ERDGAS

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ERDGAS
7 Erdgas
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ERDGAS
Ziele des Kapitels
• Darstellung der physikalischen und chemischen Eigenschaften von Erdgas
• Vermittlung der technischen Aspekte von Aufbereitung, Speicherung, Transport und
Nutzung von Erdgas
• Erdgasförderung und Erdgashandel
• Erörterung der aktuellen und künftigen Bedeutung von Erdgas in der deutschen
Energieversorgung
• Erdgasmarkt und Strukturen der Erdgaswirtschaft
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7.1
Grundlagen und technische Aspekte von Erdgas
7.1.1
Gasarten und Entstehung von Erdgas
Die Einteilung von Brenngasen erfolgt entweder in 4 Gasgruppen nach Brennwertbereichen
(DIN 1340) oder - innerhalb der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches (DVGW)
e.V. - in 4 Gasfamilien (vgl. Tab. 7.1). Hierbei werden die Brenngase nach ihrer Gasbeschaffenheit einer Gasfamilie zugeordnet, welche wiederum in zwei Untergruppen aufgeteilt sind. Diese
Einordnung nach DVGW-G 260/I dient der Abstimmung von Erzeugung und Verwendung von
Gasen und damit der sicheren Funktion von Verteilungsanlagen und Gasgeräten innerhalb der
deutschen Gasversorgung.
Tab. 7.1:
Einteilung der Brenngase in Gasfamilien nach DVGW-G260/I
Gasfamilie
Hauptbestandteil
Gruppe
Brennwert HO,n
[kWh/m3]
1
2
3
4
Wasserstoff H2
A: Stadtgas
5,06
B: Kokerei-Gas
5,47
L: Erdgas (wenig Methan)
9,77
E: Erdgas (viel Methan) und Austauschgase
11,48
Propan C3H8
1. Propan
28,12
Butan C4H10 („Flüssiggas“)
2. Propan/Butan- Gemische
37,24
Kohlenwasserstoff/
1. Flüssiggas/Luft
Luft-Gemische
2. Erdgas/Luft
Methan CH4
7,5
6,0 - 6,4
Gasaufkommen
Den weitaus größten Anteil am Gasaufkommen Deutschlands haben Erdgase (bzw. Naturgase):
Im Jahre 2006 wurden rund 103 Milliarden m3 eingeführt und 18,6 Milliarden m3 im Inland gefördert. Es gibt jedoch noch andere Gasarten als Erdgase. Im Steinkohlenbergbau wurden rund
0,3 Milliarden m3 Grubengas gewonnen. Außerdem wurden in Kokereien rund 3,4 Milliarden m3
Kokerei- bzw. Stadtgas und in Hochöfen rund 45 Milliarden m3 Gicht- und Konvertergas erzeugt.
Diese Gase unterscheiden sich hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung.
Chemische Zusammensetzung von Erdgas und Brennwert
Erdgas ist ein Gemisch verschiedener Gase, dessen chemische Zusammensetzung je nach Fundort schwankt. Hauptbestandteil ist mit 50% - 90% Methan (CH4), aber auch andere leichte gesättigte Kohlenwasserstoffe, wie Ethan und Propan, kommen vor. Außerdem enthält Erdgas, je nach
Fundort, Stickstoff, Spuren verschiedener Edelgase (z. B. Helium) und einige weitere Stoffe.
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Im Hinblick auf die energetische Verwertung ist Methan die wichtigste Substanz im Erdgas.
Deshalb macht man an der Höhe seines Anteils eine Einteilung in zwei Gruppen fest: Gase der
L-Gruppe (L für "low") haben einen niedrigeren, Gase der E-Gruppe (früher H für "high") einen
höheren Methananteil und somit auch einen höheren Brennwert.
Der Brennwert ist nicht konstant: Er ändert sich täglich, ja sogar minütlich. Der Grund dafür liegt
im Gas selbst, denn es stammt aus verschiedenen Ländern und Gasfeldern mit jeweils unterschiedlichen Brennwerten. H-Gas mit einem Brennwert zwischen elf und zwölf Kilowattstunden
pro Kubikmeter stammt z.B. aus der Nordsee, aus Russland und Dänemark; L-Gas mit neun bis
zehn Kilowattstunden pro Kubikmeter kommt unter anderem aus Deutschland oder den Niederlanden.
Begleitstoffe von Erdgas
Als Begleiter von Erdöl ist Erdgas oft nass. Das ist auf einen erhöhten Prozentsatz an Kohlenwasserstoffen zurückzuführen, die schwerer sind als Ethan (Propan, Butan und andere). Nassgas
ist an seinem Fundort entweder gasförmig oder gemischt gasförmig und flüssig. Die höherwertigen Kohlenwasserstoffe, die spätestens an der Erdoberfläche kondensieren, werden gesondert
aufgefangen und - so das Propan - als flüssiges Petroleum Gas vermarktet oder zu Benzin weiterverarbeitet. Bei nassem Erdgas beträgt der Anteil der Kondensate - gemessen bei 15 °C und
einem Druck von 750 mm HG - mehr als 0,3 US-Gallonen (ca. 1,12 l) pro 1.000 Kubikfuß (ca.
28 m3), was einem Anteil von 0,04 Promille entspricht. Trockenes Erdgas hingegen, das aus einem Nachinkohlungsprozess stammt und stets gasförmig ist, weist unter 0,1 US-Gallone (ca.
0,379 l) Kondensat pro 1.000 Kubikfuß auf.
Entstehung von Erdgas
Erdgas entsteht im Zusammenhang mit Erdöl und Kohle bei der Umwandlung organischer Substanzen durch Mikroorganismen. Erdöl entstand durch die Umwandlung meerischer Mikroorganismen, Kohle aus der Zersetzung von Pflanzen aus flachen Sümpfen:
1. Der größte Teil abgestorbener und auf den Meeresboden gesunkener Mikroorganismen verwest vollständig. In einem anaeroben Milieu entsteht jedoch durch Bakterien, welche in der
Biomasse gebundenen Sauerstoff nutzen, Faulschlamm unter gleichzeitiger Bildung von
Schwefelwasserstoff (H2S). Die Biomasse verdichtet sich zusammen mit Gesteinsmaterial
unter steigenden Druck- und Temperaturbedingungen zu einem festen Gestein (Diagenese).
In den immer mächtiger werdenden Ablagerungen entstehen zunächst Bitumen und schließlich Öl (zwischen 65 °C und 120 °) und Gas (über 120 °C). In der Fachterminologie heißt
dieses Gas Erdölgas.
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2. Bei der Inkohlung werden die Hauptbestandteile von Pflanzen (Zellulose und andere Kohlenhydrate) zusammen mit Gesteinsmaterial ebenfalls zu festeren Gesteinen verdichtet. Die
Entstehung der Kohle wurde jedoch weniger vom Druck als von der zunehmenden Temperatur geprägt. Unter anaeroben Verhältnissen entstand je nach Inkohlungsgrad (Reifegrad der
Kohle) zunächst Torf, dann Braunkohle, Steinkohle und letztlich Graphit. Leichtflüchtige
Bestandteile wurden bei diesem Vorgang von den Kohlenstoffverbindungen mit steigendem
Reifegrad abgespalten. So entstand durch die Abspaltung von Wasserstoff bei der Steinkohlenbildung (Demethanisierung bei 120 °C bis 180 °C) schließlich Erdgas.
Bei beiden Entstehungsprozessen diffundierte das Erdgas (bzw. Erdölgas) aus dem Muttergestein heraus und wanderte (Migration) in ein Speichergestein, den heutigen Erdgaslagerstätten.
Entsprechend dem Fördergebiet schwanken nicht nur die Zusammensetzung, sondern damit
zugleich auch die physikalischen und energetischen Eigenschaften des gewonnenen Naturgases.
Wichtige physikalische Kenngrößen sind u. a. die relative Dichte in Luft sowie die spezifische
Wärmekapazität. Sie bestimmen auch maßgeblich das Brennverhalten. Die Brenneigenschaften
werden üblicherweise durch den Brennwert Ho (der auch als oberer Heizwert bezeichnet wird)
sowie durch den (unteren) Heizwert Hu hinreichend bestimmt. Zur energetischen Charakterisierung von Erdgas, die in der Praxis einige Bedeutung hat, gehören ferner aus den zuvor genannten
Kenngrößen abgeleitete Verhältnisgrößen wie Heizwert/Brennwert oder der so genannte Wobbeindex, das Verhältnis von Brennwert zur Wurzel aus relativer Dichte (Tabelle 7.2 und Abschnitt 7.1.5).
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Tab. 7.2:
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Brenntechnische Kenndaten und Zusammensetzung für E- und L-Gas
Kenngröße
Relative Dichte (Luft = 1)
Symbol
Einheit
d
3
Gruppe E
Gruppe L
1)
2)
3)
0,64
0,63
0,57
Normdichte
ρn
kg/m
0,83
0,81
0,73
Mittlere molare Masse
M
kg/kmol
18,5
18,2
16,3
Gaskonstante
R
J/kg
450
459
509
cp
3
Wh/(m K)
0,43
0,45
0,43
cv
Wh/(m3 K)
0,33
0,35
0,33
Ho
kWh/m3
10,33
11,59
11,06
Hu
3
9,33
10,48
9,97
0,903
0,904
0,901
Spezifische Wärmekapazität bei
konst. Druck (1 bar, 0°C)
Spezifische Wärmekapazität bei
konst. Volumen (1 bar, 0°C)
Brennwert
Heizwert
Verhältnis Heizwert/Brennwert
Wobbeindex Ho/√d
Zündgrenzen Vol.-% Gas in Luft
Zündtemperatur in Luft
kWh/m
Hu/Ho
3
Wo
kWh/m
12,91
14,60
14,65
Z u , Zo
%
4,7-17,3
4,0-16,0
4,3-16,7
tZ
°C
615
583
625
°C
2046
2065
2055
°C
58,9
59,0
59,6
Flammentemperatur
(ohne Dissoziation)
Abgastaupunkt (luftfrei)
1
) Erdgas L aus den Niederlanden, 2) Mischgas, 3) Erdgas aus Russland
Quelle: Anhaltswerte, Ruhrgas AG
7.1.2
Erdgasaufbereitung
Bevor das Erdgas bereitgestellt und in das Versorgungsnetz eingespeist werden kann, muss es
aufbereitet werden. Als Begleitstoff des geförderten Rohgases ist Wasser in Form von Lagerstättenwasser und Kondenswasser vorhanden. Der Wasseranteil von 1.000 Kubikmetern Erdgas
kann 10 Liter, aber auch durchaus mehr als 100 Liter betragen. Um Korrosionen und Verstopfungen durch Gashydrat in den Fernleitungen zu vermeiden, ist es erforderlich, das feuchte Rohgas zu trocknen. Da hierbei zum Großteil Wasser abgeschieden wird, spricht man von Erdgastrocknung. Weitere unerwünschte Bestandteile des Erdgases, die ebenfalls durch Gastrocknungsverfahren abgetrennt werden, sind höhere Kohlenwasserstoffe und Spuren von Quecksilber. Damit das Erdgas für die Aufbereitung keine langen Wege zurücklegen muss, befindet sich
auf jedem Bohrplatz eine Gastrocknungsanlage.
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Erdgasaufbereitung nach dem Low Temperature Separation (LTS)-Verfahren
In Deutschland betriebene Erdgasfelder arbeiten üblicherweise in einem Tiefenbereich von 4.500
- 5.000 Metern; dort beträgt die Lagerstättentemperatur um die 150 bis 160 Grad und es herrschen Drücke bis zu 650 bar. Aus der Lagerstätte kommend, erreicht das Erdgas über den Förderstrang mit einem Druck von bis zu mehreren 100 bar die Erdoberfläche und gelangt vom
Bohrlochskopf über eine Hochdruckleitung in den ersten Teil der Gasaufbereitungsanlage.
Erdgas hat wie alle Gase eine besondere Eigenschaft: bei Druckreduzierung kühlt es ab. Dieses
Verhalten nennt man auch den Joule-Thomson-Effekt. Genau diese Eigenschaft macht man sich
bei der Erdgasaufbereitung nach dem LTS-Verfahren zunutze.
Freiwasserabscheider
Im Freiwasserabscheider erfolgt der erste Aufbereitungsschritt. Die vom Gasstrom mitgetragenen feinen Wassertröpfchen fallen aus und werden als Wasserphase abgeschieden.
