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Oper
»Warten auf die Barbaren« am Theater Erfurt
Titel,
Waiting for the Barbarians
Komponist, Philip Glass
Libretto, Christoper Hampton (nach dem
gleichnamigen Roman von John M. Coetzee)
Musikalische
Leitung, Dennis Russell
Davies
Inszenierung, Guy Montavon
Bühnenbild, George Tsypin
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Das Bühnenwerk von Philip Glass erlebt seine Uraufführung
w w w. s u m m a c u l t u r a . d e
38. Woche | 2005
Theater Erfurt
Placidus-Muth-Straÿe 1, 99084
Erfurt
Kartentelefon
0361-2233155
Besetzung, Richard Salter, Peter Umstadt, Máté Solyom-Nagy, Marisca Mulder,
SUMMA-METER
Kelly God, Eugene Perry
FFFFF
Termine, 10./17./24./30. September,
16./26. Oktober 2005
MEDIEN-ECHO
© Lutz Edelhoff
Inhalt
Besonderheit
Vermeintliche Bedrohung. Philip Glass Oper Waiting for the Bar-
Tagesgeschehen vertont. Die Brisanz des Opernstoffes liegt in
barians , nach dem gleichnamigen Roman von John Maxwell
Coetzee, thematisiert den Präventivkrieg eines Weltreiches gegen benachbarte Nomaden. Allein ein namenloser Präfekt glaubt
nicht an die angebliche Gefahr aus der Wüste. Er hilft einem
Barbaren -Mädchen und gerät selbst in die Folterfänge der
Staatspolizei. Letzten Endes erweist sich die Suche nach dem
imaginären Feind als erfolglos. Der vermutete Vernichtungsschlag der Gegner bleibt aus, allein die eigenen Truppen werden
durch Hunger und Kälte dezimiert.
seiner politischen Aktualität. Als ich das Buch 1989 las, war
es einfach ein gutes Buch. Doch 2005 kann man jedes Detail
aus diesem Buch in der Zeitung lesen , so Glass über die Wahl
seiner literarischen Vorlage. Mit dem amerikanischen Komponisten, seinem Landsmann Dennis Russell Davies als Dirigenten
und dem russischen Bühnenbildner George Tsypin holt sich das
Theater Erfurt internationale Prominenz in die Provinz. Verantwortlich hierfür ist der umtriebige Intendant Guy Montavon, der
die Glass-Oper selbst inszenierte.
Kritikenspiegel
Biografisches
Philip Glass, *31.01.1937 in Baltimore, gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten. Durch die Arbeit im
Plattenladen seines Vaters angeregt, studierte Glass bereits mit
15 Jahren an der Chicago University, vier Jahre später wechselte
er an die renommierte Juilliard School in New York. Ein Stipendium ermöglichte ihm 1963-65 die Weiterbildung bei Nadia
Boulanger in Paris, wo er unter anderem Bekanntschaft mit Ravi
Shankar machte. Reisen nach Indien, Afrika und in den Himalaya
folgten. Seine seit Mitte der 1960er Jahre stark repetitiven Kompositionen, der so genannten Minimal Music zugehörig, zeugen
von dem Einfluss auÿereuropäischer Traditionen. Als Künstler
jenseits der Trennung von E- und U-Musik hat Philip Glass neben
zahlreichen Bühnenwerken auch Filmmusiken (u. a. Kooyanisquatsi ) und die Eröffnungsmusik der Olympischen Spiele 1984
komponiert.
Sänger gelobt, Musik getadelt. Die Feuilletons stehen der Musik
von Glass und ihrer szenischen Umsetzung ambivalent gegenüber.
Gerhard R. Koch (FAZ) nimmt die Kluft zwischen säuselnder Musik und grausamen Folterszenen aufs Korn und fragt sich, ob es
zwischen Coetzees politischem Sujet und der tonal-diatonischen
Dreiklang-Ästhetik von Glass überhaupt Berührungspunkte geben könne . Die Umsetzung der Partitur durch Davies hebt er
positiv hervor, die Interpretation des Präfekten durch Richard
Salter empfand Koch bewegend . Fazit seiner Kritik: Gesichtslos ist die Produktion nicht. Jörg Königsdorf (SZ) bemängelt
eine fehlende Personencharakterisierung durch die Musik und
macht dafür Glass Kompositionsstil verantwortlich. Orchester
und Sängerensemble lobt er dagegen: Das Erfurter Orchester
kommt zwar ohne gröÿere Raffinesse, aber immerhin achtbar
über die Runden und die Solisten um den charismatischen Bariton Richard Salter machen ihre Sache sogar erstaunlich gut. Vornehmlich durch das abstrakte und poetisch-farbige Bühnenbild
von George Tsypin gerate die Inszenierung allerdings zu dekorativ. Königsdorf stempelt die Teamarbeit als gut gemeinten
Betroffenheitskitsch ab. Zu schön findet auch Joachim Lange (FR) die Umsetzung des Sujets in dem farbig durchfluteten
Raum, in welchem Montavon jede konkrete bildhafte Konnotation vermeidet . Wo aber die Musik jeder Verstörung abschwört,
jeden dissonanten Bruch vermeidet, hätte wenigstens die Szene
Widerstand leisten müssen , empört sich der Kritiker. Für Gabi
Schlag und Benno Wenz (3sat) bietet die Inszenierung von Guy
Montavon stellenweise zu konventionelles Theater. Die Musik
hingegen ist durch und durch unpathetisch und unprätentiös und schaffe so den Verweis auf den heutigen Alltag.
Künstlerisches Umfeld
Seine erste Oper, Einstein on the Beach , schrieb Philip Glass
1976 und erfuhr in Zusammenarbeit mit Robert Wilson prompt
den Durchbruch. Mit diesem Werk griff das Team Tendenzen
des New Theatre auf. Das abstrakte, nicht narrative Theater
mit seiner assoziativen Szenenfolge wurde wegweisend für die
moderne Oper. Die in Glass Werken vorherrschende Minimal
Music kam Mitte der 1960er Jahre in den USA auf, parallel zu
der mit wenigen Elementen arbeitenden Minimal Art. Einfache
tonale Strukturen und eine Art Klangkontinuum, durch ostinate
Wiederholungen rhythmisch-melodischer Formeln erzielt, kennzeichnen diese Musikrichtung. Weitere Vertreter der Minimal
Music sind La Monte Young, Terry Riley und Steve Reich. csp