Vollversion - Société Suisse de Pédiatrie
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Bulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie PAEDIATRICA Vol. 24 Nr. 4 IX/ 2013 Vol. 24 Nr. 4 IX/2013 12Harnwegsinfektionen 17 Pertussis 20Melatonin 24Fettstoffwechselstörungen 33+36Babyfenster Babies – Schutz durch PertussisBoosterimpfungen des Umfelds 1,2,3 Boostrix® – 1 Impfdosis = 3-facher Schutz Boostrix® (dTpa): I: Boosterimpfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis von Personen ab dem 4. Geburtstag. Bei früherer Tetanus Grundimmunisierung auch zur Tetanus-Prophylaxe bei Verletzungen mit Tetanusrisiko anwendbar. Nicht zur Grundimmunisierung verwenden! D: Eine Impfdosis zu 0,5 ml. Anw.: Die Injektion erfolgt tief intramuskulär. Nicht intravasal anwenden. Nicht mit anderen Impfstoffen mischen. KI: Bekannte Überempfindlichkeit gegen einen der Bestandteile; akute, schwerwiegende fieberhafte Erkrankung; Enzephalopathie unbekannter Ätiologie innert 7 Tagen nach einer vorgängigen Impfung mit einem Pertussis-enthaltenden Impfstoff; vorübergehende Thrombozytopenie oder neurologische Komplikationen nach einer vorgängigen Impfung gegen Diphtherie und/oder Tetanus. VM: Wenn nach einer vorherigen Impfung mit einem Pertussis-enthaltenden Impfstoff folgende Ereignisse aufgetreten sind, sollte die Entscheidung zur Gabe des Impfstoffes sorgfältig abgewogen werden: Temperatur ≥ 40.0°C innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung ohne sonst erkennbare Ursache, Kollaps oder schockähnlicher Zustand (hypotonisch-hyporesponsive Episode) innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung, oder anhaltendes, untröstliches Schreien über mehr als 3 Stunden innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung, oder Krampfanfälle mit oder ohne Fieber innerhalb der ersten 3 Tage nach der Impfung. Bei Thrombozytopenie oder Blutgerinnungsstörung, Risiko von Blutung nach i.m.-Injektionen. IA: Wenn als nötig erachtet, kann Boostrix gleichzeitig mit anderen Impfstoffen oder Immunglobulinen – jeweils an einer anderen Injektionsstelle - angewendet werden. UW: Am häufigsten beobachtet: Lokalreaktionen (Schmerz, Rötung, Schwellung), Fieber, Müdigkeit, Anorexie, gastrointestinale Störungen, Diarrhöe, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Schwindel, Reizbarkeit. Lagerung: Fertigspritze bei +2°C bis +8°C lagern. Nicht einfrieren. Packungen: Fertigspritze mit separat beigelegter Nadel. x1 (Liste B) Ausführliche Angaben finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch Unerwünschte Arzneimittelwirkungen melden Sie bitte unter [email protected] GlaxoSmithKline AG Talstrasse 3–5 CH-3053 Münchenbuchsee Telefon +41 (0)31 862 21 11 Telefax +41 (0)31 862 22 00 www.glaxosmithkline.ch 1006582 Referenz: 1. Schweizerischer Impfplan 2013. 2. Bundesamt für Gesundheit (BAG). Anpassung der Impfempfehlung gegen Pertussis: für Jugendliche, Säuglinge in Betreuungseinrichtungen und schwangere Frauen. Bull BAG 2013; 9: 118-123. 3. Arzneimittelinformation Boostrix® (www.swissmedicinfo.ch). Inhaltsverzeichnis Vol. 24 Nr. 4 2013 Redaktion Editorial Prof. R. Tabin, Sierre (Schriftleiter) Dr. M. Diezi, Lausanne PD Dr. T. Kühne, Basel Dr. U. Lips, Zürich Dr. M. Losa, St. Gallen Prof. M. Mazouni, Lausanne Dr. M.-A. Panchard, Vevey Dr. P. Scalfaro, Cully Dr. R. Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds Prof. A. Superti-Furga, Lausanne Dr. R. von Vigier, Bern 3· Und es lebe die Pädiatrie! … Und es lebe der Kinderarzt! Redaktionsadresse Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich c/o Prof. R. Tabin Av. du Général Guisan 30 Postfach 942 CH-3960 Sierre Tel. 027 455 05 05 Fax 027 455 59 55 [email protected] 11· Jahresbericht der Co-Präsidenten Geschäftsjahr 2012–2013 N. Pellaud Standespolitik 4· Protokoll der SGP-Generalversammlung vom 20. Juni 2013, Genf C. Baeriswyl 8· Einführung des E-Logbuchs sowie der Arbeitsplatz-basierten Assessments (AbA’s) Ch. Rudin 10· Tarmed-News C. Baeriswyl R. Schmid Empfehlungen 12· Diagnose und Behandlung von Harnwegsinfektionen beim Kind Ch. Rudin, G. Laube, E. Girardin, Ch. Berger, A. Niederer, K. Posfay-Barbe, P, Agyeman, R. Gobet Copyright 17· Empfehlungen zur Behandlung von Pertussis und Strategien zur Verhinderung von Ausbrüchen © Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie K. Posfay-Barbe, U. Heininger Verlag – Herausgeber Fortbildung Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) www.swiss-paediatrics.org Sekretariat / Adressänderungen Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie Postfach 1380 1701 Fribourg Tel. 026 350 33 44 Fax 026 350 33 03 [email protected] 20· Melatonin bei kindlichen Schlafstörungen P. Hunkeler 24· Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter J. Häberle, A. Lämmle, M. R. Baumgartner 28· Was können wir einem adipösen Kind und seiner Familie anbieten? Erfahrungen eines spezialisierten Zentrums. S. Borloz, Ch. Moser, B. Crottet, S. Van Beirs, S. Krayenbuhl, A. Balz, E. Elowe-Gruau, M. Decarli-Diserens, D. Laufer, J. Puder, M. Hauschild Layout und Druck Hinweise s+z:gutzumdruck. Nellenstadel 1 3902 Brig-Glis Tel. 027 924 30 03 Fax 027 924 30 06 [email protected] 33· Das Einsiedler Babyfenster Inserate Editions Médecine et Hygiène Michaela Kirschner Chemin de la mousse 46 1225 Chêne-Bourg Tel. 022 702 93 41 [email protected] Paediatrica Erscheint 5 x jährlich für die Mitglieder der SGP. Nicht-Mitglieder können beim Sekretariat die Paediatrica gegen den Betrag von Fr. 120.– jährlich abonnieren. Auflage 1950 Ex. / ISSN 1421-2277 Bestätigt durch WEMF Nächste Ausgabe Redaktionsschluss: 20.9.2013 Erscheinungsdatum: Nr. 5: 15.11.2013 Titelbild «Cirque Enrique» 140 x 140 cm Acryl und Oilstick auf Leinwand, 2011 Andrea Dora Wolfskämpf S. Rupp 36· Ungewollte Kinder Eine ethische Abwägung von Babyfenstern R. Baumann-Hölzle, A. Abraham 39· 40· 41· SPSU – Jahresbericht 2012 Masern ab Ende Oktober dank nationaler Kampagne im Fokus Wasserzubereitung und Mineralwasser aus der Flasche (ohne Kohlensäure) zur Herstellung von Säuglingsshoppen J. Spalinger 42· Preisverleihungen anlässlich der Jahresversammlung 2013 der SGP 43· La Chaux-de-Fonds – eine Stadt begegnet Kinderärzten N. Schallenberger, S. Latrèche, R. Schlaepfer, E. Tissot 44· Educational Grant – Pilotprojekt der Schweizerischen Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung, ab Herbst 2013 für drei Jahr A. Nydegger 45· KHM Forschungspreis Hausarztmedizin 2014 45· Fanconi-Preis 2014 Zeitschriftenreview 46· Zeitschriftenreview M. Mazouni / R. Schlaepfer 50· FMH-Quiz Kaktus 52· Besserer Schutz vor Epidemien dank neuem Gesetz Für den Inhalt der Texte übernimmt die Redaktion keine Verantwortung. 1 Für Höchstleistungen ohne Muskelkrämpfe Gekürzte Fachinformation Magnesiocard® (Magnesiumpräparat). Indikationen: Magnesiummangel, Herzrhythmusstörungen, erhöhter Bedarf im Hochleistungssport und während Schwangerschaft, bei Eklampsie und Präeklampsie, tetanischem Syndrom und Wadenkrämpfen. Dosierung: 10-20 mmol täglich, entsprechend der Darreichungsform (Granulat, Brausetabletten, Tabletten) aufgeteilt in 1-3 orale Einzeldosen. Anwendungseinschränkungen: Eingeschränkte Nierenfunktion. Die gleichzeitige Verabreichung mit Tetrazyklinen ist zu vermeiden. Unerwünschte Wirkungen: Als Folge hochdosierter oraler Magnesiumtherapie können weiche Stühle auftreten. Packungen: Tabletten (2.5 mmol) 50, 100; Granulat (5 mmol) Citron und Granulat (5 mmol) Orange 20*, 50, 500; Brausetabletten (7.5 mmol) 20*, 60; Granulat (10 mmol) Grapefruit und Granulat (10 mmol) Orange 20*, 50*, Ampullen i.v. (10 ml) 10; Verkaufskategorie B. Ausführliche Angaben siehe www.swissmedicinfo.ch oder www.compendium.ch. © 2013 Biomed AG. All rights reserved. *kassenpflichtig ergoasw.ch 1006760 Einfach 1x täglich 10 mmol Editorial Vol. 24 Nr. 4 2013 Und es lebe die Pädiatrie! … Und es lebe der Kinderarzt!* Seien wir optimistisch, wir sind zwar eine kleine Gesellschaft, aber wie für David gegenüber Goliath, geht es darum, richtig zu zielen. Dazu zählen wir auch auf eure Unterstützung. Nicole Pellaud, SGP-Präsidentin, Genf und Sitten Es lebe die Pädiatrie, es lebe der Pädiater! Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds Liebe SGP-Mitglieder Vorstand und zahlreiche Mitglieder – einige hatten wir das Vergnügen in Genf anzutreffen – wirken aktiv zum Besten dieser schönen Aufgabe, der wir uns alle widmen. Christian Kind sei anlässlich dieser Amtsübernahme herzlich gedankt für seinen Einsatz während den vier Jahren Präsidentschaft. Mit Weitsicht und Ausgeglichenheit gewährleistete er den Zusammenhalt und die Stellung der schweizerischen Pädiatrie gegenüber politischen Wirbeln, wirtschaftlichen Herausforderungen, Meinungsverschiedenheiten und verschiedensten, von allen Seiten kommenden Zwängen und Verpflichtungen. Wir freuen uns, im Vorstand weiterhin auf sein Wissen und seine Sachkenntnis zählen zu können. Indem ich das Amt übernehme, wünsche ich wie Christian, für Kommunikation, Verständigung und Verhandlungsbereitschaft, aber auch eindeutige Stellungnahmen und Lobbying einzutreten und dies, last but not least, mit Beharrlichkeit. Gemeinsam mit Vorstand und Sekretariat wollen wir uns entschieden für den Erhalt, für Qualität und Finanzierung von Ausbildung sowie der ambulanten und Spitalbetreuung aller Kinder und Jugendlichen in der Schweiz einsetzen. In diesem Sinne stehen die zahlreichen anstehenden Aufgaben im Zeichen der Partnerschaft: •Das BAG kann für die Kampagne zur Eliminierung der Masern in der Schweiz und für das nationale Impfprogramm auf unseren aktiven Einsatz zählen. Hingegen müssen wir uns weiterhin für die Kostenübernahme der Behandlung adipöser Kinder einsetzen, da die Vorschläge der Arbeitsgruppe Adipositas beim Eidgenössischen Departement des Innern ungehört blieben. •Mit Public Health Schweiz für die, von der SGP unterstützte, Revision des Epidemiengesetzes (Sie haben eine elektronische Mitteilung dazu erhalten) •Von der Eidgenössischen Impfkommission geplante Aktionen betreffend Pneumokokken- und Keuchhustenimpfung •Mit der Stiftung zur Förderung des Stillens um dieses vordringliche gesundheitspolitische Anliegen weiter zu fördern •Teilnahme an der im Rahmen der PublicHealth-Jahreskonferenz in Zürich stattfindenden FMH-Roundtable vom 15. August zum Thema «Prävention für Kinder und Jugendliche beim Pädiater oder/und in der Hausarztpraxis?» •Mit Allgemeinpraktikern und Pflegefachleuten für eine kohärente und wirksame Arbeitsaufteilung, die das Fachwissen aller Beteiligten berücksichtigt: Unsere Zusammenarbeit mit dem KHM bei der Ausbildung der Allgemeinpraktiker wird fortgeführt. Wir haben Stellung genommen zum Vorhaben einer Ausbildung spezialisierter Pflegefachfrauen und Kinderpflegerinnen in Nephrologie, Onkologie und Diabetologie und wünschen eine klare Unterscheidung der durch Pflegefachfrauen erbrachten Leistungen von denen des Kinderarztes sowie das Einbringen einer pädiatrischen Bezugnahme. Eine vorangehende Ausbildung in Kinderpflege ist wichtig. •Mit dem KHM wird auch die nationale Grippeimpfkampagne vorbereitet. •Mit Kinderärzte Schweiz setzen wir uns gemeinsam mit MFE für wichtige Belange der Haus- und Kinderärzte ein. •Einführung des E-Logbooks mit dem SIWF •Vorbereitung des Kongresses im Juni 2014 in Basel gemeinsam mit der fPmh •Mit der VSAO vertreten wir SGP und Pädiatrie an der Tagung Medifuture vom 16. November in Bern. Das Ziel ist die Förderung aktueller und zukünftiger gesundheitspolitischer Projekte zugunsten der Kinder und Jugendlichen sowie der Pädiatrie. 3 * In diesem Text wird der Einfachheit halber nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen. Standespolitik Vol. 24 Nr. 4 2013 Protokoll der SGP-Generalversammlung vom 20. Juni 2013, Genf Claudia Baeriswyl, Sekretariat SGP, Freiburg Bevor die Generalversammlung eröffnet wird, erfolgt um 16.45 Uhr die offizielle Preisvergabe 2013. Der diesjährige Fanconipreis geht an Marianne Caflisch aus Genf in Anerkennung ihrer Pionierarbeit im Bereich der Adoleszentenmedizin. Jean-Christoph Caubet aus Genf kann den PIA-CH-Preis in Empfang nehmen. Der Talentprize wird Caroline Guyer, Zürich, für ihre Arbeit «Cycled light exposure reduces fussing and crying in very preterm infants» verliehen. Sie stellt ihr Werk in einem Kurzreferat vor. 1. Eröffnung und Wahl der Stimmenzähler Der Präsident Christian Kind eröffnet die Generalversammlung um 17.15 Uhr. Im Verlauf der Versammlung tragen sich 61 stimmberechtigte Mitglieder in die Präsenzliste ein. Die weiteren sechs Anwesenden nehmen als Gäste ohne Stimmrecht an der Versammlung teil (Assistentenmitglieder). Neun Mitglieder haben sich entschuldigt. Felix Sennhauser und Thomas Neuhaus werden als Stimmenzähler gewählt. 2. Protokoll der GV vom 31.5.2012 Das Protokoll der letztjährigen Generalversammlung welches in der Paediatrica Vol. 23 Nr. 4 publiziert wurde, wird einstimmig angenommen und verdankt. 3. Jahresbericht des Präsidenten Der scheidende Präsident Christian Kind fasst seinen letzten Jahresbericht in einigen Stichworten zusammen. Der Bericht wurde im vollen Umfang in der Paediatrica Vol. 24 Nr. 3 veröffentlicht. Weiter- und Fortbildung Nach langer Vorarbeit und trotz vielen Bedenken und Widerständen konnte das Projekt «Schwerpunkt Kindernotfallmedizin» im ver- gangenen Herbst mit der Genehmigung durch den Vorstand des SIWF zum Abschluss gebracht werden. Das Programm wird in Kraft treten, sobald die Bedingungen für die Umsetzung (Ernennung der Verantwortlichen, Bezeichnung der Weiterbildungsstätten) erfüllt sind. Das revidierte Fortbildungsprogramm ist per 1.1.2013 in Kraft getreten. Als wichtigstes Grundprinzip gilt nach wie vor die Eigenverantwortung in der Erfüllung der Fortbildungspflicht. Daneben sind einige Erleichterungen, wie z. B. Wegfall der zusätzlichen Fortbildung innerhalb eines Schwerpunkts eingeführt worden. Wie bisher hat der Fortbildungspflichtige die Möglichkeit, ein Fortbildungsdiplom auf dem schriftlichen Weg zu beantragen. Neu steht ihm auch die elektronische Fortbildungsplattform des SIWF zur Verfügung. Nachdem die Weiterbildungskommission unter der Leitung von Christoph Rudin in mühevoller Detailarbeit das Logbuch sowohl den allgemeinen offiziellen Vorgaben des SIWF als auch denjenigen für das E-Logbuch angepasst und das SIWF dem Datenschutz auf unsere Aufforderung hin besser Rechnung getragen hat, ist der Startschuss für die elektronische Version am 1. Juni 2013 gefallen (weitere Informationen unter Traktandum 12). In diesem Zusammenhang ist auch die kürzlich vom Vorstand verabschiedete Mini-Revision des Weiterbildungsprogramms zu sehen. Als Neuheit wurde im März 2013 zum ersten Mal ein Repetitorium der SGP für angehende Fachärztinnen und Fachärzte Kinder- und Jugendmedizin in Aarau organisiert und mit sehr gutem Erfolg durchgeführt. Weiter war die SGP im Oktober mit einem Stand an der ersten Karrieremesse für Medizinstudierende in Zürich vertreten. Aussenbeziehungen und interne Organisation Wichtige Ziele der SGP sind nach wie vor die Pflege von guten und vielfältigen Aussenbeziehungen sowie die laufende Optimierung der internen Organisation, die es erlaubt, mit den 4 zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Ressourcen die Geschäfte erfolgreich zu führen. Als Stichwort zu den Aus senbeziehungen seien die Kontakte zu Kinder ärzte Schweiz (ehemals Forum für Praxispädiatrie), dem Bundesamt für Gesundheit und anderen Fachgesellschaften wie z. B. der SGIM genannt sowie zu Organisationen in denen die SGP Mitglied ist wie die fPmh, das Kollegium für Hausarztmedizin oder der Berufsverband der Haus- und Kinderärzte Schweiz. Die SGP wird auf der Basis der freundschaftlichen Zusammenarbeit immer mehr zum anerkannten und respektierten Partner. Sicherung der Praxis, Nachwuchs für die Praxis Mittels Definition und Operationalisierung von Qualitätsmerkmalen, die die medizinische Betreuung von Kindern und Jugendlichen in der pädiatrischen Praxis einzigartig machen, und den entsprechenden finanziellen Massnahmen, soll die Praxis gesichert werden. Zusätzlich unterstützen wir die Entwicklung neuer Praxismodelle gezielt weiter, im Hinblick auf die Steigerung der Attraktivität der Praxis für junge Berufsleute. Am Ende seiner Amtszeit ist Christian Kind überzeugt, dass sich die SGP weder ziehen noch stossen lässt, sondern dass das innere Feuer, die Leidenschaft für die Pädiatrie das Mass aller Dinge ist. Er blickt auf eine herausfordernde und erfahrungsreiche Präsidentschaft zurück, die in ihm den inneren Funken gezündet hat und ist überzeugt, dass das Feuer auch unter der neuen Präsidentin weiter brennen wird. In dem Sinn dankt er allen für das ihm entgegen gebrachte Vertrauen und die ausgezeichnete Zusammenarbeit. Der Jahresbericht wird mit Applaus genehmigt und verdankt. 4. Übrige Berichte Die übrigen Jahresberichte wurden in der Paediatrica Vol. 23 Nr. 2 veröffentlicht. Die Berichte werden diskussionslos angenommen. 5. Mitgliederwesen Im vergangenen Jahr konnten erfreulicherweise 67 neue Mitglieder (alle Kategorien) verzeichnet werden, wodurch die Gesamtzahl auf 2198 gestiegen ist. Dank einer konsequenten Standespolitik Vol. 24 Nr. 4 2013 Mitgliederbewirtschaftung wurden auch zahlreiche, zum Teil überfällige Mutationen vom Assistentenmitglied zum ordentlichen Mitglied vorgenommen, was sich in der Jahresrechnung niederschlägt. Zwölf Mitglieder sind seit der letzten Generalversammlung verstorben. 6. Jahresrechnung 2012, Revisionsbericht Die Kassiererin Caroline Hefti-Rütsche präsentiert die Jahresrechnung 2012, welche bei Ausgaben von CHF 744’299.43 und Einnahmen von CHF 870’069.84 mit einem Gewinn von CHF 125’770.41 abschliesst. Budgetiert war ein Verlust von CHF 7’400.–. Ausschlaggebend war hauptsächlich das ausgezeichnete Ergebnis des Kongresses in Luzern (CHF 98’369.–). Die bereits erwähnte Bewirtschaftung der Mitgliederbeiträge sowie eine erhöhte Ausgabendisziplin haben ihren Teil beigetragen. Die Bilanz der SGP weist nach Verbuchung des Gewinns per Ende 2012 Aktiven von CHF 871‘307.64, ein Fremdkapital von CHF 197’861.55 und ein Eigenkapital von CHF 673’446.09 aus. Die Progressia Société Fiduciaire et de Gestion SA, Freiburg hat die Rechnung revidiert und bestätigt, dass die Buchhaltung der SGP gesetzeskonform geführt wird. Sie empfiehlt der Generalversammlung, die Rechnung 2012 anzunehmen. Die Jahresrechnung 2012 wird einstimmig genehmigt. 7. Entlastung des Vorstandes Dem Vorstand wird einstimmig die Entlastung erteilt. 8. Budget 2014 Caroline Hefti präsentiert das Budget 2014, das einen voraussichtlichen Gewinn von CHF 1000.00 ausweist. Der Jahreskongress 2014 wird ein fPmh-Kongress sein und ist mit einem Gewinn von CHF 20’000.00 veranschlagt. Für Paediatrica ist ein Defizit von CHF 39’000.vorgesehen. Das Budget 2014 wird einstimmig genehmigt. 9. Mitgliederbeiträge 2014 Der Vorstand schlägt vor, die Mitgliederbeiträge unverändert beizubehalten: Ordentliche Mitglieder ohne Mitgliedschaft Berufsverband MFE CHF 500.– Ordentliche Mitglieder mit Mitgliedschaft Berufsverband MFE CHF 450.– Ausserordentliche SGP-Mitglieder CHF 250.– Assistenten-Mitglieder CHF 150.– Die Mitgliederbeiträge 2014 werden einstimmig genehmigt. 10. Wahlen Präsidentin und Vizepräsident Wie eingangs erwähnt, ist für Christian Kind nach zwei Amtsperioden das Mandat als Präsident statutengemäss abgelaufen, er verbleibt aber als Past President im Vorstand. Die bisherige Vizepräsidentin Nicole Pellaud hat sich bereit erklärt, die Präsidentschaft zu übernehmen. Als neuer Vizepräsident stellt sich Christoph Aebi zur Verfügung, allerdings ohne Präjudiz, dass er zu einem späteren Zeitpunkt das Präsidium übernehmen wird. es dann auch verstanden, die Geschicke der Gesellschaft in die richtige Bahn zu leiten. Michael Hofer wird einstimmig zum Ehrenmitglied ernannt. Er bedankt sich für diese Wahl und für die gute Zusammenarbeit während den vergangenen Jahren. Ein besonderer Dank gebührt den beiden Präsidenten Pierre Klauser und Ueli Bühlmann, die ihn in seiner Arbeit unterstützt haben, sowie seinem Nachfolger Christian Kind, der den eingeschlagenen Weg weiter verfolgt hat. Wahl Revisionsstelle Die Progressia, Société Fiduciare et de Gestion SA in Freiburg wird für ein weiteres Jahr als Revisionsstelle vorgeschlagen. Die Wahl der Progressia SA erfolgt einstimmig. Nicole Pellaud wird einstimmig als Präsidentin und Christoph Aebi – ebenfalls einstimmig – als Vizepräsident gewählt. Vorstandsmitglieder der SGP Die übrigen Vorstandsmitglieder stellen sich alle zur Wiederwahl. Es sind dies: •Walter Bär •Valérie Dénervaud •Sylvia Gschwend-Eigenmann •Nicole Halbeisen •Caroline Hefti-Rütsche •Oskar Jenni •Philipp Jenny •Christian Kind •Andreas Nydegger •Marc-Alain Panchard •Pascal Stucki •Jan Teller Nicole Pellaud, eine neue Präsidentin für die SGP Der gesamte Vorstand wird einstimmig für eine weitere Amtsperiode von zwei Jahren wieder gewählt. Ehrenmitglied Der Vorstand schlägt Michael Hofer aus Lausanne für die Wahl zum Ehrenmitglied vor. Er war seinerzeit Leiter der Arbeitsgruppe Strukturreform und quasi der Architekt der Wiederzusammenführung der Sektionen Klinik und Praxis. Als Präsident der vereinten SGP hat er 5 Michaël Hofer, Ehrenmitglied der SGP Standespolitik 11. Information aus dem Berufs verband der Haus- und Kinderärzt Innen Schweiz und zur Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» Stephan Rupp ist im Frühling als Vorstandsmitglied im Berufsverband MFE zurückgetreten. Philipp Jenny würdigt seine Arbeit, die von der Versammlung mit Applaus verdankt wird. Bei den Ersatzwahlen mussten drei Sitze neu besetzt werden, wobei in einer Kampfwahl mit Heidi Zinggeler-Fuhrer und Rolf Temperli erfreulicherweise zwei Pädiater mit ausgezeichnetem Resultat gewählt wurden. Das Institut für Praxisinformatik ist gegründet worden und mit ersten Projekten gestartet. Die Initiative «Ja zur Hausarztmedizin» be findet sich aktuell im Differenzbereinigungsverfahren für den direkten Gegenvorschlag zwischen Ständerat und Nationalrat. Der letztmögliche Zeitpunkt für einen Rückzug der Initiative ist nach Abschluss dieses Verfahrens, d. h. voraussichtlich im Herbst 2013. Wird die Initiative nicht zurückgezogen, gelangt sie 2014 zur Abstimmung. Philipp Jenny sieht im Masterplan die Chance, relativ schnell etwas zu erreichen und den teuren Abstimmungskampf zu vermeiden. Hingegen hat man mit dem Masterplan rechtlich nichts Bindendes in der Hand. In den Bereichen «Bildung und Forschung» sowie «Medizinalberufegesetz» konnten gute Fortschritte erzielt werden, dagegen hapert es noch bei «Finanzierung und Versorgung», wo der Handlungsbedarf am grössten ist. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bundesrat und Parlament die Notlage in der Hausarztmedizin zur Kenntnis genommen, aber deren Dringlichkeit noch nicht im vollen Mass erkannt haben. Es besteht aktuell noch keine Bereitschaft, mehr Geld in die Hand zu nehmen. 12. Information der Weiterbildungskommission (E-Logbook) Vol. 24 Nr. 4 2013 eingereicht werden. In einem ersten Schritt muss auf der Homepage des SIWF ein Login beantragt werden, wobei keine Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der FMH besteht. Das E-Logbuch bildet das aktuell gültige Weiter bildungsprogramm der SGP ab und ist in vier Abschnitte gegliedert (Anstellung, Interven tionen/Kompetenzen, SIWF/FMH-Zeugnis, Übersicht). Mit der Einführung der arbeitsplatzbasierten Assessments Mini-CEX und DOPS wird eine weitere Forderung des SIWF erfüllt. Die AbA’s sind vertrauliche Interaktionen zwischen Weiterbildner und Weiterzubildenden und werden im Logbuch lediglich als durchgeführt dokumentiert (wann, Thema, Weiterbildner). Ende Mai hat dazu eine Informationsveranstaltung in Bern stattgefunden, gezielte Schulungen in Lausanne und Bern folgen im Herbst. Alle relevanten Dokumente sind in der Zwischenzeit auf der Homepage der SGP aufgeschaltet. 13. Verschiedenes Urs Frey, Chefarzt aus Basel und Organisator des Kongresses 2014 ergreift das Wort. Er gibt eine kurze Übersicht über den fPmh-Kongress, der am 12./13. Juni 2014 im neuen Kongresszentrum in Basel zum Thema «Überschreiten von Grenzen» stattfinden wird. Die neue Präsidentin Nicole Pellaud bedankt sich an dieser Stelle für die Wahl und das ihr entgegengebrachte Vertrauen. Sie wird alles daran setzen, das SGP-Schiff im Sinn ihres Vorgängers auf Kurs zu halten und schliesst mit den Worten: «La pédiatrie se féminise, mais le feu sacré reste». Es sind keine weiteren Wortmeldungen zu verzeichnen. Christian Kind schliesst die Generalversammlung um 18.20 Uhr. Der Präsident der Weiterbildungskommission, Christoph Rudin, muss sich leider für die heutige Versammlung entschuldigen. An seiner Stelle informiert Christian Kind über die Neuerungen in Sachen Weiterbildung. Das E-Logbuch wurde per 1. Juni 2013 eingeführt und ist für alle obligatorisch, die ihre Weiterbildung erst nach dem 1. Juli 2015 abschliessen. Nach diesem Zeitpunkt können Titel gesuche nur noch über das E-Logbuch 6 Zwischen 50 und 90% der Säuglinge weisen Symptome von Verdauungsproblemen auf * Die neue Ernährungsalternative: Aptamil Sensivia Bei leichten Verdauungsproblemen2 : physiologischem Spucken Gasen Blähungen Symptomen von Koliken Rückgang der leichten Verdauungsprobleme mit Aptamil Sensivia Frequenz (%) Intensität (Durchschnitt) 0 Aptamil Sensivia -50 Standardmilchnahrung -100 -150 -200 p = 0.0565 p = 0.0442* * signifikant besser (p<0.05) 2 Studie Roy, P. et al. • n = 109 Säuglinge (0-3 Mt.) - 93 Studie beendet • Symptome : leichte Verdauungsprobleme wie Reflux, Aufstossen, Schluckauf, Gasen, Blähungen und/oder Koliken/unerklärliches Weinen • multizentrische, randomisierte, doppelblinde Studie (Standardmilchnahrung 1 im Vergleich zu Aptamil Sensivia 1) • Interventionszeitraum: 15 Tage Aptamil, heute für morgen. Wichtiger Hinweis: Stillen ist ideal für das Kind. Die WHO empfiehlt ausschliessliches Stillen während den ersten 6 Monaten. * leichte funktionelle Verdauungsprobleme, zwischen 2 und 4 Monaten1 1 Hyman PE et al, Gastroenterology 2006 ; 130 : 1519 ; 2 Roy, P., et al. (2004): Benefits of a thickened infant formula with lactase activity in the management of benign digestive disorders in newborns. Arch Pediatr. 