Jedem Verkäufer ein Tablet?
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Jedem Verkäufer ein Tablet?
in collaboration with Jedem Verkäufer ein Tablet? Mobile Endgeräte erobern den Point of Sale 1.Tablet-Computer auf der Verkaufsfläche Tablet-Computer haben in den vergangenen Jahren die mobile Nutzung von Rechenkapazität deutlich vereinfacht. Sie haben heute eine Leistungsfähigkeit, wie sie vor wenigen Jahren kaum in üblichen Desktop-Rechnern zu finden war. Tablets sind auch mobil nutzbar und auf Wunsch des Nutzers dank WLAN oder integrierter Mobilfunkkarte praktisch immer und überall online. Doch damit nicht genug: Tablets sind schnell verfügbar, brauchen beispielsweise nur sehr kurze Zeit zum „booten“, sind für den Anwender intuitiv verständlich und nutzbar und, dank eines breiten Angebots an verfügbaren Programmen bzw. Applikationen – sogenannter Apps – vielseitig einsetzbar. So überrascht es kaum, dass Tablets zunehmend auch Einzug in den Einzelhandel halten. seit längerer Zeit mit Tablets auf der Verkaufsfläche oder befinden sich bereits im Roll-out. Eine Übersicht über bekannte Projekte im deutschen und internationalen Textilhandel gibt Abbildung 1. Tablets im Handel stellen dabei keine Technologie der „nächsten 5 bis 10 Jahre“ dar. Vielmehr steigt die Zahl der Unternehmen, die den Einsatz von Tablets bereits heute testen, zügig an. Beispiele aus dem deutschen Bekleidungseinzelhandel umfassen neben Kaufhof und Sportscheck auch S.Oliver und Hugo Boss sowie eine Reihe anderer Unternehmen. In den Vereinigten Staaten und in Großbritannien ist bereits ein regelrechter Hype zu beobachten: Marks & Spencer, Selfridges, Jon Lewis, Saks, Belk und andere experimentieren schon Bestandteile der Studie 2 Jedem Verkäufer ein Tablet? Doch was versprechen sich diese Unternehmen von der Investition? Welche Anwendungen sind möglich und worauf ist bei der Umsetzung zu achten? Diesen und weiteren Fragestellungen sind die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Heilbronn und Capgemini Consulting in vorliegender Untersuchung gemeinsam nachgegangen. Die folgenden Kapitel sollen die genannten Fragestellungen beantworten und einen Überblick über heutige sowie zukünftig denkbare Anwendungsgebiete im stationären Textileinzelhandel geben. Grundlage für die vorliegende Arbeit – unseren „point of view“ auf das Thema – ist eine Studie, die 2014 gemeinsam von der DHBW Heilbronn und Capgemini Consulting durchgeführt wurde. Eingeflossen sind neben zahlreichen Interviews mit deutschen und internationalen Handelsexperten eine begleitende Konsumentenbefragung sowie eine Untersuchung der Multi-ChannelAktivitäten der Top 50 Textilhändler in Deutschland. • Konsumentenbefragung zum Thema „Einkaufsverhalten im stationären Bekleidungseinzelhandel“ mit 329 Teilnehmern • Über 50 durchgeführte Store Exit-Interviews bei verschiedenen Einzelhändlern • Interviews mit über 20 Experten aus dem Fashionumfeld • Erhebung aktueller Tablet-Projekte bei 15 deutschen und internationalen Bekleidungshändlern • Untersuchung der Multi-ChannelAktivitäten der Top 50 Textilien Deutschlands Abb. 1: Tablets im Verkauf – ausgewählte deutsche und internationale Anwendungsbeispiele Unternehmen Anwendung Mobile POS MultiChannel x x Aurora Fashion (USA) 150 iPads in 60 Geschäften Entgeltabrechnung Instore-Transfers Bestellung in den Laden Belk (USA) Tablets erlauben Verkäufern Einsicht in die Kaufhistorie Benetton (IT) Neuer Concept Store in Mailand: Tablets im Laden, Anzeige weiterer Modelle und Farben und Bestellung nach Hause x C&A Im Click & Collect-Bereich können Kunden mit Tablets im Online-Store surfen Unterstützung dabei von Verkäufern x John Lewis (UK) Tablets zur Bezahlung beim Verkäufer Informationen zu Produktbewertungen x Laurèl Bezahlen über Tablet-Computer x Marks & Spencer (UK) Kiosksystem, das Waren des Stores und des Online-Shops anzeigt Bestellmöglichkeit Bezahlen am Terminal x x Monsoon Accessorize (UK) Präsentation des kompletten Produktangebots auf iPads Bestellung online oder aus anderen Filialen oder Distributionszentren Lokalisierung der Ware Zahlung per Karte am iPad x x Pinko (IT) Nach Anprobe Bestellung im Laden per tablet und Lieferung nach Hause x S. Oliver Tablet-gestützte Kundenberatung Bestellung im Online-Shop x Saks (USA) 3.500 Tablets mit Kundendaten und Sales-History (Fokus auf die 100 besten Kunden je Verkäufer) Wardrobe-Ansicht („Closet“) mit Fotos gekaufter Produkte Erinnerungsfunktion für Verkäufer, Follow-up-Nachrichten zu schreiben Customer Sales Floor Interaction Mgmt. x x (x) x SportScheck Tablets in den Stores, auf denen im Onlineshop bestellt werden kann Takko Nutzung von Tablets als MDE-Geräte Infosystem für Filialmanagement Kassierfunktion Tommy Hilfiger Nutzung von 20 Tablets im Düsseldorfer Flagshipstore Kunden können damit im Online-Shop oder im Netz surfen Übertragung des Tablet-Screens auf großen Bildschirm möglich Möglichkeit, sich mit Tablets zu fotografieren und Bilder zu versenden x Vera Mont (Betty Barclay) B2B2C-Shop für Concessionflächen Nutzung der Tablets für Kommunikation zwischen Filialen und Zentrale (Bilder, E-Mails, Verkaufsberichte, Merchandising-Anweisungen sowie Nachfragen von Verbrauchern) x Quellen: computerweekly.com, fabeau.de, fashionunited.co.uk, micros-retail.de, retailsolutionsonline.com, risnews.edgl.com, tabtimes.com, textilwirtschaft.de Clienteling x x x x x © Capgemini Consulting 2015 3 4 Jedem Verkäufer ein Tablet? 2.Anwendungsbereiche von TabletComputern im Verkauf Aus den Besprechungsräumen der Konzernzentralen des Einzelhandels sind Tablet-Computer heute kaum noch wegzudenken – als treue Begleiter des Managements bieten sie ständigen Zugriff auf E-Mails, Kalender und wichtige Dokumente. Doch auch auf der Verkaufsfläche, in den Händen von Verkäufern und Kundenberatern, bieten sie zahlreiche und vielfältige Einsatzmöglichkeiten, die von der Übernahme von Aufgaben bereits bestehender Systeme, wie z. B. der Kasse, bis hin zur Einführung völlig neuer Anwendungen reichen. Im Rahmen der vorliegenden Studie werden fünf primäre Anwendungsbereiche unterschieden und untersucht: jedoch nur das Bezahlen am TabletComputer verstanden, während weitere Anwendungsgebiete dieses Themenkomplexes in den folgenden Kapiteln gesondert dargestellt sind. • • • • In Deutschland war Douglas eines der ersten Handelsunternehmen, das den Counter-free-checkout eingeführt hat. Bereits 2011 wurden vier Filialen mit entsprechenden Technologien ausgestattet. Das mobile Gerät, im konkreten Fall ein handlicher iPod von Apple mit ergänzender Kartenlesevorrichtung und Scanner, welcher per WLAN mit dem Filialserver und dem Kassensystem kommuniziert, wird hierbei als mobile Kasse eingesetzt, die insbesondere zu Stoßzeiten zum Einsatz kommt und Wartezeiten für den Kunden reduzieren soll.1 In den USA spricht man bei diesen Anwendungsgebieten auch von „line busting“, denn sie ermöglichen in Stoßzeiten eine deutliche Reduktion der Schlangen an den Kassen. Das Gute dabei: Anders als bei der Erweiterung der Kassenzone um zusätzliche Kassen geht bei der Nutzung von Tablets als Kasse keine wertvolle Verkaufsfläche verloren. Mobile-POS-Anwendungen, Multi-Channel-Anwendungen, Clienteling-Anwendungen, Customer Interaction-Anwendungen sowie • Sales Floor ManagementAnwendungen. Die folgenden Kapitel gehen auf jedes dieser Einsatzgebiete detailliert ein, beschreiben diese und stellen Vorteile und Herausforderungen der Tablet-Nutzung heraus. Mobile-POS-Anwendungen Unter dem Begriff „Mobile-POS“ (POS: Point of Sale) versteht man die Übertragung der Aufgaben von stationären POS-Systemen, beispielsweise Kassen, Filialwarenwirtschaftssystemen und Kundenbestellsystemen, auf mobile Endgeräte, i. d. R. Tablets. Diese übernehmen dann z. B. die Abwicklung von Kundentransaktionen. Die wichtigste Transaktion ist hierbei bislang der Bezahlvorgang. Weiterhin ist auch die Abbildung von Reklamations- und Retourenprozessen, Kundenbestellungen sowie MDE-Funktionalitäten im Tablet denkbar. Unter Mobile-POS-Anwendungen wird im Rahmen der vorliegenden Untersuchung Im Rahmen des Online-Shoppings sind Konsumenten das Bezahlen per TabletComputer bzw. per App lange gewohnt – Amazon