in Dresden Neue Sachlichkeit in Dre sden
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in Dresden Neue Sachlichkeit in Dre sden
Neue Sachlichkeit in Dresden Neue Sachlichkeit in Dresden S ta at l i c h e K u n s t s a m m l u n g e n D r e s d e n | G a l e r i e N e u e M e i s t e r H e r au s g e g e b e n vo n B i r g i t Da l b a j e wa M it e i n e m Vorwort von U lr ic h B isc hoff u n d B e iträg e n von St e p h a n Da h m e , B i r g i t Da l b a j e wa , A n d r e as D e h m e r , R u t h H e f t r i g , K at h a r i n a H o i n s , M a r i a K ö r b e r , J u d i t h K ü h n l e , M at h i a s W a g n e r und anderen San dste i n Ve r lag Dr esde n Inhalt 6 Vorwort Ulrich Bischoff 8 Künstler 9Leihgeber 10Dank 12Zur Einführung Birgit Dalbajewa Mit Unterstützung von 20 1918 bis 1933. Deutsche und Dresdner Zeitgeschichte in Wort und Bild Mathias Wagner | Ruth Heftrig | Andreas Dehmer eue Sachlichkeit N in Dresden 58Überhöhte Wirklichkeit um 1900. Voraussetzungen der Neuen Sachlichkeit in Dresden Andreas Dehmer | Birgit Dalbajewa Medienpartner 114Neue Sachlichkeit und Alte Meister – Rezeption und Transformation Andreas Dehmer | Konstanze Krüger 66Tradition und Handwerk. Die künstlerische Ausbildung in Dresden nach 1900 Andreas Dehmer | Birgit Dalbajewa 76»Die Wendung der Kunst zur krassen Gegenwärtigkeit«. Dresdner Malerei zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit, 1920 bis 1922 Mathias Wagner 88»Für die soziale Idee begeistert«. Junge Dresdner Künstler in der zeit genössischen Rezeption um 1925 Birgit Dalbajewa 98Die Dresdner Neue Sachlichkeit im Spiegel nationaler und internationaler Entwicklungen: zwei wegweisende Ausstellungen 1925/26 Stephan Dahme | Kati Renner 104Rückkehr zu Ordnung und Beschaulichkeit. Zur Vielfalt der Positionen um 1928 Birgit Dalbajewa 22Die Schüler von Otto Dix, 1927 bis 1933 1 Judith Kühnle 130Kunst als Waffe. Die »Asso« in Dresden, 1930 bis 1933 Mathias Wagner 136Neue Sachlichkeit nach 1933? Dresdner Künstler im »Dritten Reich« Birgit Dalbajewa | Ruth Heftrig 144Studien zur Maltechnik der Neuen Sachlichkeit in Dresden Maria Körber Künstler der Neuen Sachlichkeit 72Malerei und Zeichnung 1 Stephan Dahme | Birgit Dalbajewa | Andreas Dehmer | Ruth Heftrig | Katharina Hoins | Judith Kühnle | Mathias Wagner Mit weiteren Beiträgen von Rolf Günther | Michael Hering | Frizzi Krella | Claudia Maria Müller | Matthias Müller | Karin Müller-Kelwing | Holger Peter Saupe | Johannes Schmidt | Daniel Spanke | Stefan Voerkel | Rainer Wandel 320Exkurs: Skulptur der Neuen Sachlichkeit in Dresden Astrid Nielsen 326Exkurs: Fotografie der 1920er und 1930er Jahre in Dresden Agnes Matthias | Mit einem Beitrag von Wolfgang Hesse Anhang 35Autoren | Abkürzungen 3 337Literatur 343Personenregister 349Bildnachweis 351Impressum 1918 8. November Die vom Kieler Matrosenaufstand ausgelösten Unruhen erfassen Sachsen. In den drei größten sächsischen Städten Dresden, Leipzig und Chemnitz kommt es zu Demonstrationen. Bildung eines provisorischen »Soldaten- und Arbeiterrats« in Dresden durch protestierende Soldaten der Dresdner Garnison. 1918 bis 1933. Deutsche und Dresdner Zeitgeschichte in Wort und Bild Mathias Wagner Ruth Heftrig Andreas Dehmer Die vorliegende Chronik stützt sich auf Publikationen und Datenbanken zur deutschen und sächsischen Geschichte sowie zur Dresdner Stadtgeschichte. Ausgewertet wurden auch Zeittafeln in Veröffentlichungen zur deutschen und Dresdner Kunst der 1920er Jahre. Wichtige Informationen lieferten außerdem die Recherchen in zeitgenössischen Ausstellungskatalogen, Zeitschriften und Tageszeitungen sowie in den historischen und statistischen Jahrbüchern der Stadt Dresden. Überregionale Daten und Ereignisse sind schwarz, lokale und regionale Daten und Ereignisse sind grau gedruckt. 9. November In ganz Deutschland übernehmen revolutionäre Arbeiter- und Soldatenräte die politische Führung. Kaiser Wilhelm II. verlässt Deutschland und begibt sich ins niederländische Exil, wo er am 28. November offiziell seinen Thronverzicht erklärt. Friedrich Ebert wird Reichskanzler. Philipp Scheidemann ruft in Berlin die »Deutsche Republik« aus, wenig später proklamiert Karl Liebknecht die »Sozialistische Räterepublik« in Deutschland. In Dresden bilden führende Mitglieder der MSPD (Mehrheitssozialdemokraten) einen provisorischen Arbeiterrat. Zusammen mit den revolutionären Soldaten Proklamation eines gemeinsamen »Arbeiter- und Soldatenrates Groß-Dresden« in einer Kundgebung auf dem Theaterplatz. Die USPD (Unabhängige Sozialdemokraten) lehnt ein erstes Angebot zur Zusammenarbeit ab und organisiert auf dem Fischhofplatz eine Gegenkundgebung, auf der Otto Rühle als Führer der Internationalen Kommunisten Deutschlands (IKD) die bewaffnete Weiterführung der Revolution und die Errichtung einer Räterepublik nach russischem Vorbild fordert. Konstituierung eines »Revolutionären Arbeiter- und Soldatenrates«. Der von Jakob Heilmann und Max Littmann entworfene Zirkus Sarrasani in Dresden, um 1915, Aufnahme von R. Arno und Rudolf Adam. Der sächsische König Friedrich August III. verlässt das Residenzschloss und begibt sich auf das Jagdschloss Moritzburg. Die Berliner »Novembergruppe« gibt ab 1921 auch eine Zeitschrift heraus; Titelblatt gestaltet von Hannah Höch. Der sächsische König Friedrich August III. dankt ab, Aufnahme von E. C. G. Donadini. Conrad Felixmüller: Der Agitator Otto Rühle spricht, Replik des 1920 entstandenen Gemäldes, 1946 (Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie). 10. November Trotz unterschiedlicher politischer Zielsetzungen kommt es im Zirkus Sarrasani zu Verhandlungen zwischen MSPD und USPD und zur Bildung eines »Vereinigten revolutionären Arbeiter- und Soldatenrates« unter der Führung von Otto Rühle (IKD) und Albert Schwarz (MSPD). »Proklamation an das sächsische Volk«, die als wichtigste politische Forderungen die Abschaffung der Monarchie und die Auflösung des sächsischen Landtages enthält. Plan zur Einberufung einer sächsischen Nationalversammlung auf der Grundlage des allgemeinen Wahlrechts für Männer und Frauen. Auf dem Dresdner Schloss wird die rote Fahne gehisst. Das 1911/12 errichtete Gebäude des Zirkus Sarrasani war mit 5000 Plätzen der größte Versammlungsort in Dresden und wurde bis 1933 auch als Bühne politischer Veranstaltungen genutzt. 11. November Waffenstillstandsabkommen zwischen Deutschland und den Alliierten in Compiègne. 13. November Abdankung des sächsischen Königs Friedrich August III. Gründung des »Rates der Volksbeauftragten« (Revolutionsregierung) für Sachsen, dem jeweils drei Mitglieder der MSPD und USPD angehören und der seinen Sitz im Ständehaus hat. Die radikale Linke verzichtet auf eine Beteiligung an dieser Regierung und Otto Rühle erklärt einen Tag später ihren Austritt aus dem aus Sicht der Kommunisten bürgerlich ausgerichteten »Arbeiter- und Soldatenrat« Sachsens. 16. November Gründung eines Künstlerrates in Dresden. An der Sitzung im Neuen Rathaus nehmen Otto Gussmann, Richard Dreher, Ludwig von Hofmann, Robert Sterl, Georg Wrba und Hans Poelzig teil. 24. November Neuwahl zum »Arbeiter- und Soldatenrat« in Sachsen, aus der die gemäßigten Sozialisten als klare Sieger hervorgehen. Stärkung des bürgerlichen Lagers. Von den im November landesweit gegründeten nationalliberalen Parteien Deutsche Volkspartei (DVP), Deutsche Demokratische Partei (DDP) und der weit rechts stehenden Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) etabliert sich die DVP im Laufe der 1920er Jahre als stärkste bürgerliche Kraft in Dresden. November Gründung des »Arbeitsrates für Kunst« (bis 1921) und der »Novembergruppe« (bis 1931), in denen sich bildende Künstler, Architekten, Komponisten, Filmemacher und Schriftsteller organisieren, die am Aufbau einer neuen Gesellschaft mitwirken wollen. Aus Dresden gehören der »Novembergruppe« u. a. Otto Dix und Otto Griebel an. 16. – 21. Dezember Ein Reichsrätekongress stimmt in Berlin für die Einberufung einer Nationalversammlung. Als Termin für die Wahlen auf Reichsebene wird der 19. Januar 1919 festgelegt. 