Wacholder. Ein Bericht von Martin E.Sturm

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Wacholder. Ein Bericht von Martin E.Sturm
Schule
Gepflegt pflegen!
von Martin Sturm
Pflegearbeiten an schuppigen Wacholdern
(Juniperus chinensis)
Material:
Chin. Wacholder
(Juniperus chinensis ‘Itoigawa’)
Chin. Wacholder
(Juniperus chinensis ‘Shinpaku’)
Ziel:
Verbesserung von Roh- und vorgestaltetem Material. Vitalisierung
der Pflanze durch verschiedene
Zupftechniken, Säuberungstechniken und Gestaltungsarbeiten.
Erreichen einer gleichmäßig verteilten, strukturierten Laubmasse.
Verhinderung von Schädlingsbefall
Detail des Laubes eines Chin. Wacholders (Juniperus chinensis)
Vier wichtige Pflegemaßnahmen
an Chin. Wacholdern
Chinesische Wacholder
gelten in Anfängerkreisen mitunter
als schwierige Bäume. Beherzigt man
allerdings einige Pflegemaßnahmen, so
sind schuppige Wacholder sehr genügsame Pflanzen, mit denen schnell recht
gute Erfolge zu erzielen sind. Gutes
Ausgangsmaterial kann im Fachhandel bereits zwischen 100 und 200 Euro
gefunden werden, wie diese vom Bonsai Park Remscheid zur Verfügung
gestellten Wacholder zeigen. Auch findet sich immer wieder gutes Material
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in Waschbetonkübeln an Bürgersteigen und Parkplätzen. Um Erlaubnis zu
fragen, ob man sie durch Baumschulware ersetzen kann, oder einfach so
bekommt, ist in diesem Fall selbstverständlich und oft erfolgreich.
Wann ist die beste Zeit für
Pflegearbeiten?
Zunächst sei gesagt, dass die gezeigten Pflegearbeiten bei Chinesischen
Wacholdern jedes Jahr erneut durchgeführt werden sollten, unabhängig davon,
ob es sich um einen gestalteten oder
ungestalteten Baum handelt. Auf jeden
Fall müssen diese Arbeiten nach einer
Gestaltung fortgeführt werden, um den
Baum weiter zu verbessern und dadurch
eine feingliedrige Erscheinung zu erreichen. Pflegemaßnahen sind an Chin.
Wacholdern in der gesamten Wachstumsperiode, also vom Frühjahr bis in
den Herbst möglich. Die beste Zeit ist
aber in den heißen Monaten, von Juni bis
August, da die Bäume dann am kräftigsten und die Wirkungen am größten sind.
Schule
Chin. Wacholder (Juniperus chinensis
‘Shinpaku’), Höhe 25 cm. Diese Variante
zeichnet sich durch dicht geschupptes,
blaugrünes Laub aus
Das Bild links zeigt, dass der Baum
stark verdichtetes Laub hat und unstrukturiert wirkt
Auf dem rechten Foto wurde der Baum
aus der Kunststoffschale gekippt. Hier
sieht man das Laub von oben. Die
kompakte Laubmasse wird besonders
deutlich
Auswirkungen
der Pflegearbeiten
Ü Eine feinere Strukturierung und filigranere
Anordnung der Zweige
Ü Eine Verjüngung des
Laubs von innen her
Ü Optimale Vorbereitung für die Gestaltung
Die Variante ‘Itoigawa’ ist sehr eng und filigran verzweigt. Sie besitzt die kleinsten
Schuppen unter den Chin. Wacholdern,
seine Farbe ist ein goldgelbes helles Grün
Chin. Wacholder (Juniperus chinensis
‘Itoigawa’), Höhe 27 cm. Hier ist das
Laub schon offener, sollte aber trotzdem
gezupft werden
Zupfen
Dies ist die wichtigste Pflegemaßnahme, da durch sie der Zuwachs gesteuert und so der Baum geformt wird. Die
bestehende Form des Baumes kann so
erhalten und verbessert werden.
gelockert werden, um die Verjüngung
des Laubes von innen zu fördern. Oft
wachsen einzelne starke Wachstumsspitzen und stehen über die Silhouette
hinaus. Sie bilden regelrechte Laubstränge, die es einzukürzen gilt.
Chin. Wacholder neigen zu
kompaktem Wachstum
Betrachtet man die typische Form
eines ungezupften Wacholders, so
fällt das dichte, lichtundurchlässige
Laub auf. Durch Zupfen sollte es auf-
Um die Qualität eines Chin. Wacholders zu verbessern, sind die Pflegemaßnahmen zu empfehlen, die ich
auf den nächsten Seiten vorstelle.