Vorwärmer und Druckreduzierung
Um den Joule-Thomson-Effekt nutzen zu können, muss das Gas zu Beginn des Verfahrens eine
bestimmte Temperatur vorweisen. Der Vorwärmer heizt das beim Anfahren zunächst kalte Gas
auf, später muss mit einem Kühler das erdheiße Erdgas abgekühlt werden. Durch Reduzierventile wird der Gasdruck in zwei Stufen auf 115 bis 125 bar verringert. Der Effekt: Das restliche
Wasser kondensiert und fällt im Vorabscheider aus. Im nachgeschalteten Kaltabscheider werden
das Restwasser, das Quecksilber und die höheren Kohlenwasserstoffe abgetrennt. Die Kohlenwasserstoffe werden zur Raffinerie gebracht und dort weiterverarbeitet.
Glykolabsorption
Die Gastrocknung zur Entfernung der Restfeuchte im Erdgas erfolgt durch Einsprühen von Glykol in den Gasstrom. Dabei nimmt das Glykol aufgrund seiner hygroskopischen Eigenschaften
den restlichen Wasserdampf auf. Das gesättigte Glykol wird abgetrennt, vom Wasser gereinigt
und anschließend wieder in den Kreislauf der Gastrocknungsanlage eingeführt.
Entschwefelung von Erdgas
Der Gehalt an Schwefelverbindungen von Erdgas muss durch geeignete Aufbereitungsmaßnahmen unmittelbar an der Erdgasquelle reduziert werden, denn auch die Schwefelverbindungen
bilden in dem vom Erdgas häufig mitgeführten Wasser Säuren, die korrosiv wirken. Für den
Transport des Erdgases in einer Pipeline müssen daher vorgegebene Grenzwerte der schwefelhaltigen Verunreinigungen eingehalten werden.
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Zur Entfernung von Sauergasen werden Wäschen mit Lösungen anorganischer oder organischer
Basen eingesetzt. Die Entfernung von Schwefelwasserstoff kann durch folgende Gleichung veranschaulicht werden:
H2S + K2CO3 > KHS + KHCO3
Sauergas mit weniger als 1 % Schwefelwasserstoff wird in einer so genannten Purisolanlage
physikalisch gereinigt. Bei stärker saurem Gas werden in einem aufwändigen Sulfinol-Prozess
Schwefelwasserstoff und Kohlendioxyd chemisch gebunden. Die für die Gaswäsche eingesetzten
Waschlösungen werden regeneriert und bis auf 130 °C erwärmt, wobei ein Gasgemisch aus
Schwefelwasserstoff und Kohlendioxyd freigesetzt wird. In „Claus-Anlagen“ wird der Schwefelwasserstoff anschließend bei 1.000 bis 1.200 °C in einem dreistufigen katalytischen Prozess in
Wasser und elementaren Schwefel umgewandelt.
Weitere Verfahren zur Entschwefelung von Erdgas umfassen u.a. die chemische Absorption der
Schwefelbestandteile an MEA (Monoethanolamin) oder MDEA (Methyl-Diethanolamin), die
Filterung und/oder chemische Absorption an Aktivkohlefiltern (ggf. mit vorheriger hydrierender
Entschwefelung an Co/Mo (Kobalt/Molybdän)-Katalysatoren), das Zinkoxid-Verfahren oder die
chemische Fällung an Raseneisenerz. Daneben wird an biologischen Entschwefelungsverfahren
geforscht, bei denen die Schwefelanteile des Rohgasstroms von Mikroorganismen verwertet
werden.
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Erdgassonden
u. Feldanlagen
Schwefelgewinnung
Kondensatabscheidung
Entschwefelung u.
CO2-Entfernung
Trocknung
Schwefel
Kohlenwasserstoffgewinnung
Destillation
Reingas
z. Pipeline
Heizgas
Äthan
LPG
Naphta
Abb. 7.1: Grundschema einer Erdgasaufbereitung
Zu Abb. 7.1
Verfahren und Schritte der Erdgasaufbereitung
1. Kondensation von Wasser bei der Entspannung des Gases aus Feldanlagen.
2. Entfernung von H2S und CO2: Gaswäsche (Absorption am Waschmittel), Adsorption an Molekularsieben (sog. Zeolithe mit einer Porenfläche von 1000 m2/g)
3. Trocknung, d.h. Entfernung des restlichen Wasserdampfes z. B. durch Absorption an Glykol
oder durch Adsorption an Silikagel.
4. Kohlenwasserstoffgewinnung: Partielle Kondensation mit Fremdkälte oder durch Expansion.
5. Destillation des Kondensats zur Trennung der verschiedenen höheren Kohlenwasserstoffe.
Sofern das Gas sehr viel Stickstoff enthält (z.B. holländisches Erdgas), aber durch die Qualitätsnorm ein stickstoffarmes Gas gefordert wird, muss N2 durch Tieftemperaturverfahren abgesondert werden. Diese Methode erfordert einen sehr hohen Energieeinsatz, so dass sie nur durch die
Verwertung des in den meisten stickstoffreichen Roherdgasen enthaltenen Heliums (Nebenprodukt) wirtschaftlich wird.
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Typische, vom Reingas zu erfüllende Qualitätsanforderungen in Deutschland sind in Tabelle 7.3
zusammengestellt.
Tab. 7.3:
Qualitätsspezifikationen für Erdgas
Wassertaupunkt
-5 °C
Kohlenwasserstoff-Taupunkt
-5 °C
Schwefelwasserstoff H2S
Gesamt-Schwefel als S
Sauerstoff
5 mg/m3
150 mg/m3
3 Vol-%
Gewinnung von Nebenprodukten
Die bei der Erdgasaufbereitung entfernten, unerwünschten Rohgaskomponenten können als Nebenprodukte wertvoll sein. Dies sind im Wesentlichen:
− Schwefel: jährlich rund 1 Mio. t in deutschen Erdgasaufbereitungsanlagen
− Höhere Kohlenwasserstoffe: Äthan C2H6 (Äthylen-Erzeugung)
− Propan, Butan, Gas-Naphtha
− Helium
Odorierung
Erdgas ist von Natur aus farb- und geruchlos; aus Sicherheitsgründen erfolgt eine Markierung
mit geruchsintensiven Beimischungen (Odormittel). Zur Odorierung von Erdgas sind verschiedene Substanzen gebräuchlich, am verbreitetsten sind Stoffe aus der Gruppe der Mercaptane und
Tetrahydrothiophen (THT: C4H8S), die allesamt auf Schwefelverbindungen basieren. Aktuell
forciert die chemische Industrie die Entwicklung schwefelfreier Odormittel auf Acrylatbasis, vor
allem aus Umweltgründen (geringere SO2-Emissionen), aber auch wegen der technisch einfacheren und wirtschaftlich günstigeren Entschweflung bei der Verstromung von Erdgas in BHKWs
oder Brennstoffzellen, wenn nur noch der natürliche Schwefelanteil (vgl. Tab. 7.3) auf anlagenverträgliche Werte reduziert werden muss. U.a. wegen der erhöhten chemischen Aggressivität
der zugesetzten Verbindungen werden Odormittel erst unmittelbar vor der Einspeisung ins lokale
Verteilnetz, d.h. nach Absenkung des Druckniveaus auf Anschlusswert, zugesetzt.
7.1.3
Erdgastransport und -verteilung
Die großen Erdgasquellen liegen in der Regel nicht in der Nähe der Verbrauchszentren. Die russischen Erdgasquellen in Westsibirien z. B. liegen mehrere tausend Kilometer von den Endverbrauchern Westeuropas entfernt (vgl. Kap. 4.2.3, Bd. 1), welche nur über geringe eigene
Quellen verfügen. Dies macht einen Transport des Erdgases über teilweise sehr große Distanzen
notwendig. Bei dem Wirkungszusammenhang zwischen Produktion, Aufbereitung, Transport,
Speicherung und Vertrieb wird von der Erdgas-Transportkette gesprochen.
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Die Bereitstellung von Erdgas unter wirtschaftlichen Aspekten bedeutet das Lösen eines komplexen Optimierungsproblems:
− Kapazitäten der Transportmittel,
− Kapazitäten und Standorte der Verarbeitungs- und Verteilungsanlagen,
− Kapazitäten und Standorte der Speicheranlagen,
müssen optimal aufeinander abgestimmt sein.
1 $/MMBTU=37,26 $/1000 m3
Abb. 7.2:
Transportkostenvergleich für Pipeline-Erdgas onshore und offshore sowie LNGTransport (Quelle: Energy Tribune Oct. 18, 2007)
Zu Abb. 7.2
Prinzipiell werden drei Möglichkeiten des Erdgastransports genutzt:
1. Pipelinetransport, d. h. Förderung des gasförmigen Brennstoffs durch Stahlrohre, heute
über Entfernungen bis zu 7000 km
2. Schiffstransport, d. h. Transport des verflüssigten Erdgases auf Spezialschiffen insbesondere für interkontinentale Transporte (LNG: Liquefied Natural Gas)
3. Transport flüssiger Produkte auf Erdgasbasis, d.h. Umwandlung des Erdgases in der Nähe
des Bohrfelds in Treibstoffe (Benzin, Diesel) und Chemierohstoffe (u.a. Ammoniak, Methanol, Naphtha) und Verschiffung in Tankern in die Verbraucherländer (GTL: Gas to Liquids)
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Die Wahl des geeigneten Transportweges ist dabei nicht zuletzt eine Kostenfrage. Die Kosten
des eigentlichen LNG-Seetransports sind geringer als die eines Pipelinetransports. Die hinzukommenden hohen Investitionen für die Verflüssigungs- und Wiedervergasungsanlagen führen
jedoch dazu, dass - abhängig vom Transportvolumen - ein LNG-Transport erst ab mehreren tausend Transportkilometern günstiger als ein offshore Pipelinetransport ist. Dieser Zusammenhang
geht auch aus Abb. 7.2 hervor, in der u.a. die Kosten für den (Unterwasser-) Pipelinetransport
und für den LNG-Transport über der Transportentfernung aufgetragen sind.
Pipeline-Erdgasferntransport
Größere Gasmengen lassen sich heute im Wesentlichen in Rohrleitungen wirtschaftlich transportieren. Erdgas gehört daher zu den leitungsgebundenen Energieträgern. Der Erdgastransport
kann in drei Abschnitte gegliedert werden (vgl. Abb. 7.3):
1. Gewinnung und Aufbereitung des Gases
2. Ferntransport des Gases vom Produzenten zum Erdgasunternehmen
3. Verteilung (Transport) des Gases zum Endverbraucher
Je nach Transportentfernung wird zwischen
• Hochdruckleitungen (ab 1 bar)
• Mitteldruckleitungen (ab 100 mbar bis 1 bar)
• Niederdruckleitungen (bis 100 mbar)
unterschieden.
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Hausanschluss
Bohrung
Ortsverteilung
Hochdruckleitung
Aufbereitung
Regeln
Messen
Gewinnung
Regeln
Messen
Transport
Speicherung
Verteilung
Abb. 7.3: Die drei Phasen des Erdgastransportes durch Pipelines
Zu Abb. 7.3
Entwicklung des Rohrleitungsbaus
• 1925 erste Erdgasfernleitung aus geschweißten Rohren in den USA (von North Louisiana
nach Beaumont, Texas; 350 km)
• 1973 kam Erdgas über 1800 km aus der UdSSR in die BRD
• Seit 1978 fließt Erdgas über eine Strecke von 5500 km von Westsibirien in die Bundesrepublik Deutschland.
• 1977 Unterwasserpipeline vom Ekofisk-Gebiet über 440 km nach Emden (Wassertiefe 100 160 m)
• 1985 Unterwasserpipeline vom Statfjord Feld nach Emden (1000 km)
• Unterwasserpipeline Tunesien - Sizilien, Wassertiefe 600 m
• Technische Daten heute verwendeter Pipelines:
− Rohrart: naht- und schraubenliniengeschweißte Rohre
− Stahlsorten: thermomechanisch behandelte Stähle der Festigkeitsgruppen:
STE 415.7 TM, STE 445.7 TM oder STE 480.7 TM (STE 480.7: Streckgrenze nach DIN
17172 von 480 N/mm2 )
− Durchmesser: 800 - 1400 mm
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− Druck: bis 80-100 bar, bei unterseeischen Leitungen bis 200 bar
− Durchsatz1): 2,2 Mio. Nm3/h für D = 1200 mm
− Druckverlust: rd. 0,1 bar/km
− Entfernung zwischen zwei Zwischenverdichtern: 100 - 400 km
1)
Nm3: Kubikmeter im Normzustand bei T = 0 °C und p = 1013,25 mbar
Pipeline-Transportsysteme bestehen aus mehreren Leitungsabschnitten. Wesentlicher Baustein
dieser Leitungen ist das aktive Systemelement, die Kompressorstation. Denn das Gas verliert
beim Transport aufgrund der inneren Reibung seiner Moleküle sowie der Reibung an den Rohrwänden Druck; um es weiter zu befördern, muss dieser ständig wieder aufgebaut werden.