22. Dezember Böhmen wird als Teil der neu gegründeten Tschechoslowakei anerkannt, aus dem größten Teil Deutschböhmens wird später das Sudetenland. 23./24. Dezember Blutige Straßenkämpfe in Berlin (»Blutweihnacht«). 30. Dezember – 1. Januar 1919 Gründungsparteitag der KPD, die aus der Vereinigung des »Spartakusbundes« und anderer linksradikaler Kräfte hervorgeht und sich gegen eine Beteiligung an den bevorstehenden Wahlen ausspricht. 1919 4. Januar Bildung der ersten sächsischen KPDOrtsgruppe in Leipzig. 5. Januar Nach der Entlassung des Polizeipräsidenten Emil Eichorn (USPD) kommt es in Berlin unter Führung des »Spartakusbundes« zu Demonstrationen der Arbeiterschaft. Einen Tag später bilden Vertreter der USPD, der KPD (Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht) und revolutionärer Gewerkschaften einen »Revolutionsausschuss« und erklären den »Rat der Volksbeauftragten« für abgesetzt. Zu den Zielen der Aufständischen gehören die Kontrolle der Schlüsselindustrien (Stahl, Kohle, Finanzen), die Verhinderung der Wahlen zur Nationalversammlung und die Vollendung der Novemberrevolution durch die Errichtung einer sozialistischen Räterepublik. Besetzung von öffentlichen Gebäuden. Die Übergangsregierung Ebert ruft zur Gegendemonstration auf. Der neue Volksbeauftragte für Heer und Marine Gustav Noske (SPD) ist für die Bekämpfung des Aufstandes zuständig. Unterstützt wird dieses Vorgehen durch die Wirtschaftsverbände der deutschen Industrie. 8. Januar Nachdem Verhandlungen zwischen Reichsregierung und USPD scheitern, kommt es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen linksradikalen Kampfverbänden und Regierungstruppen, die von reaktionären Freikorps unterstützt werden. Am Tag darauf Ausrufung des Generalstreiks durch die Aufständischen. Deutschlandweit gibt es Solidaritätsbekundungen. Die Kämpfe zwischen der SPD-geführten Reichsregierung und den sozialdemokratischen Landesregierungen auf der einen Seite und den revolutionären Kräften unter Führung von USPD, KPD und kommunistischen Gewerkschaftsverbänden auf der anderen Seite dauern bis in das Frühjahr 1919 an. In Dresden richten sich die von Otto Rühle organisierten Proteste vor allem gegen die »bürgerliche« Politik der Mehrheitssozialisten. Beim Versuch, das Redaktionsgebäude des SPD-Organs »Sächsische Volkszeitung« zu stürmen, kommt es zum Zusammenstoß von Sicherheitswehr und Demonstranten, bei dem zwölf Menschen getötet und über 50 verwundet werden. Die USPD verlässt daraufhin die sächsische Revolutionsregierung. 19. Januar Aus der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung gehen die Sozialdemokraten als stärkste Partei hervor. Auch in Sachsen erhält die SPD die meisten Stimmen. 22. Januar Georg Gradnauer (SPD) bildet in Dresden eine neue sozialdemokratische Revolutionsregierung ohne die USPD. Januar Auflösung der Generaldirektion der »Königlichen Sammlungen« in Dresden. Seit Anfang 1919 unterstehen die »Staatlichen Kunstsammlungen« dem Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, ab 1921 dem Ministerium für Volksbildung. Blick in die Räume des Kraft-KunstInstituts mit dem »Siegerknaben« von Sascha Schneider, um 1921 . Otto Dix: Bildnis des Dresdner Museumsdirektors Paul Ferdinand Schmidt, 1921 (Staatsgalerie Stuttgart). Plakat von Otto Dix zur 1. Ausstellung der »Dresdner Sezession – Gruppe 1919«. 2. Februar Wahlen zur Sächsischen Volkskammer (Landtag). Stärkste Fraktion wird die SPD mit 42 von 97 Sitzen im Parlament (DDP: 22; USPD: 15; DNVP: 13; DVP: 4 Sitze). Am 14. März wird Georg Gradnauer (SPD) zum ersten sächsischen Ministerpräsidenten gewählt und bildet eine SPD-Minderheitsregierung. Mary Wigmans Auftritt in Dresden verhilft ihr zum Durchbruch. Zu ihren Solotänzen zählt auch »Spukhafte Gestalt (Vision III)« aus dem Zyklus »Visionen«, 1925. Aufnahme von Charlotte Rudolph. 6. Februar Die verfassunggebende Nationalversammlung konstituiert sich in Weimar. Friedrich Ebert (SPD) wird zum Reichspräsidenten gewählt, Philipp Scheidemann (SPD) als Ministerpräsident mit der Kabinettsbildung beauftragt. Am 13. Februar übernimmt die »Weimarer Koalition« aus SPD, Zentrum und DDP die Regierungsgeschäfte. 9. Februar Wahl zur neuen Stadtverordnetenversammlung in Dresden. MSPD und USPD erringen zusammen eine knappe Mehrheit. Erstmals werden auch zehn Frauen ins Stadtparlament gewählt. Oberbürgermeister bleibt der seit 1915 amtierende und seit Juni 1918 auf Lebenszeit im Amt bestätigte Liberale Bernhard Blüher, der diesen Posten bis 1931 innehat. 10. – 12. Januar Blutige Niederschlagung des »Spartakusaufstandes« in Berlin. Über 150 Menschen sterben. 15. Januar Politischer Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht durch Freikorps-Soldaten. Die Nachricht löst schwere Unruhen und bürgerkriegsähnliche Zustände in vielen deutschen Städten aus. 22 Ende Januar In Dresden wird die Künstlergruppe »Dresdner Sezession – Gruppe 1919« von Otto Dix, Conrad Felixmüller, Wilhelm Heckrott, Constantin von Mitschke-Collande, Otto Schubert, Lasar Segall und dem Schriftsteller Hugo Zehder gegründet. Später schließen sich Peter August Böckstiegel, Ludwig Godenschweg, Gela Forster, Eugen Hoffmann, Walter Jacob, Otto Lange und Christoph Voll an. Oskar Kokoschka wird Ehrenmitglied. In Dresden sind 21 838 Erwerbslose registriert. 27. Februar – 10. März Generalstreik in Mitteldeutschland. Der Dresdner Oberbürgermeister Bernhard Blüher in einem Gemälde von Hanns Hanner, 1932 (Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung, Museen der Stadt Dresden). 28. Februar Verabschiedung des »Vorläufigen Grundgesetzes für den Freistaat Sachsen«. Die Malklasse von Richard Müller im Jahr 1921 . Seit 1919 sind Frauen zum Studium an der Dresdner Kunstakademie zugelassen. 23 2. – 6. März Gründungkongress der »Kommunistischen Internationale« (Komintern) in Moskau. 3. – 13. März Ein Aufruf zum Generalstreik durch die »Spartakus-Gruppe« und den »Arbeiterrat von Groß-Berlin« eskaliert in den »März unruhen« in Berlin. Bei den Kämpfen zwischen den Spartakisten und den Regierungstruppen sterben 1200 Menschen. 23. März – 1. August Räterepublik in Ungarn. 7. April – 2. Mai Räterepublik in München. 12. April Demonstration von Kriegsteilnehmern auf dem Dresdner Theaterplatz, nachdem bekannt geworden war, dass die Pensionen für Veteranen gekürzt werden sollen. Im Anschluss formiert sich ein Protestzug zum Kriegsministerium. Als der sächsische Kriegsminister Gustav Neuring ein Gespräch ablehnt, dringt die aufgebrachte Menge in das Gebäude ein und überwältigt den Minister. Er wird in die Elbe geworfen und beim Versuch, an Land zu schwimmen, erschossen. Daraufhin wird in Sachsen der Belagerungszustand ausgerufen. April Umwandlung der Großherzoglichen Kunsthochschule zu Weimar in das Staatliche Bauhaus unter der Leitung von Walter Gropius. April/ Mai I. Ausstellung der »Dresdner Sezession – Gruppe 1919« in der Kunsthandlung Emil Richter. 7. Mai Übergabe des Entwurfs des Friedensvertrags an das Deutsche Reich. Zu den wichtigsten darin enthaltenen Bedingungen gehören die Anerkennung der alleinigen Kriegsschuld Deutschlands, große Gebietsabtrennungen, Verlust der Kolonien, Abschaffung der Wehrpflicht, Entmilitarisierung des Rheinlandes und enorme Reparationszahlungen. 12. Mai Ministerpräsident Philipp Scheidemann weist in der Weimarer Nationalversammlung die Bedingungen für den Friedensvertrag als unannehmbar zurück. 1. Juni Gründung des »Kraft-Kunst-Institutes« in Dresden unter künstlerischer Leitung von Sascha Schneider. 16. Juni Ultimatum der alliierten Siegermächte zur Annahme des Friedensvertrages. 