhündchen.“
» Beatles-Sightseeing: Star-Club, Große Freiheit 39.
Mi, 9. Mai 1962 Die Beatles erhalten ein Telegramm
von Manager Epstein: „Glückwunsch, Jungs. EMI
bittet um Aufnahmesession. Probt neues Material.“
Lennon und McCartney komponieren sofort los. John
baut seinen „Fuhlsbüttel-Blues“ auf der Mundharmonika ein – fertig ist „Love Me Do“, die erste Single.
Mai 1962 Help! Stuarts Tod überspielt Lennon mit
derben Späßen. Fascher und Weissleder müssen ihn
bei der Polizei auslösen, als er im Gorillakostüm auftritt und danach durch Kiez-Spelunken tobt. Nach
einer durchzechten Nacht kauft John auf dem Fischmarkt ein Ferkel, das er Bruno tauft (nach Indra-Manager Koschmider) und unsanft an der Leine hinter
sich herschleift – was wieder die Polizei auf den Plan
ruft, Bruno aber auch nicht rettet. Von „Schlachterheinz“, dem Metzger neben dem Star-Club, zu Koteletts verarbeitet, landet es in den Beatles-Bäuchen.
Sa, 2. Juni 1962 Rückflug nach Liverpool. Danach
überschlagen sich die Ereignisse: Ringo Starr ersetzt
Pete Best am Schlagzeug, Plattenvertrag mit EMI,
Aufnahme und Veröffentlichung von „Love Me Do“.
FOTO: K&K / REDFERNS
KLEINHOLZ AUF DEM KIEZ
10. April bis 2. Juni 1962
FOTO: ULLSTEIN BILD / AMBOR
„Hamburg – das war’s!“, hat John Lennon einmal
gesagt. „Wir hätten uns nie so weit entwickelt, wenn
wir daheimgeblieben wären.“ Als die Beatles, fünf
Jungs zwischen 17 und 20, im Sommer 1960 für Auftritte in Hamburg gebucht werden, sind sie nur vierte
Wahl. Nicht mal einen richtigen Namen besaßen sie
bisher: In Liverpool traten sie als The Beetles oder
The Silver Beatles auf. In Hamburg machen sie sich
einen Namen: 280 Auftritte und 800 Stunden auf der
Bühne legen das Fundament für ihre Karriere: Sie erwerben sich eine Vielseitigkeit, mit der sie von „Yesterday“ bis „Revolution“ jeden Stil spielen können,
eine Kondition, mit der sie Tourneen locker wegstecken – und sie finden Freunde, die ihnen Stullen
schmieren, Strawinsky vorspielen und neue Horizonte
eröffnen. Als die Beatles 1963 Hamburg nach fünf
Gastaufenthalten verlassen, sind sie nur wenige Beats
vom Weltruhm entfernt: Sie haben jetzt Ringo an den
Drums, Pilzköpfe, frische Ideen und ihren ersten Hit.
John Lennon: „In Hamburg mussten wir alles ausprobieren. Wir spielten das, was uns am besten gefiel,
und die Deutschen mochten es, solange es laut war!“
DAS FERKEL BRUNO
QUELLENANGABEN: BEATLES: THE BEATLES ANTHOLOGY; MOERS/MEIER/BÜHRING/BUDÉUS: DIE BEATLES; ULF KRÜGER: BEATLES IN HAMBURG; BARRY MILES: THE BEATLES – A DIARY, PAUL MCCARTNEY;
HUNTER DAVIES: DIE GESCHICHTE DER BEATLES; ALBERT GOLDMAN: THE LIVES OF JOHN LENNON
H
REDAKTION: OLIVER VOM HOFE
VI
› BROT & SPIELE
SONNABEND/SONNTAG, 14./15. AUGUST 2010
Samurai-Sudoku
5
Hausmannskost
à la carte: Die
Mühle lockt mit
Klassikern, Bonne
Cuisine und Blick
auf den Teich.
LOKAL-TERMIN
Mahlzeit in der Mühle
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Lösungsweg:
Beim Samurai-Sudoku sind vier
Eck-Sudokus so um ein ZentralSudoku angeordnet, dass jedes
der vier Eck-Sudokus sich je ei-
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nen Block mit dem Zentral-Sudoku teilt! Dabei gelten für jedes der 5 Sudoku-Diagramme
die klassischen Spielregeln: Alle
Diagramme sind mit den Zahlen
Rehkeule oder doch lieber Currywurst? Beides! Die „Wohldorfer Mühle“ bietet feine Küche und simple Genüsse.
Kurz-Biografie
Sven Beckmann, 31, ist
seit Mai Küchenchef
der „Wohldorfer Mühle“,
zuvor war er hier Souschef.
Den Kochberuf hat er im
„Sporthotel Quickborn“
erlernt, es folgten Stationen
in der „Schatzerhütte“ in
Südtirol, bei „Manne Pahl“
in Kampen auf Sylt sowie
im „Parkhotel Euskirchen“,
wo er ebenfalls als Küchenchef am Herd stand.
» Wohldorfer Mühle, Mühlenredder 38, Tel. 607 66 50,
FOTO: GRAFIKANSTALT
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» PEKING, Lincolnstr. 10,
Tel. 38 64 93 31, Di–Do 12–23,
Fr/Sa 12–1, So 12–23 Uhr
Irgendwo in
Hamburg:
Krameramtswohnungen, Krayenkamp 10/11
Mo–Fr 11.30–15, Mo–Sa 18–23 Uhr,
Menü: 20./21.8., 85 Euro, Kurs: 22.8.,
12–16 Uhr, 95 Euro, Anmeldung erbeten,
www.nido-restaurant.de
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» NIDO, Cremon 35-36, Tel. 51 31 03 17,
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Wie eine Kiezabsackerkneipe sah
das „Peking“ jahrzehntelang aus. Und
doch war es etwas Besonderes: weil
Elisabeth Schmuck und Jein Sun Chan
Chinesisches mit Herz und HamburgLiebe servierten, seit 1968. Vor zwei
Jahren schloss die Institution, jetzt ist
sie wieder da, mit neuen Besitzern, neuer Einrichtung – aber zum Glück noch
immer einfachen und guten Gerichten.
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Sonst schätzen die Inhaber des austroasiatischen Lokals ihre Cross-overKüche sehr. Am 20. und 21. August aber
überlassen sie das Regiment Sushimeister Daisuke Tanabe, der ein 11-GangMenü zubereitet. Sushi-Liebhaber mit
Vorkenntnissen weiht er in einem vierstündigen Kurs in seine Geheimnisse ein.
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Schlemmersommeraktion! Wer noch
in den Genuss davon kommen will, sollte
dieses Wochenende das „Atlas“ besuchen. Zum vorerst letzten Mal werden
Mousse von der Entenleber, OrangenRicotta-Ravioli mit MeeresfrüchteRagout, Saltimbocca vom Perlhuhn und
Crêpe mit Erdbeeren und Waldmeistereis
zum Preis von 59 Euro für zwei serviert.
Am besten im verwunschenen Garten.
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IMPRESSUM
Chefredaktion: Claus Strunz (V.i.S.d.P.)