Zur Verdichtung großer Gasströme hat sich der Turbokompressor durchgesetzt, wobei eine vorgeschaltete Gasturbine als Antriebsaggregat dient. Es gehört zu den Regeln des Gastransports,
dass die Antriebsaggregate der Kompressoren ihren Treibstoff aus der Gasleitung selbst beziehen, ein Prinzip, durch das die Wirtschaftlichkeit und zugleich die Versorgungssicherheit erhöht
werden. Wenn auch die Antriebsgasverbräuche in einer einzelnen Verdichterstation mit ca. 0,2 0,5 % der geförderten Menge gering sind, so werden sie dennoch in der Kumulation über viele
Stationen spürbar. Die Anzahl der Zwischenverdichterstationen und damit der mittlere Abstand
zwischen den einzelnen Verdichterstationen ergibt sich aus einer in der Phase der Systemplanung durchzuführenden technisch/wirtschaftlichen Optimierung. In der Praxis ergeben sich typische Abstände zwischen zwei Stationen in einem Bereich zwischen 100 - 400 km.
Technische Aspekte des Transportes durch Pipelines
Die Grundlage für die Strömung des Gases in Rohren bildet die Kontinuitätsgleichung:
m& = A ⋅ v ⋅ ρ = const.
(Gl. 7.1)
Massenstrom = Rohrquerschnitt · mittlere Strömungsgeschwindigkeit · Dichte = konstant.
Zur Erhöhung des Massenstroms muss demnach entweder die Strömungsgeschwindigkeit erhöht
oder der Rohrdurchmesser vergrößert werden. Durch größere Rohrdurchmesser entstehen insgesamt höhere Kosten für Material und Rohrverlegung. Höhere Strömungsgeschwindigkeiten bedeuten dagegen erhöhte Kosten für die Druckerhöhung nach einem ebenfalls erhöhten Druckabfall auf dem Transportweg. Letztlich handelt es sich hierbei also um ein Optimierungsproblem.
Während des Transports von Erdgas durch Leitungen kommt es zu einem Druckabfall in Strömungsrichtung. Dieser Druckabfall ist für Betriebsdrücke unter 100 mbar vernachlässigbar. Für
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höhere Betriebsdrücke kommt es jedoch zu einem nichtlinearen Druckabfall (vgl. Abb. 7.4) mit
entsprechender Geschwindigkeits- und Dichteänderung (raumveränderliche Fortleitung).
Der Druckverlust Δp in einer Erdgasleitung ergibt sich zu
⎛
⎞
l ρ1 2
Δp = p1 ⎜⎜1 - 1 - λ
v1 K m ⎟⎟
d p1
⎝
⎠
mit
(Gl. 7.2)
p1
Anfangsdruck
λ
Rohrreibungszahl
l
Rohrlänge
d
Rohrdurchmesser
ρ1
Dichte im idealen Gaszustand am Anfang
v1
Anfangsgeschwindigkeit im idealen Gaszustand, ergibt sich aus dem gewünschten Massenstrom nach Gl. 7.1
Km
Kompressibilitätszahl (korrigiert die Abweichung zum idealen Gas),
bei Erdgas (12 °C) bis etwa 70 bar gilt: Km = 1- (pabs/450 bar)
Druck p, Geschwindigkeit v
p
v
Leitungslänge l
Abb. 7.4:
Druck- und Geschwindigkeitsverlauf bei der raumveränderlichen Fortleitung von
Gasen
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Der beim Transport von Erdgas entstehende Druckverlust ist somit im Wesentlichen von der
Transportstrecke, der Durchflussrate und dem Leitungsdurchmesser abhängig. Bei heute üblicher
Leitungsdimensionierung kommt es zu einem Druckverlust von etwa 0,1 bar/km, d.h. nach
100 km Transportstrecke liegt der Druck etwa 10 bar unter dem Anfangsdruck. Zur Einhaltung
einer ausreichenden Transportkapazität in Ferntransportleitungen werden daher im Abstand von
100 bis 400 km Zwischenverdichterstationen eingesetzt. Üblicherweise wird das Erdgas selbst
als Antriebsenergie für die Verdichter gewählt. Der Energiekostenanteil an den Gesamtkosten
der Verdichtung liegt dann bei etwa 1/3. Als Verdichter werden im Wesentlichen Kolbenverdichter mit Gasmotorenantrieb und (über etwa 10 MW Antriebsleistung) Turboverdichter mit
Gasturbinenantrieb eingesetzt. Die für eine bestimmte Druckerhöhung erforderliche Verdichterantriebsleistung PV berechnet sich nach:
PV =
&
Δhs ⋅ m
η
(Gl. 7.3)
V
Dabei ist m& der Massenstrom, ηV der Verdichterwirkungsgrad und Δhs die Enthalpieänderung
aus dem Druckverhältnis p2 / p1 nach
⎡
κ ⎢⎛ p 2 ⎞
⎜ ⎟
Δhs = R ⋅ T
κ - 1 ⎢⎜⎝ p1 ⎟⎠
κ −1
κ
⎣⎢
⎤
K1 + K2
- 1⎥
⎥ 2 ⋅ K1
⎥⎦
(Gl. 7.3a)
mit der individuellen Gaskonstanten R, der Gastemperatur T, den Kompressibilitätszahlen K1 (zu
p1) und K2 (zu p2) sowie dem Isentropenexponenten κ als Verhältnis der beiden spezifischen
Wärmekapazitäten cp und cv des Gases
κ =
cp
cv
(Gl. 7.3b)
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Beispiel zur Berechnung der Verdichterleistung:
Ein Volumenstrom von 2·106 m3/h Erdgas H soll von 55 bar, 10 °C auf 68 bar verdichtet werden.
Der Wirkungsgrad des Turboverdichters beträgt 78 %, der Wirkungsgrad der antreibenden Gasturbine beträgt 33 %. Der Massenstrom ergibt sich zu
3
1 h
kg
kg
6 m
&
&
m = V ⋅ ρ = 2 ⋅ 10
⋅
⋅ 0,79 3 = 438,9
h 3600 s
s
m
(Gl. 7.4a)
Weiterhin gilt für Erdgas H
R = 0,475 kJ/(kgK)
und
κ = 1,31
sowie
K1 = 1- (55 bar/ 450 bar) = 0,878
und
K2 = 1- (68 bar/ 450 bar) = 0,849.
In Gleichung 7.3a eingesetzt ergibt sich somit für die Enthalpieänderung
0 , 31
⎡
⎤
kJ
1,31 ⎢⎛ 68 bar ⎞ 1,31 ⎥ 0,878 + 0,849
kJ
= 28,81
Δhs = 0,475
⋅ 283 K ⋅
⎜
⎟ -1
⎥ 2 ⋅ 0,878
kgK
0,31 ⎢⎝ 55 bar ⎠
kg
⎣
⎦
(Gl. 7.4b)
Damit ergibt sich die erforderliche Verdichter-Antriebsleistung nach Gl. 7.3 zu
PV =
438,9 kg ⋅ 28,81 kJ
= 16006 kW
s ⋅ 0,78 ⋅ kg
(Gl. 7.4c)
Der Leistung der Gasturbine errechnet sich zu
PT =
PV
η
T
=
16006 kW
= 48503 kW
0,33
(Gl. 7.4d)
Bei einem Heizwert für Erdgas von Hu = 37350 kJ/m3 beträgt der Brenngasverbrauch der Gasturbine dann
VT =
PT
48503 kJ m 3
m3
m3
=
= 1,299
= 4675
Hu
37350 s kJ
s
h
(Gl. 7.4.e)
Der Brenngasverbrauch für die Verdichtung beträgt in diesem Fall etwa 0,23 % des zu verdichtenden Erdgasdurchsatzes des Turboverdichters.
7 Erdgas
7-17
Die Transportleistung Q& durch einen Massenstrom m& ist gegeben durch
π
& =m
& ⋅ Hu = ρ ⋅ v ⋅ ⋅ d2 ⋅ Hu
Q
4
(Gl. 7.5)
mit ρ als Dichte und Hu als Heizwert.
Von praktischer Bedeutung ist das Verhältnis Transportleistung zur Verdichterleistung PV. Unter
der Annahme p = 60 bar, Transportlänge l = 1000 km, v = 10 m/s und d = 1 m ergeben sich für
verschiedene Gase die in Tabelle 7.4 genannten Verhältnisse.
Tab. 7.4:
Transportverhalten verschiedener Gase
Dichte
Heizwert
Q&
PV / Q&
[kg/Nm3]
[MJ/Nm3]
[MW]
[%]
Erdgas H
0,790
37,35
16393
3,2
Kohlenmonoxid
1,250
12,63
8774
6,3
Wasserstoff
0,089
10,78
538
7,3
Gasart
Die relative Verdichterleistung ist am kleinsten bei Erdgas, weshalb es am besten zum Transport
durch Rohrleitungen geeignet ist.
7-18
7 Erdgas
Wichtige europäische Erdgas-Leitungssysteme
Abb. 7.5: Europäischer Erdgasverbund
Zu Abb. 7.5
Der grenzüberschreitende Erdgasverbund in West-, Mittel- und Osteuropa umfasst Fernleitungen
von rund 44.000 km Länge und zeigt die internationale Zusammenarbeit in der Gaswirtschaft.
Die Pipelines reichen von der Nord- und Ostseeküste bis zum Mittelmeer und vom Atlantik bis
zum osteuropäischen Leitungsnetz. Auch zwischen Großbritannien und dem europäischen Kontinent wurde 1998 das europäische Verbundsystem auf einer Länge von 235 km um 20 Mrd.
Nm3 jährlicher Kapazität erweitert. Insgesamt besteht über die europäischen Fernleitungen Anschluss an nationale Leitungsnetze mit einer Gesamtlänge von rund 1,5 Mio. km. Das umfangreiche System dient der Versorgungssicherheit und der wirtschaftlichen Optimierung der Gasströme.
7 Erdgas
7-19
Abb. 7.6: Erdgas aus Russland für Westeuropa
Zu Abb. 7.6
Von den großen Erdgaslagerstätten in Westsibirien und in Turkmenistan/Usbekistan führt ein
umfangreiches Leitungssystem zu den westlich gelegenen Verbrauchszentren. Diese sind außer
in den GUS-Staaten vor allem in Westeuropa zu finden. Der Export nach Westeuropa erfolgt
durch die Ukraine und durch Tschechien. Dabei werden enorme Transportentfernungen überbrückt. Von Urengoy bis zur deutsch-tschechischen Grenze sind es rund 5500 km. Für die Zukunft sind weitere Leitungen geplant, unter anderem eine Pipeline von Russland durch die Ostsee direkt nach Deutschland (Greifswald). Der Bau der Jamal-Pipeline von der Jamal-Halbinsel
(Kharasavey) bis Frankfurt/Oder hat bereits begonnen.
7-20
7 Erdgas
Abb. 7.7: Erdgas aus der Nordsee für den Kontinent
Zu Abb. 7.7
Im Herbst 1977 begannen Lieferungen aus dem Ekofisk-Gebiet, etwa 440 km vor der deutschen
Küste in der norwegischen Nordsee gelegen, an westeuropäische Käufer. Dieses Erdgas wird
über das am Boden der Nordsee verlegte Norpipe-System in Emden angelandet und dort in das
europäische Verbundsystem eingespeist.
1985 wurden Erdgaslieferungen aus dem Statfjord-Feld aufgenommen, das in der nördlichen
norwegischen Nordsee liegt. Weiteres Erdgas kam seit 1986 aus dem Heimdal- und seit 1987 aus
dem Gullfaks-Feld. Für diese Erdgasmengen wurde mit der Statpipe ein weiteres PipelineSystem mit einer Gesamtlänge von rund 900 km bis zum Ekofisk-Zentrum gebaut. Von dort
fließt das Gas durch die Norpipe nach Emden. Die Lieferungen aus den Feldern Heimdal und
Gullfaks wurden wegen Erschöpfung der Erdgasreserven bereits wieder eingestellt.