Payments, Paypal und andere Anbieter stellen sichere und etablierte Methoden zur Abwicklung von Finanztransaktionen dar. Seltener und vielen Kunden noch unbekannt ist das Bezahlen am Tablet-Computer im Ladengeschäft – in der Literatur meist unter dem Stichwort „Counter-free-checkout“ diskutiert. Ein weiterer Vorteil besteht in dem fließenden Übergang von Beratung und Bezahlung. Douglas beispielsweise verspricht sich von dem Einsatz von iPods auf der Verkaufsfläche nicht nur eine Beschleunigung des Bezahlvorgangs, sondern insbesondere auch eine optimale Unterstützung des Lifestyle-Gedankens bei der Beratung im Ladengeschäft – denn die Verkäufer sehen über die Douglas Card der Kunden auch deren Kaufhistorie und können den Beratungs- und Verkaufsvorgang mit passenden Tipps oder auch weiteren Produktempfehlungen anreichern (vgl. hierzu auch Abschnitt zu Customer Interaction-Anwendungen). Der Ortswechsel nach der Beratung zur Kasse entfällt. Das führt zu einem persönlicheren und schnelleren Verkaufsabschluss – Kaufabbrüche durch lange Wartezeiten an den Kassen werden vermieden. In der Praxis gibt es jedoch einige Hürden, die es zu überwinden gilt: • Kein Bargeld: Da die physische Kasse fehlt, kann der Kunde bei Counter-free-checkout nicht bar bezahlen. Möglich ist die Bezahlung per EC- oder Kredit-Karte sowie webbasiert, z. B. über Paypal, oder über mobile Zahlungsvarianten. Hierbei darf auch der Sicherheitsaspekt nicht vernachlässigt werden – zum einen müssen alle Zahlprozesse und -applikationen so ausgelegt sein, dass sie eine maximale Sicherheit im Datentransfer garantieren. Zum anderen muss dem Kunden diese Sicherheit auch kommuniziert werden, um klassische Ängste im Umfeld elektronischer Zahlprozesse zu minimieren • Warensicherung: Auch beim Counter-free-checkout muss die Warensicherung entfernt werden. Der Verkäufer ist mit entsprechendem, mobil nutzbarem Werkzeug auszustatten. Fällt das Werkzeug in die falschen Hände, so entsteht ein Sicherheitsrisiko. Eine interessante Möglichkeit könnte in Zukunft die Verknüpfung des mobilen POS mit per RFID2 gesicherter Ware darstellen. Diese lässt sich einfach und elektronisch Vgl. Wilhelm, S. (2012): Douglas kassiert mit dem iPod in: Der Handel vom 9. April 2012 RFID = Radio Frequency Identification, ein Verfahren zur Übermittlung von Informationen durch Funksignale 1 2 5 deaktivieren – ein Vorgang, der für den Kunden unbemerkt zeitgleich und automatisch mit Bezahlung des Artikels erfolgt. Hierbei würde der EPC-Code3 des in das Kleidungsstück eingenähten bzw. per Häng- oder Klebeetikett am Kleidungsstück angebrachten RFID-Chips in einer Datenbank als „bezahlt“ bzw. „deaktiviert“ gekennzeichnet. Bei Verlassen des Shops lesen die installierten RFIDReader den serialisierten EPC des Kleidungsstücks aus, erkennen, dass dieser zu einem bezahlten Teil gehört, und lösen in der Folge keinen Alarm aus. Das RFID-Tag kann vom Kunden zu Hause vom Kleidungsstück gelöst bzw. entfernt werden. Alternativ dient es bei einer eventuellen Retoure über die darauf gepeicherte Seriennummer anstelle des üblichen Kassenbons als Nachweis für den Kauf des Artikels anstelle des üblichen Kassenbons als Nachweis für den Kauf des Artikels. • Verpackung: Natürlich erwarten die Kunden auch beim Counter-freecheckout, dass die Ware ordentlich zusammengelegt und verpackt wird. Geschieht dies wie bisher an der Kasse, hat man nicht viel gewonnen. Die Verkäufer müssen die Möglichkeit haben, diese Aufgabe direkt auf der Fläche zu erledigen, bspw. an hierfür eingerichteten Stationen. Auch die Mitgabe von Werbegeschenken kann hier erfolgen • Bondruck: Kassenbons können vom Tablet aus über einen WLAN-fähigen Drucker erstellt werden. Die Frage ist allerdings, wo dieser Drucker steht. Steht er an der Kasse, müssen Kunde und Verkäufer doch wieder durch das Geschäft dorthin gehen. Eine interes-sante Alternative und logische Ergän-zung zu „mobilen“ Zahlungssystemen sind elektronische Kassenbons, die dem Kunden per E-Mail zugeschickt werden oder bei 3 4 registrierten Kunden automatisch in dessen Kundenkonto erscheinen Doch gibt es für mobile Zahlungsmöglichkeiten überhaupt eine Nachfrage auf Kundenseite? In der von der DHBW und Capgemini Consulting durchgeführten Konsumentenbefragung gaben gerade einmal 13 % der Befragten an, mit den Bezahlvorgängen im stationären ModeEinzelhandel nicht zufrieden zu sein. Dies überrascht kaum, sind Kunden doch heute selbst von nahezu allen erfolgreichen Handelsunternehmen längere Wartezeiten im Check-out-Prozess gewohnt. Der Einsatz von Tablets zum alleinigen Zweck einer Entlastung der Kassen in Spitzenzeiten ist somit nicht zielführend. Jedoch bieten sie derart vielfältige Einsatzmöglichkeiten, dass POS-Anwendungen nur einen kleinen Teil ihres Potenzials darstellen. Der simultane Einsatz weiterer Applikationen, die im Folgenden diskutiert werden, sollte also erwogen werden. Multi-Channel-Anwendungen Während der Vertrieb von Bekleidung in der Vergangenheit im Wesentlichen über „stationäre“ Ladengeschäfte sowie den klassischen Versandhandel und somit über Kataloge erfolgte (meist durch rechtlich getrennte Unternehmen), nutzt der Handel heute eine Vielzahl unterschiedlicher Vertriebskanäle, sogenannte „Channels“, um seine Kunden zu erreichen. Beispiele der hinzugekommenen Kanäle umfassen das Online-Geschäft über eigene Shops oder über Plattformen wie eBay oder Amazon, das Teleshopping und dergleichen mehr. Seit der Handel seine Waren über diese multiplen Kanäle anbietet, ist die Notwendigkeit gestiegen, diese miteinander zu verknüpfen. Denn der große Vorteil hierbei liegt nicht alleine in der besseren Erreichbarkeit des Kunden bzw. neuer Kundengruppen über die Nutzung unterschiedlicher Medien, sondern auch in der Ausschöpfung von administrativen und logistischen Synergien zwischen den Kanälen. So hat ein Händler, der seine Waren über zwei Kanäle vertreibt, i. d. R. eine effizientere Kostenstruktur als zwei getrennt agierende Händler, welche nur jeweils einen der beiden Kanäle bedienen. Die Verknüpfung der getrennt voneinander gewachsenen Kanäle, meist unter dem Begriff Multi-Channel-Management diskutiert4, soll Handels- oder auch Modemarken für den Kunden in jedem Kanal gleichermaßen erlebbar machen, und das auch administrativ und logistisch auf effizienteste Art und Weise. Die Informationen und Waren der jeweiligen Kanäle sollten in allen anderen Kanälen ebenfalls verfügbar sein. Multi-Channel-Anwendungen sind Werkzeuge, die zu diesem Zwecke Informationen kanalübergreifend bereitstellen sowie kanalübergreifende Prozesse unterstützen. Tablet-Computer bieten den Verkäufern am Point of Sale Zugriff auf diese Anwendungen und damit auf Informationen zu den Waren in anderen Vertriebskanälen. Produktinformationen Während Kunden im Ladenlokal Ware physisch und haptisch erleben können, also bspw. Kleidungsstücke anfassen und anprobieren können, sind Internet-Kunden auf die vom Händler online bereitgestellten Informationen angewiesen. Um die Kunden optimal zu informieren und zum Kauf zu animieren, sind daher präzise Produktbeschreibungen in Wort und Bild, wie bspw. verfügbare Größen und Farben sowie Produktvarianten, detaillierte Pflegehinweise, Bewertungen von anderen Kunden oder auch Vorschläge zu ergänzenden oder alternativen Waren im Internet üblich. Diese Informationen können auch für den Kunden im Laden hilfreich sein. EPC = Electronic Product Code, eine serialisierte Produktinformation, die häufig in Kombination mit der RFID-Technologie eingesetzt wird Andere, eng verwandte Bezeichnungen sind Cross-Channel-, Omni-Channel- und No-Line-Management 6 Jedem Verkäufer ein Tablet? Um die Informationen im Geschäft verfügbar zu machen genügt es nicht, lediglich den Online-Shop auf dem Tablet aufzurufen. Die Suche nach einzelnen Artikeln im Shop dauert zu lange. Artikelnummern müssen mühsam in das Suchfeld eingegeben werden. Einfacher und zuverlässiger ist die Suche über das Einscannen des Barcodes oder eines QR-Codes auf dem Etikett. Diese Funktionalität kann in eine mobile Version des Online-Shops bzw. eine Shopping-App integriert werden. Eine Alternative ist die Entwicklung einer speziellen App für das Tablet des