Redaktion: Anika Riegert (verantwortlich)
Art Direction: Julia Wagner
Mitarbeiter dieser Ausgabe: Vera Altrock,
Albrecht Barke, Jörg Block, Jörg Böckem, Oliver vom
Hofe, Nina Holley, Karola Kostede, Thomas Leidig,
Karin Lübbe, Peter Maus, Julia Marten, Joachim
Mischke, Julian Münder, Norman Raap, Kirsten Rick,
Vanessa Seifert, Annette Stiekele, Jürgen Vollmer
Konzeption & Realisation:
mar10 media GmbH
Geschäftsführer: Nikolas Marten
Anzeigen (verantwortlich): Dirk Seidel,
Tel. 040/34 72 25 56
Verlag & Druck: Axel Springer AG,
Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg
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Atlas
Auflösungen:
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Senkrecht:
1 Zeug, das Pferde in selbigem hält. 2 Ganze Bienenvölker schwärmen für ihn. 3 Ihm verdanken
wir den elektromagnetischen Telegrafen. 4 Himmelsträger in Seide. 5 Maritimes Strick-Zeug, das
von gleichnamigen Schlägern hergestellt wurde.
6 Überflüssig, die nach Athen zu tragen. 7 Ein tagelanger Personenzug. 8 Für 1 Krone zahlt sie
100 Heller. 9 Man kennt diesen „Nachgesang“
beim Gedicht schon lang. 10 Das zentrale Element alles Phänomenalen. 11 Eignet sich vorzüglich, um bei einem Sonntagsspaziergang zu flanieren. 12 Hauptstadt voller Griechen. 13 Hier
wurde die altrömische Mondgöttin ganz schön
geschüttelt. 14 Auf südlichem Erdenrund gab’s
diesen Bund. 15 Unverkennbar der Beginn einer
Erniedrigung. 23 Wenn die Beatles recht hatten,
ist unseres gelb. 25 Zittrige Pappeln. 27 Englische Stadt mit reichlich Windschatten. 28 Geehrter jüdischer Schriftgelehrter. 29 Ziemlich verdrehte Blutgefäße. 31 Typischer Romananfang.
32 Fürwortniederung. 33 Britischer Kumpel;
steht auf Tee. 34 Stadt am Hacken Europas. 35
Blattschneiderameise als Palindrom. 36 Harte
Währung, auch Schotter genannt (pardon!). 37
Diese Vertiefung ist federführend. 38 Rowan Atkinson ist dieser Mr., der nur Bohnen im Kopf hat.
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Waagerecht:
1 Unterbrechung einer giftigen Lungenfüllung. 16
Bewegt sich unentgeltlich. 17 Vier Saiten hat dieses hawaiische Instrument. 18 Provinzhauptstadt
voller Italiener. 19 Arie coachte auch schon die
chinesische Fußballnationalmannschaft. 20 Die
Stele dieses Moabiterkönigs ist heute im Louvre
zu bestaunen. 21 Namenszusatz der faulen Marie.
22 Inoffiziell wäre es das Eingeständnis einer
Falschaussage. 23 Dieser männliche Vorname
bedeutet „Bär“. 24 Sie ist eine Mulde oder ein
endloses Schnürband. 26 Wird auch Elch genannt. 28 Eine englische Reibeisenstimme hat
der vornämliche Stewart. 30 Hemmende Gesichtsteile. 37 Herzstück eines Rades, kann man
auch Speichenträger nennen. 39 Sie lädt ein zum
Baden bei Baden in Baden. 40 Nicht gerade ein
Übermaß an Zuwendung. 41 Er komponierte „Fra
Diavolo“. 42 Großvater nahm sie zur Frau. 43
Gute alte Zeiten? Der sechzigste Teil einer Sekunde wird hier gesucht. 44 Chemische Fliegenklatsche; hierzulande verboten (Abk.). 45 Gaht ein Ur
voran, wird es städtisch. 46 In der Wüste sammelt man ihn mit Planen oder anderen Hilfsmitteln, um den Vorrat an Trinkwasser zu ergänzen.
47 Europäische Binnenschiffe werden durch diesen Kurzen identifiziert. 48 Kurzansicht. 49
Spiegel des Narziss. 50 Türkische Ruinenstadt
von hinten betrachtet.
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400 g Schalotten
2 EL Zucker
2 rote Zwiebeln
3 EL Marsala
60 g Butterwürfel
Für das Kartoffelpüree:
500 g Kartoffeln (mehlig)
150 ml Milch
1 EL Trüffelöl
50 g Trüffelbutter
2 EL geschlagene Sahne
1 Ofen vorheizen (120°). Filet in Butterschmalz anbraten, salzen, pfeffern. Kräuterzweige, 2 halbierte Schalotten, angedrückte Knoblauchzehe zugeben, kurz
braten. Alles auf mittlerer Schiene 40–60 Min. garen.
2 Vanillezucker im Topf karamellisieren. Mit 200 ml
Rotwein und 80 ml Portwein ablöschen. Zimt, Thymian, Gewürznelken, geschälte Schalotten zugeben,
die Sauce vollständig einkochen lassen.
3 Den Zucker wie eben karamellisieren. Zwiebeln in
feinen Streifen dazugeben, anbraten. Mit restlichem
Rot- und Portwein ablöschen. Marsala und Thymian
zugeben, einkochen und durch ein feines Sieb gießen.
Schalotten zugeben, Butterwürfel unterrühren.
4 Kartoffeln kochen. Milch und Trüffelöl aufkochen.
Kartoffeln durch die Presse drücken, mit Trüffelbutter, Salz und Pfeffer verfeinern und die geschlagene
Sahne unterheben. Das Filet in Scheiben schneiden,
anrichten. Mit gehobeltem Sommertrüffel servieren.
FOTO: PR
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Für 4 Personen:
1 kg Rinderfilet
2 EL Butterschmalz
Thymian-, Rosmarinzweige
2 Schalotten
1 Knoblauchzehe
Für die Rotweinschalotten:
3 EL Vanillezucker
450 ml Rotwein
320 ml roter Portwein
halbe Zimtstange
Thymian, Gewürznelken
Tel. 851 78 10, Mo–Fr ab 12, Sa ab 18,
So 10.30–16 Uhr, www.atlas.at
Für scharfe Denker
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Rinderfilet auf Rotweinschalotten
» ATLAS, Schützenstr. 9 a,
Die Zunft der Kleinhändler ließ 1676 auf dem
Gelände eines bürgerlichen Lust- und Ziergartens
Wohnungen für die Witwen ihrer Amtsbrüder
errichten, damit die Frauen die Ladengeschäfte
frei machten. Die beiden Häuserzeilen mit dem
schmalen Gang dazwischen sind das letzte
erhaltene Beispiel für die einst typisch hamburgische Wohnhofsanlage. Eine der Wohnungen kann
besichtigt werden: Wie eine Puppenstube sieht
sie aus, winzig und bescheiden, drei Zimmer
übereinander, verbunden durch schmale Stiegen.
Mi–Mo ab 12 Uhr, www.die-muehle-hamburg.de
REZEPT VON SVEN BECKMANN
Essen und
ausgehen
Irgendwo in Hamburg. Nur wo?
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er erste Gang in der „Wohldorfer Mühle“ ist
konkurrenzlos: Denn er führt den Gast direkt
auf die Terrasse. Hier hat man das sommerliche Zirpen der Grillen im Ohr, den idyllischen
Mühlenteich im Blick – und auf der Zunge die frische
Gurkenkaltschale, ein Gruß aus der Küche.