11(12): p. 1546-54 Standespolitik Vol. 24 Nr. 4 2013 Einführung des E-Logbuchs sowie der Arbeitsplatz-basierten Assessments (AbA’s) Aktuelle Informationen aus der Weiterbildungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) Prof. Ch. Rudin, Präsident der WBK der SGP Am ersten Januar 2012 ist das neue revidierte Weiterbildungsprogramm (WBP) der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) in Kraft getreten. Im Zuge dieser Revision des WBP hat die Weiterbildungskommission (WBK) auch das Logbuch revidiert. Damals verlangte das Schweizerische Institut für Weiter- und Fortbildung (SIWF) ein Logbuch in einem interaktiven pdf-Format. Unmittelbar nach der Genehmigung dieses neuen Logbuchs durch den Vorstand der SGP und das SIWF wurde uns klar, dass dieses Format bereits zeitnah durch ein E-Logbuch-Format abgelöst werden würde, weshalb sich die WBK zusammen mit dem Vorstand der SGP entschieden hat, mit der Einführung des pdfLogbuchs zuzuwarten und direkt auf das eLogbuch umzustellen. Das SIWF hat uns bei der Umsetzung dieser Strategie sodann tatkräftig unterstützt. Nachdem in den letzten Monaten nun auch noch die letzten Bedenken des SGP-Vorstandes im Bereiche des Datenschutzes vom SIWF ausgeräumt werden konnten, stand der Einführung des neuen e-Logbuches nichts mehr im Wege. In der Zwischenzeit ist auch das WBP bereits noch einmal einer kleinen Revision unterzogen worden. Insbesondere ging es dabei darum, den neuen Schwerpunkt der NotfallPädiatrie zu integrieren, andererseits wurden einige neue Anforderungen des SIWF integriert, unter anderem auch die obligatorische Durchführung der sogenannten Arbeitsplatzbasierten Assessments (AbA’s) im Rahmen der Weiterbildung. Dabei handelt es sich um praktische Übungen im Spitalalltag, bei welchen der weiterzubildende Assistenzarzt von einem direkten Weiterbildner beobachtet wird und anschliessend von diesem ein konstruktives Feedback erhält. Am 31.5.2013 hat die WBK gemeinsam mit dem Sekretariat der SGP an der UniversitätsKinderklinik des Inselspitals in Bern das ELogbuch und die AbA’s vorgestellt und offiziell eingeführt. Dabei sind das E-Logbuch von Dr. B. Althaus und Frau N. Gonseth und die AbA’s unter anderem von Dr. J. Biaggi vom SIWF vorgestellt worden. Eingeladen waren Vertretungen sämtlicher pädiatrischer Weiterbildungsstätten sowie der AssistentInnen. Das E-Logbuch Wer seine Weiterbildung zur Erlangung des Facharzttitels in Kinder- und Jugendmedizin bis zum 30.6.2015 abschliesst, muss noch kein E-Logbuch führen. Wer allerdings den Facharzttitel erst nach dem 1.7.2015 abschlies sen wird, muss obligatorisch ein E-Logbuch führen, weil ab 1.7.2015 Titelgesuche nur noch über das E-Logbuch eingereicht werden können. Wer bereits eine oder mehrere Weiterbildungsperioden absolviert hat und dafür bereits ein FMH-Zeugnis ausgestellt bekommen hat, muss für solche Perioden im ELogbuch lediglich noch einen pro-forma-Eintrag machen. Das E-Logbuch bildet das aktuelle WBP der SGP vom 1.1.12 ab und ist in drei Abschnitte geliedert: •Anstellung • Interventionen/Kompetenzen •SIWF/FMH-Zeugnis •Übersicht Das Logbuch wird fortlaufend geführt. Die Abschnitte «Anstellung» und «Interventionen/ Kompetenzen» dienen in erster Linie der übersichtlichen Selbstkontrolle und als Grundlage für die Planung der Weiterbildung. Es handelt sich dabei um persönliche Aufzeichnungen, die nicht ein- resp. weitergereicht werden müssen. Das «SIWF/FMH-Zeugnis» wird einmal pro Jahr erstellt, ausgedruckt und vom Leiter der Weiterbildungsstätte unterzeichnet. Die «Übersicht» schliesslich stellt eine Zusammenfassung der gesamten Weiterbildung dar und ist dasjenige Dokument, welches mit dem Titelgesuch eingereicht werden muss. 8 Um ein E-Loguch zu führen, muss in einem ersten Schritt auf der Homepage des SIWF ein Login für das E-Logbuch beantragt werden (https://idp.fmh.ch/Registrierungschritt1. aspx). Eine Mitgliedschaft bei der FMH ist dafür nicht notwendig. In Zukunft wird das E-Logbuch den Kantonen als Grundlage dafür dienen, wie die einzelnen Weiterbildungsstätten für ihre Weiterbildungstätigkeit entschädigt werden. Dabei werden allerdings nicht Inhalte der individuellen E-Logbücher weitergegeben, sondern lediglich die Anzahl der an der jeweiligen In stitution ein E-Logbuch führenden MitarbeiterInnen. Die Arbeitsplatz-basierten Assessments (AbA’s) Die AbA’s gliedern sich in sogenannte MiniCEX (mini-clinical evaluation exercises) und DOPS (direct observation of procedural skills). Wie ihr Name sagt, liegt bei den MiniCEX der Fokus auf kommunikativen Aspekten (Anamnese, Patientengespräche) und der klinischen Untersuchung, bei den DOPS auf manuellen Fertigkeiten und Interventionen. Die einzelnen Übungen sollen jeweils 15–20 Minuten dauern und vier Mal jährlich stattfinden. Im Rahmen der AbA’s wird der Assistenzarzt von einem direkten Weiterbildner bei der Arbeit beobachtet, und anschliessend von diesem konstruktiv beurteilt. Dabei kann natürlich jeweils nur ein Teilaspekt der kommunikativen Fähigkeiten resp. eine Intervention überprüft werden. Um insbesondere die Evaluation am Ende der Übung zu erleichtern und auch zu standardisieren, hat die WBK auf der Grundlage von Vorlagen des Institutes für Medizinische Lehre (IML) der Universität Bern und des Royal Australasian College of Physicians einen Kriterienkatalog zur Beurteilung vorbereitet, der auf der Homepage der SGP resp. des SIWF heruntergeladen werden kann. Dieses Dokument enthält auch eine (nicht abschliessend zu verstehende) Liste möglicher DOPS-Themen. Die Dokumentation erfolgt ebenfalls einheitlich mittels einem Beurteilungsbogen, der sich ebenfalls auf den erwähnten Homepages findet. Auf diesem Beurteilungsbogen sollen die positiven Aspekte und die Aspekte mit Optimierungspotential vom Weiterbildner zuhanden des Assistenten schriftlich festgehalten werden. Dieses Dokument ist persönlich und wird dem Assistenten ausgehändigt. Im E-Logbuch und im SIWF/ FMH-Zeugnis wird lediglich das Datum der Standespolitik Vol. 24 Nr. 4 2013 Durchführung, der Weiterbildner und der Inhalt des AbA’s dokumentiert. Im Herbst 2013 werden von der SGP an verschiedenen gros sen Kliniken der Schweiz Schulungen durch das IML organisiet werden. Mit der Einführungsveranstaltung in Bern (siehe oben) gelten E-Logbuch und AbA’s als in der SGP eingeführt und wir hoffen, dass die flächendeckende Umsetzung rasch erfolgen kann. Das E-Logbuch deckt die Inhalte des aktuellen WBP zweifelsfrei viel besser ab, als das in die Jahre gekommene alte Logbuch und bezüglich der AbA’s hoffen wir, optimale Voraussetzungen für eine engagierte und konstruktive Umsetzung dieser «neuen alten» Anforderung an die Weiterbildung geschaffen zu haben. Seit 1921 Neu 1006737 Schenken Sie hochsensibler Babyhaut die Ruhe der Natur. Unsere parfümfreie Weisse Malve Babypege mit einem Extrakt aus Weisser Bio-Malve umgibt hochsensible, sehr trockene und gereizte Haut mit einer beruhigenden Schutzschicht. Sorgfältig ausgewählte natürliche Inhaltsstoffe helfen die Haut zu beruhigen, wirken reizmildernd auf irritierte Haut und regen die hauteigenen Kräfte an – im Einklang mit Mensch und Natur. www.weleda.ch WEL30726_MalveBaby_CH-D_Paediatrica_HeftSept.2013.indd 1 9 07.08.13 10:22 Standespolitik Vol. 24 Nr. 4 2013 Tarmed Info Marco Belvedere, Tarifdelegierter der SGP, Zürich Auf allen Kanälen werden unterschiedliche Informationen zu den laufenden Prozessen zur Tarifüberarbeitung verbreitet. Selbst uns Mitarbeitenden fällt es immer wieder schwer den Überblick zu behalten. Schwerpunkt bei der Revision Tarmed ist für uns Grundversorger eine adäquate Darstellung unserer Leistungen in einem eigenen Kapitel. Nach anfänglich wohlwollendem Kopfnicken zeigt sich nun immer deutlicher, dass harte Grabenkämpfe geführt werden, um die eigenen Interessen zu verteidigen. Zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels wird schon weitgehend entschieden sein, ob eine Einigung auf ein gemeinsames Vorgehen möglich ist oder ob der Bund mit seiner subsidiären Kompetenz eingreifen wird. Auch dann ist aber nicht sicher, ob eine Lösung mit einem Grundversorgerkapitel realisierbar wird. Haupthinderungsgrund ist der primäre Spargedanke, welcher nur auf den Moment ausgerichtet ist und jede Art von Langzeitperspektive vermissen lässt. Eine starke Grundversorgung in den Praxen wird noch nicht genügend als Sparpotential wahrgenommen. Kommt es dort aber zu einer kontinuierlichen Schwächung, so wird dies zu einer Verschiebung in teurere Versorgungsstrukturen führen. Gleiche Überlegungen gelten auch für die Revision der Labortarife. Vorerst sind mal die Übergangszuschläge etwas angehoben und bis Ende 2013 verlängert worden, die Zielvorstellungen der Endpreise sind aber gerade für die Pädiatrie so realitätsfremd, das eine Präsenzdiagnostik bei akuten Infektionen nicht selbst tragend sein wird. Einmal mehr muss unser Idealismus und eine Querfinanzierung für das Wohl der kleinen Patienten herhalten. Wir werden uns aber nicht verführen lassen, zur besseren Amortisation der Apparate einfach unnötig viele Laboruntersuchungen zu machen. Eine gezielte Besserstellung unserer spezifischen Leistung ist immer noch Hauptaugenmerk all unserer Bemühungen. Dies mag vielleicht als eine sture Verhandlungsposition wahrgenommen werden. Letztlich ist es aber der einzige Weg, einen gut fundierten Ausgleich innerhalb des Tarifwerkes zu bekommen. Behelfsmässig konstruierte Übergangszuschläge zeigen nur zu deutlich, dass man nicht bereit ist, eine sachgerechte und ausgewogene Lösung für die Stärkung der Grundversorger in der Praxis mitzutragen. Wichtiges in Kürze Die neue Liste der Mittel und Gegenstände (MiGel), welche seit dem 01.07.2013 gültig ist, bestätigt die Leistungspflicht bei der Pertussisimpfung gemäss Schweizerischem Impfplan 2013. Verordnungspapiere hinken auch hier wiederum deutlich der gängigen Praxis hinterher, ist doch der neue Impfplan bereits seit Januar in Anwendung. Neu wird eine Tarmedposition zur Masernimpfung vorbereitet, welche für die Pädiatrie aber eine verschwindend kleine Bedeutung haben wird, da die Masernimpfung im Schweizer Impfplan 2013 bis 16-jährig sowieso leistungspflichtig ist und die Kinder in aller Regel von einer Franchise befreit sind. Die Details der geplanten Position werden in der Ärztezeitung (SAEZ) publiziert werden, sobald eine Einigung erzielt worden ist. Eine durchaus erfreuliche Nachricht gibt es über die personelle Erweiterung in der Tarifkommission der Hausärzte zu berichten. Gleich 2 pädiatrische Vorstandsmitglieder haben in der Tarifkommission Einsitz genommen und führen das Co-Präsidium. Es sind dies Heidi Zinggeler und Rolf Temperli. Damit wird auch weiterhin die pädiatrische Sicht in die Verhandlungen eingebracht, was dringend nötig ist, um unseren Anliegen zum Durchbruch zu verhelfen. Ich werde die Arbeit als Tarifdelegierter der SGP per Juni 2014 an eine Nachfolgerin/einen Nachfolger übergeben. Bis dahin werde ich bemüht sein, den neuen Mitarbeitern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Im Sinne eines Staffellaufes werden wir versuchen genügend Atem zu behalten, um die lange Strecke der Tarifverhandlungen erfolgreich zu meistern. Es ist enorm wichtig, dass wir uns mit ganzem Herzen engagieren, sonst droht uns langfristig das Aus. Weitere Informationen finden sie auch in ausgesandten Unterlagen (z.B. SAEZ) und über folgende Adressen: www.tarmedsuisse.ch www.swiss-paediatrics.org www.hausaerzteschweiz.ch www.fmh.ch Korrespondenzadresse [email protected] 10 Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich Vol. 24 Nr. 4 2013 Jahresbericht der Co-Präsidenten Geschäftsjahr 2012–2013 Raoul Schmid, Bernd Erkert 1. Vorstand, gewählt an der Mitgliederversammlung 2012, für 2 Jahre •Raoul Schmid, Baar Co-Präsident (Praxis) •Bernd Erkert, Münsterlingen Co-Präsident (Klinik) •Johannes Greisser, Aarberg Kasse, Homepage •Thomas Baumann, Solothurn Gründungsmitglied, Beisitzer •Magdalena Hürlimann, Allschwil Beisitzerin kommission und der Weiterbildungskommission mit direkter Einsitznahme von SVUPPVorstandsmitgliedern in beiden Gremien erfuhr ihre Fortsetzung. Mit der Hüftkommission konnte eine Finanzabgeltung für Tätigkeiten von SVUPP-Tutoren in deren Auftrag erzielt werden – mit positiver Auswirkung auf die Jahresrechnung. Anlässlich der MV 2012 konnte das Amt des Co-Präsidenten wieder besetzt werden. 5. Finanzen Die Zahlen werden an der Mitgliederversammlung präsentiert und kommentiert. SVUPP strebte ein ausgeglichenes Budget an; auf Grund diverser Faktoren dürfte diese Vorgabe gar leicht übertroffen worden sein. Erstmals wird das Amt von einem Klinikvertreter bekleidet. Dies ist ein klares Bekenntnis in Richtung der Kinderspitäler der Schweiz, denn die SVUPP vertritt als Sektion Pädiatrie der SGUM auch die Interessen der an Kliniken Tätigen! 2. Mitglieder Per Ende des Geschäftsjahres betrug der Mitgliederbestand 291 ordentliche und 61 ausserordentliche Mitglieder. 3. Kurswesen Auch im abgelaufenen Jahr fand eine vollständige Kursreihe für Hüftsonographie statt, auf Grund der grossen Nachfrage zusätzlich ein Refresherkurs. Auch wenn es sich dabei um eine Pflichtübung im Rahmen des Rezertifi zierungsprocederes handelt, verlaufen diese Refresherkurse immer sehr lebhaft und es entstehen interessante Diskussionen. Die positiven Kursfeedbacks lassen darauf schlies sen, dass für die Meisten eine Teilnahme nicht verlorene Zeit bedeutet. Die pädiatrische Sonographie wurde erneut in einem Kombikurs angeboten, daneben fanden wieder die beliebten themenspezifischen HalbtagesWorkshops statt. Allen Organisatoren und Ausbildnern sei an dieser Stelle gedankt, ihre Leistungen verdienen grossen Respekt. Die Liste der SVUPP-Tutoren wurde aktualisiert und kann auf der Homepage www.svupp. ch eingesehen werden. 6. Mongolei-Projekt Bis 2012 war die SMOPP (Swiss Mongolian Pediatric Project) logistisch dem Swiss Surgical Team angeschlossen. Dieses zieht sich von seinen Aktivitäten in der Mongolei zurück und setzt andere Tätigkeitsschwerpunkte. Als Konsequenz wurde am 13.4.2013 der unabhängige Verein SMOPP gegründet. Die begonnene Arbeit wird so mit unverändertem Engagement und neuer Energie weitergeführt. Im Juli 2013 hat eine Delegation von 5 Gründungsmitgliedern die Aufgabe in Angriff genommen, in den ländlichen Gebieten der Mongolei die Diagnostik und Therapie der DDH zu ermöglichen. Zudem soll die bereits durchgeführte Inzidenzstudie (kurz vor Publikation) durch weitere Untersuchungen untermauert und ergänzt werden. Die enge Zusammenarbeit zwischen SVUPP und SMOPP wird natürlich beibehalten. Die finanzielle und ideelle Unterstützung bleibt unser Rückgrat! Wir sind auf Ihre Spende oder Ihre Mitgliedschaft angewiesen! Korrespondenzadresse Sekretariat/Kurswesen Schweizerische Vereinigung für Ultraschall in der Pädiatrie SVUPP Badenerstrasse 21 8004 Zürich [email protected] www.smopp.net 4. Vernetzung der SVUPP Die Beziehungen zu der SGUM wurden weiter gepflegt. Die Zusammenarbeit mit der Hüft- 11 Empfehlungen Vol. 24 Nr. 4 2013 Diagnose und Behandlung von Harnwegsinfektionen beim Kind Empfehlungen der Schweizerischen Arbeitsgruppe für pädiatrische Nephrologie (SAPN)1) , der Pädiatrischen Infektiologiegruppe Schweiz (PIGS, www.pigs.ch) 2) und der Schweizerischen Gesellschaft für Kinderurologie (SwissPU) 3) Zielsetzung Formulierung von Empfehlungen zur Diagnostik, Behandlung, Abklärung und Nachkontrolle von Harnwegsinfektionen bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Jugendlichen bis 16 Jahre. Die nachstehenden Empfehlungen sind nicht als absolut gültige Richtlinien zu verstehen. Individuelle Umstände, insbesondere der klinische Zustand, können beim einzelnen Patienten Abweichungen vom vorgeschlagenen Prozedere rechtfertigen. Grundlagen Der Harntrakt ist bei Kindern jeden Alters, insbesondere aber bei Säuglingen und Kleinkindern eine häufige Quelle von Infektionen. Die Harnwegsinfektionen sind bei Kindern von besonderer Bedeutung, weil sie erstens für eine erhebliche Morbidität während der akuten Infektion verantwortlich sind, und zweitens weil sie langfristig Ursache für die Entwicklung einer arteriellen Hypertonie oder für einen Nierenfunktionsverlust sein können. Die Betreuung von Kindern mit Harnwegsinfektionen, welche ärztliche Konsultationen, Diagnostik, Einsatz von Antibiotika und bildgebende Untersuchungen einschliesst, konnte seit den CH-Empfehlungen 20081), 2) auf Grund neuerer Daten und in Anlehnung an internationale Evidenz basierte Empfehlungen3), 4) vereinfacht werden. Dies betrifft insbesondere die Bildgebung und die Anti biotikaprophylaxe5)–10) . Die nachfolgenden Empfehlungen der Schweizerischen Arbeitsgruppe für pädiatrische Nephrologie (SAPN) der Pädiatrischen Infektiologiegruppe Schweiz (PIGS) und der Schweizerischen Gesellschaft für Kinderurologie (SwissPU) basieren auf der aktuell vorhandenen Evidenz für die Behandlung von Harnwegsinfektionen beim Kind. 1) Christoph Rudin, Guido Laube, Eric Girardin 2) Christoph Berger, Christoph Rudin, Anita Niederer, Klara Posfay Barbe, Philipp Agyeman 3) Rita Gobet Das optimale Vorgehen bei Kindern mit Harnwegsinfektionen verfolgt zwei Ziele: 1.Es ermöglicht die Erkennung, die Behandlung und die Abklärung derjenigen Kinder, die für die Komplikationen prädestinieren. Wichtig ist dabei die rechtzeitige Diagnose zugrunde liegender urologischer/renaler Felhbildungen. 2.Es führt zur Vermeidung unnötiger Therapien und Abklärungen bei Kindern, die kein Risiko für Komplikationen oder Narbenbildung haben. Altersabhängigkeit Weil das Alter des Patienten für das Vorgehen entscheidend sein kann, wird bei den spezifischen Empfehlungen, wo relevant, auf altersspezifische Besonderheiten eingegangen. Empfehlung Nr. 1: Klinischer Verdacht auf eine Harnwegsinfektion: Eine Harnwegsinfektion muss bei jedem Säugling und Kind mit unklarem Fieber in Betracht gezogen werden. Die systematische Suche nach einer Harnwegsinfektion ist bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern unter 2 Jahren mit Fieber besonders wichtig, weil bei ihnen die typischen klinischen Zeichen einer Pyelonephritis (siehe Empfehlung Nr. 2) fehlen können. Zudem kann sich eine Harnwegsinfektion beim Neugeborenen und Säugling auch durch ungenügendes Gedeihen, Irritabilität, Apathie, Trinkschwäche oder Schlafstörung ohne Fieber manifestieren. Besondere Wachsamkeit zur Erkennung und Behandlung von Harnwegsinfektionen ist angezeigt, weil das erhöhte Risiko für die Entstehung von Nierenparenchymnarben bei wiederholten Harnwegsinfektionen durch zahlreiche klinische Studien und experimentelle Untersuchungen untermauert wird. Empfehlung Nr. 2: Unterscheidung zwischen Zystitis und Pyelonephritis: Für die adäquate Behandlung ist es entscheidend, zwischen einer Zystitis und einer Pyelonephritis zu unterscheiden; nur 12 Pyelonephritiden führen zu Nierenparenchymnarben und Langzeitfolgen. Die klassischen Symptome einer Harnwegsinfektion sind Pollakisurie, Dysurie, Flankenschmerzen und Fieber. Flankenschmerzen und Fieber sind Zeichen für eine Pyelonephritis. Diese Zeichen können beim Kind < 2 Jahre fehlen oder durch unspezifische Symptome wie in Empfehlung Nr. 1 beschrieben, ersetzt sein. Bei Kindern < 2 Jahre muss im Zweifel vom Vorliegen einer Pyelonephritis ausgegangen werden. Zystitiden sind vor allem bei Mädchen nach dem zweiten Lebensjahr häufig. Die Diagnose einer Zystitis kann beim Kind > 2 Jahre erwogen werden, wenn z. B. Dysurie oder Pollakisurie, ein entsprechender Urinbefund (siehe Empfehlung Nr. 4), aber kein Fieber und keine Flankenschmerzen vorhanden sind. Ein tiefes CRP (< 10 mg/l) macht eine Pyelonephritis unwahrscheinlich, schliesst sie aber nicht aus. Eine Nieren-Sonographie erlaubt weder den definitiven Nachweis noch den Ausschluss einer Pyelonephritis. Empfehlung Nr. 3: Methoden der Urinsammlung: Beim Säugling und Kind sind der EinmalBlasenkatheterismus und die Blasenpunktion die Methoden der ersten Wahl und gelten als «Gold-Standard» zur Diagnosestellung einer Harnwegsinfektion. Der Einmal-Blasenkatheterismus wird häufiger angewendet als die Blasenpunktion und ist als Gold-Standard akzeptiert. Die Gefahr, durch Katheterisierung der Blase eine Infektion zu verursachen, ist gering. Beim Knaben und Mädchen erfordert der Blasenkatheterismus die Erfahrung einer Fachperson. Die Technik der Blasenpunktion ist risikoarm, aber ihre Erfolgsrate zur Uringewinnung ist abhängig von der Erfahrung mit dieser Technik. Die Sammlung von Mittelstrahlurin kann bei kooperativen grösseren Kindern und nach guter Anleitung als Alternative anstelle des Einmalkatheters zur Sammlung von Urin in Betracht gezogen werden. Auch bei Säug lingen (< 12 Monate) kann diese Technik alternativ angewendet werden, benötigt allerdings viel Geduld und Zeit und ent sprechende Berücksichtung bei der Befundinterpretation. Mittelstrahlurin gilt wegen höherer Kontaminationsrate nicht als «Gold-Standard». Die Urinsammlung mittels Säckchen führt insbesondere bei Säuglingen sehr häufig zu falsch positiven Urinbefunden. Säckchenurin Empfehlungen Vol. 24 Nr. 4 2013 soll nicht zum Anlegen einer Kultur verwendet werden. Falls ein Säckchen zur Urinsammlung verwendet wird, ist es unerlässlich, dieses nur für kurze Zeit (15–30 Minuten) anzukleben, unmittelbar nach Miktion zu entfernen und den Urin ohne Verzug zu analysieren (keine Kultur). Zeigt ein Säckchen-Urin verdächtige Befunde (Leukozyturie, Nitrit), soll zur end gültigen Diagnose und vor Beginn einer Antibiotikatherapie ein Katheter- oder Blasenpunktionsurin gesammelt und daraus eine Urinkultur angelegt werden. Empfehlung Nr. 4: Urinanalyse und Urinkultur: Die Diagnose einer Harnwegsinfektion erfodert eine Urinanalyse und eine Urinkultur. Die Urinanalyse mittels Streifentests (Leukozyten-Esterase und Nitrit) wie auch die mikroskopische Urinuntersu- chung sind nicht genügend sensitiv, um alleine die Diagnose einer Harnwegsinfektion zu bestätigen. Der Nitrit-Test und die Leukozyten-Esterase haben eine niedrige Sensitivität, insbesondere bei den jüngsten Kindern. Auf einen auffälligen Streifentest sollte wo möglich eine mikroskopische Untersuchung des Urins folgen. Allerdings haben Leukozyten-Esterase und standardisierte mikroskopische Quantifizierung der Leukozyten und/oder Bakterien im Urin trotz hohem negativen Voraussagewert eine nicht ausreichende Sensitivität. Die Untersuchung des Urinsediments im Katheteroder Blasenpunktionsurin durch eine geübte Person hingegen gibt bei Identifikation von Leukozytenzylindern ein positives Indiz für eine Harnwegsinfektion mit Beteiligung des Nierenparenchyms (Pyelonephritis). Die ungenügende Sensitivität und Spezifität der Urinanalyse (Streifentest und Mikroskopie) zum Nachweis einer Harnwegsinfektion zeigen, dass sie die Urinkultur nicht ersetzen kann. Ein positiver Befund in der Urinanalyse erhärtet den Verdacht auf eine Harnwegsinfektion und berechtigt nach Abnahme einer Urinkultur bei entsprechender Klinik zum Beginn empirischen AntibiotikaTherapie. Empfehlung Nr. 5: Definition einer positiven Urinkultur: Im Urin, der mittels Blasenpunktion gewonnen wurde, ist jedes Wachstum von uropathogenen Bakterien in der Urinkultur unabhängig von der Keimzahl diagnostisch für das Vorliegen einer Harnwegsinfektion. Im Urin, der mittels Einmalkatheter gewonnen wurde, ist Wachstum eines einzelnen uropathogenen Keimes in einer Zahl Therapie Amoxicillin i. v. 100–150 mg/kg/die i.v. in 3–4 Dosen Gentamicin1 Frühgeborene oder Neugeborene in 1. Lebenswoche: Dosierung je nach Gestationsalter, siehe Neonatologie-Empfehlungen; Neugeborene > 1. Lebenswoche und alle älteren Kinder 6–7,5 mg/kg/die in 1 Dosis Amikacin1 15 mg/kg/die i.v. (oder i.m.) in 1 Dosis Tobramycin 4–6 mg/kg/die i.v. (oder i.m.) in 1 Dosis Ceftriaxon 50 mg/kg/die i.v. (oder i.m.) in 1 Dosis Amoxicillin/Clavulansäure 80 mg/kg/die p.o. in 2–3 Dosen Ceftibuten3 9 mg/kg/die p.o. in 1 Dosis (erste 2 Dosen im Abstand von 12 Stunden) 1 2 Cefixim4 Cefpodoxim 8 mg/kg/die p.o. in 1 oder 2 Dosen 4 8 mg/kg/die p.o. in 2 Dosen Cefuroxim5 20–30 mg/kg/die p.o. in 2 Dosen Cotrimoxazol5 36–60 mg/kg/die (6-10 mg TMP/kg/die) p.o. in 2 Dosen Prophylaxe Amoxicillin6 10–20 mg/kg/die p.o. in 1 oder 2 Dosen Trimethoprim7 2–3 mg/kg/die p.o. in 1 oder 2 Dosen Cotrimoxazol2 9–12 mg/kg/die p.o. (1.5-2 mg TMP/kg/die) in 1 oder 2 Dosen Nitrofurantoin8 1–2 mg/kg/die in 1 oder 2 Dosen Dosierungsempfehlungen für Antibiotika zur Therapie/Prophylaxe von Harnwegsinfektionen bei Kindern 1) Die Aminoglykoside können gleichwertig eingesetzt werden. Bei allen Aminoglykosiden altersabhängige Dosierungen für Früh- und Neugeborene beachten 2) Kontraindiziert für Neugeborene < 1 Monat und/oder bei Hyperbilirubinämie 3) Ab dem 6. Lebensmonat zugelassen (1 Dosis pro Tag; erste zwei Dosen im Abstand von 12 Stunden, danach Gabe alle 24 Std.) 4) Cefixim (1 Dosis pro Tag) und Cefpodoxim (2 Dosen pro Tag) sind ab dem 2. Lebensmonat zugelassen 5) Dosierung zur Therapie bei Zystitis, nicht 1. Wahl für Pyelonephritis 6) Prophylaxe ausschliesslich im Neugeborenenalter (< 4 Wochen) 7) Kann von jeder Apotheke besorgt werden (ein Antrag an Swissmedic ist nicht erforderlich): Infectotrimet® Suspension 50 oder 100 (50 oder 100 mg/5 ml) 8) Nitrofurantoin = 2. Wahl (unerwünschte Wirkungen), siehe Text Tabelle: 13 Empfehlungen von > 10’000 CFU/ml Urin diagnostisch für eine Harnwegsinfektion, im Mittelstrahlurin eine Keimzahl > 100’000 CFU/ml Urin. Bei jungen Kindern mit häufiger Blasenentleerung kann bereits eine Urinkultur aus Katheterurin mit 1’000–10’000 CFU/ml Ausdruck einer Harnwegsinfektion sein. Diese Besonderheit soll zusammen mit der klinischen Präsentation und den andern Laborbefunden bei der Beurteilung berücksichtigt werden. Generell weist der Nachweis von > 2 verschiedenen Keimen in der Urinkultur auf eine Kontamination hin. Besonders bei Säuglingen ist jedoch eine signifikante Bakteriurie mit Wachstum von zwei Keimen möglich, insbesondere das gleichzeitige Wachstum von Escherichia coli und Enterokokken. Vol. 24 Nr. 4 2013 •Therapiedauer (inklusiv 1–3 Tage i. v./i. m. Behandlung): 10–14 Tage Fieber, erhöhtem Kreatinin oder bekannter urologischer Fehlbildung Alter > 6 Lebensmonate: Febrile Harnwegsinfektion (Pyelonephritis): •Rein perorale Therapie mit Cephalosporinen der dritten Generation, unter folgenden Voraussetzungen: •Es liegt kein septisches Zustandsbild vor, kein Erbrechen, es kann von einer zuverlässigen oralen Medikamenten-Einnahme ausgegangen werden, es bestehen keine urologischen Fehlbildungen, keine neurogene Blase und es ist kein Fremdmaterial vorhanden (Rücksprache mit KinderNephrologen/Kinder-Urologen) •Es findet eine klinische Kontrolle und ReEvaluation am Tag 3 (vgl. Empfehlung Nr. 7) statt: Kontrolle des Therapieansprechens, Bestätigung der Diagnose und allenfalls Anpassung der Therapie nach Erhalt der Urinkulturen und des Antibiogramms •Therapiedauer 10–14 Tage Empfehlung Nr. 8: Bildgebende Untersuchungen bei erster Pyelonephritis: Ultraschall: Bei allen Kindern soll einige Tage nach Therapiebeginn bis 4 Wochen nach der ersten Pyelonephirtis ein Ultraschall der Nieren und ableitenden Harnwege durchgeführt werden. Empfehlung Nr. 6: Antibiotika – Therapie der Harnwegsinfektionen abgestuft nach Alter (AntibiotikaDosierungen siehe Tabelle): Alter ≤ 2 Lebensmonate, alle Harnwegs infektionen (+/- Fieber) •Immer intravenöse Therapie, Therapiebeginn erst nach Abnahme von Blutkulturen •Empirischer Beginn mit einer AntibiotikaKombinationstherapie mit Amoxicillin und Aminoglykosid. Nach Erhalt des Antibiogramms ist bei gutem Ansprechen eine gezielte Monotherapie möglich. (Im 2. Lebensmonat kann Ceftriaxon optional Aminoglykoside und nach Ausschluss von Infektionen mit Enterokokken auch Amoxicillin ersetzen; Kontraindikation für Ceftriaxon: Hyperbilirubinämie) •Therapiedauer: 10–14 Tage i. v., bei positiver Blutkultur mindestens 14 Tage Alter > 6 Lebensmonate: Afebrile Harnwegsinfektion (Zystitis) •Therapiewahl unter Berücksichtigung der lokalen Resistenzlage und den Grundregeln zur Prävention der Resistenzentwicklung: a. Cotrimoxazol b.Amoxicillin/Clavulansäure c. Cephalosporine der zweiten Generation, z. B. Cefuroxim d.Cephalosporine der dritten Generation •Therapiedauer 3–5 Tage; die Behandlung mit einer Einmaldosis wird beim Kind nicht empfohlen. Alter > 2 aber < 6 Lebensmonate, alle Harnwegsinfektionen (+/- Fieber) •Therapiebeginn parenteral mit Ceftriaxon, Abnahme von Blutkulturen vor Therapiebeginn •Bei gutem Ansprechen, negativen Blutkulturen und erst nach Erhalt der Urinkulturen und des Antibiogramms ist ein Wechsel auf eine orale Therapie mit Cephalosporinen der dritten Generation (siehe Tabelle) bzw. gemäss Antibiogramm möglich. •Keine Umstellung auf perorale Therapie bei fehlendem/fraglichem Therapieansprechen, Erbrechen, unsicherer Einnahme der oralen Therapie, gemäss Antibiogramm