28. Juni Unterzeichnung des Friedensvertrages von Versailles, in dem Deutschland die Alleinschuld am Krieg anerkennt. Im Versailler Vertrag wird zugleich die Satzung des Völkerbundes angenommen und in Kraft gesetzt. 8. August Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und demonstrierenden Arbeitern werden in Chemnitz 50 Menschen getötet und 80 verletzt (»Chemnitzer Blutbad«). 11. August Reichspräsident Friedrich Ebert unterzeichnet die Weimarer Verfassung. 1920 20./21. Juni Das Kabinett Scheidemann tritt zurück. Bildung einer neuen Reichsregierung von SPD und Zentrum unter Führung von Gustav Bauer (SPD). 1. Januar Edmund Kesting gründet in Dresden seine Kunstschule »Der Weg«. 10. Januar Inkrafttreten der Bestimmungen des Versailler Vertrages. 19. Januar »Dadaistische Soiree« im Haus der Dresdner Kaufmannschaft mit Richard Huelsenbeck, Johannes Baader und Raoul Hausmann. Laut Augenzeugen endet der Abend mit einer wilden Prügelei. Die Presse reagiert empört, die jungen Künstler – vor allem Otto Dix und Otto Griebel – sind begeistert und versuchen, Dada in Dresden einzuführen. 1. Februar In Dresden wird eine Flugverbindung nach Berlin eingerichtet. 26. Februar Uraufführung des Films »Das Cabinet des Dr. Caligari« von Robert Wiene. 1. September Paul Ferdinand Schmidt wird neuer Direktor der Städtischen Sammlungen Dresden. Bis zu seiner Entlassung im Januar 1924 kauft er wichtige Werke der modernen und zeitgenössischen Kunst für die Stadt an. Februar Gründung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) in München. 13. – 16. März Kapp-Lüttwitz-Putsch. Die Reichsregierung flieht über Dresden nach Stuttgart. Der Aufruf zum Generalstreik durch Parteien und Gewerkschaften vereitelt den Putschversuch. In Dresden besetzen die protestierenden Arbeiter am 15. März das Telegrafenamt auf dem Postplatz. Die Reichswehr rückt vom Zwinger her gegen die Demonstration vor. Bei den Kämpfen werden 56 Menschen getötet und über 200 verletzt. Eine verirrte Kugel schlägt in die Gemäldegalerie ein und trifft Rubens’ Gemälde »Bathseba im Bade«. Daran entzündet sich die »Kunstlump«Debatte zwischen George Grosz/John Heartfield und Oskar Kokoschka. Herbst Berufung des Bildhauers Karl Albiker, der Maler Richard Dreher und Oskar Kokoschka sowie des Architekten Hans Poelzig an die Dresdner Kunstakademie. Die im Frühjahr eingeleiteten Reformen werden fortgeführt. An die Stelle der Unter-, Mittel- und Meisterklassen treten die von den Professoren geführten Einzelschulen, der einheitliche Lehrplan wird zugunsten einer individuellen Anleitung durch den jeweiligen Lehrer aufgegeben. Nach der grundsätzlichen Zulassung von »Damen« schreiben sich im Wintersemester 1919/20 erstmals drei Frauen an der Akademie ein (Irena Rabinowicz, Erika Scherffig und Ilse Wandolleck). 25. März Rücktritt der Reichsregierung. Hermann Müller (SPD) bildet ein neues Kabinett aus SPD, DDP und Zentrumspartei. 6. Oktober Erste sozialliberale Koalition (SPD, DDP) in Sachsen unter Führung Georg Gradnauers (SPD). März – April Arbeiter-Kämpfe in Mitteldeutschland und im Ruhrgebiet (»Rote Ruhrarmee«), die von der Reichswehr niedergeschlagen werden. Im Vogtland scheitert der Versuch des kommunistischen Arbeiterführers Max Hoelz, mit bewaffneten Truppen eine sozialistische Räterepublik zu errichten. 7. November Gastspielauftritt der Tänzerin Mary Wigman im Haus der Kaufmannschaft in Dresden. 18. November Im Rahmen des Untersuchungsausschusses zum Kriegsverlauf propagiert Hindenburg im Reichstag die »Dolchstoßlegende«. Frühjahr Mary Wigman eröffnet in Dresden ihre Schule für modernen Bühnentanz, aus der viele erfolgreiche Tänzer und Choreografen hervorgehen, darunter die ebenfalls in Dresden wirkende Gret Palucca. 24 22. April Rücktritt des sächsischen Ministerpräsidenten Georg Gradnauer und seines Innenministers Karl Otto Uhlig. 4. Mai Wilhelm Buck (SPD) wird neuer Ministerpräsident einer sozial-liberalen Koalition in Sachsen. 6. Juni Reichstagswahl. Verluste der »Weimarer Koalition«. Bürgerliches Minderheitenkabinett aus Zentrum, DDP und DVP unter Constantin Fehrenbach (Zentrum). 21. Juni Die sächsische Regierung löst alle Arbeiterräte auf. 30. Juni – 25. August Erste Internationale Dada-Messe in Berlin. Unter dem Titel »45 % Erwerbsfähig!« zeigt Otto Dix das Bild »Die Kriegskrüppel«, das später von Paul Ferdinand Schmidt für das Dresdner Stadtmuseum angekauft wird. 1937 fällt es der Aktion »Entartete Kunst« zum Opfer und gilt seither als verschollen. Der spätere Maltechnik-Lehrer der Dresdner Kunstakademie, Kurt Wehlte, wirbt für die »Weg schule« von Edmund Kesting. Dresdner Zeitungen machen im Januar auf die »Dadaistische Soiree« aufmerksam. Filmplakat zu »Das Cabinet des Dr. Caligari«, Entwurf von Erich Ludwig Stahl und Otto Arpke, 1920. In der Buchhandlung Dr. Otto Burchard in Berlin findet im Sommer 1920 die »Erste Internationale Dada-Messe« statt. 19. Juli – 7. August II. Kongress der Kommunistischen Internationale (Komintern) in Petrograd. 14. August – 12. September VII. Olympische Spiele in Antwerpen. Deutsche Sportler sind nicht eingeladen. 13. September Ernst Jüngers überarbeitetes Kriegstagebuch »In Stahlgewittern« erscheint. Das Mitglied der »Dresdner Sezession – Gruppe 1919« Lasar Segall in seinem Atelier, 1919. Herbst Der Architekt Heinrich Tessenow wird Nachfolger von Hans Poelzig an der Dresdner Akademie. 1. Oktober Der Maler Max Liebermann (Abb. S. 201) wird zum Präsidenten der Preußischen Akademie der Künste gewählt. 26. Oktober Verabschiedung der neuen Sächsischen Verfassung, die am 1. November in Kraft tritt. Zwei Tage später Auflösung des Landtages. Zum 10-jährigen Berufsjubiläum von Mary Wigman treffen sich namhafte Tänzerinnen, 1930. Oktober Erste Russische Kunstausstellung in der Galerie Van Diemen in Berlin. Beteiligt sind unter anderen El Lissitzky und Naum Gabo. Oktober/November III. Ausstellung der »Dresdner Sezession – Gruppe 1919« in der Galerie Arnold, in der Otto Dix erstmals seine Kriegskrüppel-Bilder in Dresden zeigt. 14. November Landtagswahlen. Die SPD bleibt stärkste Kraft, aber das sozialdemokratische Lager hat keine Mehrheit. Bildung einer Minderheitsregierung von SPD und USPD unter Wilhelm Buck. 25 Andreas Dehmer | Birgit Dalbajewa Überhöhte Wirklichkeit um 1900. Voraussetzungen der Neuen Sachlichkeit in Dresden Fragt man nach den Charakteristika einer Schu le oder einer Richtung in einem lokalen Kunst zentrum, stellt sich naturgemäß die Frage nach den Wurzeln, nach spezifischen Voraussetzun gen, die zu Sonderentwicklungen oder bestimm ten Merkmalen führen können. Das können weg bereitende Leistungen einer Vorgängergenera tion sein, in anderen Fällen auch Konstellationen, die eher im Widerspruch oder in der Abgrenzung gewisse Tendenzen begünstigen. Beziehungs gefüge, in denen bestimmte künstlerische Reak tionen entstehen, sind in ihrer Vielfalt als Ganzes kaum zu erfassen, zumal gerade im 20. Jahrhundert eine Region nicht abgeschlossen betrachtet wer den kann, sondern im Kontext landes- und euro paweiter Entwicklungen gesehen werden muss. Um die künstlerische Situation und den Stand der Malerei- und Zeichenausbildung in Dresden zu beschreiben, ist es jedoch möglich, beispiel haft einige Lehrer- und Künstlerpositionen her auslösen, die in Dresden sowohl stilistisch als auch inhaltlich maßgebliche Anregungen für jene beginnenden Künstler boten, die vor dem Ersten Weltkrieg ihr Studium aufgenommen und ab 1920 ausgeprägt realistische Positionen bezo gen bzw. einen von der strengen Zeichnung geprägten Verismus hervorgebracht hatten. So existierten in der sächsischen Residenzstadt um 1900 bemerkenswert eigenständige, von Künst lern in München oder Darmstadt, Wien oder anderen Städten deutlich zu unterscheidende Positionen der Stilkunst und des Symbolismus. 