Vollversion - Société Suisse de Pédiatrie

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Vollversion - Société Suisse de Pédiatrie
Bulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie
PAEDIATRICA Vol. 24 Nr. 4 IX/ 2013
Vol. 24 Nr. 4 IX/2013
12Harnwegsinfektionen
17
Pertussis
20Melatonin
24Fettstoffwechselstörungen
33+36Babyfenster
Babies – Schutz durch PertussisBoosterimpfungen des Umfelds 1,2,3
Boostrix® – 1 Impfdosis = 3-facher Schutz
Boostrix® (dTpa): I: Boosterimpfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis von Personen ab dem 4. Geburtstag. Bei früherer Tetanus Grundimmunisierung
auch zur Tetanus-Prophylaxe bei Verletzungen mit Tetanusrisiko anwendbar. Nicht zur Grundimmunisierung verwenden! D: Eine Impfdosis zu 0,5 ml. Anw.: Die
Injektion erfolgt tief intramuskulär. Nicht intravasal anwenden. Nicht mit anderen Impfstoffen mischen. KI: Bekannte Überempfindlichkeit gegen einen der Bestandteile; akute, schwerwiegende fieberhafte Erkrankung; Enzephalopathie unbekannter Ätiologie innert 7 Tagen nach einer vorgängigen Impfung mit einem
Pertussis-enthaltenden Impfstoff; vorübergehende Thrombozytopenie oder neurologische Komplikationen nach einer vorgängigen Impfung gegen Diphtherie
und/oder Tetanus. VM: Wenn nach einer vorherigen Impfung mit einem Pertussis-enthaltenden Impfstoff folgende Ereignisse aufgetreten sind, sollte die Entscheidung zur Gabe des Impfstoffes sorgfältig abgewogen werden: Temperatur ≥ 40.0°C innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung ohne sonst erkennbare
Ursache, Kollaps oder schockähnlicher Zustand (hypotonisch-hyporesponsive Episode) innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung, oder anhaltendes, untröstliches Schreien über mehr als 3 Stunden innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung, oder Krampfanfälle mit oder ohne Fieber innerhalb der ersten 3 Tage nach
der Impfung. Bei Thrombozytopenie oder Blutgerinnungsstörung, Risiko von Blutung nach i.m.-Injektionen. IA: Wenn als nötig erachtet, kann Boostrix gleichzeitig mit anderen Impfstoffen oder Immunglobulinen – jeweils an einer anderen Injektionsstelle - angewendet werden. UW: Am häufigsten beobachtet: Lokalreaktionen (Schmerz, Rötung, Schwellung), Fieber, Müdigkeit, Anorexie, gastrointestinale Störungen, Diarrhöe, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schläfrigkeit,
Schwindel, Reizbarkeit. Lagerung: Fertigspritze bei +2°C bis +8°C lagern. Nicht einfrieren. Packungen: Fertigspritze mit separat beigelegter Nadel. x1 (Liste B)
Ausführliche Angaben finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen melden Sie bitte unter [email protected]
GlaxoSmithKline AG
Talstrasse 3–5
CH-3053 Münchenbuchsee
Telefon +41 (0)31 862 21 11
Telefax +41 (0)31 862 22 00
www.glaxosmithkline.ch
1006582
Referenz: 1. Schweizerischer Impfplan 2013. 2. Bundesamt für Gesundheit (BAG). Anpassung der Impfempfehlung gegen Pertussis: für Jugendliche, Säuglinge in Betreuungseinrichtungen und schwangere Frauen. Bull BAG 2013; 9: 118-123. 3. Arzneimittelinformation Boostrix® (www.swissmedicinfo.ch).
Inhaltsverzeichnis
Vol. 24 Nr. 4 2013
Redaktion
Editorial
Prof. R. Tabin, Sierre (Schriftleiter)
Dr. M. Diezi, Lausanne
PD Dr. T. Kühne, Basel
Dr. U. Lips, Zürich
Dr. M. Losa, St. Gallen
Prof. M. Mazouni, Lausanne
Dr. M.-A. Panchard, Vevey
Dr. P. Scalfaro, Cully
Dr. R. Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Prof. A. Superti-Furga, Lausanne
Dr. R. von Vigier, Bern
3· Und es lebe die Pädiatrie! … Und es lebe der Kinderarzt!
Redaktionsadresse
Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich
c/o Prof. R. Tabin
Av. du Général Guisan 30
Postfach 942
CH-3960 Sierre
Tel. 027 455 05 05
Fax 027 455 59 55
[email protected]
11· Jahresbericht der Co-Präsidenten Geschäftsjahr 2012–2013
N. Pellaud
Standespolitik
4· Protokoll der SGP-Generalversammlung vom 20. Juni 2013, Genf
C. Baeriswyl
8· Einführung des E-Logbuchs sowie der Arbeitsplatz-basierten Assessments (AbA’s)
Ch. Rudin
10· Tarmed-News
C. Baeriswyl
R. Schmid
Empfehlungen
12· Diagnose und Behandlung von Harnwegsinfektionen beim Kind
Ch. Rudin, G. Laube, E. Girardin, Ch. Berger, A. Niederer, K. Posfay-Barbe, P, Agyeman, R. Gobet
Copyright
17· Empfehlungen zur Behandlung von Pertussis und Strategien zur Verhinderung
von Ausbrüchen
© Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
K. Posfay-Barbe, U. Heininger
Verlag – Herausgeber
Fortbildung
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie (SGP)
www.swiss-paediatrics.org
Sekretariat / Adressänderungen
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
Postfach 1380
1701 Fribourg
Tel. 026 350 33 44
Fax 026 350 33 03
[email protected]
20· Melatonin bei kindlichen Schlafstörungen
P. Hunkeler
24· Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter
J. Häberle, A. Lämmle, M. R. Baumgartner
28· Was können wir einem adipösen Kind und seiner Familie anbieten?
Erfahrungen eines spezialisierten Zentrums.
S. Borloz, Ch. Moser, B. Crottet, S. Van Beirs, S. Krayenbuhl, A. Balz, E. Elowe-Gruau,
M. Decarli-Diserens, D. Laufer, J. Puder, M. Hauschild
Layout und Druck
Hinweise
s+z:gutzumdruck.
Nellenstadel 1
3902 Brig-Glis
Tel. 027 924 30 03
Fax 027 924 30 06
[email protected]
33· Das Einsiedler Babyfenster
Inserate
Editions Médecine et Hygiène
Michaela Kirschner
Chemin de la mousse 46
1225 Chêne-Bourg
Tel. 022 702 93 41
[email protected]
Paediatrica
Erscheint 5 x jährlich für die Mitglieder der SGP.
Nicht-Mitglieder können beim Sekretariat
die Paediatrica gegen den Betrag von Fr. 120.–
jährlich abonnieren.
Auflage
1950 Ex. / ISSN 1421-2277
Bestätigt durch WEMF
Nächste Ausgabe
Redaktionsschluss: 20.9.2013
Erscheinungsdatum: Nr. 5: 15.11.2013
Titelbild
«Cirque Enrique»
140 x 140 cm
Acryl und Oilstick auf Leinwand, 2011
Andrea Dora Wolfskämpf
S. Rupp
36· Ungewollte Kinder
Eine ethische Abwägung von Babyfenstern
R. Baumann-Hölzle, A. Abraham
39·
40·
41·
SPSU ­– Jahresbericht 2012
Masern ab Ende Oktober dank nationaler Kampagne im Fokus
Wasserzubereitung und Mineralwasser aus der Flasche (ohne Kohlensäure)
zur Herstellung von Säuglingsshoppen
J. Spalinger
42· Preisverleihungen anlässlich der Jahresversammlung 2013 der SGP
43· La Chaux-de-Fonds – eine Stadt begegnet Kinderärzten
N. Schallenberger, S. Latrèche, R. Schlaepfer, E. Tissot
44· Educational Grant – Pilotprojekt der Schweizerischen Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung, ab Herbst 2013 für drei Jahr
A. Nydegger
45· KHM Forschungspreis Hausarztmedizin 2014
45· Fanconi-Preis 2014
Zeitschriftenreview
46· Zeitschriftenreview
M. Mazouni / R. Schlaepfer
50· FMH-Quiz
Kaktus
52· Besserer Schutz vor Epidemien dank neuem Gesetz
Für den Inhalt der Texte übernimmt die Redaktion
keine Verantwortung.
1
Für Höchstleistungen
ohne Muskelkrämpfe
Gekürzte Fachinformation Magnesiocard® (Magnesiumpräparat). Indikationen: Magnesiummangel, Herzrhythmusstörungen, erhöhter Bedarf im Hochleistungssport und während Schwangerschaft, bei Eklampsie und Präeklampsie, tetanischem Syndrom und Wadenkrämpfen. Dosierung: 10-20 mmol täglich, entsprechend
der Darreichungsform (Granulat, Brausetabletten, Tabletten) aufgeteilt in 1-3 orale Einzeldosen. Anwendungseinschränkungen: Eingeschränkte Nierenfunktion.
Die gleichzeitige Verabreichung mit Tetrazyklinen ist zu vermeiden. Unerwünschte Wirkungen: Als Folge hochdosierter oraler Magnesiumtherapie können
weiche Stühle auftreten. Packungen: Tabletten (2.5 mmol) 50, 100; Granulat (5 mmol) Citron und Granulat (5 mmol) Orange 20*, 50, 500; Brausetabletten
(7.5 mmol) 20*, 60; Granulat (10 mmol) Grapefruit und Granulat (10 mmol) Orange 20*, 50*, Ampullen i.v. (10 ml) 10; Verkaufskategorie B. Ausführliche Angaben
siehe www.swissmedicinfo.ch oder www.compendium.ch. © 2013 Biomed AG. All rights reserved.
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Einfach 1x täglich 10 mmol
Editorial
Vol. 24 Nr. 4 2013
Und es lebe die Pädiatrie!
… Und es lebe der Kinderarzt!*
Seien wir optimistisch, wir sind zwar eine
kleine Gesellschaft, aber wie für David gegenüber Goliath, geht es darum, richtig zu zielen.
Dazu zählen wir auch auf eure Unterstützung.
Nicole Pellaud, SGP-Präsidentin, Genf und Sitten
Es lebe die Pädiatrie, es lebe der Pädiater!
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Liebe SGP-Mitglieder
Vorstand und zahlreiche Mitglieder – einige
hatten wir das Vergnügen in Genf anzutreffen
– wirken aktiv zum Besten dieser schönen
Aufgabe, der wir uns alle widmen.
Christian Kind sei anlässlich dieser Amtsübernahme herzlich gedankt für seinen Einsatz
während den vier Jahren Präsidentschaft. Mit
Weitsicht und Ausgeglichenheit gewährleistete er den Zusammenhalt und die Stellung der
schweizerischen Pädiatrie gegenüber politischen Wirbeln, wirtschaftlichen Herausforderungen, Meinungsverschiedenheiten und verschiedensten, von allen Seiten kommenden
Zwängen und Verpflichtungen.
Wir freuen uns, im Vorstand weiterhin auf sein
Wissen und seine Sachkenntnis zählen zu
können.
Indem ich das Amt übernehme, wünsche ich
wie Christian, für Kommunikation, Verständigung und Verhandlungsbereitschaft, aber
auch eindeutige Stellungnahmen und Lobbying einzutreten und dies, last but not least, mit
Beharrlichkeit.
Gemeinsam mit Vorstand und Sekretariat
wollen wir uns entschieden für den Erhalt, für
Qualität und Finanzierung von Ausbildung
sowie der ambulanten und Spitalbetreuung
aller Kinder und Jugendlichen in der Schweiz
einsetzen.
In diesem Sinne stehen die zahlreichen anstehenden Aufgaben im Zeichen der Partnerschaft:
•Das BAG kann für die Kampagne zur Eliminierung der Masern in der Schweiz und für
das nationale Impfprogramm auf unseren
aktiven Einsatz zählen. Hingegen müssen
wir uns weiterhin für die Kostenübernahme
der Behandlung adipöser Kinder einsetzen,
da die Vorschläge der Arbeitsgruppe Adipositas beim Eidgenössischen Departement
des Innern ungehört blieben.
•Mit Public Health Schweiz für die, von der
SGP unterstützte, Revision des Epidemiengesetzes (Sie haben eine elektronische
Mitteilung dazu erhalten)
•Von der Eidgenössischen Impfkommission
geplante Aktionen betreffend Pneumokokken- und Keuchhustenimpfung
•Mit der Stiftung zur Förderung des Stillens
um dieses vordringliche gesundheitspolitische Anliegen weiter zu fördern
•Teilnahme an der im Rahmen der PublicHealth-Jahreskonferenz in Zürich stattfindenden FMH-Roundtable vom 15. August
zum Thema «Prävention für Kinder und Jugendliche beim Pädiater oder/und in der
Hausarztpraxis?»
•Mit Allgemeinpraktikern und Pflegefachleuten für eine kohärente und wirksame Arbeitsaufteilung, die das Fachwissen aller
Beteiligten berücksichtigt:
Unsere Zusammenarbeit mit dem KHM bei
der Ausbildung der Allgemeinpraktiker
wird fortgeführt. Wir haben Stellung genommen zum Vorhaben einer Ausbildung
spezialisierter Pflegefachfrauen und Kinderpflegerinnen in Nephrologie, Onkologie
und Diabetologie und wünschen eine klare
Unterscheidung der durch Pflegefachfrauen erbrachten Leistungen von denen des
Kinderarztes sowie das Einbringen einer
pädiatrischen Bezugnahme. Eine vorangehende Ausbildung in Kinderpflege ist wichtig.
•Mit dem KHM wird auch die nationale Grippeimpfkampagne vorbereitet.
•Mit Kinderärzte Schweiz setzen wir uns
gemeinsam mit MFE für wichtige Belange
der Haus- und Kinderärzte ein.
•Einführung des E-Logbooks mit dem SIWF
•Vorbereitung des Kongresses im Juni 2014
in Basel gemeinsam mit der fPmh
•Mit der VSAO vertreten wir SGP und Pädiatrie an der Tagung Medifuture vom 16. November in Bern.
Das Ziel ist die Förderung aktueller und zukünftiger gesundheitspolitischer Projekte zugunsten der Kinder und Jugendlichen sowie
der Pädiatrie.
3
* In diesem Text wird der Einfachheit halber nur die
männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist
selbstverständlich immer mit eingeschlossen.
Standespolitik
Vol. 24 Nr. 4 2013
Protokoll der SGP-Generalversammlung
vom 20. Juni 2013, Genf
Claudia Baeriswyl, Sekretariat SGP, Freiburg
Bevor die Generalversammlung eröffnet wird,
erfolgt um 16.45 Uhr die offizielle Preisvergabe 2013. Der diesjährige Fanconipreis geht an
Marianne Caflisch aus Genf in Anerkennung
ihrer Pionierarbeit im Bereich der Adoleszentenmedizin. Jean-Christoph Caubet aus Genf
kann den PIA-CH-Preis in Empfang nehmen.
Der Talentprize wird Caroline Guyer, Zürich,
für ihre Arbeit «Cycled light exposure reduces
fussing and crying in very preterm infants»
verliehen. Sie stellt ihr Werk in einem Kurzreferat vor.
1. Eröffnung und Wahl
der Stimmenzähler
Der Präsident Christian Kind eröffnet die
Generalversammlung um 17.15 Uhr. Im Verlauf
der Versammlung tragen sich 61 stimmberechtigte Mitglieder in die Präsenzliste ein.
Die weiteren sechs Anwesenden nehmen als
Gäste ohne Stimmrecht an der Versammlung
teil (Assistentenmitglieder). Neun Mitglieder
haben sich entschuldigt.
Felix Sennhauser und Thomas Neuhaus werden als Stimmenzähler gewählt.
2. Protokoll der GV vom 31.5.2012
Das Protokoll der letztjährigen Generalversammlung welches in der Paediatrica Vol. 23
Nr. 4 publiziert wurde, wird einstimmig angenommen und verdankt.
3. Jahresbericht des Präsidenten
Der scheidende Präsident Christian Kind fasst
seinen letzten Jahresbericht in einigen Stichworten zusammen. Der Bericht wurde im
vollen Umfang in der Paediatrica Vol. 24 Nr. 3
veröffentlicht.
Weiter- und Fortbildung
Nach langer Vorarbeit und trotz vielen Bedenken und Widerständen konnte das Projekt
«Schwerpunkt Kindernotfallmedizin» im ver-
gangenen Herbst mit der Genehmigung durch
den Vorstand des SIWF zum Abschluss gebracht werden. Das Programm wird in Kraft
treten, sobald die Bedingungen für die Umsetzung (Ernennung der Verantwortlichen, Bezeichnung der Weiterbildungsstätten) erfüllt
sind. Das revidierte Fortbildungsprogramm
ist per 1.1.2013 in Kraft getreten. Als wichtigstes Grundprinzip gilt nach wie vor die
Eigenverantwortung in der Erfüllung der Fortbildungspflicht. Daneben sind einige Erleichterungen, wie z. B. Wegfall der zusätzlichen
Fortbildung innerhalb eines Schwerpunkts
eingeführt worden. Wie bisher hat der Fortbildungspflichtige die Möglichkeit, ein Fortbildungsdiplom auf dem schriftlichen Weg zu
beantragen. Neu steht ihm auch die elektronische Fortbildungsplattform des SIWF zur
Verfügung.
Nachdem die Weiterbildungskommission unter der Leitung von Christoph Rudin in mühevoller Detailarbeit das Logbuch sowohl den
allgemeinen offiziellen Vorgaben des SIWF als
auch denjenigen für das E-Logbuch angepasst
und das SIWF dem Datenschutz auf un­sere
Aufforderung hin besser Rechnung getragen
hat, ist der Startschuss für die elektronische
Version am 1. Juni 2013 gefallen (weitere Informationen unter Traktandum 12). In diesem
Zusammenhang ist auch die kürzlich vom
Vorstand verabschiedete Mini-Revision des
Weiterbildungsprogramms zu sehen.
Als Neuheit wurde im März 2013 zum ersten
Mal ein Repetitorium der SGP für angehende
Fachärztinnen und Fachärzte Kinder- und Jugendmedizin in Aarau organisiert und mit sehr
gutem Erfolg durchgeführt. Weiter war die
SGP im Oktober mit einem Stand an der ersten Karrieremesse für Medizinstudierende in
Zürich vertreten.
Aussenbeziehungen
und interne Organisation
Wichtige Ziele der SGP sind nach wie vor die
Pflege von guten und vielfältigen Aussenbeziehungen sowie die laufende Optimierung der
internen Organisation, die es erlaubt, mit den
4
zur Verfügung stehenden finanziellen und
­personellen Ressourcen die Geschäfte erfolgreich zu führen. Als Stichwort zu den Aus­
senbeziehungen seien die Kontakte zu Kinder­
ärzte Schweiz (ehemals Forum für Praxis­pädiatrie), dem Bundesamt für Gesundheit und
anderen Fachgesellschaften wie z. B. der SGIM
genannt sowie zu Organisationen in denen die
SGP Mitglied ist wie die fPmh, das Kollegium für
Hausarztmedizin oder der Berufsverband der
Haus- und Kinderärzte Schweiz. Die SGP wird
auf der Basis der freundschaftlichen Zusammenarbeit immer mehr zum anerkannten und
respektierten Partner.
Sicherung der Praxis,
Nachwuchs für die Praxis
Mittels Definition und Operationalisierung von
Qualitätsmerkmalen, die die medizinische
Betreuung von Kindern und Jugendlichen in
der pädiatrischen Praxis einzigartig machen,
und den entsprechenden finanziellen Massnahmen, soll die Praxis gesichert werden.