Das Troll-Feld, etwa 100 km nordwestlich von Bergen, zählt mit auf heutiger Einschätzung beruhenden Reserven von rund 1.060 Mrd m³.neben dem niederländischen Groningen-Feld zu den
größten bisher entdeckten Erdgasvorkommen in Westeuropa. Die Wassertiefe im Troll-Gebiet
7 Erdgas
7-21
von 300 bis 350 m und die Wetterbedingungen in der Nordsee erforderten den Einsatz von
Techniken zur Erschließung dieses Feldes in damals noch nicht verwirklichten Dimensionen.
Die Erdgaslieferungen aus dem Troll-Projekt, in das auch das Sleipner-Feld einbezogen war,
begannen im Herbst 1993. Sie haben eine vertragliche Laufzeit über 2020 hinaus. Zum Transport
der Erdgasmengen zum Kontinent wurde das norwegische Unterwasser-Pipelinenetz weiter ausgebaut. Zunächst mit der Zeepipe (1993), die in Zeebrügge/Belgien anlandet. In den 90er Jahren
wurden zwei Pipelines (Europipe I und II) zur deutschen Nordseeküste gebaut. Außerdem kam
mit der Franpipe eine Verbindung nach Dünkirchen/Frankreich hinzu.
Abb. 7.8: Erdgasleitungen in der Bundesrepublik Deutschland
Zu Abb. 7.8
Die Gesamtlänge des Rohrleitungssystems für Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland beträgt
etwa 420.000 km, darunter 133.000 km Niederducknetz, 180.000 km Mitteldrucknetz und
106.000 km Hochdrucknetz (Stand: Ende 2007). Die Abbildung zeigt davon nur das Ferngasnetz. Heute sind auch alle Gasversorgungssysteme in den neuen Bundesländern von Stadtgas auf
Erdgas umgestellt. Die Einspeisung von importiertem Erdgas ins deutsche Netz erfolgt an der
dänischen (Ellund), der niederländischen (Elten, Vreden, Bunde), der belgischen (Aachen), der
tschechischen (Sayda, Waidhaus), der polnischen (Frankfurt/Oder) und der österreichischen
Grenze (Wildenranna) sowie an der Nordseeküste (Emden).
7 Erdgas
7-22
Transport von verflüssigtem Erdgas auf Schiffen
Verflüssigung
Verladung
Lagerung
Gewinnung
Frachtfahrt
Ballastfahrt
Lagerung
Entladung
Abb. 7.9:
Verdampfung
Verbrauch
Die Phasen in der LNG-Kette
Zu Abb. 7.9
• LNG = Liquefied Natural Gas
• Im Falle von geographischen, technischen oder auch politischen Problemen beim Pipelinetransport stellt der LNG-Tankertransport die Alternative für den Erdgastransport dar.
• Als LNG-Kette bezeichnet man die Gesamtheit aller technischen Einrichtungen, die erforderlich sind, um Gas in der Form von Flüssigerdgas vom Lieferland in das Abnehmerland zu
transportieren.
• Erst durch die Volumenreduzierung von Erdgas auf 1/600 des Normalvolumens durch Verflüssigung wird der Seetransport über weite Strecken wirtschaftlich. LNG-Tanker fassen heute standardmäßig ein Transportvolumen von 130.000 m3. Tanker mit bis zu 210.000 m3 Ladekapazität werden bereits gebaut, das entspricht unkomprimiert rund 125 Mio. Nm3).
• Der Schwerpunkt der Investitionskosten der LNG-Kette liegt im Bereich Verflüssigung/Verdampfung und Be-/Entladung (im Durchschnitt über 70 % der Investitionskosten).
• Der Erdgastransport über die LNG-Kette ist mit nicht vernachlässigbaren Energieverlusten
verbunden (11-16 % der Energie des Rohgases für Verflüssigung und Wiederverdampfung,
zusätzlich entfernungsabhängige Aufwendungen für den Schiffstransport).
7 Erdgas
Erdgas
Reinigung
7-23
Kondensate
Vorkühlung
S-Verbindungen
H2O, CO2
LNG
Speicherung
Verflüssigung
He
N2
Butan, Propan
Abb. 7.10:
Schema einer Erdgasverflüssigung
Zu Abb. 7.10
• Erdgas wird stufenweise bis zum Siedepunkt abgekühlt und verflüssigt
• Als Kreislaufkältemittel kommen Propan, Ethen und Methan zum Einsatz
• Abkühlung auf rund -160 °C bei 40 bar
• Dann Unterkühlung der Flüssigkeit durch Entspannung auf etwa Normaldruck
• Siedetemperatur T = -162 °C bei p = 1 bar
• Dichte ρ = 420 kg/m3 bei 1 bar und -162 °C
• Verflüssigungsanlagen werden mit Erdgas betrieben.
• Erdgaseigenverbrauch für die Verflüssigung liegt zwischen 11 und 16 % der Rohgasmenge
(in Abhängigkeit von Rohgasbeschaffenheit und eingesetztem Verflüssigungsverfahren)
• Verflüssigungskapazitäten einer heutigen Anlage: rund 3 Mrd m3/a, bereits geplant sind Anlagen mit 10 Mrd m3/a
• Wiederverdampfung in LNG-Terminals vor allem durch Nutzung der Wärme des Seewassers
7 Erdgas
7-24
Abb. 7.11:
Global bedeutende Transportrouten für LNG in Milliarden cubic feet
(1 m3 = 35,3 ft3, Quelle EIA-0637, 2002)
Zu Abb. 7.11
Die Technik zur Verflüssigung in so genannten Verflüssigungsstraßen (LNGTrains) im Erzeugerland und zur Wiederverdampfung am Zielort ist inzwischen so weit entwickelt, dass inzwischen weltweit fast 180 Mrd. m3 Erdgas pro Jahr auf diese Weise transportiert werden. Dieses
entspricht rund einem Viertel des Welterdgashandels oder sechs Prozent des weltweiten Erdgasverbrauchs. Experten erwarten bis zum Jahr 2010 einen Anstieg auf 310 Mrd m3.
• Wichtige Flüssiggas-Handelsketten sind u.a.
− Abu Dhabi
->
Japan
12 000 km
− Alaska
->
Japan
6100 km
− Borneo (Brunei) ->
Japan
4500 km
− Algerien
USA
6000 km
Westeuropa
600 - 2900 km
->
− Libyen/Algerien ->
• Aktuell gibt es weltweit 26 LNG-Großverflüssigungsanlagen in 15 Exportländern: Ägypten,
Algerien, Australien, Brunei, Guinea, Indonesien, Katar, Libyen, Malaysia, Nigeria, Norwegen, Oman, Trinidad und Tobago, Vereinigte Arabische Emirate, USA. In der Prüfungs-, Planungs- oder Bauphase befinden sich Standorte in Angola, Bolivien, Iran, Jemen, Osttimor,
Papua-Neuginea, Russland (Sachalin) und Venezuela.
7 Erdgas
7-25
• Asiatische Länder importieren rund zwei Drittel des weltweit gehandelten Flüssigerdgases.
Einen großen Teil der Liefermengen beansprucht Japan, das aufgrund seiner Insellage und
mangelnder eigener Ressourcen auf den Schiffstransport von Rohstoffen angewiesen ist.
• Weltweit operieren 60 Terminals (Stand 2008) zur Wiederverdampfung angelandeter LNGLieferungen, onshore und offshore, davon allein 28 in Japan. In Europa arbeiten aktuell 11
LNG-Terminals: 1 in Belgien (Zeebrügge), 2 in Frankreich (Fos-sur-Mer, Montoir), 5 in
Spanien (Barcelona, Bilbao, Huelva, Sagunto, El Mussel) und 3 im Vereinigten Königreich
(South Hook Milford Haven, Dragon Milford Haven, Isle of Man (vgl. auch Abb. 7.12).
• Standard-Ladekapazitäten von LNG-Tankern liegen heute bei 145.000 m3, das entspricht etwa 86 Mio. Nm3 Erdgas im Normalzustand. Ein solcher Tanker kostet etwa 175 Mio. $. Anfang 2004 waren insgesamt 160 LNG-Schiffe in Betrieb. In Bau bzw. geplant sind Tanker mit
210.000 bzw. 250.000 m3 Fassungsvermögen, was die spezifischen Kosten weiter senken
wird.
• Zur Realisierung eines globalen LNG-Handels sind hohe Investitionen erforderlich. Pro Jahrestonne Verflüssigungsleistung betragen die Investitionskosten etwa 300 EUR (ohne Peripherie, wie etwa Leitungen vom Fördergebiet zur Verflüssigungsanlage oder Sammel- und
Speichereinrichtungen). Zusätzlich sind noch Mittel für LNG-Schiffe und Wiederverdampfungsanlagen erforderlich. Allein die Entwicklung des Sachalin II-Feldes zur Förderung
und Vermarktung von Flüssigerdgas und Erdöl würde 20 Milliarden $ kosten; Förderbeginn
könnte 2014 sein.
Abb. 7.12: Lieferwege und jährliche Mengen von Flüssigerdgas nach Europa, 2006
7 Erdgas
7-26
7.1.4
Erdgasspeicherung
20,0
90,0
18,0
16,0
14,0
70,0
12,0
10,0
60,0
8,0
50,0
6,0
T em peratur in °C
G as abs atz Mrd kWh
80,0
4,0
40,0
2,0
30,0
0,0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Mona t
G as abs atz Mrd kW h
Abb. 7.13:
Temperatur °C
Jahresgang des Erdgasabsatzes 2007 der EON Ruhrgas AG und Monatsmittelwerte
der Temperaturen am Flughafen Frankfurt/M. 2 m Höhe
Tagesabgabe [%]
Verlaufskurve am Tag
mit max. Gasabgabe
Stundenspitzen der max. Tagesabgabe
370
max. Tagesabgabe
250
durchschnittliche Tagesabgabe
100
0
0
Abb. 7.14:
3
6
9
Tagesgang des Erdgasabsatzes
12
15
18
21
24
Stunden
7 Erdgas
7-27
Zu Abb. 7.13
• Der Jahresgang der Gasnachfrage ist sehr ausgeprägt.
• Abnahmeänderungen der täglichen Gasmengen im Verhältnis 1 zu 6 zwischen Sommer und
Winter sind üblich.
• Ursachen dafür sind ein relativ geringer Industrieanteil und ein hoher Heizgasbedarf
• Einflüsse auf die Gasnachfrage:
− Sektor Haushalte und Kleinverbraucher: Wetter, speziell Außentemperatur.
− Sektoren Industrie und öffentliche Kraftwerke: konjunkturelle Schwankungen, in schwächerem Maße Außentemperatur.
Zu Abb. 7.14
• Gasversorgungsunternehmen sind verpflichtet, die jeweilige Nachfrage zu decken. Gleichzeitig sind sie aus wirtschaftlichen Gründen bemüht, günstige Produktions- und Betriebskosten zu erreichen, was durch kontinuierlichen Gasbezug möglich ist. Zudem lassen sich die
Aufbereitungsanlagen für Gas aus inländischer Förderung bei kontinuierlicher Auslastung
kostengünstiger errichten und betreiben.
• Zum Ausgleich von Gasbezug und Gasnachfrage dienen der Gaswirtschaft neben unterbrechbaren Lieferverträgen, die mit Großkunden abgeschlossen werden, auch Speichersysteme:
− Oberirdische Speicher zum Ausgleich von Tagesspitzen
− Unterirdische Speicher zum Ausgleich von saisonalen Spitzen
• Über 10 % des jährlichen Gasabsatzes müssen für diesen Ausgleich zwischengespeichert
werden.
• Darüber hinaus können Erdgasspeicher auch in gewissem Rahmen zur Überbrückung im Fall
von Versorgungsstörungen eingesetzt werden.
• Voraussetzungen für Untertagespeicher: geeignete geologische Formation, vorhandene Erdgasleitung, Nähe zum Verbraucher
7 Erdgas
7-28
Station
Station
Beobachtungsbohrung
Aquifer/Lagerstätte
Porenspeicher
Abb. 7.15:
Kavernenspeicher
Schematischer Aufbau von Poren- und Kavernenspeichern
Zu Abb. 7.15
Je nach gespeicherter Menge bieten sich verschiedene Möglichkeiten der Erdgasspeicherung an.