1 »Fanatiker der Form und der Linie« 1 Vgl. dazu den Beitrag beider Autoren über »Alter und Ju gend« – Maler der Stilkunst in Dresden um 1900, in: Galerie Neue Meister Dresden 2010, S. 277 f., sowie Andreas Dehmer, Malerei des Fin de Siècle in der Dresdener Galerie, Dresden 2010. 2 Kuno von Hardenberg, Zeichnungen von Hans Un ger – Dresden, in: Deutsche Kunst und Dekoration 61: 1928, S. 405 – 409, hier S. 405. 3 Posse 1928, S. 21 f. 4 Harden berg 1928 (wie Anm. 2). Zur vorletzten Jahrhundertwende waren Erotik und Eleganz, Mythologie und Religion, Abgrün de und Apotheosen in bedeutungsvoller Stilisie rung gerade beim konservativen Großbürgertum im Deutschen Reich en vogue. Ob als Symbo lismus, Neuidealismus oder Jugendstil bezeich net, hatten sich mit diesen Spielarten ein neues Weltverständnis und eine neuartige Formen sprache Bahn gebrochen: Eine idealisierte, oft vom Gegenstand unabhängige Farbe füllte eine betont genaue und harte Umrisszeichnung aus, atmosphärische Auflösung des Raumes wurde bewusst und konsequent vermieden. Insbesondere die Linienkunst von Max Klinger wirkte unmittelbar – wie in Leipzig auf Otto Grei ner, Georg Kolbe und andere – auf Grafiker und Maler in Dresden wie Richard Müller, Sascha Schneider, Hans Unger und Oskar Zwintscher sowie eine ganze Generation nachfolgender, naturalistischer Heimatkunst verpflichteter Lo kalgrößen. Erstere vier – apologetisch auch als eine »Phalanx der Starken« bezeichnet 2 – bilde ten seit den mittleren 1890er Jahren überaus individuelle Handschriften heraus: »Es sind Fa 58 natiker der Form und der Linie […]. Sie suchen das Monumentale, die große Linie und ihren Rhythmus, eine bedeutende über die Wirklich keit sich erhebende Idee. […] Unter den Künst lern, die sich vor dem Impressionismus in eine eigene Ideenwelt flüchten, sind Eigenbrötler von echt sächsischer Zähigkeit und Programmatik«, resümierte der Direktor der Dresdner Gemälde galerie Hans Posse 1928.3 So wurde Sascha Schneiders Werk als »Mo numentalisierung dämonischen Weltgeschehens« charakterisiert, Richard Müller »Größe in Hol bein’scher Vertiefung bis ins Kleinste« beschei nigt und Hans Unger »träumte von einer neuen Renaissance, vom Kultus schöner Frauen […] und kühler Marmorarchitektur«.4 In ihren Figu renkompositionen waren diese Künstler maß geblich geprägt von einem weltabgewandten Traumgefilde der Sehnsüchte, Mythologien und des Unterbewussten. Ein solcher Hang zum Fantastischen, der einem kühlen Dokumentaris mus der Weimarer Republik zunächst grund legend zu widersprechen scheint, zieht sich – durchaus in dieser Tradition wurzelnd – auch durch zahlreiche realistische Dresdner Positio nen der 1920er Jahre. Beispielhaft hierfür ste hen Werke von Hilde Rakebrand, Carl Friedrich Treber, Woldemar Winkler oder Willy Wolff (vgl. Abb. S. 288 f., 307, 314 f., 317 – 319). Doch vor allem in ihrer Bildniskunst und Figurencharakte ristik hatten diese Dresdner Jugendstil-Maler ei nen Grad an Realismus in der Darstellung er reicht, der auch jenseits von Idealisierung und trockenem Naturalismus nachhaltig wirken sollte. Gemeinsame Qualitäten dieser eigensinnigen Bildschöpfer lagen darin, Geschmack, Mode und Neuerungen jener zerrissenen Zeit sehr wohl aufgenommen und verarbeitet zu haben, ohne jedoch davon erfasst, deren Epigonen oder gar eklektisch geworden zu sein. Ihnen gemein war ein formaler und inhaltlicher Ehrgeiz, den An spruch einer Ideen- oder Gedankenmalerei nicht in einer Orientierung am breiten Publikumsge schmack, sondern fernab einer süßlich-kitschi gen Salonkunst zu erfüllen. Diese Ernsthaftigkeit, gerade auch in der grafischen Gegenstands präzision, ließ die »Fanatiker der Form und der Linie« – auch durch ihr mehrheitliches Wirken an der Dresdner Akademie – wiederum zu Vor bildern einer jungen Künstlergeneration werden, zu den Wegbereitern der nach dem Ersten Welt krieg einsetzenden Neuen Sachlichkeit. Abb. 1 Richard Müller Stillleben mit Totenkopf | 1902 | Öl auf Leinwand | 60 × 43,5 cm | Museum Bautzen, Inv.-Nr. 4136 Im Zuge einer Rückkehr zur Wirklichkeit in ei nem spätimpressionistisch geprägten Realis mus und zu betont malerischen Positionen (nach einer Phase expressionistischer und kubo-futu ristischer Experimente) verschwand dieser ver gleichsweise kurze Höhepunkt einer Dresdner Stilkunst bald wieder von der Bildfläche. Der Reformgeist der Jahrhundertwende bahnte sich in künstlerischen Experimenten wie dem Expres sionismus der »Brücke«-Künstler auch andere Wege. Die Neuerungen des Formenvokabulars der Jugendstil-Malerei aber waren ganz offenbar noch nicht ausgeschöpft. »Proto-Neue Sachlichkeit« 5 Gustav Pauli, Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten, Tübin gen 1936, S. 132 f. Von Woldemar von Reichenbach besitzt die Galerie Neue Meister ein delikat ausgeführtes Interieur (Gal.-Nr. 2316 A). 6 Schmalenbach 1973, S. 81 – 85. 7 Von 1903 bis 1935 lehrte Müller an der Kunstakademie vor allem Radierung und Zeichnung; vgl. dazu auch den fol genden Beitrag, bes. S. 71 – 75. 8 Löffler 1999, S. 101. 9 Ebd., S. 72. 10 Vgl. beispielsweise das »Selbstbildnis mit Nelke« (1912) im Detroiter Institute of Art und das ver schollene »Selbstbildnis vor Landschaft mit Felsen, Bergwie se und Meer« (1913); s. dazu auch Schmidt 1978, S. 16 – 23. 11 Löffler 1999, S. 58. 12 Sigrid Walther, in: AK Dresden 2000, S. 9. Zu Grosz’ Erinnerungen an Müller s. den fol genden Beitrag, S. 72 f. Der spätere Direktor der Bremer bzw. Hambur ger Kunsthalle, Gustav Pauli, schätzte im Rück blick auf seine Zeit als Bibliothekar an der Kunst akademie von 1894 bis 1899 die Situation im Dresdner Kunstleben wie folgt ein: »Unter den älteren Schülern der Akademie zeichneten sich damals die dekorativ begabten Maler Oskar Zwintscher und Hans Unger aus, der Maler und Graphiker Richard Müller und Sascha Schnei der. Mit ihnen allen bin ich damals oft zusam mengekommen. Schneider erregte Aufsehen durch seine großen tiefsinnig motivierten Kom positionen männlicher Akte. Er gehörte zu den glühenden Bewunderern Max Klingers, deren es in Dresden viele gab […]. Müller erregte die Bewunderung seiner Lehrer durch scharf beob achtete und sehr säuberlich ausgeführte Natur studien. In der Spätzeit des Impressionismus erschien er als ein Vorläufer jener Richtung, die heute unter dem schulmeisterlich trockenen Na men der ›Neuen Sachlichkeit‹ aktuell geworden ist. Eben diese Richtung scheint der Sonderbe gabung des sächsischen Stammes zu entspre chen. Sie hatte damals einen älteren Vertreter in dem Grafen Reichenbach und gipfelte später in dem sehr sächsischen Otto Dix.« 5 Als »ProtoNeue Sachlichkeit« deklarierte Fritz Schmalen bach diese Formensprache, zu deren Vertretern er unter anderen Georg Lührig, Richard Müller, Hans Unger und Oskar Zwintscher zählte. In »ihrer übertriebenen zeichnerischen Gegen standspräzision« hätten ihre Werke »eine ver blüffende Ähnlichkeit mit den Bildern der zwan zig Jahre jüngeren Strömung«. 6 Richard Müller prägte seit seiner Berufung als Professor 1903 über drei Jahrzehnte hinweg in der Dresdner akademischen Ausbildung – na mentlich im Zeichnen – zahlreiche Künstler. Von Max Ackermann, Otto Dix und George Grosz bis Rudolf Bergander, ob sie wollten oder nicht: Keiner von ihnen konnte seiner handwerklichen Virtuosität gleichgültig gegenüberstehen. 7 Auch Fritz Löffler bezeichnete ihn als »Vorläufer der Bewegung«. 8 Was sich mit Müllers erstem Öl 60 gemälde »Barmherzige Schwester« von 1898/ 1899 (Abb. S. 116) ankündigte, wurde in den folgenden Jahren konsequent bestätigt – eine auf die Spitze getriebene, auch durch den Ein satz altmeisterlicher Maltechnik erzielte Reali tätstreue, die von Kritikern nicht selten unter dem Etikett eines exakten, trockenen oder gar »unerbittlichen Naturalismus« abgehandelt wur de. 9 Nicht zufällig waren es weniger die Gen reszenen, als vielmehr Müllers Porträts, die Aus zeichnungen erhielten und Aufträge nach sich zogen; hier mündete die Genauigkeit der Zeich nung in einem scharf charakterisierenden Rea lismus – der auch die frühen Selbstporträts des Otto Dix kennzeichnet, in denen er mit der For mensprache des Jugendstils experimentierte. 