Doch, wir befinden uns in Hamburg – im nordöstlichsten Zipfel, gleich am Wäldchen des Naturschutzgebiets Duvenstedter Brook, dort wo das alte Klischee
„Hier ist die Welt noch in Ordnung“ zutrifft. Auch kulinarisch: „Natürlich steht bei uns ab und zu Hummer
auf der Karte“, sagt Markus Metz, der mit Ehefrau
Christina Ströh seit 15 Jahren die Mühle führt, „aber
wir wollen kein Gourmet-Tempel mit viel Tamtam
sein.“ Deshalb gibt es hier Veranstaltungen wie im
Herbst das Oktoberfest, und auch die Speisekarte
zollt dem Tribut: Neben Reh und Risotto haben die
„Mühlen Classics“ einen festen Platz – simple Genüsse wie Flammkuchen, Wiener Schnitzel – und Currywurst, die „wie verrückt bestellt“ wird.
Angesichts der sommerlichen Temperaturen wählen wir aber lieber Leichteres – und zwar als Vorspeise den erfrischenden Salat von Wassermelone und
Feta mit Rucola (8,50 Euro). Sehr gut gelungen sind
auch die gebratenen Jacobsmuscheln, gebettet auf
jungem Spinatsalat (14,50 Euro). So jung und frisch
die Küche, so weit zurück reicht hier die Tradition.
Bereits in vierter Generation führen die Ströhs das
urige Gasthaus, das, gegenüber der alten Kornmühle
gelegen, schon 1874 ein beliebter Treffpunkt der
Wohldorfer war. „Die Lage ist doch märchenhaft“,
schwärmt selbst Markus Metz, der am Bodensee aufgewachsen ist. „Für uns ist das hier wie Urlaub auf
dem Bauernhof – mit ganz viel Arbeit natürlich.“
Das Ergebnis der vielen Arbeit schmeckt jedenfalls
so, als hätten es Küchenchef Sven Beckmann und sein
siebenköpfiges Team aus dem Ärmel geschüttelt. Die
Tranchen aus der Rehkeule mit Selleriepüree (18,50
Euro) und das Steinbuttfilet auf Proseccoschaum mit
Pfifferlingen, knackigem Brokkoli und Rahmpüree
(22,50 Euro) sind aber nicht nur köstlich, sie kommen auch als äußerst großzügige Portionen daher.
Zum Reh mundet ein Shiraz (0,2 l für 8,50 Euro), während der Fisch gut im Grünen Veltliner des österreichischen Weinguts Türk mit dem Beinamen „der
Leichte“ schwimmt (6,50 Euro). Wer noch Platz für
ein Dessert findet, könnte das hausgemachte Zitronensorbet mit frischen Himbeeren (7,50 Euro) wählen. Oder man brockt sich zum krönenden Abschluss
noch ein leckeres Süppchen ein – aus Pfirsichen mit
hausgemachtem Sauerrahm-Eis (7,50 Euro).
Kaum zu glauben, aber bis etwa zum Jahr 1850
musste man die Bauern zwingen, ihr Korn bei der
Mühle abzuliefern – doch da gab es das gleichnamige
Lokal auch noch nicht.
1 bis 9 aufzufüllen. Dabei darf
jede Zahl in jeder Zeile und jeder
Spalte sowie in jedem 3 x 3Feld nur einmal vorkommen.
Lösung: siehe unten …
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TEXT: VANESSA SEIFERT • FOTOS: THOMAS LEIDIG
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SONNABEND / SONNTAG, 14. / 15. AUGUST 2010
Ertappt im Abendblatt:
Helga Köster (l.) 1966
bei den Beatles – zu
unseriös, fand ihr Chef.
Helga Köster, 70, aus
Hamburg-Pöseldorf
Fast hätten die Beatles
mich den Job gekostet
26. Juni 1966: Beatles-Konzert
indenMessehallen(damalsErnstMerck-Halle).DererstegroßeAuftritt der Fab Four in Hamburg – da
musste man dabei sein.
Ich war damals 26 Jahre alt,
kam gerade aus New York und
fühlte mich daher besonders mit
dieser Musik verbunden. Klar, ich
hatte auch einen Schwarm: Paul
McCartney. Ich weiß noch, dass
wir lange für die Karten angestanden haben, um weit vorn zu sitzen.
IchwarmiteinerMädchen-Clique
da, aber jede saß auf einem anderen Holzstuhl. Über 11000 Leute
waren an dem Tag dort, es war
wahnsinnig heiß, und ich hatte
ausgerechnet einen Rollkragenpullover an. Aber tanzen war sowieso nicht drin, wir blieben alle
brav sitzen. Erst später wurde in
den Kiez-Clubs gefeiert, in der
Innenstadt kam es zur Randale
mit eingeworfenen Schaufenstern und Festnahmen. Das Konzert selbst dauerte nur 30 Minuten, die Beatles spielten einige
Songs, und das Ganze war recht
emotionslos. Dennoch tobte das
Publikum, viele Frauen weinten
und schrien vor Begeisterung.
Die Quittung für diesen unvergesslichen Abend bekam ich am
nächsten Tag. Da erschien ein gro-
ßer Bericht mit einem Foto im
Hamburger Abendblatt. Darauf
waren deutlich drei junge Frauen
zu sehen, und eine davon war ich
– als kreischender Fan. An sich
kein Problem, hätte ich nicht gerade als Jungredakteurin bei der
Zeitschrift „Brigitte“ angefangen
– mit 150 Kolleginnen und einem
sehr autoritären Chef. Morgens
um neun Uhr im Büro, das Telefon
klingelt, mein Chefredakteur am
Apparat: „Können Sie mal sofort
kommen?“ Ich gehe in sein Büro,
da liegt das Abendblatt, und er
deutet mit spitzem Finger auf das
Foto. „Frau Köster, damit Sie mich
richtig verstehen, und das sage ich
nur einmal: Ich möchte nicht, dass
meine Redakteurinnen sich so in
der Öffentlichkeit aufführen! Verstanden?“
Immerhin habe ich diesen gnadenlosen Fauxpas überstanden,
kurze Zeit später, 1969, erfand ich
die erfolgreiche „Brigitte-Diät“.
Aber auch das hätte diesen Chefredakteur nicht davon abgehalten,
mir die Leviten zu lesen.
› GESTERN & HEUTE
Hubertus von Pfeil, 65, aus Hamburg-Groß Flottbek
Heiße Nadel:
Hugo Ahrens,
Mitglied im StarClub, feierte mit
den Beatles.
Verlobung mit John, Paul, George und Ringo
Meine Schwester, damals 23
Jahre alt, war im Dezember 1962
aus London, wo sie arbeitete, für
die Weihnachtszeit nach Hamburg gekommen. Mit dabei war
ein junger Mann, sehr sympathisch – aber ohne Kenntnisse
der deutschen Sprache. Im Laufe
der nächsten Tage hatte sie meinen späteren Schwager sprachlich so weit gebracht, dass er,
wenn auch sehr holprig, es
schaffte, bei unserem Vater um
ihre Hand anzuhalten. Hierzu
nutzte er die kurze Umschaltpause zwischen „Tagesschau“ und
Wetterkarte, da unser Vater zu
diesem Zeitpunkt erfahrungsgemäß am besten ansprechbar war.