Kleinere Mengen werden in oberirdischen Behältern, Röhrenspeichern oder auch Flüssigerdgasanlagen gespeichert. Größere Erdgasmengen werden aus Umwelt- und Kostengründen in unterirdischen Porenspeichern oder Kavernen gelagert. Porenspeicher sind unterirdische Gesteinsschichten, die sich aufgrund ihrer geologischen Eigenschaften besonders zur Speicherung von
Erdgas eignen. Kavernen wiederum sind künstlich hergestellte Hohlräume in unterirdischen
Salzformationen, die durch einen Solprozess entstehen. Das heißt: Durch Bohrungen und kontinuierliches Ausspülen werden Hohlräume geschaffen, die eine besonders sichere Lagerung des
Erdgases erlauben.
Im deutschen Erdgas-Hochdrucktransportsystem sind grundsätzlich beide Arten der unterirdischen Speicherung im Einsatz:
• Porenspeicher
• Erdgas wird in den porösen und permeablen Formationen eines Speichergesteins gelagert.
Das Speichergestein ist nach oben durch gasundurchlässige Schichten abgedichtet.
• Aquiferspeicher entstehen durch künstliche Verdrängung von Wasser aus den porösen
Schichten mit Erdgas.
• Feldspeicher sind ausgeförderte Erdgaslagerstätten
7 Erdgas
7-29
• Ein freies Porenvolumen von 10 - 25 % des Gesteinvolumens wird als ausreichend für die
Erdgasspeicherung angesehen.
• Die Arbeitsgasmenge kann bis zu mehreren Mrd. Kubikmeter betragen.
• 2007 gab es in Deutschland 23 Porenspeicher mit 13 Mrd. m3 Arbeitsgasvolumen, was
rund einem Fünftel des Jahresverbrauchs entspricht.
• Porenspeicher dienen vorrangig der Abdeckung saisonaler Bedarfsschwankungen (Sommer/Winter).
•
• Kavernenspeicher
Kavernenspeicher sind unterirdische Hohlräume, die im Salzgestein durch Aussolen geschaffen wurden. Eine verwandte Art sind bergmännisch geschaffene Kavernenspeicher.
• Die Kavernen haben ein Volumen von bis zu 600.000 m3 und liegen zwischen 400 und
1800 m Tiefe.
• Die Befüllung erfolgt über Kompressoren, deren maximaler Arbeitsdruck weitgehend von
der Tiefe der Kavernen abhängt.
• Das Arbeitsgasvolumen liegt zwischen 30 und 100 Mio. m3
• 2007 gab es in Deutschland 21 Kavernenspeicheranlagen mit 156 Kavernen und einem
Arbeitsgasvolumen von 8 Mrd. m3. Weitere 14 Anlagen mit zusammen 56 Kavernen und
einem Arbeitsvolumen von 4,3 Mrd. m3 befanden sich in Planung bzw. Bau.
• Kavernenspeicher werden vorwiegend zur kurzfristigen Spitzendeckung (bspw. bei veränderter Tag/Nacht-Relation des Verbrauchs oder bei Versorgungsstörungen) verwendet.
Grund sind die im Vergleich zu Porenspeichern deutlich höheren (bis Faktor 5) Injektionsund Entnahmeleistungen, wodurch kürzere Reaktionszeiten ermöglicht werden. Außerdem
können in den Kavernen durch Zwischenlagerung verschiedener Erdgase bestimmte Gasqualitäten eingestellt werden.
Heute ist die Kombination von Kavernen- und Porenspeichern am wirtschaftlichsten: Bei Kavernenspeichern ist der entscheidende Kostenfaktor die Hohlraumherstellung, bei gleichzeitig geringen Entnahmekosten; bei Porenspeichern steht der Speicherraum dagegen praktisch kostenfrei
zur Verfügung, wobei die Entnahmekosten durch teure Bohrungen für die Entnahmestellen sehr
hoch sind.
7 Erdgas
7-30
Beispiel für Speicherung:
Der Speicherkunde bucht Speicherkapazitäten in Form von Ein- und Ausspeicherkapazität pro
Stunde sowie das benötigte Arbeitsgasvolumen, welches der Speicherkunde während der gewünschten Vertragslaufzeit nutzen möchte.
Das Speicherangebot umfasst darüber hinaus auch Systemdienstleistungen, die zur Durchführung der Speicherung erforderlich sind. Hierzu gehören u. a. der Empfang und die Bestätigung
von Mengenanmeldungen (Nominierungen) des Speicherkunden für die Ein- und Ausspeicherung, die Steuerung der Erdgasspeicher, die Messung und Bilanzierung der Speichermengen, die
Abrechnung und die Rechnungserstellung.
Die technisch erforderlichen Mindestflussmengen bei der Einspeicherung (Qmin Ein) und bei der
Ausspeicherung (Qmin Aus) sind für jeden Speicher aufgrund der physikalischen Standorteigenschaften vorgegeben. Sie betragen z.B. beim Erdgasspeicher Epe der RWE 20.000 m3/h für beide
Betriebsarten. Ebenfalls vorgegeben sind Umschalt- sowie Anfahr- und Abfahrfristen, um
Gleichgewichtstemperaturen wieder herzustellen, da sich der Speicher bei der Einlagerung erwärmt und bei der Auslagerung abkühlt. Für den Speicher Epe gelten folgende Fristen:
•
Anlaufzeit Einspeicherung bis zum Erreichen der Volllast: 2 h
•
Mindesteinspeicherlaufzeit: 5 h
•
Abfahrzeit Einspeicherung auf Null: 1,5 h
•
Mindestabkühlzeit nach Einspeicherung bis Wiederanlauf Abschaltung: 2 h
•
Mindestdauer für eine Umschaltung von Einspeicherung auf Ausspeicherung (ohne
Anfahrt- und Abfahrrampen): 1,5 h
•
Vorlaufzeit für die Ausspeicherung bei kalten Anlagen: 3 h
•
Vorlaufzeit für die Ausspeicherung bei warmen Anlagen: 1h
•
Abfahrzeit von Ausspeicherung auf Null: 0,5 h
Abschätzung des Verhältnisses von Kissengas K zu Arbeitsgas A:
Gasvolumen = Arbeitsgasvolumen + Kissengasvolumen,
Arbeitsgas: entnehmbare Menge A,
Kissengas K: verbleibt zur Aufrechterhaltung der Betriebsfähigkeit im Speicher
(z. B. 130 bar Speicher, 70 bar Pipeline: → 0 - 70 bar Kissengas, 70 - 130 bar Arbeitsgas),
Ergebnis: ≈40% zu 60% K/A (Salzkaverne) bzw. ≈70% zu 30% (Aquifer).
7 Erdgas
7.1.5
7-31
Erdgasnutzung
Die Nutzung von Erdgas im Energiesystem bedeutet die Verbrennung von Erdgas zur Umwandlung in Wärme oder Kraft (Strom). Obwohl der Strommarkt für Erdgas wächst, ist die
Wärmeerzeugung der Schwerpunkt des Erdgaseinsatzes.
Kraftwerke
Haushalte und
Kleinverbraucher
14 %
46 %
Industrie
25 %
3,66 EJ
Sonstige1)
15 %
Haushalte und
Kleinverbraucher
1 697,9
Industrie
Kraftwerke
Sonstige
895,3
528,9
533,5
PJ
1) nichtenergetischer
Verbrauch, Einsatz zur Fernwärmeerzeugung,
Eigenverbräuche, Stat. Differenzen, Stadtgaserzeugung
Abb. 7.16:
Erdgasverbrauch in Deutschland 2006 nach Sektoren /Ruhrgas 2007/
Der Wobbe-Index
Der Wobbeindex, auch Wobbewert, Wobbekennzahl, Wobbezahl genannt, dient zur Charakterisierung der Qualität von Brenngasen (z. B. Erdgas, Stadtgas ), die aufgrund ihrer chemischen
Zusammensetzungen unterschiedlich ist. Der Wobbeindex ist ein mit dem Dichteverhältnis von
Brennstoff und Luft (siehe unten) korrigierter Heizwert (Brennwert). Man unterscheidet einen
oberen Wobbeindex (Ws, "s" von superior, früher Wo) und unteren Wobbeindex (Wi, inferior,
früher Wu).
Experimentell wird der Wobbeindex durch Verbrennung bestimmt. Dabei wird mit dem Testgas
ein Glühstrumpf beheizt, dessen Temperatur gemessen wird. Das Glühstrumpfmaterial darf dabei nicht oxidieren. Mit Eichgasen erfolgt eine Kalibrierung.
7-32
7 Erdgas
Der Wobbeindex ist definiert als Quotient aus dem Brennwert oder Heizwert und der Quadratwurzel aus der relativen Dichte. Die relative Dichte ist der Quotient aus der Dichte des Brenngases und der Dichte trockener Luft unter gleichen Druck- und Temperaturbedingungen.
Formel für den oberen Wobbeindex:
(Gl. 7.6)
Formel für den unteren Wobbeindex:
(Gl. 7.7)
Die Einheit des Wobbeindex ist J/m³ oder kWh/m³, analog der Einheit des Heiz- bzw Brennwertes.
Der Wobbe-Index ist ein Maß für die Energielieferung eines Brenners und dient zur Beurteilung
der Austauschbarkeit von Gasen. Er gibt an, welcher Wärmestrom durch die Düse eines Brenners strömen würde, bezogen auf einen Luftvolumenstrom mit gleichen physikalischen Bedingungen wie das Brenngas. Der Wobbe-Index gilt deshalb als Kennwert für die Wärmebelastung
des Brenners.
Die Wärmebelastung QB eines Gasstroms, der aus der Düse eines Brenners austritt, ist gegeben
durch
& ⋅H
& =V
Q
O
B
& als Volumenstrom und Ho als Brennwert.
mit V
(Gl. 7.8)
7 Erdgas
7-33
v2
v1
p1
Abb. 7.17:
pL
Verhältnisse an einer Brennerdüse
Es sei v2 die Austrittsgeschwindigkeit des Gases, v1 die Fließgeschwindigkeit (mit v2 >> v1) und
pL der Druck des Gases außerhalb der Düse. Nach Bernoulli gilt dann:
v2 = 2 ⋅
p1 - p L
ρ
(Gl. 7.9)
mit ρ = Dichte des Gases
Durch Reibungskräfte wird v2 um den Düsenbeiwert α geringer. Dann gilt für die Wärmebelastung durch den austretenden Volumenstrom:
( - )
& = A ⋅ α ⋅ 2 ⋅ p1 pL ⋅ Ho
Q
B
ρ
= A⋅α⋅ 2⋅
d=
(p1 - pL) Ho
⋅
ρLuft
d
(Gl. 7.10)
ρ
ρLuft
mit A als Fläche der Austrittsöffnung der Düse und d (= relative Dichte) als Dichte des Gases im
Verhältnis zur Dichte von trockener Luft.
7 Erdgas
7-34
Bei konstantem Druck p1 gilt:
& = const. ⋅ Ho := const. ⋅ Ws
Q
B
d
(Gl. 7.11)
Wird in der Praxis ein Gas 1 gegen ein Gas 2 ausgetauscht, so ändert sich die Wärmebelastung
des Gerätes im Verhältnis der Wobbe-Indizes (bei konstantem Düsendruck):
& B1 Ws 2
Q& B 2 = Q
Ws 1
(Gl. 7.12)
Brenngase mit gleichem Wobbeindex ergeben bei gleichem Düsendruck die gleiche Wärmebelastung im Brenner. Die Brennerdüse muss in diesem Fall bei einem Wechsel der Brenngase
nicht ausgetauscht werden. Wenn zum Beispiel Erdgas durch ein Propan / Luftgemisch ersetzt
werden soll, reicht es nicht aus, eine Mischung mit gleichem Heizwert zu erzeugen. Da dieses
Gemisch eine andere Dichte hätte, würde durch den Brenner eine andere Menge strömen und
sich dadurch ein anderer Energieumsatz ergeben. Durch das Miteinbeziehen der Dichte ergibt
sich jedoch genau der Volumenstrom, der nötig ist um die gleiche Energiemenge durchzusetzen.