10 Eine solche suggestive Minutiösität bestimmt nicht minder Müllers Darstellung eines Ateliers in der Dresdner Akademie von 1907 (Abb. S. 73), die durch seine harte Modellierung der Figuren und Gegenstände sowie deren Maßstab im Raum eine symbolische Aufladung erfährt. Die se Wirkung erreichen – stärker noch als die in der Nachfolge Klingers geschaffenen Radierun gen mit Tier- und Figurenszenen voller »billige[r] und spießerische[r] Erotik« 11 – vor allem auch Müllers Stillleben, wie bereits das 1902 gemalte »Stillleben mit Totenkopf« (Abb. 1). In einer spä teren Version zum Atelierbild von 1907, »Zei chenklasse in der Akademie« von 1920 (Galerie Neue Meister, Gal.-Nr. 3141), ist eine solche »Natura Morta« mit Gipstorso, Malutensilien und Firnisflaschen eingefügt: bedeutungsschwer als Memento mori angelegt und dabei doch ein Stück Realität, scheinbar ohne Kommentar ob jektiv geschildert. Hier wird ersichtlich, dass nicht allein Müllers genaue Zeichnungskunst, wie auf der Grundlage der Erinnerungen von George Grosz immer wieder beschrieben, für die nachfolgenden Künstler von Bedeutung ge wesen ist, sondern ebenso ein »Dresdner DingSurrealismus«, wie ihn Sigrid Walther im Werk seines Schülers Willy Wolff erkannte. 12 Das frühe Œuvre von Oskar Zwintscher zeigt gleichermaßen offensichtlich, dass einhergehend mit der scharf gezogenen Umrisslinie als dominie rendem Gestaltungselement ebenso die foto grafisch wirkende Tiefenschärfe bis zur feinsten Falte getrieben werden konnte. Gerade Zwint scher vermittelte zudem entscheidende Impulse, Raum und Tiefe im Bild – insbesondere in der Porträtmalerei – so weit wie möglich zurückzu nehmen. Das Bildnis seiner Gattin von 1902 (Abb. 2) zeigt besonders deutlich, wie bewusst und wohlkonstruiert der Maler die folienhafte Flächigkeit des Bildes betont, indem er scharfe Abgrenzungen und Kontraste bildet und die ein zelnen Bildgründe – hier nur Vorder- und Hin tergrund – nahezu ohne Zwischenraum knapp hintereinander legt. Mit zeittypischem Raffinement, das Ornament ebenso flächenbetonend einge Abb. 2 Oskar Zwintscher Bildnis der Gattin des Künstlers | 1902 | Öl auf Leinwand | 200 × 100 cm | SKD, Galerie Neue Meister, Gal.-Nr. 2335 Abb. 3 Oskar Zwintscher Bildnis einer Dame mit Zigarette | 1904 | Öl auf Leinwand | 82 × 68 cm | SKD, Galerie Neue Meister, Gal.-Nr. 2690 13 Erhard Frommhold, Hermann Lange – ein zu Unrecht vergessener Maler, in: Barbara Funk u. a., Nun tu’ ein Fens ter auf … Leben und Werk des Freitaler Malers Hermann Lange. 1890 – 1939, Dresden 1995, S. 30. Ähnlich formuliert bereits in seiner Rezension: Eine Ausstellung rings um Os kar Zwintscher im Albertinum, in: Bildende Kunst, 1982, S. 440 – 443, hier S. 442. 14 Löffler 1999, S. 58, Richard Müller betreffend. Markante Bildnisse von Zwintscher aus der Zeit um 1900 befinden sich in der Galerie Neue Meister (Gal.-Nr. 2335 E und 3740). 15 Zwintschers Bedeutung für die Dresdner Malerei der 1920er Jahre wurde bereits hervorgehoben von Joachim Uhlitzsch, Oskar Zwintscher, Leipzig 1984, bes. S. 3 und 13 f. setzt, zeigt Zwintscher seine Frau in schlichter Eleganz auf einer Art Proszenium, dessen Tiefe auf ein Minimum begrenzt ist, und erreicht da durch Modernität und eine suggestive Intensität in der bildfüllenden Darstellung. Diese Auffas sung des Bildraums, das Bekenntnis zu Linea rität und Flächigkeit, bildete sich in der Stilkunst in verstärktem Maße heraus und ist als formales Motiv in verschiedensten Ausprägungen etwa bei Otto Dix, Franz Lenk, Wilhelm Heckrott oder Ernst Holzhäuser (vgl. Abb. S. 189, 264, 238, 245) nachzuvollziehen – und zwar geradezu an tithetisch umgesetzt namentlich in Bildnissen und Interieurdarstellungen aus dem Arbeitermilieu. Zwintscher, der seit 1903 als Lehrer an der Kunstakademie in Dresden tätig war, vermied – wie die Alten Meister und Meister des 19. Jahr hunderts (etwa die Nazarener) – in seiner sorg fältig mit spitzem Pinsel ausgearbeiteten Malerei atmosphärische Wirkungen. Die Strukturen des Pinselstrichs wurden unterdrückt, die Malfläche geschlossen. Das überdeutlich Dargestellte er langte so eine magisch-symbolische Überhö hung. Diese formalen und technischen Metho den konnten dann – noch gesteigert – zu einem 62 krassen Dokumentarismus oder einer magisch verfremdeten Wirkung einer gegenstandsge treuen Wirklichkeitsschilderung führen. Der Schritt ist formal oft nicht groß, erscheint aber umso gewaltiger, da Zwintschers Kompo sitionen lebensabgewandte Themen aufnehmen, die Neuerung der jungen Künstler nach dem Ersten Weltkrieg aber im Blick auf die unge schönte Lebensrealität der Arbeiter liegt. Idea lisierte und »nackte« Realität, Idylle und Alltag werden mit vergleichbaren Mitteln vorgeführt – ein Topos, der sich mit dem Kategorisierungs versuch in einen rechten und einen linken Flügel von Malern durch die gesamte Geschichte der Neuen Sachlichkeit zieht: Zwintschers elegante Dame steht vor einer Tür; Dix’ rührige Eltern sit zen – in der späteren Version seines Elternbild nisses von 1924 (Sprengel Museum Hannover) noch deutlicher – unmittelbar vor der Rücken lehne des genau geschilderten Sofas und einer gemusterten Wand. Auf den Begriff der Folie als formales und psychologisches Mittel, wie ihn Wilhelm Waetzoldt 1908 verwendet hatte, ver wies in diesem Zusammenhang Erhard Fromm hold, um das Werk des Freitaler Malers Her mann Lange zwischen Zwintscher und Dix zu verorten. 13 Oskar Zwintschers Porträtkunst, wie sie im »Bildnis einer Dame mit Zigarette« (Abb. 3) ein drucksvoll zutage tritt, verdient der besonderen Erwähnung. Zu dem Grad an Realismus, den er durch zeichnerische Genauigkeit erreicht, ohne in »Trockenheit« oder »Kleinlichkeit« 14 zu verfal len, existiert wenig Vergleichbares. Dass Zwint scher damit insbesondere auch jüngere Künstler beeindruckte, die naturalistischen Richtungen folgten, lässt sich an einem Bild seines Schülers Carl Walther ablesen. Gleichwohl der 1880 ge borene Leipziger zu Beginn seines Studiums an der Kunstakademie 1902 zu Richard Müller kam, und nur von 1904 bis 1905 bei Zwintscher in die Lehre ging, spürt man die unmittelbaren Auswirkungen jenes Kontakts in einem Gemälde (Abb. 4), das etwa 20 Jahre später entstand und eine bemerkenswerte Kreuzung aus Jugendstil und Neuer Sachlichkeit darstellt. Ähnlich nachhaltigen Eindruck übte eine akri bisch und streng linear ausgeführte Landschaft Oskar Zwintschers, einer Aussage des Dix-Schü lers Rudolf Bergander zufolge, auf junge Künst ler in den 1920er Jahren aus. Das bereits 1904 – als Zwintscher zum Professor an der Dresdner Akademie ernannt wurde – auf der Großen Kunst ausstellung Dresden präsentierte und hochge priesene Bild »O wandern, o wandern!« (Abb. 5) war nach seinem frühen Tod aus der Gedächt nisausstellung 1916 in die Gemäldegalerie ge langt. 15 Andere Künstler der älteren Jahrgänge blie ben in den 1920er Jahren von den jüngsten Entwicklungen nicht unbeeinflusst, adaptierten Abb. 4 Carl Walther Frau mit Zigarette | 1926 | Öl auf Leinwand | 77 × 70 cm | Historisches Museum Bamberg, Inv.