nicht verfügbarer oraler Therapie, urologischen Fehlbildungen, neurogener Blase oder Fremdmaterial (Rücksprache mit Kinder-Nephrologen/Kinder-Urologen) Empfehlung Nr. 7: Kontrollen während der akuten Phase der Infektion: Am 3. Tag nach Diagnosestellung und Beginn der empirischen Antibiotikatherapie erfolgt eine klinische Kontrolle (im Spital oder beim Kinderarzt) zur Überprüfung des Therapieansprechens sowie zur Bestätigung der Diagnose, und allenfalls Anpassung der Therapie nach Erhalt der Urinkulturen und des Antibiogramms. Bei negativer Urinkultur soll die empirische Therapie beendet und die Diagnose überprüft werden. •Eine erneute Urinuntersuchung am Tag 3 ist nur notwendig, wenn das Kind noch nicht afebril ist. •Ein Abdomenultraschall am Tag 3 (siehe Empfehlung Nr. 8) nur bei fehlendem Ansprechen auf die Therapie, persistierendem 14 Eine Miktions-Cysto-Urethrographie (MCUG) soll 1–6 Wochen nach Therapiebeginn einer Harnwegsinfektion nur bei folgenden Kindern durchgeführt werden: •Febrile Harnwegsinfektion im Alter < 3 Monate •Rezidivierende febrile Harnwegsinfektion (> 1 febrile Harnwegsinfektion) •Auffälliger Ultraschall der Nieren und ableitenden Harnwege •Familienanamnese mit Fehlbildungen der ableitenden Harnwege, inklusive vesikoureteraler Reflux (VUR) Eine Ultraschalluntersuchung der Nieren und ableitenden Harnwege in der Akutphase der Pyelonephritis kann weder eine Harnwegsinfektion noch das Vorliegen eines VUR bestätigen oder ausschliessen, noch hat sie Einfluss auf das Management des Kindes mit febriler Harnwegsinfektion. Sie kann zur Erkennung von Fehlbildungen mit Prädisposition für weitere Harnwegsinfektionen dienen. Bei auffälligen Befunden im Ultraschall (z. B. Hydronephrose) sind weitere Abklärungen wie z. B. ein MCUG zu planen. Ziel des MCUG ist der Ausschluss oder Nachweis eines VUR sowie anderer (infra-)vesikaler Fehlbildungen (wie z. B. posteriore Urethralklappen beim Knaben). Weitere Untersuchungen auffälliger Befunde in Ultraschall oder MCUG erfolgen gemäss individueller Empfehlung der Nephrologen/Urologen. Eine DMSA-Szintigraphie stellt den «GoldStandard» dar für die Identifikation akuter pyelonephritischer Läsionen und Narben, wird aber in der Routinediagnostik der Pyelonephritis nicht verwendet. Ihre Indikation soll in Absprache mit den Nephrologen gestellt werden. Empfehlung Nr. 9: Indikation einer antibiotischen Dauerprophylaxe: Die prophylaktische Verabreichung von Antibiotika (vgl. Empfehlung Nr. 6) zur Reinfektionsprophylaxe wird abgesehen von folgenden Spezialsituationen generell nicht empfohlen. Sandoz-Generika in Originalqualität Seit mehr als 60 Jahren stellen wir Antibiotika her, zunächst als Originalhersteller, später auch als Generikaproduzent. Die eigentliche Erfolgsstory begann, als unsere damaligen Wissenschaftler 1951 das säurestabile Penicillin entdeckten. Seither haben wir den Bereich Antibiotika ständig weiterentwickelt. Dabei setzten wir uns immer höhere Qualitätsstandards. Nicht von ungefähr sind wir heute der grösste Hersteller von Antibiotika und zugleich der einzige bedeutende Produzent von Penicillin in der westlichen Welt. Wenn das nicht viele gute Gründe sind, Generika von Sandoz vollstes Vertrauen zu schenken. Wer einmal Originalmedikamente hergestellt hat, kann erst recht Generika in Originalqualität produzieren. www.generika.ch a Novartis company 1006751 In unserer breiten Antibiotika-Palette steckt die ganze Erfahrung des grössten Antibiotika-Herstellers der westlichen Welt. Vol. 24 Nr. 4 2013 Eine Antibotika-Dauerprophylaxe ist ausschliesslich indiziert für: •Kinder im Alter < 3 Monate nach febriler Harnwegsinfektion bis zum MCUG •Kinder nach febriler Harnwegsinfektion mit auffälligem Befund im Ultraschall der Nieren und ableitenden Harnwege bis zum MCUG •Kinder mit VUR Grad III–V •Kinder mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen bei Blasendysfunktion oder bei neurogener Blase •Kinder mit komplexen urologischen Fehlbildungen gemäss Absprache zwischen Nephrologen, Infektiologen und Urologen und auf deren zeitlich begrenzte Verordnung Für die Dauer der antibiotischen Prophylaxe für die oben genannten Kinder gibt es keine standardisierte Empfehlung. Die Prophylaxe soll mindestens jährlich zusammen mit den Nephrologen reevaluiert werden. Sie kann in vielen Fällen nach 1–2 Jahren beendet werden. Ein erneutes, zweites MCUG soll nur in Ausnahmefällen und in Absprache mit dem Nephrologen durchgeführt werden. Bei Durchbruchsinfektionen (ohne weitere urologische Erkrankungen), schwieriger Compliance kann eine zystoskopische Injektionstherapie anstelle einer antibiotischen Dauerprophylaxe in Betracht gezogen werden11) . Antibiotika-Prophylaxe Um Resistenzenentwicklungen vorzubeugen, sollten grundsätzlich keine Beta-Laktam-Antibiotika (ausser Amoxicillin bei Neugeborenen) und kein Ciprofloxacin eingesetzt werden. Neugeborene •Amoxicillin •Trimethoprim > 1. Lebensmonat •Cotrimoxazol (Trimethoprim-Sulfamethoxazol) •Trimethoprim •2. Wahl: Nitrofurantoin (Nitrofurantoin soll aufgrund möglicher pulmonaler unerwünschter Wirkungen12) nur in Spezialfällen nach Nutzen-Risiko-Abwägung verabreicht werden, z. B. nach Durchbruchsinfektionen unter Prophylaxe mit Cotrimoxazol) Empfehlung Nr. 10: Urin-Untersuchung bei erneutem Status febrilis bzw. Verdacht auf Harnwegsinfektion: Erneute Harnwegsinfektionen sollen bei Kindern mit Status nach Harnwegsinfektion rasch erkannt und behandelt werden. Bei Fieber oder klinischen Zeichen einer Harnwegsinfektion sollen umgehend eine Urinanalyse und eine Urinkultur durchgeführt werden. Dies gilt ebenso für Kinder mit einem bekannten VUR, bei welchen bei jedem Fieber ohne Fokus eine Urinuntersuchung mit Urinkulturen empfohlen wird. Empfehlung Nr. 11: Abklärung von Miktionsproblemen während des Tages (Inkontinenz): Spezielle Aufmerksamkeit muss Miktionsproblemen geschenkt werden, die tagsüber auftreten und nach einer Infektion persistieren. Eine Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination kann der Entstehung rezidivierender Harnwegsinfektionen Vorschub leisten und zu einem sekundären vesiko-ureteralen Reflux führen. Bei diesen Patienten hat die Behandlung der Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination höchste Priorität, um wiederholte Infektionen zu verhindern. Im Besonderen ist bei solchen Kindern auch auf das Vorliegen i) einer chronischen Obstipation, ii) eines Miktionsaufschubes und iii) einer ungenügenden Trinkmenge zu achten – diesen Faktoren kommt in Bezug auf Miktionsprobleme eine grosse pathogenetische Bedeutung zu. Empfehlung Nr. 12: Wann soll die Operation eines höhergradigen VUR in Betracht gezogen werden? Die zystoskopische Injektionstherapie oder Operation eines VUR soll mit den Kinderurologen diskutiert werden, wenn die Durchführung einer antibiotischen Dauerprophylaxe ungenügend oder zweifelhaft ist (Compliance), oder wenn trotz Prophylaxe weitere Harnwegsinfektionen mit Bildung von Nierenparenchymnarben auftreten. Liegen keine weiteren urologische Fehlbildungen vor, sind zystoskopische Injektionstherapie und Neu implantation des Ureters mögliche Therapieoptionen. Im Falle von assoziierten urologischen/renalen Fehlbildungen wird die Indikation im Einzelfall diskutiert und beurteilt. 16 Referenzen 1. Schweizerische Arbeitsgruppen für pädiatrische Nephrologie und pädiatrische Infektiologie. Behandlung der Harnwegsinfektionen beim Kind. Paediatrica 2008; 19: 17–21. 2. Neuhaus TJ, Berger C, Buechner K, et al. Randomised trial of oral versus sequential intravenous/oral cephalosporins in children with pyelonephritis. Eur J Pediatr 2008; 167: 1037–47. 3. Roberts KB. Urinary tract infection: clinical practice guideline for the diagnosis and management of the initial UTI in febrile infants and children 2 to 24 months. Pediatrics 2011; 128: 595–610. 4. Mori R, Lakhanpaul M, Verrier-Jones K. Diagnosis and management of urinary tract infection in children: summary of NICE guidance. BMJ 2007; 335: 395–7. 5. Garin EH, Olavarria F, Garcia Nieto V, Valenciano B, Campos A, Young L. 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Christoph Berger Co-Leiter Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene Universitäts-Kinderkliniken Steinwiesstrasse 75 8032 Zürich [email protected] Empfehlungen Vol. 24 Nr. 4 2013 Empfehlungen zur Behandlung von Pertussis und Strategien zur Verhinderung von Ausbrüchen Klara M. Posfay-Barbe1) und Ulrich Heininger2), 3) Behandlung des Keuchhustens minierung der Bakterien aus dem Nasenra chensekret mittels negativer PCR zu belegen. Die antibiotische Behandlung wird in der Tabelle zusammengefasst. Zu beachten ist, dass Clarithromycin in der Schweiz gemäss Swiss medic ab dem Alter von 6 Monaten zugelas sen ist; das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt es jedoch im Zusammenhang mit Keuchhusten ab 1 Monat. Die Behandlungs dauer wurde ausführlich untersucht und in einer Metaanalyse durchgesehen3) . Aktuelle Empfehlungen ziehen Kurzbehandlungen mit Azithromyzin während 5 Tagen vor, um Com plianceprobleme und Nebenwirkungen mög lichst gering zu halten. Es werden noch kürzer dauernde Behandlungen mit Azithromyzin während 3 Tagen angewandt, jedoch ist die derzeit verfügbare Evidenz zur Wirksamkeit ungenügend, um diesen verkürzten Behand lungsmodus in offizielle Empfehlungen aufzu nehmen4) . Antibiotische Behandlung Die Schwierigkeiten bei der Behandlung eines Keuchhustens kommen daher, dass Antibio tika nur während des oft symptomarmen katarrhalen Stadiums wirksam sind. Treten erst die typischen Hustenanfälle auf, beein flusst die antibiotische Behandlung die Krankheit selbst kaum mehr. Sie wird aber dennoch empfohlen, um die Übertragungs wahrscheinlichkeit der Bakterien auf gefähr dete Personen zu reduzieren und Keuchhus tenausbrüche einzugrenzen1) . Im Stadium decrementi wird die antibiotische Behand lung nicht mehr empfohlen, auch wenn der Patient noch hustet. Ohne antibiotische Be handlung wird die Dauer der Kontagiosität auf 21 Tage ab Hustenbeginn geschätzt, ausser beim Säugling, wo sie länger dauern kann. Durch die antibiotische Behandlung kann die Ansteckungsgefahr auf 5 Tage ab Behand lungsbeginn reduziert werden2) . Es kann ge legentlich unter speziellen Umständen (spä ter, möglicher Kontakt mit einer gefährdeten Person oder im Spital) notwendig sein, am Ende der antibiotischen Behandlung die Eli Zu beachten ist, dass in den letzten Jahren immer wieder Makrolid-resistente B. pertus sis beschrieben wurden. Ein epidemiologi sches und bakteriologisches Monitoring wird in den nächsten Jahren deshalb wichtig sein5). 1) 2) 3) Antibiotische Chemoprophylaxe Die Chemoprophylaxe entspricht betreffend Antibiotikawahl und Applikationsdauer der antibiotischen Behandlung (Tab.). Sie wird für bestimmte asymptomatische Personen emp Maladies infectieuses pédiatriques, Département de l’Enfant et de l’Adolescent, Hôpitaux Universitaires de Genève et Université de Genève Universitäts-Kinderspital beider Basel Universität Basel fohlen, die engen Kontakt mit einem Keuch hustenpatienten haben. Die Indikation hängt von Alter und Impfstatus ab6) . Fand der Kon takt mit einer Person mit Pertussissympto men vor weniger als 21 Tagen statt, erhalten Säuglinge < 6 Monaten und Personen, die Kontakt zu einem Säugling < 6 Monaten ha ben, sowie Schwangere im 3. Trimenon eine Chemoprophylaxe – jeweils unabhängig von Alter und Impfstatus. Die Betroffenen sollten zudem bei Infektionszeichen im Verlaufe ei nes Monats nach dem Kontakt den Arzt auf suchen. Die Chemoprophylaxe kann auch für exponierte Kinder älter als 6 Monate erwogen werden, wenn sie unvollständig geimpft sind. Für nichtimmune Beschäftigte im Gesund heitswesen und andere Betreuer, welche Kontakt mit Risikopersonen haben (Säuglinge < 6 Monate und Schwangere im 3. Trimenon), ist eine postexpositionelle Chemoprophylaxe ebenfalls sinnvoll. Es ist zu beachten, dass aus der Höhe des Antikörperspiegels im Blut nicht auf Schutz vor Pertussis geschlossen werden kann. Eine Pertussis-Antikörperbestimmung bei expo nierten Personen ist deshalb nicht zielfüh rend! Es kann sinnvoll sein, die Keuchhustenexpo sition für eine allfällige Nachholimpfung gegen Pertussis zu nutzen, wenn auch die postexpo sitionelle Impfung den Ausbruch der Krank heit nicht sicher verhindern kann. Die Pertussisimpfung kann beim exponierten Säugling in kürzeren Abständen, mit einstatt zweimonatigem Intervall zwischen den ersten drei Dosen, durchgeführt werden. Jugendliche und Erwachsene erhalten ihre Nachimpfung gemäss den neuen schweizeri schen Empfehlungen7) . Erwachsene, die vor < 10 Jahren geimpft wurden (oder in den Medikament Alter Dosierung Max. Dosierung Behandlungsdauer Nebenwirkungen Kontraindikationen Azithromycin Ab Geburt 10 mg/kg/d in 1 Dosis 500 mg/d 5 Tage Allergische Reaktion, Lebertoxizität Makrolidallergie Clarithromycin Ab 1. Lebensmonat 15 mg/kg/d in 2 Dosen 1g/d 7 Tage Allergische Reaktion, Lebertoxizität < 1 Lebensmonat; Makrolidallergie Ab 2. Lebensmonat 8 mg/kg/d (TMP) in 2 Dosen 340 mg/d (TMP) 14 Tage Hautausschläge; beim Neugeborenen Kernikterus < 2 Lebensmonate, Schwangerschaft, Stillen, Allergie auf eine Komponente Zweite Wahl TrimethoprimSulfamethoxazol Tabelle: Behandlung und antibiotische Prophylaxe des Keuchhustens 17 Empfehlungen letzten 10 Jahren einen mikrobiologisch gesicherten Keuchhusten durchmachten), werden als immun betrachtet und benötigen deshalb keine Chemoprophylaxe, ausser in speziellen Fällen, z. B. einem aussergewöhnlichen Pertussisausbruch8) . Die Dauer des Impfschutzes ist nicht genau bekannt und individuell variabel, jedoch wurde eindeutig ein mit der Zeit nachlassender Impfschutz festgestellt, weshalb weitere Auffrischimpfungen eingeführt wurden. So wurde kürzlich nachgewiesen, dass das relative Risiko, 6 Jahre nach der 5. Pertussisimpfung fast neunmal grösser ist (95% Konfidenzintervall 6–13) als im 1. Jahr 9) . Ergänzende Behandlungen des Keuchhustens Zusätzliche Behandlungen werden manchmal bei Keuchhusten erwogen, um die Symptome des konvulsiven Stadiums, insbesondere den hartnäckigen Husten zu lindern. Es handelt sich dabei um Kortikosteroide, Beta-2-mimetika, Antihistaminika oder Antagonisten des Leukotrienrezeptors. Eine Metaanalyse hat 2012 diese symptomatischen Therapien anhand einem Dutzend zwischen 1950 und 2012 durchgeführter Studien evaluiert10) . Keines dieser Medikamente vermindert den Husten oder verkürzt den Spitalaufenthalt. Ihre Anwendung wird deshalb zurzeit nicht empfohlen. Wie können Pertussis-Ausbrüche verhindert bzw. bekämpft werden? Eine Arbeitsgruppe von Experten unterschiedlicher Fachrichtungen (unter Beteiligung der Autoren dieses Beitrags) und Mitarbeiterinnen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) hat kürzlich Empfehlungen zum Schutz von Personen mit erhöhtem Komplikationsrisiko für Pertussis und zur Verhinderung von nosokomialen Pertussis-Ausbrüchen erarbeitet und publiziert6) . Diese Empfehlungen beziehen sich explizit auf die Hochrisikogruppe der Säuglinge im Alter von < 6 Monaten «in Gesundheits- und Kinderbetreuungseinrichtungen (Spitäler, Arztpraxen, Krippen, Tagesstätten, Tagesfamilien usw.)» und auf die Verhinderung bzw. Bekämpfung von Ausbrüchen in Gesundheitseinrichtungen. Viele Pädiater fragen sich, inwieweit diese Empfehlungen auch in anderen Bereichen ihrer Zuständigkeit (z. B. Arztpraxis, Kindergärten, Schulen usw.) Anwendung finden können. Wir präsentieren im Folgenden hierzu unsere Überlegungen, die spezifischen Details aus entspre- Vol. 24 Nr. 4 2013 chenden BAG-Empfehlungen6), 7), 11) hingegen sollen hier nicht repetiert werden. Ausbruchsverhinderung: Impfprophylaxe Bordetella pertussis, der Erreger der Pertussis, wird ausschliesslich von Mensch zu Mensch übertragen. Deshalb ist die möglichst umfassende und zeitgerechte Immunisierung aller Personen gegen Pertussis im Rahmen der geltenden Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF)-Empfehlungen die effizienteste und sinnvollste Massnahme zur Verhinderung von Pertussisausbrüchen, weil sie direkten wie auch indirekten Schutz (Herdenprotektion) verleiht. Es sei daran erinnert dass nicht nur alle Säuglinge (mit 2, 4 und 6 bzw. 2, 3 und 4 Monaten) und Kleinkinder (mit 15–24 Monaten und nochmals mit 4–7 Jahren) gegen Pertussis geimpft werden sollen, sondern dass nun auch alle Jugendlichen im Alter von 11–15 Jahren und alle Erwachsenen im Alter von 25–29 Jahren unabhängig von der Anzahl früherer Pertussis-Impfdosen jeweils eine weitere Pertussisimpfdosis (dTPa) erhalten sollen7), 11) . Darüber hinaus ist Schwangeren (2. oder 3. Trimenon) und allen Personen altersunabhängig ebenfalls eine Pertussisimpfdosis empfohlen, wenn sie «regelmässig» im privaten oder beruflichen Umfeld Kontakt zu Säuglingen im Alter von < 6 Monaten haben. Die Definition des Begriffes «regelmässig» obliegt bewusst der Ärztin/dem Arzt und öffnet einen breiten individuellen Interpretations- und Beratungsspielraum, der im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung zur individuellen Pertussis-Impfempfehlung genutzt werden sollte. Es ist eine wichtige Aufgabe der Ärzteschaft, die bestehenden Impfempfehlungen möglichst konsequent umzusetzen, was erfahrungsgemäss gerade bei Jugendlichen und Erwachsenen (durchaus auch in der pädiatrischen Praxis!) ein hohes Mass an Bewusstsein und Aufklärungseinsatz erfordert. In Gemeinschaftseinrichtungen sind Pertussis-Ausbrüche umso weniger wahrscheinlich, je höher die Durchimpfungsrate aller dortigen Personen einschliesslich des Personals (!) ist. Da gesetzliche Bestimmungen zur PertussisImpfung zum Schutz der Gefährdeten fehlen oder zu kurz greifen, ist auch hier ein hoher Aufklärungs- und Beratungseinsatz der zuständigen ÄrztInnen erforderlich. Hierbei wird man bedauerlicherweise häufig mit schwer nachzuvollziehender Impfskepsis oder gar 18 unqualifizierter Ablehnung von empfohlenen Impfungen konfrontiert. Die Verantwortung für deren Folgen liegt dann bei den direkt Betroffenen und auch bei den Betreibern der jeweiligen Einrichtung. Ist es Ihnen gelungen, sich selbst und Ihre Mitarbeitenden von den neuen EKIF-Empfehlungen gegen Pertussis zu überzeugen und zu impfen? Haben Sie in Ihrer Praxis eine Strategie entwickelt, systematisch allen Eltern und anderen engen Kontaktpersonen von Neugeborenen und jungen Säuglingen die dringliche Pertussisimpfung nahezulegen bzw. zu verabreichen? Der suboptimale Pertussisimpfschutz (bestenfalls ca. 85–90%, mit der Zeit nachlassend und daher Auffrischimpfungen erfordernd) darf kein Grund zur Zurückhaltung sein12) – etwas Besseres als die verfügbaren azellulären Pertussis-Impfstoffe haben wir nicht. Falldefinition: Was ist «Pertussis»? Die von der Expertengruppe vorgeschlagene Falldefinition ist allgemein gehalten und geeignet, Pertussisverdachtsfälle zu erkennen. Verdacht auf Pertussis besteht nämlich immer dann, wenn eines der folgenden Kriterien vorliegt und nicht anderweitig erklärt werden kann: •anhaltender Husten (mindestens 14 Tage) ohne Besserungstendenz •Hustenanfälle •Husten mit keuchendem Einatmen, Apnoen •bei Säuglingen: Husten mit Atemnot, Zyanose und/oder Bradykardien Es ist ratsam, bereits beim ersten Verdachtsfall den mikrobiologischen Erregernachweis anzustreben, da die klinische Diagnose «Pertussis» unzuverlässig ist13) . In der Frühphase der Krankheit (erste 2–3 Wochen) ist der direkte Erregernachweis aus dem Nasopharynx mittels PCR oder (allerdings kaum noch verfügbar) Anzucht der Bordetella pertussis Bakterien ratsam. Die Ergebnisse serologischer Untersuchungen sind schwierig zu interpretieren und die serologische Diagnostik deshalb eher für retrospektive Fragestellungen geeignet. Bei mehreren Verdachtsfällen in epidemiologischem Zusammenhang muss individuell entschieden werden, ob nach Vorliegen des ersten gesicherten Falles weitere Laboruntersuchungen indiziert sind oder nicht. Andere Spezies als B. pertussis (B. parapertussis, B. holmesii) führen selten zu Ausbrüchen. Vol. 24 Nr. 4 2013 Ausbruchsbekämpfung Hier ist Fachkenntnis, gepaart mit ärztlichem Können und Geschick, gefragt. Die so beliebt gewordenen «Guidelines» oder «Standard Operating Procedures» sind hilfreich. Sie sollen und können aber den gesunden Menschenverstand bei der Einschätzung der Lage und Festlegung erforderlicher Massnahmen nicht ersetzen, sondern sollen ihn unterstützen. Der Übergang von «Fallhäufung» zu «Ausbrüchen» ist fliessend und das quantitative Ausmass wie auch die individuellen Gegebenheiten müssen deshalb über Intensität der geplanten Massnahmen entscheiden: •Handelt es sich um einen Einzelfall von Pertussis einer Mutter auf der örtlichen Entbindungsstation? Hier ist Gefahr in Verzug und rasche Isolierungsmassnahmen wie auch der Einsatz von Antibiotikaprophylaxe bei den Exponierten (Face-to-face Kontakt) sind ratsam. •Sind binnen weniger Tage 2 Fälle in einer Familie aufgetreten? Dies ist weniger kritisch, solange keine jungen Säuglinge exponiert oder betroffen sind. Die sofortige Antibiotikatherapie terminiert die Kontagiosität der Indexfälle binnen 5 Tagen. •Sind in den letzten 2 Wochen mehrere Fälle in einem Kindergarten oder Schulhaus aufgetreten? Dies ist ein Ausbruch; er ist meldepflichtig und die sinnvollen Massnahmen (Informationspolitik, Isolationsmassnahmen bis hin zum vorübergehenden Schliessen der Einrichtung, Aufdecken und Schliessen von Impflücken bei allen Personen, Antibiotikaprophylaxe usw.) sind so rasch wie möglich von den Verantwortlichen (kantons- und ggf. schulärztlicher Dienst) in Abstimmung mit der Leitung der Einrichtung festzulegen. •Haben Sie in den vergangenen Monaten eine Reihe Fälle von gesicherter Pertussis in Ihrer Praxis diagnostiziert und waren dies z. B. mehr als im ganzen Jahr davor? Auch wenn dies nicht unbedingt die Definition eines «Ausbruchs» (örtlich und zeitlich begrenzt gehäuftes Auftreten) erfüllt sind Sie dennoch gut beraten, diese Beobachtung als «Häufung von Krankheitsfällen» zu melden und so eine detaillierte Analyse der Situation durch den kantonsärztlichen Dienst zu ermöglichen. Zum Schluss sei nochmals daran erinnert, dass die Impfprophylaxe die effizienteste Massnahme zur Verhinderung von Ausbrüchen ist. Deshalb sollte die während und kurz nach einer Krisensituation erfahrungsgemäss erhöhte Prophylaxe-Bereitschaft der zuvor impfskeptischen Personen genutzt werden, Pertussis-Impflücken zu schliessen. Referenzen 1) AAP. Pertussis (whooping cough). In: Pickering LK BC, Kimberlin DW, Long SS, editor. Red Book: 2012 Report of the Committee on infectious diseases. 29th Edition ed. Elk Grove Village, IL: American Academy of Pediatrics; 2012: 553–66. 2) Tiwari T, Murphy TV, Moran J, National Immunization Program CDC. Recommended antimicrobial agents for the treatment and postexposure prophylaxis of pertussis: 2005 CDC Guidelines. MMWR Recommendations and reports: Morbidity and mortality weekly report Recommendations and reports/ Centers for Disease Control. 2005; 54: 1–16. 3) Altunaiji S, Kukuruzovic R, Curtis N, Massie J. 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Fortbildung Vol. 24 Nr. 4 2013 Melatonin bei kindlichen Schlafstörungen Peter Hunkeler, Zürich Melatonin hat im menschlichen Körper diverse Funktionen inne. Das Hormon trägt unter anderem zur Regulation der inneren Uhr bei, hat eine schlafinduzierende sowie antioxidantische Wirkung und scheint den Körper vor neurodegenerativen Erkrankungen sowie der Karzinogenese zu schützen1) . Dieser Artikel behandelt die Frage, inwieweit der Einsatz von Melatonin bei Schlafstörungen im Kindes- und Jugendalter gerechtfertig ist. Physiologie Melatonin wird den meisten Leserinnen und Leser als «Medikament» zur Vorbeugung von Jetlag-Symptomen bekannt sein. Melatonin ist ein Hormon, das in der Epiphyse (Zirbeldrüse) aus Serotonin gebildet wird. Aufgrund seiner Eigenschaft als Regulator der inneren Uhr wird es auch als Chronobiotikum bezeichnet. Melatonin ist der robusteste Marker für das Signal des zirkadianen Systems und ist weit- gehend unabhängig vom Schlaf. Beim Menschen und Säugetier wird die MelatoninSekretion durch den suprachiasmatischen Nucleus (SCN) gesteuert (Abbildung 1). Dieser wird durch den Einfluss von Licht moduliert, was bedeutet, dass die Dauer der täglichen Melatonin-Sekretion direkt abhängig von der Dauer der Lichtexposition ist. Die Helligkeit wird über nonvisuelle Photorezeptoren der Netzhaut erfasst. Das Hormon wird kurz nach Beginn der Dunkelheit sezerniert, erreicht seine maximale Sekretion in der Mitte der Nacht und sinkt dann in der zweiten Nachthälfte langsam wieder ab. Die Melatonin-Produktion wird durch eine Vielzahl von Substanzen beeinflusst (unter anderem Benzodiazepine, Koffein und Alkohol). Bezüglich der 24-Stunden-Melatonin-Sekretion findet man sehr grosse individuelle Unterschiede. Das Ausmass der Sekretion nimmt mit dem Alter ab2) . Wirkungsweise von exogenem Melatonin Exogenes Melatonin scheint spezifisch über den SCN auf das zirkadiane System zu wirken und verbessert damit indirekt den nächtlichen Schlaf. Zusätzlich zeigt Melatonin eine leichte hypnotische Wirkung, was den positiven Effekt bei Einschlafstörungen erklärt. Es gibt zwei verschiedene Arten von Melatonin-Rezeptoren im SCN: MT1-Rezeptoren und MT2Rezeptoren. In der Morgen- und Abenddämmerung sind MT2-Rezeptoren sensitiv für Melatonin (Phasenverschiebung der inneren Uhr). Zu Beginn der Nacht sind MT1-Rezeptoren empfindlich, welche die Feuerungsrate von SCN-Neuronen reduzieren (schlaffördernde Wirkung). Melatonin bei spezifischen Schlafstörungen Delayed sleep phase syndrome (verzögertes Schlafphasen Syndrom): Die meist jugendlichen Patienten haben grosse Schwierigkeiten mit dem abendlichen Einschlafen. Ihre Einschlafzeiten sind deutlich in die Nacht verschoben. Zudem können sie Probleme beim morgendlichen Aufstehen haben, was sich Nucleus suprachiasmaticus (die «innere» Uhr) Tractus retinohypothalamicus Melatonin Glandula pinealis Ganglion cervicale superior Abbildung 1: Steuerung der Melatonin-Sekretion 20 Fortbildung Vol. 24 Nr. 4 2013 negativ auf den schulischen und beruflichen Alltag auswirken kann. Pathophysiologisch geht man davon aus, dass der zirkadiane Rhythmus länger als 24 Stunden andauert. Studien zeigen einen positiven Effekt von Melatonin auf die Einschlafprobleme. Free-running type (frei laufende innere Uhr): Bei Patienten mit einer frei laufenden inneren Uhr verzögert sich der Schlaf-Wach-Zyklus von Tag zu Tag kontinuierlich trotz normalem Lebensumfeld (soziale Zeitgeber). Diese Störung wirkt sich besonders auf den sozialen und beruflichen Alltag der Patienten aus. Als Ursache wird unter anderem auch eine ab norme Regulation (verlängerter Chronotyp) der inneren Uhr vermutet. Pathophysiologisch gelingt die Abgrenzung zum verzögerten Schlafphasen-Syndrom nur unscharf. Melatonin kann bei diesen Patienten zur Einstellung eines normalen Schlaf-Wach-Rhythmus beitragen. Schlafstörungen bei Kindern mit Sehbinderungen: Auch bei blinden Personen kann die innere Uhr «frei» laufen. Dieser Zustand tritt zum Beispiel bei Menschen auf, die beide Augen (Netzhaut) verloren haben. Nicht alle blinden Menschen haben eine frei laufende innere Uhr. Bei Patienten, die zwar im visuellen Sinn erblindet sind (beispielsweise Läsionen des visuellen Cortex), aber noch eine funktionierende Netzhaut besitzen, kann die innere Uhr weiterhin durch Lichteinfluss synchronisiert werden. Ein Test für die Funktionsfähigkeit des nicht-visuellen Lichtkanals ist die Unterdrückung der Ausschüttung von Melatonin in der subjektiven Nacht