Sein kurzer Kommentar zu meiner Mutter: „Inge, hol den Sekt
raus. Das Kind hat sich verlobt.“
Wir Jugendlichen – ich war
damals 17, mein Bruder 19 – entschlossen uns zu einer spontanen Verlobungsfeier im StarClub. Der Kiez war schon Anfang
der 60er-Jahre sehr angesagt. Es
war mitten in der Woche, und der
Club war recht leer. Der Kellner
hörte uns Englisch sprechen und
erzählte, dass die englische Band,
die gerade spielte, immer pleite
sei und die Jungs sich bestimmt
über ein Bier von einem Landsmann freuen würden.
In der Pause kamen dann Ringo, George, John und Paul zu uns
an den Tisch, und es entwickelte
sich eine lebhafte Unterhaltung.
Ringo hatte wohl ein gutes Gespür für die Situation und flüsterte dem Jungverlobten zu:
„You’ve got to watch that chick,
she’s got her eyes on you.“ (Pass
Yeah!
Hugo Ahrens, 63, aus Westergellersen
John Lennon war ein Ruhiger
– außer er war betrunken
Durchblicker: Hubertus von Pfeil gab
den Beatles im Star-Club ein Bier aus.
auf das Mädchen auf, die hat es
auf dich abgesehen.) Darauf mein
Schwager in spe: „That’s allright,
we got engaged today.“ (Das ist
in Ordnung, wir haben uns heute
verlobt.) Ringo reagierte prompt:
„In that case let’s have another
beer.“ (Wenn das so ist, lass uns
noch eins trinken.) Es blieb nicht
bei einem weiteren Bier, es folgten noch einige Runden, und es
wurde immer lustiger, bis die Arbeit rief und die Band wieder auf
die Bühne musste. Wir vier sind
dann noch weiter zum Damenringkampf gegangen.
Normalerweise läuft in unserer Familie immer alles sehr
konservativ und in vorgeschriebenen Bahnen ab. Die Verlobungsfeier war etwas ungewöhnlich, die Hochzeit dafür so, wie
man sie sich für eine junge Gräfin
vorstellt: in der Nienstedtener
Kirche mit Essen in „Jacobs Restaurant“ – und ohne die Beatles.
50 JAHRE BEATLES
Die Wochenenden meiner Jugendzeit habe ich mit meinem
Freund Henning Hennigs aus
Tellingstedt immer im Top Ten
und im Star-Club verbracht. Da
waren wir sogar Mitglieder. Gegen schmales Geld bekamen wir
bei allen Konzerten schnellen
Eintritt, außerdem T-Shirts und
so. Die goldene Anstecknadel besitze ich heute noch. So haben wir
natürlich auch die Musiker der
Band Star Combo – darunter die
späteren Beatles – kennengelernt.
Die Beatles sind damals mit
Tony Sheridan aufgetreten und
haben sich oft in der Blockhütte,
bei Rosi und bei Gretel & Alfons
an der Großen Freiheit 29 rumgetrieben. Da mein damaliger
Schwager Pächter vom Colibri
war, hatten wir Tür und Tor auf.
Obwohl ich erst 16 war! Europas
damals berühmtestes Striplokal
lag direkt gegenüber vom StarClub, und so kamen auch die
Beatles ab und zu vorbei. Wir
hatten immer ein Herz für arme
Leute. Und das waren die Musiker: Lennon, Harrison und
McCartney waren sich oft nicht
einig, was sie machen wollten,
da kein Geld da war. Ja, sie waren
sogar recht streitsüchtig untereinander. John war eher ruhig,
außer er war betrunken. Und
George war schon immer der
Exzentriker, der hat sein Ding
gemacht.
Wir sind oft zusammen auf
den Dom gegangen, und es kam
BEATLES-PARTYS
» Das Pilzkopf-Museum Beatlemania lädt zum großen Jubiläumsfest „Let It Beat“ ein. In Anlehnung
an das „Rooftop Concert“ der
Fab Four eröffnen The Big Bang
den Abend mit Beatles-Songs
vom Dach. Auf dem „Beat-Balkon“
spielen DJ André und Duo Synchron
Reggae, Dancehall und Elektro. In
der „Star Lounge“ bieten die Bands
She wants Chaos, Le Fly, Madsen
und The Big Bang einen Mix aus
Beatles, deutschem Ska und GlamRock. Auch im „Yeah!-Café“ steht
alles im Zeichen der Pilzköpfe mit
dem Cover-Duo Beat4Sale, Le Spin
Ovale, DJ Nils Hoffmann und DJ
Feuerhake. Und wer will, kann sich
von den „I Love Hair“-Stylisten gleich
einen Pilzkopf schneiden lassen.
Beatlemania, Nobistor 10, 17.8.
ab 18 Uhr, Tel. 31 17 18 18, 5 Euro,
www.beatlemania-hamburg.com
Nette Typen, die sich auf der Verlobungsfeier zum Bier
einladen, die niemals Geld haben, aber immer Feierlaune:
ZEITZEUGEN erinnern sich an die Beatles in Hamburg.
» Bambi-Kino im Indra Musikclub.
Unter dem Pseudynom „BambiKino“ (nach der Absteige in der
Paul-Roosen-Straße) spielen
Musiker von Moby, Nada Surf u. a.
genau jene Songs, die auch die
Beatles bei ihrer Hamburg-Premiere
am gleichen Ort zum Besten gaben.
17.–20.8. Große Freiheit 64,
jeweils 19 Uhr, ab 19 Euro,
www.indramusikclub.com
Yeah!
Yeah!
REDAKTION: VERA ALTROCK
vor, dass sie in der Kneipe ihre
Gitarren rausholten und improvisierten. Die waren ’ne ganz
normale Tanzkapelle ohne Starallüren. Quatschten mit jedermann und konnten ordentlich
feiern. Paul beherrschte einen
einzigen Satz auf Deutsch: „Bitte
geben Sie mir ein Bier.“
Es war der richtige Ort zur
richtigen Zeit. Damals konnte
man noch die Musiker mit einer
Pistole im Rücken auf die Bühne
jagen, damit sie Musik machten.
Andere wie Tony Sheridan musste man von der Bühne jagen, so
gern hat er gesungen. St. Pauli
war wirklich ein Dorf, wo jeder
jeden kannte. Es war die schönste Zeit meines Lebens, und zu
vielen Menschen habe ich immer
noch Kontakt. Nur der Kiez, der
ist nicht mehr der Gleiche.
Gitarrengott: Otto Blunck, links
auf einem Foto für Plattenfirmen,
tanzt noch heute Rock ’n’ Roll.
» Ausstellung in der Multiplen
Box. Galerist Siegfried Sander zeigt
seltene Platten-Cover der Beatles
und Fotografien von Astrid Kirchherr, Jürgen Vollmer, Günter Zint,
Germin, Peter Brüchmann u. a.,
Admiralitätstr. 76, Tel. 37 51 75 10,
bis 21.8., Di–Fr 11–18, Sa 11–15
Uhr, www.multiple-box.de
Jürgen Trzaska, 65, aus
Norderstedt
» Stadtrundgang mit KiezChronist Günter Zint. Der Fotograf
und Reporter Zint hat die Beatles
in Hamburg selbst erlebt: Er wird die
Tour um Reeperbahn und Große
Freiheit begleiten und mit Anekdoten würzen. 19.8. + 20.8., 19 Uhr,
21.8., 16 Uhr, Treffpunkt: BeatlesPlatz/Große Freiheit, 24 Euro inkl.