-Nr. 586 g lö c k n e r g lö c k n e r Hermann Glöckner *21. Januar 1889 in Cotta bei Dresden †10. Mai 1987 in Berlin/West 1904 – 07 Lehre als Musterzeichner | 1904 – 11 Abendkurse an der Kunstgewerbeschule Dresden | 1923 – 24 Studium an der Dresdner Kunstakademie bei Otto Gussmann Hermann Glöckners gegenständliche Gemälde der 1920er Jahre markieren in Dresden einen Randbereich der Neuen Sachlichkeit hin zum Konstruktivismus. Was Franz Roh 1926 für die niederrheinischen Maler Seiwert, Hoerle und Arntz konstatierte, könnte auch für Glöckner gelten, dass er nämlich eine »Mittelstufe zwischen abstrakter Aufteilung und Gegenständlichkeit anstrebt, in gewisser Kreuzung sozusagen von Konstruktivismus und neuer Dinglichkeit« (F. Roh, in: Das Kunstblatt 10:1926, S. 365). Glöckners reduzierte Figurenbilder und Architekturmotive rücken die Komposition und Tektonik von Fläche und Raum in den Fokus und vermögen den Blick auf diesen Aspekt auch für Werke anderer Dresdner Künstler, etwa Kretzschmar oder Heckrott, zu schärfen. Bereits Hartlaub beobachtete in seiner Einleitung zum Katalog der Mannheimer Ausstellung 1925: »beachtet man den konstruktiven Zug, den die heutige Wirklichkeitskunst nicht weniger betont, als die Kubisten oder Futuristen von gestern, so ergibt sich viel Gemeinsames« (AK Mannheim 1925, o. S.). Jene Luftleere, die oft als charakteristisch für die Arbeiten der Neuen Kirche in Dittersbach mit Mast (I) 28.9.1934 | Rötel | 63,6 × 47,5 cm | SKD, Kupferstich-Kabinett, Inv.-Nr. C 1989 – 446 Kopf einer jungen Frau 1927 | Mischtechnik auf Pappe | 22 × 17,5 cm SKD, Galerie Neue Meister, Inv.-Nr. 90/13 Sachlichkeit beschrieben worden ist, erscheint bei Glöckner zu einer neuen Qualität gesteigert, indem er etwa in seinen Dachlandschaften geometrische Flächen aneinandersetzte, »als wären die leeren Räume zwischen den Dächern weggelassen und die einzelnen Giebel eng zusammengerückt« (Johannsen 2010, S. 183). Technisch-geometrische Motive wie Stadtansichten, Strommasten oder Schornsteine faszinierten nicht nur Glöckner, sondern gehörten auch zum Bildrepertoire vieler Künstler der Zeit. Glöckner fügte den bildwürdigen Gegenständen den – in seinen Arbeiten meist leer bleibenden – Weiser hinzu, der durch die Funktionsstörung den Verweischarakter der gegenständli210 chen Malerei reflektiert. Das Gemälde »Weiser« von 1927, dem Jahr der ersten Einzelausstellung des 38-jährigen Glöckner in der Galerie Hartberg in Berlin, reduziert die Szenerie eines Strandbads mit Fliesenweg und Bogenbrücke gegenüber vorbereitenden Zeichnungen weiter zu Farbflächen. Die Senkrechten und Waagerechten im Bild folgen einer strengen Geome trie, die schon den Schüler und den Musterzeichner Glöckner faszinierte. KH Literatur: Hermann Glöckner zum 100. Geburtstag. Gemälde, Zeichnungen, Tafeln, Collagen, Abdrucke, Faltungen und plastische Arbeiten, AK Albertinum Dresden, Staatliche Galerie Moritzburg Halle 1989, hg. v. W. Schmidt u. a., Dresden 1989 | Hermann Glöckner, Raum, Zeit, Figur. Ein Dresdner Beitrag zur Moderne, AK Ulmer Museum 1991, hg. v. B. Reinhardt u.a., Ulm 1991 | Hermann Glöckner für Dresden, AK Leonhardi-Museum 2003, Dresden 2003 | C. Dittrich, Glöckner: Gemälde und Zeichnungen, 1904 – 1945, Dresden 2010 | A. Johannsen, Gestaltete Umwelt: Naturbegriff und Landschaftsdarstellung bei Hermann Glöckner, in: Dresdener Kunstblätter 3: 2010, S. 180 – 190 Weiser 1927 | Öl auf Leinwand | 60 × 49 cm | SKD, Galerie Neue Meister, Inv.-Nr. 76/07 *31. Mai 1895 in Meerane/Sachsen †7. Juli 1972 in Dresden 1909 Lehre als Dekorationsmaler | 1909 – 11/12 Besuch der Königlichen Zeichenschule in Dresden | 1911/12 – 15 und Frühjahr 1919 Studium an der Kunstgewerbeschule bei Josef Goller | Herbst 1919 – Frühjahr 1922 Studium an der Dresdner Kunstakademie bei Robert Sterl Zurückgekehrt aus dem Ersten Weltkrieg, nahm Griebel sein Studium an der Kunstgewerbeschule wieder auf und studierte im Frühjahr 1919 noch ein Semester in der Klasse für Glasmalerei bei Josef Goller, bevor er im Herbst desselben Jahres an die Akademie wechselte. Die verschiedenen Stationen seiner Ausbildung ließen vor allem Griebels zeichnerische Begabung klar hervortreten, die das bildnerische Fundament seines gesamten Werkes ist. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von Fritz Löffler zu seiner künstlerischen Arbeit befragt, bezeichnete sich Griebel daher in erster Linie auch als Zeichner und Aquarellist – und soweit sich sein Werk trotz der empfindlichen, kriegsbedingten Verluste heute noch überblicken lässt, hat er diese beiden Techniken in der Tat bevorzugt. Der kraftvolle malerische Realismus seines Lehrers Robert Sterl hat bei ihm keine nennenswerten Spuren hinterlassen. Auch der formale und ideelle Expressionismus der »Dresdner Sezession – Gruppe 1919« hat Griebel kaum beeinflusst. Stattdessen setzte er sich in der unmittelbaren Nachkriegszeit mit den Möglichkeiten der Abstraktion auseinander und beschäftigte sich mit den Ideen der synästhetischen Wahrnehmung. Zur selben Zeit versuchte er gemeinsam mit Dix, Kurt Günther und dem Komponisten Erwin Schulhoff, Dada in Dresden einzu führen. Diesen Bemühungen war jedoch kein großer Erfolg beschieden. Die im Januar 1920 von Johannes Baader, Richard Huelsenbeck und Raoul Hausmann in Dresden veranstaltete »Dadaistische Soiree« – im Wesentlichen eine Kunst- und Publikumsbeschimpfung – ließ erwartungsgemäß die meisten Anwesenden verstört zurück und wurde von der lokalen Presse geschmäht. Aber das von den Dadaisten betriebene, aggressive Infragestellen der Normen der bürgerlichen Gesellschaft, die Lust an der schonungslosen Obduktion der Zeitverhältnisse im Bild bereitete auch in Dresden den Boden für Verismus und Neue Sachlichkeit, der hier zuerst von Dix, Griebel und Felixmüller beschritten wurde. Darüber hinaus vermittelten die Techniken Der Arbeitslose 1921 | Aquarell über Feder, Tusche | 23,5 × 18 cm | Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung, Museen der Stadt Dresden, Inv.-Nr. 1958 – 59/189 Der Sonntagnachmittag 1920 | Grafit | 43 × 31,5 cm | Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung, Museen der Stadt Dresden, Inv.-Nr. 1958 – 59/188 der Collage und Fotomontage neue formale Impulse, die in den Bildern der jungen Dresdner ihren Niederschlag fanden. »Der Schiffsheizer« ist das einzige erhaltene Gemälde Griebels vom Beginn der 1920er Jahre. Das Motiv entstammt dem Kreis der Matrosenund Hafenszenen, die auch bei Dix in dieser Zeit häufig und auffallend ähnlich vorkommen. Es verkörpert männlich griffige Vorstellungen von Abenteuer, Freiheit und Unabhängigkeit gegenüber gesellschaftlichen Konventionen. Vor allem 212 aber ist die Figur des Seemanns eine gängige Personifikation männlicher Libido. Während das offenkundige sexuelle Begehren in vergleichbaren Bildern meist in der triebhaften Begegnung von Matrose und Dirne dargestellt wird, finden das maskulin-kantige, holzschnittartig-emotionslose Gesicht und der muskulöse Körper des Seemanns ihr weibliches Gegenstück in einer anthropomorphen Felsformation des Hintergrundes, indes das exotische Freudenmädchen noch auf einer Terrasse wartet. Klar und überzeugend hat Griebel die kernige Figur des Heizers modelliert und formatfüllend ins Bild gesetzt, sodass sich die physische Vitalität des Mannes geradezu aufdrängt. Ausführlich widmete er sich der Wiedergabe der vom Ruß geschwärzten Haut und den zahlreichen Tattoos (darunter auch die Signatur des Künstlers), die das Seefahrer- und Abenteurermilieu illustrieren. Einige Jahre später hielt sich Griebel für ein paar Wochen in Hamburg auf, wo er in St. Pauli tatsächlich Vorlagen für Tätowierer zeichnete. »Der Sonntagnachmittag« und »Der Arbeitslose« gehören in die Reihe der sozialkritischen Milieuschilderungen und markieren Griebels Hinwendung zu einem betont anklägerischen Verismus. In überwiegend als Aquarell und Zeichnung ausgeführten Bildern, von denen die meisten nur aus alten Reproduktionen bekannt sind, werden die prekären Lebensverhältnisse der Arbeiterschaft geschildert, die Schrecken des Krieges verdeutlicht und die Entlarvung des biederen Bürgers vorgeführt. Das Antlitz der Zeit in der körperlichen und seelischen Verfassung des Menschen dingfest zu machen – diesem Anliegen folgt auch die Darstellung der Artisten und der beiden nackten Dirnen (S. 214 f.), die das Themenspektrum um die populären Motive Zirkus und Halbwelt erweitern. Im Unterschied zur ätzenden Schärfe eines Grosz oder Dix neigte Griebel in der illustrativen Ausschmückung und der ausgewogen kultivierten Farbgebung seiner Bilder mitunter zur dekorativ gestalteten Anekdote: »Ist die Linie von Dix mit bewußter Härte geladen, seine Farbe voll jäher Grausamkeit, so fehlt es Griebel nicht an turnerischer Sicherheit, die seinen bitter humoristischen Absichten trefflich zustatten kommt« (Schmidt 1924, S. 372). In der Figur des selbstbewussten Arbeitslosen kündigte sich auch schon ein Bildtyp an, der später in der proletarisch-revolutionären Kunst eine wichtige Rolle spielen sollte: der »Proletarier« als optimistisch stimmender Hoffnungsträger Der Schiffsheizer 1920 | Öl auf Spanplatte | 58 × 40,5 cm | Privatsammlung griebel griebel Otto Griebel griebel griebel der künftigen Gesellschaft. An seiner persönlichen politischen Haltung ließ Griebel niemals Zweifel aufkommen. 