7.2
Die Erdgaswirtschaft
7.2.1
Weltweite Erdgasförderung und Erdgashandel
Tab. 7.5:
Entwicklung von Welterdgasverbrauch und -handel (Quelle: BP Statistical Review
of World Energy)
1960
1965
1970
1975
1981
1984
1990
2001
2004
2005
2006
2007
Welterdgasverbrauch
Anteil am
Weltenergieverbrauch
Welterdgashandel
durch Pipelines
[EJ]
17
26
38
46
57
61
72
98
102
105
108
111
[%]
13,0
15,6
17,8
18,4
19,2
19,7
21,6
23,5
23,5
23,6
23,5
23,7
[EJ]
0,2
0,6
1,6
4,1
6,5
7,5
10,7
23,0
19,1
19,5
20,1
20,9
7 Erdgas
7-35
Zu Tab. 7.5
• Der Welterdgasverbrauch ist seit 1960 kontinuierlich gestiegen. Dies gilt sowohl für den absoluten Erdgasverbrauch als auch für den Anteil des Erdgasverbrauchs am Weltenergieverbrauch insgesamt.
• Wegen der hohen Transportkosten wird tendenziell auf Erdgasimporte verzichtet, solange bis
die einheimische Förderung den Bedarf nicht mehr alleine decken kann. Deshalb wuchs –
ausgehend von einem sehr geringen Niveau – der internationale Handel in den letzten Jahrzehnten überproportional stark an. Hinzu kommt, dass der Verbrauch besonders in jenen Ländern stark ansteigt, deren eigene Förderung nicht ausreicht.
Übrige 26 %
Russland 22 %
USA 19 %
111,78 EJ
Kanada 6 %
Saudi-Arabien/ Turkmenistan/ Malaysia/
VR China/ Argentinien/
Niederlande/ Mexiko
je 2 % (14 %)
Algerien/ Großbritannien/ Indonesien/ Iran/ Norwegen/ je 3 % (15 %)
Abb. 7.18:
Weltweite Erdgasförderung 2006 nach Ländern
Zu Abb. 7.18
• Die gesamte Erdgasförderung im Jahr 2006 betrug 2.700 Mrd. m3 (111,78 EJ).
• Die Länder mit der größten Erdgasförderung sind Russland und die USA.
• Nordamerika fördert etwa 25 % des Erdgases.
• In Westeuropa werden weniger als 10% des Erdgases gefördert.
7 Erdgas
7-36
Importländer
Exportländer
USA
14 %
Deutschland/ Japan je 11 %
22 %
Italien
9%
Frankreich
6%
Ukraine
5%
Südkorea/ Spanien je 4 %
8%
Russland
22 %
Kanada
12 %
Norwegen
11 %
Algerien
7%
Niederlande
6%
Turkmenistan
6%
33,95 EJ
Türkei/ Niederlande je 3 %
6%
Indonesien/ Malaysia/
Katar je 4 %
12 %
USA
3%
Sonstige
21 %
Sonstige
30 %
Abb. 7.19:
Globaler Erdgasexport und -import 2006 nach Ländern
Zu Abb. 7.19
• 2006 wurden 820 Mrd. m3 (33,95 EJ) Erdgas durch Pipeline und in LNG-Schiffen über die
Landesgrenzen weltweit gehandelt, das waren 30,4 % der gesamten Förderung.
• Der größte Erdgasexportanteil kommt aus Russland. Die Lieferungen gehen sowohl nach Ostals auch Westeuropa.
• Kanada beliefert ausschließlich die USA.
• Malaysia und Indonesien beliefern Japan mit Erdgas in Form von LNG. Japan deckt seinen
gesamten Gasbedarf aus LNG-Importen.
• Die Importe Westeuropas stammen zum Großteil aus den Niederlanden, Norwegen und Russland.
Die Gasversorgungswirtschaft in Deutschland und Europa
Die Strukturen in Europas nationalen Gaswirtschaften sind sehr unterschiedlich. Die deutsche
Gaswirtschaft ist stark dezentralisiert und überwiegend nach privatwirtschaftlichen Kriterien
tätig, wobei dem privatwirtschaftlichen Risiko bei Finanzierung und Betrieb der Anlagen der
unternehmerische Gewinn gegenübersteht. Es gibt jedoch auch Länder, in denen die Gaswirtschaft stärker zentralisiert ist und im staatlichen Eigentum war. Zu diesen Ländern gehört z. B.
Frankreich. Die organisatorischen Unterschiede stellen ein wesentliches Hindernis für die Verwirklichung eines wettbewerblich organisierten europäischen Erdgasmarktes dar.
7 Erdgas
7-37
Generell können innerhalb der EU Unterschiede in den drei Bereichen
• Produktion
• Transport
• Verteilung
ausgemacht werden.
Auf der Produktionsstufe beherrschen weitgehend die Ölgesellschaften Shell und Esso sowie
Staatsunternehmen der jeweiligen Länder den Markt. In Deutschland fördern drei Gesellschaften
90% des inländischen Erdgases, in den Niederlanden hat die NAM (Shell-Esso Joint-Venture)
einen Förderanteil von 80%, in Großbritannien teilen sich 10 Unternehmen 80% der Gesamtproduktion. Ein einziges inländisches Unternehmen fördert 70% des italienischen Erdgases, in
Frankreich beherrscht ein (mehrheitlich staatlich kontrolliertes) Unternehmen 98% der Gasproduktion.
Im Transportbereich agieren in der Mehrzahl der EU-Länder im Hochdrucktransport Monopolisten bzw. „Quasi-Monopolisten“. Sowohl in den Niederlanden als auch in Frankreich, Italien
und Großbritannien ist ein öffentliches Unternehmen bzw. ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen auf der Transportstufe tätig. In Deutschland hat die E.ON Ruhrgas AG zusätzlich zu
eigenen Leitungen viele Beteiligungen an anderen Unternehmen dieser Marktstufe.
Die Verteilung wird in Deutschland überwiegend von örtlichen Gasunternehmen wahrgenommen. Auch in anderen Ländern finden sich solche kommunalen Verteilungsgesellschaften - mit
Ausnahme von Großbritannien und Frankreich - wieder. In Frankreich und in Großbritannien
werden die Verteilungsaufgaben fast (Frankreich) oder ausschließlich (GB) von den großen
Transportgesellschaften (Gaz de France und British Gas) wahrgenommen.
Im Rahmen der Schaffung eines allen EU-Mitgliedsstaaten gemeinsamen EU-Binnenmarktes
entwickelt sich auch ein europäischer Binnenmarkt für Energie. Die EU-Kommission erwartet
von einem integrierten Gas- und Strommarkt in der EU Effizienzgewinne. Technischphysikalische, ökonomische und auch politisch-historische Besonderheiten des Erdgasmarktes
hatten zu einer weitgehenden Regulierung im jeweiligen nationalen Rahmen geführt. Die ordnungspolitischen Maßnahmen der EU stehen dagegen unter den Stichworten Marktöffnung, Deregulierung und Liberalisierung der europäischen Energiemärkte in den Mitgliedsländern.
Eine erste Richtlinie zum Erdgasbinnenmarkt trat am 1998 in Kraft und wurde bis August 2000
von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt. Ziel der Richtlinie war eine schrittweise und langfristige Marktöffnung (sodass Endkunden ihren Versorger frei wählen können) und
die Festlegung von Vorgaben für den Netzzugang.
Im Sommer 2003 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat die so genannte Beschleunigungsrichtlinie Gas. Diese ersetzte die vorangegangene Richtlinie mit dem Ziel, die
Schaffung des EU-Binnenmarktes für Erdgas innerhalb der nächsten vier Jahre zu vollenden.
Ferner enthielt sie die Verpflichtung zur Einführung eines Regulators sowie zur strikten Trennung von Netzbetrieb und Gasverkauf („Unbundling").
7 Erdgas
7-38
Die zweiten EU-Binnenmarktrichtlinien Strom und Erdgas
Am 26. Juni 2003 wurden die zweiten EU-Binnenmarktrichtlinien Strom und Erdgas verabschiedet. Nachdem die ersten Binnenmarktrichtlinien die Liberalisierung des Strom- und
Gasmarkts in der EU eingeleitet haben, sollen diese neuen Richtlinien nun zu einer Beschleunigung und Verbesserung des Liberalisierungsprozesses führen.
Die wesentlichen Inhalte der Richtlinien sind:
•
Es wurde ein fester Zeitrahmen für die vollständige Öffnung der Strom- und Gasmärkte vorgegeben. Danach müssen spätestens ab dem 1.7.2004 alle Nicht-Haushaltskunden, und spätestens ab dem 1.7.2007 alle Kunden ihre Versorger selber wählen
können. Für den deutschen Strommarkt sind diese Öffnungsraten bereits seit 1998
formal erfüllt. Diese Anforderung bedeutet darüber hinaus, dass andere Länder nachziehen müssen und damit ein besseres Gleichgewicht bei der Entwicklung der Märkte
hergestellt werden kann. Verbesserte Bedingungen für grenzüberschreitenden Handel
können von dieser Regelung erwartet werden.
•
Alle EU-Mitgliedsstaaten haben eine Regulierungsbehörde für den Strom- und den
Erdgasmarkt eingerichtet („geregelter Netzzugang“). Für diese ist ein minimaler Aufgabenkatalog vorgegeben. Dazu gehört u.a. die Genehmigung oder Festlegung von
Methoden zur Kalkulation von Netznutzungsentgelten.
•
Die integrierten Strom- und Gas-Netzbetreiber werden dazu verpflichtet, eine gesellschaftsrechtliche
Entflechtung
ihrer
Netzbereiche
von
den
Erzeugungs-
/Beschaffungs- und Vertriebsbereichen vorzunehmen (Unbundling). Das betrifft alle
Übertragungs-, Kombinations- sowie Verteilnetzbetreiber. Darüber hinaus sind detailliertere Anforderungen an die Entflechtung und Transparenz von Rechnungslegung
und internen Strukturen festgeschrieben.
Speziell für den Erdgasbinnenmarkt gibt es verbesserte Vorschriften für den Zugang zu Speicheranlagen entweder auf Verhandlungs- oder regulierter Basis und zwar auch, wenn dies im
Hinblick auf die Versorgung des Kunden wirtschaftlich für eine effiziente Gestaltung der
Durchleitung erforderlich ist. Damit werden Dritte in der Lage sein, neben Band- auch strukturierte (i.e. zeitlich und mengenmäßig variable) Lieferungen anzubieten. Hierzu ist noch eine
Novellierung des deutschen Energiewirtschaftsgesetzes erforderlich.
7 Erdgas
7-39
Haushalte, Gewerbe,
Industrie
Konkurrenzenergien
deutsche
Gaswirtschaft
Abb. 7.20:
Marktstruktur der deutschen Erdgaswirtschaft
Struktur der deutschen Erdgaswirtschaft
In Deutschland ist die Gaswirtschaft in drei Stufen organisiert. 13 Ferngasgesellschaften betreiben das Hochdrucknetz. Man unterscheidet Ferngasgesellschaften der Ersten Stufe (Produzierende und Importierende Unternehmen) sowie Ferngasgesellschaften der Zweiten Stufe (ohne
wesentliche eigene Produktions- und Importaktivitäten, also überwiegend Weiterverteiler).
Fünf überregionale Ferngasunternehmen gehören der ersten stufe an: E.ON Ruhrgas, RWE,
Wingas, Verbundnetz Gas (VNG) und Erdgasverkaufsgesellschaft Münster.
Acht regionale Ferngasgesellschaften der zweiten Stufe beziehen ihr Gas weitgehend von den
vorgenannten Gesellschaften und beliefern regionale und örtliche Gasversorgungsunternehmen
und Letztabnehmer: Bayerngas, Gasversorgung Süddeutschland (GVS), Saar Ferngas (SFG),
EWE, Avacon, Ferngas Nordbayern (FGN) Erdgasversorgungsgesellschaft Thüringen-Sachsen
(EVG) und Gasunie Deutschland (GU).
Die dritte Stufe bilden die regionalen und örtlichen Gasversorgungsunternehmen. Auf dieser
Stufe sind circa 40 Regionalgesellschaften sowie circa 650 örtliche Gasversorgungsunternehmen, häufig Stadtwerke, aktiv. (vgl. Abb. 7.20).