Eintrittskarte für das Beatlemania,
bitte anmelden, Tel. 87 08 01 00,
www.stattreisen-hamburg.de
Wir haben die Beatles
in einer Pause vertreten
Ringo Starr verschlang mich mit seinen Augen
1962 ging ich in die Lehre bei
Juwelier Wempe und wohnte mit
meiner Mutter Am Brunnenhof
27 in Altona. Die Beatles wohnten Am Brunnenhof 31 in einer
kleinen Etagenwohnung und
spielten im benachbarten StarClub. Logisch, dass wir uns ständig über den Weg liefen. Wann
immer ich von der Arbeit kam,
sah ich sie, wie sie ihre Instrumente in den Kleinbus packten.
Und jedes Mal drehten sie sich zu
mir um. Besonders Ringo Starr,
der gerade frisch zur Band gestoßen war, verschlang mich geradezu mit seinen Augen.
Meine Mutter erzählte mir,
dass er alle möglichen Leute gefragt habe, wie er es anstellen
müsse, damit ich mit ihm ausgehe. Unseren Hausmeister fragte
er sogar, ob er mich dazu heiraten müsse. Ich muss zugeben,
dass ich Ringo Starr sehr gut aussehend fand in seinem eleganten
schwarzen Anzug. Einmal ging
ich mit meiner Freundin zum
Krämer um die Ecke, und da war
auch er im Geschäft. Ringo ließ
uns vor, und da sagte der Verkäufer zu mir: „Merken Sie nicht, wie
gern der Sie hat? Sonst hätte er
Sie doch nicht vorgelassen!“ Aber
direkt angesprochen hat mich
Ringo nie, was ich im Nachhinein
sehr schade finde. Allerdings war
ich auch zu schüchtern.
Eines Abends ging ich mit einem Bekannten in den Star-Club,
er wollte unbedingt mal dahin,
und prompt spielten die Beatles.
Sofort hatte ich eine Cola in der
Hand mit einem Gruß vom
Schlagzeuger. Ich solle doch in
der Pause mal nach draußen
kommen, damit wir uns unterhalten könnten. Aber als Mädchen auf dem Kiez? Das gehörte
sich nicht. Und so haben wir uns
nur aus der Ferne angehimmelt.
Heute würde ich mich gern mit
Ringo Starr treffen oder auch mit
Paul McCartney, meinem eigentlichen Schwarm.
Bei allen Skandalgeschichten,
die man von der Band hörte: Ich
hatte immer den Eindruck, dass
das im Grunde ordentliche Jungs
waren. Mit ihrem Erfolg verdienten sie auch genug Geld für eine
glamourösere Unterkunft, und
so sahen wir die Beatles nie wieder in unserer Straße.
Schaumwein aus der Hand von Paul McCartney
Klönschnack mit Paul: Jürgen
Trzaska vor dem Star-Club-Logo
im Beatlemania-Museum.
gegen war, gingen wir auf die
Bühne und spielten einige unserer Songs. Die kamen auch recht
gut an, es wurde viel dazu getanzt, und die vier Musiker konnten sich derweil entspannen und
ihre Biere trinken.
Paul kam anschließend zu mir
und lobte: „You are even better
than the Bachelors.“ Das war eine irische Gruppe, die mit zwei
Sängern ebenfalls zu der Zeit im
Star-Club die Everly Brothers
imitierte. Mit Musikern von der
Insel verglichen zu werden war
ein großes Kompliment, weil diese Bands immer die Besten waren. Trotzdem war es ein Lob, das
wir damals gar nicht zu schätzen
wussten, denn über den Club hinaus waren die Beatles noch nicht
sonderlich bekannt geworden.
„She loves you“, „All my loving“
und „I wanna hold your hand“ –
all diese Songs hörte ich kurze
Zeit später wieder bei Radio
Luxemburg und dachte so bei
mir: „Sieh mal an, was daraus
werden kann.“
Was aus den Fellows wurde?
Nun ja, so berühmt wie die Beatles sind wir nicht geworden. Aber
ihre Songs haben wir fleißig gecovert. Und auch mit den Songs der
Everly Brothers treten wir heute
noch auf, allerdings unter dem
Namen Two for the music.
Die Reeperbahn war damals
für den „normalen“ Hamburger
sehr verrufen – aber wo immer
Rock’n’Roll gespielt wurde, war
ich mit meinen Freunden dabei.
Wir trugen Elvis-Tolle, Schlips
und Anzug, und es hatte sich
herumgesprochen, dass in den
Kneipen rund um die Große Freiheit tolle englische Bands auftraten. Also nahmen wir im Sommer
1960 allen Mut zusammen und
gingen als Erstes ins Indra.
Es war ein eher ungepflegtes
Lokal, wo die Gäste lautstark
nach Erotikdarbietungen verlangten. Ausgerechnet in dieser
Atmosphäre hatten die Beatles
ihren ersten Auftritt in Hamburg. Die Musik gefiel uns, aber
nicht das Indra, und so zogen wir
weiter in den Kaiserkeller. Hier,
an der Großen Freiheit 36, etablierte sich ein richtiges R&RZentrum, bis zu sieben LiveBands spielten pro Abend. Besonders zwischen den Beatles,
die zu der Zeit ihre typischen
Mersey-Beats entwickelten, und
den Rory Storm & The Hurricanes mit Ringo Starr als Schlagzeuger kam es zu einem regelrechten Wettstreit.
John Lennon war zwar der
Bandchef, aber Paul McCartney
hatte von Anfang an alles in die
Hand genommen: Er moderierte
die Tanzabende im Kaiserkeller,
spielte Klavier und nahm Musikwünsche aus dem Publikum an –
auch ich gab einige Songs von
Buddy Holly und Eddy Cochran
bei ihm in Auftrag.
An einem dieser Abende, das
war im Herbst 1960, beteiligte
ich mich an einem spontan ausgerufenen R&R-Dauertanz und
gewann die als Preis gestiftete
Flasche Schaumwein aus der
Hand von Paul McCartney. Zehn
Minuten schafften meine Tanzpartnerin, eine Studentin, und
ich. Die Fitness zu dieser Leistung hatte ich mir im Rock’n’
Roll-Club Wahlstedt im Kreis
Bad Segeberg antrainiert. Den
Sekt haben wir übrigens vor der
Tür getrunken, um kein Korkengeld zahlen zu müssen.
1961 zog ich nach Cottbus, ohne dass mir bewusst war, dass das
ein längerer Abschied von meiner Heimatstadt werden würde.
In der DDR galt ich als Exot, weil
ich die berühmte Band aus Liverpool getroffen hatte. Erst 30 Jahre später besuchte ich die Große
Freiheit wieder. Heute fahre ich,
so oft es geht, von Cottbus nach
Hamburg, um beim Sankt Pauli
Museum mitzuarbeiten. Ein
Thema, das ich beitragen konnte,
ist die Auswirkung der BeatlesMusik auf die DDR-Jugend. Und
auch meine Liebe zur Musik ist
geblieben: Ich tanze heute immer noch sehr gern Rock’n’Roll,
am liebsten zu den Beatles, wenn
auch nur vor dem heimischen
Plattenspieler.
