Wie`s g`wesen ist

Transcrição

Wie`s g`wesen ist
ROMAN
Freitag, 5. August 2005
ür den Kaufbrief hatte
eine
unverhältnismäßig
hohe Summe aufgebracht
werden müssen, was den Vater
nur noch mehr zum Gegner der
„auf Kosten der ausgeschundenen Untertanen in Saus und
Braus lebenden“ geistlichen
Herren in Salzburg machte.
Dabei war mit dem Freikauf
ja bloß die Erbpacht erreicht
und der laufende Zehent nicht
vermindert worden.
Michaels jüngerer Bruder
Hans war ausersehen, einmal
den Hof zu übernehmen. Und
der besonders begabte Michael
war dank der beruflichen Beziehungen des Paten Niklas Koller
und des berühmten Namens
Egkelzain mit zwölf Jahren in
die Klosterschule von Admont
aufgenommen worden – es war
der große Wunsch der Mutter,
einen „geistlichen Fürsprecher
beim Herrgott“, wie sie es nannte, in der Familie zu haben.
All diese Gegebenheiten gingen Michael durch den Sinn, als
er sich dem Hof näherte. Rupp,
der zottige Schäfer-WolfsspitzMischling, riss wie verrückt an
der Kette. Aber schon beim ersten Wort Michaels erkannte er
ihn und sein Bellen schlug in ein
hohes Winseln und Jaulen um.
„Kennst mich wohl noch, Rupp
– ja, schon gut, schon gut…“
Und dann trat Mutter aus der
Tür, um nachzusehen, wer da
gekommen sei…
„Mutter!“
„Bua, dass d' nur g'sund da
bist! Hab' mir schon so große
Sorgen gmacht, weil'st schon
so lang von Admont weg warst
und nichts von dir hast hören
lassen…
Ein
ganzer
Mann
bist
wordn…“
Gleich standen Brot und
Speck auf dem Tisch und Michael fiel heißhungrig drüber
her.
Die Mutter ließ ihn eine Weile
essen, konnte dann aber nicht
mehr an sich halten: „Dass du
mir das hast antun müssen!
Bei Nacht und Nebel aus dem
Kloster verschwinden… Dabei
haben dir die geistlichen Herren, wie wir im letzten Sommer
gsehn haben, schon so viel beibracht. Selbst im Lateinischen
seis't schon besser wie unser
hochwürdiger Herr Pfarrvikar
– wie mir die Kollerin erzählt
hat. Der hat zu ihr g'meint, aus
dem Michael könnt einmal ein
großer gelehrter Herr werden…
und jetzt…?“ Sie kämpfte mit
den Tränen.
„Jetzt wird er halt gleich
einmal bei der Mahd helfen.
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Roman aus der Zeit der
steirischen Bauernkriege
Von Willi Senft
Wenn’s Wetter schön bleibt,
geht’s morgen los“, ließ sich
von der Tür her eine Stimme
vernehmen.
„Vater!“ Michael sprang auf
und umarmte den Vater, zu
dem er eine besonders große
Bindung hatte. Er wusste, dass
er bei ihm eher auf Verständnis
stoßen würde.
„Natürlich helf ich morgen,
hab kürzlich in Gröbming ein
paar Stunden g'mäht und g'sehn,
dass ich's net verlernt hab. – Aber
keine Sorg', ich bleib euch net
auf der Schüssel liegen.“
„So, so. Ich brauchet eh einen
Helfer, weil mit der Fuhrwerkerei kann ich wenigstens das
Geld verdienen, das wir dann
der Grundherrschaft ins Maul
stopfen müssen…“, bemerkte
bitter auflachend der Vater.
„Aber Vater, die Wirtschaft ist
doch dem Hansl versprochen
– und zwei Brüder daheim tut's
und tragt's net.“
„Mit dem Hansl tät ich schon
auskommen. Wo ist er denn
überhaupt?“
„Hab ihn zum Riesachsee
raufg'schickt. Soll nachsehen,
wann wir auftreiben können.“
„Aber jetzt erzähl einmal. Wo
warst denn die ganze Zeit? Bist
doch schon zu Ostern von Admont weg.“
Die Mutter ließ das Feuer am
Herd ausgehen und Vater hatte
vergessen, dass er vorhin eben dabei gewesen war, eine Lücke im
Zaun der Kälberweide zu reparieren. – Gebannt lauschten beide
Michaels Bericht, der in kurzen
Worten alles bis auf die Erlebnisse
mit den Wildfrauen enthielt – aber
auch über Margreth ließ Michael
nichts verlauten.