Zusätzlich unterstützen wir die Entwicklung
neuer Praxismodelle gezielt weiter, im Hinblick auf die Steigerung der Attraktivität der
Praxis für junge Berufsleute.
Am Ende seiner Amtszeit ist Christian Kind
überzeugt, dass sich die SGP weder ziehen
noch stossen lässt, sondern dass das innere
Feuer, die Leidenschaft für die Pädiatrie das
Mass aller Dinge ist. Er blickt auf eine herausfordernde und erfahrungsreiche Präsidentschaft zurück, die in ihm den inneren Funken
gezündet hat und ist überzeugt, dass das
Feuer auch unter der neuen Präsidentin weiter
brennen wird. In dem Sinn dankt er allen für
das ihm entgegen gebrachte Vertrauen und
die ausgezeichnete Zusammenarbeit.
Der Jahresbericht wird mit Applaus genehmigt und verdankt.
4. Übrige Berichte
Die übrigen Jahresberichte wurden in der
Paediatrica Vol. 23 Nr. 2 veröffentlicht.
Die Berichte werden diskussionslos angenommen.
5. Mitgliederwesen
Im vergangenen Jahr konnten erfreulicherweise 67 neue Mitglieder (alle Kategorien) verzeichnet werden, wodurch die Gesamtzahl auf
2198 gestiegen ist. Dank einer konsequenten
Standespolitik
Vol. 24 Nr. 4 2013
Mitgliederbewirtschaftung wurden auch zahlreiche, zum Teil überfällige Mutationen vom
Assistentenmitglied zum ordentlichen Mitglied
vorgenommen, was sich in der Jahresrechnung
niederschlägt. Zwölf Mitglieder sind seit der
letzten Generalversammlung verstorben.
6. Jahresrechnung 2012,
Revisionsbericht
Die Kassiererin Caroline Hefti-Rütsche präsentiert die Jahresrechnung 2012, welche bei
Ausgaben von CHF 744’299.43 und Einnahmen
von CHF 870’069.84 mit einem Gewinn von
CHF 125’770.41 abschliesst. Budgetiert war ein
Verlust von CHF 7’400.–. Ausschlaggebend war
hauptsächlich das ausgezeichnete Ergebnis des
Kongresses in Luzern (CHF 98’369.–). Die bereits erwähnte Bewirtschaftung der Mitgliederbeiträge sowie eine erhöhte Ausgabendisziplin
haben ihren Teil beigetragen. Die Bilanz der SGP
weist nach Verbuchung des Gewinns per Ende
2012 Aktiven von CHF 871‘307.64, ein Fremdkapital von CHF 197’861.55 und ein Eigenkapital von CHF 673’446.09 aus.
Die Progressia Société Fiduciaire et de Gestion SA, Freiburg hat die Rechnung revidiert
und bestätigt, dass die Buchhaltung der SGP
gesetzeskonform geführt wird. Sie empfiehlt
der Generalversammlung, die Rechnung 2012
anzunehmen.
Die Jahresrechnung 2012 wird einstimmig
genehmigt.
7. Entlastung des Vorstandes
Dem Vorstand wird einstimmig die Entlastung erteilt.
8. Budget 2014
Caroline Hefti präsentiert das Budget 2014,
das einen voraussichtlichen Gewinn von CHF
1000.00 ausweist. Der Jahreskongress 2014
wird ein fPmh-Kongress sein und ist mit einem
Gewinn von CHF 20’000.00 veranschlagt. Für
Paediatrica ist ein Defizit von CHF 39’000.vorgesehen.
Das Budget 2014 wird einstimmig genehmigt.
9. Mitgliederbeiträge 2014
Der Vorstand schlägt vor, die Mitgliederbeiträge unverändert beizubehalten:
Ordentliche Mitglieder ohne Mitgliedschaft Berufsverband MFE
CHF 500.–
Ordentliche Mitglieder mit Mitgliedschaft Berufsverband MFE
CHF 450.–
Ausserordentliche SGP-Mitglieder
CHF 250.–
Assistenten-Mitglieder
CHF 150.–
Die Mitgliederbeiträge 2014 werden einstimmig genehmigt.
10. Wahlen
Präsidentin und Vizepräsident
Wie eingangs erwähnt, ist für Christian Kind
nach zwei Amtsperioden das Mandat als
Präsident statutengemäss abgelaufen, er
verbleibt aber als Past President im Vorstand. Die bisherige Vizepräsidentin Nicole
Pellaud hat sich bereit erklärt, die Präsidentschaft zu übernehmen. Als neuer Vizepräsident stellt sich Christoph Aebi zur Verfügung, allerdings ohne Präjudiz, dass er zu
einem späteren Zeitpunkt das Präsidium
übernehmen wird.
es dann auch verstanden, die Geschicke der
Gesellschaft in die richtige Bahn zu leiten.
Michael Hofer wird einstimmig zum Ehrenmitglied ernannt.
Er bedankt sich für diese Wahl und für die gute
Zusammenarbeit während den vergangenen
Jahren. Ein besonderer Dank gebührt den
beiden Präsidenten Pierre Klauser und Ueli
Bühlmann, die ihn in seiner Arbeit unterstützt
haben, sowie seinem Nachfolger Christian
Kind, der den eingeschlagenen Weg weiter
verfolgt hat.
Wahl Revisionsstelle
Die Progressia, Société Fiduciare et de Gestion SA in Freiburg wird für ein weiteres Jahr als
Revisionsstelle vorgeschlagen.
Die Wahl der Progressia SA erfolgt einstimmig.
Nicole Pellaud wird einstimmig als Präsidentin und Christoph Aebi – ebenfalls einstimmig – als Vizepräsident gewählt.
Vorstandsmitglieder der SGP
Die übrigen Vorstandsmitglieder stellen sich
alle zur Wiederwahl. Es sind dies:
•Walter Bär
•Valérie Dénervaud
•Sylvia Gschwend-Eigenmann
•Nicole Halbeisen
•Caroline Hefti-Rütsche
•Oskar Jenni
•Philipp Jenny
•Christian Kind
•Andreas Nydegger
•Marc-Alain Panchard
•Pascal Stucki
•Jan Teller
Nicole Pellaud, eine neue Präsidentin
für die SGP
Der gesamte Vorstand wird einstimmig für
eine weitere Amtsperiode von zwei Jahren
wieder gewählt.
Ehrenmitglied
Der Vorstand schlägt Michael Hofer aus Lausanne für die Wahl zum Ehrenmitglied vor. Er
war seinerzeit Leiter der Arbeitsgruppe Strukturreform und quasi der Architekt der Wiederzusammenführung der Sektionen Klinik und
Praxis. Als Präsident der vereinten SGP hat er
5
Michaël Hofer, Ehrenmitglied der SGP
Standespolitik
11. Information aus dem Berufs­
verband der Haus- und Kinderärzt­
Innen Schweiz und zur Volksini­tiative
«Ja zur Hausarztmedizin»
Stephan Rupp ist im Frühling als Vorstandsmitglied im Berufsverband MFE zurückgetreten. Philipp Jenny würdigt seine Arbeit, die
von der Versammlung mit Applaus verdankt
wird. Bei den Ersatzwahlen mussten drei Sitze
neu besetzt werden, wobei in einer Kampfwahl mit Heidi Zinggeler-Fuhrer und Rolf
Temperli erfreulicherweise zwei Pädiater mit
ausgezeichnetem Resultat gewählt wurden.
Das Institut für Praxisinformatik ist gegründet
worden und mit ersten Projekten gestartet.
Die Initiative «Ja zur Hausarztmedizin» be­
findet sich aktuell im Differenzbereinigungsverfahren für den direkten Gegenvorschlag
zwischen Ständerat und Nationalrat. Der
letztmögliche Zeitpunkt für einen Rückzug der
Initiative ist nach Abschluss dieses Verfahrens, d. h. voraussichtlich im Herbst 2013.
Wird die Initiative nicht zurückgezogen, gelangt sie 2014 zur Abstimmung. Philipp Jenny
sieht im Masterplan die Chance, relativ
schnell etwas zu erreichen und den teuren
Abstimmungskampf zu vermeiden. Hingegen
hat man mit dem Masterplan rechtlich nichts
Bindendes in der Hand. In den Bereichen
«Bildung und Forschung» sowie «Medizinalberufegesetz» konnten gute Fortschritte erzielt
werden, dagegen hapert es noch bei «Finanzierung und Versorgung», wo der Handlungsbedarf am grössten ist. Zusammenfassend
lässt sich sagen, dass Bundesrat und Parlament die Notlage in der Hausarztmedizin zur
Kenntnis genommen, aber deren Dringlichkeit
noch nicht im vollen Mass erkannt haben. Es
besteht aktuell noch keine Bereitschaft, mehr
Geld in die Hand zu nehmen.
12. Information der Weiterbildungskommission (E-Logbook)
Vol. 24 Nr. 4 2013
eingereicht werden. In einem ersten Schritt
muss auf der Homepage des SIWF ein Login
beantragt werden, wobei keine Verpflichtung
zur Mitgliedschaft in der FMH besteht. Das
E-Logbuch bildet das aktuell gültige Weiter­
bildungsprogramm der SGP ab und ist in vier
Abschnitte gegliedert (Anstellung, Interven­
tionen/Kompetenzen, SIWF/FMH-Zeugnis,
Übersicht).
Mit der Einführung der arbeitsplatzbasierten
Assessments Mini-CEX und DOPS wird eine
weitere Forderung des SIWF erfüllt. Die AbA’s
sind vertrauliche Interaktionen zwischen Weiterbildner und Weiterzubildenden und werden
im Logbuch lediglich als durchgeführt dokumentiert (wann, Thema, Weiterbildner). Ende
Mai hat dazu eine Informationsveranstaltung
in Bern stattgefunden, gezielte Schulungen in
Lausanne und Bern folgen im Herbst. Alle
relevanten Dokumente sind in der Zwischenzeit auf der Homepage der SGP aufgeschaltet.
13. Verschiedenes
Urs Frey, Chefarzt aus Basel und Organisator
des Kongresses 2014 ergreift das Wort. Er
gibt eine kurze Übersicht über den fPmh-Kongress, der am 12./13. Juni 2014 im neuen
Kongresszentrum in Basel zum Thema «Überschreiten von Grenzen» stattfinden wird.
Die neue Präsidentin Nicole Pellaud bedankt
sich an dieser Stelle für die Wahl und das ihr
entgegengebrachte Vertrauen. Sie wird alles
daran setzen, das SGP-Schiff im Sinn ihres
Vorgängers auf Kurs zu halten und schliesst
mit den Worten: «La pédiatrie se féminise,
mais le feu sacré reste».
Es sind keine weiteren Wortmeldungen zu
verzeichnen. Christian Kind schliesst die Generalversammlung um 18.20 Uhr.
Der Präsident der Weiterbildungskommission,
Christoph Rudin, muss sich leider für die
heutige Versammlung entschuldigen. An seiner Stelle informiert Christian Kind über die
Neuerungen in Sachen Weiterbildung. Das
E-Logbuch wurde per 1. Juni 2013 eingeführt
und ist für alle obligatorisch, die ihre Weiterbildung erst nach dem 1. Juli 2015 abschliessen. Nach diesem Zeitpunkt können Titel­
gesuche nur noch über das E-Logbuch
6
Zwischen 50 und 90% der Säuglinge weisen
Symptome von Verdauungsproblemen auf
*
Die neue Ernährungsalternative:
Aptamil Sensivia
Bei leichten Verdauungsproblemen2 :
physiologischem Spucken
Gasen
Blähungen
Symptomen von Koliken
Rückgang der leichten Verdauungsprobleme mit Aptamil Sensivia
Frequenz (%)
Intensität (Durchschnitt)
0
Aptamil Sensivia
-50
Standardmilchnahrung
-100
-150
-200
p = 0.0565
p = 0.0442*
* signifikant besser (p<0.05)
2
Studie Roy, P. et al.
• n = 109 Säuglinge (0-3 Mt.) - 93 Studie beendet • Symptome : leichte Verdauungsprobleme wie Reflux, Aufstossen, Schluckauf, Gasen, Blähungen und/oder Koliken/unerklärliches Weinen
• multizentrische, randomisierte, doppelblinde Studie (Standardmilchnahrung 1 im Vergleich zu Aptamil Sensivia 1) • Interventionszeitraum: 15 Tage
Aptamil, heute für morgen.
Wichtiger Hinweis: Stillen ist ideal für das Kind. Die WHO empfiehlt ausschliessliches Stillen während den ersten 6 Monaten.
*
leichte funktionelle Verdauungsprobleme, zwischen 2 und 4 Monaten1
1 Hyman PE et al, Gastroenterology 2006 ; 130 : 1519 ; 2 Roy, P., et al. (2004): Benefits of a thickened infant formula with lactase activity in the management of benign digestive disorders in newborns. Arch Pediatr. 11(12): p. 1546-54
Standespolitik
Vol. 24 Nr. 4 2013
Einführung des E-Logbuchs sowie der
Arbeitsplatz-basierten Assessments (AbA’s)
Aktuelle Informationen aus der Weiterbildungskommission
der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie (SGP)
Prof. Ch. Rudin, Präsident der WBK der SGP
Am ersten Januar 2012 ist das neue revidierte
Weiterbildungsprogramm (WBP) der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) in
Kraft getreten. Im Zuge dieser Revision des
WBP hat die Weiterbildungskommission
(WBK) auch das Logbuch revidiert. Damals
verlangte das Schweizerische Institut für
Weiter- und Fortbildung (SIWF) ein Logbuch
in einem interaktiven pdf-Format. Unmittelbar
nach der Genehmigung dieses neuen Logbuchs durch den Vorstand der SGP und das
SIWF wurde uns klar, dass dieses Format bereits zeitnah durch ein E-Logbuch-Format
abgelöst werden würde, weshalb sich die WBK
zusammen mit dem Vorstand der SGP entschieden hat, mit der Einführung des pdfLogbuchs zuzuwarten und direkt auf das eLogbuch umzustellen. Das SIWF hat uns bei
der Umsetzung dieser Strategie sodann tatkräftig unterstützt. Nachdem in den letzten
Monaten nun auch noch die letzten Bedenken
des SGP-Vorstandes im Bereiche des Datenschutzes vom SIWF ausgeräumt werden konnten, stand der Einführung des neuen e-Logbuches nichts mehr im Wege.
In der Zwischenzeit ist auch das WBP bereits
noch einmal einer kleinen Revision unterzogen worden. Insbesondere ging es dabei
da­rum, den neuen Schwerpunkt der NotfallPädiatrie zu integrieren, andererseits wurden
einige neue Anforderungen des SIWF integriert, unter anderem auch die obligatorische
Durchführung der sogenannten Arbeitsplatzbasierten Assessments (AbA’s) im Rahmen
der Weiterbildung. Dabei handelt es sich um
praktische Übungen im Spitalalltag, bei welchen der weiterzubildende Assistenzarzt von
einem direkten Weiterbildner beobachtet wird
und anschliessend von diesem ein konstruktives Feedback erhält.
Am 31.5.2013 hat die WBK gemeinsam mit
dem Sekretariat der SGP an der UniversitätsKinderklinik des Inselspitals in Bern das ELogbuch und die AbA’s vorgestellt und offiziell
eingeführt. Dabei sind das E-Logbuch von Dr.
B. Althaus und Frau N. Gonseth und die AbA’s
unter anderem von Dr. J. Biaggi vom SIWF
vorgestellt worden. Eingeladen waren Vertretungen sämtlicher pädiatrischer Weiterbildungsstätten sowie der AssistentInnen.
Das E-Logbuch
Wer seine Weiterbildung zur Erlangung des
Facharzttitels in Kinder- und Jugendmedizin
bis zum 30.6.2015 abschliesst, muss noch
kein E-Logbuch führen. Wer allerdings den
Facharzttitel erst nach dem 1.7.2015 abschlies­
sen wird, muss obligatorisch ein E-Logbuch
führen, weil ab 1.7.2015 Titelgesuche nur
noch über das E-Logbuch eingereicht werden
können. Wer bereits eine oder mehrere Weiterbildungsperioden absolviert hat und dafür
bereits ein FMH-Zeugnis ausgestellt bekommen hat, muss für solche Perioden im ELogbuch lediglich noch einen pro-forma-Eintrag machen.
Das E-Logbuch bildet das aktuelle WBP der
SGP vom 1.1.12 ab und ist in drei Abschnitte
geliedert:
•Anstellung
• Interventionen/Kompetenzen
•SIWF/FMH-Zeugnis
•Übersicht
Das Logbuch wird fortlaufend geführt. Die
Abschnitte «Anstellung» und «Interventionen/
Kompetenzen» dienen in erster Linie der übersichtlichen Selbstkontrolle und als Grundlage
für die Planung der Weiterbildung. Es handelt
sich dabei um persönliche Aufzeichnungen,
die nicht ein- resp. weitergereicht werden
müssen. Das «SIWF/FMH-Zeugnis» wird einmal pro Jahr erstellt, ausgedruckt und vom
Leiter der Weiterbildungsstätte unterzeichnet.
Die «Übersicht» schliesslich stellt eine Zusammenfassung der gesamten Weiterbildung dar
und ist dasjenige Dokument, welches mit dem
Titelgesuch eingereicht werden muss.
8
Um ein E-Loguch zu führen, muss in einem
ersten Schritt auf der Homepage des SIWF ein
Login für das E-Logbuch beantragt werden
(https://idp.fmh.ch/Registrierungschritt1.
aspx). Eine Mitgliedschaft bei der FMH ist
dafür nicht notwendig.
In Zukunft wird das E-Logbuch den Kantonen
als Grundlage dafür dienen, wie die einzelnen
Weiterbildungsstätten für ihre Weiterbildungstätigkeit entschädigt werden. Dabei
werden allerdings nicht Inhalte der individuellen E-Logbücher weitergegeben, sondern
lediglich die Anzahl der an der jeweiligen In­
stitution ein E-Logbuch führenden MitarbeiterInnen.
Die Arbeitsplatz-basierten
Assessments (AbA’s)
Die AbA’s gliedern sich in sogenannte MiniCEX (mini-clinical evaluation exercises) und
DOPS (direct observation of procedural
skills). Wie ihr Name sagt, liegt bei den MiniCEX der Fokus auf kommunikativen Aspekten
(Anamnese, Patientengespräche) und der
klinischen Untersuchung, bei den DOPS auf
manuellen Fertigkeiten und Interventionen.
Die einzelnen Übungen sollen jeweils 15–20
Minuten dauern und vier Mal jährlich stattfinden. Im Rahmen der AbA’s wird der Assistenzarzt von einem direkten Weiterbildner bei der
Arbeit beobachtet, und anschliessend von
diesem konstruktiv beurteilt. Dabei kann natürlich jeweils nur ein Teilaspekt der kommunikativen Fähigkeiten resp. eine Intervention
überprüft werden. Um insbesondere die Evaluation am Ende der Übung zu erleichtern und
auch zu standardisieren, hat die WBK auf der
Grundlage von Vorlagen des Institutes für
Medizinische Lehre (IML) der Universität Bern
und des Royal Australasian College of Physicians einen Kriterienkatalog zur Beurteilung
vorbereitet, der auf der Homepage der SGP
resp. des SIWF heruntergeladen werden kann.