durch Lichteinfluss. Schlafstörungen bei Kindern mit Entwicklungsstörungen: Studien weisen auf einen positiven Effekt von Melatonin bei AutismusSpektrum-Störungen hin3) . Erwähnt werden besseres Schlafverhalten und weniger Verhaltensprobleme tagsüber bei minimalen Nebenwirkungen. Auch bei Patienten mit fragilem X-Syndrom wurden positive Effekte auf die Einschlafproblematik beschrieben4) . Patienten mit Smith-Magenis-Syndrom leiden unter anderem unter schweren Schlafstör ungen mit einer Umkehr des zirkadianen Rhythmus. Abendliche Melatonin-Gaben kombiniert mit Beta-Blocker am Morgen (Unterdrückung der Melatonin-Synthese am Tag) können bei diesen Patienten zu einer Normalisierung der Tag-Nacht-Umkehr führen. ADHS und Melatonin Schlafstörungen beim ADHS werden sehr häufig beschrieben. Verschiedene Studien zeigen eine Prävalenz zwischen 50% und 80%, so dass Schlafstörungen als komorbide Störung beim ADHS bezeichnet werden können 5). Von den Eltern werden meist Einschlafund Durchschlafstörungen beschrieben. ADHS und Schlafstörungen können demnach gemeinsam auftreten, wobei sich die Frage stellt, welche der Störung zu den Symptomen wie Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität führt. Im Prinzip gibt es drei Möglichkeiten: 1. ADHS oder dessen medikamentöse Therapie führt zu Schlafproblemen, 2. Eine primäre Schlafstörung führt zu ADHSähnlichen Symptomen, 3. Beide Störungen kommen gemeinsam vor. Es stellt sich die Frage nach dem korrekten therapeutischen Vorgehen. Der erste und wichtigste Schritt besteht in schlafhygienischen Massnahmen (Tabelle 1). Eine Rhythmisierung des Tagesablaufes mit fixen Bettzeiten am Abend ist essentiell. Dies betrifft auch die Wochenenden, an welchen die Bettzeiten nicht mehr als 1 Stunde differieren sollten. Zudem sollten die Bettzeiten möglichst dem Schlafbedarf angepasst werden. Ein weiterer wichtiger Faktor sind die abendlichen Aktivitäten. Stimulierende Aktivitäten wie Computerspiele, Fernsehen oder übermässige körperliche Arbeit sollten vor dem Einschlafen unterlassen werden. Koffein und Alkohol können den Schlaf ebenfalls negativ beeinflussen. Alkohol verkürzt zwar die Einschlafzeit, kann aber den Schlaf zu einem späteren Zeitpunkt stören. Das Verbringen von Zeit im Freien, besonders in den Morgenstunden mit Sonnenexposition, kann helfen, den zirkadianen Rhythmus aufrechtzuerhalten. Schlafmedikamente sind wie bei anderen Schlafstörungen nicht die erste Wahl. Ist der Einsatz von Melatonin bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS als zusätzliche Massnahme sinnvoll? Kombiniert mit schlafhygienischen Massnahmen kann sich der Einsatz von Melatonin positiv auf die Einschlafdauer auswirken. In einer Studie mit ADHS-Kindern ohne medikamentöse Therapie zeigte sich eine Abnahme der Einschlafdauer und eine Verlängerung der Schlafzeit5) . Es waren allerdings keine Effekte auf der Verhaltensebene und bezüglich der kognitiven Leistungsfähigkeit zu erkennen. Leider gibt es praktisch keine Studien, die den Effekt von Melatonin über längere Zeit (> 6–9 Monate) dokumentiert haben. Weiter gibt es noch keinen Konsens darüber, welches die geeignete therapeutische Dosis ist. Auch die Frage nach dem Nebenwirkungsprofil kann nicht schlüssig beantwortet werden. Melatonin sollte demnach bei ADHS-Patienten mit Zurückhaltung eingesetzt werden5) . Eigene Erfahrungen aus der Zürcher Schlafsprechstunde Bei funktionellen Schlafproblemen ist man sich in der Fachliteratur einig, dass verhaltensregulatorische Massnahmen als erste therapeutische Massnahme im Vordergrund stehen6) . Der Gebrauch von Schlafmedikamenten wird nicht empfohlen. Generell ist es wichtig, dass die Eltern während 2 Wochen ein Schlafprotokoll ausfüllen. (z. B.: http:// Was gibt es bei der Schlafhygiene zu beachten6)? Bettzeiten: Fixe Bettzeiten inklusive Wochenende, Anpassen der Bettzeiten an den mit einem Schlafprotokoll über 14 Tage ermittelten Schlafbedarf Einschlafritual Schlafzimmer: dunkel, ruhig, kühl Mahlzeiten: keine schwer verdaulichen Speisen 1–2 Stunden vor dem geplanten Einschlafen Genussmittel: kein Koffein (Kaffee, Tee, Cola, Energy-Drinks) 3–4 Stunden vor dem geplanten Einschlafen; Vermeiden von Alkohol und Nikotin Aktivitäten: stimulierende Aktivitäten wie Computerspiele, Fernsehen oder übermässige körperliche Arbeit sollten vor dem Einschlafen unterlassen werden. Tägliche Aktivitäten im Freien mit Sonnenexposition werden empfohlen. Elektronische Medien wie Fernseher, Computer oder Smartphones sollten aus dem Schlafzimmer entfernt werden, um übermässigen Konsum vor dem Schlafengehen zu unterbinden. Schlafzeiten am Tag sollten bei älteren Kindern (ab Schulalter) vermieden werden. Tabelle 1 21 Fortbildung www.kispi.uzh.ch/Kinderspital/Medizin/ Schlafmittel/Downloads/Schlafprotokoll.pdf) In der Schlafsprechstunde an der Abteilung Entwicklungspädiatrie des Kinderspitals Zürich wenden wir erfolgreich ein Dreistufenkonzept an7): 1. Stufe: Rhythmisieren des Tagesablaufes; 2. Stufe: Anpassen der Bettzeiten an die errechneten Schlafzeiten; 3. Stufe: selbstständiges Einschlafen. Bei Kindern mit Entwicklungsbehinderungen, die an akuten oder chronischen Schlafproblemen leiden, setzen wir gelegentlich Melatonin mit Erfolg ein, so zum Beispiel bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung oder geistiger Behinderung. Eher ernüchternd sind unsere Melatonin-Erfahrungen mit Jugendlichen, die an grossen Einschlafproblemen leiden und am Morgen trotz Weckversuchen der Eltern nicht aufstehen können/wollen. Diese Jungendlichen bleiben deshalb oft der Schule fern, was den Druck auf die Eltern und sie selber noch erhöht. Unsere Erfahrungen zeigen, dass eine Melatonin-Therapie alleine mittel- und längerfristig kaum zu einer Besserung der Einschlafproblematik führt. In Kombination mit schlafhygienischen Massnahmen sind unsere Erfahrungen etwas besser, wobei die Umsetzung dieser Massnahmen oft nicht einfach ist. Fazit für die Praxis Vol. 24 Nr. 4 2013 2) Kunz D. Melatonin und Schlaf-Wach Regulation. Habilitationsschrift zur Erlangung der Lehrbefähigung für das Fach Psychiatrie vorgelegt der Medizinischen Fakultät der Charité – Universitätsmedizin Berlin. 2006. 3) Rossignol DA. Melatonin in autism spectrum disorders: a systematic review and meta-analysis. Dev Med Child Neurol 2011 Sep; 53 (9): 783–92. 4) Wirojanan J. The efficacy of melatonin for sleep problems in children with autism, fragile X syndrome, or autism and fragile X syndrome. J Clin Sleep Med 2009 Apr 15; 5 (2): 145–50. 5) Corkum P. 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Bei funktionellen Schlafstörungen ist der Gebrauch von Melatonin und Schlafmedikamenten nicht angebracht. Bei Kindern mit Entwicklungsstörungen kann ein Einsatz sinnvoll sein. Eine klassische Indikation für eine Melatonin-Therapie stellen seltene Erkrankungen wie «das verzögerte Schlafphasen-Syndrom» oder «die frei laufende innere Uhr» dar. Auch bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS gibt es in Kombination mit schlafhygienischen Massnahmen eine gewisse Evidenz für die Wirksamkeit von Melatonin (besonders bei Einschlafproblemen), wobei noch kein Konsens über Dosierung, Therapiedauer und Nebenwirkungsprofil besteht. Referenzen 1) Kostoglou-Athanassiou I. Therapeutic applications of melatonin. Therapeutic advances in endocrinology and metabolism 2013; 4 (1): 13–24. 22 Befreit die Atemwege Ab 2 Ja hren Speziell für Kinder geeignet Biomed AG CH-8600 Dübendorf Tel +41 (0)44 802 16 16 Fax +41 (0)44 802 16 00 [email protected] www.biomed.ch tig flich p n e s s ka Gekürzte Fachinformation Sinupret® Sirup (pflanzliches Arzneimittel). Z: Enzianwurzel, Schlüsselblumenblüten, Sauerampferkraut, Holunderblüten, Eisenkraut. I: Entzündungen von Nasennebenhöhlen und Atemwegen. D: >12 J.: 3 x tgl. 7.0 ml; >6 J.: 3 x tgl. 3.5 ml; >2 J.: 3 x tgl. 2.1 ml. Schwangerschaft: Über die Anwendung entscheidet der Arzt. KI: Überempfindlichkeit auf einen der Inhaltsstoffe. UW: Gelegentlich Magen-Darm-Beschwerden, selten Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut, selten schwere allergische Reaktionen. P: Sinupret® Sirup 100 ml*. Warnhinweis: Enthält 8 Vol.-% Alkohol. Liste C. Ausführliche Angaben siehe Arzneimittel-Kompendium der Schweiz. *kassenpflichtig 1006431 • Pflanzliche Wirkstoffe • Guter Geschmack • Zahnschonend Fortbildung Vol. 24 Nr. 4 2013 Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter Johannes Häberle1) , Alexander Lämmle1) , Matthias R. Baumgartner1) Abstract Fettstoffwechselstörungen sind eine heterogene Gruppe von meistens vererbten Krankheiten, welche oftmals aufgrund einer positiven Familienanamnese bereits im Kindesalter diagnostiziert werden. Dies ist insbesondere im Sinne einer Sekundärprävention eine äusserst wichtige pädiatrische Aufgabe, stellt doch die frühzeitige Diagnose und Therapieeinleitung bei bestimmten Fettstoffwechselstörungen einen entscheidenden Grundstein für die Gesundheit im Erwachsenenalter dar. In diesem Artikel sollen vor allem praktische Aspekte anhand häufig gestellter Fragen im Zusammenhang mit Fettstoffwechselstörungen behandelt werden. Die häufigsten Dyslipidämien sowie deren Diagnostik und Therapie werden kurz dargestellt. Seltenere Fettstoffwechselstörungen werden hier zum Teil gezielt mit erwähnt, auf eine vollständige und systematische Abhandlung sämtlicher Krankheiten wird aber verzichtet. Den Autoren dieses Beitrages erscheint wichtig, in der Praxis den Fokus nicht nur auf die Senkung von Plasma-Cholesterinwerten zu richten, sondern sämtliche bekannte Risikofaktoren wie zum Beispiel Ernährung, Bewegung, Gewicht und Nikotinabusus zu betrachten. Sowohl für die Primärdiagnostik als auch für die Beurteilung der Gesamtsituation ist eine exakte Familienanamnese von zentraler Bedeutung. Die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen ist komplex und schliesst eine Steigerung der körperlichen Aktivität und die Vermeidung weiterer Risikofaktoren ebenso mit ein wie eine Diät und Medikamente. Einführung Fettstoffwechselstörungen zählen zu den häufigsten vererbten Krankheiten in der pädiatrischen Praxis und besitzen eine grosse Bedeutung für die spätere Gesundheit im Er- 1) Abteilung für Stoffwechselkrankheiten Forschungszentrum für das Kind Universitäts-Kinderspital Zürich Steinwiesstrasse 75 CH-8032 Zürich wachsenenalter. Gleichzeitig führen sie in aller Regel beim Kind nicht zu Symptomen, ein Umstand, der jedoch keinesfalls Anlass zu diagnostischer oder therapeutischer Abstinenz sein darf. Im Gegenteil hat die Pädiatrie eine entscheidende Rolle in der Weichenstellung für eine angemessene lebenslange, wenn immer nötig, strikte Therapie von Fettstoffwechselstörungen. In diesem Sinn ist die Behandlung dieses Themas ein Paradebeispiel für die Sekundärprävention als eine der wichtigsten pädiatrischen Aufgaben. Im Vordergrund dieses Beitrages stehen praktische Aspekte, mit dem Ziel, mögliche «Berührungsängste» in der Praxis abzubauen. Die folgenden Fragen, zugesandt von einem in der Klinik tätigen Kollegen, sollen beantwortet werden: •Wann muss der (niedergelassene) Pädiater daran denken, bei Patienten Blutfettwerte zu bestimmen? •Wie sind Alter, Klinik, Familienanamnese und Risikofaktoren zu berücksichtigen? •Welche Parameter sollen bestimmt werden; wie ist das praktische Vorgehen? •Existieren Referenzwerte und wie sind diese zu bewerten? •Wie ist das Vorgehen bei pathologischen Werten? Wann ist eine Kontrolle indiziert, wann sind Diät oder Medikamente notwendig? Dabei liegt der Fokus des Artikels auf den vergleichsweise häufigen Situationen; seltenere Krankheiten sind nicht vollständig oder systematisch aufgeführt, werden jedoch zur Illustrierung des klinischen und biochemischen Spektrums gezielt mit erwähnt. Definition Fettstoffwechselstörungen (synonym: Dyslipidämien) sind eine heterogene Gruppe von Krankheiten, bei denen Blutfettwerte, vor allem Cholesterine und/oder Triglyceride, verändert sind. Dies kann primär bei Vorliegen eines vererbten Stoffwechseldefektes der Fall sein oder sekundär im Rahmen anderer Krankheiten von Hormonhaushalt (z. B. Diabetes, Hypothyreose, Cushing-Syndrom), Nieren 24 (nephrotisches Syndrom oder andere chronische Nierenkrankheiten) oder Leber (Steatosis hepatis) oder bei Anorexia nervosa. Die meisten Fettstoffwechselstörungen stellen einen relevanten Risikofaktor für die Entstehung einer Arteriosklerose dar und müssen daher auch bei praktisch stets asymptomatischen Kindern ernst genommen werden1)–3) . Epidemiologie Die häufigste Fettstoffwechselstörung ist der heterozygote LDL-Rezeptor-Defekt4) , dessen geschätzte Inzidenz bei 1:500 liegen soll. In ähnlicher Dimension liegt die Inzidenz des Apolipoprotein B 100 Mangels (1:200– 1:700), welcher zu eingeschränkter LDL-Rezeptoraffinität führt5) . Der homozygote LDLRezeptor-Defekt mit de facto Ausfall der LDL-Rezeptor-Funktion ist dagegen sehr selten (Grössenordnung 1:1’000’000). Allerdings gibt es in der Schweiz für diese Defekte keine zuverlässigen Zahlen. Dies gilt auch für alle übrigen Fettstoffwechselstörungen, die als selten bis sehr selten angenommen werden dürfen. Dies bedeutet, dass für die meisten dieser Krankheiten (ausser den 2 oben genannten) nur wenige Patienten, zum Teil nur Einzelfälle oder überhaupt keine Patienten in der Schweiz vorhanden sind. Biochemie und Pathophysiologie Lipide müssen aufgrund ihrer hydrophoben Eigenschaften im Blut an Proteine (sog. Apolipoproteine) gebunden transportiert werden. Im resultierenden Lipoprotein sind die hydrophoben Lipide im Kern «versteckt» und von Apolipoproteinen umhüllt. Entsprechend ihrer Dichte werden Lipoproteine in 5 Klassen eingeteilt, die jeweils charakteristische Zusammensetzungen besitzen, welche ihre biochemischen Eigenschaften bedingen6) : •High-density Lipoproteine (HDL) •Low-density Lipoproteine (LDL) •Intermediate-density Lipoproteine (IDL) •Very low-density Lipoproteine (VLDL) •Chylomikronen Von klinischer Bedeutung ist vor allem LDLLipoprotein, welches für den Transport von Lipiden, vor allem Cholesterin, in die peripheren Organe verantwortlich ist7) . Liegt, wie bei der familiären Hypercholesterinämie, ein Defekt des LDL-Rezeptors vor, resultiert eine Erhöhung des LDL-Lipoproteins im Plasma. Neben Cholesterin enthalten LDL-Lipoprotei- Fortbildung Vol. 24 Nr. 4 2013 ne reichlich Apolipoprotein B 100. Dieses kann in seiner Funktion durch Gen-Mutationen (häufigste Mutation p.R3500Q) 3), 5) gestört sein, woraus klinisch wie therapeutisch die gleiche Situation mit Hypercholesterinämie resultiert wie bei LDL-Rezeptordefekten. Bereits im Kindesalter führen konzentrationsabhängig vor allem erhöhte LDL-Cholesterinwerte zu arteriosklerotischen Gefässschäden. Defekte der Lipoproteinlipase, welche im Kapillarendothel die Triglyceride der Chylomikronen und VLDL spaltet und damit deren Aufnahme in die Zellen ermöglicht, führen zu isolierter, zum Teil massiver Triglyceriderhöhung (Werte teilweise > 50 mmol/L, Ref < 2 mmol/L). Phänotypisch identisch sind Defekte des Cofaktors Apolipoprotein CII. Erhöhte Triglycerid-Konzentrationen stellen keinen Risikofaktor für vorzeitige Arteriosklerose dar. Bei Defekten der ABC-Transporter G5 oder G8 ist in Dünndarm und Gallenwegen der Export von zuvor resorbierten pflanzlichen Fetten, sog. Phytosterolen, gestört. Daraus resultiert die sehr seltene Sitosterolämie, die ähnlich wie der homozygote LDL-Rezeptordefekt ein relevanter Risikofaktor für Herzinfarkte bereits im Kindesalter ist8) . Klinisches Bild Die meisten Patienten mit Fettstoffwechselstörungen sind im Kindesalter asymptomatisch. Erste Krankheitszeichen können bei familiärer Hypercholesterinämie Fettablagerungen in der Haut, sogenannte Xanthelasmen, sein. Bei Vorliegen von Homozygotie für einen LDL-Rezeptor-Defekt können diese bereits im Kleinkindesalter als imposante subkutane Knötchen entlang der Hautfalten von Händen oder Füssen und über Gelenken imponieren, während ansonsten meist im Bereich des Unterlides erste gelbliche Ablagerungen zu finden sind4), 9) (Abb. 1A). Diese sind gemäss klinischer Erfahrung eindeutig mit der Höhe der Cholesterin-Konzentrationen im Plasma korreliert und können unter Behandlung kleiner werden oder verschwinden. Daneben finden sich bei einzelnen Fettstoffwechselstörungen (z. B. Sitosterolämie) tiefer unter der Haut gelegene Fettablagerungen, sogenannte Xanthome. Prädilektionsstellen für Xanthome sind die Streckseiten der Ellenbogen, die Knie sowie Achillessehnen (Abb. 1B). Oftmals ist die über Xanthomen liegende Haut bläulich-livide verfärbt, dies auch noch nach Rückgang oder Verschwinden der Xanthome unter Behandlung. Ein Arcus corneae ist im Kindesalter nur in Ausnahmefällen bei sehr schlecht eingestellter familiärer Hypercholesterinämie (oder bei homozygoter Hypercholesterinämie) zu beobachten. Bei einem kleinen Teil der Patienten besteht als Folge einer vermehrten Einlagerung von Fett eine Hepatomegalie, die zu Leberkapselspannung und Bauchschmerzen führen kann. Dies ist zum Beispiel bei Patienten mit familiärer Hypertriglyceridämie oder familiärer Chylomikronämie möglich. Derzeit noch relativ selten dürfte bei Kindern das metabolische Syndrom mit Adipositas, Hyperurikämie, arteriellem Hypertonus, peripherer Insulinresistenz und HDL-Cholesterinerniedrigung vorliegen. Komplikationen Hohe Cholesterinkonzentrationen im Plasma verursachen keine akuten Komplikationen, sind jedoch ein Risikofaktor für eine vorzeitige Arteriosklerose. Die exakte Bedeutung einer Hypercholesterinämie im Kontext an derer bekannter (Übergewicht, Bewegungsmangel, arterieller Bluthochdruck, Hyperhomocysteinämie, Lipoprotein (a) -Erhöhung, Rauchen) und unbekannter Risikofaktoren ist keineswegs geklärt1) . In der Literatur beschrieben und auch in der Praxis zu beobach- A ten sind frühe fatale Verläufe bei vergleichsweise geringer ebenso wie kaum betroffene Familien mit gravierender Hypercholesterinämie. Besonders gefürchtet sind Komplikationen bei homozygoter familiärer Hypercholesterinämie sowie bei Sitosterolämie; für diese Krankheiten sind jeweils akute fatale Herzinfarkte im Kleinkindesalter beschrieben3), 8) . Auch sehr hohe Konzentrationen der Triglyceride (> 10 mmol/L) können durchaus akute Beschwerden auslösen. Dazu sind akute Bauchschmerzen, gastrointestinale Blutungen sowie eine akute Pankreatitis zu zählen, letztere mit potentiell ernster Prognose. Hypertriglyceridämie ist jedoch kein Risikofaktor einer vorzeitigen Arteriosklerose. Transition und Ausblick in das Erwachsenenalter Fettstoffwechselstörungen bleiben die Domäne der Erwachsenenmedizin, weil praktisch alle Komplikationen erst im Erwachsenenalter auftreten. Idealerweise bestehen vor Ort enge Kontakte zwischen Pädiatrie und Erwachsenenmedizin, um eine optimale Transition und damit die Vermeidung von Ängsten auf Patientenseite ebenso wie von Informationsverlust auf ärztlicher Seite zu gewährleisten. Wie dargelegt, soll jedoch eine kompetente und konsequente pädiatrische Betreuung das Auftreten der Komplikationen mindestens verzögern. Abklärung Familienanamnese Fraglos kommt einer sorgfältigen und vollständigen Familienanamnese eine heraus ragende Bedeutung für die Bewertung der Situation eines Patienten mit Fettstoffwechselstörung zu. Dabei sind mindestens Verwandte ersten Grades mit einzubeziehen. Notwendig erscheint eine gezielte Anamnese B Abbildung 1: Hautveränderungen bei Fettstoffwechselstörungen. A: 9-jährige Patientin mit Xanthelasmen, unter beiden Augenlidern als gelbliche Verfärbungen erkennbar. B: 12-jährige Patientin mit Xanthomen am Knie, welche als Schwellung sichtbar und tastbar sind und als bläuliche Verfärbung imponieren 25 Fortbildung mit geschlossenen Fragen («Ist es bei Ihren Eltern zu frühen Herzinfarkten gekommen?», «… und bei deren Geschwistern?» etc.), weil in der Praxis andernfalls wichtige Details nicht erhoben werden. Stichwörter bei der Erhebung der Familienanamnese sollten z. B. sein: Herzinfarkte, Schlaganfälle, Bypassoperationen10) . Bei positiver Familienanamnese sind gezielte Untersuchungen des Lipidprofils im Plasma bereits im Kleinkindesalter indiziert. Laboruntersuchungen In der initialen Diagnostik einer Fettstoffwechselstörung sollen die folgenden PlasmaParameter bei nüchternem Patienten erhoben werden3) : •Lipidstatus (Gesamt-, HDL-, LDL-Cholesterin und Triglyceride) •Lipoprotein (a) (dieser Wert ist genetisch determiniert und bedarf daher keiner Verlaufskontrolle, ausser bei versuchter Intervention mit Niacin)11) •Homocystein Zur Bewertung der Lipidwerte sind altersabhängige Referenzwerte unabdingbar, weil insbesondere Cholesterin während des Kindesalters sowie nach der Pubertät ansteigt, wohingegen präpubertär und während der Pubertät die Werte spontan abfallen können3). Darüberhinaus können in einzelnen Situationen Spezialuntersuchungen wie Lipidelektrophorese oder Sterolprofil sinnvoll sein; empfohlen ist hier stets die Kontaktaufnahme mit einem Stoffwechselzentrum. Daneben sind einmalig zum Ausschluss einer sekundären Fettstoffwechselstörung die folgenden Werte zu bestimmen: •TSH, fT4 •Kreatinin •Cortisol •Urinstatus Behandlung – Allgemeines Grundsätzlich müssen fast alle Kinder mit Fettstoffwechselstörung diätetisch und/oder medikamentös behandelt werden. Schwierig ist eine Festlegung, ab welcher Veränderung von Laborparametern eine Ernährungsmodifikation alleine nicht mehr ausreicht und eine zusätzliche Medikamentengabe notwendig wird. Dies lässt sich nur in der Gesamtschau von Alter, klinischer Situation (liegen weitere Risikofaktoren vor?) und Familienanamnese entscheiden Vol. 24 Nr. 4 2013 und basiert nie alleine auf der Konzentration von Laborparametern. Grundsätzlich kann durch vermehrte körperliche Aktivität, sofern nicht ohnehin schon bestehend, das Lipidprofil verbessert werden3), 4), 12–14). Diät Die Grundlage der Behandlung der meisten Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter ist eine Ernährungsmodifikation. Für die familiäre Hypercholesterinämie bedeutet dies eine Reduktion tierischer, gesättigter Fette in der Nahrung und die Meidung besonders cholesterinhaltiger Lebensmittel (v. a. Eigelb, Fleisch mit sichtbarem Fett, Butter). Die Fettzufuhr sollte bevorzugt einfach ungesättigte Fettsäuren (z. B. aus Walnuss-, Raps-, oder Olivenöl) enthalten und auf 30–35% der Gesamtkalorien begrenzt werden. Im Gegensatz dazu muss die Zufuhr von pflanzenfettreichen Produkten bei Vorliegen einer Sitosterolämie vermieden werden, während hier tierische Fette «erlaubt» sind. Für einzelne Krankheiten, z. B. die familiäre Hypertriglyceridämie, ist eine Reduktion des Fettanteils in der Nahrung auf < 25% sowie eine Vermeidung hohen Zuckerkonsums therapeutisch ausreichend. Hingegen erzielt die Diät der familiären Hypercholesterinämie auch bei strikter Einhaltung oft keine befriedigenden Ergebnisse, weil eine Reduktion der Cholesterinwerte im Plasma nur um 10% bis maximal 20% gelingt und dies für viele Patienten nicht ausreichend ist3) . Der Erfolg einer cholesterinarmen Diät ist zum Teil genetisch determiniert, wobei insbesondere Apolipoprotein E-Phänotypen als Prädiktoren für gutes bzw. schlechtes Ansprechen dienen15) . Medikamente Mehrere Medikamente mit jeweils unterschiedlichem Wirkmechanismus stehen zur Verfügung, in der Praxis reduziert sich aus verschiedenen Gründen die Auswahl auf nur wenige Wirkstoffe. Grundsätzlich soll eine medikamentöse Therapie stets begleitend zur Fortführung der Diät erfolgen3) . Ionen-Austauscherharze (z. B. Colestyramin) sind grosse, wasserunlösliche Moleküle, die nicht resorbiert werden, aber im Darm Gallensäuren binden und damit die Lipidresorption vermindern. In der Praxis kann dies jedoch nur gelingen, wenn die Medikamente zu jeder fetthaltigen Mahlzeit eingenommen werden. Daraus, und aus dem unangenehmen Gefühl bei oraler Einnahme, resultiert jedoch 26 eine (nachvollziehbare) schlechte Compliance, welche die ohnehin beschränkte Wirksamkeit der Ionen-Austauscherharze weiter vermindert. Auch wenn Konsensusempfehlungen zum Teil noch den Einsatz von IonenAustauscherharzen als Stufe 1 der medikamentösen Therapie vorsehen, ist dies in der Praxis der Autoren dieses Artikels nur für einzelne Patienten eine dauerhaft annehmbare Option. HMG-CoA-Reduktase-Hemmer (synonym: Statine) beeinflussen die endogene Cholesterinsynthese in einem sehr frühen Schritt und reduzieren damit die intrazelluläre Cholesterinverfügbarkeit. Gleichzeitig wird die Empfindlichkeit von LDL-Rezeptoren gesteigert, so dass vermehrt LDL-gebundenes Cholesterin in die Zelle aufgenommen wird. Somit sind Statine wirksame Medikamente zur Senkung von Gesamt- und LDL-Cholesterin, wobei je nach Wirkstoff eine Senkung um bis zu 40% gelingt. In jedem Fall ist eine Kombination mit einer Diät sinnvoll, weil von einer Addition der Wirksamkeit ausgegangen werden kann12)–14). In der Schweiz ist Pravastatin (Selipran®) als einziges Statin bereits ab 8 Jahren zugelassen. Ezetimib ist ein vergleichsweise neuer Wirkstoff, welcher die Resorption von Cholesterin am Bürstensaum von Dünndarmzellen durch Inhibition eines Steroltransporters (NPC1L1) hemmt. Die Wirksamkeit der Cholesterinsenkung liegt bei ca. 25%. Somit kann der Einsatz vor allem bei familiärer Hypercholesterinämie durchaus sinnvoll sein. Aufgrund bislang fehlender Langzeitstudien und nur relativ geringer Erfahrung mit dem Einsatz bei Kindern kann Ezetimib derzeit jedoch nur als Reservemedikament angesehen werden. Fibrate sind in ihrem Wirkmechanismus nicht vollständig aufgeklärt, vermutet wird eine Steigerung der Aktivität der Lipoproteinlipase und damit eine verbesserte Aufnahme von Triglyceriden. Fibrate spielen jedoch in der Behandlung von Kindern keine grosse Rolle. Lipidapherese, Plasmapherese Als ultima ratio können bereits im Kindesalter Lipidapherese oder Plasmapherese eingesetzt werden, sofern durch andere Massnahmen keine ausreichende Stoffwechseleinstellung gelingt. In jedem Fall sind diese Verfahren bei Vorliegen einer homozygoten familiären Hypercholesterinämie frühzeitig zu diskutieren. Fortbildung Vol. 24 Nr. 4 2013 Verlaufsuntersuchungen Klinische Verlaufskontrollen sollen zu Beginn der Behandlung das Verständnis von Eltern und Patienten und damit die Compliance verbessern. Patienten sollen motiviert werden, die Diät möglichst konsequent einzuhalten sowie, falls erforderlich, ihre Medikamente regelmässig einzunehmen. Dabei mag es gerade im Kindes- und Jugendalter eine Herausforderung darstellen, die Notwendigkeit der konsequenten Behandlung darzustellen, ohne übertriebene Ängste zu erzeugen. Laborchemische Kontrollen sind zu Beginn im Abstand von 6 Monaten sowie bei Erreichen einer guten Stoffwechseleinstellung alle 12 Monate sinnvoll. Bei Einnahme von Statinpräparaten sollen dabei jeweils Transaminasen und Kreatinkinase im Plasma mit bestimmt werden. Sinnvoll ist eine Blutabnahme beim nüchternen Patienten, wobei Cholesterinwerte, anders als Triglyceride, postprandial nur gering ansteigen. Der Stellenwert sonographischer Untersuchungen der Intima-Media-Dicke der Arteria carotis ist stark vom Vorhandensein eines hochauflösenden Linearschallkopfes sowie der Erfahrung des Untersuchers einschliesslich seiner konstanten Verfügbarkeit abhängig. Im klinischen Alltag mag eher Verunsicherung entstehen, sofern nicht der stets selbe erfahrene Untersucher die Sonographie durchführt. Bei sehr hohen Cholesterinwerten und bei stark belasteter Familienanamnese sind regelmässige Kontrollen von Echokardiographie und Belastungs-EKG sinnvoll. Prognose Die Prognose von Fettstoffwechselstörungen hängt, wie dargestellt, von vielen Faktoren ab und kann nicht alleine von einer Besserung oder Normalisierung einzelner Laborparameter abgeleitet werden. Betont werden soll nochmals, dass die Vermeidung zusätzlicher Risikofaktoren und eine Optimierung der Lebensumstände gemeinsam mit verbesserten Laborparametern die Prognose günstig beeinflusst1)–3) . Zusammenfassung Fettstoffwechselstörungen stellen einen relevanten Risikofaktor für die vorzeitige Entwicklung arteriosklerotischer Gefässläsionen dar und sollen daher so früh wie möglich diagnostiziert und behandelt werden. Dabei kommt einer sorgfältigen Familienanamnese eine grosse Bedeutung zu, vor allem zur Risikoabschätzung angesichts der multifaktoriellen Ursachen der Arteriosklerose. Bei positiver Familienanamnese sind gezielte Untersuchungen des Lipidprofils im Plasma bereits im Kleinkindesalter indiziert, auch bei Fehlen einer familiären Belastung ist eine einmalige Cholesterinbestimmung im Jugendalter sinnvoll. Bei erhöhten Werten des LDL-Cholesterins ist ab dem Kleinkindesalter eine fettmodifizierte Diät indiziert, je nach Verlauf zusätzlich eine medikamentöse Therapie. Hier sind Statine, zumindest ab dem Alter von 8 Jahren, in erster Linie einzusetzen. Medikamente zur Behandlung einer Fettstoffwechselstörung ersetzen nicht, sondern begleiten eine Diät. Die Betreuung von Kindern mit Fettstoffwechselstörungen soll in Zusammenarbeit mit einem Stoffwechselzentrum erfolgen, dies mindestens in der initialen Phase der Diagnosestellung und während der Therapieeinleitung. Fazit für die Praxis Den Autoren dieses Beitrages erscheint wichtig, in der Praxis keine Fokussierung betrof fener Familien alleinig auf Plasma-Cholesterinwerte zu fördern, sondern die Hypercholesterinämie als einen Risikofaktor unter zahlreichen anderen zu betrachten. Neben der Senkung erhöhter Cholesterinwerte ist eine Beachtung von Lebensumständen, Ernährung, Bewegung, Gewicht als mindestens gleichwertige Herausforderung anzusehen. Die Familienanamnese ist zentral in der Beurteilung der Gesamtsituation. Bei positiver Familienanamnese sind gezielte Untersuchungen des Lipidprofils im Plasma bereits im Kleinkindesalter indiziert. Die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen ist komplex und schliesst eine Steigerung der körperlichen Aktivität und die Vermeidung weiterer Risikofaktoren ebenso mit ein wie eine Diät und Medikamente. Referenzen 1) Daniels, S.R. and F.R. Greer, Lipid screening and cardiovascular health in childhood. 