Von oben gesehen sieht man die verschiedenen Arten des Laubes. Außer dem wüchsigen, jungen, eng
geschuppten Laub ist im Inneren der Äste das weit
geschuppte, stehende Laub zu sehen. Auch die Farbe ist verschieden, weniger frisch und dunkler grün
Zwei Arten des Zupfens
und des Laubausdünnens
1 - Triebschnitt
2 - Selektion des Laubes
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C
A
B
1 - Hier sieht man einen der großen
Triebe, die entfernt werden müssen
2 - A zeigt den Trieb, der entfernt wird. Geschnitten wird an der
Stelle C, die kurz oberhalb des braunen Zweigendes liegt
1. Triebschnitt:
Die erste Art des Zupfens ist die
bekanntere von beiden. Es handelt
sich hierbei um die Entfernung von
Wachstumsspitzen, um eine bessere
Verzweigung des Laubes durch Entfernen
der primären Triebspitzen
Verzweigung des Laubes zu erreichen.
Die bestehenden Triebe sollen sich
dadurch verdichten und nicht in die
Länge wachsen. Durch ein vollständi-
Der unbearbeitete Baum vor dem Triebschnitt. Einige der
zu entfernenden Triebe sind gut zu erkennen
3 - Nach dem Schnitt
ges Zurücknehmen aller Spitzen wird
die Wachstumskraft des Baumes über
das gesamte Laub verteilt und dadurch
ausgeglichen.
Zweig für Zweig wird so durchgearbeitet. Die Triebe sind gut an ihren großen, hellgrünen Schuppen zu erkennen
Auch die kleinen Triebspitzen eines jeden Zweigs werden akribisch gezupft
Nun werden die kleinen Triebspitzen gezupft. Mit den Fingerspitzen
werden die Laubbüschel am Ende
der Zweige zusammen gehalten. Die
Triebspitze wird so am besten sichtbar und kann jetzt entfernt werden
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Triebspitzen mit den Fingernägeln
herauszupfen oder vorsichtig zwischen den Schuppen schneiden. Das
gleiche Polster nach dem Entfernen
der Triebspitze. Die seitlichen Triebe
werden dadurch gefördert
Nachdem große und kleine Triebspitzen geschnitten
und gezupft wurden. Das verbliebene Laub wird nun
in seinem Wachstum gestärkt. Die Silhouette ist jetzt
licht- und luftdurchlässiger, so dass sich der Baum
nun besser entwickeln wird
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2. Selektion des Laubs
Beim normalen Zuwachs eines Chin.
Wacholders entsteht durch die Verzweigung des Laubes im Außenbereich eine
Verschattung der Innenbereiche der
Äste. Daraus folgt eine Minderversor-
gung der neuen, von innen wachsenden
Triebe mit Licht. Diese Triebe sterben
ab und es kommt zu einer Verkahlung
der inneren Baumbereiche. Es fehlt
eine Möglichkeit, durch Rückschnitt
Das unterhalb der Triebspitze befindliche alte Laub
ist wertlos und sollte zur Stärkung der jungen Triebe
entfernt werden
Entfernen des
Strukturlaubes
Die Vitalität fördern
der Äste eine Verjüngung herzustellen.
Die Proportionen der Äste im Verhältnis zum Stamm verschieben sich immer
mehr und die Gesamtproportion des
Baumes gerät ins Wanken.
Hier sieht man, wie das dunkelgrüne, grauere
Laub ausgezupft wird
Dieses grauere, stehende Laub zupft
man vorsichtig in Wachstumsrichtung
aus, um so vitalen, kräftigen Knospen
wieder Licht zu geben. Das fördert eine
Links ist die wachsende, vitale Form des schuppigen Laubes erkennbar.
Hier entstehen neue Triebe, die es zu fördern gilt.
Rechts ist das bestehende Strukturlaub zu sehen. An dem dunkelgrünen
bis graubraunen Laub entsteht kein Zuwachs mehr. Dieses Laub stellt
allenfalls Füllmaterial dar und kann zur Förderung der wachsenden Triebe
entfernt werden
Die jungen hellgrünen
Knospen werden nun
gefördert
Verjüngung von innen her. Auch entfernt
man das Laub auf der Unterseite der kleinen Zweige, sodass der junge, hellgrüne
Trieb leicht dem Licht entgegenwächst.
Die kleine Etage nach dem Entfernen
des stehenden, dunkelgrünen Laubes.