Verkäufers. keit, im Laden fehlende Farben und Größen selbstständig im Online-Shop zu bestellen. Die Durchdringung dieser Technologie ist in Deutschland bislang jedoch noch überschaubar. So bieten weniger als die Hälfte der Top-50-Händler eine eigene App für mobile Endgeräte, gerade mal sechs verfügen über eine Funktionalität zum Scannen von Bar- bzw. QR-Codes (Abbildung 2). Eine weitere Hürde sind Online-Shops, die nur einen Teil des Sortiments anbieten. Je kleiner die Sortimentsüberschneidung, desto häufiger werden Kunden und Verkäufer beim Scannen von Etiketten enttäuscht. Um das zu vermeiden, sollten beim Scannen auch Artikel angezeigt werden, die im Online-Shop nicht oder Die Erweiterung mobiler Apps um diese Funktionalität hat den Vorteil, dass Kunden auch ohne den Verkäufer über das Scannen des Etiketts Produktinformationen mit ihrem Smartphone abrufen können. Außerdem hat der Kunde so die Möglich- Abb. 2: Anzahl Textilhändler unter den Top-50 mit Mobile Apps 19 8 6 Mobile App Quellen: Eigene Erhebung Shopping App Barcode-Scanner nicht mehr verfügbar sind – was jedoch in höheren Aufwänden bei der Produktinformationspflege bzw. im Content Management resultiert. „Save the Sale“ und „Endless Aisle“ Die Sortimente des Textileinzelhandels sind im Vergleich zu anderen Branchen relativ breit und tief und aufgrund saisonaler und modischer Einflüsse nur innerhalb eines kurzen Zeitraumes verkäuflich. Darüber hinaus stehen Modefilialisten vor dem Problem, die Waren entsprechend der erwarteten Nachfrage auf die Filialen verteilen zu müssen. Diese Abschätzung ist jedoch von vielen Einflussfaktoren abhängig und somit oft ungenau bzw. im Ergebnis nicht bedarfsgerecht. Fehlmengen und Überbestände einzelner Artikel, teilweise sogar für ein und denselben Artikel an unterschiedlichen Standorten, sind deshalb keine Seltenheit. Damit Fehlmengen nicht zu „Lost Sales“ werden und damit zu einer verpassten Umsatzchance für das Unternehmen, sollte der Verkäufer die Möglichkeit haben, fehlende Größen- und Farbvarianten aus anderen Filialen, dem Lager oder dem Online-Shop zu bestellen („Save the Sale“). Tablet-PCs stellen für die Verkäufern hierbei ein vielseitiges und unkompliziertes Werkzeug dar. Neben einer Übersicht der eigenen Filialbestände je Artikel, im Optimalfall real-time dank Anbindung an das Warenwirtschaftssystem, sollte es dem Verkäufer folgende Handlungsoptionen bieten: • Bestellung des Artikels aus dem jeweiligen Bestand (Zentrallager, andere Filialen, Online-Shop, direkt beim Lieferanten) • Versand in die Filiale © Capgemini Consulting 2015 7 8 Jedem Verkäufer ein Tablet? verfügbare Sortimente verstanden. Dieses Online-Angebot wird in den Filialen in der Regel über Tablets oder Kiosk-Systeme präsentiert. Dabei geht es dem Handel nicht nur um die bereits beschriebene Bestellung fehlender Farben und Größen („Save the Sale“), sondern auch um die Erweiterung der Auswahl, die das Geschäft bietet. • Versand zur Adresse des Kunden, vorzugsweise mit direkter Buchung eines gewünschten Lieferzeitfensters (same-day- oder next-day-delivery) • Reservierung des Artikels für den Kunden in einer anderen Filiale in der Nähe zur Abholung bzw. Anprobe Der Zugriff auf möglichst viele Bestände erhöht die Wahrscheinlichkeit, dem Kunden eine Bestellung anbieten zu können. Auf die Frage, ob der Kunde auch in der Filiale bestellen würde, wenn der betreffende Artikel in der Filiale gar nicht geführt wird - somit also weder eine Anprobe noch eine physische Begutachtung durch den Kunden möglich ist - antworten immerhin noch 41 % mit „trifft voll zu“ bzw. „trifft eher zu“. Weitere 21 % antworteten mit „trifft teilweise zu“ (vgl. Abb. 3). Dies ist zwar deutlich weniger als in den Fällen „fehlende Farbe“ und „fehlende Größe“, zeigt aber dennoch ein erhebliches Potenzial für Umsatzsteigerungen auf. Für den Kunden haben diese Funktionalitäten eine hohe Bedeutung. Von 329 Befragten gaben in der durchgeführten Konsumentenbefragung 78 % an, der folgenden Aussage voll bzw. eher zuzustimmen: „Sie haben einen Artikel, anprobiert und er passt. Sie möchten ihn aber in einer anderen, nicht vorrätigen Farbe kaufen. Würden Sie den Artikel falls möglich, noch in der Filiale online bestellen?“ Bei fehlender Größe trifft die Aussage immerhin noch für 71 % der Befragten voll oder eher zu, obwohl der Artikel nicht in der richtigen Größe anprobiert werden kann (Abbildung 3). In ergänzenden Store Exit Interviews bei verschiedenen Textileinzelhändlern konnte festgestellt werden, dass im Durchschnitt 54 % der Personen, die ein Bekleidungsgeschäft eigentlich mit Kaufabsicht betreten, schließlich doch nichts kaufen, Unter dem Stichwort „Endless Aisle“ (dt. „Endloses Verkaufsregal“) wird die Erweiterung des Sortiments um online Abb. 3: Bestellung in der Filiale bei fehlender Farbe oder fehlender Größe Würden Sie Artikel in der Filiale bestellen ... 78% 71% 41% ... die dort nicht in der gewünschten Farbe vorrätig sind Quellen: Eigene Erhebung unter 329 Konsumenten ... die dort nicht in der gewünschten Größe vorrätig sind ... die dort weder in einer anderen Größe noch in einer anderen Farbe vorrätig sind © Capgemini Consulting 2015 weil sie nichts gefunden haben, das ihnen gefällt bzw. passt. Diese Kunden werden über eine „Endless Aisle“-Anwendung adressiert. Doch: Wie sollte eine solche Anwendung aufgebaut sein, damit sie eine möglichst große Wirkung entfaltet? Grundsätzlich kann die Erweiterung des Filialsortiments um Online-Sortimente auf zwei Wegen erfolgen – zum einen über Kiosk-Systeme, welche für den Kunden frei zugänglich und bedienbar sind, zum anderen über Tablet-PCs in den Händen des Verkäufers. Beide Varianten weisen Vor- und Nachteile auf. So kann sich der Kunde beim Einsatz von Kiosk-Systemen selbstständig über zusätzlich erhältliche Waren informieren. Allerdings stellt sich in diesem Fall die Frage, warum er dies vor Ort im Geschäft tun sollte und nicht bequem von zuhause aus. Der Vorteil der fest installierten KioskSysteme besteht insbesondere in der Robustheit und Diebstahlsicherheit der Geräte. Daher eignen sich diese vorwiegend für stark frequentierte Geschäfte. Nachteilig ist hingegen ist die Belegung von Verkaufsflächen durch die Kioske, wodurch i.d.R. auch die Anzahl der eingesetzten Geräte je Store limitiert ist. Ein Mehrwert für den Kunden kann generiert werden, wenn er sich nicht in Eigenregie über das zusätzliche Sortiment informieren muss, sondern ein Verkäufer durch die Angebote führt. Dieser kennt das Sortiment, unterstützt bei der Auswahl und steht beratend zur Seite. Dies kann an einem Kiosk-System ebenso erfolgen wie an einem Tablet. Letzteres bietet allerdings den Vorteil, dass der Verkäufer es immer bei sich tragen kann und es sich besser in das Verkaufsgespräch integrieren lässt. Ein Ortswechsel, manchmal quer durch das Geschäft und weg von der bisherigen Auswahl des Kunden, ist nicht notwendig. Auch das Verlassen der Verkaufsfläche z. B. für das Aufsuchen des Lagers kann so in vielen Fällen vermieden werden – der Verkäufer kann also den Kunden inten- 9 siver betreuen, was insbesondere in hochwertigen Segmenten ein großer Vorteil ist. Darüber hinaus sind Tablets in der Anschaffung deutlich günstiger als Kiosk-Systeme. Ein Nachteil von Tablets ist allerdings der relativ kleine Bildschirm, auf dem die Waren oft nicht angemessen zur Geltung kommen. Eine interessante Lösung hat Tommy Hilfiger in Düsseldorf umgesetzt. Dort wird der Bildschirm des Tablets auf einen großen Flachbildschirm übertragen – in Zeiten rapide sinkender Hardware-Preise eine attraktive Ergänzung zu den eingesetzten Tablets. Ebenfalls kann sich die häufig nur kurze Laufzeit der Akkus eines Tablets im Alltag negativ auswirken – daher sollte bereits bei der Anschaffung eine ausreichende Anzahl an Ersatzgeräten einkalkuliert werden. Insbesondere in Geschäften des Premiumund Luxus-Segments besteht weiterhin die Möglichkeit, Flachbildschirme als Spiegel einzusetzen. Diese sogenannten „Smart Mirrors“ erlauben eine 360-GradAnsicht des Produktes am Kunden sowie das Anfertigen und Versenden von Photos. Diese Bildschirme könnten ebenfalls dazu genutzt werden, online erhältliche Waren zu präsentieren. Einen zusätzlichen