20151214_Spanien_Ferien auf dem Minikontinzent_Gran Canaria

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20151214_Spanien_Ferien auf dem Minikontinzent_Gran Canaria
Der kleine
31
— Montag, 14. Dezember 2015
Reisen
Ferien auf dem Minikontinent
Gran Canaria, das heisst Strand, Hotelburgen, Pauschalferien. Aber die Insel hat mehr zu bieten: Im Norden warten grüne Berge und
bewohnte Höhlen auf die Touristen. Und im Süden Schlagermusik und Transvestiten.
Eva-Maria Schleiffenbaum
«Chillen, Strand, Strand, Strand.» Die
drei deutschen Freundinnen wissen genau, was sie von der Woche auf Gran Canaria wollen. Sie sind aus Münster angereist, die 48-jährige Ulla Kuhlmann hat
dafür bei ihren drei Jobs Ferien genommen. «Jetzt will ich nur noch abschalten»,
sagt die Verkäuferin. Bislang habe das
ganz gut geklappt. Auch Hildegard Stog
und Petra Singelmann sind begeistert:
«Wir reisen immer all-inclusive. Das ist
das Bequemste.»
Wer an nass-grauen Wintertagen vor
dem Computer sitzt und sich durch die
Bilder von weissem Sand und klarem
Meereswasser klickt, kann sich getrost
von Gran Canaria verführen lassen. Die
Fotos lügen nicht. Bloss noch eines der
über 800 Hotels und Apartments auswählen – im Fall des deutschen Trios das
Viersternhotel Bronze Playa, das für
eine Woche inklusive Flug 689 Euro kostet – und zurücklehnen. Am Flughafen
erwartet den stressgeplagten Ankömmling ein Kanarier mit Schild, ab jetzt
wird einem alles abgenommen.
Wie in der Sahara
In den 60er-Jahren, als der Massentourismus die Insel erreicht hatte, brach
an der Südküste eine Bauwut aus. Hotelburgen bilden nun kleine Dörfer für Sonnenhungrige, die Schwimmbecken und
Schilder leuchten nachts, wenn Zaubershows und Tanzaufführungen die Gäste
unterhalten. Ob ein farbiges Hotel-Armband am Handgelenk prangt oder nicht:
Das Meer, die Strände und Promenaden
erfreuen jeden wintermüden Bleichling.
Mittendrin die natürliche Dünenlandschaft von Maspalomas, wo Selfiesticks
zahlreich gezückt werden. Und man sich
ein wenig fühlt wie in der Sahara – was
gar nicht so fern liegt.
Nur 200 Kilometer trennen Gran Canaria und die Westsahara, geografisch
gehört der Archipel zu Afrika, politisch
zu Spanien. Auf dem Eiland herrschten
dieselben Temperaturen wie in der Trockenwüste, wären da nicht die Meeresnähe und das Vulkangebirge, das die
feuchten Nordost-Passatwinde aufhält.
Die schönste Unterhaltung liegt denn
auch direkt über den Touristen: Während der Himmel im Süden swimmingpoolblau leuchtet, sammeln sich im Norden oft finstere Wolken zu einem dramatischen Gemälde über den Berggipfeln.
Dort drüben im Norden, wo das Wetter wechselhafter ist, zeigt Gran Canaria
ein ganz anderes Gesicht. Wer sich vom
Liegestuhl aufrafft, wird in der Hauptstadt Las Palmas mit einem sehenswerten historischen Kern und spannenden
Kunstausstellungen, Theater- und Konzertaufführungen belohnt. Auch die
Surfstrände sind wenig touristisch, und
ein Hotel sucht man an manchen nördlichen Küstenabschnitten vergebens.
«Was im Süden die Touristen, sind im
Norden die Bananen», sagen Kanarier.
Luxusresorts im Hacienda-Stil
In den vergangenen Jahren reisten immer mehr Sonnenhungrige nach Gran
Canaria, 2014 waren es dreieinhalb Millionen. 105 100 Schweizer zog es hierher
– kein Wunder, trennen uns doch gerade
einmal viereinhalb Flugstunden vom
Strandleben. Andere winterliche Badeferiendestination sind weiter weg, und
Ägypten, lange Zeit Hauptziel europäischer Sonnenanbeter, ist für manche
Märkte derzeit kein Thema, da es mit gewaltigen Sicherheitsproblemen kämpft.