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Hauschild Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds Division d’endocrinologie, diabétologie et obésité pédiatrique, Département médico chirurgical de pédiatrie, CHUV, site Hôpital de l’Enfance, Chemin de Montétan 16, 1004 Lausanne. Adipositas im Kindesalter, wer ist Risikopatient? Im Alltag der pädiatrischen Praxis wird die kindliche Adipositas und ihre Betreuung zu einem immer häufigeren Problem. Zur Herausforderung werden die Erkennung und Betreuung des Risikokindes: wer? wann? Das «Risikokind» adipös zu werden, ist ein Kind: •Mit Makrosomie oder intrauterinem Wachstumsrückstand •Mit Übergewicht: BMI über P 90 auf der WHO- oder SGP-Kurve •Dessen Gewichtskurve die Perzentilen kurve (durchkreuzt) •Dessen Lebensgewohnheiten eine Gewichtszunahme begünstigen (zu reichhaltige Ernährung, zu wenig Bewegung, zuviel Zeit vor dem Bildschirm, zuwenig Schlaf) •Das in einem ungünstigen psychologischen Umfeld aufwächst •Mit zumindest einem adipösen Elternteil •Das zu Risikopopulationen gehört (nichtkaukasisch, eingewandert, mit bescheidenen Ausbildungsniveau)1), 2) Minderwertiges Selbstbild Ausgelacht werden Der günstigste Zeitpunkt, um nach Risikofaktoren zu suchen und einen angepassten Lebensstil zu fördern, ist das Kleinkindesalter. Die erfolgversprechendsten therapeutischen Resultate werden in diesem Alter erzielt. Ziel von Abklärung und Beratung sind langfristig: 1.Psychisches Wohlbefinden, gestärkte Selbstachtung, bessere Lebensqualität für Kind und Familie 2.Stabilisierung des Gewichtes bei Übergewicht, leichte Senkung bei Adipositas 3.Verhaltensänderung 4.Vorbeugung von Komorbiditäten3) Leider genügt eine vorbeugende Beratung nicht immer. Bestehen eines oder mehrere der folgenden Kriterien, sollte die Zuweisung an ein spezialisiertes Zentrum erwogen werden: •Adipöses Kind: BMI über P 97 auf der WHOoder SGP-Kurve •Versagen der individuellen Betreuung in der Praxis •Bedarf einer interdisziplinären Betreuung •Bedarf oder Interesse für Gruppentherapie1) Wunsch, Gewicht zu verlieren Schuldgefühle Mit sich selbst unzufrieden Isst zu viel Knabbereien Diäten Verbotene Nahrungsmittel Besseres Befinden !!! Momentan !!! Vermehrt Gelüste Frustration Abbildung 1: Teufelskreis der Diäten 28 Unsere Erfahrungen Die Abteilung für pädiatrische Endokrinologie, Diabetologie und Adipositas des CHUV in Lausanne betreut übergewichtige Kinder sowohl in Gruppenprogrammen (Diskussionsgruppen und angepasste körperliche Betätigung) als auch individuell. Die Programme werden dem Alter angepasst (jeweils Gruppen von 2–6-, 7–12- und 13–18-jährigen Kindern) und dauern zwei Monate bis ein Jahr. Die Mehrzahl der Kinder, für die langfristig ein Übergewichtrisiko besteht, kann anhand des Verlaufes der BMI-Kurve und einer Abweichung der Perzentilenkurve im Alter von 3–4 bzw. 5–6 Jahren ausgemacht werden. Dies unterstreicht, wie wichtig es ist, die BMIKurve systematisch mit mindestens drei Punkten einzutragen4) . Im Mittelpunkt der Betreuung stehen in diesem Alter die Eltern und die Änderung der familiären Essgewohnheiten2) . Seit 1997 wird in einem Kurs für Eltern adipöser, 2–6-jähriger Kinder das Schwergewicht auf die Unterstützung der Eltern gelegt um möglichst früh die Lebensgewohnheiten dieser, meist an familiärer Adipositas leidenden Risikofamilien, zu ändern5) . Während den Gruppendiskussionen für die Eltern haben die Kinder Gelegenheit zu körperlicher Betätigung, Nahrungsmittel zu kosten oder Geschichten zu hören zum Thema Unterschied oder Auslachen, dem adipöse Kinder oft ausgesetzt sind. Die Kurse finden im Prinzip einmal monatlich statt, anfangs etwas häufiger, dann seltener, insgesamt 8 Sitzungen über 9 Monate verteilt. Es haben ca. 30 Familien daran teilgenommen. Der BMI hat sich während dieser Zeitdauer stabilisiert. Die Eltern zeigten sich nach Ablauf des Programmes sehr zufrieden. Seitens der Therapeuten nahmen eine Diätassistentin, eine Psychologin, eine Physiotherapeutin, eine speziell ausgebildete Sportwissenschaftlerin und ein Kinderarzt am Programm teil. Hauptproblematik der betroffenen Familien in unseren Gruppen waren die Abneigung der Kinder, Neues zu essen und das Fehlen von Regeln betreffend Essen, Zubettgehen, Bildschirmzeit und körperlicher Betätigung. Die Diskussionsrunden unter Eltern führen zum Austausch von Erfahrungen und Lösungsvorschlägen. Die Freude der Kinder an Bewegung kann die Eltern anhalten, für die ganze Familie aktivere Betätigungen zu planen. 1006712 Fortbildung Bei adipösen Kindern und Jugendlichen sind bestimmte psychologische Bereiche besonders betroffen: Selbstachtung und Selbstbild, emotionale Anpassung, anxio-depressive Stimmungslage7). Das Selbstwertgefühl ist bei Übergewichtigen meist geschwächt8) und wird durch die Interaktion von Selbstbild und sozialem Urteil, das Adipositas nach Vorurteilen und Stereotypen einschätzt, bedingt. Zudem führt das negative Selbstbild mit zunehmendem BMI zu wachsender Unzufriedenheit und damit assoziierten depressiven Symptomen9) und gestörter emotionaler Anpassungsfähigkeit, insbesondere Langeweile, Angstgefühl, Traurigkeit und Ärger. Essen dient dann als Anästhetikum, das den Zugang zur Identifizierung und Empfindung von Gefühlsregungen blockiert. Die oft bestehende soziale Isolierung kann diese Symptome noch verstärken8). s e in e S tun d i m Zu s a mm en ng Abbildung 3. Abbildung 2: Ernährungsscheibe Ta g Mehrmals pro Woche Stimulieren desHerzKreislaufSystems Stärkung der Knochen ha m ro Verbesserung der Fähigkeit flexibel bleiben Stärkung der Muskeln ep it Ak t i v it ät e n des p or t ten M i n s de der S Inaktives Verhalten beschränken und die Gelegenheiten zu körperlicher Betätigung mehren, stellen bei der Betreuung dieser Kinder und Familien eine Herausforderung dar. Die Familie spielt für Motivation und beim Aufteilen der häuslichen Aufgaben eine wesentliche Rolle: •Tägliche Aufgaben wie Abfallsack auf die Strasse stellen, Zimmer aufräumen, Tisch decken •Transporte: Zu Fuss oder mit dem Fahrrad, eine Haltestelle früher aus dem Bus steigen oder bis zur nächsten Haltestelle gehen anstatt zu warten Welche psychologischen Gesichtspunkte müssen berücksichtigt werden? so Welche körperliche Aktivität? Regelmässiger Bewegung stellen sich jedoch eine grosse Anzahl körperlicher, psychologischer, sozialer und wirtschaftlicher Hindernisse entgegen. Bei der Betreuung von adipösen Kindern und Adoleszenten müssen körperliche Aktivitäten den Fähigkeiten und Bedürfnissen angepasst werden, damit sie Freude daran haben und sich dabei wohl fühlen. Sportliche und andere körperliche Aktivitäten sind interessante Integrationsvektoren und sollen den Kindern erlauben, Erfahrungen in einem nicht stigmatisierenden Umfeld zu machen. en Zahlreiche Studien belegen, dass restriktive Diäten Frustrationen und Unzufriedenheit hervorrufen. Langfristig führen «Wunderdiäten» beim Erwachsenen in 95% der Fälle zu Gewichtszunahme6) . Ziel unseres Programmes ist es, die Gewichtszunahme unter Berücksichtigung des Wachstums einzuschränken. Körpersignale erken nen (Hunger, Sättigungsgefühl usw.), das Berücksichtigen aller Sinne («mindfulness») während der Mahlzeiten und das Erkennen von Zeitpunkten und Ursachen, die das Kind zum Essen anregen, ohne Hunger zu haben sind Schlüsselthemen, die mit Kindern und Eltern besprochen werden. Weitere Punkte sind das Erstellen von Familienregeln wie: gemeinsame Mahlzeiten, am Tisch sitzend, ohne Fernsehen usw. Jede noch so kleine positive Verhaltensänderung wird ermuntert mit dem Ziel, die Familienstruktur zu stärken. •Bei jeder Gelegenheit die Treppen benutzen •Draussen spielen, den Hund spazieren führen usw. eb Ausgeglichene Ernährung oder Diät? Vol. 24 Nr. 4 2013 ic t ä gl he n L Aktivitäten des täglichen Lebens oder Sport 30 Diese psychologischen Aspekte können mit den Kindern und Eltern angegangen werden, wenn eine gewisse Motivation zur Verhaltensänderung besteht. Um eine optimale Betreuung zu ermöglichen, haben Doutrelugne und Cottencin10) ein Raster entwickelt, um die Patienten bei deren Aufnahme in die Gruppe einzuteilen. Der Patient wird demnach als Tourist – zugewiesen, sagt, keine Probleme zu haben –, als Kläger – Opfer aussenstehender Probleme – oder als Kunde – erkennt sein Problem, hat ein Handlungsbedürfnis und bestimmte Zielvorstellungen – bezeichnet. Es scheint uns im Rahmen der Adipositassprechstunde wichtig, die «Touristenfamilie» zu stützen und durch die Kontrollen ein Bündnis und eine Bindung aufrecht zu erhalten. Das Bündnis kann durch Zentrierung auf die «existentiellen Vorstellungen der Eltern für ihr Kind» sowie die bereits unternommenen positiven Schritte und durch Hervorheben der elterlichen Kompetenzen gestärkt werden. Der therapeutische Approach der «Klägerfamilie» konzentriert sich auf das Aufdecken beschränkender Elemente (mit der Problematik zusammenhängende Elemente, welche die Familie nicht zu ändern vermag) und andererseits von Problemen, auf welche die Familie einwirken kann. Ist für die beschränkenden Elemente das Akzeptieren die einzige Möglichkeit, erlaubt das Identifizieren von Problemen, nach Handlungs- und Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Die Familie kann damit ihre Problematik neu definieren, im Bewusstsein der Hindernisse und der verfügbaren Handlungsmöglichkeiten. Wird die Familie zum «Kunden», dann werden die Suche nach Interventionsstrategien und das Festlegen minimaler Verhaltensänderungen realisierbar. Motivation zur Veränderung und elterliches Gefühl der Effizienz werden gestärkt. Die Zusammenarbeit des therapeutischen und des elterlichen Systems erlaubt es dem Kind, aktiv mitzuarbeiten. Es besteht somit eine Motivation zur Änderung, was den Prozess begünstigt. Und die medizinischen Aspekte? Adipositas und metabolisches Syndrom Das metabolische Syndrom (MS) ist eine der möglichen Komplikationen der Adipositas und bezeichnet einen Zustand, der die Adipositas mit einer Reihe Störungen assoziiert: Fett- und Kohlehydratstoffwechsel-, prothrombotische, proinflammatorische Störung und arterielle Hypertonie. Im Kindes- und Adoleszentenalter Fortbildung Vol. 24 Nr. 4 2013 beruhen die Kriterien, die das «metabolische Syndrom» definieren, auf der Publikation von Zimmer et al.11) , und schliessen nebst der Stammfettsucht, geschätzt durch den Bauchumfang, zwei der in der Tabelle 1 aufgeführten (altersabhängigen) Kriterien ein. Die in dieser Definition verwendeten klinischen Kriterien sollen es erlauben, jene Patienten ausfindig zu machen, bei denen ein hohes Risiko besteht, an einer Herzkreislaufkrankheit oder an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Die Insulinresistenz gehört nicht zur Definition des MS, ist jedoch beim Adipösen oft vorhanden. Insulinresistenz Für die zelluläre Dysfunktion mit vermehrter Apoptose und entzündlicher Reaktion, die zur Freisetzung von spezifischen Signalmolekülen führt (Adipokine), ist insbesondere die inadäquate Lipidspeicherung in den Adipozyten verantwortlich. Die Insulinresistenz scheint durch die Wirkung der Entzündungsmetabolite und Adipokine auf den Transduktionsmechanismus des Insulinrezeptors in den Zielzellen (Endothel-, Muskelzellen, Adipozyten) bedingt zu sein. Spezifisch greifen diese Moleküle in die intrazellulären Mechanismen von ATP/ADP/ Akt-Protein ein, welche die Translokation der spezifischen insulinabhängigen Glukosetransporter GLUT4 regulieren. Dieselben Mechanismen sind wahrscheinlich für die akute Insulinresistenz bei Stress oder Infekt verantwortlich. Anfangs passt sich die Insulinsekretion diesem Prozess an, wird also bei Glukosebelastung stimuliert um einen normalen Blutglukosespiegel aufrecht zu erhalten. Die chronische Aktivierung der Insulinausschüttung, verbunden mit der toxischen Wirkung von Lipidmetaboliten und proinflammatorischen Zytokinen auf die beta-Pankreaszellen, führen zu einer zunehmenden relativen Insuffizienz der Insulinsekretion, was den Diabetes Typ 2 kennzeichnet. Körperliche Tätigkeit stimuliert den Glukoseverbrauch durch Aktivierung der endogenen intrazellulären Signale in den Muskelzellen12) . Irisin, ein 2012 neuentdecktes Hormon (Myokin), wird durch den Muskel ausgeschieden und aktiviert offenbar die thermische Funktion im Fettgewebe, reguliert damit den Stoffwechsel der Adipozyten und steigert den Energieaufwand13) . Es ist demnach wahrscheinlich an der Abnahme der Insulinresistenz durch körperliche Tätigkeit beteiligt. Herzkreislaufstörungen Der pathophysiologische Mechanismus der Schädigung von Herz und Kreislauforganen beginnt mit einer entzündungsbedingten Endotheldysfunktion und Verdickung der intima media durch Ablagerung von Lipiden oder Zelltrümmern. Die Folge sind Lumeneinengung durch Atherome, Behinderung des Blutflusses und damit der Sauerstoffversorgung der Organe. Weitere assoziierte Faktoren Ein MS kann unter ganz verschiedenen Umständen angetroffen werden und hängt von zahlreichen Faktoren ab, u.a. ethnischer Abstammung, Pubertätsstadium, frühzeitige Pubarche, Adipositas (v.a. Stamm), genetischer Faktoren, Schwangerschaftsdiabetes, intrauteriner Wachstumsrückstand oder ausgeprägter postnataler Gewichtszunahme14) . Das adipositasbedingte MS geht mit erhöhter Morbidität und Mortalität einher, im Wesentlichen bedingt durch Herzkreislaufstörungen wie Hypertonie und Atherosklerose. Weitere potentiell befallene Organe sind Augen, Nieren und das Nervensystem. Eine Lebersteatose kann sich ebenfalls entwickeln sowie das Syndrom der polzystischen Ovarien, gekennzeichnet durch ein gestörtes Gleichgewicht der Sexualhormone, einhergehend mit einer Hyperandrogenämie. Alter (Jahre) Bauchumfang Triglyceride (mmol/L) HDL-Cholesterol (mmol/L) 6 < 10 ≥ P902) Keine diagnostische Kriterien des MS 10 < 16 ≥ P902) ≥ 1.7 ≥ 16 ≥ 94 cm ♂ ≥ 80 cm ♀ ≥ 1.7 oder spezifische Behandlung im Gange Abklärung Die Abklärung umfasst die Suche nach Zeichen einer spezifischen Ätiologie und nach einer Komorbidität. Behandlungsmöglichkeiten Die therapeutischen Ansätze im Kindesalter zeichnen sich durch ein möglichst «unmedizinisches» Vorgehen und pluridisziplinäre Verhaltenstherapie aus. Verschiedene Studien haben aufgezeigt, dass eine «Änderung des Lebensstils» einer medikamentösen Behandlung überlegen ist. Gezielte Behandlung, gemäss den entsprechenden Empfehlungen, ist jedoch bei arterieller Hypertonie, Fett- oder Glukosestoffwechselstörung oder einer ovariellen Dysfunktion notwendig. Zukunftsperspektiven: Noch in der Studienphase befindet sich die Behandlung der Adipozytendysfunktion und des proinflammatorischen Prozesses. Schlussfolgerung Die kindliche Adipositas stellt in der täglichen Praxis eine grosse Herausforderung dar. Die langfristigen Risiken sind zwar gut bekannt, die Betreuung jedoch langwierig und mühsam, für die Patienten und die Familie ebenso wie für die Therapeuten. Der Erfolg hängt von der Motivation des Patienten und dem Willen der Familie ab, Änderungen ihrer Lebensgewohnheiten zu akzeptieren. Gewisse Fälle benötigen eine spezialisierte Betreuung sowie medizinische, psychologische und diätetische Abklärungen durch ein pluridisziplinäres Team. Gruppenprogramme können dann angeboten werden als Ergänzung zur individuellen Behandlung. Der therapeutische Ansatz sollte auf Verständnis, Führung und Änderung des täglichen Verhaltens von Kind und Familie ausgerichtet sein. Blutdruck (mmHg) Nüchternblutzucker (mmol/L) ≤ 1.03 BD syst.≥ 130 oder BD dias.≥ 85 ≥ 5.6 oder Diabetes Typ 2 ≤ 1.03 (Mann) ≤ 1.29 (Frau) oder spezifische Behandlung im Gange BD syst.≥ 130 oder BD dias.≥ 85 oder spezifische Behandlung im Gange ≥ 5.6 oder Diabetes Typ 2 Kriterien zur Definition des metabolischen Syndroms11) . Die Diagnose metabolisches Syndrom beruht auf einer Stammadipositas und 2 der 4 aufgeführten Kriterien Tabelle 1: 31 Fortbildung Risikofaktoren Familienanamnese: familiärer Diabetes Typ 2 Hypercholesterinämie arterielle Hypertonie afrikanischer, asiatischer, mexikanischer Ursprung Zeichen einer Stoffwechselstörung Persönliche Anamnese: intrauteriner Wachstumsrückstand Störung der Pubertätsentwichlung Medikamente Schlafstörungen Zunahme des BMI > 3 kg/m2/Jahr Gezielte klinische Untersuchung Bauchumfang, Grösse, Spannweite Wachstumsgeschwindigkeit Blutdruck, Atem-, Herzfrequenz Adipositas allgemein/Stamm/proximal Acanthosis nigricans, Pubertät Zeichen einer Stoffwechselstörung Organomegalie Vol. 24 Nr. 4 2013 Alarmzeichen. Ätiologie. Komorbidität rascher Verlauf Zeichen intrakranialen Druckes Zeichen von Herz-Lungeninsuffizienz arterielle Hypertonie Schlafapnoen Entwicklungsrückstand, neurologische Störungen, Muskelhypotonie Dysmorphie (extreme Adipositas, Augenauffälligkeit, auffällige Facies, Mikrozephalie, Skeletanomalien, Schwerhörigkeit, Nierenmissbildung) psychologische Störungen inadäquater Wachstumsrückstand oder Wachstumsgeschwindigkeit < 4 cm/Jahr Zeichen von Hypothyreose, Hyperkortizismus, Kalziumphosphatstoffwechselstörung Hypogonadismus Polyurie, Polydipsie verfrühte oder verspätete Pubertät Hirsutismus, Zeichen eines polyzystischen Ovarialsyndroms Stoffwechselabklärung, nüchtern Glukose, Gesamt-, LDL- und HDL-Cholesterin, Triglyzeride, ALT, TSH OGTT ab 10 Jahren bei positiven Risikofaktoren Tabelle 2: Im Rahmen einer Adipositasabklärung, also bei einem BMI > P 97 (2 SD) oder einem Bauchumfang > 2 SD, oder BMI > P 90 < P97 und positiven Risikofaktoren werden folgende Basisuntersuchungen vorgeschlagen15) . Bei Vorhandensein bestimmter Alarmzeichen müssen diese gegebenenfalls erweitert werden. Referenzen 1) Baker JL. et al. Evaluation of the overweight/obese child-practical tips for the primary health care provider: recommendations from the Childhood Obesity Task Force of the European Association for the Study of Obesity. Obes Facts 2010. 3 (2): 131–7. 2) Birch LL, Ventura AK. Preventing childhood obesity: what works? Int J Obes (Lond) 2009; 33 Suppl 1: S74–81. 3) Reinehr T. Effectiveness of lifestyle intervention in overweight children. Proc Nutr Soc 2011; 70 (4): 494–505. 4) Thibault H et al. Early screening criteria for children at risk of overweight. Arch Pediatr 2010; 17 (5): 466–73. 5) Yucel O, Kinik ST, Aka S. Diagnosis of a trend towards obesity in preschool children: a longitudinal study. Eur J Pediatr 2011; 170 (6): 751–6. 6) Anderson JW et al. Long-term weight-loss maintenance: a meta-analysis of US studies. Am J Clin Nutr 2001; 74 (5): 579–84. 7) Anderson SE et al. 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Insulin resistance in children: consensus, perspective, and future directions. J Clin Endocrinol Metab 2010; 95 (12): 5189–98. 15)Farpour-Lambert N, L’Allemand D, Laimbacher J. Définition, diagnostic et indications thérapeutiques de la surcharge pondérale de l’enfant et de l’adolescent. Paediatrica 2006; 17: 19–24. Nützliche Links •www.swiss-paediatrics.org •www.ca-marche.ch •www.gesundheitsfoerderung.ch •www.ciao.ch •www.espace-prevention.ch •www.allezhop-romandie.ch •www.vd.ch/autorites/departements/dfjc/ sesaf/unite-psps •www.hepa.ch Programme zur Betreuung adipöser Kindern •www.akj-ch.ch •www.a-dispo.ch •www.contrepoids.hug-ge.ch 32 •www.sportsmile.ch •www.eurobesitas.ch •www.hopitalduvalais.ch/contrepoids •www.alimentationmouvementvs.ch •www.fops.ch •www.eqkilo.ch Korrespondenzadresse CHUV Centre Hospitalier Universitaire Vaudois Sylvie Borloz Diététicienne dipl. HES, Chargée de projet Division d’Endocrinologie, Diabétologie et Obésité pédiatrique Département Médico-Chirurgical de Pédiatrie Hôpital de l’Enfance de Lausanne Chemin de Montétan 16 1004 Lausanne Tel . +41 (0)21 314 87 73 Fax +41 (0)21 314 94 96 [email protected] Die Autoren deklarieren keine Interessenkonflikte. Hinweise Vol. 24 Nr. 4 2013 Das Einsiedler Babyfenster Stephan Rupp, Einsiedeln Schon immer gab es Mütter, die aus diversen Gründen keine Möglichkeiten hatten, ihr Kind nach einer Schwangerschaft selbst zu betreuen. Die drastischste Form der Problemlösung ist die Kindstötung. Eine andere Variante ist die Kindsaussetzung, die auf das Überleben des Kindes abzielt. So konnte der biblische Moses wohl aus politischen Gründen nicht bei seinen Eltern aufwachsen. Eine Babyklappe gab es schon 1198 im Spital des Heiligen Geistes in Rom. Meist wurden solche Angebote von klösterlichen Einrichtungen betrieben. Wegen der notwendigen medizinischen Betreuung sind die modernen Babyklappen Spitälern angeschlossen. In der Schweiz hat sich vor allem die Stiftung HMK (Hilfe für Mutter und Kind) mit dem Ziel engagiert, Abtreibungen und Kindstötungen zu verhindern. Ob dies mit einem Babyfenster erreicht wird, ist unsicher. Statistische Erhebungen in gewissen Gebieten zeigen eine Zunahme der abgegebenen Kinder, ohne gleichzeitige Abnahme der Kindstötungen. Möglicherweise werden eher Abtreibungen verhindert1) . Provokativ könnte man sagen, dass Babyfenster zum Preis des Verlustes der Kenntnis von Abstammung und Herkunft das Überleben gewisser Kinder ermöglichen. Juristische Überlegungen Möglichkeit genommen, sein Kind anzuerkennen, vor allem dann, wenn er gar keine Kenntnis vom Nachwuchs hat. Deshalb sind die zuständigen Behörden gemäss Zivilgesetzbuch verpflichtet, die leiblichen Eltern zu ermitteln2). Wie aktiv das sein muss, bleibt offen. Für mich ist ungeklärt, was passiert, wenn ein Kind durch Geburt, Transport oder Abgabe im Babyfenster bleibende Schäden erleidet oder stirbt. Ist dann der Betreiber der Einrichtung juristisch (mit-)verantwortlich? Wahrscheinlich würde diese Frage erst nach Eintreten eines derartigen Ereignisses juristisch entschieden werden. Ethische Überlegungen Es ist klar, dass ein Kind im Babyfenster weder Identität noch Herkunft kennen wird. Dagegen gilt es abzuwägen, welche Nachteile ihm andernfalls entstanden wären. Hier liegt es an der Gesellschaft zu gewichten, ob dies ethisch akzeptabel ist oder nicht. Ich verweise auf die diesbezüglichen Diskussionen in der Schweizerischen Ärztezeitung, die in diesem Frühjahr publiziert wurden3) . Organisatorische Massnahmen Ein Babyfenster hat einen Zugang von aussen, durch welchen das Neugeborene in ein vorge- Das Babyfenster in Einsiedeln lieferte nach seiner Einrichtung 2001 viel juristischen Diskussionsstoff. Macht sich die Mutter strafbar? Welchem juristischen Risiko setzt sich der Betreiber der Einrichtung aus? Werden die Rechte des Vaters und des Kindes, besonders im Hinblick auf Kenntnis seiner Identität und Abstammung, angemessen berücksichtigt? Die Mutter macht sich strafbar, wenn sie die Geburt ihres Kindes nicht innert drei Tagen den Behörden meldet und dem Kind Identität und Herkunft verschleiert. Die Betreiber des Babyfensters machen sich der Mittäterschaft schuldig. Einer Klage des Kindes auf Genugtuung werden aber kaum Erfolgschancen eingeräumt. Ein strafrechtliches Verschulden von Eltern und Betreibern wird eher verneint, da das Kind nicht sich selbst überlassen wird. Dem Vater wird die 33 wärmtes Bett gelegt wird. Mit kurzer Verzögerung wird ein Alarm ausgelöst, der einen definierten Personenkreis im Spital via Personensucher alarmiert. Das Neugeborene wird vom Hebammen und Pflegefachfrauen abgeholt und erstbeurteilt. Daraus ergeben sich mehr oder weniger dringliche medizinische Massnahmen. Es folgen standardisierte Abläufe. Zuerst werden der zuständige Arzt, der Spitaldirektor und die leitende Schwester informiert. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde und die Polizei werden via Spitaldirektion involviert. Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzgesetz hat die Abläufe leicht verändert, da nun nicht mehr der Bezirk, sondern der Kanton zuständig ist. Die Meldung an die Polizei erfolgt nicht notfallmässig, ausser es muss um die Gesundheit der Mutter gefürchtet werden, wie dies beim letzten Kind der Fall war. Die Hebamme ist für die administrative Anmeldung des Kindes verantwortlich. Medizinische Massnahmen Über die Massnahmen bei Eintreffen des Kindes gibt die Tabelle Auskunft. Babys aus dem Babyfenster haben keine Anamnese. Wir erfassen sofort die Vitalparameter, um den Bedarf an Massnahmen erkennen zu können. Rasch werden Gestationsalter und chronologisches Alter des Kindes bestimmt. Die anfängliche Annahme, dass praktisch nur Neugeborene von einem Alter bis zu drei Tagen abgegeben werden, hat sich nicht bewahrheitet. Mehrere Kinder waren älter, eines gemäss Begleitschreiben sogar 1 ½ Monate alt. Diese Mutter hat erfolglos versucht, das Kind zu Fortbildung Vol. 24 Nr. 4 2013 Konzept-Alarm im Babyfenster • Alle MitarbeiterInnen werden gebeten, ruhig ans Babyfenster zu gehen (nicht rennen) • Alarm am Tag: Hebamme/Pflegefachfrau 1. Stock gehen ans Babyfenster • Nachts: Pflegefachfrau 1. Stock und Pflegefachfrau Notfall/Hebamme aufbieten • Beim Zurückstellen des Bettchens darauf achten, dass das Fenster richtig geschlossen ist (Fehlalarm) 1. Auffindesituation/Erstmassnahme Datum/Visum • Kind ins Stillzimmer bringen • Fotografieren der Auffindesituation (Digitalkamera) • Status: Respi, Puls, Kolorit, Tempi, O2-Sättigung Überwachungsblattt beginnen: Kontrollen halbstündlich bis 4 x normal, dann stündlich bis 8 Stunden Isolettenüberwachung bei Bedarf Ernährung mit Maltodextrin 10% 1. Konakion – Gabe per os • Information Pädiater • wenn nicht erreichbar Anästhesie und/oder Gynäkologe, auch in der Nacht • Kleider und sonstiges Begleitmaterial des Kindes aufbewahren • Auffinden eines toten Kindes: nur Dienstarzt Medizin aufbieten, dieser informiert auch die Polizei 2. Blutentnahmen • nach Erstbeurteilung durch Pflegepersonal • kapillär: Blutgasanalyse, Hb, Hk, Glucose, Blutgruppe, Coombs, CRP, Quick • Urin: Drogenscreening, ev. Mekonium auf Drogen • durch Pädiater/Anästhesie • venös: Hepatits B und C, HIV, Toxoplasmose, Zytomegalie, Röteln, Herpes, Treponemen (plus Reserveblut) 3. Impfungen • nach der venösen Blutentnahme: aktive und passive Hepatitis B-Impfung maximal 4–6 Stunden nach dem Auffinden des Kindes 4. Untersuchungen • durch Pädiater/Gynäkologe: Neugeborenen-Status inkl. Dubowitz, weitere Untersuchungen werden nach Bedarf verordnet 5. Informationen (durch Pflegefachfrau oder Hebamme) • Spitaldirektor • Stv. Spitaldirektorin KESA (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Ausserschwyz), alleinzuständige Amtsstelle für alles administrative Handeln und Informationen an Dritte Zivilstandsamt Information an das Zivilstandsamt durch Hebamme am nächsten Werktag (nach Absprache schicken einer Geburtsanmeldung) Information des Stiftungsrates durch den Direktor 6. Besonderes fürs Personal RSE • Das Recht zur Information nach aussen liegt alleine bei der KESA • Es dürfen keine Interviews an die Presse gegeben werden • Es dürfen keine Pressefotografen zugelassen werden 7. KESA • Bestimmung einer Amtsperson, die die Aufgabe hat, alle Rechte und Pflichten des Kindes wahrzunehmen; sie leitet das Adoptionsverfahren ein (Pflegefamilie, Adoption) • Namensgebung durch den Bezirksammann (keine Veröffentlichung) • Bürgerrecht Einsiedeln • Kind ist konfessionslos • Information an die Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind Tabelle: Massnahmen beim Eintreffen des Kindes am Einsiedler Babyfenster 34 Hinweise Vol. 24 Nr. 4 2013 behalten. Über die passive Hepatitis-B-Impfung muss von Fall zu Fall entschieden werden. Für die aktive Impfung ist mehr Zeit vorhanden, je nach Kindsalter warten wir die Resultate der Serologie ab. Ergeben sich keine besonderen Probleme, geht das Kind nach rund 1 bis 2 Wochen zur Pflegefamilie. Niemand im Spital Einsiedeln kennt den weiteren Verbleib der Kinder, welcher durch den Vormund geregelt wird. Sollte zu einem späteren Zeitpunkt von Seiten des Kindes Interesse an einer Kontaktnahme bestehen, muss die Initiative von ihm ausgehen. Eine Elternschaft muss genetisch bewiesen werden. Aus Kostengründen haben wir auf die routinemässige Entnahme eines Wangenabstriches verzichtet, allenfalls muss das Kind zu einem späteren Zeitpunkt damit belastet werden. Erfahrungen mit den bisherigen Kindern Bis jetzt wurden 8 Neugeborene im Einsiedler Babyfenster abgegeben, also rund alle 1 ½ Jahre ein Kind. Sie waren zwischen wenige Stunden und ca. 6 Wochen alt und wurden nicht, wie erwartet, nur in der Nacht abgegeben, sondern über den Tag verteilt. Einmalig waren sofortige ausserordentliche Massnahmen nötig. Es betrifft dies ein Kind, welches an einer Hypothermie mit Bradycardie und Arrhythmie litt und deshalb in eine Neonatologie verlegt werden musste. Ein weiteres Kind wurde sekundär weiterverlegt, da es ein schlechteres Kolorit, eine grenzwertig erhöhte Körpertemperatur und ein akut schlechteres Trinkverhalten bei gleichzeitiger Chlamydienkonjunktivitis zeigte. Der Sepsisverdacht wurde glücklicherweise nicht bestätigt, so dass es nach wenigen Tagen rückverlegt werden konnte. Die anderen Kinder boten keine wesentlichen medizinischen Probleme. Eigentlich überra- schend ist, dass wir nie mit stärkeren Entzugssymptomen konfrontiert waren. Hauptproblem bei mehreren Kindern war die tiefe Körpertemperatur bei Eintritt. Ausser im oben geschilderten Fall reichten aber die normalen Aufwärmmassnahmen. Bis zur Klärung des Gesundheitszustands des Kindes wird die Betreuung zum Ausschluss einer Infektgefährdung anderer Kinder getrennt von den «normalen» Neugeborenen durchgeführt, meist unter der Verantwortung einer Hebamme. Behördliche Massnahmen und Kosten Das Kind erhält nach Eintritt jeweils rasch einen gesetzlichen Vertreter, der seine Interessen wahrnimmt. Ich halte es für wichtig, dass zwischen den medizinischen und den vormundschaftlichen Massnahmen eine klare Trennung vorhanden ist. So ist weder mir noch den betreuenden Personen bekannt, was aus den Kindern genau geworden ist. Es ist den Adoptiveltern überlassen, wie sie das Kind zu einem späteren Zeitpunkt über seine Herkunft informieren. Die Behörde hat sich im Interesse der Kinder entschieden, nicht über deren weiteres Leben zu informieren. Natürlich wäre es interessant zu wissen, was die betroffenen Kinder später von der Einrichtung denken. Vielleicht wird sich ja irgendwann eine betroffene Person im Spital melden und uns ihre Meinung kundtun. Die Infrastrukturkosten des Babyfensters werden von der HMK übernommen. Die Alarmierung geht an Personen, die ohnehin im Dienst sind, so dass formell keine Zusatzkosten entstehen. Die Kinder unterstehen Schweizer Recht mit entsprechendem Krankenkassenobligatorium. Sie werden von der Bezirkskrankenkasse Einsiedeln grundversichert, die auch die Kosten der medizinischen Massnahmen übernimmt. Bleiben noch die Kosten der vormundschaftlichen Massnahmen, inklusive Platzierung in Pflegefamilien, die von der öffentlichen Hand getragen werden müssen. Schlussbemerkungen Die Eröffnung des Babyfensters hat viel Mut gebraucht, da die juristische Situation unklar war und ist. Die Initiative ging von unserem Frauenarzt, Dr. Werner Förster, aus, der zusammen mit der Stiftung «Hilfe für Mutter und Kind» das Babyfenster mit viel Enthusiasmus realisiert hat. Wohlwissend, dass ich grosse Bedenken gehabt hätte, wurde ich erst am Tag vor der Pressekonferenz zur Eröffnung in den «Geheimplan» eingeweiht. So blieb wenig Zeit, das medizinische Konzept und die genauen Abläufe zu erarbeiten. Die Einrichtung kann nur existieren, wenn sie im Umfeld auf Goodwill stösst. Besonders dankbar bin ich der Vormundschaftsbehörde Einsiedeln, respektive der KESA (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Ausserschwyz), die die Betreuung der Babyfensterkinder vorbildlich übernimmt. Dank gilt auch der Kantonspolizei, die ihre Pflichten mit viel Wohlwollen und Feingefühl erledigt. Auch die politischen Behörden stehen hinter dem Babyfenster, nie kam es zu kritischen Fragen, auch wenn dem Bezirk Kosten entstehen. Das Babyfenster ist nach nun rund 12 Jahren eine akzeptierte Einrichtung. Es ist wichtig, dass alles getan wird, damit sie möglichst wenig genutzt werden muss, ebenso wichtig ist, dass die ethischen Diskussionen weitergeführt werden. Wünschenswert wäre, dass solche Babyfenster einem grossen Zentrum angeschlossen sind, da dort mehr medizinische Massnahmen verfügbar sind als in einem kleinen Spital wie Einsiedeln. Referenzen 1) Joelle Coutinho/Claudia Krell: Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland-Fallzahlen, Angebote, Kontexte, Deutsches Jugendinstitut. http://www. dji.de/Projekt_Babyklappen/Berichte/Abschlussbericht_Anonyme_Geburt_und_Babyklappen.pdf. 2) Prof. Dr. H. Hausheer/Dr. R. E. Aebi-Müller, Renaissance einer alten Idee: Das Einsiedler Babyfenster aus (zivil)rechtlicher Sicht, recht 2002, Heft 1, S. 1–16. 3) Martin J: Sind Babyfenster ethisch akzeptabel? Schweizerische Aerztezeitung 2013, 94 (11): 446. Korrespondenzadresse Dr. Stephan Rupp FMH Kinderarzt Spitalstrasse 30 8840 Einsiedeln [email protected] 35 Hinweise Vol. 24 Nr. 4 2013 Ungewollte Kinder Eine ethische Abwägung von Babyfenstern Ruth Baumann-Hölzle* und Andrea Abraham** Hintergrund Die Aussetzung von Neugeborenen reicht weit in die Geschichte zurück. Früh schon wurde die Frage aufgeworfen, wer sich diesen Kindern annehmen soll und wie die Risiken der Aussetzungen gemindert werden können. Die Kirchen sahen es bald als ihre Pflicht, sich um diese Findelkinder zu kümmern. Sie richteten an Kirchen- und Klosterpforten Wiegen, Dreh laden und Türen ein, an denen die Neugeborenen anonym abgegeben werden konnten. Weil in viele dieser Einrichtungen auch ältere kranke oder behinderte Kinder gelegt wurden, brachte man an einigen von ihnen Gitterstäbe an, die so eng beieinander lagen, dass nur neugeborene Kinder hindurchpassten1) . Im Kontext dieser Einrichtungen wurde ein bestimmtes Bild der Mütter konstruiert, deren Kind man durch die Drehlade vor einem gewaltsamen Tod retten wollte. So steht bei der Hamburger Drehlade, welche 1709 installiert wurde, geschrieben: «Auf dass der Kindermord nicht künftig wird verübet, Der von tyrannischer Hand der Mutter oft geschieht, Die gleichsam Molochs Wuth ihr Kindlein übergiebet, Ist dieser Torno hier auf ewig aufgericht»2) Heute findet die Stigmatisierung der Mutter zumindest im öffentlichen Diskurs nicht mehr statt, aber die Lebensrettung des Neugeborenen wird immer noch als gewichtiges Argument für die Legitimierung der Babyfenster verwendet. Seit den späten 1990er Jahren wurde die historische Idee der Drehlade wieder aufgenommen, so dass es heute weltweit Babyfenster gibt, die sowohl von christlichen als auch unabhängigen Organisationen betrieben werden. Je nach Land werden für die Babyfenster an dere Begriffe verwendet wie «Babyklappe», «angel’s cradle», «babys’ safe haven», «door of * Leiterin des Instituts Dialog Ethik ** Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts Dialog Ethik hope», «mothers‘ Moses basket», «storks’ cradle» oder «la ruota». Obschon die Grundidee der verschiedenen Babyfenster dieselbe ist, ist ihr jeweiliger soziokultureller Kontext und der Grund der Nutzung oft sehr unterschiedlich. Beispielhaft seien hier eine restriktive Familienpolitik (z. B. Einkindpolitik) genannt, der tiefe Status von weiblichen Neugeborenen, die Stigmatisierung von und fehlende Ressourcen für behinderte Kinder, oder ein Mangel an Unterstützungsangeboten für arme Familien und allein erziehende Mütter. Im deutschsprachigen Raum wurde das erste moderne europäische Babyfenster im Jahre 2000 in Hamburg eingeweiht mit dem Ziel, damit präventiv gegen Kindestötungen vorzugehen. In der Schweiz wurde 2001 am Spital Einsiedeln das erste Babyfenster eingerichtet, mehr als zehn Jahre später folgten Babyfenster an den Spitälern Davos und Olten. Geplant sind weitere Fenster in Bellinzona und Bern. Nach dem Spitalaufenthalt übernehmen die kantonalen Behörden das Neugeborene und platzieren es bei Pflegeeltern. Wird es innerhalb eines Jahres nicht von seiner Mutter bzw. seinen Eltern zurückgeholt, wächst es bei Adoptiveltern auf. Alle bisherigen Babyfenster werden von der Organisation «Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind» (SHMK) finanziert. Die SHMK betreibt die Webseite www.baby fenster.ch und bietet Bedürftigen kostenlose telefonische oder persönliche Beratung als auch finanzielle Unterstützung an. Gegründet wurde die SHMK vom «Verein Mamma», hinter dem konservativ-christliche Abtreibungsgegner stehen. Ihr Gedankengut wird auf der Informationswebseite zu den Babyfenstern nicht explizit angegeben, kommt aber beispielsweise bei der Auflistung «33 Gründe für ein Baby» zum Ausdruck, zu denen gehören: «weil Gott will, dass Babys leben» oder «weil Gott in der Bibel gesagt hat: ‹Seid fruchtbar und mehret euch!›». Die Haltungen gegenüber Babyfenstern gehen in der Schweiz weit auseinander. Sie reichen von der genannten konservativ-christlichen Ablehnung gegenüber dem Schwanger- 36 schaftsabbruch, über Positionen, welche Babyfenster als ein notwendiges niederschwelliges Ergänzungsangebot betrachten, bis hin zu Gegenpositionen, welche die Babyfenster insbesondere aufgrund der anonymen Abgabe und der damit einhergehenden unklaren Herkunft des Kindes und der verunmöglichten medizinischen und psychologischen Betreuung der Mutter nicht akzeptieren. Letztere Position wird mit Bezugnahme auf die UNO Kinderrechtskonvention auch im internationalen Kinderrechtsdiskurs vertreten. In den vergangenen Jahren wurden auf politischer Ebene auch andere anonyme Angebote debattiert, wie die diskrete oder anonyme Geburt. Zwei parlamentarische Vorstösse der SVP und der CVP, welche 2008 in diesem Zusammenhang gemacht wurden, erlitten beide eine Niederlage. Begründet wurde die Abweisung der Vorstösse mit der fehlenden Evidenz: Man wisse nicht mit Sicherheit, ob die vorgeschlagenen Angebote tatsächlich Kinderleben retten würden, sondern nehme es lediglich an. Deshalb wurde bei der Behandlung dieser Vorstösse das Recht auf biologische Identität höher gewertet als die anonyme Geburt. Nach wie vor ist es so, dass Spitäler, Geburtshäuser und freischaffende Hebammen rechtlich zur Meldung eines geborenen Kindes an das Zivilstandesamt und somit zu einer registrierten Geburt verpflichtet sind. Aus Gründen der Patientensicherheit werden Geburten unter Codes bzw. Pseudonymen nur sehr selten durchgeführt, so z. B. bei akut bedrohten oder bei sehr berühmten Frauen. Die Anonymisierung dient dabei aber lediglich administrativen spitalinternen Zwecken und beeinflusst die Meldepflicht an die Behörden nicht. Wer gibt seine Kinder in Babyfenstern ab? Der Diskurs um Babyfenster ist geprägt von einer hohen Emotionalität, impliziten und expliziten Werthaltungen gegenüber dem Schwangerschaftsabbruch und einer schwachen empirischen Datenlage. Wer aber sind diese Frauen bzw. Eltern, die ihr Neugeborenes in Babyfenstern abgeben? Aus welchen Notlagen rührt ihre Entscheidung zur anonymen Abgabe? Im Gegensatz zur Schweiz, wo sich diese Fragen aufgrund der niedrigen Zahlen nicht beantworten lassen, hat man die Babyfenster Nutzung in Deutschland so weit wie möglich wissenschaftlich begleitet. Im Rahmen einer deutschen Studie konnten sechs Frauen interviewt werden, die ihre Hinweise Vol. 24 Nr. 4 2013 Kinder in einem Babyfenster abgegeben hatten3) . Sie traten aber alle zu einem bestimmten Zeitpunkt aus der Anonymität heraus, da fünf von ihnen ihr Kind wieder zurückgeholt haben. Die Beweggründe der grossen Anzahl von Frauen, die anonym geblieben ist, konnte deshalb in der Studie nicht erhoben werden. Auffallend ist, dass bei den interviewten Frauen keine Typisierung bezüglich Alter, Bildung, Herkunft oder Familienstand vorgenommen werden kann: sie bilden eine sehr heterogene Gruppe. Damit relativiert sich die oft kolportierte Annahme, dass die Benutzerinnen von Babyfenstern wahrscheinlich jung und alleinstehend seien. Die befragten Frauen erzählten, dass sie auf die Schwangerschaft mit Unverständnis, Schock oder Panik reagiert hätten. Sie konnten die Schwangerschaft nicht verstehen, nicht annehmen, und sich nicht mit ihr identifizieren. Einige verdrängten die Schwangerschaft weitgehend, interpretierten ihre Gewichtszunahme anderweitig, wieder andere isolierten sich zunehmend von ihrem sozialen Umfeld. Die Frauen schilderten verschiedenartige Gründe für das Verschweigen bzw. die Unerwünschtheit der Schwangerschaft: Dazu gehören die Angst vor sozialer Ächtung und Unverständnis, Schamgefühle, fehlende Unterstützung oder Abtreibungserwartungen durch ihr soziales Umfeld, Gefährdung der eigenen Ausbildungs- und Karrierepläne, eine von der Familie nicht akzeptierte Liebesbeziehung, kein (weiterer) Kinderwunsch des Partners, Schwangerschaft durch einen One-night-stand oder die hohe Arbeitsbelastung des Partners. Die befragten Frauen gingen zu keinen gynäkologischen Vorsorgeuntersuchungen und haben ihre Kinder heimlich und geräuscharm zuhause geboren, teilweise trotz Anwesenheit anderer Personen im selben Haushalt. Das soziale Umfeld jener Frauen, die das Kind wieder zurückholten, reagierte geschockt und enttäuscht darüber, nicht schon während der Schwangerschaft ins Vertrauen gezogen worden zu sein. Rückblickend schätzten die Frauen, dass sie nach der Rücknahme ihrer Kinder eine engmaschige professionelle Betreuung erfuhren. Sie hätten sich gewünscht, diese Unterstützung bereits im Zuge der Schwangerschaft erhalten zu haben. Kindesaussetzung und Kindestötung Die Hoffnung, dass die Einrichtung von Babyfenstern die Anzahl der Tötung von Neugeborenen (Neonatizid) verringern kann, lässt sich nicht bestätigen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass es sich bei der Kindesaussetzung und dem Neonatizid um zwei unterschiedliche Phänomene handelt. Obwohl sowohl Mütter, die ihr Kind töten als auch jene, die ihr Kind in ein Babyfenster ablegen, ihre Schwangerschaft verdrängen oder bewusst verheimlichen, sich dadurch sozial isolieren und deshalb anonym bleiben wollen und kaum über Vertrauensbeziehungen verfügen, scheinen sie sich in ihrer Haltung dem Kind gegenüber stark zu unterscheiden. Mütter, die ihre Neugeborenen in ein Babyfenster legen, begründen ihre Motivation für diesen Schritt mit Fürsorglichkeit und Verantwortungsbewusstsein3) . Sie wollen ihnen eine Chance geben, indem sie wissen, dass ihre Kinder gefunden werden und hoffen, dass sie in einem besseren Elternhaus aufwachsen. Neben Handlungen aus Verantwortlichkeit ist aber davon auszugehen, dass Frauen ihre Neugeborenen manchmal auch irrational aus einer Panik und Überforderung heraus abgeben. Mütter, die ihre neugeborenen Kinder töten, löschen das Leben ihrer Kinder hingegen aus und nehmen ihnen damit die Option für ein gutes Leben. Die von Krüger4) analysierten Fälle von Neonatiziden in der Schweiz bringen denn auch eine starke Passivität der Mütter ihren Neugeborenen gegenüber zum Ausdruck, die in der Studie mitunter in einen biographischen und psychologischen Kontext gesetzt wird. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen und Erkenntnisse ist anzunehmen, dass die Alternative zum Babyfenster in den meisten Fällen nicht der Neonatizid, sondern die Kindesaussetzung an einem vergleichsweise ungeschützten Ort ist. Es ist daher fraglich und empirisch nicht belegt, dass Babyfenster Neonatizide vermeiden helfen und somit zur «Rettung» von Kinderleben führen, auch wenn von den Anbietern der Babyfenster mit diesem Argument dafür geworben wird. Ethische Abwägung Bei allen drei Phänomen – der Kindesaussetzung in ein Babyfenster, der ungeschützten Aussetzung und dem Neonatizid – stellt sich die Frage, aus welcher Motivation heraus und mit welchem Ziel die urteilsfähige* Frau handelt. Ethisch relevant ist, ob sie aus eigener Einschätzung zum Wohle des Kindes handelt, weil sie nicht Mutter des Kindes sein möchte, oder ob sie sich überfordert fühlt, diese Rolle einzunehmen. Bei einem Neonatizid erachtet die Mutter das Leben des Kindes als nicht 37 lebenswert. Es kann durchaus sein, dass sie die Tötung mit dem Kindeswohl begründet, weil sie es mit dem Überleben des Kindes als nicht vereinbar erachtet. Trotzdem handelt es sich dabei rechtlich betrachtet aber nicht um aktive Sterbehilfe, sondern um eine Tötung, auch wenn dieser ein altruistisches Motiv zugrunde liegen kann. Oder aber sie betrachtet das Kind als Schaden für ihr eigenes Leben, was sich in den «wrongful life»-Diskurs einbetten liesse. Auch die Kindesaussetzung in einem Babyfenster oder an einem ungeschützten Ort kann durch das Kindeswohl motiviert sein. Geschieht sie an einem ungeschützten Ort, ist das Kindeswohl grundsätzlich gefährdet: Die Frau delegiert das Kindeswohl an ein namenloses Schicksal und nimmt unter Umständen Missbrauch und/oder Tod des Kindes in Kauf, sodass der Tod des Kindes als mögliche Folge der Aussetzung zwar nicht als aktive Tötung, aber als fahrlässige Tötung gewertet werden muss. Die Kindesaussetzung in Obhut im Rahmen eines Babyfensters kann unter Umständen allein durch das Kindeswohl motiviert und begründet sein. Die Frau delegiert die Sorge um das Kind und sein Wohl an eine dafür zuständige Organisation. Während die Frau beim Neonatizid das Grundrecht des Kindes auf Leben nicht respektiert und im Falle der ungeschützten Aussetzung sein Leben gefährdet, kann sie durch das Babyfenster dem Anspruch des Kindes auf Überleben gerecht werden. Das Kindeswohl wird hinsichtlich des Anspruchs des Kindes, seine Herkunft zu kennen, jedoch eingeschränkt respektiert. Dieser Aspekt stellt so auch einen der Hauptkritikpunkte an den Babyfenstern dar. In seiner Stellungnahme betont der Deutsche Ethikrat5) , dass die Entwicklung der Identität gebunden ist an eine bekannte Herkunft und eine Zukunft und setzt Anonymität mit Verlust und Verlusterfahrung gleich. Er erachtet es als Aufgabe des Rechtsstaates, seinen Bürgern Zugang zu diesem Wissen über ihre Existenz zu ermöglichen. So kritisiert der Deutsche * Die Urteilsfähigkeit aber auch die Willensfreiheit sind gerade bei einer Kindesaussetzung oder Kindestötung schwierig zu bestimmen, weil sie neben den Persönlichkeitsstrukturen der Frau auch von den politischen, sozialen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, von Handlungsalternativen und Unterstützungsangeboten abhängig sind. Zudem geht es um ultima-ratio-Handlungen und oft Verzweiflungstaten. Fortbildung Ethikrat denn auch, dass die Anonymitätszusicherung an die Mutter (und den Vater) höher gewichtet wird als die Verletzung des Kinderrechts auf Kennen der Herkunft. Trotz dieser kritischen Sicht kann man aber davon ausgehen, dass diese Kinder als spätere Adoptivund damit Wunschkinder die Chance für eine gute Lebensqualität haben. Vol. 24 Nr. 4 2013 pelt, wie man die Babyfenster sieht: Als Entsorgungsklappe, als sicherer Zwischenhalt des Neugeborenen vor seiner anstehenden Lebensreise oder als Zwischenhalt für die Mutter, während dem sie sich Gedanken über das «wie weiter» machen kann. Literaturverzeichnis Die Anonymität der Babyfenster geht nicht nur mit Fragen zum Kindeswohl, sondern auch mit Fragen zum Wohl der Mütter einher. Die Anonymität der Babyfenster ist deshalb ethisch nur dann vertretbar, wenn sie mit einem Beratungsangebot verknüpft sind. Ziel einer humanen Gesellschaft kann nicht die Stärkung von Anonymität sein, sondern der Ausbau sozialer Fürsorge, persönlicher Beziehungen und Solidarität. Obwohl die Mütter mit dem Angebot der Babyfenster Unterstützung für ihre als schwierig empfundene Lebenssituation erhalten, ist damit das Problem nämlich nicht gelöst. So betonen Coutinho & Krell (2011: 291): «Tatsächlich kommt ein neuer belastender Faktor, nämlich die anonyme Trennung vom Kind, hinzu.» 1) Lehmann, V. 2008: Drehlade, Findelkind, Babyklappe. Verlassen von Mutter und Vater. Frauenarzt 48 (3): 250–255. 2) Baxmann, M. 2009: Drehladen und Findelhäuser. Die Geschichte der Kindesaussetzungen. Online unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/ Zeitreisen/925203/ 3) Coutinho, J. und C. Krell 2011: Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland. Fallzahlen, Angebote, Kontexte. München: Deutsches Jugendinstitut e. V. 4) Krüger, P. 2013: Prevalence and phenomenology of neonaticide in Switzerland 1980–2010: a retrospective study. Under review. 5) Deutscher Ethikrat 2009: Das Problem der anonymen Kindesabgabe. Stellungnahme. Berlin: Deutscher Ethikrat. Korrespondenzadresse [email protected] Bei den Beratungsangeboten sollte darauf geachtet werden, dass sie entweder von «neutraler» Seite betrieben werden bzw. dass die Haltung der Betreiber transparent ausgewiesen wird. Es ist nicht egal, wer oder welche ideologische Haltung hinter den Babyfenstern und den damit verbundenen Beratungsangeboten steht, weil sich die hilfesuchenden Frauen in einer speziell vulnerablen und abhängigen Situation befinden. Die Schweizer Babyfenster sollten deshalb aus dem christlich-konservativen Hintergrund herausgelöst und unabhängig betrieben werden. Die Gesellschaft ist dazu verpflichtet dafür zu sorgen, dass ungewollt schwangere Frauen die in dieser Situation notwendige niederschwellige Unterstützung bekommen um sich frei für ihr Kind oder auch gegen eine Schwangerschaft entscheiden zu können. Bedeutsam ist aber nicht nur der strukturelle Rahmen. Gerade in der Schweiz besteht ein relativ breites Angebot an niederschwelligen Strukturen und Angeboten für (werdende) Mütter und ihre Kinder. Die bisher erhobenen Daten zeigen, dass es den Frauen, die ihre Schwangerschaft verheimlicht und/ oder verdrängt haben, insbesondere an familieninterner Unterstützung und nahen Vertrauensbeziehungen gefehlt hat. Nichtsdestotrotz bleibt es Interpretationssache und an die individuelle Situation gekop- 38 Hinweise Vol. 24 Nr. 4 2013 SPSU – Jahresbericht 2012 Die Swiss Paediatric Surveillance Unit (SPSU) ist ein seit 1995 bestehendes nationales Erhebungssystem, das gemeinsam von der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie und dem Bundesamt für Gesundheit betrieben wird. Im Rahmen der SPSU wurden 2012 von 20 der 33 beteiligten pädiatrischen Weiterbildungskliniken insgesamt 73 sichere Krankheitsfälle gemeldet: 62 Fälle von ExtendedSpectrum-Beta-Lactamase (ESBL) produzierendem gramnegativem Erreger, acht Fälle von akuter schlaffer Lähmung als Indikator der Poliomyelitisüberwachung, zwei Fälle von Harnstoffzyklusdefekten und ein Fall von kon genitaler Toxoplasmose. Es sind keine Fälle von kongenitalen Rötelninfektionen aufgetreten. Dank Wir danken allen Verantwortlichen in den Kliniken für die wertvolle Mitarbeit, die für das Funktionieren und den Erfolg des SPSU-Meldesystems entscheidend ist. Für das SPSU-Komitee: C. Rudin, Basel (Präsident) V. Bernet-Büttiker, Zürich K. Posfay Barbe, Genf B. Laubscher, Neuchâtel G. Simonetti, Bern M. Mäusezahl, Bern D. Beeli, Bern Die Anzahl Fälle der abgeschlossenen und laufenden Studien sind in der Tabelle wiedergegeben. Der vollständige Jahresbericht erscheint im Bulletin des BAG Nr. 38 vom 16.9. 