Die Unternehmen der Gaswirtschaft sind überwiegend in privatwirtschaftlichem, in wenigen
Fällen auch in öffentlichem oder gemischtwirtschaftlich Eigentum. Für die Belieferung der Kunden in Ballungsräumen und Flächenregionen haben sie ein engmaschiges Versorgungsnetz aufgebaut, für das hohe Investitionen erforderlich waren. Die Gemeinden garantieren die Eigentums- und Wegerechte für die Leitungen durch Konzessionsverträge.
7 Erdgas
7-40
Tab. 7.6:
Gasabgabe der Ferngasgesellschaften in Deutschland (2007)
Gasabgabe
insgesamt
Abgabe an
GVU
Ausfuhr
[Mrd kWh]
Abgabe an
Verbraucher
[Mrd kWh]
[Mrd kWh]
[Mrd kWh]
E.ON Ruhrgas AG, Essen
713
73
460
180
RWE AG, Essen
335
227
Wingas GmbH, Kassel
254
Verbundnetz Gas AG (VNG), Leipzig
165
k.A.
k.A.
k.A.
Erdgasverkaufsgesellschaft mbH, Münster
71
k.A.
k.A.
k.A.
Bayerngas, München
64
8
56
-
Gasversorgung Süddeutschland (GVS), Stuttgart
61
-
61
-
Saar Ferngas AG, Saarbrücken
41
4
37
-
EWE AG, Oldenburg
38
k.A.
k.A.
-
32
19
13
-
31
k.A.
k.A.
-
23
k.A.
k.A.
-
1,3
k.A.
k.A.
-
Name und Sitz der Gesellschaft
Produzierende und importierende Ferngasunternehmen
108
152
102
Weiterverteilende Ferngasunternehmen
Avacon AG, Helmstedt
1)
Ferngas Nordbayern GmbH (FGN), Nürnberg
Erdgasversorgungsgesellschaft Thüringen-Sachsen mbH
(EVG), Erfurt
2)
Gasunie Deutschland GmbH & Co KG (GU), Hannover
1)
2)
Berichtsjahr 2006
Übernahme der Geschäftstätigkeiten der BEB Transport GmbH zum 1.07.2008 durch Gasunie Deutschland GmbH & Co.
KG (Eigentümer 100 % N.V. Nederlandse Gasunie mit Sitz in Groningen, NL)
Wettbewerb auf dem deutschen Erdgasmarkt
Durch die Verpflichtung der Netzbetreiber Leitungen anderen Gasanbietern für die Belieferung
von Dritten oder für Durchleitungszwecke diskriminierungsfrei zur Verfügung zu stellen, ist der
Wettbewerb intensiver geworden, wenn auch längst nicht so stark wie von politischer Seite gewünscht. Durchleitungsanfragen dürfen etablierte und neue Gasversorgungsunternehmen (GVU)
bzw. Gashändler aus dem Inland, zusätzlich aber auch ausländische Versorgungsunternehmen
und Gasproduzenten stellen.
Das für Durchleitung relevante deutsche Ferngas-Hochdrucknetz mit einer Länge von rund
106.000 km wird von 13 Ferngasunternehmen betrieben (vgl. Tab 7.6); über Hochdruckleitungen
von nennenswerter Länge (über 100 km) verfügen etwa 150 Regional- und Ortsgasunternehmen.
Einige Gasproduzenten aus dem Ausland haben sich in den letzten Jahren als Direktlieferanten Zugang zum deutschen Markt verschafft, so z.B. Gaz de France (Frankreich) und Distrigaz (Belgien). Die Zahl der Gasanbieter hat auch durch Gashändler zugenommen, die neuartige Beschaffungs- und Vertriebsstrategien anwenden. So gibt es z.B. die Möglichkeiten über
Auktionen Gas an virtuellen Handelspunkten Gas einzukaufen, das von den etablierten Gasgesellschaften aus kartellrechtlichen Gründen versteigert werden muss. Ferner können am
Terminmarkt Lieferkontrakte für zukünftige Lieferzeitpunkte abgeschlossen werden. Rest-
7 Erdgas
7-41
mengen können am Spotmarkt beschafft werden. Schließlich gibt es auch Tauschgeschäfte,
wo in bestimmten Regionen Gasmengen beschafft werden können, wenn im Gegenzug in
anderen Regionen Gasmengen geliefert werden, z.B. Beschaffung von H-Gas für einen Kunden in Süddeutschland gegen Lieferung von L-Gas für einen Kunden in Norddeutschland.
Seit einigen Jahren haben sich zahlreiche Einkaufs- wie auch Vertriebsgemeinschaften gebildet; meistens sind dies Zusammenschlüsse verschiedener lokaler Versorgungsunternehmen,
die durch den gemeinsamen Marktauftritt eine größere Wettbewerbsstärke erzielen.
Auf der Nachfrageseite ist zu erwarten, dass sich die Zahl der Endverbraucher, vor allem der
Großverbraucher, kaum erhöhen wird. Da davon auszugehen ist, dass die Zahl der Weiterverteiler aufgrund des Kostendrucks in der Branche schrumpft, dürfte der Wettbewerb, insbesondere um Großabnehmer, tendenziell an Intensität zunehmen.
Kostensituation auf dem deutschen Erdgasmarkt
Die Kosten für die Bereitstellung von Erdgas lassen sich wie folgt unterteilen:
•
Produktionskosten: Sie umfassen Explorations-, Entwicklungs- und Förderkosten eines
Erdgasfeldes. In der Regel versteht man darunter die Kosten des Erdgases am Bohrloch.
•
Transportkosten: Die Transportkosten von Erdgas sind im Vergleich zu anderen Energieträgern hoch, wodurch sich anstelle eines Weltmarkts regional begrenzte, in sich
weitgehend geschlossene Einzelmärkte (z.B. Westeuropa, Japan, Nordamerika) ergeben.
Produktions- und Transportkostenbeispiele für zusätzlich kontrahierte Mengen (Quelle:
Future natural gas supply options and supply production cost for Europe, OME):
¾ 0,37 Ct/kWh für Pipelinegas aus Algerien,
¾ 0,73 Ct/kWh für Pipelinegas aus der norwegischen Nordsee,
¾ 0,80 Ct/kWh für LNG aus Algerien,
¾ 0,90 Ct/kWh für russisches Pipelinegas aus der Barentssee,
¾ 1,03 Ct/kWh für LNG aus den Vereinigten Emiraten.
•
Netznutzungsgebühren: Für die Nutzung des Transport- und Verteilnetzes im Inland fallen netzspezifische Kosten an. Da es sich um ein so genanntes natürliches Monopol handelt, hat der Gesetzgeber eine strenge Kontrolle der veranschlagten Kosten im deutschen
Gasnetz verfügt. Die Prüfung und Freigabe erfolgt durch die Bundesnetzagentur; sie setzt
die Netznutzungsentgelte für jeden einzelnen Netzbetreiber fest. Die durchschnittlichen
mengengewichteten Entgelte inklusive Entgelte für Abrechnung, Messung und Messstellenbetrieb betrugen am 1.4.2008 für Verbraucher des allgemeinen Tarifs 1,26 Ct/kWh,
für Verbraucher außerhalb der Grundversorgung 1,29 Ct/kWh, für Großabnehmer (ab
7 Erdgas
7-42
116,3 MWh/a Jahresverbrauch) 1,00 Ct/kWh und für Größtabnehmer und Händler (ab
116,3 GWh/a Jahresverbrauch) 0,21 Ct/kWh (Quelle: Monitoringbericht 2008 der BNA)
Zusätzlich fallen Steuern und Abgaben an:
•
Seit der 5. Stufe der Ökosteuerreform (Januar 2003) fallen für Erdgas als Kraftstoff 8
Cent/Liter Mineralölsteuer an, davon 2 Cent/Liter Ökosteuer. Für Erdgas zu Heizzwecken gelten 5,50 €/MWh, davon 3,70 €/MWh als Ökosteuer. Darüber hinaus gibt es einige Sonderregelungen und Vergünstigungen. Betreiber von KWK-Anlagen können unter
bestimmten Voraussetzungen eine vollständige Erstattung der Mineralölsteuer beantragen.
•
Mehrwertsteuer: Der Mehrwertsteuersatz beträgt 19 % des Bruttoabgabepreises.
•
Konzessionsabgaben: Konzessionsabgaben sind Entgelte für die Einräumung des Rechts
zur unmittelbaren Versorgung von Endverbrauchern mittels Nutzung öffentlicher Verkehrswege zur Verlegung und zum Betrieb von Leitungen. Die Höhe der Konzessionsabgabe hängt vom jeweiligen Endverbraucher (Haushalt, Industrie etc.) und der Größe
der Gemeinde ab. Für eine Stadt zwischen 25.000 und 100.000 Einwohnern ergibt sich
bspw. ein charakteristischer Satz von 0,6187 Cent/kWh.
Preisbildung auf dem deutschen Erdgasmarkt
Der Erdgaspreis wird zwischen Anbieter und Nachfrager auf der Basis einer beiderseitigen Bewertung der Wettbewerbssituation (gegenüber anderen Energieträgern, insbesondere Heizöl)
ausgehandelt, ein Vorgang, der als Preisbildung nach dem "Prinzip der Anlegbarkeit" bezeichnet
wird. Dabei sind die quantifizierbaren Verwendungsvor- und -nachteile des Erdgases zu berücksichtigen.
Bei diesem ausgehandelten anlegbaren Erdgaspreis handelt es sich um einen jeweils auf einen
bestimmten Zeitpunkt bezogenen Preis. Aufgrund der Langfristigkeit der Lieferverträge in der
Erdgaswirtschaft (20-25 Jahre) ist zu gewährleisten, dass dieser Ausgangspreis entsprechend den
sich ändernden Wettbewerbsbedingungen des Marktes geändert werden kann. Hier haben sich in
der Gaswirtschaft die automatisch wirkenden Preisanpassungsklauseln bewährt, nach denen in
vertraglich definierten Zeitabständen die Erdgaspreise an die Preisentwicklung der mit dem Erdgas im Wettbewerb stehenden Energieträger angepasst werden.
Diese Wettbewerbsklauseln werden auf allen Stufen der Gaswirtschaft angewendet, sowohl zwischen Erdgasproduzenten und Verteilerunternehmen als auch zwischen Verteilerunternehmen
und Gasverbrauchern. Die konkrete Ausgestaltung der Wettbewerbsklauseln ist dabei je nach
Marktstufe und Versorgungsunternehmen unterschiedlich. Bei der mathematischen Ausformulierung dieser Preisanpassungsklauseln unterscheidet man je nach Verknüpfung vom Erdgaspreis mit den Preisen für die Konkurrenzenergieträger zwischen der multiplikativen und der
additiven Preisanpassungsklausel.
7 Erdgas
7-43
Multiplikative Preisanpassung:
⎛
HS
HEL ⎞
⎟
P = Po ⎜⎜ 0 ,5
+ 0 ,5
HS 0
HEL0 ⎟⎠
⎝
mit:
P
=
Erdgaspreis
P0
=
Ausgangspreis für Erdgas
0,5
=
Bindungsanteil (relative Bindung, s. u.)
HS/HS0
=
relative Preisänderung für schweres Heizöl
HEL/HEL0 =
(Gl. 7.13)
relative Preisänderung für leichtes Heizöl
Diese Gleichung beschreibt eine Änderung des Erdgasausgangspreises um einen Faktor, der sich
aus dem Produkt von relativer Preisänderung und dem Bindungsanteil ergibt.
Additive Preisanpassung:
P = P0 + 0,5 ÄQFS (HS - HS0 ) + 0,5 ÄQFl (HEL - HEL0 )
mit: P
=
Erdgaspreis
P0
=
Ausgangspreis für Erdgas
0,5
=
Bindungsanteil (relative Bindung, s. u.)
HS-HS0
=
absolute Preisänderung für schweres Heizöl in EUR/t
(Gl. 7.14)
HEL-HEL0 =
absolute Preisänderung für leichtes Heizöl in EUR/t
ÄQFs
=
Äquivalenzfaktor für schweres Heizöl zu Erdgas (Umrechnungsfaktor)
ÄQFl
=
Äquivalenzfaktor für leichtes Heizöl zu Erdgas (Umrechnungsfaktor)
Bis in die 80er Jahre war die multiplikative Formel eindeutig vorherrschend. Seitdem jedoch hat
die additive Preisformel zunehmend an Bedeutung gewonnen.