Natürlich ist die All-inclusive-Welt
nicht jedermanns Sache. Seit den 90erJahren werden im Süden auch luxuriösere Hotels an die Küste gepflanzt. Der
Ortsteil Meloneras in Maspalomas erzählt davon; viele Resorts sind hier dem
Stil historischer Haciendas nachempfunden, und in kleinen Boutiquen werden Schweizer Uhren verkauft. Oder der
Hafen Mogán, wo bunt gestrichene Häuser mit den typischen, kunstvoll geschnitzten Holzbalkonen stehen. Die
Apartmentanlage, durchzogen von
Kanälen, erinnert an Venedig.
Aber auch der Touristenmagnet Playa
del Inglés punktet mit aussergewöhnlichen Unterkünften. Wie dem Boutiquehotel Bohemia, in dem die Gäste zu
Loungemusik frühstücken: Kaum ist die
Die sandige Einöde täuscht: Auf Gran Canaria schneit es manchmal auch. Foto: Elisabeth Real
SPANIEN
Atlantik
MAROKKO
WESTSAHARA
10 km
Las
Palmas
Artenara
Tejeda-Pass
Puerto de
Mogán
Pico de las Nieves
GRAN CANARIA
Meloneras
Puerto
Playa del
Rico
Inglés
Maspalomas
TA-Grafik mrue
Sonne aufgegangen, scheint sie kräftig
durch die Glasfront, die einen atemberaubenden Blick auf den Ozean freigibt.
Und wer sich eine Suite gönnt, geniesst
dieselbe Aussicht vom Balkon aus – auf
einer Matratze liegend. Beim Relaxen
abends hört man die Grillen zirpen, das
Meeresrauschen . . . und Elvis Presley.
«Everybody, I wanna hear you sing»,
ruft der Sänger ins Mikrofon, und ein
paar Stimmen begleiten den Elvis-Imitator im Restaurant Ciao-Ciao. Dahinter
reihen sich direkt vor dem Strand Souvenirshops und Restaurants aneinander. Hölzerne Penis-Schlüsselanhänger,
blinkende Gummibälle, Pommes frites
und Grillwürste, alles da. Die Partyszene trifft sich traditionell in den Einkaufszentren. Die Läden schliessen um
22 Uhr, dann strömen immer mehr Besucher in die Bars und Clubs. Auf diversen Stockwerken ist von Capoeira-Tanz
bis zu Transvestitenshows, Casino und
Karaoke für jeden etwas dabei. Im
Supermarkt Kasbah etwa tanzen im
Erdgeschoss weisshaarige Paare zu
Live-Schlagermusik. Nur einen Stock
darüber dröhnt «Highway to Hell» aus
den Boxen. Man trinkt Bier, nickt zustimmend. Und wer sich genug Mut angetrunken hat, lässt sich um die Ecke im
Tattoo- und Piercingstudio eine Erinnerung stechen.
Peperoncini De puta madre
Doch selbst im Süden lässt sich Authentisches erleben. Sonntags werden abwechselnd in Puerto Rico und Maspalomas 20 Marktstände aufgebaut.
Kanarier kommen nicht nur fürs frische
Gemüse und Obst her, sondern vor
allem auch, um einen kleinen Schwatz
zu halten – etwa bei Antonio, der kühle
Mojitos mit Zuckerrohrsaft zubereitet.
«Damit arbeitest du auch, bloss zufriedener», antwortet er all jenen, die abwinken, weil sie noch Geschäfte zu erledigen haben.
Gran Canaria
Tipps und Informationen
Anreise: Direktflüge mehrmals wöchentlich
ab Zürich und Basel mit Air Berlin und Edelweiss, ab Basel auch mit Easyjet und Tuifly. Es
empfiehlt sich, vor Ort ein Auto zu mieten.
Übernachtung:
H10 Playa Meloneras Palace****, Meloneras:
modernes Design, Spa und Infinitypool,
DZ 2 Nächte ab 300 Fr.
www.h10hotels.com
Bluebay Beach Club***, San Augustín: Pool,
Jacuzzi, Sauna, Fitnessraum, Apartments
z. B. für 2 Personen, 2 Nächte ab 74 Fr. p. P.
www.hotelplan.ch
Arrangement: Flug und 4 Übernachtungen
im DZ im 5-Stern-Hotel Bohemia Suites &
Spa, Playa del Inglés, bei Hotelplan ab 748 Fr.
p. P. inkl. Frühstück, www.hotelplan.ch
Reiseveranstalter: Helvetic Tours, FTI, TUI
Aktivitäten:
Bootstrip zu Walen: www.dolphinwhales.es,
www.doplhin-whale.com
Segeln: www.segelschule-grancanaria.de
Karneval in Las Palmas: 29. 1.–21. 2. 2016
Beste Reisezeit: Ganzjahresdestination,
die Temperaturen sind stets mild.