» Beatles-Sommer auf NDR 90,3.
Der NDR zelebriert John, Paul,
George und Ringo mit zahlreichen
Reportagen und Interviews.
15.8., 8.20 Uhr: „Wi snackt Platt:
De Beatles in Hamborg“. Der
frühere Star-Club-Betreiber Horst
Fascher, sein Bruder Uwe und
andere Zeitzeugen erinnern sich.
15.8., 11 Uhr: „Reise! Reise!“
Eine Tour nach Liverpool und zu den
Elternhäusern der Beatles.
17.8., 21.05 Uhr: „Bambi-Kino“.
Übertragung des Jubiläumskonzerts aus dem Indra-Club.
» Tour im Tourbus. Musikerin
Stefanie Hempel führt nicht nur zu
den Stationen der Beatles, sondern
gibt auch Songs zum Besten.
10.9., Treffpunkt um 19.45 Uhr vor
dem Beatlemania-Museum, Nobistor 10, 27 Euro (inkl. BeatlemaniaBesuch), Tel. 300 33 79 16, www.
harries-solution.com/musictour/
FOTO: BEATLEMANIA HH
Karin Plavoukos, 67, aus Hamburg-Rahlstedt
Otto Blunck, 72, aus Cottbus in der Lausitz
FOTOS: ROLAND MAGUNIA, FOTO KARIN PLAVOUKOS: PATRICK PIEL, SW-FOTOS UND FOTO OTTO BLUNCK: PRIVAT
Herzblatt: Karin Plavoukos und
Ringo himmelten sich an –
unter Nachbarn nicht unüblich.
Mit 17 spielte ich in einer der
ersten drei Rockbands in Norddeutschland, wir nannten uns
The Fellows und spielten Songs
der Everly Brothers. Nach unseren Auftritten waren wir häufig
in Clubs auf der Reeperbahn und
der Großen Freiheit unterwegs,
um uns dort ausländische Bands
anzuhören. Wir wollten sehen,
was die so machten, welche Lieder sie spielten, welche Instrumente sie benutzten.
So hörten wir uns auch 1962
die Konkurrenz im Star-Club an.
In den Pausen war es ganz normal, dass man unter Musikern
fachsimpelte, so auch mit den
Beatles. Schließlich waren die
nicht viel besser als die anderen
Hobby-Bands. Nur dass sie als
englische Gruppe einen ganz bestimmten Verstärker benutzten,
der ihren Sound unverwechselbar machte. Auch ihr Auftreten
als Vierer-Combo hob sie von anderen Bands ab. Zu ihren eleganten Anzügen hatten sie sich statt
Schlips häufig schwarze Schleifen um den Hals gebunden, trugen dazu die Pilzfrisuren. Das
war schon sehr exzentrisch.
John Lennon wirkte auf mich
verschlossen, beinahe arrogant.
George Harrison war immer sehr
nett, während Ringo Starr lieber
für sich blieb. Mit Paul McCartney habe ich mich länger über
seinen ungewöhnlichen Bass der
Marke Höfner unterhalten. Der
sah aus wie eine Geige, und Paul
spielte ihn linksherum. In einer
der Pausen, die die Beatles einlegten, sagte Paul McCartney zu
mir: „Why don’t you go on stage?“
Da unsere Band komplett zu-
Sixties-Jugendzimmer
im Beatlemania-Museum.
VIII
› STIL & LEBEN
SONNABEND / SONNTAG, 14. / 15. AUGUST 2010
HANDGEMACHT
Gitarrenbauer Andreas
Seefeldt, 47, mit einem
fertigen Instrument.
FOTOS: ISTOCKPHOTO, PRIVAT
Holz macht
Karriere
Keine seiner Akustik-Gitarren klingt wie die
andere. Andreas Seefeldt fertigt seine
Instrumente nach traditioneller Bauweise.
P
Julian Münder, 26, leitet seit Februar
2010 mit seiner Freundin Nina
Reichling eine Safari-Lodge im
Okavango-Delta in Botswana.
Afrika, schon lange haben wir darüber geredet, diesen Kontinent
besser als nur im Urlaub kennenzulernen. Dass es so intensiv werden würde, hätten wir nicht gedacht… Jobs gekündigt, LangzeitAuslandskrankenversicherung
abgeschlossen, per Zufall über
einen Bekannten in Kapstadt an
einen Safari-Lodge-Betreiber im
Okavango-Delta in Botswana geraten. Der hat uns nach vier Tagen Kennenlernen eingestellt, und
nach weiteren vier Tagen Einführung hatten wir unser „eigenes“
Camp. Um fünf Uhr aufstehen,
zehn Gäste komplett umsorgen
und 14 Angestellte mit Feingefühl motivieren. Man
muss Kompromisse eingehen, da wir zwar Hotelund Restaurantwissen
mitbringen, aber noch
nie in Afrika waren und
uns im Busch nicht auskennen. Die Verständigung
findet auf Englisch statt, das ist
hier zweite Amtssprache, was
aber nicht bedeutet, dass es jeder
versteht oder verstehen will. Wir
werden zu Meistern der subtilen
Kommunikation…
TEXT: KIRSTEN RICK • FOTOS: THOMAS LEIDIG
opstar wollte er nie werden. Als Andreas Seefeldt
anfing, Gitarre zu spielen, träumte er weder von einem großen Hit noch von Auftritten auf der Bühne.
Das wäre im Alter von 30 Jahren auch illusorisch gewesen.
Dafür interessierte ihn: Wie baut man dieses Instrument?
Er war Fluggerätebauer bei Lufthansa und gerade „in einer
Umorientierungsphase“. Mit seiner Frau machte er eine
Radtour durch Südamerika, ein Jahr lang, in Ecuador besuchte er zufällig die Werkstatt eines Gitarrenbauers. „Das
hat mir den Kick gegeben. Ich habe gesehen: Man braucht
so gut wie keine Maschinen und nur ganz wenig Platz.“ Zurück in Deutschland, suchte er lange nach einer Möglichkeit, das Handwerk zu lernen. In Worpswede fand er einen
Konzertgitarrenbauer, bei dem er 13 Monate in die Lehre
ging. „Wir haben zusammen gearbeitet, gegessen und gelebt. Das war eine richtige Meister-Lehrling-Beziehung.“
Danach richtete er sich im Keller des Einfamilienhauses seiner Mutter, zwischen Jenfeld und Billstedt, eine Werkstatt
ein. Dort arbeitet der 47-Jährige, wenn er sich nicht gerade
um seine beiden Söhne kümmert.