Mehrwert bringt diese Integration, wenn Artikel über den „Smart Mirror“ oder das Tablet gescannt werden können und über die RecommendationEngine des Online-Shops passende oder ähnliche Artikel vorgeschlagen werden. Die Vorschläge sollten dabei getrennt nach Verfügbarkeit im Geschäft und Verfügbarkeit im Online-Shop ausgewiesen werden. Noch einfacher wird die Umsetzung, wenn die Waren mit RFID-Tags ausgezeichnet sind. In diesem Fall könnte der Spiegel die ausgewählten Artikel automatisch erkennen. Hat der Online-Shop eine Style-BoardFunktionalität, besteht die Möglichkeit, die Artikelnummern einzuscannen und auf dem Style-Board des Online-Shops mit anderen Artikeln zu vergleichen, die nur online erhältlich sind. Der Verkäufer kann dabei behilflich sein und seine Argumentation für passende Online-Zusatzverkäufe visuell unterstützen (vgl. Abb. 4). Bereits seit längerem gibt es auch Versuche, die Spiegel für eine „virtuelle Anprobe“ zu nutzen. In diesem Fall wird Abb. 4: Fashion Style-Board © Capgemini Consulting 2015 10 Jedem Verkäufer ein Tablet? die ausgewählte Ware einfach über das Spiegelbild des Kunden projiziert. Die Steuerung des Spiegels erfolgt über Gesten. Der Kunde kann auf diese Weise sehr bequem und in schneller Abfolge viele Teile „anprobieren“. Da die Anprobe virtuell erfolgt, gilt das auch für Ware, die nur online erhältlich ist. Erste Anwendungsbeispiele zur virtuellen Anprobe, beispielsweise bei Topshop in Moskau5, machen jedoch auch klar, dass diese Technologie noch in den Kinderschuhen steckt und die Qualität der Projektion heute noch nicht zufriedenstellend gelöst ist. Der für eine „lebensechte“ Darstellung der Artikel notwendige Aufwand wird kurzfristig kaum leistbar sein – und auch mittelfristig ist eine stärkere Verbreitung dieser Funktionalität unwahrscheinlich. Versandabwicklung Über Anwendungen zur Versandabwicklung kann der Verkäufer mit Hilfe des Tablets bei einer Bestellung im Geschäft auf das Kundenkonto des Käufers zugreifen bzw. die Kundendaten erfassen und den Versand anstoßen. Darüber hinaus sollte er die Möglichkeit haben, den Kunden kanalübergreifend Auskunft über laufende Bestellungen (Order Tracking), Zahlungen, Rückzahlungen, Retouren und Reklamationen zu geben. Clienteling Clienteling ist ein Ansatz, der wie auch das „One-to-one Marketing“ und das „Database Marketing“ die Kundenbindung durch individuelle Kommunikation mit dem Kunden steigern soll. Die Besonderheit von Clienteling besteht darin, dass die Kommunikation mit dem Kunden direkt über den Verkäufer vor Ort erfolgt und der persönliche Kontakt zwischen Kunden und Verkäufern im Vordergrund steht. 5 Clienteling-Anwendungen auf TabletComputern unterstützen den Verkäufer bei dieser Aufgabe. Sie erlauben einen 360-Grad-Blick auf den Kunden, sie zeigen Kontaktdaten des Kunden, das Kundenprofil, seine Kaufhistorie, individuelle Notizen des Beraters zum Kunden, eventuell angelegte Wunschlisten, Beschwerde- und Reklamationshistorien, Posts des Kunden auf SocialMedia-Plattformen, die mit Bekleidungsmarken oder dem betreffenden Einzelhändler zusammenhängen, und potenziell vieles mehr. Alle bisherigen Kontakte und Transaktionen mit dem Kunden, ganz gleich über welchen Kanal sie gelaufen sind, werden erfasst und transparent dargestellt. Diese vielfältigen Informationen erlauben es dem Verkäufer, sich möglichst gut auf den Kunden einzustellen und ihn individuell zu beraten. Darüber hinaus ermöglichen sie ihm, mit dem Kunden direkt aus der Anwendung heraus per E-Mail, SMS, MMS oder Anruf in Kontakt zu treten. Dieser persönliche Kontakt führt zu einer höheren Aufmerksamkeit und stärkeren Bindung des Kunden als personalisierte Massenmailings aus der anonymen Unternehmenszentrale. Clienteling-Konzepte sind gerade im Wettbewerb mit den reinen OnlineAnbietern interessant, denn im Gegensatz zu stationären Einzelhändlern haben diese kaum Möglichkeiten und Ressourcen, Clienteling umzusetzen. Clienteling versteht den Verkäufer bzw. Kundenberater „vor Ort“ somit als strategischen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Onlinehandel, der bislang nur rudimentär genutzt wird, nämlich nur dann, wenn sich der Kunde ohnehin bereits in der Filiale befindet. Clienteling stärkt bzw. nutzt diesen Wettbewerbsvorteil, um den Kunden auch zu Hause anzusprechen und ihn regelmäßig persönlich zu betreuen. Persönliche Kommunikation Grundvoraussetzung für die Kontaktaufnahme des Verkäufers mit dem Kunden außerhalb eines normalen Verkaufsgesprächs im Laden ist, dass der Kunde damit einverstanden ist. Ohne ein solches Einverständnis ist, abgesehen von eventuellen rechtlichen Implikationen, mindestens davon auszugehen, dass der Kunde die Nachrichten häufig als unerwünscht löscht. Im schlimmsten Falle können wiederholte unerwünschte Nachrichten sogar das Image des Unternehmens beim Kunden nachhaltig beeinträchtigen. Es kann davon ausgegangen werden, dass ohnehin nur Kunden mit einer gewissen Sympathie für das Unternehmen bzw. die Marke ihr Einverständnis für die persönliche Kontaktaufnahme geben – nicht zuletzt deshalb konzentriert sich Clienteling auf die stärkere Bindung der Topkunden des Unternehmens. Dennoch braucht der Verkäufer gute Argumente, um den Kunden davon zu überzeugen, mit einer Kontaktaufnahme einverstanden zu sein. Die besten Argumente leiten sich aus den Inhalten der Informationen ab, die der Verkäufer anbieten kann. Relevante Informationen für den Kunden sind zum Beispiel: • Ankunft neuer Waren der Lieblingsmarke • Ankunft eines bestimmten Kleidungsstücks, nach dem der Kunde Ausschau hält • Einladung zu Events (Modenschau, Private Sale etc.) www.wired.com/2011/05/augmented-reality-kinect-fitting-room-for-topshop-moscow/ 11 12 Jedem Verkäufer ein Tablet? • Versendung von markenrelevantem Content (Musik, Booklets zur neuen Kollektion etc.) und die • Versendung von Coupons Hat der Verkäufer den Kunden vom Mehrwert der angebotenen Informationen überzeugt, gilt es die Art der Kommunikation festzulegen. Hierbei sollte angestrebt werden, den Kunden per SMS, MMS oder Anruf kontaktieren zu dürfen. E-Mails und auch Briefe oder Postkarten werden von den allermeisten Kunden nur zeitverzögert geöffnet, während 90 % aller verschickten SMS innerhalb von drei Minuten gelesen werden. E-Mails gehen dagegen häufig in der allgemeinen Flut von Werbemails (Spam) unter. Briefe und Postkarten lassen sich nur mit größerem Aufwand beantworten. Um die Qualität der Kommunikation zu sichern, sollten regelmäßige Schulungen der Verkäufer durchgeführt werden. Darüber hinaus ist ein Controlling zu implementieren, das Transparenz über das Kommunikationsverhalten der Verkäufer und der Kunden schafft. Die Store-Manager benötigen geeignete Kennzahlen, um ihre Mitarbeiter in diesem Bereich zu führen und zu coachen. Tauglich sind zum Beispiel: • Der Umsatzanteil des Verkäufers mit „seinen“ definierten Stammkunden • Die durchschnittliche Kauffrequenz der Stammkunden und • Die Retention Rate6 der Stammkunden Neben Führung, Schulung und Coaching sollten die Verkäufer durch das ClientelingTool bei ihrer Kommunikationsaufgabe unterstützt werden. Die Verwaltung der Adressdaten und der Kommunikationshistorie ist dabei nur ein kleiner Teil der benötigten Funktionalität. Zunächst gilt es die Anlässe für die Kontaktaufnahme zu definieren und in dem Tool zu hinterlegen. Auf dieser Basis sowie auf Grundlage der Kommunikations- und Transaktionshistorie der Stammkunden sollte das Tool dem Verkäufer täglich Vorschläge zur Kundenkommunikation unterbreiten, wie zum Beispiel: • „Herrn Mayer zum Geburtstag gratulieren und Geschenkcoupon in Höhe X beifügen.“ • „Frau Müller daran erinnern, dass ihr Kleid aus der Änderungsschneiderei zurück ist und zur Anprobe bereitliegt.“ • „Frau Schmitt und Frau Schulz auf die neue Capsule Collection von Designer Y hinweisen.