Allgemeine Infos: www.grancanaria.com
Weiter vorn verkauft der 74-jährige
Juan zusammen mit seiner Gattin selbst
produzierten Wein. Die Insel zählt über
50 Bodegas, die lokalen Tropfen schmecken sehr gut – wie auch die saftigen
Früchte der Plantagen im Landesinnern.
Juan verkauft Orangen, Guaven und
Peperoncini der Sorte De puta madre:
«Das rufen Einheimische jeweils, wenn
sie hineinbeissen. Die Schoten sind
extrem scharf», sagt er und lacht.
Auch die würzigen Mojos werden auf
dem Markt angeboten, die typischen
Dipsaucen, und das ganz untypische
deutsche Brot. Knapp zehn Prozent der
853 000 Inselbewohner sind Ausländer.
Ursi Walker Rodriguez aus Luzern ist
eine von ihnen, seit 25 Jahren lebt sie auf
Gran Canaria. Nicht die Sonne hat es ihr
angetan, sondern «die Mentalität». Die
48-Jährige, die zuvor für Tourismusveranstalter in Griechenland, Ägypten
und Miami tätig war, fühlt sich hier sehr
willkommen. «Das liegt wohl an der
Geschichte: Zu wirtschaftlichen Krisenzeiten wanderten viele Kanarier nach
Lateinamerika aus», sagt sie. Die Rückkehrer brachten die Kultur aus Übersee
mit, «Kanarier fühlen sich den Latinos
näher als den Festlandspaniern».
Im Bus komme man schnell miteinander ins Gespräch, einige sängen sogar
auf der Fahrt. «Hier verabredest du dich
nicht drei Wochen im Voraus. Du gehst
einfach vorbei. Und wirst jedes Mal reingebeten – keiner sagt, dass er gerade
beschäftigt ist.» Dafür sei man weniger
zuverlässig, und alles dauere etwas länger: «Bei Verabredungen musst du mit
einer Stunde Verspätung rechnen», sagt
Ursi. «Flexibilität ist auf jeden Fall eine
Voraussetzung, um hier zu leben», so
die zweifache Mutter, die als Tourguide
arbeitet. «Dass ich hergezogen bin, habe
ich bisher nicht bereut», sagt sie.
weltweit einzigartige Vielfalt rund um
die sieben Kanarischen Inseln. Aber die
Frauen entschliessen sich für die Busfahrt zu den «Highlights Gran Canarias»:
«Wer die Bilder sieht, glaubt uns niemals, dass wir auf den Kanaren waren»,
sagt die Pflegedienstleiterin Petra Singelmann. Während die Vulkanlandschaft
sich anfangs noch karg zeigt, ist sie weiter oben in Artenara von sattem Grün
bedeckt. Fernab des Massentourismus
enthüllt Gran Canaria, warum es als
Miniaturkontinent gilt. Der Berg Pico de
las Nieves mit 1949 Höhenmetern trägt
manchmal sogar eine Schneemütze.
Lächelnd posieren Petra, Ulla und Hildegard vor dem malerischen Stausee namens Cueva de las Niñas, Höhle der
Mädchen.
Apropos Höhlen: Noch immer leben
darin Menschen, wie früher die Ureinwohner. Von weitem sehen die Höhlen
mit den weissen Fassaden aus wie Häuser, umgeben von Kakteen, Palmen und
Lorbeerbäumen. «Wir hätten sehr gerne
in eine dieser Höhlen reingeschaut»,
sagt Petra. «Oder in einer rustikalen
Kneipe gegessen.» Stattdessen erhielten
sie am Tejeda-Pass in einem touristischen Lokal eine lieblose Mahlzeit, und
der Tourveranstalter Viajas Taras baute
zwei Zwischenstopps nur zum Shoppen
ein. «Schade, aber die Führerin hat sehr
lebendig erzählt», sagt Petra.
Der Laune der drei Freundinnen hats
nicht geschadet. Hildegard sitzt wieder
mit einem Buch am Pool, Ulla hält eine
Siesta. Petras Enkelin wollte auch mit
auf die Insel kommen, «aber ich sagte
ihr: Oma braucht einmal eine Auszeit.»
Was weiterhin ansteht, ist klar: «chillen,
Strand, Strand, Strand.»
Die Reise wurde unterstützt
von Hotelplan Suisse.
Die Höhle der Mädchen
Nach vier Tagen Strand entschliesst das
deutsche Trio zu einem Ausflug. Ob sie
die Tour zu den Walen machen sollen?
Mit 26 Delfin- und Walarten lebt eine
Bilder Spektakuläre
Vulkanausbrüche
www.globus.derbund.ch