Dieses Dokument enthält auch eine (nicht
abschliessend zu verstehende) Liste möglicher DOPS-Themen. Die Dokumentation erfolgt ebenfalls einheitlich mittels einem Beurteilungsbogen, der sich ebenfalls auf den
erwähnten Homepages findet. Auf diesem
Beurteilungsbogen sollen die positiven Aspekte und die Aspekte mit Optimierungspotential
vom Weiterbildner zuhanden des Assistenten
schriftlich festgehalten werden. Dieses Dokument ist persönlich und wird dem Assistenten
ausgehändigt. Im E-Logbuch und im SIWF/
FMH-Zeugnis wird lediglich das Datum der
Standespolitik
Vol. 24 Nr. 4 2013
Durchführung, der Weiterbildner und der Inhalt des AbA’s dokumentiert. Im Herbst 2013
werden von der SGP an verschiedenen gros­
sen Kliniken der Schweiz Schulungen durch
das IML organisiet werden.
Mit der Einführungsveranstaltung in Bern
(siehe oben) gelten E-Logbuch und AbA’s als
in der SGP eingeführt und wir hoffen, dass die
flächendeckende Umsetzung rasch erfolgen
kann. Das E-Logbuch deckt die Inhalte des
aktuellen WBP zweifelsfrei viel besser ab, als
das in die Jahre gekommene alte Logbuch und
bezüglich der AbA’s hoffen wir, optimale Voraussetzungen für eine engagierte und konstruktive Umsetzung dieser «neuen alten» Anforderung an die Weiterbildung geschaffen zu
haben.
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Standespolitik
Vol. 24 Nr. 4 2013
Tarmed Info
Marco Belvedere, Tarifdelegierter der SGP, Zürich
Auf allen Kanälen werden unterschiedliche
Informationen zu den laufenden Prozessen zur
Tarifüberarbeitung verbreitet. Selbst uns Mitarbeitenden fällt es immer wieder schwer den
Überblick zu behalten. Schwerpunkt bei der
Revision Tarmed ist für uns Grundversorger
eine adäquate Darstellung unserer Leistungen
in einem eigenen Kapitel. Nach anfänglich
wohlwollendem Kopfnicken zeigt sich nun
immer deutlicher, dass harte Grabenkämpfe
geführt werden, um die eigenen Interessen zu
verteidigen. Zum Zeitpunkt des Erscheinens
des Artikels wird schon weitgehend entschieden sein, ob eine Einigung auf ein gemeinsames Vorgehen möglich ist oder ob der Bund
mit seiner subsidiären Kompetenz eingreifen
wird. Auch dann ist aber nicht sicher, ob eine
Lösung mit einem Grundversorgerkapitel realisierbar wird. Haupthinderungsgrund ist der
primäre Spargedanke, welcher nur auf den
Moment ausgerichtet ist und jede Art von
Langzeitperspektive vermissen lässt. Eine
starke Grundversorgung in den Praxen wird
noch nicht genügend als Sparpotential wahrgenommen. Kommt es dort aber zu einer
kontinuierlichen Schwächung, so wird dies zu
einer Verschiebung in teurere Versorgungsstrukturen führen. Gleiche Überlegungen gelten auch für die Revision der Labortarife.
Vorerst sind mal die Übergangszuschläge etwas angehoben und bis Ende 2013 verlängert
worden, die Zielvorstellungen der Endpreise
sind aber gerade für die Pädiatrie so realitätsfremd, das eine Präsenzdiagnostik bei akuten
Infektionen nicht selbst tragend sein wird.
Einmal mehr muss unser Idealismus und eine
Querfinanzierung für das Wohl der kleinen
Patienten herhalten. Wir werden uns aber
nicht verführen lassen, zur besseren Amortisation der Apparate einfach unnötig viele Laboruntersuchungen zu machen. Eine gezielte
Besserstellung unserer spezifischen Leistung
ist immer noch Hauptaugenmerk all unserer
Bemühungen. Dies mag vielleicht als eine
sture Verhandlungsposition wahrgenommen
werden. Letztlich ist es aber der einzige Weg,
einen gut fundierten Ausgleich innerhalb des
Tarifwerkes zu bekommen. Behelfsmässig
konstruierte Übergangszuschläge zeigen nur
zu deutlich, dass man nicht bereit ist, eine
sachgerechte und ausgewogene Lösung für
die Stärkung der Grundversorger in der Praxis
mitzutragen.
Wichtiges in Kürze
Die neue Liste der Mittel und Gegenstände
(MiGel), welche seit dem 01.07.2013 gültig ist,
bestätigt die Leistungspflicht bei der Pertussisimpfung gemäss Schweizerischem Impfplan 2013. Verordnungspapiere hinken auch
hier wiederum deutlich der gängigen Praxis
hinterher, ist doch der neue Impfplan bereits
seit Januar in Anwendung.
Neu wird eine Tarmedposition zur Masernimpfung vorbereitet, welche für die Pädiatrie aber
eine verschwindend kleine Bedeutung haben
wird, da die Masernimpfung im Schweizer
Impfplan 2013 bis 16-jährig sowieso leistungspflichtig ist und die Kinder in aller Regel
von einer Franchise befreit sind. Die Details
der geplanten Position werden in der Ärztezeitung (SAEZ) publiziert werden, sobald eine
Einigung erzielt worden ist.
Eine durchaus erfreuliche Nachricht gibt es
über die personelle Erweiterung in der Tarifkommission der Hausärzte zu berichten.
Gleich 2 pädiatrische Vorstandsmitglieder
haben in der Tarifkommission Einsitz genommen und führen das Co-Präsidium. Es sind
dies Heidi Zinggeler und Rolf Temperli.
Damit wird auch weiterhin die pädiatrische
Sicht in die Verhandlungen eingebracht, was
dringend nötig ist, um unseren Anliegen zum
Durchbruch zu verhelfen.
Ich werde die Arbeit als Tarifdelegierter der
SGP per Juni 2014 an eine Nachfolgerin/einen
Nachfolger übergeben. Bis dahin werde ich
bemüht sein, den neuen Mitarbeitern mit Rat
und Tat zur Seite zu stehen. Im Sinne eines
Staffellaufes werden wir versuchen genügend
Atem zu behalten, um die lange Strecke der
Tarifverhandlungen erfolgreich zu meistern.
Es ist enorm wichtig, dass wir uns mit ganzem
Herzen engagieren, sonst droht uns langfristig das Aus.
Weitere Informationen finden sie auch in
ausgesandten Unterlagen (z.B. SAEZ) und
über folgende Adressen:
www.tarmedsuisse.ch
www.swiss-paediatrics.org
www.hausaerzteschweiz.ch
www.fmh.ch
Korrespondenzadresse
[email protected]
10
Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich
Vol. 24 Nr. 4 2013
Jahresbericht der Co-Präsidenten
Geschäftsjahr 2012–2013
Raoul Schmid, Bernd Erkert
1. Vorstand, gewählt an der Mitgliederversammlung 2012, für 2 Jahre
•Raoul Schmid, Baar
Co-Präsident (Praxis)
•Bernd Erkert, Münsterlingen
Co-Präsident (Klinik)
•Johannes Greisser, Aarberg
Kasse, Homepage
•Thomas Baumann, Solothurn
Gründungsmitglied, Beisitzer
•Magdalena Hürlimann, Allschwil
Beisitzerin
kommission und der Weiterbildungskommission mit direkter Einsitznahme von SVUPPVorstandsmitgliedern in beiden Gremien
erfuhr ihre Fortsetzung. Mit der Hüftkommission konnte eine Finanzabgeltung für Tätigkeiten von SVUPP-Tutoren in deren Auftrag erzielt werden – mit positiver Auswirkung auf
die Jahresrechnung.
Anlässlich der MV 2012 konnte das Amt des
Co-Präsidenten wieder besetzt werden.
5. Finanzen
Die Zahlen werden an der Mitgliederversammlung präsentiert und kommentiert. SVUPP
strebte ein ausgeglichenes Budget an; auf
Grund diverser Faktoren dürfte diese Vorgabe
gar leicht übertroffen worden sein.
Erstmals wird das Amt von einem Klinikvertreter bekleidet. Dies ist ein klares Bekenntnis
in Richtung der Kinderspitäler der Schweiz,
denn die SVUPP vertritt als Sektion Pädiatrie
der SGUM auch die Interessen der an Kliniken
Tätigen!
2. Mitglieder
Per Ende des Geschäftsjahres betrug der
Mitgliederbestand 291 ordentliche und 61
ausserordentliche Mitglieder.
3. Kurswesen
Auch im abgelaufenen Jahr fand eine vollständige Kursreihe für Hüftsonographie statt, auf
Grund der grossen Nachfrage zusätzlich ein
Refresherkurs. Auch wenn es sich dabei um
eine Pflichtübung im Rahmen des Rezertifi­
zierungsprocederes handelt, verlaufen diese
Refresherkurse immer sehr lebhaft und es
entstehen interessante Diskussionen. Die po­sitiven Kursfeedbacks lassen darauf schlies­
sen, dass für die Meisten eine Teilnahme nicht
verlorene Zeit bedeutet. Die pädiatrische
Sonographie wurde erneut in einem Kombikurs angeboten, daneben fanden wieder die
beliebten themenspezifischen HalbtagesWorkshops statt. Allen Organisatoren und
Ausbildnern sei an dieser Stelle gedankt, ihre
Leistungen verdienen grossen Respekt.
Die Liste der SVUPP-Tutoren wurde aktualisiert und kann auf der Homepage www.svupp.
ch eingesehen werden.
6. Mongolei-Projekt
Bis 2012 war die SMOPP (Swiss Mongolian
Pediatric Project) logistisch dem Swiss Surgical Team angeschlossen. Dieses zieht sich
von seinen Aktivitäten in der Mongolei zurück und setzt andere Tätigkeitsschwerpunkte. Als Konsequenz wurde am 13.4.2013 der
unabhängige Verein SMOPP gegründet. Die
begonnene Arbeit wird so mit unverändertem Engagement und neuer Energie weitergeführt. Im Juli 2013 hat eine Delegation von
5 Gründungsmitgliedern die Aufgabe in Angriff genommen, in den ländlichen Gebieten
der Mongolei die Diagnostik und Therapie
der DDH zu ermöglichen. Zudem soll die
bereits durchgeführte Inzidenzstudie (kurz
vor Publikation) durch weitere Untersuchungen untermauert und ergänzt werden. Die
enge Zusammenarbeit zwischen SVUPP und
SMOPP wird natürlich beibehalten. Die finanzielle und ideelle Unterstützung bleibt unser
Rückgrat! Wir sind auf Ihre Spende oder Ihre
Mitgliedschaft angewiesen!
Korrespondenzadresse
Sekretariat/Kurswesen
Schweizerische Vereinigung für Ultraschall
in der Pädiatrie SVUPP
Badenerstrasse 21
8004 Zürich
[email protected]
www.smopp.net
4. Vernetzung der SVUPP
Die Beziehungen zu der SGUM wurden weiter
gepflegt. Die Zusammenarbeit mit der Hüft-
11
Empfehlungen
Vol. 24 Nr. 4 2013
Diagnose und Behandlung von
Harnwegsinfektionen beim Kind
Empfehlungen der Schweizerischen Arbeitsgruppe für pädiatrische Nephrologie
(SAPN)1) , der Pädiatrischen Infektiologiegruppe Schweiz (PIGS, www.pigs.ch) 2)
und der Schweizerischen Gesellschaft für Kinderurologie (SwissPU) 3)
Zielsetzung
Formulierung von Empfehlungen zur Diagnostik, Behandlung, Abklärung und Nachkontrolle von Harnwegsinfektionen bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Jugendlichen bis
16 Jahre. Die nachstehenden Empfehlungen
sind nicht als absolut gültige Richtlinien zu
verstehen. Individuelle Umstände, insbesondere der klinische Zustand, können beim
einzelnen Patienten Abweichungen vom vorgeschlagenen Prozedere rechtfertigen.
Grundlagen
Der Harntrakt ist bei Kindern jeden Alters,
insbesondere aber bei Säuglingen und Kleinkindern eine häufige Quelle von Infektionen.
Die Harnwegsinfektionen sind bei Kindern von
besonderer Bedeutung, weil sie erstens für
eine erhebliche Morbidität während der akuten Infektion verantwortlich sind, und zweitens weil sie langfristig Ursache für die Entwicklung einer arteriellen Hypertonie oder für
einen Nierenfunktionsverlust sein können.
Die Betreuung von Kindern mit Harnwegsinfektionen, welche ärztliche Konsultationen,
Diagnostik, Einsatz von Antibiotika und bildgebende Untersuchungen einschliesst, konnte seit den CH-Empfehlungen 20081), 2) auf
Grund neuerer Daten und in Anlehnung an
internationale Evidenz basierte Empfehlungen3), 4) vereinfacht werden. Dies betrifft insbesondere die Bildgebung und die Anti­
biotikaprophylaxe5)–10) . Die nachfolgenden
Empfehlungen der Schweizerischen Arbeitsgruppe für pädiatrische Nephrologie (SAPN)
der Pädiatrischen Infektiologiegruppe Schweiz
(PIGS) und der Schweizerischen Gesellschaft
für Kinderurologie (SwissPU) basieren auf der
aktuell vorhandenen Evidenz für die Behandlung von Harnwegsinfektionen beim Kind.
1) Christoph Rudin, Guido Laube, Eric Girardin
2) Christoph Berger, Christoph Rudin, Anita Niederer,
Klara Posfay Barbe, Philipp Agyeman
3) Rita Gobet
Das optimale Vorgehen bei Kindern mit
Harnwegsinfektionen verfolgt zwei Ziele:
1.Es ermöglicht die Erkennung, die Behandlung und die Abklärung derjenigen Kinder,
die für die Komplikationen prädestinieren.
Wichtig ist dabei die rechtzeitige Diagnose
zugrunde liegender urologischer/renaler
Felhbildungen.
2.Es führt zur Vermeidung unnötiger Therapien und Abklärungen bei Kindern, die kein
Risiko für Komplikationen oder Narbenbildung haben.
Altersabhängigkeit
Weil das Alter des Patienten für das Vorgehen
entscheidend sein kann, wird bei den spezifischen Empfehlungen, wo relevant, auf altersspezifische Besonderheiten eingegangen.
Empfehlung Nr. 1: Klinischer Verdacht
auf eine Harnwegsinfektion:
Eine Harnwegsinfektion muss bei jedem
Säugling und Kind mit unklarem Fieber in
Betracht gezogen werden.
Die systematische Suche nach einer Harnwegsinfektion ist bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern unter 2 Jahren mit Fieber
besonders wichtig, weil bei ihnen die typischen
klinischen Zeichen einer Pyelonephritis (siehe
Empfehlung Nr. 2) fehlen können. Zudem kann
sich eine Harnwegsinfektion beim Neugeborenen und Säugling auch durch ungenügendes
Gedeihen, Irritabilität, Apathie, Trinkschwäche
oder Schlafstörung ohne Fieber manifestieren.
Besondere Wachsamkeit zur Erkennung und
Behandlung von Harnwegsinfektionen ist angezeigt, weil das erhöhte Risiko für die Entstehung von Nierenparenchymnarben bei wiederholten Harnwegsinfektionen durch zahlreiche
klinische Studien und experimentelle Untersuchungen untermauert wird.
Empfehlung Nr. 2: Unterscheidung
zwischen Zystitis und Pyelonephritis:
Für die adäquate Behandlung ist es entscheidend, zwischen einer Zystitis und
einer Pyelonephritis zu unterscheiden; nur
12
Pyelonephritiden führen zu Nierenparenchymnarben und Langzeitfolgen.
Die klassischen Symptome einer Harnwegsinfektion sind Pollakisurie, Dysurie, Flankenschmerzen und Fieber. Flankenschmerzen
und Fieber sind Zeichen für eine Pyelonephritis. Diese Zeichen können beim Kind < 2
Jahre fehlen oder durch unspezifische Symptome wie in Empfehlung Nr. 1 beschrieben,
ersetzt sein. Bei Kindern < 2 Jahre muss im
Zweifel vom Vorliegen einer Pyelonephritis
ausgegangen werden. Zystitiden sind vor allem bei Mädchen nach dem zweiten Lebensjahr häufig. Die Diagnose einer Zystitis kann
beim Kind > 2 Jahre erwogen werden, wenn
z. B. Dysurie oder Pollakisurie, ein entsprechender Urinbefund (siehe Empfehlung Nr.
4), aber kein Fieber und keine Flankenschmerzen vorhanden sind. Ein tiefes CRP
(< 10 mg/l) macht eine Pyelonephritis unwahrscheinlich, schliesst sie aber nicht aus.
Eine Nieren-Sonographie erlaubt weder den
definitiven Nachweis noch den Ausschluss
einer Pyelonephritis.
Empfehlung Nr. 3: Methoden der
Urinsammlung:
Beim Säugling und Kind sind der EinmalBlasenkatheterismus und die Blasenpunktion die Methoden der ersten Wahl und
gelten als «Gold-Standard» zur Diagnosestellung einer Harnwegsinfektion.
Der Einmal-Blasenkatheterismus wird häufiger angewendet als die Blasenpunktion und
ist als Gold-Standard akzeptiert. Die Gefahr,
durch Katheterisierung der Blase eine Infektion zu verursachen, ist gering. Beim Knaben
und Mädchen erfordert der Blasenkatheterismus die Erfahrung einer Fachperson. Die
Technik der Blasenpunktion ist risikoarm,
aber ihre Erfolgsrate zur Uringewinnung ist
abhängig von der Erfahrung mit dieser Technik.
Die Sammlung von Mittelstrahlurin kann
bei kooperativen grösseren Kindern und
nach guter Anleitung als Alternative anstelle
des Einmalkatheters zur Sammlung von Urin
in Betracht gezogen werden. Auch bei Säug­
lingen (< 12 Monate) kann diese Technik
alternativ angewendet werden, benötigt allerdings viel Geduld und Zeit und ent­
sprechende Berücksichtung bei der Befundinterpretation. Mittelstrahlurin gilt
wegen höherer Kontaminationsrate nicht als
«Gold-Standard».
Die Urinsammlung mittels Säckchen führt
insbesondere bei Säuglingen sehr häufig zu
falsch positiven Urinbefunden. Säckchenurin
Empfehlungen
Vol. 24 Nr. 4 2013
soll nicht zum Anlegen einer Kultur verwendet
werden. Falls ein Säckchen zur Urinsammlung
verwendet wird, ist es unerlässlich, dieses nur
für kurze Zeit (15–30 Minuten) anzukleben,
unmittelbar nach Miktion zu entfernen und
den Urin ohne Verzug zu analysieren (keine
Kultur). Zeigt ein Säckchen-Urin verdächtige
Be­funde (Leukozyturie, Nitrit), soll zur end­
gültigen Diagnose und vor Beginn einer Antibiotikatherapie ein Katheter- oder Blasenpunktionsurin gesammelt und daraus eine
Urinkultur angelegt werden.
Empfehlung Nr. 4: Urinanalyse und
Urinkultur:
Die Diagnose einer Harnwegsinfektion
erfodert eine Urinanalyse und eine Urinkultur. Die Urinanalyse mittels Streifentests (Leukozyten-Esterase und Nitrit) wie
auch die mikroskopische Urinuntersu-
chung sind nicht genügend sensitiv, um
alleine die Diagnose einer Harnwegsinfektion zu bestätigen.
Der Nitrit-Test und die Leukozyten-Esterase
haben eine niedrige Sensitivität, insbesondere bei den jüngsten Kindern. Auf einen auffälligen Streifentest sollte wo möglich eine mikroskopische Untersuchung des Urins folgen.