1919 trat er in die KPD ein, 1922 schloss er sich der »Novembergruppe« und 1924 der »Roten Gruppe« an und unterstützte linksgerichtete Kulturverbände wie die »Internationale Arbeiterhilfe« (IAH). 1930 zählte er zu den Gründungsmitgliedern der Dresdner »Asso«. Seine künstlerischen Fähigkeiten stellte er konsequent in den Dienst der Partei. Er zeichnete Illustrationen für kommunistische Zeitschriften (»Die Rote Fahne«, »Die Rentenquetsche«, »stoss von links« und andere) und trat als Schnell zeichner auf politischen Veranstaltungen auf. Außerdem entwarf er Bühnenbilder und Requisiten für die Dresdner Agit-Prop-Gruppen »Rote Truppe Strzelewicz« und »Rote Raketen«. Ende der 1920er Jahre unternahm Griebel den Versuch, parteipolitische Agitation und Kunst in einem großen »Historienbild« miteinander zu verbinden, und malte »Die Internationale« (Abb. S. 131) – ein künstlerisch wenig überzeugendes Bild, das thematisch der Parteilinie folgte, dessen formaler Schematismus der statisch aneinander gereihten Arbeiterfiguren aber schon von den Zeitgenossen bemängelt wurde. Das im Februar 1945 verbrannte »Selbstbildnis in der Kneipe« von 1926 erinnert in vielerlei Hinsicht an Dix’ »An die Schönheit« (1922/Abb. S. 191). Hier wie dort inszenierte sich der Künstler inmitten des bürgerlichen Amüsierbetriebs als distanziert kritischer Beobachter der Gesellschaft. Mit festem Blick nimmt der Maler das Publikum als Adressaten seines »Unbehagens an der bürgerlichen Welt« (Griebel 1986, S. 137) ins Visier. Motivisch, stilistisch und atmosphärisch erfüllte dieses Bild in Griebels Schaffen der 1920er Jahre am ehesten die Kriterien einer um suggestive Objektivität bemühten Malerei der Neuen Sachlichkeit. MW Literatur: Schmidt 1924 | AK Dresden 1965 | Otto Griebel. Male rei. Zeichnung, Graphik, AK Museum der bildenden Künste Leipzig 1972, Leipzig 1972 | Schmidt 1973 | Griebel 1986 | Œuvreverzeichnis Otto Griebel (1895 – 1972), unveröff. Ms., erarbeitet von Matthias Griebel, 1994. Selbstbildnis in der Kneipe 1926 | Technik und Maße unbekannt | verbrannt am 13. 2. 1945 | Repro aus: AK Deutsche Kunst, Kunstpalast Düsseldorf, 1928, Nr. 258 Zwei Frauen 1924 | Aquarell auf Karton | 63,8 × 45 cm | The George Economou Collection, Canal Station Inc., Athen Zirkusbild 1925 | Öl auf Leinwand | 87,5 × 91 cm | Städtische Museen Zwickau, Kunstsammlungen, Inv.-Nr. 1929/914 215 George Grosz grosz g r o SS p i e t s c h Curt Großpietsch (eigentlich Georg Ehrenfried Groß) *21. Juni 1893 in Leipzig †26. September 1980 in Dresden *26. Juli 1893 in Berlin †5. Juli 1959 in Berlin 1905 – 09 Lehre als Dekorationsmaler im väterlichen Betrieb und Kurse an der Kunst gewerbeschule in Leipzig | 1909 Bewerbung an der Kunstakademie Dresden, 1911 Immatri kulation, Studium bis 1922, unter anderem bei Raphael Wehle, Richard Müller, Robert Sterl und Oskar Zwintscher (Militärdienst 1914 – 19), 1919 – 22 Meisterschüler von Otto Gussmann 1909 – 12 Studium an der Kunstakademie in Dresden bei Robert Sterl und Raphael Wehle, Richard Müller und Osmar Schindler (Sommer 1912 beurlaubt) Die Großmutter 1922 | Radierung | 14,7 × 20 cm | SKD, KupferstichKabinett, Inv.-Nr. A 1963 – 93 Selbstbildnis um 1934 | Öl auf Leinwand | 54 × 40 cm | Privatbesitz Hermsdorf Die grotesken Zeichnungen von Curt Großpietsch ziehen sich durch alle Werkphasen hindurch. Der Erste Weltkrieg, den er schwer verwundet überlebt hat, findet nur indirekten Eingang in seine Bildwelten. Zurück an seinem Studienort Dresden sind es aber auch alltägliche Beobachtungen, die ihn fesseln. »Diese frühe Graphik, wie ›Fabrikmädchen‹, ›Annäherung‹, ›Ein Opfer‹, ›Die Großmutter‹, zeigt deutlich den Anteil des Künstlers am Dresdner Verismus, sein sensibles Reagieren auf die katastrophale Zeitstimmung der Inflation« (L. Fischer, in: AK Regensburg 1983, S. 11). Die verknöcherte, Kekse essende alte Frau im Rollstuhl begleitet der gierige Blick eines auf der Brücke herumlungernden Mannes. Die Freude an der Überzeichnung von Figuren, die am stärksten bei dem aus dem Bild herausblickenden Gnom zu beobachten ist, scheint gegenüber sozialkritischer Anklage zu überwiegen. Anders verhält es sich in einer Gruppe von Gemälden, die ab der Spätphase der Weimarer Republik entstand: Hier verliert sich das groteske Element. Ein oder zwei Selbstbildnisse hat Großpietsch 1935 und 1936 in Dresdner Ausstellungen gezeigt, die sich aufgrund fehlender Katalogabbildungen allerdings nicht eindeutig identifizieren lassen. Bei dem um 1934 entstan- 216 denen Ölgemälde zeigt sich der Künstler in satt aufgetragener Farbe vor einem dunklen Vorhang. Seine rechte Gesichtshälfte wird von natürlichem Licht erhellt. Die Physiognomie ist neutral gehalten, auch der Blick wirkt unbestimmt. Dass Großpietsch bis in die 1960er Jahre hinein ein »verkannter Künstler« war, verwundert angesichts seiner Umtriebigkeit in der Dresdner Kunstszene. Er versteckte sich nicht im Atelier, sondern war aktives Mitglied der Künstlergruppe »Die Schaffenden«, engagierte sich im Vorstand der Dresdner Kunstgenossenschaft und war das einzige SPD-Mitglied der Dresdner »Asso«. Nachträgliche Ausblendungen lassen seine Position im »Dritten Reich« heute nur erahnen. RH Literatur: AK Dresden 1965 | Curt Großpietsch, AK Ostdeutsche Galerie Regensburg 1983/1984, Regensburg 1983 | Curt Großpietsch, 1893 – 1980. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Radierungen, AK Kunstsammlung Gera, Otto-Dix-Haus 2000, Gera 2000 Vielleicht ist George Grosz einer der bekanntesten, in jedem Fall einer der provokativsten Künstler der letzten Jahre des deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Sein Werk, häufig auf Themen der Großstadt bezogen, ist eng mit der Metropole Berlin verbunden. Weniger bekannt ist jedoch, wie wichtig und prägend auch seine Ausbildungszeit an der Kunstakademie in Dresden von 1909 bis einschließlich 1912 war. Mit dem Ziel, die Techniken der Bildkomposition zu lernen und einer jener großen Historienmaler zu werden (Grosz 1955, S. 61), studierte er in der sächsischen Residenz die berühmten Historien- und Porträtmaler des 19. Jahrhunderts und wurde von Richard Müller, Osmar Schindler und Robert Sterl ausgebildet. Besonders das exakt-mühsame Abzeichnen der Gipsabgüsse in der Zeichenklasse von Müller, in der »mit militärischer Strenge, Malstock und einem Dutzend tödlich spitzer Kreidestifte« regiert wurde (Grosz 1955, S. 56), waren ihm zwar zuwider, schulten jedoch seine zeichnerischen Fähigkeiten. Sein anschließendes Studium an der Kunstgewerbeschule in Berlin absolvierte er von 1912 bis 1917 bei Emil Orlik mit kriegsbedingten Unterbrechungen. In der Folge entstanden zahlreiche Kriegskrüppel-, Soldaten- und Infanteristenbilder. Bereits während dieser Zeit trat der Maler, Zeichner, Illustrator, Satiriker