Die Mutter schüttelte nur immer wieder den Kopf und murmelte: „Schreiber auf Wolkenstein – ist ja unglaublich! Hätt'st
vielleicht doch dort bleiben sollen bei den großen Herren – ist ja
wahrscheinlich gut entlohnt.“
Der Vater hieb mit der Faust
auf den Tisch. „Gut dassd' es
den Blutsaugern reingsagt hast,
bist halt doch ein echter Egkelzain!“
„Ja, aber wenn’s ihn erwischt
hätten?“
„Wenn, wenn… Jetzt sitzt
er da, unser Bua, und ich bin
froh drüber. – Deine neue Bekanntschaft mit dem Probierer
Wie’s g’wesen ist
Das Foto entstand in den sechziger Jahren beim Heu-Klee-Hiefeln. „Es ist jetzt mit den Rundballen zwar eine große Arbeitserleichterung eingetreten, aber die Kosten sind sehr hoch“, bemerkt
Bildeinsenderin Berta Schreiner aus Reinberg.
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Pert, die g'fallt mir recht gut.
– Um Gotteswillen, jetzt sind
die Kaibln wahrscheinlich auskommen! Am Abend reden wir
weiter…“ Der Vater eilte ins
Freie hinaus.
„Bua, wennst es wirklich im
Bergbau zu was bringen willst,
dann musst aber alles von
Grund auf lernen.“
„Ja, Vater, das hat der Pert
auch g'sagt. Schon die nächsten
Tag' werd ich ihn aufsuchen.“
„Dein Göd, der Herr Gewerke Koller, lasst dich sicher in
der Hopfriesen drin praktizieren. Schadt' dir wahrscheinlich
nicht, wennst die harte Arbeit
der Knappen näher kennen
lernst. Lass deine Händ anschauen.“ Der Vater lachte, als
er die feinen Handflächen sah.
„Ui, da werden aber zuerst Blasen und dann erst die Schwielen
kommen – morgen kannst beim
Mähen deine Händ anfangen
hart zu machen…“
Als Hansl am frühen Vormittag mit der Jause bei den Mahdern auftauchte, stellte er mit
Vergnügen fest, wie sein Bruder
weit hinter den beiden anderen
Mahdern zurückgeblieben war.
Ja, er kam sogar gerade zurecht,
wie der Nachbar, welcher bei
der Mahd immer aushalf, sich
eben anschickte, den Michael von hinten zu überholen.
„Much, jetzt maht er dich gleich
aus!“, rief er laut vor Begeisterung über die Wiese hinüber.
„Brauchst net so schreien, ich
merks eh selbst“, kam es von
Michael, der ganz außer Atem
war, unwirsch zurück.
Der Vater, der sah, in welcher
Bedrängnis sich Michael befand
– denn es galt als große Schande, „ausgemäht“ zu werden –,
holte noch einmal zu einem
letzten Schwung aus und rief
gleichzeitig „Jausenzeit!“.
Aufatmend richtete sich Michael mit steifen Gliedern auf,
wischte so wie die beiden anderen die Sense mit einem Grasbüschel ab und stolperte zum Feldrand, wo Hansl den Jausenkorb
im Schatten eines mächtigen
Ahorns abgestellt hatte.
Der Kreuz tat ihm weh, alle
Muskeln schmerzten und die
Hände waren natürlich schon
voller Blasen. Dennoch war
Michael glücklich, mit den Mahdern einigermaßen Schritt gehalten zu haben.
Fortsetzung folgt
„NEUES LAND“ verfügt über das
Exklusivrecht für den Vorabdruck
von „Feuersturm“ von Autor Willi
Senft, ein Erscheinungstermin steht
derzeit noch nicht fest.
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