Allerdings haben Leukozyten-Esterase und
standardisierte mikroskopische Quantifizierung der Leukozyten und/oder Bakterien im
Urin trotz hohem negativen Voraussagewert
eine nicht ausreichende Sensitivität. Die Untersuchung des Urinsediments im Katheteroder Blasenpunktionsurin durch eine geübte
Person hingegen gibt bei Identifikation von
Leukozytenzylindern ein positives Indiz für
eine Harnwegsinfektion mit Beteiligung des
Nierenparenchyms (Pyelonephritis). Die ungenügende Sensitivität und Spezifität der
Urinanalyse (Streifentest und Mikroskopie)
zum Nachweis einer Harnwegsinfektion zeigen, dass sie die Urinkultur nicht ersetzen
kann. Ein positiver Befund in der Urinanalyse erhärtet den Verdacht auf eine Harnwegsinfektion und berechtigt nach Abnahme einer Urinkultur bei entsprechender
Klinik zum Beginn empirischen AntibiotikaTherapie.
Empfehlung Nr. 5: Definition einer
positiven Urinkultur:
Im Urin, der mittels Blasenpunktion gewonnen wurde, ist jedes Wachstum von uropathogenen Bakterien in der Urinkultur unabhängig
von der Keimzahl diagnostisch für das Vorliegen einer Harnwegsinfektion.
Im Urin, der mittels Einmalkatheter gewonnen wurde, ist Wachstum eines einzelnen uropathogenen Keimes in einer Zahl
Therapie
Amoxicillin i. v.
100–150 mg/kg/die i.v. in 3–4 Dosen
Gentamicin1
Frühgeborene oder Neugeborene in 1. Lebenswoche: Dosierung je nach Gestationsalter,
siehe Neonatologie-Empfehlungen; Neugeborene > 1. Lebenswoche und alle älteren Kinder
6–7,5 mg/kg/die in 1 Dosis
Amikacin1
15 mg/kg/die i.v. (oder i.m.) in 1 Dosis
Tobramycin
4–6 mg/kg/die i.v. (oder i.m.) in 1 Dosis
Ceftriaxon
50 mg/kg/die i.v. (oder i.m.) in 1 Dosis
Amoxicillin/Clavulansäure
80 mg/kg/die p.o. in 2­–3 Dosen
Ceftibuten3
9 mg/kg/die p.o. in 1 Dosis (erste 2 Dosen im Abstand von 12 Stunden)
1
2
Cefixim4
Cefpodoxim
8 mg/kg/die p.o. in 1 oder 2 Dosen
4
8 mg/kg/die p.o. in 2 Dosen
Cefuroxim5
20–30 mg/kg/die p.o. in 2 Dosen
Cotrimoxazol5
36–60 mg/kg/die (6-10 mg TMP/kg/die) p.o. in 2 Dosen
Prophylaxe
Amoxicillin6
10–20 mg/kg/die p.o. in 1 oder 2 Dosen
Trimethoprim7
2–3 mg/kg/die p.o. in 1 oder 2 Dosen
Cotrimoxazol2
9–12 mg/kg/die p.o. (1.5-2 mg TMP/kg/die) in 1 oder 2 Dosen
Nitrofurantoin8
1–2 mg/kg/die in 1 oder 2 Dosen
Dosierungsempfehlungen für Antibiotika zur Therapie/Prophylaxe von Harnwegsinfektionen bei Kindern
1) Die Aminoglykoside können gleichwertig eingesetzt werden. Bei allen Aminoglykosiden altersabhängige Dosierungen
für Früh- und Neugeborene beachten
2) Kontraindiziert für Neugeborene < 1 Monat und/oder bei Hyperbilirubinämie
3) Ab dem 6. Lebensmonat zugelassen (1 Dosis pro Tag; erste zwei Dosen im Abstand von 12 Stunden, danach Gabe alle 24 Std.)
4) Cefixim (1 Dosis pro Tag) und Cefpodoxim (2 Dosen pro Tag) sind ab dem 2. Lebensmonat zugelassen
5) Dosierung zur Therapie bei Zystitis, nicht 1. Wahl für Pyelonephritis
6) Prophylaxe ausschliesslich im Neugeborenenalter (< 4 Wochen)
7) Kann von jeder Apotheke besorgt werden (ein Antrag an Swissmedic ist nicht erforderlich):
Infectotrimet® Suspension 50 oder 100 (50 oder 100 mg/5 ml)
8) Nitrofurantoin = 2. Wahl (unerwünschte Wirkungen), siehe Text
Tabelle:
13
Empfehlungen
von > 10’000 CFU/ml Urin diagnostisch für
eine Harnwegsinfektion, im Mittelstrahlurin eine Keimzahl > 100’000 CFU/ml Urin.
Bei jungen Kindern mit häufiger Blasenentleerung kann bereits eine Urinkultur aus Katheterurin mit 1’000–10’000 CFU/ml Ausdruck
einer Harnwegsinfektion sein. Diese Besonderheit soll zusammen mit der klinischen
Präsentation und den andern Laborbefunden
bei der Beurteilung berücksichtigt werden.
Generell weist der Nachweis von > 2 verschiedenen Keimen in der Urinkultur auf eine
Kontamination hin. Besonders bei Säuglingen
ist jedoch eine signifikante Bakteriurie mit
Wachstum von zwei Keimen möglich, insbesondere das gleichzeitige Wachstum von
Escherichia coli und Enterokokken.
Vol. 24 Nr. 4 2013
•Therapiedauer (inklusiv 1–3 Tage i. v./i. m.
Behandlung): 10–14 Tage
Fieber, erhöhtem Kreatinin oder bekannter
urologischer Fehlbildung
Alter > 6 Lebensmonate: Febrile Harnwegsinfektion (Pyelonephritis):
•Rein perorale Therapie mit Cephalosporinen der dritten Generation, unter folgenden
Voraussetzungen:
•Es liegt kein septisches Zustandsbild vor,
kein Erbrechen, es kann von einer zuverlässigen oralen Medikamenten-Einnahme
ausgegangen werden, es bestehen keine
urologischen Fehlbildungen, keine neurogene Blase und es ist kein Fremdmaterial
vorhanden (Rücksprache mit KinderNephrologen/Kinder-Urologen)
•Es findet eine klinische Kontrolle und ReEvaluation am Tag 3 (vgl. Empfehlung Nr.
7) statt: Kontrolle des Therapieansprechens, Bestätigung der Diagnose und
allenfalls Anpassung der Therapie nach
Erhalt der Urinkulturen und des Antibiogramms
•Therapiedauer 10–14 Tage
Empfehlung Nr. 8: Bildgebende Untersuchungen bei erster Pyelonephritis:
Ultraschall: Bei allen Kindern soll einige
Tage nach Therapiebeginn bis 4 Wochen
nach der ersten Pyelonephirtis ein Ultraschall der Nieren und ableitenden Harnwege durchgeführt werden.
Empfehlung Nr. 6: Antibiotika –
Therapie der Harnwegsinfektionen
abgestuft nach Alter (AntibiotikaDosierungen siehe Tabelle):
Alter ≤ 2 Lebensmonate, alle Harnwegs­
infektionen (+/- Fieber)
•Immer intravenöse Therapie, Therapiebeginn
erst nach Abnahme von Blutkulturen
•Empirischer Beginn mit einer AntibiotikaKombinationstherapie mit Amoxicillin und
Aminoglykosid. Nach Erhalt des Antibiogramms ist bei gutem Ansprechen eine
gezielte Monotherapie möglich. (Im 2.
Lebensmonat kann Ceftriaxon optional
Aminoglykoside und nach Ausschluss von
Infektionen mit Enterokokken auch Amoxicillin ersetzen; Kontraindikation für Ceftriaxon: Hyperbilirubinämie)
•Therapiedauer: 10–14 Tage i. v., bei positiver Blutkultur mindestens 14 Tage
Alter > 6 Lebensmonate: Afebrile
Harnwegsinfektion (Zystitis)
•Therapiewahl unter Berücksichtigung der
lokalen Resistenzlage und den Grundregeln
zur Prävention der Resistenzentwicklung:
a. Cotrimoxazol
b.Amoxicillin/Clavulansäure
c. Cephalosporine der zweiten Generation,
z. B. Cefuroxim
d.Cephalosporine der dritten Generation
•Therapiedauer 3–5 Tage; die Behandlung
mit einer Einmaldosis wird beim Kind nicht
empfohlen.
Alter > 2 aber < 6 Lebensmonate, alle Harnwegsinfektionen (+/- Fieber)
•Therapiebeginn parenteral mit Ceftriaxon,
Abnahme von Blutkulturen vor Therapiebeginn
•Bei gutem Ansprechen, negativen Blutkulturen und erst nach Erhalt der Urinkulturen
und des Antibiogramms ist ein Wechsel auf
eine orale Therapie mit Cephalosporinen
der dritten Generation (siehe Tabelle) bzw.
gemäss Antibiogramm möglich.
•Keine Umstellung auf perorale Therapie bei
fehlendem/fraglichem Therapieansprechen, Erbrechen, unsicherer Einnahme der
oralen Therapie, gemäss Antibiogramm
nicht verfügbarer oraler Therapie, urologischen Fehlbildungen, neurogener Blase
oder Fremdmaterial (Rücksprache mit Kinder-Nephrologen/Kinder-Urologen)
Empfehlung Nr. 7: Kontrollen während
der akuten Phase der Infektion:
Am 3. Tag nach Diagnosestellung und Beginn der empirischen Antibiotikatherapie
erfolgt eine klinische Kontrolle (im Spital
oder beim Kinderarzt) zur Überprüfung
des Therapieansprechens sowie zur Bestätigung der Diagnose, und allenfalls Anpassung der Therapie nach Erhalt der Urinkulturen und des Antibiogramms. Bei
negativer Urinkultur soll die empirische
Therapie beendet und die Diagnose überprüft werden.
•Eine erneute Urinuntersuchung am Tag 3 ist
nur notwendig, wenn das Kind noch nicht
afebril ist.
•Ein Abdomenultraschall am Tag 3 (siehe
Empfehlung Nr. 8) nur bei fehlendem Ansprechen auf die Therapie, persistierendem
14
Eine Miktions-Cysto-Urethrographie (MCUG)
soll 1–6 Wochen nach Therapiebeginn einer
Harnwegsinfektion nur bei folgenden Kindern
durchgeführt werden:
•Febrile Harnwegsinfektion im Alter < 3
Monate
•Rezidivierende febrile Harnwegsinfektion
(> 1 febrile Harnwegsinfektion)
•Auffälliger Ultraschall der Nieren und ableitenden Harnwege
•Familienanamnese mit Fehlbildungen der
ableitenden Harnwege, inklusive vesikoureteraler Reflux (VUR)
Eine Ultraschalluntersuchung der Nieren
und ableitenden Harnwege in der Akutphase
der Pyelonephritis kann weder eine Harnwegsinfektion noch das Vorliegen eines VUR
bestätigen oder ausschliessen, noch hat sie
Einfluss auf das Management des Kindes mit
febriler Harnwegsinfektion. Sie kann zur
Erkennung von Fehlbildungen mit Prädisposition für weitere Harnwegsinfektionen dienen. Bei auffälligen Befunden im Ultraschall
(z. B. Hydronephrose) sind weitere Abklärungen wie z. B. ein MCUG zu planen. Ziel des
MCUG ist der Ausschluss oder Nachweis
eines VUR sowie anderer (infra-)vesikaler
Fehlbildungen (wie z. B. posteriore Urethralklappen beim Knaben). Weitere Untersuchungen auffälliger Befunde in Ultraschall oder
MCUG erfolgen gemäss individueller Empfehlung der Nephrologen/Urologen.
Eine DMSA-Szintigraphie stellt den «GoldStandard» dar für die Identifikation akuter
pyelonephritischer Läsionen und Narben, wird
aber in der Routinediagnostik der Pyelonephritis nicht verwendet. Ihre Indikation soll in Absprache mit den Nephrologen gestellt werden.
Empfehlung Nr. 9: Indikation einer
antibiotischen Dauerprophylaxe:
Die prophylaktische Verabreichung von
Antibiotika (vgl. Empfehlung Nr. 6) zur
Reinfektionsprophylaxe wird abgesehen
von folgenden Spezialsituationen generell
nicht empfohlen.
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auch als Generikaproduzent. Die eigentliche Erfolgsstory begann, als unsere damaligen
Wissenschaftler 1951 das säurestabile Penicillin entdeckten. Seither haben wir den
Bereich Antibiotika ständig weiterentwickelt. Dabei setzten wir uns immer höhere Qualitätsstandards. Nicht von ungefähr sind wir heute der grösste Hersteller von Antibiotika und
zugleich der einzige bedeutende Produzent von Penicillin in der westlichen Welt. Wenn
das nicht viele gute Gründe sind, Generika von Sandoz vollstes Vertrauen zu schenken.
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Vol. 24 Nr. 4 2013
Eine Antibotika-Dauerprophylaxe ist ausschliesslich indiziert für:
•Kinder im Alter < 3 Monate nach febriler
Harnwegsinfektion bis zum MCUG
•Kinder nach febriler Harnwegsinfektion mit
auffälligem Befund im Ultraschall der Nieren und ableitenden Harnwege bis zum
MCUG
•Kinder mit VUR Grad III–V
•Kinder mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen bei Blasendysfunktion oder bei neurogener Blase
•Kinder mit komplexen urologischen Fehlbildungen gemäss Absprache zwischen Nephrologen, Infektiologen und Urologen und
auf deren zeitlich begrenzte Verordnung
Für die Dauer der antibiotischen Prophylaxe
für die oben genannten Kinder gibt es keine
standardisierte Empfehlung. Die Prophylaxe
soll mindestens jährlich zusammen mit den
Nephrologen reevaluiert werden. Sie kann in
vielen Fällen nach 1–2 Jahren beendet werden. Ein erneutes, zweites MCUG soll nur in
Ausnahmefällen und in Absprache mit dem
Nephrologen durchgeführt werden. Bei Durchbruchsinfektionen (ohne weitere urologische
Erkrankungen), schwieriger Compliance kann
eine zystoskopische Injektionstherapie anstelle einer antibiotischen Dauerprophylaxe in
Betracht gezogen werden11) .
Antibiotika-Prophylaxe
Um Resistenzenentwicklungen vorzubeugen,
sollten grundsätzlich keine Beta-Laktam-Antibiotika (ausser Amoxicillin bei Neugeborenen) und kein Ciprofloxacin eingesetzt werden.
Neugeborene
•Amoxicillin
•Trimethoprim
> 1. Lebensmonat
•Cotrimoxazol
(Trimethoprim-Sulfamethoxazol)
•Trimethoprim
•2. Wahl: Nitrofurantoin (Nitrofurantoin soll
aufgrund möglicher pulmonaler unerwünschter Wirkungen12) nur in Spezialfällen
nach Nutzen-Risiko-Abwägung verabreicht
werden, z. B. nach Durchbruchsinfektionen
unter Prophylaxe mit Cotrimoxazol)
Empfehlung Nr. 10: Urin-Untersuchung
bei erneutem Status febrilis bzw.
Verdacht auf Harnwegsinfektion:
Erneute Harnwegsinfektionen sollen bei Kindern mit Status nach Harnwegsinfektion
rasch erkannt und behandelt werden. Bei
Fieber oder klinischen Zeichen einer Harnwegsinfektion sollen umgehend eine Urinanalyse und eine Urinkultur durchgeführt werden.
Dies gilt ebenso für Kinder mit einem bekannten VUR, bei welchen bei jedem Fieber ohne
Fokus eine Urinuntersuchung mit Urinkulturen empfohlen wird.
Empfehlung Nr. 11: Abklärung
von Miktionsproblemen während
des Tages (Inkontinenz):
Spezielle Aufmerksamkeit muss Miktionsproblemen geschenkt werden, die tagsüber auftreten und nach einer Infektion persistieren.
Eine Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination
kann der Entstehung rezidivierender Harnwegsinfektionen Vorschub leisten und zu einem sekundären vesiko-ureteralen Reflux
führen. Bei diesen Patienten hat die Behandlung der Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination
höchste Priorität, um wiederholte Infektionen
zu verhindern. Im Besonderen ist bei solchen
Kindern auch auf das Vorliegen i) einer chronischen Obstipation, ii) eines Miktionsaufschubes und iii) einer ungenügenden Trinkmenge zu achten – diesen Faktoren kommt in
Bezug auf Miktionsprobleme eine grosse pathogenetische Bedeutung zu.
Empfehlung Nr. 12: Wann soll die
Operation eines höhergradigen VUR
in Betracht gezogen werden?
Die zystoskopische Injektionstherapie oder
Operation eines VUR soll mit den Kinderurologen diskutiert werden, wenn die Durchführung einer antibiotischen Dauerprophylaxe
ungenügend oder zweifelhaft ist (Compliance), oder wenn trotz Prophylaxe weitere
Harnwegsinfektionen mit Bildung von Nierenparenchymnarben auftreten. Liegen keine
weiteren urologische Fehlbildungen vor, sind
zystoskopische Injektionstherapie und Neu­
implantation des Ureters mögliche Therapieoptionen. Im Falle von assoziierten urologischen/renalen Fehlbildungen wird die
Indikation im Einzelfall diskutiert und beurteilt.
16
Referenzen
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trial of oral versus sequential intravenous/oral cephalosporins in children with pyelonephritis. Eur J Pediatr
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tract infection in children with low grade vesicoureteral reflux: results from a prospective randomized
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prophylaxis and recurrent urinary tract infection in
children. N Engl J Med 2009; 361: 1748–59.
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children: III. Urinary tract infection pattern. J Urol
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11. Weber DM, Gapany C, Meyrat BJ, et al. Behandlung des
vesico-ureteralen Reflux im Kindesalter: Stellenwert
der zystoskopischen Injektionstherapie. Paediatrica
2010; 21: 12–13.
12.Agence française de sécurité sanitaire des produits
de santé. Restriction d’utilisation de la nitrofurantoïne
en raison d’un risque de survenue d’effets indésirables graves hépatiques et pulmonaires. Mars 2012 link:
http://ansm.sante.fr/S-informer/Informations-desecurite - Lettres -aux-professionnels - de -sante/
Nitrofurantoine-Restriction-d-utilisation-en-raison-dun-risque-de-survenue-d-effets-indesirables-graveshepatiques-et-pulmonaires-Lettre-aux-professionnels-de-sante.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Christoph Berger
Co-Leiter Abteilung Infektiologie und
Spitalhygiene
Universitäts-Kinderkliniken
Steinwiesstrasse 75
8032 Zürich
[email protected]
Empfehlungen
Vol. 24 Nr. 4 2013
Empfehlungen zur Behandlung von
Pertussis und Strategien zur Verhinderung
von Ausbrüchen
Klara M. Posfay-Barbe1) und Ulrich Heininger2), 3)
Behandlung des Keuchhustens
minierung der Bakterien aus dem Nasenra­
chensekret mittels negativer PCR zu belegen.
Die antibiotische Behandlung wird in der Tabelle zusammengefasst. Zu beachten ist, dass
Clarithromycin in der Schweiz gemäss Swiss­
medic ab dem Alter von 6 Monaten zugelas­
sen ist; das Bundesamt für Gesundheit (BAG)
empfiehlt es jedoch im Zusammenhang mit
Keuchhusten ab 1 Monat. Die Behandlungs­
dauer wurde ausführlich untersucht und in
einer Metaanalyse durchgesehen3) . Aktuelle
Empfehlungen ziehen Kurzbehandlungen mit
Azithromyzin während 5 Tagen vor, um Com­
plianceprobleme und Nebenwirkungen mög­
lichst gering zu halten. Es werden noch kürzer
dauernde Behandlungen mit Azithromyzin
während 3 Tagen angewandt, jedoch ist die
derzeit verfügbare Evidenz zur Wirksamkeit
ungenügend, um diesen verkürzten Behand­
lungsmodus in offizielle Empfehlungen aufzu­
nehmen4) .