Für die Absatzbereiche Haushalt, Handel und Gewerbe erfolgt die Preisankopplung allein an das
leichte Heizöl (HEL), das hier der Hauptkonkurrent des Erdgases ist. Im Industrie- und Kraftwerksbereich kann eine zusätzliche Kopplung an den Preis des schweren Heizöls (HS) erfolgen.
In Einzelfällen kann auch noch eine Anpassung an den Kohlepreis zur Anwendung kommen.
Darüber hinaus kann der Preis auch an Indikatoren gebunden werden, die die Kostenentwicklung
beim Gasversorgungsunternehmen widerspiegeln. Üblich ist z.B. eine Bindung an öffentlich
notierte Tarifvereinbarungen oder an den Investitionsgüterindex.
7-44
7 Erdgas
Absolute und relative Bindung
Bei der Bindung an den Wettbewerbsenergieträger Heizöl wird unterschieden zwischen einer
absoluten und einer relativen Heizölbindung, wobei sowohl die absolute als auch die relative
Bindung zu 100 % oder zu einem beliebig anderen Prozentsatz erfolgen können.
Die relative Bindung gibt an, in welchem prozentualen Umfang der Erdgaspreis sich ändert,
wenn der Ölpreis sich um einen bestimmten Prozentsatz geändert hat (relative Bindung, Gleichung 7.12).
Diese prozentuale Aussage über die Anpassung des Erdgaspreises erlaubt aber in der Regel noch
keinen Rückschluss darauf, ob der sich ergebende Erdgaspreis weiterhin wettbewerbsfähig ist,
denn die Wettbewerbsfähigkeit des Erdgases im Vergleich zum Heizöl wird nicht von den Relationen der Energieträgerpreise, sondern von den absoluten Abständen der Preise bestimmt.
Bei der absoluten Anbindung der Preise ändert sich der Gaspreis bei einer 100 % - Bindung auf
die Energieeinheit bezogen genauso wie die Heizölpreise. Daneben existieren noch mehrere alternative Ansätze zur Ölpreisbindung:
• Festpreisregelung: Dabei wird über die gesamte Vertragslaufzeit ein konstanter Preis vereinbart, wodurch sich für den Kunden eine hohe Planungssicherheit realisieren lässt.
• Flexible Mengenpreisregelung: Wesentliches Charakteristikum ist die Lieferung eines
Grundlastbands, dessen Preis wahlweise monatlich, quartalsweise oder jährlich dem Marktpreis angepasst wird. Der Kunde erhält zusätzlich die Option, über das Grundlastband hinaus
gehende Mengen zu Marktpreisen zu beziehen. Dabei kann die Ermittlung des Marktpreises
frei vereinbart werden, bspw. durch Nutzung eines Futures-Index an einer Börse.
• Commodity-Preisbindung: Hier wird der Gaspreis an andere Güter („commodities“), als die
Konkurrenzenergieträger gebunden. Kunden, für die Gas ein wesentlicher Kostenfaktor darstellt, können so das wirtschaftliche Risiko für ihr eigenes Geschäft vermindern. Beispiele für
eine Commodity-Anbindung sind die chemische und die metallerzeugende Industrie sowie
die industrielle Stromerzeugung. In letzterem Fall kann der Gaspreis an einen Strompreisindex gekoppelt werden.
• Flexible Mengenregelungen: Nicht nur preis-, sondern auch mengenseitige Flexibilität kann
für einen Kunden ein entscheidendes Kriterium beim Erdgaskauf darstellen. Diese Alternative
spricht besonders (Groß-)Kunden an, die verschiedene Brennstoffe nutzen können und damit
bei Engpässen im Transportsystem über Ausweichmöglichkeiten verfügen. Die Bereitschaft
des Kunden zum Verzicht auf Lieferungen zu Spitzenzeiten erlaubt dem Verkäufer die Gewährung eines entsprechenden Preisabschlags.
7 Erdgas
Tab. 7.7:
1
7-45
Gaspreise in Cent/kWh (Quelle: BMWi Energiedaten 2008)
Ct/kWh Einfuhrpreise 1)
Haushalte
(einschl. MWSt)
Industrie
(ohne MWSt)
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 0,88 0,71 0,73 0,68 0,68 0,67 0,80 0,71 0,60 1,07 1,40 1,17 1,22 1,18 1,61 2,13 1,97 3,55 3,58 3,55 3,55 3,48 3,35 3,49 3,52 3,38 3,94 4,84 4,53 4,76 4,82 5,34 6,33 6,51 1,47 1,38 1,33 1,28 1,27 1,31 1,41 1,34 1,28 1,71 2,16 1,97 2,16 2,12 2,46 2,91 ) Wert für 2006 Durchschnittswert der Monate Januar bis November 1 Nm3 = 31,736 MJ; 1Ct/kWh = 31,736/3,6 Ct/Nm3
zu Tab. 7.7:
Gaspreise für die unterschiedlichen Verbrauchergruppen
• Die Preisdifferenz zwischen Import- und Verbraucherpreisen erklärt sich aus den Kosten für
Transport, Verteilung und Speicherung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.
• Die Preisdifferenz zwischen den einzelnen Abnehmern aus Industrie und Haushalten ist durch
die höheren Verteilerkosten (engmaschige Verteilung) sowie durch einen ungleichmäßigeren
Absatz der Haushaltskunden (Raumheizung) begründet.
• Für Großkunden (z. B. Kraftwerke) wird bei dem Abschluss nicht unterbrechbarer Lieferverträge über den Arbeitspreis hinaus ein Leistungspreis erhoben, der abhängig ist von der
vereinbarten Bezugsleistung.
• Für Haushaltskunden wird in der Regel über den Arbeitspreis hinaus ein Mess- bzw. Grundpreis erhoben.
7 Erdgas
7-46
7.2.2
Erdgasaufkommen und Erdgasverbrauch in Deutschland
Dänemark/ Großbritannien
4%
Deutschland
15 %
Norwegen
27 %
Niederlande
19 %
Russland
35 %
Abb. 7.21:
Länder des Erdgasaufkommens der Bundesrepublik Deutschland 2006
(insgesamt 4,3 EJ)
100%
Erdgasaufkommen in Deutschland
Deutschland
90%
Niederlande
80%
Russland
70%
Norwegen
60%
Sonstige (DK, UK)
50%
Deutschland: vor 1991
alte Bundesländer
40%
30%
Russland:
bis 1992 UdSSR,
1993-1996 GUS,
ab 1997 Russland
20%
10%
0%
1965
Abb. 7.22:
1970
1980
1990
1996
2002
2006
Entwicklung der Länder des Erdgasaufkommens der Bundesrepublik Deutschland
7 Erdgas
7-47
Zu Abb. 7.21
• Die Erdgasversorgung in der Bundesrepublik steht auf vier Beinen: der heimischen Förderung
sowie Bezüge aus den Niederlanden, Russland und Skandinavien.
• Eine Erweiterung der Diversifikation der Gasbezugsstruktur erscheint zukünftig möglich,
wenn Deutschland Gas aus Nord- und Westafrika und - langfristig - aus dem Mittleren Osten
beziehen kann.
• Die Förderung in Deutschland lag 2006 bei rund 0,64 EJ an vierter Stelle in Europa hinter
Großbritannien, den Niederlanden und Norwegen. Deutschlands nachgewiesene Reserven betrugen Anfang 2007 geschätzte 6,6 EJ (Vergleich 2001: 13,02 EJ), hinzu kommen noch beträchtliche geologisch und technisch mögliche Ressourcen. Fördergebiete sind vor allem die
norddeutsche Tiefebene zwischen Elbe und Ems, sowie in den neuen Bundesländern die Altmarkregion um Salzwedel.
Zu Abb. 7.22
Im Jahr 1965 konnte die Erdgasversorgung in Deutschland allein durch heimische Förderung
gedeckt werden. In den folgenden Jahrzehnten ist der Anteil der heimischen Förderung an der
Versorgung jedoch stark zurückgegangen; 2006 lag dieser bei lediglich 15%. Während der Importanteil aus niederländischen Erdgasvorkommen seit 1980 rückläufig ist, steigen Norwegen
und Russland zu den Hauptlieferanten auf.
Erdgasimporte
Die Investitionen zur Förderung und zum Transport von Erdgas sind extrem hoch. Deshalb ist
der Exporteur auf langfristig angelegte Bezugsverträge angewiesen. Für die Importländer wird
dadurch die Erdgasversorgung langfristig abgesichert.
7 Erdgas
7-48
4000
bis 1990 alte Bundesländer, ab 1991 Deutschland
3500
Sonstige
Erdgasverbrauch in PJ
3000
Kraftwerke
Industrie
2500
Haushalte u. GHD
2000
1500
1000
500
0
1970
Abb. 7.23:
1980
1990
1995
2002
2006
Entwicklung des Erdgas- und Erdölgasverbrauchs nach Sektoren in Deutschland
Zu Abb. 7.23
• Im Jahre 2006 verteilte sich der Verbrauch von Erdgas in Deutschland von rund 3 656 PJ wie
folgt auf die einzelnen Sektoren (vgl. auch Abb. 7.16):
− 25 % Industrie
− 46 % Haushalte und GHD
− 14 % Kraftwerke
− 15 % Sonstige, dazu gehören u.a. der Verbrauch in Fernheizwerken, der Eigenverbrauch,
der nichtenergetische Verbrauch von Erdgas in der chemischen Industrie und der Verkehr.
• Entwicklungstendenzen
− Kontinuierliche Ausweitung des Erdgaseinsatzes in den Haushalten.
− In den achtziger Jahren ist der Erdgasverbrauch in Kraftwerken als Folge des vermehrten
Einsatzes von Kohle (Kohleverstromungsvertrag) zunächst rückläufig, in den neunziger
Jahren wieder gestiegen, langfristig ist mit einem weiter wachsenden Erdgaseinsatz in
Kraftwerken zu rechnen.
− Derzeit (Stand 11/2007) sind in Deutschland etwa 62.000 Erdgasfahrzeuge zugelassen
(weltweit: 7,2 Mio.). Künftig ist mit verstärktem Einsatz von Erdgas auch im Straßenverkehr zu rechnen, u.a. aufgrund staatlicher Förderung (Steuerermäßigung: gegenüber Diesel
7 Erdgas
7-49
ca. 30 %/km, gegenüber Benzin über 50 %/km, zusätzlich geringere Kfz-Steuersätze) im
Rahmen der ersten Stufe der ökologischen Steuer- und Abgabenreform. Hierzu ist die Einrichtung eines flächendeckenden Tankstellennetzes notwendig. Bundesweit gibt es derzeit
rund 760 öffentliche Gastankstellen, wobei das Netz in den nächsten Jahren auf ca. 1000
Zapfsäulen ausgeweitet werden soll. Der besondere Vorteil von Erdgasfahrzeugen liegt in
ihren in einzelnen Fahrzeugkategorien vergleichsweise geringen Schadstoffemissionen
(NOx, SO2, CxHy, Ruß) mit niedrigerem Ozonbildungspotential (Sommersmog in Innenstädten).
7 Erdgas
7-50
7.3
Literatur
/Breton 1987/
Breton, O.; Eberhard, R.: Handbuch der Gasverwendungstechnik. Oldenbourg. München,
Wien 1987
/Cerbe 1992/
Cerbe, G.: Grundlagen der Gastechnik. Hanser. München, Wien 1992
/Eberhard 1990/
Eberhard, R.; Hüning, R.: Handbuch der Gasversorgungstechnik. Oldenbourg. München
1990
/Jensen, 2004/
Jensen, J.: The Future of Gas Transportation in the Middle East. Jensen Associates,
USA. Abu Dhabi, September 2004
/Linde AG 2003/
Linde Technology: Berichte aus Technik und Wissenschaft. Ausgabe 1/2003. Linde
AG. Wiesbaden 2003
http://www.linde.de
/Ruhrgas 2003/
Ruhrgas AG: Erdgaswirtschaft – Ein Branche im Überblick. Ruhrgas AG. Essen 2003
/Ruhrgas 2007/
Ruhrgas AG: Erdgaswirtschaft im Überblick - Markt, Leistungen, Perspektiven. E.ON
Ruhrgas AG. Essen 2007
/Schiffer 2008/
Schiffer, H.-W.: Energiemarkt Deutschland, 10. Aufl. TÜV Media GmbH. Köln 2008
Animationen und Visualisierungen zu Kapitel 7
http://www.ier.uni-stuttgart.de/lehre/viewbib.html

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