und Karikaturist George Grosz, wie er sich seit 1916 selbst nannte, mehrfach in der Kunstszene in Erscheinung. Die Verhaftung während des Spartakusaufstandes 1919 und sein Eintritt in die KPD, anschließende Anklagen und Verurteilungen wegen Gotteslästerung, Beleidigung der Reichswehr und anderer unsittlicher künstlerischer und verbaler Äußerungen sind nur einige Beispiele, die Leben und Werk des bedeutenden Kritikers der Weimarer Zeit und Chronisten der zuweilen abgründigen Großstadtrealität prägten. Grosz gilt als einer der Hauptvertreter des Dada sowie der Neuen Sachlichkeit. Seinen späteren Kollegen Otto Dix und Otto Griebel mag er künstlerisch, in seiner veristischen Schärfe, Ecce Homo 1919/20 | Tuschfeder | 52,5 × 38,5 cm | Sammlung Karsch /Nierendorf seinen rigorosen und provokativen Sujets, seinen gesellschaftskritischen, oftmals kompromissloskarikierenden Darstellungen ein Vorbild gewesen sein. Im Vergleich zu beiden gilt er jedoch als der Politischere, als »der Satiriker unter den Veristen« (AK Berlin 1974, S. 30). So erscheint 1921 im Bild »Grauer Tag« das gut situierte deutschnationale Beamtentum in Gestalt eines wohlgekleideten Winkeladvokaten mit Gesichtsschmiss und strengem Zwicker vor einer Mauer. Eine Persiflage der herrschenden Klasse, die 217 das emsig arbeitende Proletariat dazu verdonnert, die »Klassenschranke« selbst zu errichten (AK Berlin 1977, S. 4/114 – 115, Kat.-Nr. 4/6). Ein Armutszeugnis einer Gesellschaft, die selbst den Kriegsinvaliden, der sein Leben für das Land riskiert hatte, auf die andere Seite der Mauer, auf die untere Ebene der Gesellschaft abschiebt. Bezeichnenderweise wurde eben dieses Bild 1925 auf der Dresdner Ausstellung »Die neue Sachlichkeit« unter dem Titel »Magistratsbeamter für Kriegsbeschädigtenfürsorge« gezeigt. Bis Mitte der 1920er Jahre wurde Grosz’ Schaffen von zahlreichen schonungslosen und demaskierenden Zeichnungen und Illustrationen dominiert. Erst 1925 tritt er mit einem eindrucksvollen Ölgemälde, dem »Porträt des Schriftstel- lers Max Herrmann-Neiße« in der von Hartlaub organisierten Mannheimer Ausstellung zur Neuen Sachlichkeit als Maler wieder in Erscheinung. Der kleine verwachsene Körper, im Kontrast zu dem höchst wachen und zynisch-klugen Geist des Berliner Satirikers, wird von Grosz in scharfer Realistik und nahezu schamlos in Nahsicht als Charakterstudie dokumentiert. Neiße saß dem Künstler unzählige Male Modell in seinem Atelier. Das belegt eine beachtliche Anzahl von Skizzen, in denen der Maler nüchtern und sachlich im Halbprofil die in sich zusammengesunkene, knöchrige Erscheinung mit markanter Nickelbrille, modischen Gamaschen und Scharf218 grosz grosz Grauer Tag (Magistratsbeamter für Kriegsbeschädigtenfürsorge) 1921 | Öl auf Leinwand | 115 × 80 cm | Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Inv.-Nr. B 97 blick darstellt. Jener große Schriftsteller und Satiriker, der für Grosz eben ganz besonders auch Gleichgesinnter und Freund war: Im Porträt Max Herrmann-Neißes wird deutlich, worum es in den Bildnissen von Grosz ging. Es ist das Erfassen des Typischen, des Charakteristischen und Individuellen, was mitunter – noch mehr in seinen Zeichnungen und Illustrationen – in zügelloser Zuspitzung, Übertreibung und Karikierung endete und das Unverkennbare in seinem Œuvre ausmacht. Mit den Bildnissen ab 1925 entsteht eine Reihe neusachlicher Porträts wie jene von Max Schmeling, des Schriftstellers Walter Mehring und auch 1927 eine zweite Fassung des Porträts seines Freundes Max Herrmann-Neiße, die sich heute im Museum of Modern Art in New York befindet. Seine meist grotesk-sarkastischen und gesellschaftskritischen Motive wie in »Die Stützen der Gesellschaft« oder »Sonnenfinsternis«, beide aus dem Jahr 1926, weichen in den Bildnissen nur kurzzeitig einer gemäßigteren, scheinbar weniger sozialkritischen Ausdrucksform. Grosz selbst begriff sich offenbar als »journalistischer Tageszeichner« (Ein neuer Naturalismus?? Eine Rundfrage des Kunstblatts, in: Das Kunstblatt 6:1922, S. 382 f.) und wurde bereits von seinen Zeitgenossen zum »sozialen Reformator« stilisiert. Er verzichtete größtenteils bewusst auf eine plastisch-modellierende Schraffur mit Tiefenwirkung zugunsten einer messerscharfen Kontur. Seine Dresdner Zeichenlehre, die ihm zu jener vortrefflichen zeichnerischen Präzision verhalf, sowie das Studium seiner großen Vorbilder Hogarth und Brueghel (vgl. Der Cicerone 19:1927, S. 123 – 125) erlaubten ihm, ganze Bildgeschichten mit nur wenigen Strichen und einer bis auf die wesentlichen Umrisslinien vereinfachenden Bildanlage zu erzählen. Dadurch konnte Grosz in kürzester Zeit politische oder gesellschaftliche Ereignisse rezipieren und mit seinem bizarr-skurrilen Zeichenstil gegen die »Schönmalerei« rebellieren. Ob Paris, wo er mehrmals verweilte, oder Berlin: Koketterie und Eleganz des Großstadtlebens waren dem virtuosen Dandy Grosz, der sich selbst gern den zeitgenössischen Modekonventionen hingab, willkommenes Motiv, seinem dialektischen Verhältnis zwischen der Bewunderung einer amerikanisiert-modernen, mitunter durchaus imposanten Dekadenz der Avantgarde einerseits und der verhassten großbürgerlichen Daseinsform mit ihren Klassengegensätzen und perversen Abseitigkeiten andererseits, Ausdruck zu verleihen. In satirischer Zuspitzung erscheinen seine durch die Großstadt flanierenden oder in Bars und Bordells verweilenden Bohemiens, Kokotten, Dandys. Auch die Figur des Matrosen (S. 220), Symbol progressiven Gedankenguts, der Freiheit und der Unabhängigkeit, der ähn- Porträt des Schriftstellers Max Herrmann-Neiße 1925 | Öl auf textilem Bildträger | 100 × 101 cm | Kunsthalle Mannheim, Inv.-Nr. M 1070 lich wie die Soldaten lange Zeit in völliger Isolation lebt, amüsiert sich daher umso mehr mit seinem geringen Auskommen in den Freudenhäusern und Spelunken. Getrieben von revolutionären wie auch humanistischen Visionen einer besseren und sozial gerechteren Welt, kritisierte Grosz in seinem umfangreichen Œuvre mit emphatischer Kompromisslosigkeit und veristischer Hitzigkeit jene eklatante Diskrepanz zwischen der zunehmend kapitalistischen Lohnsklaverei der herrschenden Klasse und dem immer weiter verelendenden Proletariat. 1933, kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, musste Grosz ins Exil nach New York 219 emigrieren, wo er 1938 die amerikanische Staatsbürgerschaft erlangte. Kurz nach seiner Übersiedlung nach Berlin 1959 starb er an den Folgen einer durchzechten Nacht. JK Literatur: Grosz 1955 | Tendenzen der Zwanziger Jahre: 15. Euro päische Kunstausstellung, AK Nationalgalerie Berlin u. a. 1977, Berlin 1977 | George Grosz. Berlin – New York, AK Nationalgalerie Berlin, Kunstsammlung NRW Düsseldorf, Staatsgalerie Stuttgart 1994/95, hg. v. P.-K. Schuster, Berlin 1994 | George Grosz. Neue Sachlichkeit und Realismus 1921 – 1945, AK Galerie Fred Jahn München 2007, München 2007 | George Grosz. Kunst als Sozialkritik. Zeichnungen, Aquarelle und Druckgrafiken, AK Saarlandmuseum Saarbrücken 2007/08, Saarbrücken 2007 Dresden war in den 1920er Jahren eines der wichtigsten Zentren der Neuen Sachlichkeit und des Verismus in Deutschland. Die Dresdner Kunstakademie prägte eine ganze Generation von Künstlern – von Otto Dix, George Grosz, Otto Griebel, Bernhard Kretzschmar, Hans Grundig, Wilhelm Lachnit bis Rudolf Bergander, Curt Querner und Willy Wolff. In kühler Distanz und messerscharfer Präzision beschrieben die Maler ihre Wirklichkeit. Bissige Ironie stand altmeisterlicher Eleganz gegenüber. Werke von über 70 Künstlern, zum Teil bislang nahezu unbekannte Positionen von überraschender Qualität, sind in diesem Kompendium zusammengeführt. Das großzügig bebilderte Buch bietet erstmals einen Überblick über die facettenreiche Kunstströmung in den Jahren der Weimarer Republik bis 1933. San dstei n