So wird auch eine leichte Aufwärtsbewegung des hellgrünen, wachsenden Laubs
erreicht, das sich so dem Licht entgegenbewegt
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3. Entfernen des Stresslaubes
Es gibt neben den im vorherigen
Abschnitt beschriebenen noch eine
dritte Laubform bei Chin. Wacholdern. Hierbei handelt es sich um das
so genannte Stress- oder Juvenillaub
(Jugendlaub), das sich bildet, wenn
der Wacholder einen Mangel zu verkraften hat. Bei dieser Notreaktion
öffnet der Wacholder seine Schup-
pen, um seine Oberfläche zu vergrößern. Der Baum kann so seinen Stoffwechsel erhöhen und den bestehenden
Mangel kompensieren. Als erstes sollte die Ursache überprüft und behoben
werden. Stress kann z. B. für einen
Wacholder zu starker Rückschnitt,
zu wenig Licht oder Wasser, falsche
Düngung und eine schlechte Draina-
Links sieht man die angestrebte vollständig geschlossene schuppige Form. In der
Mitte eine Mischform, die man solange wachsen lässt, bis sich im unteren Teil des
Zweiges wieder die geschlossene Form bildet. Rechts sieht man den Zustand, bei
dem man den Zweig entfernt, wenn das geschlossene Laub zur Versorgung des Astes ausreicht. Ist nicht genügend geschlossenes Laub vorhanden, wird sich wieder
Stresslaub bilden
ge bedeuten. Anschließend versucht
man, dieses Laub zu reduzieren, um
zur geschlossenen Form zurückzukehren. Stresslaub ist für die Gestaltung
eines Wacholders völlig wertlos, da
es nie wieder zur schuppigen Form
zurückkehrt. Ist der Baum wieder
vital, sollte dieses Laub komplett entfernt werden.
Deutlich zu erkennen sind hier die aus
den Schuppen entstandenen Nadeln
des Stresslaubes. Zweige, die solches
Laub zeigen, werden entfernt, wenn der
entsprechende Ast genügend geschlossenes Laub aufweist
4. Säuberung des Stamms
Vermeidung von
Schädlingsherden
durch das Entfernen
der faserigen Rinde
Alle Arten von Wacholdern bilden
eine wenig ausdrucksstarke, faserige
Rinde, deren Hohlräume leicht zum
Ansammlungspunkt von Schädlingen
werden. Deshalb gehört die vorsichtige Entfernung dieser Schichten zum
Hier sieht man die faserige, lose Rinde des Stammes vor
der Reinigung
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integralen Bestandteil der jährlichen
Pflege. Außerdem erreicht man so
einen attraktiven Kontrast zwischen
der grünen Farbe des Laubes und der
rötlichen Stammfarbe.
Das vorsichtige Abziehen der abstehenden Rindenfasern. Zusätzlich werden die am Stamm befindlichen Reste mit einer
Messingbürste vorsichtig entfernt
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Das Ergebnis
Diese Pflegetechniken kann man
auch durchführen, wenn es sich noch
um einen ungestalteten Wacholder
handelt. Egal ob gestaltet oder ungestaltet, dienen diese Pflegemaßnahmen
in jedem Fall der Verbesserung der
Pflanze. Prebonsai können so auf eine
spätere Gestaltung vorbereitet werden. Vitalität und Neuaustrieb werden
bereits gefördert, bevor es zu einem
späteren Zeitpunkt zu gestalterischen
Eingriffen kommt. Äste und Laub sind
dann überschaubarer, das Gestaltungsergebnis ist reifer und filigraner.
Hier sieht man das Pflegeergebnis.
Auffällig ist die Masse des entfernten
Laubes
Bei bereits gestalteten Bäumen
wird die Qualität des Laubes erhöht
und somit der Gesamteindruck verbessert.
Ansicht von unten nach der Pflege. Licht und
Luft erreichen den inneren Teil des Baumes
nun wieder besser. Es kann zu einem besseren Austrieb von innen kommen
Entwicklung eines Wacholder über 3 Jahre
Anhand dieses Wacholders wird
deutlich, wie sich die Pflegearbeiten
auswirken. Nachdem der Baum in zwei
Wachstumsperioden durch Zupfen und
Düngung kräftiger geworden ist, wurde er schließlich in diesem Jahr gestaltet. Nach der Gestaltung, bei der der
Wacholder zwei Äste verliert, treibt
er leicht aus. Besonders auffällig ist,
wie sehr sich anschließend ein leichtes
Nachzupfen für den Baum auswirkt.
Das gesamte Erscheinungsbild ist nun
viel klarer, die Etagen lassen sich besser erkennen und der spätere Neuaustrieb wird gezielt gesteuert.
In BONSAI ART 78, Seite 58 ff., konnten
Sie über eine Gestaltung eines ‘Itoigawa’Wacholders von Martin Sturm lesen. Unter
www.bonsai-art.com können Sie nun die
verblüffende Entwicklung des Baumes mit
Hilfe der genannten Techniken nach nur 5
Monaten sehen.
Chin. Wacholder
(Juniperus chinensis), Höhe 22 cm,
als Ausgangsmaterial. Beginn der
Pflegearbeiten im
Mai 2003
Sommer 2005. Der
Baum wirkt durch die
Pflegemaßnahmen
und das Umtopfen
gesünder
August 2006.
Der Wacholder
nach seiner Gestaltung. Durch
den Neuaustrieb
ist das Laub noch
unstrukturiert
September 2006.
Das Ergebnis nach
den Pflegearbeiten.
Der Wacholder ist
durch das Nachzupfen
nun deutlich differenzierter. Im Herbst wird
er in eine passende
Schale gesetzt
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