“ Über den Kommunikationsanlass hinaus sollte das Tool auch bei der Verfassung des Kommunikationsinhalts unterstützen. Das kann bei dem Vorschlag verschiedener Formulierungen beginnen und bei der Empfehlung von Waren enden, die der Verkäufer dem Kunden bzw. der Kundin anbietet. Letzteres ist zum Beispiel bei der Information über New Arrivals und bei der über Preisreduzierungen von Bedeutung. Statt einer einfachen Nachricht, dass neue Ware der Lieblingsmarke angekommen ist, könnte der Verkäufer eine Nachricht, z. B. eine MMS, mit ausgewählten Teilen der Lieblingsmarke des Kunden verschicken. Dazu die Frage, ob er die Teile in der Größe des Kunden zurücklegen soll. Umgekehrt könnte das Clienteling-Tool während der Saison Kunden vorschlagen, denen Waren gefallen könnten, die einen deutlichen Überbestand aufweisen. Diesen Kunden könnte der Verkäufer die Teile bereits vor dem Sale mit einem Preisvorteil anbieten. Die Höhe des Preisvorteils richtet sich nach der Abverkaufswahrscheinlichkeit des Artikels in der verbleibenden Saison. Unter dem Stichwort „Yield Management“ betreiben Luftfahrtgesellschaften eine derartige Preispolitik bereits seit Jahrzehnten. Die Funktionalität kann auch während des Verkaufsgesprächs genutzt werden. Hat der Verkäufer die Artikel, für die der Kunde sich interessiert, auf dem Tablet, könnte ihm dort über verdeckte Kennzeichen angezeigt werden, welche Rabatte er dem Kunden einräumen darf. Ob er sie tatsächlich anbietet, bleibt ihm überlassen. Er kann in der Situation am besten entscheiden, ob der Anreiz für die Kaufentscheidung von Bedeutung ist oder ob der Kunde sich auch ohne Preisnachlass für das Produkt entscheidet – und somit im Vergleich zu einer Verteilung von Rabatten nach dem Gießkannenprinzip den Rohertrag maximieren bzw. zumindest erhöhen. Guided und Assisted Selling Guided- und Assisted Selling-Anwendungen unterstützen Verkäufer und Kunden im Verkaufsprozess. Die Anwendungen sollen den Verkäufer über eine vorgegebene Struktur sowie definierte Fragestellungen durch das Verkaufsgespräch führen. Der Unterschied zwischen den beiden Begriffen besteht in der Flexibilität, die das Guided Selling- bzw. Assisted Selling-Tool dem Verkäufer lässt. Während Assisted Selling den Verkäufer mit Informationen versorgt, gibt Guided Selling einen konkreten Ablauf vor. Im Online-Handel wird Guided Selling mit gutem Erfolg angewendet. Ein Beispiel sind die Online-Berater von SportScheck.7 Um beispielsweise eine passende Auswahl an Laufschuhen zu erhalten, muss der Kunde auf der Online-Plattform Fragen beantworten, die auch ein Verkäufer stellen würde. Gefragt wird nach Geschlecht, Gewicht, Schuhgröße, Fußtyp, Bein-/ Fußstellung, Aufsetzverhalten, Laufziel, Retention Rate = Anteil der Stammkunden, die in dieser Periode und der letzten gekauft haben an den Stammkunden, die in der letzten Periode gekauft haben. Die Retention Rate (Wiederkauf-Rate) gibt an, ob die Stammkunden häufiger oder weniger häufig als zuvor in dem Geschäft einkaufen. 7 http://www.sportscheck.com/beratung/ 6 13 Untergrund, Laufhäufigkeit und besonderen Features. Begleitet werden die Fragen von Videos und Illustrationen, die beispielsweise die unterschiedlichen Fußtypen und Laufstile erklären. Am Ende erhält der Kunde auf Basis seiner Eingaben eine Auswahl auf seinen Bedarf zugeschnittener Laufschuhe. Insbesondere in Geschäften mit einem umfangreichen Sortiment kann Guided Selling per Tablet-Computer eine wertvolle Hilfe im Verkaufsprozess sein, denn eine auf den Kunden zugeschnittene Auswahl ist laut unserer Konsumentenbefragung mit Abstand das wichtigste Kriterium zur Bewertung von Modegeschäften (Abbildung 5). Das zweitwichtigste Kriterium ist in dieser Auswahl die Übersichtlichkeit. Ein Guided Selling-Tool erlaubt beides: das Zuschneiden des Angebots auf die Wünsche des Kunden und die Schaffung von Übersichtlichkeit über das relevante Sortiment. Die Hauptaufgabe des Tools besteht in einer strukturierten Bedarfsermittlung und der darauf aufbauenden Eingrenzung des Sortiments. Zur Bedarfsermittlung sollten dem Verkäufer unterschiedliche Ansätze zur Verfügung gestellt werden. Je nach Wunsch des Kunden kann der Guided Selling-Prozess beispielsweise anlassbezogen, warengruppenbezogen oder stilbezogen erfolgen. Je nach Wahl stellt der Verkäufer unterschiedliche Fragen, um den Bedarf des Kunden zu ermitteln, und gibt die Antworten auf dem Tablet oder einem großen Touchscreen ein. Am Ende erhält der Kunde eine Auswahl an Kleidungsstücken auf dem Tablet oder einem Bildschirm angezeigt. Ist der Kunde registriert, besteht die Möglichkeit, die Auswahl auf Basis der Kundendaten nach Relevanz für den Kunden zu sortieren. Auf dieser Basis kann er gemeinsam mit dem Verkäufer entscheiden, welche Teile der Verkäufer zur Anprobe bringen soll. Darüber hinaus sollte das Tool in der Lage sein, zusätzliche Sortimente aus anderen Läden oder dem Online-Shop anzubieten Abb. 5: Anteil der Konsumenten, für die das jeweilige Kriterium unter den drei wichtigsten ist Für mich passende Auswahl 52% Kompetentes Personal 36% Freundliches Personal 35% Auswahl 14 Jedem Verkäufer ein Tablet? Customer Interaction 55% Atmosphäre Quellen: Eigene Erhebung unter 329 Konsumenten Ein häufig geäußerter Kritikpunkt an Guided- bzw. Assisted Selling-Anwendungen ist, dass sie dem erfahrenen, „guten“ Verkäufer kaum Zusatznutzen bieten. Jedoch gestatten Assisted Selling-Anwendungen auch einem erfahrenen Verkäufer die übersichtliche und schnelle Darstellung der für den Kunden relevanten Artikel. Insbesondere in großen Modehäusern kann dies von Vorteil sein. Weiterhin muss auch bedacht werden, dass das Ziel solcher Anwendungen eben gerade nicht ist, die erfahrenen Verkäufer weiter zu fördern, sondern vielmehr das Durchschnittsniveau des Verkaufspersonals zu erhöhen und Mindeststandards zu setzen. So ist es gerade im filialisierten Handel eine Frage der Skalierung, die Assisted SellingAnwendungen interessant macht. Wäh rend regionale Warenhäuser und die sogenannten Platzhirsche oft über erfahrenes und hervorragend geschultes Personal verfügen, sind bei den typischen Filialisten oft andere Personalstrukturen mit höheren Fluktuationsraten und einem höheren Anteil an nicht ausgebildeten Aushilfskräften zu beobachten, die über eine Systemunterstützung merklich unterstützt und gefördert werden können. 91% Übersichtlichkeit Erlebnis (Endless Aisle) sowie Vorschläge für Cross- und Up-Selling zu unterbreiten. 31% 12% © Capgemini Consulting 2015 Der Begriff „Customer Interaction“ beschreibt in verschiedenen Zusammenhängen sowohl die Kommunikation eines Unternehmens mit seinen Kunden (B2C) als auch die Kommunikation zwischen Kunden untereinander, insbesondere über soziale Netzwerke (C2C). Das folgende Kapitel konzentriert sich auf den zweiten Aspekt, also die Kommunikation der Kunden untereinander. Viel diskutiert und auch umgesetzt ist in diesem Kontext die Idee, Fotos des Kunden mit den zur Auswahl stehenden Teilen über soziale Netzwerke oder E-Mail an Freunde, Bekannte und Verwandte zu senden. Der Kunde erhofft sich davon entweder ein direktes Feedback oder will dem Netzwerk möglicherweise auch nur ein aktuelles Erlebnis mitteilen. Features, welche derartige Nachrichten des Kunden an soziale Netzwerke unterstützen, können zum Beispiel in den oben bereits beschriebenen Smart-Mirrors integriert werden, oder auch auf dem Tablet des Verkäufers. Am einfachsten und sichersten für den Kunden ist allerdings die Aufnahme und der Versand von Fotos mit dem eigenen Smartphone – bei Bedarf unterstützt durch den Verkäufer. Allerdings: Bei einer Erhebung des EEC gaben nur 12 % der Befragten an, dass das Teilen von Fotos per Facebook in diesem Zusammenhang für sie sehr interessant oder eher interessant ist.8 Dennoch: Aussagen von anderen Kunden erscheinen vielen Konsumenten vertrauenswürdiger als Aussagen der Verkäufer oder Aussagen von Werbe- und Kommunikationsabteilungen. Die Kommunikation zwischen tatsächlichen Kunden bzw. potenziellen Kunden über das Geschäft ist also zweifelsohne von großer Bedeutung und im Folgenden liegt daher der Fokus auf zusätzlichen Möglichkeiten der Customer Interaction. Ziel aller Customer Interaction-Maßnahmen sollte es sein, die Kunden dazu zu bewegen, positive Gespräche über das Geschäft zu führen. Hierzu brauchen sie Anlässe. Das könnte dir gefallen! Eine Alternative zum „Selfie“ ist eine Funktion, die es erlaubt, Empfehlungslisten zu führen. Diese Listen können sich entweder an die Öffentlichkeit richten, an Gruppen aus sozialen Netzwerken oder an einzelne Personen wie z. B. Freunde oder den Partner. Die Liste kann aus dem Online-Shop gespeist werden oder über das Einscannen der Barcodes im Geschäft. Das Scannen wiederum erfolgt über das Smartphone des Kunden oder das Tablet des Verkäufers. Mit Hilfe dieser Funktion können Kunde und Verkäufer beispielsweise gemeinsam eine Liste an Kleidungsstücken für den Partner des Kunden zusammenstellen. Es kann sich dabei um Outfits handeln oder um Alternativen einer oder mehrerer Warengruppen. Diese Liste kann der Kunde per Link versenden oder einfach am Abend mit dem Partner zu Hause durchsprechen. Gefallen dem Partner Teile daraus, so kann er diese online bestellen oder im Geschäft zur Anprobe reservieren. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Liste als „Geschenkkorb“ zu nutzen. Der Kunde bringt dabei die Teile der Liste in eine Rangfolge und schickt sie gemeinsam mit einer Einladung zur Geburtstagsparty an seine Freunde. Diese können entweder einen beliebigen Beitrag leisten oder einzelne Teile auswählen und kom- plett finanzieren bzw. schenken. Am Ende erhält der Kunde gemäß der gebildeten Rangfolge alle von seinen Freunden finanzierten Teile sowie die ausgewählten Einzelteile. Ergänzen ließe sich das Konzept, indem auch die eingeladenen Freunde Teile für die Liste vorschlagen und diskutieren können. Der Kunde kann die Vorschläge entweder akzeptieren und in seine Rangfolge einsortieren oder ablehnen. Let’s party! Inoffizielle Shopping-Partys oder auch sogenannte „Zalando-Partys“ sind der Schrecken der Versandhandelsbranche. Jeder Teilnehmer bestellt dabei etwas, man trifft sich zu einer gemeinsamen Party, z. B. einer „Ladies Night“, führt die bestellten Teile vor und anschließend schickt man (fast) alles wieder zurück. Was der Versandhandelsbranche ein Graus ist, könnte dem Stationärhandel Umsatzzuwächse und Sympathiepunkte bringen. Das Konzept könnte folgendermaßen funktionieren: Ein Kunde meldet die Shopping-Party im Geschäft oder online an und lädt Freunde per Link dazu ein. Diese teilen in einem Guided SellingProzess ihre Konfektionsgrößen, Stilrichtungen und Bedarfe mit und wählen eine begrenzte Anzahl Teile aus, die sie während der Party vorführen möchten. Vgl. Halbach, J., Rothenstein, J., Dahm, B.: Digitalisierung des Point of Sale, Köln 2014, S. 21 8 15 16 Jedem Verkäufer ein Tablet? Die Party selbst findet entweder außerhalb der Öffnungszeiten im Geschäft selbst, in einer externen Location oder beim Kunden zu Hause statt - abhängig vom Genre sowie der Ausstattung der Geschäftsräume. Der Verkäufer stellt auf Basis der Eingaben für jeden Teilnehmer ein Warenpaket zusammen und bringt dieses, sofern die Party nicht im Geschäft selbst stattfindet, zum Event mit. Dabei achtet er darauf auch Nachbargrößen sowie Cross- und Up-Selling-Ware mitzunehmen. Auf der Party selbst probieren die Kunden die Teile an und führen sie sich gegenseitig vor. Das Ganze lässt sich durch Stil- und Typberatungen des Verkäufers ergänzen. Gut dazu passen würde auch eine vorgeschaltete Make-up-Beratung, während der Kundinnen verschiedene Produkte testen können. Am Ende haben die Kunden die Möglichkeit, die gewünschten Artikel zu erwerben. Sie können sich entweder auf dem Tablet des Verkäufers mit ihren Zugangsdaten einloggen und die Waren über den Online-Shop bezahlen oder sie zahlen per Kredit- oder EC-Karte über das Tablet. Über das Tablet hat der Berater auch Zugriff auf die online verfügbare Ware sowie die Filialbestände von nicht mitgebrachten Farben und Größen und kann diese bei Bedarf reservieren. Die restlichen Waren nimmt der Verkäufer wieder mit. Über die Shopping-Party hat der Verkäufer die Möglichkeit, weitere „Stamm“-Kunden kennenzulernen und über die ClientelingFunktion seines Tablets zu erfassen. Ich hab da etwas für dich! Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Das wissen auch die Kunden. Warum ihnen dann nicht eine Freude bereiten und ihnen etwas an die Hand geben, das sie weiterverschenken können? Eine Möglichkeit, das zu tun, besteht darin, ihnen eine begrenzte Anzahl Coupons zu schenken, die sie weitergeben können. Die Coupons versprechen einen Vorteil beim Kauf einer Ware. Das kann ein einfacher Rabatt sein, eine kostenlose Zugabe, die Einladung zu einem Event oder Ähnliches. Der Vorteil sollte jedoch so groß sein, dass der Kunde bereit ist, ihn an gute Freunde weiterzuleiten. Um das so einfach und schnell wie möglich zu gestalten, sollten die Coupons in elektronischer Form übermittelt werden, als E-Mail oder SMS. Der Coupon selbst besteht aus einem Code, der nur einmal eingelöst werden kann. Außerdem erhält die Nachricht einen Link auf eine Webseite, die den Vorteil ausführlich erklärt und mit dem Online-Shop verknüpft ist. Die Coupons werden über die Verkäufer verteilt. Jeder Verkäufer erhält ein Kontingent, das er nach eigenem Ermessen unter seinen Kunden verteilen kann. Die Versendung der Nachricht erfolgt über das Tablet des Verkäufers am Ende des Verkaufsgesprächs. Sales Floor Management In den vorangegangenen Abschnitten standen kundenfokussierte Prozesse im Vordergrund. Im Folgenden geht es um die Unterstützung des Verkaufspersonals bei Tätigkeiten ohne direkten Kundenkon- takt. Es werden drei wesentliche Anwendungsschwerpunkte unterschieden: • Lernen und nachschlagen („Information Hub“) • Umsetzen („Task-Management“) und • Kontrollieren („Performance Management“). Information Hub Tablet-Computer eignen sich hervorragend zur einfachen und übersichtlichen Bereitstellung vielfältigster Informationen. In den Kapiteln zu Multi-Channel-Management und Clienteling wurde das deutlich. Darüber hinaus gibt es jedoch auch zahlreiche weitere Informationen, die für den Verkäufer außerhalb des direkten Kundenkontakts wichtig sind. Neben den üblichen warenwirtschaftlichen Informationen, auf die hier nicht vertiefend eingegangen werden soll, sind insbesondere für neue Mitarbeiter prozessbezogene Informationen von Relevanz. Eine Idee ist es beispielsweise, das StoreOperations-Manual (SOM) auf das Tablet zu bringen. In dem SOM werden ServiceStandards definiert und Geschäftsprozesse erläutert. Die Abbildung des SOM auf dem Tablet hat mehrere Vorteile: • Einfache zentrale Aktualisierung durch automatisiertes Aufspielen von Updates • Über integrierte E-Learnings Kontrolle darüber, ob Updates zur Kenntnis genommen wurden • Bereitstellung nach Job-Level differenzierter Informationen (Beispiel: Filialleiter erhalten andere Informationen als Verkäufer) 17 • Schutz vor unbefugter Verbreitung des SOM • Einfacher Zugang auf der Verkaufsfläche Insbesondere die Einarbeitung neuer Mitarbeiter kann so beschleunigt und besser kontrolliert werden. Eine andere Möglichkeit ist die Bereitstellung des zentralen Marketingkalenders. Die häufig eher zufallsgesteuerte Information der Filialen über Marketingaktionen könnte über eine entsprechende Funktion auf dem Tablet standardisiert werden. Die Filialleiter und Verkäufer haben dort die Möglichkeit, vergangene, aktuelle und künftige Aktionen nachzuschlagen. Sie können sich so besser auf die Aktionen vorbereiten und bei Nachfragen von Kunden kompetent Auskunft geben. Auch die Marketinginformationen können nach JobLevel differenziert preisgegeben werden. Der Marketingkalender sollte auch mit dem Task-Management und dem Performance-Management verknüpft werden. Im Task-Management können zentral Aufgaben vorgegeben werden, die in der Filiale zur Umsetzung der MarketingAktion durchgeführt werden müssen. Im Rahmen des Performance-Managements erhält der Filialleiter Feedback über den Erfolg der Aktion in seiner Filiale. Eine der interessantesten Anwendungen des Information Hubs ist eine integrierte Lernplattform. Über moderne E-LearningPlattformen können heute Inhalte anschaulich und einfach vermittelt und geprüft werden. Das Spektrum möglicher Inhalte ist dabei sehr vielfältig. Es reicht von den bereits angedeuteten prozessbezogenen E-Learnings für neue Mitarbei- 9 ter über Warenkunde und Verkaufstechnik bis hin zur Vorstellung von Marken, Kollektionen und Sortimentskonzepten. Interessant könnte die Plattform z. B. für Marken sein, die Inhalte an die Verkäufer der Wholesale-Kunden transportieren möchten. Lohnen