Antibiotische Behandlung
Die Schwierigkeiten bei der Behandlung eines
Keuchhustens kommen daher, dass Antibio­
tika nur während des oft symptomarmen
katarrhalen Stadiums wirksam sind. Treten
erst die typischen Hustenanfälle auf, beein­
flusst die antibiotische Behandlung die
Krankheit selbst kaum mehr. Sie wird aber
dennoch empfohlen, um die Übertragungs­
wahrscheinlichkeit der Bakterien auf gefähr­
dete Personen zu reduzieren und Keuchhus­
tenausbrüche einzugrenzen1) . Im Stadium
decrementi wird die antibiotische Behand­
lung nicht mehr empfohlen, auch wenn der
Patient noch hustet. Ohne antibiotische Be­
handlung wird die Dauer der Kontagiosität auf
21 Tage ab Hustenbeginn geschätzt, ausser
beim Säugling, wo sie länger dauern kann.
Durch die antibiotische Behandlung kann die
Ansteckungsgefahr auf 5 Tage ab Behand­
lungsbeginn reduziert werden2) . Es kann ge­
legentlich unter speziellen Umständen (spä­
ter, möglicher Kontakt mit einer gefährdeten
Person oder im Spital) notwendig sein, am
Ende der antibiotischen Behandlung die Eli­
Zu beachten ist, dass in den letzten Jahren
immer wieder Makrolid-resistente B. pertus­
sis beschrieben wurden. Ein epidemiologi­
sches und bakteriologisches Monitoring wird
in den nächsten Jahren deshalb wichtig sein5).
1)
2)
3)
Antibiotische Chemoprophylaxe
Die Chemoprophylaxe entspricht betreffend
Antibiotikawahl und Applikationsdauer der
antibiotischen Behandlung (Tab.). Sie wird für
bestimmte asymptomatische Personen emp­
Maladies infectieuses pédiatriques,
Département de l’Enfant et de l’Adolescent,
Hôpitaux Universitaires de Genève et Université
de Genève
Universitäts-Kinderspital beider Basel
Universität Basel
fohlen, die engen Kontakt mit einem Keuch­
hustenpatienten haben. Die Indikation hängt
von Alter und Impfstatus ab6) . Fand der Kon­
takt mit einer Person mit Pertussissympto­
men vor weniger als 21 Tagen statt, erhalten
Säuglinge < 6 Monaten und Personen, die
Kontakt zu einem Säugling < 6 Monaten ha­
ben, sowie Schwangere im 3. Trimenon eine
Chemoprophylaxe – jeweils unabhängig von
Alter und Impfstatus. Die Betroffenen sollten
zudem bei Infektionszeichen im Verlaufe ei­
nes Monats nach dem Kontakt den Arzt auf­
suchen. Die Chemoprophylaxe kann auch für
exponierte Kinder älter als 6 Monate erwogen
werden, wenn sie unvollständig geimpft sind.
Für nichtimmune Beschäftigte im Gesund­
heitswesen und andere Betreuer, welche
Kontakt mit Risikopersonen haben (Säuglinge
< 6 Monate und Schwangere im 3. Trimenon),
ist eine postexpositionelle Chemoprophylaxe
ebenfalls sinnvoll.
Es ist zu beachten, dass aus der Höhe des
Antikörperspiegels im Blut nicht auf Schutz
vor Pertussis geschlossen werden kann. Eine
Pertussis-Antikörperbestimmung bei expo­
nierten Personen ist deshalb nicht zielfüh­
rend!
Es kann sinnvoll sein, die Keuchhustenexpo­
sition für eine allfällige Nachholimpfung gegen
Pertussis zu nutzen, wenn auch die postexpo­
sitionelle Impfung den Ausbruch der Krank­
heit nicht sicher verhindern kann.
Die Pertussisimpfung kann beim exponierten
Säugling in kürzeren Abständen, mit einstatt zweimonatigem Intervall zwischen den
ersten drei Dosen, durchgeführt werden.
Jugendliche und Erwachsene erhalten ihre
Nachimpfung gemäss den neuen schweizeri­
schen Empfehlungen7) . Erwachsene, die vor
< 10 Jahren geimpft wurden (oder in den
Medikament
Alter
Dosierung
Max.
Dosierung
Behandlungsdauer
Nebenwirkungen
Kontraindikationen
Azithromycin
Ab Geburt
10 mg/kg/d
in 1 Dosis
500 mg/d
5 Tage
Allergische Reaktion,
Lebertoxizität
Makrolidallergie
Clarithromycin
Ab 1. Lebensmonat
15 mg/kg/d
in 2 Dosen
1g/d
7 Tage
Allergische Reaktion,
Lebertoxizität
< 1 Lebensmonat;
Makrolidallergie
Ab 2. Lebensmonat
8 mg/kg/d
(TMP) in
2 Dosen
340 mg/d
(TMP)
14 Tage
Hautausschläge;
beim Neugeborenen
Kernikterus
< 2 Lebensmonate,
Schwangerschaft,
Stillen, Allergie auf
eine Komponente
Zweite Wahl
TrimethoprimSulfamethoxazol
Tabelle:
Behandlung und antibiotische Prophylaxe des Keuchhustens
17
Empfehlungen
letzten 10 Jahren einen mikrobiologisch gesicherten Keuchhusten durchmachten), werden als immun betrachtet und benötigen
deshalb keine Chemoprophylaxe, ausser in
speziellen Fällen, z. B. einem aussergewöhnlichen Pertussisausbruch8) . Die Dauer des
Impfschutzes ist nicht genau bekannt und
individuell variabel, jedoch wurde eindeutig
ein mit der Zeit nachlassender Impfschutz
festgestellt, weshalb weitere Auffrischimpfungen eingeführt wurden. So wurde kürzlich
nachgewiesen, dass das relative Risiko, 6
Jahre nach der 5. Pertussisimpfung fast
neunmal grösser ist (95% Konfidenzintervall
6–13) als im 1. Jahr 9) .
Ergänzende Behandlungen
des Keuchhustens
Zusätzliche Behandlungen werden manchmal
bei Keuchhusten erwogen, um die Symptome
des konvulsiven Stadiums, insbesondere den
hartnäckigen Husten zu lindern. Es handelt
sich dabei um Kortikosteroide, Beta-2-mimetika, Antihistaminika oder Antagonisten des
Leukotrienrezeptors. Eine Metaanalyse hat
2012 diese symptomatischen Therapien anhand einem Dutzend zwischen 1950 und 2012
durchgeführter Studien evaluiert10) . Keines
dieser Medikamente vermindert den Husten
oder verkürzt den Spitalaufenthalt. Ihre Anwendung wird deshalb zurzeit nicht empfohlen.
Wie können Pertussis-Ausbrüche
verhindert bzw. bekämpft werden?
Eine Arbeitsgruppe von Experten unterschiedlicher Fachrichtungen (unter Beteiligung der
Autoren dieses Beitrags) und Mitarbeiterinnen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG)
hat kürzlich Empfehlungen zum Schutz von
Personen mit erhöhtem Komplikationsrisiko
für Pertussis und zur Verhinderung von nosokomialen Pertussis-Ausbrüchen erarbeitet
und publiziert6) . Diese Empfehlungen beziehen sich explizit auf die Hochrisikogruppe der
Säuglinge im Alter von < 6 Monaten «in Gesundheits- und Kinderbetreuungseinrichtungen (Spitäler, Arztpraxen, Krippen, Tagesstätten, Tagesfamilien usw.)» und auf die Ver­­hinderung bzw. Bekämpfung von Ausbrüchen
in Gesundheitseinrichtungen. Viele Pädiater
fragen sich, inwieweit diese Empfehlungen
auch in anderen Bereichen ihrer Zuständigkeit (z. B. Arztpraxis, Kindergärten, Schulen
usw.) Anwendung finden können. Wir präsentieren im Folgenden hierzu unsere Überlegungen, die spezifischen Details aus entspre-
Vol. 24 Nr. 4 2013
chenden BAG-Empfehlungen6), 7), 11) hingegen
sollen hier nicht repetiert werden.
Ausbruchsverhinderung:
Impfprophylaxe
Bordetella pertussis, der Erreger der Pertussis, wird ausschliesslich von Mensch zu
Mensch übertragen. Deshalb ist die möglichst
umfassende und zeitgerechte Immunisierung
aller Personen gegen Pertussis im Rahmen
der geltenden Eidgenössische Kommission für
Impffragen (EKIF)-Empfehlungen die effizienteste und sinnvollste Massnahme zur Verhinderung von Pertussisausbrüchen, weil sie
direkten wie auch indirekten Schutz (Herdenprotektion) verleiht. Es sei daran erinnert
dass nicht nur alle Säuglinge (mit 2, 4 und 6
bzw. 2, 3 und 4 Monaten) und Kleinkinder (mit
15–24 Monaten und nochmals mit 4–7 Jahren)
gegen Pertussis geimpft werden sollen, sondern dass nun auch alle Jugendlichen im Alter
von 11–15 Jahren und alle Erwachsenen im
Alter von 25–29 Jahren unabhängig von der
Anzahl früherer Pertussis-Impfdosen jeweils
eine weitere Pertussisimpfdosis (dTPa) erhalten sollen7), 11) . Darüber hinaus ist Schwangeren (2. oder 3. Trimenon) und allen Personen
altersunabhängig ebenfalls eine Pertussisimpfdosis empfohlen, wenn sie «regelmässig» im privaten oder beruflichen Umfeld
Kontakt zu Säuglingen im Alter von < 6 Monaten haben. Die Definition des Begriffes «regelmässig» obliegt bewusst der Ärztin/dem Arzt
und öffnet einen breiten individuellen Interpretations- und Beratungsspielraum, der im
Interesse der Gesundheit der Bevölkerung zur
individuellen Pertussis-Impfempfehlung genutzt werden sollte.
Es ist eine wichtige Aufgabe der Ärzteschaft,
die bestehenden Impfempfehlungen möglichst konsequent umzusetzen, was erfahrungsgemäss gerade bei Jugendlichen und
Erwachsenen (durchaus auch in der pädiatrischen Praxis!) ein hohes Mass an Bewusstsein und Aufklärungseinsatz erfordert.
In Gemeinschaftseinrichtungen sind Pertussis-Ausbrüche umso weniger wahrscheinlich,
je höher die Durchimpfungsrate aller dortigen
Personen einschliesslich des Personals (!) ist.
Da gesetzliche Bestimmungen zur PertussisImpfung zum Schutz der Gefährdeten fehlen
oder zu kurz greifen, ist auch hier ein hoher
Aufklärungs- und Beratungseinsatz der zuständigen ÄrztInnen erforderlich. Hierbei wird
man bedauerlicherweise häufig mit schwer
nachzuvollziehender Impfskepsis oder gar
18
unqualifizierter Ablehnung von empfohlenen
Impfungen konfrontiert. Die Verantwortung
für deren Folgen liegt dann bei den direkt
Betroffenen und auch bei den Betreibern der
jeweiligen Einrichtung.
Ist es Ihnen gelungen, sich selbst und Ihre
Mitarbeitenden von den neuen EKIF-Empfehlungen gegen Pertussis zu überzeugen und zu
impfen? Haben Sie in Ihrer Praxis eine Strategie entwickelt, systematisch allen Eltern und
anderen engen Kontaktpersonen von Neugeborenen und jungen Säuglingen die dringliche
Pertussisimpfung nahezulegen bzw. zu verabreichen?
Der suboptimale Pertussisimpfschutz (bestenfalls ca. 85–90%, mit der Zeit nachlassend
und daher Auffrischimpfungen erfordernd)
darf kein Grund zur Zurückhaltung sein12) –
etwas Besseres als die verfügbaren azellulären Pertussis-Impfstoffe haben wir nicht.
Falldefinition: Was ist «Pertussis»?
Die von der Expertengruppe vorgeschlagene
Falldefinition ist allgemein gehalten und geeignet, Pertussisverdachtsfälle zu erkennen. Verdacht auf Pertussis besteht nämlich immer
dann, wenn eines der folgenden Kriterien vorliegt und nicht anderweitig erklärt werden kann:
•anhaltender Husten (mindestens 14 Tage)
ohne Besserungstendenz
•Hustenanfälle
•Husten mit keuchendem Einatmen, Apnoen
•bei Säuglingen: Husten mit Atemnot,
Zyanose und/oder Bradykardien
Es ist ratsam, bereits beim ersten Verdachtsfall den mikrobiologischen Erregernachweis
anzustreben, da die klinische Diagnose «Pertussis» unzuverlässig ist13) . In der Frühphase
der Krankheit (erste 2–3 Wochen) ist der direkte Erregernachweis aus dem Nasopharynx
mittels PCR oder (allerdings kaum noch verfügbar) Anzucht der Bordetella pertussis
Bakterien ratsam. Die Ergebnisse serologischer Untersuchungen sind schwierig zu interpretieren und die serologische Diagnostik
deshalb eher für retrospektive Fragestellungen geeignet. Bei mehreren Verdachtsfällen
in epidemiologischem Zusammenhang muss
individuell entschieden werden, ob nach Vorliegen des ersten gesicherten Falles weitere
Laboruntersuchungen indiziert sind oder
nicht. Andere Spezies als B. pertussis (B.
parapertussis, B. holmesii) führen selten zu
Ausbrüchen.
Vol. 24 Nr. 4 2013
Ausbruchsbekämpfung
Hier ist Fachkenntnis, gepaart mit ärztlichem
Können und Geschick, gefragt. Die so beliebt
gewordenen «Guidelines» oder «Standard
Operating Procedures» sind hilfreich. Sie
sollen und können aber den gesunden Menschenverstand bei der Einschätzung der Lage
und Festlegung erforderlicher Massnahmen
nicht ersetzen, sondern sollen ihn unterstützen.
Der Übergang von «Fallhäufung» zu «Ausbrüchen» ist fliessend und das quantitative Ausmass wie auch die individuellen Gegebenheiten müssen deshalb über Intensität der
geplanten Massnahmen entscheiden:
•Handelt es sich um einen Einzelfall von
Pertussis einer Mutter auf der örtlichen
Entbindungsstation? Hier ist Gefahr in Verzug und rasche Isolierungsmassnahmen
wie auch der Einsatz von Antibiotikaprophylaxe bei den Exponierten (Face-to-face
Kontakt) sind ratsam.
•Sind binnen weniger Tage 2 Fälle in einer
Familie aufgetreten? Dies ist weniger kritisch, solange keine jungen Säuglinge exponiert oder betroffen sind. Die sofortige
Antibiotikatherapie terminiert die Kontagiosität der Indexfälle binnen 5 Tagen.
•Sind in den letzten 2 Wochen mehrere
Fälle in einem Kindergarten oder Schulhaus
aufgetreten? Dies ist ein Ausbruch; er ist
meldepflichtig und die sinnvollen Massnahmen (Informationspolitik, Isolationsmassnahmen bis hin zum vorübergehenden
Schliessen der Einrichtung, Aufdecken und
Schliessen von Impflücken bei allen Personen, Antibiotikaprophylaxe usw.) sind so
rasch wie möglich von den Verantwortlichen (kantons- und ggf. schulärztlicher
Dienst) in Abstimmung mit der Leitung der
Einrichtung festzulegen.
•Haben Sie in den vergangenen Monaten
eine Reihe Fälle von gesicherter Pertussis
in Ihrer Praxis diagnostiziert und waren dies
z. B. mehr als im ganzen Jahr davor? Auch
wenn dies nicht unbedingt die Definition
eines «Ausbruchs» (örtlich und zeitlich begrenzt gehäuftes Auftreten) erfüllt sind Sie
dennoch gut beraten, diese Beobachtung
als «Häufung von Krankheitsfällen» zu melden und so eine detaillierte Analyse der
Situation durch den kantonsärztlichen
Dienst zu ermöglichen.
Zum Schluss sei nochmals daran erinnert,
dass die Impfprophylaxe die effizienteste
Massnahme zur Verhinderung von Ausbrüchen ist. Deshalb sollte die während und kurz
nach einer Krisensituation erfahrungsgemäss
erhöhte Prophylaxe-Bereitschaft der zuvor
impfskeptischen Personen genutzt werden,
Pertussis-Impflücken zu schliessen.
Referenzen
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19
Korrespondenzadresse
PD Dr Klara M. Posfay-Barbe
Hôpital des Enfants (HUG)
6, rue Willy-Donzé
CH-1211 Genève 14
[email protected]
Prof. Ulrich Heininger
Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)
Spitalstrasse 33, Postfach
CH-4031 Basel
[email protected]
Interessenkonflikte: Dr Heininger ist Mitglied
von «Global Pertussis Initiative», unterstützt
durch Sanofi Pasteur USA. Dr Posfay Barbe
hat keine finanzielle Unterstützung und keine
anderen Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag.
Fortbildung
Vol. 24 Nr. 4 2013
Melatonin bei kindlichen Schlafstörungen
Peter Hunkeler, Zürich
Melatonin hat im menschlichen Körper diverse Funktionen inne. Das Hormon trägt unter
anderem zur Regulation der inneren Uhr bei,
hat eine schlafinduzierende sowie antioxidantische Wirkung und scheint den Körper vor
neurodegenerativen Erkrankungen sowie der
Karzinogenese zu schützen1) . Dieser Artikel
behandelt die Frage, inwieweit der Einsatz von
Melatonin bei Schlafstörungen im Kindes- und
Jugendalter gerechtfertig ist.
Physiologie
Melatonin wird den meisten Leserinnen und
Leser als «Medikament» zur Vorbeugung von
Jetlag-Symptomen bekannt sein. Melatonin ist
ein Hormon, das in der Epiphyse (Zirbeldrüse)
aus Serotonin gebildet wird. Aufgrund seiner
Eigenschaft als Regulator der inneren Uhr
wird es auch als Chronobiotikum bezeichnet.
Melatonin ist der robusteste Marker für das
Signal des zirkadianen Systems und ist weit-
gehend unabhängig vom Schlaf. Beim Menschen und Säugetier wird die MelatoninSekretion durch den suprachiasmatischen
Nucleus (SCN) gesteuert (Abbildung 1). Dieser wird durch den Einfluss von Licht moduliert, was bedeutet, dass die Dauer der täglichen Melatonin-Sekretion direkt abhängig
von der Dauer der Lichtexposition ist. Die
Helligkeit wird über nonvisuelle Photorezeptoren der Netzhaut erfasst. Das Hormon wird
kurz nach Beginn der Dunkelheit sezerniert,
erreicht seine maximale Sekretion in der
Mitte der Nacht und sinkt dann in der zweiten
Nachthälfte langsam wieder ab. Die Melatonin-Produktion wird durch eine Vielzahl von
Substanzen beeinflusst (unter anderem Benzodiazepine, Koffein und Alkohol). Bezüglich
der 24-Stunden-Melatonin-Sekretion findet
man sehr grosse individuelle Unterschiede.
Das Ausmass der Sekretion nimmt mit dem
Alter ab2) .
Wirkungsweise
von exogenem Melatonin
Exogenes Melatonin scheint spezifisch über
den SCN auf das zirkadiane System zu wirken
und verbessert damit indirekt den nächtlichen
Schlaf. Zusätzlich zeigt Melatonin eine leichte
hypnotische Wirkung, was den positiven Effekt bei Einschlafstörungen erklärt. Es gibt
zwei verschiedene Arten von Melatonin-Rezeptoren im SCN: MT1-Rezeptoren und MT2Rezeptoren. In der Morgen- und Abenddämmerung sind MT2-Rezeptoren sensitiv für
Melatonin (Phasenverschiebung der inneren
Uhr). Zu Beginn der Nacht sind MT1-Rezeptoren empfindlich, welche die Feuerungsrate
von SCN-Neuronen reduzieren (schlaffördernde Wirkung).