Die Instrumente sind Maßanfertigungen, die Griffbrettbreite kann individuell angepasst werden. Sechs bis acht
Wochen dauert es, bis eine Gitarre fertig ist, „wenn alles
flutscht“. Andreas Seefeldt ist ein ruhiger, ausgeglichener
Mann, der einen unendlichen Vorrat an Geduld zu haben
scheint. „Ich freue mich, wenn nach jedem Arbeitsgang das
Stück Holz wieder ein wenig schöner geworden ist.“ Dafür
braucht er viele, „sehr viele“ Arbeitsgänge. Bei einem speziellen Tonholzhändler, „zum Glück gibt es in Hamburg einen
sehr guten“, sucht er das Holz aus. Er arbeitet ausschließlich
mit handverlesenen Massivhölzern, von Ebenholz über
Palisander bis Honduras-Mahagoni und Fichte. Daraus
wird die Gitarre von Hand gefertigt, die Holzstücke zusammengefügt, die Zargen gebogen, „alles mit Methoden wie
vor über hundert Jahren“. Die Decke, also die Vorderseite,
„das Herzstück der Gitarre“, wird innen mit Leisten versehen, diese werden beschnitzt – wichtig für den idealen
Luxus mit sechs Saiten: SeefeldtGuitars kosten bis zu 3500 Euro.
Andreas Seefeldt beschnitzt die
Deckenbeleistung einer Gitarre (r.).
Klang. Den testet Seefeldt per Klopfprobe, dann schnitzt er
vorsichtig weiter. Der Klang eines Instruments ist das
Schwierigste, denn jedes Stück Holz ist anders gewachsen.
Dafür ist auch keine Gitarre wie die andere. Bei den Verzierungen rund um das Schallloch und am Rand kann der
Handwerker sein Faible „für ganz figelinsche Dinge“ ausleben: Er schnitzt hauchzarte Kanäle, in die er winzige
Holzspäne einlegt. Das Besondere an den Seefeldt-Gitarren
ist der spanische Halsansatz, eher unüblich bei Stahlsaitengitarren. „Das ist die kompromissloseste Verbindung und
am besten für den Klang“, denn der massive Hals wird nicht
erst später angesetzt, sondern direkt in die Zarge eingeleimt, die Gitarre dann komplett in der Form gebaut.
Ruhig, aber voller Begeisterung erzählt Andreas Seefeldt
von seinem Handwerk. Aber gibt es nicht doch lästige Arbeitsschritte? „Ja, das Lackieren: ein ewiger Prozess mit
vielen Zwischenschliffen. Lackieren, schleifen, lackieren,
schleifen – zwei Wochen lang.“ Wenn schließlich die Saiten
aufgezogen sind und die Gitarre eingestellt ist, muss sie ein-
gespielt werden, denn „der Ton entwickelt sich mit der
Zeit“. Stray Cat, Moondog und King Bee heißen die Modelle,
die zwischen 2000 und 3500 Euro kosten. Er bekommt
begeisterte E-Mails aus aller Welt, die man mit den Worten
„your guitar sounds fantastically“ zusammenfassen kann.
„Eine Gitarre muss gespielt werden, das ist das Wichtigste“,
sagt Seefeldt. „Und wenn sie nicht gespielt wird, muss sie
ordentlich aufbewahrt werden. Bloß nicht einfach an die
Wand hängen!“ Gerade an Außenwänden sind die Klimaschwankungen viel zu groß. Beim Bauen achtet Andreas
Seefeldt darauf, dass die Luftfeuchtigkeit in der Werkstatt
konstant zwischen 38 und 45 Prozent liegt. Darunter wird
es – auch zu Hause – gerade für Palisander gefährlich: „Der
reißt dann“, sagt er und guckt sorgenvoll. Sein Tipp: „Am
besten in einem guten Gitarrenkoffer aufbewahren.“ Seine Gitarre hat er überall dabei. Am liebsten spielt er für
sich allein, im Wohnwagen an der Ostsee, wenn die Familie
schläft. Die Karriere auf internationalen Bühnen überlässt
Andreas Seefeldt den von ihm gebauten Instrumenten.
Kontakt
» Seefeldt Guitars,
Tel. 31 79 49 19 u. 0179/391 15 06.
Die Gitarren kann man im Showroom von Andreas Seefeldt in
St. Pauli nach Anmeldung oder bei
Schalloch, Karolinenstr. 4–5, testen.
www.seefeldt-guitars.com
MEIN STYLE-TRIO
Noch 4 Monate
Moderne Möbel, bunte Teller, kurze Hosen: Die
Kölnerin Wolke Hegenbarth, 30, richtet sich
jetzt für „Notruf Hafenkante“ an der Elbe ein.
B
Welches Stück in Ihrem Kleiderschrank ist unverzichtbar?
Ich trage zurzeit am liebsten eine 7/8-Jeans. Das Praktische
an ihr ist, dass ich sie zu allem kombinieren und mit Ballerinas oder Stiefeln tragen kann. Wenn es warm ist, versuche ich, alle Kleidungsstücke anzuziehen, die sonst das
ganze Jahr im Schrank hängen, wie meine Sommerkleider.
Sofa: Schlafcouch „Comfort
Modular Salt + Pepper“, gesehen bei Riess Ambiente, Hamburger Str. 207, um 600 Euro.
Hochwasserhose: 7/8-Hose
von Drykorn Modell Bash,
gesehen bei Su, Susannenstr. 19, um 120 Euro.
FOTOS: PICTURE-ALLIANCE/DPA, PR
Was kommt auf
Ihren Esstisch?
Wenn man zu
zweit isst, ist das
Minimum eine
Kerze und Sets
unter dem Geschirr. Mehr Mühe
mit der Dekoration
gebe ich mir bei
Einladungen.
Schön finde ich
dann Blumen und
wenn das Geschirr
farblich zu den
Servietten passt.
Mein Motto: Es
muss eine Einheit
sein und kein
Flickenteppich.
Die Wochenvorschau
MONTAG
BESUCH: Königliche Stippvisite
im Hamburger Hafen. Die 345
Meter lange „Queen Mary 2“ läuft
gegen 10 Uhr ein und soll gegen
22.30 Uhr wieder ablegen.
BELEUCHTET: Premiere der
Jazz-Arrangements zu den bunten Wasserspielen auf dem Parksee
in Planten un Blomen, Gorch-Fock
Wall 1, 22 Uhr, tägl. bis 31.8.
DIENSTAG
VARIÉTÉ: Zwei Männer, ein Klavier, keine Frau. Arthur Senkrecht
und Bastian Pusch sind keine beliebigen Comedians, sondern besondere Komiker. Ihr Programm „Öha!“
in den Fliegenden Bauten, 20 Uhr.
RUNDGANG: „Matrosenmütze
und Netzstrumpf“ führt in unbekannte Ecken des Kiez. Treffpunkt
U-Bahn-Station St. Pauli, Ausgang
Reeperbahn, 20 Uhr. 10 Euro.
Wir haben einen Landrover mit
Dachzelt gekauft, mit dem wir
während unserer drei Urlaubsmonate das südliche Afrika erkunden wollen. Nach Beendigung
unseres Zweijahresvertrags geht’s
dann durch Ostafrika in die Heimat nach Hamburg. Falls die
Abenteuerlust bis dahin nicht gestillt sein sollte, haben wir dann
wenigstens das richtige Auto für
die nächsten Entdeckungsreisen.