wird sich dies allerdings nur, wenn die Inhalte an möglichst viele Wholesale-Kunden weitergegeben werden können. Um dies zukünftig zu gewährleisten, sollte die Lernplattform den Defacto-Standard SCORM9 unterstützen. SCORM ist mittlerweile weltweit verbreitet und wird von vielen wichtigen Lernplattformen wie z. B. Moodle, Ilias, Clix und Olat unterstützt. Darüber hinaus gibt es mittlerweile einige Wysiwyg-Editoren10, mit deren Hilfe sich SCORM-basierte E-Learnings relativ leicht erstellen lassen. Beispiele umfassen Adobe Captivate, Articulate Quizmaker und iSpring. SCORM ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die E-Learnings der Marken möglichst breit gestreut werden können. Einen weiteren Vorteil bietet die Möglichkeit, bereits bewährte SCORM-basierte E-Learnings zu grundlegenden Themen dazuzukaufen. Neben den Markenherstellern sollten auch die Einkäufer Inhalte für den Verkauf bereitstellen. Nützliche Informationen sind zum Beispiel: • Das Sortimentskonzept • Die Vorstellung von Trends, auf die die Einkäufer bei der Order gesetzt haben • Der Vorschlag von Kombinationen und Outfits • Argumente zur Rechtfertigung von Premium-Preisen SCORM = Sharable Content Object Reference Model, vgl. zu SCORM: www.adlnet.gov Wysiwyg = What you see is what you get 10 18 Jedem Verkäufer ein Tablet? • Die Vorstellung neu in das Sortiment aufgenommener Marken • „Geschichten“ über die Waren, die auch für die Endkunden interessant sind Umgekehrt sollte das Tablet auch genutzt werden, um über eine Feedback-Funktion Informationen vom POS an die Zentrale oder die Lieferanten zu senden. Das können einerseits zentral gesteuerte Erhebungen sein, in denen die Verkäufer oder auch die Kunden gebeten werden, am Tablet einen kurzen Fragebogen auszufüllen. Andererseits sollten die Verkäufer auch eine Möglichkeit erhalten, aktiv ein nach Themengebieten strukturiertes Feedback zu geben. Relevante Themengebiete sind z. B. Einkauf, Marketing, Logistik, Lieferant A, Lieferant B etc. Die Feedback-Funktionalität ersetzt in diesem Fall Telefonanrufe und E-Mails an verschiedenste Stellen in der Zentrale, seien es die richtigen oder die falschen. Darüber hinaus erhält die Zentrale einen sehr guten Überblick über die Situation am POS. Besonders interessant ist die Funktion für Markenhersteller. Sie haben heute in den meisten Fällen keine Möglichkeit, ein flächendeckendes Feedback von den Verkäufern ihrer Handelskunden zu erhalten. Ein weiteres Ziel des Information-Hubs sollte darin bestehen, den Austausch zwischen den Verkäufern zu fördern. Ein geeignetes Instrument hierfür ist ein Webforum, das über die Tablets erreichbar ist. Im Forum können die Verkäufer Fragen stellen, Themen diskutieren und nach bereits gegebenen Antworten suchen. Der Wert eines Forums hängt von der Anzahl und dem Umfang der Threads11 ab. Besonders kritisch ist deshalb die StartPhase eines neuen Forums, denn zu Beginn ist es leer. Dem kann Abhilfe geschaffen werden, indem ein kleines Team wichtige Themen vorab diskutiert und in das Forum einstellt. Das Team sollte aus erfahrenen Verkäufern und Mitarbeitern der Zentrale bestehen. In vielen Filialsystemen gibt es eine zentrale VerkaufssteuerungsAbteilung, die sich um die Organisation des Verkaufs (IT-Systeme, Richtlinien, Prozesse etc.) kümmert. Mitarbeiter dieser Abteilung sind aufgrund ihrer Tätigkeit und ihres Wissens prädestiniert dafür, an der Etablierung des Forums mitzuarbeiten. Mitarbeiter der Verkaufssteuerung sollten auch die Funktion der Moderatoren übernehmen. Diese kontrollieren die Beiträge, korrigieren falsche und missverständliche Aussagen, löschen veraltete Threads und beantworten selbst Fragen der Teilnehmer. Über das Forum werden die Sorgen und Nöte der Mitarbeiter im Verkauf transparent. Fragen der Verkäufer können schnell und einfach für alle beantwortet werden. Insbesondere in großen internationalen Verkaufsorganisationen oder auch in stark dezentral gesteuerten Filialsystemen sind die Filialprozesse in der Regel sehr heterogen. Ein aktiver Austausch zwischen den Ländern, Regionen oder Filialen ist dann besonders wertvoll. Er erweitert den Horizont der Verantwortlichen und zeigt alternative Lösungen auf. Eine Lösung hierfür sind Best-Practice-Bibliotheken. Gesteuert von den Verkaufsleitungen können in die Best-Practice-Bibliothek Verfahrensweisen eingestellt werden, die sich als besonders vorteilhaft erwiesen haben. In der Bibliothek sind sie über das Tablet 11 von allen Verkäufern einsehbar. Geht man noch einen Schritt weiter, könnte man je nach Wert des Best-Practice-Ansatzes alle oder einen Teil der Verkaufsmitarbeiter verpflichten, die Beschreibung des Ansatzes zu lesen. In diesem Fall erscheint im Task Management eine entsprechende Aufgabe. Da die Ansätze im InformationHub veröffentlicht werden, kann die Erledigung der Aufgabe über das Task Management auch kontrolliert werden. Aufgabenzuteilung Damit die Verkaufsmitarbeiter durch zentralseitige Aufgaben nicht überlastet werden, sollte der Filialleiter die Möglichkeit haben, die Aufgaben seinen Mitarbeitern zuzuteilen. Er sieht im Task Management, wie stark seine Mitarbeiter belastet sind, und er weiß, wer krank ist, Urlaub hat und welche Fähigkeiten seine Mitarbeiter haben. Eine Aufgabenverwaltung (Task Management) an sich ist nicht innovativ. Über zahlreiche Apps für mobile Endgeräte sowie über Outlook und Lotus Notes lassen sich seit langem Aufgaben verwalten. An die Aufgabenverwaltung eines Verkäufers im Textileinzelhandel sind jedoch besondere Anforderungen zu stellen: Eine Alternative besteht darin, Gruppen von Verkaufsmitarbeitern zu bilden, die bestimmte Aufgaben übernehmen, beispielsweise in Form von Visual Merchandising- oder Marketing-Beauftragten etc. Aufgaben des Visual Merchandisings (VM) bzw. des Marketings gehen dann nur an die jeweiligen Mitarbeiter. Sind diese nicht anwesend, sollte eine Vertretung definiert bzw. eine Weiterleitung möglich sein. Aufgabenerteiler Feedback Die Aufgabenerteiler sind vielfältig. Das kann der Verkäufer selbst sein, der eine Aufgabe im Task Management des Tablets festhält und so seine Belastung dokumentiert. Aufgabenerteiler sind aber auch der Filialleiter, der Aufgaben an seine Mitarbeiter delegiert, sowie Mitarbeiter der Zentrale. Zentralseitige Aufgaben können z. B. sein: Neben der reinen Erledigung der Aufgaben kann es auch notwendig sein, Feedback zu geben. Sinnvoll ist beispielsweise das Senden von Fotos nach erfolgtem Aufbau einer Sonderfläche. Das Zentrale VM kann so kontrollieren, ob seine Vorgaben auch umgesetzt werden. Task Management • Umsetzung eines bestimmten Warenaufbaus, Anlage: Anweisung per Plan und Fotos • Preisreduzierungen, Anlage: Artikelliste inkl. Fotos • Retournierung von Überbeständen, Anlage: Artikelliste inkl. Fotos • Die Vorbereitung eines Events, Anlage: Text für Einladung von Stammkunden Ein weiteres Beispiel sind Erhebungen, die über das Task Management durchgeführt werden können. So könnte das Marketing die Verkäufer nach der Wirkung eines Angebots befragen oder der Einkauf könnte nach Trends fragen, welche von Kunden schon nachgefragt wurden, sich bislang aber nicht im Sortiment wiederfinden. Vor der Implementierung des Task Managements ist genau zu definieren, wer wem welche Aufgaben erteilen darf. Thread = engl. für „Faden“. Ein Thread bezeichnet eine Diskussion in einem Forum. 