Melatonin bei
spezifischen Schlafstörungen
Delayed sleep phase syndrome (verzögertes
Schlafphasen Syndrom): Die meist jugendlichen Patienten haben grosse Schwierigkeiten
mit dem abendlichen Einschlafen. Ihre Einschlafzeiten sind deutlich in die Nacht verschoben. Zudem können sie Probleme beim
morgendlichen Aufstehen haben, was sich
Nucleus suprachiasmaticus
(die «innere» Uhr)
Tractus retinohypothalamicus
Melatonin
Glandula pinealis
Ganglion cervicale superior
Abbildung 1:
Steuerung der Melatonin-Sekretion
20
Fortbildung
Vol. 24 Nr. 4 2013
negativ auf den schulischen und beruflichen
Alltag auswirken kann. Pathophysiologisch
geht man davon aus, dass der zirkadiane
Rhythmus länger als 24 Stunden andauert.
Studien zeigen einen positiven Effekt von
Melatonin auf die Einschlafprobleme.
Free-running type (frei laufende innere Uhr):
Bei Patienten mit einer frei laufenden inneren
Uhr verzögert sich der Schlaf-Wach-Zyklus
von Tag zu Tag kontinuierlich trotz normalem
Lebensumfeld (soziale Zeitgeber). Diese Störung wirkt sich besonders auf den sozialen
und beruflichen Alltag der Patienten aus. Als
Ursache wird unter anderem auch eine ab­
norme Regulation (verlängerter Chronotyp)
der inneren Uhr vermutet. Pathophysiologisch
gelingt die Abgrenzung zum verzögerten
Schlafphasen-Syndrom nur unscharf. Melatonin kann bei diesen Patienten zur Einstellung
eines normalen Schlaf-Wach-Rhythmus beitragen.
Schlafstörungen bei Kindern mit Sehbinderungen: Auch bei blinden Personen kann die
innere Uhr «frei» laufen. Dieser Zustand tritt
zum Beispiel bei Menschen auf, die beide
Augen (Netzhaut) verloren haben. Nicht alle
blinden Menschen haben eine frei laufende
innere Uhr. Bei Patienten, die zwar im visuellen Sinn erblindet sind (beispielsweise Läsionen des visuellen Cortex), aber noch eine
funktionierende Netzhaut besitzen, kann die
innere Uhr weiterhin durch Lichteinfluss synchronisiert werden. Ein Test für die Funktionsfähigkeit des nicht-visuellen Lichtkanals ist
die Unterdrückung der Ausschüttung von
Melatonin in der subjektiven Nacht durch
Lichteinfluss.
Schlafstörungen bei Kindern mit Entwicklungsstörungen: Studien weisen auf einen
positiven Effekt von Melatonin bei AutismusSpektrum-Störungen hin3) . Erwähnt werden
besseres Schlafverhalten und weniger Verhaltensprobleme tagsüber bei minimalen
Nebenwirkungen. Auch bei Patienten mit
fragilem X-Syndrom wurden positive Effekte
auf die Einschlafproblematik beschrieben4) .
Patienten mit Smith-Magenis-Syndrom leiden
unter anderem unter schweren Schlafstör­
ungen mit einer Umkehr des zirkadianen
Rhythmus. Abendliche Melatonin-Gaben
kombiniert mit Beta-Blocker am Morgen
(Unterdrückung der Melatonin-Synthese am
Tag) können bei diesen Patienten zu einer
Normalisierung der Tag-Nacht-Umkehr führen.
ADHS und Melatonin
Schlafstörungen beim ADHS werden sehr
häufig beschrieben. Verschiedene Studien
zeigen eine Prävalenz zwischen 50% und 80%,
so dass Schlafstörungen als komorbide
Störung beim ADHS bezeichnet werden können 5). Von den Eltern werden meist Einschlafund Durchschlafstörungen beschrieben.
ADHS und Schlafstörungen können demnach
gemeinsam auftreten, wobei sich die Frage
stellt, welche der Störung zu den Symptomen
wie Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und
Impulsivität führt. Im Prinzip gibt es drei Möglichkeiten: 1. ADHS oder dessen medikamentöse Therapie führt zu Schlafproblemen, 2.
Eine primäre Schlafstörung führt zu ADHSähnlichen Symptomen, 3. Beide Störungen
kommen gemeinsam vor.
Es stellt sich die Frage nach dem korrekten
therapeutischen Vorgehen. Der erste und
wichtigste Schritt besteht in schlafhygienischen Massnahmen (Tabelle 1). Eine Rhythmisierung des Tagesablaufes mit fixen Bettzeiten am Abend ist essentiell. Dies betrifft
auch die Wochenenden, an welchen die
Bettzeiten nicht mehr als 1 Stunde differieren
sollten. Zudem sollten die Bettzeiten möglichst dem Schlafbedarf angepasst werden.
Ein weiterer wichtiger Faktor sind die abendlichen Aktivitäten. Stimulierende Aktivitäten
wie Computerspiele, Fernsehen oder übermässige körperliche Arbeit sollten vor dem
Einschlafen unterlassen werden. Koffein und
Alkohol können den Schlaf ebenfalls negativ
beeinflussen. Alkohol verkürzt zwar die Einschlafzeit, kann aber den Schlaf zu einem
späteren Zeitpunkt stören. Das Verbringen
von Zeit im Freien, besonders in den Morgenstunden mit Sonnenexposition, kann helfen,
den zirkadianen Rhythmus aufrechtzuerhalten. Schlafmedikamente sind wie bei anderen
Schlafstörungen nicht die erste Wahl.
Ist der Einsatz von Melatonin bei Kindern und
Jugendlichen mit ADHS als zusätzliche Massnahme sinnvoll? Kombiniert mit schlafhygienischen Massnahmen kann sich der Einsatz
von Melatonin positiv auf die Einschlafdauer
auswirken. In einer Studie mit ADHS-Kindern
ohne medikamentöse Therapie zeigte sich
eine Abnahme der Einschlafdauer und eine
Verlängerung der Schlafzeit5) . Es waren allerdings keine Effekte auf der Verhaltensebene
und bezüglich der kognitiven Leistungsfähigkeit zu erkennen. Leider gibt es praktisch
keine Studien, die den Effekt von Melatonin
über längere Zeit (> 6–9 Monate) dokumentiert haben. Weiter gibt es noch keinen Konsens darüber, welches die geeignete therapeutische Dosis ist. Auch die Frage nach dem
Nebenwirkungsprofil kann nicht schlüssig
beantwortet werden. Melatonin sollte demnach bei ADHS-Patienten mit Zurückhaltung
eingesetzt werden5) .
Eigene Erfahrungen aus der
Zürcher Schlafsprechstunde
Bei funktionellen Schlafproblemen ist man
sich in der Fachliteratur einig, dass verhaltensregulatorische Massnahmen als erste
therapeutische Massnahme im Vordergrund
stehen6) . Der Gebrauch von Schlafmedikamenten wird nicht empfohlen. Generell ist es
wichtig, dass die Eltern während 2 Wochen
ein Schlafprotokoll ausfüllen. (z. B.: http://
Was gibt es bei der Schlafhygiene zu beachten6)?
Bettzeiten: Fixe Bettzeiten inklusive Wochenende, Anpassen der Bettzeiten an den mit einem
Schlafprotokoll über 14 Tage ermittelten Schlafbedarf
Einschlafritual
Schlafzimmer: dunkel, ruhig, kühl
Mahlzeiten: keine schwer verdaulichen Speisen 1–2 Stunden vor dem geplanten Einschlafen
Genussmittel: kein Koffein (Kaffee, Tee, Cola, Energy-Drinks) 3–4 Stunden vor dem geplanten
Einschlafen; Vermeiden von Alkohol und Nikotin
Aktivitäten: stimulierende Aktivitäten wie Computerspiele, Fernsehen oder übermässige körperliche
Arbeit sollten vor dem Einschlafen unterlassen werden. Tägliche Aktivitäten im Freien
mit Sonnenexposition werden empfohlen.
Elektronische Medien wie Fernseher, Computer oder Smartphones sollten aus dem Schlafzimmer
entfernt werden, um übermässigen Konsum vor dem Schlafengehen zu unterbinden.
Schlafzeiten am Tag sollten bei älteren Kindern (ab Schulalter) vermieden werden.
Tabelle 1
21
Fortbildung
www.kispi.uzh.ch/Kinderspital/Medizin/
Schlafmittel/Downloads/Schlafprotokoll.pdf)
In der Schlafsprechstunde an der Abteilung
Entwicklungspädiatrie des Kinderspitals Zürich wenden wir erfolgreich ein Dreistufenkonzept an7):
1. Stufe: Rhythmisieren des Tagesablaufes;
2. Stufe: Anpassen der Bettzeiten an die errechneten Schlafzeiten; 3. Stufe: selbstständiges Einschlafen.
Bei Kindern mit Entwicklungsbehinderungen,
die an akuten oder chronischen Schlafproblemen leiden, setzen wir gelegentlich Melatonin
mit Erfolg ein, so zum Beispiel bei Kindern mit
Autismus-Spektrum-Störung oder geistiger
Behinderung. Eher ernüchternd sind unsere
Melatonin-Erfahrungen mit Jugendlichen, die
an grossen Einschlafproblemen leiden und am
Morgen trotz Weckversuchen der Eltern nicht
aufstehen können/wollen. Diese Jungendlichen bleiben deshalb oft der Schule fern, was
den Druck auf die Eltern und sie selber noch
erhöht. Unsere Erfahrungen zeigen, dass eine
Melatonin-Therapie alleine mittel- und längerfristig kaum zu einer Besserung der Einschlafproblematik führt. In Kombination mit schlafhygienischen Massnahmen sind unsere
Erfahrungen etwas besser, wobei die Umsetzung dieser Massnahmen oft nicht einfach ist.
Fazit für die Praxis
Vol. 24 Nr. 4 2013
2) Kunz D. Melatonin und Schlaf-Wach Regulation.
Habilitationsschrift zur Erlangung der Lehrbefähigung für das Fach Psychiatrie vorgelegt der Medizinischen Fakultät der Charité – Universitätsmedizin Berlin. 2006.
3) Rossignol DA. Melatonin in autism spectrum disorders: a systematic review and meta-analysis. Dev
Med Child Neurol 2011 Sep; 53 (9): 783–92.
4) Wirojanan J. The efficacy of melatonin for sleep
problems in children with autism, fragile X syndrome, or autism and fragile X syndrome. J Clin Sleep
Med 2009 Apr 15; 5 (2): 145–50.
5) Corkum P. A framework for the assessment and
treatment of sleep problems in children with attention-deficit/hyperactivity disorder. Pediatr Clin N
Am 2011; 58: 667–83.
6) Owens JA. The use of pharmacotherapy in the
treatment of pediatric insomnia in primary care:
rational approaches. A consensus meeting summary. Journal of Clinical Sleep Medicine 2005; JVol 1,
No 1.
7) Jenni O, Benz C. Schlafstörungen. Pädiatrie up2date
2007; 309–33.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Peter Hunkeler
Oberarzt, Abteilung Entwicklungspädiatrie
Kinderspital Zürich
Steinwiesstrasse 75
8032 Zürich
Die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung und keine anderen Interessenkonflikte
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Bei Kindern und Jugendlichen mit Schlafproblemen bleibt das Ausfüllen eines Schlafprotokolls über 2 Wochen die erste und wichtigste Massnahme. Eine spezifische Beratung der
Familie und des Kindes ist nur damit möglich.
Bei funktionellen Schlafstörungen ist der
Gebrauch von Melatonin und Schlafmedikamenten nicht angebracht. Bei Kindern mit
Entwicklungsstörungen kann ein Einsatz sinnvoll sein. Eine klassische Indikation für eine
Melatonin-Therapie stellen seltene Erkrankungen wie «das verzögerte Schlafphasen-Syndrom» oder «die frei laufende innere Uhr» dar.
Auch bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS
gibt es in Kombination mit schlafhygienischen
Massnahmen eine gewisse Evidenz für die
Wirksamkeit von Melatonin (besonders bei
Einschlafproblemen), wobei noch kein Konsens über Dosierung, Therapiedauer und Nebenwirkungsprofil besteht.
Referenzen
1) Kostoglou-Athanassiou I. Therapeutic applications
of melatonin. Therapeutic advances in endocrinology and metabolism 2013; 4 (1): 13–24.
22
Befreit die Atemwege
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Fortbildung
Vol. 24 Nr. 4 2013
Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter
Johannes Häberle1) , Alexander Lämmle1) , Matthias R. Baumgartner1)
Abstract
Fettstoffwechselstörungen sind eine heterogene Gruppe von meistens vererbten
Krankheiten, welche oftmals aufgrund einer
positiven Familienanamnese bereits im Kindesalter diagnostiziert werden. Dies ist insbesondere im Sinne einer Sekundärprävention eine äusserst wichtige pädiatrische
Aufgabe, stellt doch die frühzeitige Diagnose
und Therapieeinleitung bei bestimmten Fettstoffwechselstörungen einen entscheidenden Grundstein für die Gesundheit im Erwachsenenalter dar. In diesem Artikel sollen
vor allem praktische Aspekte anhand häufig
gestellter Fragen im Zusammenhang mit
Fettstoffwechselstörungen behandelt werden. Die häufigsten Dyslipidämien sowie
deren Diagnostik und Therapie werden kurz
dargestellt. Seltenere Fettstoffwechselstörungen werden hier zum Teil gezielt mit erwähnt, auf eine vollständige und systematische Abhandlung sämtlicher Krankheiten
wird aber verzichtet. Den Autoren dieses
Beitrages erscheint wichtig, in der Praxis
den Fokus nicht nur auf die Senkung von
Plasma-Cholesterinwerten zu richten, sondern sämtliche bekannte Risikofaktoren wie
zum Beispiel Ernährung, Bewegung, Gewicht
und Nikotinabusus zu betrachten. Sowohl für
die Primärdiagnostik als auch für die Beurteilung der Gesamtsituation ist eine exakte
Familienanamnese von zentraler Bedeutung.
Die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen ist komplex und schliesst eine Steigerung der körperlichen Aktivität und die Vermeidung weiterer Risikofaktoren ebenso mit
ein wie eine Diät und Medikamente.
Einführung
Fettstoffwechselstörungen zählen zu den
häufigsten vererbten Krankheiten in der pädiatrischen Praxis und besitzen eine grosse
Bedeutung für die spätere Gesundheit im Er-
1)
Abteilung für Stoffwechselkrankheiten
Forschungszentrum für das Kind
Universitäts-Kinderspital Zürich
Steinwiesstrasse 75
CH-8032 Zürich
wachsenenalter. Gleichzeitig führen sie in aller Regel beim Kind nicht zu Symptomen, ein
Umstand, der jedoch keinesfalls Anlass zu
diagnostischer oder therapeutischer Abstinenz sein darf. Im Gegenteil hat die Pädiatrie
eine entscheidende Rolle in der Weichenstellung für eine angemessene lebenslange, wenn
immer nötig, strikte Therapie von Fettstoffwechselstörungen. In diesem Sinn ist die Behandlung dieses Themas ein Paradebeispiel
für die Sekundärprävention als eine der
wichtigsten pädiatrischen Aufgaben.
Im Vordergrund dieses Beitrages stehen praktische Aspekte, mit dem Ziel, mögliche «Berührungsängste» in der Praxis abzubauen. Die
folgenden Fragen, zugesandt von einem in der
Klinik tätigen Kollegen, sollen beantwortet
werden:
•Wann muss der (niedergelassene) Pädiater
daran denken, bei Patienten Blutfettwerte
zu bestimmen?
•Wie sind Alter, Klinik, Familienanamnese
und Risikofaktoren zu berücksichtigen?
•Welche Parameter sollen bestimmt werden;
wie ist das praktische Vorgehen?
•Existieren Referenzwerte und wie sind
diese zu bewerten?
•Wie ist das Vorgehen bei pathologischen
Werten? Wann ist eine Kontrolle indiziert,
wann sind Diät oder Medikamente notwendig?
Dabei liegt der Fokus des Artikels auf den
vergleichsweise häufigen Situationen; seltenere Krankheiten sind nicht vollständig oder
systematisch aufgeführt, werden jedoch zur
Illustrierung des klinischen und biochemischen Spektrums gezielt mit erwähnt.
Definition
Fettstoffwechselstörungen (synonym: Dyslipidämien) sind eine heterogene Gruppe von
Krankheiten, bei denen Blutfettwerte, vor allem Cholesterine und/oder Triglyceride, verändert sind. Dies kann primär bei Vorliegen
eines vererbten Stoffwechseldefektes der Fall
sein oder sekundär im Rahmen anderer
Krankheiten von Hormonhaushalt (z. B. Diabetes, Hypothyreose, Cushing-Syndrom), Nieren
24
(nephrotisches Syndrom oder andere chronische Nierenkrankheiten) oder Leber (Steatosis hepatis) oder bei Anorexia nervosa. Die
meisten Fettstoffwechselstörungen stellen
einen relevanten Risikofaktor für die Entstehung einer Arteriosklerose dar und müssen
daher auch bei praktisch stets asymptomatischen Kindern ernst genommen werden1)–3) .
Epidemiologie
Die häufigste Fettstoffwechselstörung ist der
heterozygote LDL-Rezeptor-Defekt4) , dessen geschätzte Inzidenz bei 1:500 liegen soll.
In ähnlicher Dimension liegt die Inzidenz des
Apolipoprotein B 100 Mangels (1:200–
1:700), welcher zu eingeschränkter LDL-Rezeptoraffinität führt5) . Der homozygote LDLRezeptor-Defekt mit de facto Ausfall der
LDL-Rezeptor-Funktion ist dagegen sehr selten (Grössenordnung 1:1’000’000). Allerdings gibt es in der Schweiz für diese Defekte
keine zuverlässigen Zahlen. Dies gilt auch für
alle übrigen Fettstoffwechselstörungen, die
als selten bis sehr selten angenommen werden dürfen. Dies bedeutet, dass für die meisten dieser Krankheiten (ausser den 2 oben
genannten) nur wenige Patienten, zum Teil nur
Einzelfälle oder überhaupt keine Patienten in
der Schweiz vorhanden sind.
Biochemie und Pathophysiologie
Lipide müssen aufgrund ihrer hydrophoben
Eigenschaften im Blut an Proteine (sog. Apolipoproteine) gebunden transportiert werden.
Im resultierenden Lipoprotein sind die hydrophoben Lipide im Kern «versteckt» und von
Apolipoproteinen umhüllt. Entsprechend ihrer
Dichte werden Lipoproteine in 5 Klassen eingeteilt, die jeweils charakteristische Zusammensetzungen besitzen, welche ihre biochemischen Eigenschaften bedingen6) :
•High-density Lipoproteine (HDL)
•Low-density Lipoproteine (LDL)
•Intermediate-density Lipoproteine (IDL)
•Very low-density Lipoproteine (VLDL)
•Chylomikronen
Von klinischer Bedeutung ist vor allem LDLLipoprotein, welches für den Transport von
Lipiden, vor allem Cholesterin, in die peripheren Organe verantwortlich ist7) . Liegt, wie bei
der familiären Hypercholesterinämie, ein
Defekt des LDL-Rezeptors vor, resultiert eine
Erhöhung des LDL-Lipoproteins im Plasma.