ILLUSTRATION: JÖRG BLOCK
Teller: geblümt, mit Stoffservietten, gesehen in der
Wäscherei, Jarrestr. 58,
um 9 (Serviette um 8 Euro).
ald ist Weihnachten. Gut vier
Monate noch, also praktisch
morgen. Bis dahin wird es regnen
und neblig sein. Es wird nieseln und
wehen, schauern und stürmen. Soll ich
in dieser ungemütlichen Tonlage weitermachen? Finstere Wolkenmassen
werden kommen, die einem das Gemüt
auf Pfützenhöhe herunterdrücken. Mit
Saulaune im nasskalten Dunkeln zur
Arbeit, mit Saulaune im kaltnassen
Dunkeln wieder nach Hause. Durchnässte Schuhe, überforderte Regenschirme, dicke Winterjacken, kratzende Schals, unhandliche Handschuhe.
Schnupfen, Husten, Heiserkeit. Auffahrunfälle und Oberschenkelhalsbrüche auf vereisten Straßen, denn der
Bürgermeister, der uns allen so edel,
hilfreich und gut gesalzene Abhilfe versprach, privatisiert dann längst gemütlich beim Glühweinchen auf Sylt.
Woanders braucht man für die doch
ziemlich deprimierende Kalenderweisheit mit der schönen Bescherung
einen Kalender. In Hamburg genügt
schon die vergebliche Suche nach den
Riesen-Erdbeeren aus Metall, bei denen man kleine Erdbeeren kaufen und
glücklich nach Hause tragen konnte.
Die sind demnächst ersatzlos raus aus
dem Straßenbild in meiner Gegend,
und ich darf monatelang auf Sammelnussfrucht-Entzug sein. Diese kleinen
roten Leckerlis aus der Familie der Rosengewächse werden dann nämlich nur
Die Gäste gehen nach dem Frühstück um sechs Uhr auf Game
Drive, Tiere gucken im Landrover.
Es wird nach Leoparden, Löwen
und Hyänen Ausschau gehalten.
Giraffen, Zebras, Gnus gibt es im
Überfluss. Elefanten braucht man
nicht zu suchen, die kommen fast
täglich mitten durchs Camp gewackelt und fegen die Veranda
mit ihren Rüsseln.Die Landschaft
ist atemberaubend: im Sommer
Steppe, im Winter gigantische
Seenlandschaft.
Highlights sind: Brunch auf einer
grünen, vom Delta überfluteten
Wiese, Dinner in der Steppe unter
den Sternen oder mit singenden
und tanzenden Angestellten am
Feuer. Da macht der Job richtig
Spaß und gleicht die langen Tage
und die miserable Bezahlung aus.
MISCHKES
STADTGEFLÜSTER
Schön gemütlich
Wie gestalten Sie Ihre neue Hamburger Wohnung?
Ein moderner Stil passt am besten zu mir. Dabei mag ich es
nicht zu kühl, also kein Edelstahl, sondern Holzboden und
bunte Wände – wichtig ist, dass es gemütlich wirkt und ich
mich wohlfühle. Das Sofa oder die Lampen dürfen designt
sein. Außerdem mag ich Fotokunst an den Wänden.
Botswana
noch zu Apothekerpreisen gehandelt.
Bald sind sie Erinnerung. Sie schmeckten nur einen Sommer.
Doch es gibt auch andere sichere
Anzeichen dafür, dass der erste Schneesturm, eingepackt in russische Kaltluftfronten, praktisch schon bei Reinbek auf seine Invasions-Chance lauert.
In den Schaufenstern sieht man wärmere Stöffchen in gedeckten Farben für
Herbst und Winter. Es kann sich höchstens noch um Tage handeln, bis irgendein geldgieriger Supermarkt-Chef der
Erste sein will, der Schoko-Weihnachtsmänner ins Regal schaufeln lässt, damit die lieben Kleinen ihren Müttern
wieder die Ohren vollplärren können.
Und das schlimmste aller AdventsGrauen hab ich noch gar nicht erwähnt:
Weihnachtsmärkte. Gut vier Monate
noch. Soll niemand sagen, er sei nicht
rechtzeitig gewarnt worden.
MADE IN HAMBURG
Kolumnen-Buch
» Hier schreiben im wöchentlichen
Wechsel Maike Schiller und
Joachim Mischke. Ausgewählte
Kolumnen aus dem „magazin“ und
der „Welt“ erscheinen in dem Band
Hamburger Momente, 9,95 Euro.
www.abendblatt.de/shop oder über
Tel. 34 72 65 66.
Star-Club-Gründer
Horst Fascher, 74, führt
auf der DVD „50 Jahre
Beatles in Hamburg“
hinter die Kulissen des
legendären Clubs, in
dem auch Bill Haley,
Chuck Berry, Jerry Lee
Lewis und Jimi
Hendrix auftraten.
50 Jahre
Beatles in
Hamburg, DVD
(+ CD), gesehen
bei Saturn,
Mönckebergstr. 1,
um 10 Euro.
16.–22. AUGUST
MITTWOCH
JAZZ & POP: Jamie Cullum
begeisterte im Juni in der Laeiszhalle. Im Stadtpark möchte der
Sänger und Multi-Instrumentalist
sicher nicht weniger Applaus, 19 Uhr.
PROJEKT: Der Klang-Container
ist ein kleiner mobiler Konzertsaal,
der als räumlich-audiovisuelle
Installation die Hörlust anregen soll.
Fleetinsel, ab 12 Uhr, bis 28.8.
DONNERSTAG
ZIRKUS: Akrobatik, Artistik,
Tanz, Theater und Musik werden
vom Cirque du Soleil in „Saltimbanco“ zu einer poetischen Melange
vereint. Rund 50 Künstler wollen
die 02-Arena verzaubern. 20 Uhr.
VORTRAG: „Wasser. Ressource
und/oder Lebensgrundlage“.
Ernst Ulrich von Weizsäcker und
Unternehmer Michael Otto
sprechen. Kampnagel K2, 19 Uhr.
FREITAG
STADTFEST: In Norderstedt
beginnt das 16. Spektakulum. Bis
Sonntag werden über 100 000
Gäste erwartet, die rund um das
Rathaus von Kleinkunst bis zu großen Stars viel erleben können.
Fr 16–24, Sa 14–24, So 10–21 Uhr.
KRIMINACHT: Tatjana Kruse
liest ihre schwarz-humorigen Kurzkrimis vor: „Klappe zu, Gatte tot!“.
Speicherstadtmuseum, 19.30 Uhr.
SONNABEND
SONNTAG
FUSSBALL: Hamburg ist nun die
„Kick-Kapitale“ Deutschlands. Am
1. Spieltag empfängt der HSV die
Schalker mit ihrem neuen Superstar
Raúl, während der FC St. Pauli in
Freiburg antritt. 15.30 Uhr, Sky.
STRASSENFEST: Zum 3.
„Dat Uhlenfest“ werden zwischen
Papenhuderstraße und Hofweg
Tausende an kulinarischen Ständen
haltmachen. Auf Kinder wartet ein
eigenes Bühnenprogramm.
ALSTER: Das 7. DrachenbootFestival wird unter dem Motto
„Enter the Dragon“ bis Sonntag für
viel Alstergischt und Trommellärm
sorgen. 10–18 Uhr.
„STRATENMUSIK“: Die Komödie
im Ohnsorg-Theater über drei
Straßenmusikanten läutet die neue
Saison ein. 15.30 Uhr. Premiere um
19 Uhr. www.ohnsorg.de

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