19 20 Jedem Verkäufer ein Tablet? Diese Feedbacks können über das gleiche Tool erhoben werden wie die KundenFeedbacks im Customer InteractionBereich. Wichtig ist lediglich, eine Verknüpfung zwischen Aufgabe und Erhebung herstellen zu können. Die großen Vorteile eines zentralen Task Managements bestehen zum einen in der strukturierten Übersicht, die die Verkäufer über ihre Aufgaben erhalten. Zum anderen erhält auch die Zentrale bzw. die Verkaufsleitung strukturierte Informationen über die Aufgabenerfüllung. Von großer Bedeutung ist auch die Transparenz über die Belastung des Verkaufs mit zentralseitigen Aufgaben, denn die Hauptaufgabe der Verkäufer sollte nach wie vor im Verkaufen liegen. Performance Management Im Rahmen des Performance Managements werden Berichte (Reports) bereitgestellt. Das können warenwirtschaftliche Berichte sein, die – falls notwendig – im Task Management mit Aufgaben verknüpft werden können. Zusätzlich sollten aber auch Berichte angeboten werden, die die Leistung des Verkäufers bzw. des Verkaufs- oder Filialteams abbilden. Um das umzusetzen, sind zunächst Art und Höhe der Ziele zu definieren, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums erreicht werden sollen. Im Textileinzelhandel gibt es eine ganze Reihe sinnvoller Zielvorgaben. Sie reichen von der Steigerung der Mitarbeiterproduktivität über Margen- und Abschriftenziele, Zielen, die das Kundenfeedback betreffen, bis hin zur Steigerung der Conversion Rate oder zum Umsatzanteil der Stammkunden. Alle relevanten Kennzahlen sollte das Performance Management ausweisen. Die Ergebnisse sollten der Förderung und Motivation der Mitarbeiter dienen. Sie können zur gezielten Schulung und zur Incentivierung genutzt werden. Um eine Überforderung zu vermeiden, empfiehlt es sich, ein oder zwei Ziele herauszugreifen und diese zumindest für einen gewissen Zeitraum als Hauptziele vorzugeben. So ist es beispielsweise sinnvoll, eine Zeit lang verstärkt auf die Anzahl der Artikel pro Bon zu schauen und die Verkäufer zum Cross-Selling zu motivieren. Haben die Verkäufer das geschafft, könnte es sinnvoll sein, die Erhöhung der Durchschnittspreise oder den Anteil des Umsatzes mit Stammkunden als Hauptziel zu definieren. Neben dieser Flexibilität muss das System in der Lage sein, Ziele auf der Ebene der einzelnen Mitarbeiter, der Ebene der Abteilung, der Ebene der Filiale und der Ebene der Region oder des Landes zu definieren und die Ergebnisse entsprechend auszuweisen. Motivierend können beispielsweise Hochlaufkurven sein, die den erreichten Anteil der Zielerreichung kontinuierlich zeigen. Das Ergebnis der Bemühungen der Mitarbeiter wird durch die Veränderung der Hochlaufkurve plastisch dargestellt. Eine andere Möglichkeit sind (anonymisierte) Rankings, die jeder Abteilung oder jeder Filiale zeigen, wie sie bezogen auf eines der Hauptziele im Vergleich zu anderen Abteilungen oder Filialen abschneiden. Auf diese Weise entsteht Wettbewerb, der die Mitarbeiter anspornt, besser zu werden. Das Performance Management muss nicht zwingend über ein Tablet abgebildet werden. Hat der Verkäufer aber ein Tablet, sollte es auch das Hauptmedium sein, mit dem er seine Arbeit abwickelt – und mit dem er auch seine Leistungen nachvollziehen können sollte. 21 3.Fazit Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt: Die Anwendungsmöglichkeiten von Tablet-Computern im Verkauf des Modeeinzelhandels sind vielfältig und gehen weit über die reine Präsentation des Online-Shops auf der Verkaufsfläche hinaus. Tablet-Computer bieten dem Handel einerseits vielfältige Ansätze, Kunden an die Filialen zu binden. Andererseits erlauben sie in hervorragender Weise, die Verknüpfung des Onlinekanals mit dem stationären Geschäft. werden. Dabei sind alle Aufgaben eines Verkäufers dahingehend zu untersuchen, ob eine Unterstützung durch ein neues digitales Medium wie zum Beispiel ein Tablet, nützlich erscheint. Dabei ist auch die generelle Rolle des Verkäufers zu hinterfragen. Besonders deutlich macht dies der beschriebene Clienteling-Ansatz: Es geht nicht nur darum, bestehende Abläufe zu verbessern, sondern auch darum, neue, innovative Wege der Kundenansprache zu finden und zu etablieren. Ob es tatsächlich zu einem Einsatz oder zumindest zu einer Pilotierung von TabletComputern kommen soll, hängt natürlich stark von dem erwarteten Nutzen dieses Instruments und der im Gegenzug einzukalkulierenden Investitionen ab. • Bringt das Tablet den Verkäufern bzw. Beratern einen Vorteil in der Kundenansprache? • Bringt das Tablet (Effizienz-)Vorteile in der schnelleren Bearbeitung von Prozessen? • Welchen Vorteil hat der Kunde aus dem Einsatz der Technologie? • Und schließlich: Wie lassen sich diese Vorteile quantifizieren? Um das Potenzial dieser Technologie im Verkauf vollständig abschätzen zu können, sollte daher vor Einführung der Tablets eine 360-Grad-Analyse durchgeführt 22 Jedem Verkäufer ein Tablet? Zentrale Fragen bei der Bewertung sind: Wichtig bei der Beantwortung all dieser Fragestellungen ist es, sich nicht zu sehr von der „herkömmlichen“ Sicht auf die Kundenansprache, die Verkaufsprozesse und die warenwirtschaftlichen Abläufe leiten zu lassen. Tablets sollten also nicht als „schicke MDE-Geräte“ verstanden werden, sondern als innovative Instrumente zur Kundenansprache und zur optimierten Steuerung des Warengeschäfts. Oder anders ausgedrückt: Digitale Technologien wie Tablets mögen auch etablierte Vorgänge beschleunigen und vereinfachen – ihr großer Nutzen liegt aber in innovativeren Einsatzgebieten. 4.Autoren Dennis Hodel ist Managing Consultant in der Retail-Sparte der Capgemini Deutschland GmbH und unterrichtet als Gastdozent Beschaffung und Warenwirtschaft an der DHBW Heilbronn. Er verfügt über eine zehnjährige Expertise in der Optimierung von Einkaufs- und Vertriebsprozessen des Fashion-, Lebensmittelund DIY-Handels und ist Autor von zwei Büchern sowie zahlreichen Artikeln zu den Themen Warenwirtschaft, Inventur und RFID im Textileinzelhandel. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Oliver Janz studierte und promovierte an der Universität Mannheim. Im Anschluss arbeitete er in verschiedenen Positionen des KarstadtQuelle Konzerns. Seine bis dahin gewonnene tiefe Einzelhandelsexpertise erweiterte er als Director Global Retail der Hugo Boss AG. Heute verantwortet Prof. Janz den Studiengang Textilmanagement an der DHBW Heilbronn und berät Unternehmen der Modebranche in den Themenfeldern E-Commerce, Merchandise Management und Retail Expansion. Kontakt: [email protected] 23 Über Capgemini Consulting Capgemini Consulting ist die globale Strategie- und Transformationsberatung der Capgemini-Gruppe. Mehr als 3.600 Consultants beraten und unterstützen Organisationen in ihren nachhaltigen Veränderungsprozessen. Die Leistungen reichen von der Konzeption innovativer Strategien bis zu deren Umsetzung, immer mit einer klaren Ergebnisorientierung. Im Zuge der umfangreichen Veränderungen von Wirtschaft und Gesellschaft durch die Digitalisierung begleitet Capgemini Consulting führende Unternehmen und öffentliche Institutionen bei ihrer individuellen Digital Transformation. Das Fundament hierfür bilden eine tiefgreifende Expertise rund um die digitale Wirtschaft sowie eine führende Rolle bei Unternehmenstransformationen und organisatorischem Wandel. Erfahren Sie mehr unter www.de.capgemini-consulting.com Über Capgemini Mit mehr als 140.000 Mitarbeitern in über 40 Ländern ist Capgemini einer der weltweit führenden Anbieter von Management- und IT-Beratung, Technologie-Services sowie Outsourcing-Dienstleistungen. Im Jahr 2013 betrug der Umsatz der Capgemini-Gruppe 10,1 Milliarden Euro. Gemeinsam mit seinen Kunden erstellt Capgemini Geschäfts- wie auch Technologielösungen, die passgenau auf die individuellen Anforderungen zugeschnitten sind. Auf der Grundlage seines weltweiten Liefermodells Rightshore® zeichnet sich Capgemini als multinationale Organisation durch seine besondere Art der Zusammenarbeit aus – die Collaborative Business ExperienceTM. Erfahren Sie mehr unter www.de.capgemini.com Über die DHBW Heilbronn Die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) ist die erste duale, praxisintegrierende Hochschule in Deutschland. Gegründet am 1. März 2009 führt sie das seit über 35 Jahren erfolgreiche duale Prinzip der früheren Berufsakademie Baden-Württemberg fort. Mit mehr als 34.000 Studierenden und über 120.000 Alumni ist die DHBW die größte Hochschule des Landes. Die DHBW Heilbronn ist das jüngste Mitglied unter dem Dach der Dualen Hochschule Baden Württemberg. 2009 gegründet, hat sie sich mit ihrem einmaligen Studienangebot zur ersten Adresse für die Lebensmittelindustrie entwickelt. Mehr als 1000 Studierende sind derzeit in den BWL-Studiengängen Konsumgüter-Handel, Handel-Textilmanagement, Dienstleistungsmanagement und Food Management eingeschrieben. Erfahren Sie mehr unter www.heilbronn.dhbw.de/tm Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen sind geschützt. Copyright ©2015 Capgemini. Alle Rechte vorbehalten.