Neben Cholesterin enthalten LDL-Lipoprotei-
Fortbildung
Vol. 24 Nr. 4 2013
ne reichlich Apolipoprotein B 100. Dieses
kann in seiner Funktion durch Gen-Mutationen (häufigste Mutation p.R3500Q) 3), 5) gestört sein, woraus klinisch wie therapeutisch
die gleiche Situation mit Hypercholesterinämie resultiert wie bei LDL-Rezeptordefekten.
Bereits im Kindesalter führen konzentrationsabhängig vor allem erhöhte LDL-Cholesterinwerte zu arteriosklerotischen Gefässschäden.
Defekte der Lipoproteinlipase, welche im
Kapillarendothel die Triglyceride der Chylomikronen und VLDL spaltet und damit deren
Aufnahme in die Zellen ermöglicht, führen zu
isolierter, zum Teil massiver Triglyceriderhöhung (Werte teilweise > 50 mmol/L, Ref < 2
mmol/L). Phänotypisch identisch sind Defekte des Cofaktors Apolipoprotein CII. Erhöhte
Triglycerid-Konzentrationen stellen keinen
Risikofaktor für vorzeitige Arteriosklerose dar.
Bei Defekten der ABC-Transporter G5 oder G8
ist in Dünndarm und Gallenwegen der Export
von zuvor resorbierten pflanzlichen Fetten,
sog. Phytosterolen, gestört. Daraus resultiert
die sehr seltene Sitosterolämie, die ähnlich
wie der homozygote LDL-Rezeptordefekt ein
relevanter Risikofaktor für Herzinfarkte bereits im Kindesalter ist8) .
Klinisches Bild
Die meisten Patienten mit Fettstoffwechselstörungen sind im Kindesalter asymptomatisch. Erste Krankheitszeichen können bei
familiärer Hypercholesterinämie Fettablagerungen in der Haut, sogenannte Xanthelasmen, sein. Bei Vorliegen von Homozygotie für
einen LDL-Rezeptor-Defekt können diese bereits im Kleinkindesalter als imposante subkutane Knötchen entlang der Hautfalten von
Händen oder Füssen und über Gelenken imponieren, während ansonsten meist im Bereich des Unterlides erste gelbliche Ablagerungen zu finden sind4), 9) (Abb. 1A). Diese sind
gemäss klinischer Erfahrung eindeutig mit der
Höhe der Cholesterin-Konzentrationen im
Plasma korreliert und können unter Behandlung kleiner werden oder verschwinden.
Daneben finden sich bei einzelnen Fettstoffwechselstörungen (z. B. Sitosterolämie) tiefer
unter der Haut gelegene Fettablagerungen,
sogenannte Xanthome. Prädilektionsstellen
für Xanthome sind die Streckseiten der Ellenbogen, die Knie sowie Achillessehnen (Abb.
1B). Oftmals ist die über Xanthomen liegende
Haut bläulich-livide verfärbt, dies auch noch
nach Rückgang oder Verschwinden der Xanthome unter Behandlung.
Ein Arcus corneae ist im Kindesalter nur in
Ausnahmefällen bei sehr schlecht eingestellter familiärer Hypercholesterinämie (oder bei
homozygoter Hypercholesterinämie) zu beobachten.
Bei einem kleinen Teil der Patienten besteht
als Folge einer vermehrten Einlagerung von
Fett eine Hepatomegalie, die zu Leberkapselspannung und Bauchschmerzen führen
kann. Dies ist zum Beispiel bei Patienten mit
familiärer Hypertriglyceridämie oder familiärer Chylomikronämie möglich.
Derzeit noch relativ selten dürfte bei Kindern
das metabolische Syndrom mit Adipositas,
Hyperurikämie, arteriellem Hypertonus, peripherer Insulinresistenz und HDL-Cholesterinerniedrigung vorliegen.
Komplikationen
Hohe Cholesterinkonzentrationen im Plasma
verursachen keine akuten Komplikationen,
sind jedoch ein Risikofaktor für eine vorzeitige Arteriosklerose. Die exakte Bedeutung
einer Hypercholesterinämie im Kontext an­
derer bekannter (Übergewicht, Bewegungsmangel, arterieller Bluthochdruck, Hyperhomocysteinämie, Lipoprotein (a) -Erhöhung,
Rauchen) und unbekannter Risikofaktoren ist
keineswegs geklärt1) . In der Literatur beschrieben und auch in der Praxis zu beobach-
A
ten sind frühe fatale Verläufe bei vergleichsweise geringer ebenso wie kaum betroffene
Familien mit gravierender Hypercholesterinämie. Besonders gefürchtet sind Komplikationen bei homozygoter familiärer Hypercholesterinämie sowie bei Sitosterolämie; für
diese Krankheiten sind jeweils akute fatale
Herzinfarkte im Kleinkindesalter beschrieben3), 8) .
Auch sehr hohe Konzentrationen der Triglyceride (> 10 mmol/L) können durchaus akute
Beschwerden auslösen. Dazu sind akute
Bauchschmerzen, gastrointestinale Blutungen
sowie eine akute Pankreatitis zu zählen, letztere mit potentiell ernster Prognose. Hypertriglyceridämie ist jedoch kein Risikofaktor
einer vorzeitigen Arteriosklerose.
Transition und Ausblick
in das Erwachsenenalter
Fettstoffwechselstörungen bleiben die Domäne der Erwachsenenmedizin, weil praktisch
alle Komplikationen erst im Erwachsenenalter
auftreten. Idealerweise bestehen vor Ort enge
Kontakte zwischen Pädiatrie und Erwachsenenmedizin, um eine optimale Transition und
damit die Vermeidung von Ängsten auf Patientenseite ebenso wie von Informationsverlust auf ärztlicher Seite zu gewährleisten. Wie
dargelegt, soll jedoch eine kompetente und
konsequente pädiatrische Betreuung das Auftreten der Komplikationen mindestens verzögern.
Abklärung Familienanamnese
Fraglos kommt einer sorgfältigen und vollständigen Familienanamnese eine heraus­
ragende Bedeutung für die Bewertung der
Situation eines Patienten mit Fettstoffwechselstörung zu. Dabei sind mindestens Verwandte ersten Grades mit einzubeziehen.
Notwendig erscheint eine gezielte Anamnese
B
Abbildung 1: Hautveränderungen bei Fettstoffwechselstörungen. A: 9-jährige Patientin mit Xanthelasmen, unter beiden Augenlidern als gelbliche
Verfärbungen erkennbar. B: 12-jährige Patientin mit Xanthomen am Knie, welche als Schwellung sichtbar und tastbar sind und als bläuliche
Verfärbung imponieren
25
Fortbildung
mit geschlossenen Fragen («Ist es bei Ihren
Eltern zu frühen Herzinfarkten gekommen?»,
«… und bei deren Geschwistern?» etc.), weil
in der Praxis andernfalls wichtige Details nicht
erhoben werden. Stichwörter bei der Erhebung der Familienanamnese sollten z. B. sein:
Herzinfarkte, Schlaganfälle, Bypassoperationen10) . Bei positiver Familienanamnese sind
gezielte Untersuchungen des Lipidprofils im
Plasma bereits im Kleinkindesalter indiziert.
Laboruntersuchungen
In der initialen Diagnostik einer Fettstoffwechselstörung sollen die folgenden PlasmaParameter bei nüchternem Patienten erhoben
werden3) :
•Lipidstatus (Gesamt-, HDL-, LDL-Cholesterin und Triglyceride)
•Lipoprotein (a) (dieser Wert ist genetisch
determiniert und bedarf daher keiner Verlaufskontrolle, ausser bei versuchter Intervention mit Niacin)11)
•Homocystein
Zur Bewertung der Lipidwerte sind altersabhängige Referenzwerte unabdingbar, weil
insbesondere Cholesterin während des Kindesalters sowie nach der Pubertät ansteigt,
wohingegen präpubertär und während der
Pubertät die Werte spontan abfallen können3).
Darüberhinaus können in einzelnen Situationen Spezialuntersuchungen wie Lipidelektrophorese oder Sterolprofil sinnvoll sein; empfohlen ist hier stets die Kontaktaufnahme mit
einem Stoffwechselzentrum.
Daneben sind einmalig zum Ausschluss einer
sekundären Fettstoffwechselstörung die folgenden Werte zu bestimmen:
•TSH, fT4
•Kreatinin
•Cortisol
•Urinstatus
Behandlung – Allgemeines
Grundsätzlich müssen fast alle Kinder mit Fettstoffwechselstörung diätetisch und/oder medikamentös behandelt werden. Schwierig ist
eine Festlegung, ab welcher Veränderung von
Laborparametern eine Ernährungsmodifikation
alleine nicht mehr ausreicht und eine zusätzliche Medikamentengabe notwendig wird. Dies
lässt sich nur in der Gesamtschau von Alter,
klinischer Situation (liegen weitere Risikofaktoren vor?) und Familienanamnese entscheiden
Vol. 24 Nr. 4 2013
und basiert nie alleine auf der Konzentration
von Laborparametern. Grundsätzlich kann
durch vermehrte körperliche Aktivität, sofern
nicht ohnehin schon bestehend, das Lipidprofil
verbessert werden3), 4), 12–14).
Diät
Die Grundlage der Behandlung der meisten
Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter ist
eine Ernährungsmodifikation. Für die familiäre
Hypercholesterinämie bedeutet dies eine
Reduktion tierischer, gesättigter Fette in der
Nahrung und die Meidung besonders cholesterinhaltiger Lebensmittel (v. a. Eigelb, Fleisch
mit sichtbarem Fett, Butter). Die Fettzufuhr
sollte bevorzugt einfach ungesättigte Fettsäuren (z. B. aus Walnuss-, Raps-, oder Olivenöl)
enthalten und auf 30–35% der Gesamtkalorien begrenzt werden. Im Gegensatz dazu muss
die Zufuhr von pflanzenfettreichen Produkten
bei Vorliegen einer Sitosterolämie vermieden
werden, während hier tierische Fette «erlaubt» sind. Für einzelne Krankheiten, z. B. die
familiäre Hypertriglyceridämie, ist eine Reduktion des Fettanteils in der Nahrung auf
< 25% sowie eine Vermeidung hohen Zuckerkonsums therapeutisch ausreichend. Hingegen erzielt die Diät der familiären Hypercholesterinämie auch bei strikter Einhaltung oft
keine befriedigenden Ergebnisse, weil eine
Reduktion der Cholesterinwerte im Plasma
nur um 10% bis maximal 20% gelingt und dies
für viele Patienten nicht ausreichend ist3) .
Der Erfolg einer cholesterinarmen Diät ist zum
Teil genetisch determiniert, wobei insbesondere Apolipoprotein E-Phänotypen als Prädiktoren für gutes bzw. schlechtes Ansprechen
dienen15) .
Medikamente
Mehrere Medikamente mit jeweils unterschiedlichem Wirkmechanismus stehen zur
Verfügung, in der Praxis reduziert sich aus
verschiedenen Gründen die Auswahl auf nur
wenige Wirkstoffe. Grundsätzlich soll eine
medikamentöse Therapie stets begleitend zur
Fortführung der Diät erfolgen3) .
Ionen-Austauscherharze (z. B. Colestyramin) sind grosse, wasserunlösliche Moleküle,
die nicht resorbiert werden, aber im Darm
Gallensäuren binden und damit die Lipidresorption vermindern. In der Praxis kann dies
jedoch nur gelingen, wenn die Medikamente
zu jeder fetthaltigen Mahlzeit eingenommen
werden. Daraus, und aus dem unangenehmen
Gefühl bei oraler Einnahme, resultiert jedoch
26
eine (nachvollziehbare) schlechte Compliance, welche die ohnehin beschränkte Wirksamkeit der Ionen-Austauscherharze weiter
vermindert. Auch wenn Konsensusempfehlungen zum Teil noch den Einsatz von IonenAustauscherharzen als Stufe 1 der medikamentösen Therapie vorsehen, ist dies in der
Praxis der Autoren dieses Artikels nur für
einzelne Patienten eine dauerhaft annehmbare Option.
HMG-CoA-Reduktase-Hemmer (synonym:
Statine) beeinflussen die endogene Cholesterinsynthese in einem sehr frühen Schritt und
reduzieren damit die intrazelluläre Cholesterinverfügbarkeit. Gleichzeitig wird die Empfindlichkeit von LDL-Rezeptoren gesteigert, so
dass vermehrt LDL-gebundenes Cholesterin in
die Zelle aufgenommen wird. Somit sind Statine wirksame Medikamente zur Senkung von
Gesamt- und LDL-Cholesterin, wobei je nach
Wirkstoff eine Senkung um bis zu 40% gelingt.
In jedem Fall ist eine Kombination mit einer
Diät sinnvoll, weil von einer Addition der Wirksamkeit ausgegangen werden kann12)–14). In der
Schweiz ist Pravastatin (Selipran®) als einziges
Statin bereits ab 8 Jahren zugelassen.
Ezetimib ist ein vergleichsweise neuer Wirkstoff, welcher die Resorption von Cholesterin
am Bürstensaum von Dünndarmzellen durch
Inhibition eines Steroltransporters (NPC1L1)
hemmt. Die Wirksamkeit der Cholesterinsenkung liegt bei ca. 25%. Somit kann der Einsatz
vor allem bei familiärer Hypercholesterinämie
durchaus sinnvoll sein. Aufgrund bislang fehlender Langzeitstudien und nur relativ geringer Erfahrung mit dem Einsatz bei Kindern
kann Ezetimib derzeit jedoch nur als Reservemedikament angesehen werden.
Fibrate sind in ihrem Wirkmechanismus nicht
vollständig aufgeklärt, vermutet wird eine
Steigerung der Aktivität der Lipoproteinlipase
und damit eine verbesserte Aufnahme von
Triglyceriden. Fibrate spielen jedoch in der
Behandlung von Kindern keine grosse Rolle.
Lipidapherese, Plasmapherese
Als ultima ratio können bereits im Kindesalter
Lipidapherese oder Plasmapherese eingesetzt
werden, sofern durch andere Massnahmen
keine ausreichende Stoffwechseleinstellung
gelingt. In jedem Fall sind diese Verfahren bei
Vorliegen einer homozygoten familiären Hypercholesterinämie frühzeitig zu diskutieren.
Fortbildung
Vol. 24 Nr. 4 2013
Verlaufsuntersuchungen
Klinische Verlaufskontrollen sollen zu Beginn der Behandlung das Verständnis von
Eltern und Patienten und damit die Compliance verbessern. Patienten sollen motiviert
werden, die Diät möglichst konsequent einzuhalten sowie, falls erforderlich, ihre Medikamente regelmässig einzunehmen. Dabei mag
es gerade im Kindes- und Jugendalter eine
Herausforderung darstellen, die Notwendigkeit der konsequenten Behandlung darzustellen, ohne übertriebene Ängste zu erzeugen.
Laborchemische Kontrollen sind zu Beginn
im Abstand von 6 Monaten sowie bei Erreichen einer guten Stoffwechseleinstellung alle
12 Monate sinnvoll. Bei Einnahme von Statinpräparaten sollen dabei jeweils Transaminasen und Kreatinkinase im Plasma mit bestimmt werden. Sinnvoll ist eine Blutabnahme
beim nüchternen Patienten, wobei Cholesterinwerte, anders als Triglyceride, postprandial
nur gering ansteigen.
Der Stellenwert sonographischer Untersuchungen der Intima-Media-Dicke der Arteria
carotis ist stark vom Vorhandensein eines
hochauflösenden Linearschallkopfes sowie
der Erfahrung des Untersuchers einschliesslich seiner konstanten Verfügbarkeit abhängig. Im klinischen Alltag mag eher Verunsicherung entstehen, sofern nicht der stets selbe
erfahrene Untersucher die Sonographie
durchführt.
Bei sehr hohen Cholesterinwerten und bei
stark belasteter Familienanamnese sind regelmässige Kontrollen von Echokardiographie
und Belastungs-EKG sinnvoll.
Prognose
Die Prognose von Fettstoffwechselstörungen
hängt, wie dargestellt, von vielen Faktoren ab
und kann nicht alleine von einer Besserung
oder Normalisierung einzelner Laborparameter abgeleitet werden. Betont werden soll
nochmals, dass die Vermeidung zusätzlicher
Risikofaktoren und eine Optimierung der Lebensumstände gemeinsam mit verbesserten
Laborparametern die Prognose günstig beeinflusst1)–3) .
Zusammenfassung
Fettstoffwechselstörungen stellen einen relevanten Risikofaktor für die vorzeitige Entwicklung arteriosklerotischer Gefässläsionen dar
und sollen daher so früh wie möglich diagnostiziert und behandelt werden. Dabei kommt
einer sorgfältigen Familienanamnese eine
grosse Bedeutung zu, vor allem zur Risikoabschätzung angesichts der multifaktoriellen
Ursachen der Arteriosklerose. Bei positiver
Familienanamnese sind gezielte Untersuchungen des Lipidprofils im Plasma bereits im
Kleinkindesalter indiziert, auch bei Fehlen
einer familiären Belastung ist eine einmalige
Cholesterinbestimmung im Jugendalter sinnvoll. Bei erhöhten Werten des LDL-Cholesterins ist ab dem Kleinkindesalter eine fettmodifizierte Diät indiziert, je nach Verlauf zusätzlich eine medikamentöse Therapie. Hier sind
Statine, zumindest ab dem Alter von 8 Jahren,
in erster Linie einzusetzen. Medikamente zur
Behandlung einer Fettstoffwechselstörung
ersetzen nicht, sondern begleiten eine Diät.
Die Betreuung von Kindern mit Fettstoffwechselstörungen soll in Zusammenarbeit mit
einem Stoffwechselzentrum erfolgen, dies
mindestens in der initialen Phase der Diagnosestellung und während der Therapieeinleitung.
Fazit für die Praxis
Den Autoren dieses Beitrages erscheint wichtig, in der Praxis keine Fokussierung betrof­
fener Familien alleinig auf Plasma-Cholesterinwerte zu fördern, sondern die Hyper­cholesterinämie als einen Risikofaktor unter
zahlreichen anderen zu betrachten. Neben
der Senkung erhöhter Cholesterinwerte ist
eine Beachtung von Lebensumständen, Ernährung, Bewegung, Gewicht als mindestens
gleichwertige Herausforderung anzusehen.
Die Familienanamnese ist zentral in der Beurteilung der Gesamtsituation. Bei positiver
Familienanamnese sind gezielte Untersuchungen des Lipidprofils im Plasma bereits im
Kleinkindesalter indiziert.
Die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen ist komplex und schliesst eine Steigerung
der körperlichen Aktivität und die Vermeidung
weiterer Risikofaktoren ebenso mit ein wie
eine Diät und Medikamente.
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Korrespondenzadresse
Prof. Johannes Häberle
Abteilung für Stoffwechselkrankheiten
Universitäts-Kinderspital Zürich
Steinwiesstrasse 75
CH-8032 Zürich
[email protected]
Die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung und keine anderen Interessenkonflikte
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Fortbildung
Vol. 24 Nr. 4 2013
Was können wir einem adipösen Kind
und seiner Familie anbieten?
Erfahrungen eines spezialisierten Zentrums.
S. Borloz, Ch. Moser, B. Crottet, S. Van Beirs, S. Krayenbuhl, A. Balz, E. Elowe-Gruau,
M. Decarli-Diserens, D. Laufer, J. Puder, M. Hauschild
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Division d’endocrinologie, diabétologie et obésité pédiatrique, Département médico chirurgical de pédiatrie, CHUV,
site Hôpital de l’Enfance, Chemin de Montétan 16, 1004 Lausanne.