2013 und ist auf der Homepage der SGP einzusehen: www.swiss-paediatrics.org. SPSU-Studien Dauer sichere Fälle Kongenitale Toxoplasmose 1/1995 bis 12/1998 und 6/2009 bis 5/2014 21 Vitamin-K-Mangelblutung 1/1995 bis 12/2000 und 7/2005 bis 6/2011 27 Zyst. periventrikuläre Leukomalazie 1/1996 bis 12/1997 48 Hämolytisch-urämisches Syndrom 4/1997 bis 3/2003 und 4/2004 bis 3/2010 249 Frühsommer-Meningoenzephalitis 1/2000 bis 2/2003 23 Varizellen-Zoster 1/2000 bis 3/2003 235 Akutes rheumatisches Fieber 6/2000 bis 5/2010 24 Neuralrohrdefekt 1/2001 bis 12/2007 258 Schwere RSV-Infektionen 10/2001 bis 9/2005 462 Schütteltrauma 7/2002 bis 6/2007 50 Neonataler Herpes 7/2002 bis 6/2008 5 Invagination 4/2003 bis 3/2006 243 Pertussis 4/2006 bis 3/2010 127 Anaphylaxie 5/2007 bis 4/2010 58 Akute schlaffe Lähmung 1/1995 laufend 188 Kongenitale Röteln 1/1995 laufend 2 Schwere Hyperbillirubinämie 10/2006 bis 12/2011 172 Extended-spectrum β-lactamase (ESBL)produzierender gramnegativer Erreger 7/2008 bis 6/2012 403 Harnstoffzyklusdefekt 1/2012 bis 12/2013 2 39 Hinweise Vol. 24 Nr. 4 2013 Masern ab Ende Oktober dank nationaler Kampagne im Fokus Die Schweiz hat beschlossen, gemeinsam mit der Region Europa der Weltgesundheitsorganisation WHO bis 2015 masernfrei zu werden. Dank der sich stetig verbessernden MasernDurchimpfung in der Schweiz erkranken heute nur noch wenige Personen an Masern. Die rar gewordenen persönlichen Erfahrungen mit Masernerkrankungen bei der Schweizer Bevölkerung führen dazu, dass das für die Zielerreichung der Masernelimination nötige Bewusstsein für die Masern und deren Gefährlichkeit nicht mehr vorhanden ist. Mit einer gemeinsamen Kampagne zur Masernelimination wollen Bund und Kantone das Thema Masernelimination ins Bewusstsein der Bevölkerung zurückholen und ein Verständnis für die Notwendigkeit der Masernimpfung schaffen. Die Kampagne mit dem Slogan «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» wird in der letzten Oktoberwoche 2013 mit dem Aushang von Plakaten und einem Fernsehspot national lanciert. Ab diesem Zeitpunkt werden Ärztinnen und Ärzte wohl häufiger mit Fragen zu Masern, Masernimpfung und Masernelimination konfrontiert sein. Zur Information der Patientinnen und Patienten stehen der Ärzteschaft Begleitmaterialien zur nationalen Maserneliminations-Kampagne zur Verfügung, die ab Mitte Oktober 2013 kostenlos beim Bundesamt für Bauten und Logistik BBL bezogen werden können (Bestellinformationen vgl. Box). Ab Kampagnenstart ist auch die Internetseite www.stopmasern.ch online. Weitere Informationen zur Kampagne können Sie dem Heft 43 der Schweizerischen Ärztezeitung vom 23. Oktober 2013 entnehmen. Bestellinformationen Begleitmaterialien Maserneliminationskampagne Bestelladresse Bundesamt für Bauten und Logistik BBL, Verkauf Bundespublikationen, 3003 Bern Fax: 031 325 50 58, E-Mail: verkauf@[email protected] Verfügbare Materialien •Broschüre «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» ohne FMH-Logo, Bestellnummer: 311.289 •Broschüre «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» mit FMH-Logo, Bestellnummer: 311.289.1 •Flyer «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» (Kurzversion der Broschüre) ohne FMH-Logo, Bestellnummer 311.290 •Flyer «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» (Kurzversion der Broschüre) mit FMH-Logo, Bestellnummer 311.290.1 •Factsheet zur MMR-Impfung der Eidg. Kommission für Impffragen EKIF (Blöcke von 50 Papierexemplaren), Bestellnummer: 311.276 Sprachen Alle Materialien sind deutsch-, französisch- und italienischsprachig verfügbar Korrespondenzadresse Eidgenössisches Departement des Innern EDI Bundesamt für Gesundheit BAG Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit Schwarztorstrasse 96 CH-3003 Bern [email protected] 40 Hinweise Vol. 24 Nr. 4 2013 Wasserzubereitung und Mineralwasser aus der Flasche (ohne Kohlensäure) zur Herstellung von Säuglingsschoppen Update zur Information der Ernährungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie aus dem Jahr 2001 Johannes Spalinger, Luzern In der Schweiz ist das Hahnenwasser (Leitungswasser) von sehr hoher Qualität sowohl in Bezug auf die chemische Zusammensetzung wie auch auf dessen mikrobiologischen Gehalt. Es kann daher bedenkenlos für die Herstellung der Säuglingsschoppen verwendet werden. Es gibt keine wissenschaftlichen Grundlagen, das Hahnenwasser nicht für die Herstellung von Säuglingsschoppen zu verwenden. Für den Säuglingsschoppen wird empfohlen (WHO), das Wasser auf > 70 ° C abzukochen, für die Zubereitung des Schoppens abzukühlen und danach bei Körpertemperatur anzubieten. Damit kann das Risiko einer Infektion mit dem Bakterium Enterobacter sakazakii (eine seltene Ursache einer schwer verlauf enden bakteriellen Infektion bei Früh- und Neugeborenen) reduziert werden. Der Säuglingsschoppen sollte immer frisch vor jeder Mahlzeit zubereitet werden, nicht getrunkener Schoppen soll verworfen werden und nicht für die nächste Mahlzeit aufbewahrt werden. Wünschen die Eltern Mineralwasser aus der Flasche zu verwenden, was nicht empfohlen wird, muss dieses ebenfalls abgekocht werden. Einmal geöffnet, ist die Mineralwasserflasche im Kühlschrank aufzubewahren, nicht länger als 24 Stunden. Zur Herstellung des Säuglingsschoppens eignen sich nur Mineralwasser, welche wenig Mineralsalze enthalten. Das Risiko einer Salzüberladung (hypertonen Dehydratation) beim Gebrauch von mineralienreichen Mineralwassern ohne Kohlensäure ist nicht zu vernachlässigen. In der Schweiz bestehen keine Empfehlungen betreffend Höchstgehalt an Natrium, Nitraten und Sulfaten für Mineralwasser zur Zubereitung von Säuglingsschoppen. In Deutschland, Grossbritannien (NHS) und der USA (FDA) wurden Höchstwerte definiert. Diese liegen in folgenden Bereichen: Natriumgehalt < 20 mg/L bis < 200 mg/L Nitratgehalt <10 mg/L bis < 50 - 100 mg/L Sulfatgehalt < 240 mg/l bis < 500 mg/l. Quellen • Ernährungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie. Mineralwasser aus der Flasche (ohne Kohlensäure) zur Herstellung von Säuglingsschoppen. Paediatrica 2001; 12: 44–45. • www.mineralwasser.ch. • FDA (www.fda.gov/ForConsumers/Consumer Updates/ucm048694.htm). •NHA: www.nhs.uk/conditions/pregnancyand-baby/pages/making-up-infant-formula.aspx. • Deutsche Mineralwasser Verordnung 2006 (MTW) • Kantonales Labor Zürich, Mineralwasser Zusammensetzung. • Säuglingsernährung und Ernährung der stillenden Mutter Handlungsempfehlungen – Ein Konsensuspapier im Auftrag des bundesweiten Netzwerk Junge Familie Monatsschr Kinderheilkd 2010 158: 679–689. Korrespondenzadresse Dr. med. J. Spalinger, Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung Kinderspital Luzern 6000 Luzern 16 [email protected] Mineralwasser (mg/l) Natrium Nitrate Sulfat Fluorid Calcium Magnesium Chlorid Allegra 1.5 1.8 42 0.1 90 23 1 Arkina 7.1 <0.1 9 1.2 37 22 3 Evian 6.0 3.7 12.6 – 80 20 2 Fontessa 3 <0.1 120 <0.1 114 7 <1 Henniez bleu 5.8 17.3 12.4 0.1 106 8 13.5 Vittel 7.3 1.8 105 0.16 11.5 8 13.5 Volvic 11.6 6.2 8.1 0.2 11.5 8 13.5 Beispiele einzelner Mineralwasser mit niedrigem Gehalt an Natrium, Nitraten und Sulfat (keine abschliessende Aufzählung). Bern 5.3 17 22 0.05 100 13 9.3 Zürich 4.7 4 15 0.1 54 8 4 Leitungswasser Bern und Zürich. 41 Hinweise Vol. 24 Nr. 4 2013 Preisverleihungen anlässlich der Jahresversammlung 2013 der SGP: Guido Fanconi Preis 2013 Marianne Caflisch gogiques et pluriculturelles au service de la médecine de l’adolescence. Après une formation en France en médecine de l’adolescence, Marianne Caflisch met en route dès son retour à Genève, en 1997, la consultation de médecine de l’adolescent, suivie en 2002 de la consultation Santé Jeunes. En reconnaissance pour son engagement de pionnière dans le développement de la médecine de l’adolescence en Suisse. La Société Suisse de Pédiatrie remet le Prix 2013 Guido Fanconi à la Doctoresse Marianne Caflisch. Nous avons la grande chance de compter parmi nos membres une pédiatre visionnaire, innovatrice, nous entraînant avec conviction dans un domaine pédiatrique resté trop longtemps inexploré. Le prix Guido Fanconi de cette année revient à cette pédiatre haute en couleur et au caractère bien trempé, qui a su nous montrer que les aléas de la vie peuvent être des opportunités, elle qui a mis sans compter ses compétences cliniques, péda Grâce à elle, la médecine de l’adolescence a trouvé sa place au sein de la pédiatrie suisse; elle a participé à l’introduction de cette spécialité dans les divers départements de pédiatrie en Suisse et a été présidente de l’Association suisse pour la santé des adolescents. Qu’elle soit en consultation auprès des ados, présidente de l’ASSA ou en tournée pour former les multiples milieux professionnels concernés, Marianne Caflisch mérite la reconnaissance pour son travail de pionnière et le soutien pour la poursuite de son engagement que nous souhaitons lui manifester par ce prix Guido Fanconi 2013. Bammatter Preis 2013 Preis PIA-CH 2013 Talent-Preis 2013 Matthias Roth Caroline Guyer for her work: Cycled light exposure reduces fussing and crying in very preterm infants Jean-Christoph Caubet . The jury decided to give to Dr Matthias Roth the Bammatter Prize 2013 for the scientific value of his research. He succeeded to draw a link between epidemiology of neonatal respiratory distress, lung morphology, surfactant alterarations and prevention of bronchopulmonary dysplasia. 42 Hinweise Vol. 24 Nr. 4 2013 La Chaux-de-Fonds – eine Stadt begegnet Kinderärzten Nathalie Schallenberger1) , Souhaïl Latrèche2) , Rudolf Schlaepfer3) , Eric Tissot4) , La Chaux-de-Fonds Unter den vielen Ständen pharmazeutischer Firmen fand sich am diesjährigen Kongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie in Genf ein Stand der Stadt La Chaux-deFonds. Wozu ein solcher Stand? Warum stellt sich eine Stadt an einem Ärztekongress vor? In Sorge um die Gesundheit und das Wohlergehen der Bevölkerung haben die Stadtbehör den nach Möglichkeiten gesucht, dem Mangel an Grundversorgern, Allgemein- und Kinderärzten vorzubeugen, der La Chaux-de-Fonds wie auch anderen Städten und Regionen der Schweiz droht. Städte und Länder aufsuchen, Handelskontore eröffnen, an die Menschen herantreten, die Nachfrage und die Bedürfnisse des Kunden «spüren» und zu verstehen versuchen, und schliesslich pragmatische und effiziente Lösungen suchen und finden, ist eine tief im Geist der Uhrmacher verankerte Tradition. An die Ärzten herantreten, um ihre Bedürfnisse und Wünsche besser zu verstehen, war für die Stadtbehörden deshalb ein selbstverständlicher Schritt. Der atypische Marktstand der Stadt La Chaux- de-Fonds überraschte vorerst. Nachdem aber die Befürchtung, es könnte sich um Tourismuswerbung handeln, zerstreut war, haben die Besucher schnell die ins UNESCO-Welterbe aufgenommene Uhrenmetropole erkannt und reges Interesse gezeigt. Unter der Überschrift «La Chaux-de-Fonds c’est bon pour la santé» wurden Äpfel verteilt und die Gelegenheit genutzt, über Zukunftspläne zu sprechen. Mehrere junge (und ältere) Kollegen sind der Einladung der Stadtbehörden gefolgt und werden mit Lebenspartner oder Familie ein Wochenende in La Chaux-de-Fonds verbringen, um die vielseitigen Facetten dieser Stadt und ihrer Umgebung kennen zu lernen. Das 1) Stadträtin, Direktion Schul-, Gesundheits-, Sozialwesen und Aussendienst der Stadt La Chaux-deFonds 2) Leiter des Dienstes für Gesundheit und Gesundheitsförderung der Stadt La Chaux-de-Fonds 3) Mitglied der Kommission für Gesundheit und Gesundheitsförderung der Stadt La Chaux-de-Fonds 4) Koordinator für Kommunikation und Förderung von Kultur, Sport und Wirtschaft der Stadt La Chauxde-Fonds reichhaltige Programm bietet nebst einem kulturellen Teil mit Besuch der Stadt, ihrer Umgebung oder von Museen, ein Zusammentreffen mit den Stadtbehörden, den hiesigen Kinderärzten und den Besuch von Praxen. Es soll auch Gelegenheit geben, Anliegen und Erwartungen der zukünftigen Kinderärzte zu erfahren. Falls dieses Angebot Kolleginnen und Kollegen interessiert, die nicht die Gelegenheit hatten, den Stand der Stadt La Chaux-deFonds anlässlich des Kongresses in Genf zu besuchen, können sie sich an untenstehende Adresse wenden. Wir hoffen fest, dass diese Initiative ein er- folgreiches Nachspiel haben und bei jenen ein positives Echo finden wird, die ausgetretene Pfade und das vertraute Umfeld der Grossund Universitätsstädte verlassen und nach Lösungen suchen wollen, die sich auf den ersten Blick nicht aufdrängen, sich langfristig aber als aussichtsreich und Erfolg versprechend erweisen. Die Stadt La Chaux-de-Fonds setzt ihre Aktion fort und wird an der Fortbildungsveranstaltung des Kollegiums für Hausarztmedizin KHM, am 26. September 2013 im Centre de Congrès Beaulieu in Lausanne, präsent sein. Korrespondenzadresse Service de la santé et promotion de la santé de la Ville de La Chaux-de-Fonds Dr Souhaïl Latrèche Rue de la Serre 14 Case postale 2286 2300 La Chaux-de-Fonds Tél. +41 32 967 61 92 Fax +41 32 722 07 90 [email protected] Der Kindernotfalldienst wird im Kanton Neuenburg seit 1997 im Spital Pourtalès und seit 2008 in beiden Spitälern, Neuenburg und La Chaux-de-Fonds, von Kinderärzten und Kinderklinik gemeinsam bestritten. Während der Wochentage übernimmt die Kinderpoliklinik des Spitals Pourtalès den pädiatrischen Notfalldienst 24 Stunden im Tag. In La Chaux-de-Fonds steht den Patienten eine Hotline von 08 Uhr bis 18 Uhr zur Verfügung. Während den Wochenenden und an Feiertagen wird der Notfalldienst in beiden Spitälern von 10 Uhr bis 17–18 Uhr von den im Kanton praktizierenden Kinderärzten übernommen, über Nacht wiederum von der Kinderpoliklinik. Dieses System war in der Schweiz eine Pionierleistung, es ist effizient und funktioniert zur Zufriedenheit aller Beteiligten: Patienten und deren Familien, praktizierenden und Spitalärzten. Den Assistenzärzten gibt es Gelegenheit, Notfallkonsultationen gemeinsam mit den praktizierenden Ärzten durchzuführen und den praktizierenden Ärzten, berufliche und persönliche Kontakte zu «ihrem» Spital zu wahren, wo übrigens jeweils am Mittwoch Morgen Weiter- und Fortbildungen stattfinden. 43 Hinweise Vol. 24 Nr. 4 2013 Educational Grant Pilotprojekt der Schweizerischen Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung, ab Herbst 2013 für drei Jahre Andreas Nydegger, Präsident SGPGHE, Lausanne •Wissenschaftliche Kongresse im Bereich der Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (GPGE, SFGHNP, ESPGHAN, AGA, UEGW), falls ein Poster vorgestellt oder eine Präsentation gehalten wird •Besuchen einer Summer-School (organisiert durch ESPGHAN) oder eines Endo skopiekurses •Kurse zur Verbesserung von ForschungsSkills. Der Maximalbetrag beläuft sich auf CHF 2000.– pro 6 Monate und kann unter mehreren Bewerbern aufgeteilt werden, wobei der Betrag nicht für Reisekosten aufgewendet werden darf. Anlässlich der 2 Einreichungsfristen (Ende März, beziehungsweise Ende September des jeweiligen Kalenderjahres) wird das Komitee, bestehend aus 3 Mitgliedern der SGPGHE, die jeweils beste(n) Arbeit(en) auswählen. Die Gewinner müssen ihre Arbeit anlässlich der Mitgliederversammlung im November vorstellen. Die Mitglieder des aktuellen Komitees sind: Dr. Raoul Furlano (Basel), Dr. Susanne Schibli (Bern) und Dr. Andreas Nydegger (Lausanne). Bewerbungen sollen an folgende Adresse geschickt werden: Für eine provisorische Dauer von 3 Jahren können sich alle Ärzte in Weiterbildung, sowie ausgebildete Kinderärzte, welche im Bereich der pädiatrischen Gastroenterologie tätig sind, bewerben. Die Bewerbung muss durch ein Mitglied der SGPGHE unterstützt werden und muss folgende Dokumente enthalten: •Motivationsschreiben •Lebenslauf •Wissenschaftliche Arbeit, die vorgestellt wird (Poster oder Präsentation) Korrespondenzadresse Dr. Raoul Furlano (Komitee-Verantwortlicher) Abteilungsleiter für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung Universitäts-Kinderspital beider Basel Spitalstrasse 33 Postfach 4031 Basel [email protected] Die Schweizerische Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (SGPGHE) stellt ab Herbst 2013 einen «Educational Grant» zur Verfügung. Dieser beinhaltet eine finanzielle Beteiligung für folgende Bereiche: 44 Hinweise Vol. 24 Nr. 4 2013 Kollegium für Hausarztmedizin KHM KHM Forschungspreis Hausarztmedizin 2014 Gestiftet von MEPHA Fachgebiet Hausarztmedizin Arbeiten/Kriterien Abgeschlossene wissenschaftliche Arbeiten aus der Schweiz oder von im Ausland tätigen SchweizerInnen, die wichtige Aspekte hausärztlicher Grundversorgung thematisieren, insbesondere: •Die Qualität der Behandlung und der Betreuung hausärztlicher PatientInnen •Die praktische Arbeit des hausärztlichen Grundversorgers (valid, relevant, umsetzbar im Rahmen der Praxis) •Die Sicherstellung der hausärztlichen Grundversorgung (Erforschung der Grundlagen, Arbeitsbedingungen, Ressourcenlage und Versorgungssituation) Preissumme CHF 30 000.– Es können eine oder mehrere Arbeiten ausgezeichnet werden. Bei der Preisvergabe an mehrere Arbeiten wird die Preissumme aufgeteilt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. TeilnehmerInnen Autorinnen und Autoren aus der Schweiz oder von im Ausland tätigen SchweizerInnen, die in den vergangenen drei Jahren eine bedeutende hausärztliche Arbeit abgeschlossen haben Eingabetermin 1. Dezember 2013 (bitte den Termin beachten) Preisverleihung KHM Fortbildungstagung vom 26./27. Juni 2014 in Luzern und vom 4. September 2014 in Lausanne Preiskomitee Eine unabhängige Jury, eingesetzt vom Stiftungsrat KHM Teilnahmebedingungen Einzureichen sind in elektronischer Form per E-Mail oder CD (keine Disketten) und auf Papier: •Anmeldeformular (www.kollegium.ch/rd/d.html) •Curriculum vitae des Hauptautors •Manuskript •Begleitschreiben «Bedeutung der eingereichten Arbeit für die Hausarztmedizin». Schon einmal unterbreitete Arbeiten können nicht berücksichtigt werden und über die Preisnominierung wird keine Korrespondenz geführt. Auskunft Kollegium für Hausarztmedizin KHM Sekretariat Forschung Hausarztmedizin, Landhausweg 26, 3007 Bern [email protected]; www.kollegium.ch/rd/d.html Fanconi-Preis 2014 Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie Die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) verleiht jährlich anlässlich der Jahrestagung den Fanconi-Preis im Wert von CHF 10'000.–. Mit dem Preis werden bedeutende Arbeiten zugunsten der Pädiatrie ausgezeichnet. Dabei kann es sich um ausgezeichnete wissenschaftliche Beiträge, bedeutende gesellschaftliche Leistungen zugunsten der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen oder um hervorragende Verdienste im Rahmen der SGP handeln. Der Preis kann sowohl für eine herausragende Einzelleistung wie für ein Lebenswerk verliehen werden. Preisträger können eine Person oder mehrere Personen derselben Arbeitsgruppe sein. Sie müssen mit der schweizerischen Pädiatrie in enger Beziehung stehen. Die Preisverleihung erfolgt durch den Vorstand der Gesellschaft, der sich von Experten seiner Wahl beraten lässt. Kandidaturen mit ausführlichem Lebenslauf und Begründung der preiswürdigen Leistung können von jedem ordentlichen Mitglied, einschliesslich der Kandidatin oder dem Kandidaten selbst, bis zum 31. Januar 2014 beim Sekretariat der SGP eingereicht werden. Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie, Postfach 1380, 1701 Freiburg, [email protected] 45 Zeitschriftenreview Vol. 24 Nr. 4 2013 Zeitschriftenreview Kommentare: Mustapha Mazouni, Lausanne / Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds Koshy E., Murray J., Bottle A., et al. Significantly increasing hospital admissions for acute throat infections among children in England: is this related to tonsillectomy rates? Arch Dis Child 2012; 97: 1064–1068. Abstract Objective To examine trends in hospital admissions for acute throat infection (ATI) and peritonsillar abscess (PTA) alongside tonsillectomy trends in children. Design We analysed Hospital Episode Statistics data to calculate annual age-standardised and age-sex specific rates for ATI, PTA and tonsillectomies in children aged 0–17 years who were admitted to hospital in England between 1 April 1999 and 31 March 2010. Results Age-standardised admission rates for ATI increased by 76% from 107.3 (95% CI 105.3 to 109.2) to 188.4 (95% CI 185.9 to 191.0) admissions per 100’000 children. Median length of stay for ATI admissions decreased from 1 to 0 days. Admission rates for PTA remained stable at between 9.6 (95% CI 9.0 to 10.2) and 8.7 (95% CI 8.1 to 9.2) per 100’000 children in 1999/2000 and 2009/2010, respectively. Age standardised tonsillectomy rates declined from 367.4 (95% CI 363.8 to 371.0) to 278.0 (95% CI 274.9 to 281.1) per 100’000 children between 1999/2000 and 2000/2001, respectively, increased to 322.4 (95% CI 319.0 to 325.7) in 2002/2003 and then gradually declined again to 293.6 (95% CI 290.4 to 296.8) in 2009/2010. Conclusions ATI admission rates have increased substantially in the past decade, but the majority of children are discharged after a short stay. PTA admission rates have remained stable. This suggests the severity of throat infection has not increased. Tonsillectomy rates in England have been declining overall but do not appear to be associated with this increasing trend in ATI admissions. The increase most likely reflects changes in primary care and hospital service provision. Kommentar (Mustapha Mazouni) Diese über 10 Jahre laufende Studie gründet auf Daten der Hospital Episode Statistics und des National Health Service. Untersucht wurde die Häufigkeit der Spitalaufnahmen unter der Diagnose «akute Pharyngitis» (AHI) bzw. Peritonsillarabszess (PTA) und deren Auswirkung auf die Häufigkeit der im Kindesalter durchgeführten Tonsillektomien. Es ist die erste Studie dieser Art in Grossbritannien und ihre Bedeutung liegt darin, dass sie eine breite, repräsentative Stichprobe der englischen Bevölkerung umfasst. Die Ergebnisse regen zu folgenden Überlegungen an: Die Zunahme der AHI um 76% ist eindrücklich. Die Autoren haben keine eindeutige Erklärung dafür, interpretieren aber folgendermassen: •Änderungen der ärztlichen Versorgung Englands, die zu einer Änderung der Aufnahmekriterien und damit Zunahme der Spitalaufnahmen ganz allgemein geführt haben. •Die weitaus grösste Zahl Spitalaufnahmen wegen AHI betrafen schwere Formen ohne Komplikationen, was in der Überzahl kurzer Aufnahmen (≤1 Tag) zum Ausdruck kommt und auch die absolute Zunahme an AHI erklärt. Die Häufigkeit der Peritonsillarabszesse verblieb über diesen Zeitabschnitt konstant. Die Häufigkeit der Tonsillektomien oder Adeno-Tonsillektomien hat während dieser zehn Jahre gesamthaft abgenommen, wurde also weder durch die Häufigkeit an AHI noch die Schwere der PTA beeinflusst. Die Autoren bringen diese Tatsache vielmehr mit der Publikation und Anwendung durch die Hals-Nasen-Ohrenärzte von nationalen Guidelines zur Behandlung der AHI und zur Indikation der Tonsillektomie in Zusammenhang. Dies, obwohl die Gründe, eine Tonsillektomie durchzuführen, multifaktoriell sind. 46 Die jetzt effizientere Spitalbetreuung der AHI im Vergleich zu anderen medizinischen Strukturen (privat oder staatlich) kann die kurzen Spitalaufenthalte erklären. Jang H.-J., Kim AS., Hwang J.-B. The etiology of small and fresh rectal bleeding in not-sick neonates: should we initially suspect food protein-induced proctocolitis? Eur J Pediatr 2012; DOI 10.1007/s00431-012-1825-2. Abstract This study was performed to identify the cause and frequency of food protein-induced proctocolitis (FPIPC) in not-sick neonates with small and fresh rectal bleeding and to verify the effectiveness of oral food elimination and challenge test (ECT) as a diagnostic method of FPIPC. We prospectively analyzed neonates with small and fresh rectal bleeding who were clinically normal. We investigated age at symptom onset, feeding at onset of bleeding, the time of bleeding disappearance, stool smear and culture, endoscopic findings, and histopathologies in the biopsy specimens of 16 notsick neonates. We performed food ECT in cases with over 4 days of persistent rectal bleeding in the absence of any other etiology. In 16 not-sick neonates with rectal bleeding, the median age at symptom onset was 8.5 (1–43) days. Endoscopic abnormalities were observed in all 16 patients, and in 10 cases satisfying the pathological guidelines for FPIPC, two (12.5 %) were confirmed as FPIPC by food ECT. In the other 14 (87.5 %) cases, rectal bleeding spontaneously disappeared after on average at 4 (1–8) days and thus was diagnosed as idiopathic neonatal transient colitis (INTC). Conclusions FPIPC is rare as a cause of small and fresh rectal bleeding in not-sick newborns and most of cases proved to be INTC. Although clinical findings are suspected as its symptoms and histological results satisfy its diagnostic criteria, FPIPC should be carefully confirmed through food ECT. Kommentar (Mustapha Mazouni) Diese sorgfältige Studie zum Auftreten kleiner Mengen frischen Blutes im Stuhl gesunder Neugeborener (n=13) und Säuglinge (n=3) wurde durch eine Gruppe der Universität Daegu (Republik Korea) durchgeführt. Mit strenger Methodik wurden weitreichende hämatologische und mikrobiologische sowie Zeitschriftenreview Vol. 24 Nr. 4 2013 invasive Abklärungen (Endoskopie und Rektalbiopsien) durchgeführt. Die Autoren kommen zu folgenden Schlussfolgerungen: Die «durch Nahrungsmittelintoleranz bedingte Neugeborenenkolitis» (NINK) (Kuhmilch, Eier, Haselnuss, Soja, Fisch, Schalentiere, Weizen) ist beim gesunden Neugeborenen selten. Nur zwei der 16 untersuchten Patienten entsprachen den Kriterien einer NINK: Eine Kuhmilchund eine Fisch- und Hühnereiintoleranz. Bei den übrigen 14 Fällen handelte es sich um eine «transitorische idiopathische Neugeborenenkolitis», wovon acht Fälle von «transitorischer eosinophiler Neugeborenenkolitis». Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Darmblutung beim Neugeborenen im Allgemeinen gutartig und befristet ist (klingt im Mittel innerhalb vier Tagen ab). Die NINK, durch die Autoren nach strengen Kriterien definiert, ist ungewöhnlich und wenig bekannt. Auf Grund ihrer Studie empfehlen sie bei Auftreten einer Darmblutung beim Neugeborenen folgendes Vorgehen: •Beobachtung ohne Abklärungen während vier Tagen. •Bei Darmblutung > vier Tagen: Sistieren der Ernährung p. o. und Nahrungsmittel einzeln testen zum Ausschluss oder Bestätigung einer NINK. •Nahrungsmittelausschluss und anschlies sende -tests sollten als diagnostisches Vorgehen bei NINK in Betracht gezogen werden. De Schutter I., Dreesman A., Soetens O., et al. In young children, persistent wheezing is associated with bronchial bacterial infection: a retrospective analysis. BMC Pediatrics 2012; 12: 83 Abstract Background Young children with persistent wheezing pose a diagnostic and therapeutical challenge to the pediatrician. We aimed to evaluate bacterial bronchial infection as a possible reason for non response to conventional asthma therapy, and to identify and characterise the predominant pathogens involved. Methods We retrospectively analysed microbiological and cytological findings in a selected popu- lation of young wheezers with symptoms unresponsive to inhaled corticosteroid (ICS) therapy, who underwent flexible bronchoscopy with bronchoalveolar lavage (BAL). Procedural measures were taken to limit contamination risk and quantitative bacterial culture of BAL fluid (significance cut-off ≥ 104 colony-forming units/ml) was used. Modern microbiological methods were used for detection of a wide panel of pathogens and for characterisation of the bacterial isolates. Results 33 children aged between 4 and 38 months, without structural anomalies of the conductive airways were evaluated. Significant bacterial BAL cultures were found in 48,5% of patients. Haemophilus influenzae was isolated in 30,3%, Streptococcus pneumoniae in 12,1% and Moraxella catarrhalis in 12,1%. All H. influenzae isolates were nonencapsulated strains and definitely distinguished from non-haemolytic H. haemolyticus. Respiratory viruses were detected in 21,9% of cases with mixed bacterial-viral infection in 12,1%. Cytology revealed a marked neutrophilic inflammation. Conclusions Bacterial infection of the bronchial tree is common in persistent preschool wheezers and provides a possible explanation for non response to ICS therapy. Non-typeable H. influenzae seems to be the predominant pathogen involved, followed by S. pneumoniae and M. catarrhalis. Kommentar (Mustapha Mazouni) Das Fortbestehen einer pfeifenden Atmung (Wheezing) trotz adäquater Behandlung mit inhalierten Kortikosteroiden, bei Kindern im Vorschulalter, stellt für den Kinderarzt sowohl eine diagnostische als auch therapeutische Herausforderung dar. Mehrere Studien haben kürzlich darauf hingewiesen, dass bakterielle Infekte für anhaltendes Wheezing verantwortlich sein könnten. Diese Beobachtungen veranlassten die Autoren, eine Studie bei asthmakranken Kindern im Vorschulalter, die keine anatomischen Veränderungen des Bronchialbaumes aufweisen, durchzuführen, ausgehend von der Hypothese, dass die bakterielle Infektion eine unabhängige Ursache der Entzündung und andauernden Wheezings sein könnte. Obwohl die Studie eine nur kleine Anzahl Kinder (n=33) und keine Kontrollgruppe umfasst, verdienen folgende Ergebnisse Beachtung: •Das Vorhandensein durch BAL von nicht 47 typisierbarem H. influenzae (NTHi) in den Atemwegen verursacht einen chronischen Infekt. Dieser stellt die hauptsächliche Ursache der Entzündung dar, die bei der zytologischen Untersuchung der alveolären Spülflüssigkeit festgestellt wurde. •Die antibiotische Behandlung (Amoxicillin oder Amoxicillin/Clavulansäure, nach Erhalten des Antibiogrammes) während zehn Tagen führte zum Abklingen des Wheezings bei sieben der 16 Kindern, bei denen in der alveolären Spülflüssigkeit ein signifikantes bakterielles Wachstum nachgewiesen wurde. Diese Befunde wurden kürzlich durch weitere Studien bestätigt. Taillefer A., Casasoprana A., Cascarigny F., et al. Infants wearing teething necklaces. Arch Pediatr 2012; 19: 1058–64. Abstract Numerous infants wear teething necklaces, a quack remedy with a real risk of strangulation or aspiration of small beads. Aims Evaluate parental perceptions and beliefs about the use of teething necklaces and analyze parental knowledge about the associated dangers. Material and methods Between March and July 2011, in three different pediatric units of a tertiary children’s hospital and a general hospital in Toulouse and Montauban (southwest France), voluntary parents were invited to be interviewed about their child wearing a teething necklace. The interviews were conducted following an anthropological approach: they were recorded and then fully transcribed and analyzed. Parents were informed that the conversation was recorded. Results During the study period, 48 children were eligible. Eleven families refused to participate, 29 parents were interviewed face to face. The children’s mean age was 14 years ± 7 months, the male: female ratio was equal to 0.8 (12 boys, 15 girls). The mean age of children when necklace wearing was started was equal to 4 ± 2 months. The mean mother’s age was 31 ± 5 years and 33 ± 4 years for fathers. The parents’ religion was mostly Catholic (60%). Teething necklaces were mainly made of amber (n=23). Sales information about the risks associated with Zeitschriftenreview the necklaces was for the most part absent (92%). The most frequent positive parental perceptions were analgesic properties and a soothing remedy (73%); a birth accessory and memory (64%); an esthetic accessory (60%); a protective amulet (60%); and an alternative or additional element to other traditional therapeutics (55%). The negative parental perceptions (n=4) were an unnecessary accessory, costume jewelry, a pure commercial abuse of a popular belief, a dangerous item with a risk of strangulation, and the absence of proof of its efficacy. Comments Although parents concede that teeth eruption is benign, they fear its related symptoms. To a natural phenomenon a natural response: they use a necklace to satisfy the analogy. The parental approach of this usage is consistent with accessorizing the child to protect and help them during a difficult stage. When informed of the danger of strangulation, numerous families preferred to continue this practice; their irrational fear of seeing their child suffer surpassed their fear of the risk of strangulation. Conclusion Putting necklaces on young children is dangerous. This risk must be diffused by all professionals working with small children in order to stop any publicity or sale of this ineffective product implicated in infant deaths by strangulation Kommentar (Mustapha Mazouni) Es handelt sich um kein neues Thema, aber einer der Autoren ist es in seiner Doktorarbeit vom anthropologischen Gesichtspunkt aus angegangen, indem er die elterlichen Vorstellungen zum Tragen von Halsketten bei Säuglingen und die Wahrnehmung der damit verbundenen Gefahren durch diese Familien untersuchte. Die Gefahren dieser Halsketten wurden in der pädiatrischen Literatur ausgiebig beschrieben (200 Todesfälle zwischen 1975 und 1978 in den USA und 30 Todesfälle in Frankreich im Jahr 2003). Nach einer kurzen historischen Übersicht zum Tragen von Halsketten im Verlaufe der Jahrhunderte, betonen die Autoren folgende vier wesentliche Punkte ihrer Untersuchung: •Zahlreiche Familien beharren auf dem Tragen der Halsketten, obwohl sie über deren Gefahren informiert sind. •In ihren Vorstellungen mischen heutige Eltern Analogismus (nach Philippe Descola), Vol. 24 Nr. 4 2013 Paradoxie, Familientradition und Volksglauben. •Die Halskette wirkt beruhigend auf die Eltern. •Kein Verkäufer hat die Eltern auf die Strangulierungs- oder Inhalationsgefahr (Perlen) aufmerksam gemacht. Hesselmar B. , Sjöberg F. , Saalman R. , et al. Pacifier cleaning practices and risk of allergy development. Pediatrics 2013; 131 (6): e1829 delivery and parental pacifier sucking yielded independent and additive protective effects against eczema development. The salivary microbiota differed between children whose parents cleaned their pacifier by sucking it and children whose parents did not use this practice. Conclusions Parental sucking of their infant’s pacifier may reduce the risk of allergy development, possibly via immune stimulation by microbes transferred to the infant via the parent’s saliva. Kommentar (Rudolf Schlaepfer) What’s known on this subject: Infants with a diverse gut microbial flora are less likely to develop eczema and allergy. What this study adds: Parental sucking of their infant’s pacifier is associated with a reduced risk of allergy development and an altered oral flora in their child. Transfer of oral microbes from parent to infant via the pacifier might be used in primary prevention. Abstract Objective Immune stimulation through exposure to commensal microbes may protect against allergy development. Oral microbes may be transferred from parents to infants via pacifiers. We investigated whether pacifier cleaning practices affected the risk of allergy development. Methods A birth-cohort of 184 infants was examined for clinical allergy and sensitization to airborne and food allergens at 18 and 36 months of age and, in addition, promptly on occurrence of symptoms. Pacifier use and pacifier cleaning practices were recorded during interviews with the parents when the children were 6 months old. The oral microbiota of the infants was characterized by analysis of saliva samples collected at 4 months of age. Results Children whose parents «cleaned» their pacifier by sucking it (n=65) were less likely to have asthma (odds ratio [OR] 0.12; 95% confidence interval [CI] 0.01–0.99), eczema (OR 0.37; 95% CI 0.15–0.91), and sensitization (OR 0.37; 95% CI 0.10–1.27) at 18 months of age than children whose parents did not use this cleaning technique (n=58). Protection against eczema remained at age 36 months (hazard ratio 0.51; P=.04). Vaginal 48 Die Autoren führen am Ende ihres ausführlich dokumentierten Artikels eine in vieler Hinsicht interessante Diskussion. Der frühzeitige Erwerb einer komplexen Darmflora schützt vor dem Auftreten von Allergien, was vermuten lässt, dass die in symbioseähnlicher Verbindung lebenden Keime die Reifung des Immunsystems positiv beeinflussen. Hygienistische Hypothesen assoziieren ein geringeres Allergierisiko mit Armut, kinderreichen oder in engen Verhältnissen lebenden Familien, frühzeitigem Kontakt mit Haustieren oder Tieren auf einem Bauernhof sowie mit durch Nahrungsmittel eingenommenen Keimen. Der erste Kontakt findet im Munde statt, die Mundschleimhaut beherbergt eine komplexe Flora, bestehend aus mehreren hundert weit verbreiteten Keimarten, die durch Kontakt, durch Küssen, Berühren und Ernähren des Kindes übertragen werden. In der vorliegenden Studie wurde die Entwicklung von 174 Kindern bis ins Alter von 36 Monaten verfolgt (längerfristige Nachkontrollen sind im Gange). Es wurden − noch während der Schwangerschaft − vorwiegend Kinder aus Familien mit mindestens einem an Allergien leidenden Familienmitglied in die Studie eingeschlossen (80% der Familien). Die geringe Anzahl Kinder wird durch die sehr minutiöse Untersuchung, einschliesslich zwei Blutentnahmen im Alter von 18 bzw. 36 Monaten, aufgewogen. Ausser Fragen zu möglichen confounding factors wurden den Eltern Fragen zu den Nuggigewohnheiten gestellt. Das Benutzen per se eines Nuggi korreliert nicht mit einer klinisch manifesten Allergie oder einer Sensibilisierung (erhöhte Anzahl Eosinophile und totales IgE sowie Vorhandensein spezifischer IgE für Nahrungsmittel- und Atemwegsallergene im Blut), das Sterilisieren des Nuggi erhöht die Asthmaprävalenz (jedoch nicht signifikant), das Reinigen des Zeitschriftenreview Vol. 24 Nr. 4 2013 Nuggi durch in den Mund nehmen korreliert hingegen ganz eindeutig mit einer Abnahme des Asthmarisikos: Die Prävalenz von Asthma wie auch von Ekzem ist bei Kindern, deren Eltern diese Gewohnheit haben, deutlich niedriger als bei Kindern von Eltern, die dies nicht tun; in geringerem Masse gilt dies auch für die Sensibilisierung. Die Häufigkeit respiratorischer Infekte unterscheidet sich nicht. Die Gewohnheit der Eltern, den Nuggi durch Lutschen zu säubern ist nicht mit confounding factors wie Allergien der Eltern, Rauchen, Stilldauer, Einführen von fester Nahrung, Krankheiten und deren Behandlung oder der Gegenwart von Haustieren assoziiert. Hingegen korreliert diese Gewohnheit sehr stark mit der Tatsache, dass das Kind vaginal entbunden wurde: Diese Eltern reinigen den Nuggi signifikant häufiger durch Lutschen als Eltern, deren Kinder durch Kaiserschnitt geboren wurden (in dieser Serie 14%!). Die vaginale Geburt und das Lutschen des Nuggi durch die Eltern verleihen dem Kind einen kumulierten und voneinander unabhän- gigen Schutz vor Allergien. So ist die Prävalenz des Ekzems im Alter von 18 Monaten bei vaginal geborenen Kindern, deren Eltern am Nuggi lutschen, ca. 2.5-mal niedriger als bei Sectiokindern, deren Eltern dies nicht tun (20% vs. 54%). Die Autoren erwähnen schliesslich das Kariesrisiko1) , eine in einer früheren Nummer von Paediatrica2) auch behandelte Problematik. Sie zitieren dazu jedoch eine Studie gemäss welcher Karies nicht mit dem Benutzen eines Nuggi assoziiert ist3) , und eine zweite, in welcher sogar eine eher negative Korrelation zwischen Karies und «engem» Kontakt durch Speichel zwischen Eltern und Kind vermutet wird4) . Der grosse, damit verbundene Aufwand hindert die Autoren zurzeit daran, genaue Angaben zu den Keimarten zu machen, die im Speichel der beiden Gruppen Kinder mehr oder weniger prävalent sind. Sie schliessen mit der Hypothese, dass die Übertragung von Keimen aus dem Mund der Eltern zum Kind durch den Nuggi ein Mittel primärer Prävention sein könnte, die insbesondere Sectiokindern zugute kommen würde. Persönliche Schlussfolgerung Während meiner langjährigen Praxistätigkeit habe ich oft zu Boden gefallene Nuggis aufgehoben und unter den Wasserhahn gehalten, und oft erntete ich einen dankbaren Blick der Eltern. Und doch war es total falsch … die wissenschaftliche, wie auch die historische Wahrheit ist jene, die uns anhand der verfügbaren Kenntnisse plausibel erscheint. Referenzen 1) Parisotto TM, Steiner-Oliveira C, Silva CM, Rodrigues LK, Nobre-dos-Santos M. Early childhood caries and mutans streptococci: a systematic review. Oral Health Prev Dent. 2010; 8 (1): 59–70. 2) Bouferrache K, Pop S, Abarca M, Madrid C. Le pédiatre et les dents des tout petits. Paediatrica 2010; 21 (1): 14–20. 3) Peressini S. Pacifier use and early childhood caries: an evidence-based study of the literature. J Can Dent Assoc. 2003; 69 (1): 16–19. 4) Aaltonen AS, Tenovuo J. Association between mother-infant salivary contacts and caries resistance in children: a cohort study. Pediatr Dent. 1994; 16 (2): 110–116. Strabismus und Amblyopie erkennen, bevor sie irreversibel geworden sind … Einziger RandomDot-Stereotest ohne 3D-Brille Einfache Stereopsis-Prüfung bei Kindern ab 1 Jahr Hunderttausendfach bewährt und weltweit im Einsatz Unentbehrlich für Kinderärzte, Schulärzte, Augenärzte 49 www.lang-stereotest.com 1006768 LANG-STEREOTEST I und II FMH - Quiz Vol. 24 Nr. 4 2013 FMH Quiz 55 Fallvorstellung Ein 10-jähriger afro-amerikanischer Junge kommt zu Ihnen in die Praxis mit einer Geschichte von Magenschmerzen, Übelkeit, Blähungen und Durchfällen, die seit einem Jahr bestehen und etwa 45 bis 60 Minuten nach Genuss von Milchprodukten auftreten. Er sagt, dass diese Symptome erst auftreten, wenn er «zu viel» gegessen hat. Er zeigt kein Erbrechen, keinen Pruritus und hat nie Blut erbrochen oder ausgehustet. Die klinische Untersuchung zeigt einen Jungen in gutem Allgemeinzustand mit normalen Vitalparametern. Der Bauch ist weich mit normalen Darmgeräuschen, die Suche nach okkultem Blut im Stuhl ist negativ. Frage Welches ist die wahrscheinlichste Ursache für die beschriebene Symptomatik? Antworten A. Allergische eosinophile Gastro-Enteritis B. Laktoseintoleranz C. Kuhmilchproteinallergie D. Kuhmilchproteinbedingte Enterokolitis E. Orales Allergiesyndrom Kommentar 1. Welches ist die wahrscheinlichste Diagnose? Aufgrund der Anamnese kann eine rasch (aber nicht unmittelbar) nach Einnahme milchhaltiger Produkte eintretende Diagnose vermutet werden. Die beschriebene klinische Präsentation mit •Schmerzen, Blähungen und Durchfall, jedoch •ohne Erbrechen, Hämatemesis, Blutabgang ab ano, chronische Diarrhö oder Fettstühle seintoleranz kann ein kongenitaler Laktasemangel, der ohne Behandlung innerhalb weniger Tage tödlich verliefe, selbstverständlich ausgeschlossen werden. In der Gruppe sekundärer Laktoseintoleranz können eine Cystische Fibrose, ein Morbus Crohn oder andere chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, eine Parasitose (Lamblien) sowie die übermässige Verabreichung von Antibiotika oder Protonenpumpenhemmer ausgeschlossen werden. Eine Zöliakie muss (je nach Resultat einer probatorischen Therapie – siehe unten) in einer Population mit erhöhter Prävalenz (zum Beispiel Italien mit 1:200 Kinder) vermutet werden, erscheint dagegen bei einem Kind afrikanischer Herkunft wenig wahrscheinlich. Zudem wäre die beschriebene Manifestation sehr atypisch, trotz der bekanntermassen mannigfaltigen Manifestationen einer Zöliakie. Klinisch handelt es sich somit um eine pri märe Laktoseintoleranz, die im englischen Sprachgebrauch auch als «ethnisch bedingt» bezeichnet wird – der Begriff weist auf die erhöhte Prävalenz in bestimmten Bevölkerungen hin: Afrika 65–75% und gewisse asiatische Regionen sowie amerikanische Ureinwohner > 90%. 2. Weitere vorgeschlagene Differentialdiagnosen: E. Orales Allergiesyndrom, auch als gekreuzte Allergie bezeichnet. Es wird davon ausgegangen, dass es sich um eine Kontaktallergie bei Patienten mit allergischer Rhinitis handelt. Die Symptome sind auf den Oropharynx beschränkt; dazu gehören das praktisch unmittelbare Auftreten von Juckreiz, Irritation und Schwellung der Lippen, Zunge, Gaumen und Rachen nach Einnahme von Früchten oder frischem, beziehungsweise ungekochtem Gemüse. Die klinische Beschreibung bei diesem Patienten stimmt damit nicht überein. Stunden nach Einnahme auf. Zu den Symptomen gehören Hautmanifestationen (Juckreiz, Urtikaria), Beschwerden im Oropharynx (Juckreiz, Schwellung der Lippen),Stridor, respiratorische (Husten, Asthmaanfall) und kardiovaskuläre (bis zum anaphylaktischen Schock) Symptome sowie gastro-intestinale Beschwerden, zumeist mit Erbrechen. Die durch Nahrungsmittel, beziehungsweise spezifisch durch Kuhmilchproteine bedingte, Enterokolitis (food protein-induced enterocolitis syndrome, FPIES) kann sich auf zwei verschiedene Arten manifestieren: Typischerweise 2–4 Stunden nach dem ersten Kontakt, oder nach einer (unbeabsichtigten) Re-Exposition treten Erbrechen und massive Durchfälle auf, welche zu Dehydratation und Lethargie sowie bis zum Schock führen können. Die chronische Exposition mit dem verantwortlichen Agens führt zu Erbrechen, Durchfällen, Gedeihstörung und bisweilen zu einer Hypalbuminämie. Nicht-IgE-vermittelte Reaktionen treten in der Regel nach einer längeren Latenzzeit (> 2 Stunden) auf. Die Symptomatik beim beschriebenen Patienten ist weder mit einer IgE-vermittelten noch mit einer nicht-IgE-vermittelten Reaktion vereinbar. A. allergische eosinophile Gastro-Enteritis Die allergische eosinophile Gastro-Enteritis kann in jedem Alter auftreten. Sie manifestiert sich durch Übelkeit, Abdominalschmerzen, Durchfall, Malabsorption und Gewichtsverlust, wobei die Symptome abhängig von der Ausdehnung der betroffenen Darmabschnitte sind. Rund die Hälfte der Betroffenen haben zusätzlich eine atopische Diathese; Nahrungsmittelallergien, Asthma, Ekzeme und Rhinitis. lässt vermuten, dass es sich weder um Protein noch Fett, sondern um Laktose als Auslöser handelt. C. Kuhmilchproteinallergie D. Kuhmilchproteinbedingte Enterokolitis Im Gegensatz zur eosinophilen Oesophagitis bewirkt das Vermeiden von Nahrungsmittelallergenen jedoch keine oder keine wesentliche klinische Besserung bei den betroffenen Patienten. Aufgrund des Alters (> 5 Jahre), der Herkunft, der sonst guten Gesundheit und der unauffälligen körperlichen Untersuchungsbefunde kann mit genügender Sicherheit die klinische Diagnose einer Laktoseintoleranz gestellt werden. Innerhalb der Differentialdiagnose der Lakto- Eine Kuhmilproteinallergie manifestiert sich meist bereits während der ersten Lebensmonate, wobei IgE-vermittelte und nicht-IgEvermittelte Formen vorkommen: IgE-vermittelte Reaktionen treten in der Regel innerhalb von wenigen Minuten bis 2 Teilweise vermag die beim Patienten beschriebene akute Symptomatik mit dieser Diagnose übereinzustimmen; die fehlende Angabe einer Atopie und insbesondere der sehr gute Allgemeinzustand ein Jahr nach Beginn der Symptomatik sprechen jedoch dagegen. 50 FMH - Quiz Vol. 24 Nr. 4 2013 3. Vorgeschlagenes Vorgehen in der kinderärztlichen Praxis Klinisch handelt es sich somit um eine primäre Laktoseintoleranz. Das schrittweise Vorgehen beginnt mit einer strikten Eliminationsdiät, wobei sichergestellt werden muss, dass ansonsten eine unverändert normale Ernährung fortgesetzt wird. Insbesondere soll darauf geachtet werden, dass nicht gleichzeitig eine glutenfreie Ernährung eingeführt wird – zunehmend wird durch Laien, ohne wissenschaftliche Begründung, eine glutenfreie Diät empfohlen. Konkret wird somit empfohlen, ausschliesslich laktosefreie Milchprodukte zu konsumieren und sonst eine normale Ernährung, aber ohne Michzusätze. Nach 2–3 Wochen kann bei Kindern, die zuvor zumindest mehrfach wöchentlich Laktose konsumierten, eine genügende Beurteilung des Effektes der Diät erfolgen. Bei überzeugendem Resultat der Eliminationsdiät kann die Diagnose definitiv bestätigt werden. In der Folge können schrittweise laktosehaltige Nahrungsmittel wieder eingeführt werden; dies erlaubt die individuelle Toleranzgrenze zu finden, welche einen beschwerdefreien Konsum von Laktose erlaubt. Dazu geeignet sind Milchprodukte mit geringem Laktosegehalt wie Butter, Hartkäse sowie gewisse Joghurt, die Laktase enthalten. Dieses Vorgehen ist äusserst kostengünstig, es genügen zwei Konsultationen von zirka 30 Minuten und allenfalls eine telefonische Rücksprache. urtümlichen Jägern und Sammlern vormals physiologische Genotyp CC in der Position 13910 der Regulatorregion des Laktase-Gens führt bei unserer Ernährung mit entsprechendem Laktosekonsum zum klinischen Erscheinungsbild einer Laktoseintoleranz. Historisch haben wahrscheinlich Bevölkerungen mit hohem Laktosekonsum eine Mutation entwickelt, welche zur Persistenz einer hohen intestinalen Laktaseaktivität führt. Diese Personen sind entweder homozygot für den Genotyp – 13910 TT oder heterozygot – 13910 TC. Der fehlende Nachweis eines zur Laktoseintoleranz prädisponierenden Genotyps erlaubt den Ausschluss einer primären Laktoseintoleranz (jedoch keineswegs einer sekundären Lakotseintoleranz!). Der Nachweis eines solchen Genotypes entbindet jedoch nicht von einer klassischen Abklärung, bei Bedarf mit Atemtest, und von der Suche nach einer sekundären Laktoseintoleranz; insbesondere in atypischen Situati- Bei diesem Vorgehen wird die Eliminationsdiät bei einem gewissen Anteil der Patienten keine abschliessende Diagnose erlauben. Nach Überprüfung der korrekten Durchführung der Diät (liebevolle Sabotage durch Grosseltern, Krippe etc.?) muss die initiale klinische Verdachtsdiagnose überprüft werden; in dieser Situation müssen gegebenenfalls auch gezielt andere mögliche Ursachen (Zöliakie, Lamblien, vgl. oben) ausgeschlossen werden. In einem dritten Schritt, falls die Diagnose weiterhin unklar bleibt, kann der Patient einem pädiatrischen Gastroenterologen zur Weiterabklärung zugewiesen werden. 4. Genetische Untersuchung? Die Ausführungen von Benkebil F et al in Paediatrica (5) haben immer noch Gültigkeit (leicht abgeänderter Text): «Der genetische Ursprung einer Laktoseintoleranz konnte aufgezeigt werden. Der bei den 51 onen, bei Anzeichen einer organischen Erkrankung oder bei Persistenz der Symptome trotz korrekt durchgeführter laktosefreier Diät.» Referenzen 1) Montgomery RK et al. Lactose intolerance. In UpToDate, Friedmann LS (Ed), UpToDate, Waltham, MA, 2013 (www.uptodate.com, letzter Zugriff 05.07.2013). 2) Jarvinen-Seppo KM. Milk allergy: Clinical features and diagnosis. In UpToDate, Sicherer SH (Ed), UpToDate, Waltham, MA, 2013 (www.uptodate.com, letzter Zugriff 05.07.2013). 3) Burks W. Clinical manifestations of food allergy: An overview. In UpToDate, Sicherer SH (Ed), UpToDate, Waltham, MA, 2013 (www.uptodate.com, letzter Zugriff 05.07.2013). 4) Nowak-Węgrzyn A. Food protein-induced enterocolitis syndrome (FPIES) In UpToDate, Sicherer SH (Ed), UpToDate, Waltham, MA, 2013 (www.uptodate.com, letzter Zugriff 05.07.2013). 5) Benkebil F, Roulet M. Laktoseintoleranz im Kindesalter: beeibflusst die Genetik unser Vorgehen? Paediatrica 2007; 18 (1): 22–4. Korrespondenzadresse [email protected] Kaktus Vol. 24 Nr. 4 2013 Besserer Schutz vor Epidemien dank neuem Gesetz ne jedoch wie bisher uneingeschränkt Obligatorien verfügen. Aus diesen Gründen ruft das Abstimmungskomitee die Bevölkerung auf, am 22. September 2013 Ja zu stimmen. Nur so kann die Schweiz wirksam vor den ansteckenden Krankheiten der heutigen Zeit geschützt werden. Abstimmung vom 22. September 2013 Am kommenden 22. September stimmt die Schweiz über das neue Epidemiengesetz ab. Dieses will die Bevölkerung besser vor gefährlichen Infektionskrankheiten schützen als dies mit dem heutigen, veralteten Gesetz möglich ist. Eine breite Allianz von Organisationen aus allen Bereichen des Gesundheitswesens ist überzeugt, dass es das neue Gesetz braucht und setzt sich für ein Ja ein. Die Muster des Auftretens und die Verbreitung von übertragbaren Krankheiten haben sich in den letzten Jahrzehnten markant verändert. Epidemien wie SARS, Schweine- und Vogelgrippe haben gezeigt, dass neue Krankheitserreger sich in der modernen, globalisierten und mobilen Welt sehr schnell verbreiten können. Das geltende Epidemiengesetz aus dem Jahr 1970 ist diesen Herausforderungen nicht mehr gewachsen. Deshalb wurde es umfassend überarbeitet. National- und Ständerat haben dem neuen Epidemiengesetz (EpG) mit grossen Mehrheiten zugestimmt. Es kommt am 22. September 2013 zur Abstimmung, weil dagegen das Referendum ergriffen worden ist. Besserer Schutz der Bevölkerung Das neue Epidemiengesetz sieht Massnahmen vor, um übertragbare Krankheiten besser zu verhüten, zu bekämpfen, zu überwachen und früher zu erkennen. Unter anderem sollen nationale Programme den Schutz der Bevölkerung verbessern, Infektionen im Spital bekämpfen und die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen verhindern. Ein dreistufiges Eskalationsmodell regelt die Zuständigkeiten von Bund und Kantonen in Krisensituationen, ein ständiges Koordinationsgremium stellt deren Zusammenarbeit im Alltag sicher. Die Kompetenz, Impfungen für obligatorisch zu erklären, wird eingeschränkt. Neue Datenschutzbestimmungen definieren zudem, welche Daten von wem zu welchen Zwecken gesammelt werden dürfen und wie stark sie anonymisiert sein müssen. Rund 20 Organisationen aus allen Bereichen des Gesundheitswesens und weiteren Kreisen setzen sich für ein Ja zum neuen Epidemiengesetz ein. Sie haben unter Federführung von Public Health Schweiz, der nationalen Organisation der öffentlichen Gesundheit, ein gros ses Abstimmungskomitee gebildet. Darunter sind unter anderem die Ärzteverbindung FMH, der Schweizerische Apothekerverband pharmaSuisse, der Schweizerische Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK und das Konsumentenforum. Auch die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) und Kinderärzte.schweiz haben sich dem Ja Komitee angeschlossen. Sie alle sind gemeinsam der Überzeugung, dass die Schweiz das neue Epidemiengesetz braucht, weil es die Bevölkerung besser vor den heutigen Gefahren von Epidemien schützt. Ansteckende Krankheiten können frühzeitig erkannt und wirksamer bekämpft werden. Patientinnen und Patienten wie auch das Personal können besser vor Ansteckungen im Spital geschützt werden. Gegen die zunehmenden Antibiotika-Resistenzen werden Massnahmen ergriffen. Bund und Kantone können Krisensituationen besser bewältigen. Impfobligatorium ist kein Impfzwang Die Referendumsführer konzentrieren ihre Kritik hauptsächlich auf das Thema Impfen. Sie behaupten, das neue Gesetz führe einen Impfzwang ein. Dies trifft aber in keiner Weise zu. Im Gegenteil: Während das heutige Gesetz es den Kantonen ohne nähere Bedingungen erlaubt, Impfungen für obligatorisch zu erklären, schränkt das neue Gesetz diese Möglichkeit klar ein. Neu dürfen solche Obligatorien nur noch bei einer erheblichen Gefahr und nur für einzelne Personengruppen erlassen werden. Und auch dann gilt wie bereits heute: Jede Person kann frei entscheiden, ob sie sich impfen lassen will oder nicht. Einen Impfzwang gibt es nicht. Bei einer Ablehnung des neuen Epidemiengesetzes könnten die Kanto- 52 Für weitere Informationen Komitee Ja zum Epidemiengesetz c/o Public Health Schweiz Effingerstrasse 54 3001 Bern [email protected] www.JAzumEPG.ch 40 Jahre Erfahrung Führend in medizinischer Hautpflege Seit Jahrzehnten * die Nr. 1 Vertrauen auch Sie der Nr. 1 für medizinische Hautpflege Kassenzulässig. Schutz und Pflege für empfindliche und trockene Haut. 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VM: Nicht zur Behandlung von akuten Asthmaanfällen, nicht als plötzlicher Ersatz für inhalative oder orale Kortikosteroide. Arzt konsultieren, wenn kurzwirksame Bronchodilatatoren häufiger als gewöhnlich benötigt werden. Neuropsychiatrische Ereignisse wie abnormes Träumen, Halluzinationen, Reizbarkeit, Agitiertheit u.a. wurden beobachtet. Vorsicht und angemessene klinische Überwachung bei Reduktion von systemischen Kortikosteroiden. Kautabletten enthalten Aspartam und den Azofarbstoff Allurarot AC (E129). Details s. www.swissmedicinfo.ch. IA: Kann gleichzeitig mit anderen Substanzen zur Prophylaxe und chronischen Behandlung von Asthma und allergischer Rhinitis verabreicht werden. Phenobarbital. Details s. www.swissmedicinfo.ch. Schwangerschaft und Stillzeit: Sollte während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn es ist klar notwendig. Sollte während der Stillzeit nicht verwendet werden. UW: In klinischen Studien wurde am häufigsten über Dyspepsie, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und Zahnschmerzen berichtet. Details s. www.swissmedicinfo.ch. P: 10 mg: Filmtabletten zu 28, 98 Stück. 5 mg: Kautabletten zu 28, 98 Stück. 4 mg: Kautabletten zu 28, 98 Stück und Granulat zu 28 Sachets. Swissmedic-Liste: B. Ausführliche Informationen siehe www.swissmedicinfo.ch. Sandoz Pharmaceuticals AG, Suurstoffi 14, Postfach, 6343 Rotkreuz, Tel. 0800 858 885, www.generika.ch 1006722 a Novartis company