Adipositas im Kindesalter,
wer ist Risikopatient?
Im Alltag der pädiatrischen Praxis wird die
kindliche Adipositas und ihre Betreuung zu
einem immer häufigeren Problem. Zur Herausforderung werden die Erkennung und Betreuung des Risikokindes: wer? wann? Das «Risikokind» adipös zu werden, ist ein Kind:
•Mit Makrosomie oder intrauterinem Wachstumsrückstand
•Mit Übergewicht: BMI über P 90 auf der
WHO- oder SGP-Kurve
•Dessen Gewichtskurve die Perzentilen­
kurve (durchkreuzt)
•Dessen Lebensgewohnheiten eine Gewichtszunahme begünstigen (zu reichhaltige Ernährung, zu wenig Bewegung, zuviel
Zeit vor dem Bildschirm, zuwenig Schlaf)
•Das in einem ungünstigen psychologischen
Umfeld aufwächst
•Mit zumindest einem adipösen Elternteil
•Das zu Risikopopulationen gehört (nichtkaukasisch, eingewandert, mit bescheidenen Ausbildungsniveau)1), 2)
Minderwertiges Selbstbild
Ausgelacht werden
Der günstigste Zeitpunkt, um nach Risikofaktoren zu suchen und einen angepassten Lebensstil zu fördern, ist das Kleinkindesalter.
Die erfolgversprechendsten therapeutischen
Resultate werden in diesem Alter erzielt.
Ziel von Abklärung und Beratung sind langfristig:
1.Psychisches Wohlbefinden, gestärkte Selbstachtung, bessere Lebensqualität für Kind
und Familie
2.Stabilisierung des Gewichtes bei Übergewicht, leichte Senkung bei Adipositas
3.Verhaltensänderung
4.Vorbeugung von Komorbiditäten3)
Leider genügt eine vorbeugende Beratung
nicht immer. Bestehen eines oder mehrere der
folgenden Kriterien, sollte die Zuweisung an
ein spezialisiertes Zentrum erwogen werden:
•Adipöses Kind: BMI über P 97 auf der WHOoder SGP-Kurve
•Versagen der individuellen Betreuung in der
Praxis
•Bedarf einer interdisziplinären Betreuung
•Bedarf oder Interesse für Gruppentherapie1)
Wunsch,
Gewicht
zu verlieren
Schuldgefühle
Mit sich selbst
unzufrieden
Isst zu viel
Knabbereien
Diäten
Verbotene
Nahrungsmittel
Besseres
Befinden
!!! Momentan !!!
Vermehrt Gelüste
Frustration
Abbildung 1:
Teufelskreis der Diäten
28
Unsere Erfahrungen
Die Abteilung für pädiatrische Endokrinologie,
Diabetologie und Adipositas des CHUV in
Lausanne betreut übergewichtige Kinder sowohl in Gruppenprogrammen (Diskussionsgruppen und angepasste körperliche Betätigung) als auch individuell. Die Programme
werden dem Alter angepasst (jeweils Gruppen
von 2–6-, 7–12- und 13–18-jährigen Kindern)
und dauern zwei Monate bis ein Jahr.
Die Mehrzahl der Kinder, für die langfristig ein
Übergewichtrisiko besteht, kann anhand des
Verlaufes der BMI-Kurve und einer Abweichung der Perzentilenkurve im Alter von 3–4
bzw. 5–6 Jahren ausgemacht werden. Dies
unterstreicht, wie wichtig es ist, die BMIKurve systematisch mit mindestens drei
Punkten einzutragen4) . Im Mittelpunkt der
Betreuung stehen in diesem Alter die Eltern
und die Änderung der familiären Essgewohnheiten2) .
Seit 1997 wird in einem Kurs für Eltern adipöser, 2–6-jähriger Kinder das Schwergewicht
auf die Unterstützung der Eltern gelegt um
möglichst früh die Lebensgewohnheiten dieser, meist an familiärer Adipositas leidenden
Risikofamilien, zu ändern5) . Während den
Gruppendiskussionen für die Eltern haben die
Kinder Gelegenheit zu körperlicher Betätigung, Nahrungsmittel zu kosten oder Geschichten zu hören zum Thema Unterschied
oder Auslachen, dem adipöse Kinder oft
ausgesetzt sind. Die Kurse finden im Prinzip
einmal monatlich statt, anfangs etwas häufiger, dann seltener, insgesamt 8 Sitzungen
über 9 Monate verteilt. Es haben ca. 30 Familien daran teilgenommen. Der BMI hat sich
während dieser Zeitdauer stabilisiert. Die Eltern zeigten sich nach Ablauf des Programmes sehr zufrieden. Seitens der Therapeuten
nahmen eine Diätassistentin, eine Psychologin, eine Physiotherapeutin, eine speziell
ausgebildete Sportwissenschaftlerin und ein
Kinderarzt am Programm teil. Hauptproblematik der betroffenen Familien in unseren
Gruppen waren die Abneigung der Kinder,
Neues zu essen und das Fehlen von Regeln
betreffend Essen, Zubettgehen, Bildschirmzeit und körperlicher Betätigung. Die Diskussionsrunden unter Eltern führen zum Austausch von Erfahrungen und Lösungsvorschlägen. Die Freude der Kinder an Bewegung
kann die Eltern anhalten, für die ganze Familie
aktivere Betätigungen zu planen.
1006712
Fortbildung
Bei adipösen Kindern und Jugendlichen sind
bestimmte psychologische Bereiche besonders betroffen: Selbstachtung und Selbstbild,
emotionale Anpassung, anxio-depressive
Stimmungslage7). Das Selbstwertgefühl ist bei
Übergewichtigen meist geschwächt8) und wird
durch die Interaktion von Selbstbild und sozialem Urteil, das Adipositas nach Vorurteilen
und Stereotypen einschätzt, bedingt. Zudem
führt das negative Selbstbild mit zunehmendem BMI zu wachsender Unzufriedenheit und
damit assoziierten depressiven Symptomen9)
und gestörter emotionaler Anpassungsfähigkeit, insbesondere Langeweile, Angstgefühl,
Traurigkeit und Ärger. Essen dient dann als
Anästhetikum, das den Zugang zur Identifizierung und Empfindung von Gefühlsregungen
blockiert. Die oft bestehende soziale Isolierung kann diese Symptome noch verstärken8).
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Abbildung 3.
Abbildung 2:
Ernährungsscheibe
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Mehrmals
pro Woche
Stimulieren
desHerzKreislaufSystems
Stärkung
der Knochen
ha
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ro
Verbesserung
der Fähigkeit
flexibel
bleiben
Stärkung
der Muskeln
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der S
Inaktives Verhalten beschränken und die Gelegenheiten zu körperlicher Betätigung mehren, stellen bei der Betreuung dieser Kinder
und Familien eine Herausforderung dar. Die
Familie spielt für Motivation und beim Aufteilen der häuslichen Aufgaben eine wesentliche
Rolle:
•Tägliche Aufgaben wie Abfallsack auf die
Strasse stellen, Zimmer aufräumen, Tisch
decken
•Transporte: Zu Fuss oder mit dem Fahrrad,
eine Haltestelle früher aus dem Bus steigen
oder bis zur nächsten Haltestelle gehen
anstatt zu warten
Welche psychologischen
Gesichtspunkte müssen
berücksichtigt werden?
so
Welche körperliche Aktivität?
Regelmässiger Bewegung stellen sich jedoch
eine grosse Anzahl körperlicher, psychologischer, sozialer und wirtschaftlicher Hindernisse entgegen. Bei der Betreuung von adipösen
Kindern und Adoleszenten müssen körperliche
Aktivitäten den Fähigkeiten und Bedürfnissen
angepasst werden, damit sie Freude daran
haben und sich dabei wohl fühlen. Sportliche
und andere körperliche Aktivitäten sind interessante Integrationsvektoren und sollen den
Kindern erlauben, Erfahrungen in einem nicht
stigmatisierenden Umfeld zu machen.
en
Zahlreiche Studien belegen, dass restriktive
Diäten Frustrationen und Unzufriedenheit
hervorrufen. Langfristig führen «Wunderdiäten» beim Erwachsenen in 95% der Fälle zu
Gewichtszunahme6) .
Ziel unseres Programmes ist es, die Gewichtszunahme unter Berücksichtigung des Wachstums einzuschränken. Körpersignale er­ken­
nen (Hunger, Sättigungsgefühl usw.), das
Be­rücksichtigen aller Sinne («mindfulness»)
während der Mahlzeiten und das Erkennen
von Zeitpunkten und Ursachen, die das Kind
zum Essen anregen, ohne Hunger zu haben
sind Schlüsselthemen, die mit Kindern und
Eltern besprochen werden. Weitere Punkte
sind das Erstellen von Familienregeln wie:
gemeinsame Mahlzeiten, am Tisch sitzend,
ohne Fernsehen usw. Jede noch so kleine
positive Verhaltensänderung wird ermuntert
mit dem Ziel, die Familienstruktur zu stärken.
•Bei jeder Gelegenheit die Treppen benutzen
•Draussen spielen, den Hund spazieren
führen usw.
eb
Ausgeglichene Ernährung
oder Diät?
Vol. 24 Nr. 4 2013
ic
t ä gl
he
n
L
Aktivitäten des täglichen Lebens
oder Sport
30
Diese psychologischen Aspekte können mit
den Kindern und Eltern angegangen werden,
wenn eine gewisse Motivation zur Verhaltensänderung besteht. Um eine optimale Betreuung zu ermöglichen, haben Doutrelugne und
Cottencin10) ein Raster entwickelt, um die
Patienten bei deren Aufnahme in die Gruppe
einzuteilen. Der Patient wird demnach als
Tourist – zugewiesen, sagt, keine Probleme
zu haben –, als Kläger – Opfer aussenstehender Probleme – oder als Kunde – erkennt sein
Problem, hat ein Handlungsbedürfnis und
bestimmte Zielvorstellungen – bezeichnet.
Es scheint uns im Rahmen der Adipositassprechstunde wichtig, die «Touristenfamilie»
zu stützen und durch die Kontrollen ein Bündnis und eine Bindung aufrecht zu erhalten.
Das Bündnis kann durch Zentrierung auf die
«existentiellen Vorstellungen der Eltern für ihr
Kind» sowie die bereits unternommenen positiven Schritte und durch Hervorheben der
elterlichen Kompetenzen gestärkt werden.
Der therapeutische Approach der «Klägerfamilie» konzentriert sich auf das Aufdecken
beschränkender Elemente (mit der Problematik zusammenhängende Elemente, welche die
Familie nicht zu ändern vermag) und andererseits von Problemen, auf welche die Familie
einwirken kann. Ist für die beschränkenden
Elemente das Akzeptieren die einzige Möglichkeit, erlaubt das Identifizieren von Problemen, nach Handlungs- und Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Die Familie kann damit ihre
Problematik neu definieren, im Bewusstsein
der Hindernisse und der verfügbaren Handlungsmöglichkeiten.
Wird die Familie zum «Kunden», dann werden
die Suche nach Interventionsstrategien und
das Festlegen minimaler Verhaltensänderungen realisierbar. Motivation zur Veränderung
und elterliches Gefühl der Effizienz werden
gestärkt. Die Zusammenarbeit des therapeutischen und des elterlichen Systems erlaubt
es dem Kind, aktiv mitzuarbeiten. Es besteht
somit eine Motivation zur Änderung, was den
Prozess begünstigt.
Und die medizinischen Aspekte?
Adipositas und metabolisches
Syndrom
Das metabolische Syndrom (MS) ist eine der
möglichen Komplikationen der Adipositas und
bezeichnet einen Zustand, der die Adipositas
mit einer Reihe Störungen assoziiert: Fett- und
Kohlehydratstoffwechsel-, prothrom­botische,
proinflammatorische Störung und arterielle
Hypertonie. Im Kindes- und Adoleszentenalter
Fortbildung
Vol. 24 Nr. 4 2013
beruhen die Kriterien, die das «metabolische
Syndrom» definieren, auf der Publikation von
Zimmer et al.11) , und schliessen nebst der
Stammfettsucht, geschätzt durch den Bauchumfang, zwei der in der Tabelle 1 aufgeführten
(altersabhängigen) Kriterien ein. Die in dieser
Definition verwendeten klinischen Kriterien
sollen es erlauben, jene Patienten ausfindig zu
machen, bei denen ein hohes Risiko besteht,
an einer Herzkreislaufkrankheit oder an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Die Insulinresistenz
gehört nicht zur Definition des MS, ist jedoch
beim Adipösen oft vorhanden.
Insulinresistenz
Für die zelluläre Dysfunktion mit vermehrter
Apoptose und entzündlicher Reaktion, die zur
Freisetzung von spezifischen Signalmolekülen
führt (Adipokine), ist insbesondere die inadäquate Lipidspeicherung in den Adipozyten
verantwortlich. Die Insulinresistenz scheint
durch die Wirkung der Entzündungsmetabolite
und Adipokine auf den Transduktionsmechanismus des Insulinrezeptors in den Zielzellen (Endothel-, Muskelzellen, Adipozyten) bedingt zu
sein. Spezifisch greifen diese Moleküle in die
intrazellulären Mechanismen von ATP/ADP/
Akt-Protein ein, welche die Translokation der
spezifischen insulinabhängigen Glukosetransporter GLUT4 regulieren. Dieselben Mechanismen sind wahrscheinlich für die akute Insulinresistenz bei Stress oder Infekt verantwortlich.
Anfangs passt sich die Insulinsekretion diesem Prozess an, wird also bei Glukosebelastung stimuliert um einen normalen Blutglukosespiegel aufrecht zu erhalten. Die chronische
Aktivierung der Insulinausschüttung, verbunden mit der toxischen Wirkung von Lipidmetaboliten und proinflammatorischen Zytokinen
auf die beta-Pankreaszellen, führen zu einer
zunehmenden relativen Insuffizienz der Insulinsekretion, was den Diabetes Typ 2 kennzeichnet.
Körperliche Tätigkeit stimuliert den Glukoseverbrauch durch Aktivierung der endogenen
intrazellulären Signale in den Muskelzellen12) .
Irisin, ein 2012 neuentdecktes Hormon (Myokin), wird durch den Muskel ausgeschieden
und aktiviert offenbar die thermische Funktion im Fettgewebe, reguliert damit den Stoffwechsel der Adipozyten und steigert den
Energieaufwand13) . Es ist demnach wahrscheinlich an der Abnahme der Insulinresistenz durch körperliche Tätigkeit beteiligt.
Herzkreislaufstörungen
Der pathophysiologische Mechanismus der
Schädigung von Herz und Kreislauforganen beginnt mit einer entzündungsbedingten Endotheldysfunktion und Verdickung der intima media
durch Ablagerung von Lipiden oder Zelltrümmern. Die Folge sind Lumeneinengung durch
Atherome, Behinderung des Blutflusses und
damit der Sauerstoffversorgung der Organe.
Weitere assoziierte Faktoren
Ein MS kann unter ganz verschiedenen Umständen angetroffen werden und hängt von
zahlreichen Faktoren ab, u.a. ethnischer Abstammung, Pubertätsstadium, frühzeitige
Pubarche, Adipositas (v.a. Stamm), genetischer Faktoren, Schwangerschaftsdiabetes,
intrauteriner Wachstumsrückstand oder ausgeprägter postnataler Gewichtszunahme14) .
Das adipositasbedingte MS geht mit erhöhter
Morbidität und Mortalität einher, im Wesentlichen bedingt durch Herzkreislaufstörungen
wie Hypertonie und Atherosklerose. Weitere
potentiell befallene Organe sind Augen, Nieren und das Nervensystem. Eine Lebersteatose kann sich ebenfalls entwickeln sowie das
Syndrom der polzystischen Ovarien, gekennzeichnet durch ein gestörtes Gleichgewicht
der Sexualhormone, einhergehend mit einer
Hyperandrogenämie.
Alter (Jahre)
Bauchumfang
Triglyceride
(mmol/L)
HDL-Cholesterol
(mmol/L)
6 < 10
≥ P902)
Keine diagnostische Kriterien des MS
10 < 16
≥ P902)
≥ 1.7
≥ 16
≥ 94 cm ♂
≥ 80 cm ♀
≥ 1.7 oder spezifische
Behandlung im Gange
Abklärung
Die Abklärung umfasst die Suche nach Zeichen einer spezifischen Ätiologie und nach
einer Komorbidität.
Behandlungsmöglichkeiten
Die therapeutischen Ansätze im Kindesalter
zeichnen sich durch ein möglichst «unmedizinisches» Vorgehen und pluridisziplinäre Verhaltenstherapie aus. Verschiedene Studien
haben aufgezeigt, dass eine «Änderung des
Lebensstils» einer medikamentösen Behandlung überlegen ist. Gezielte Behandlung, gemäss den entsprechenden Empfehlungen, ist
jedoch bei arterieller Hypertonie, Fett- oder
Glukosestoffwechselstörung oder einer ovariellen Dysfunktion notwendig.
Zukunftsperspektiven: Noch in der Studienphase befindet sich die Behandlung der Adipozytendysfunktion und des proinflammatorischen Prozesses.
Schlussfolgerung
Die kindliche Adipositas stellt in der täglichen
Praxis eine grosse Herausforderung dar. Die
langfristigen Risiken sind zwar gut bekannt,
die Betreuung jedoch langwierig und mühsam, für die Patienten und die Familie ebenso
wie für die Therapeuten. Der Erfolg hängt von
der Motivation des Patienten und dem Willen
der Familie ab, Änderungen ihrer Lebensgewohnheiten zu akzeptieren. Gewisse Fälle
benötigen eine spezialisierte Betreuung sowie
medizinische, psychologische und diätetische
Abklärungen durch ein pluridisziplinäres
Team. Gruppenprogramme können dann angeboten werden als Ergänzung zur individuellen Behandlung. Der therapeutische Ansatz
sollte auf Verständnis, Führung und Änderung
des täglichen Verhaltens von Kind und Familie
ausgerichtet sein.
Blutdruck
(mmHg)
Nüchternblutzucker
(mmol/L)
≤ 1.03
BD syst.≥ 130 oder BD
dias.≥ 85
≥ 5.6 oder Diabetes
Typ 2
≤ 1.03 (Mann)
≤ 1.29 (Frau) oder
spezi­fische Behandlung
im Gange
BD syst.≥ 130 oder BD
dias.≥ 85 oder
spezifische Behandlung
im Gange
≥ 5.6 oder Diabetes
Typ 2
Kriterien zur Definition des metabolischen Syndroms11) . Die Diagnose metabolisches Syndrom beruht auf einer Stammadipositas und
2 der 4 aufgeführten Kriterien
Tabelle 1:
31
Fortbildung
Risikofaktoren
Familienanamnese:
familiärer Diabetes Typ 2
Hypercholesterinämie
arterielle Hypertonie
afrikanischer, asiatischer,
mexikanischer Ursprung
Zeichen einer Stoffwechselstörung
Persönliche Anamnese:
intrauteriner Wachstumsrückstand
Störung der Pubertätsentwichlung
Medikamente
Schlafstörungen
Zunahme des BMI > 3 kg/m2/Jahr
Gezielte klinische Untersuchung
Bauchumfang, Grösse, Spannweite
Wachstumsgeschwindigkeit
Blutdruck, Atem-, Herzfrequenz
Adipositas allgemein/Stamm/proximal
Acanthosis nigricans, Pubertät
Zeichen einer Stoffwechselstörung
Organomegalie
Vol. 24 Nr. 4 2013
Alarmzeichen. Ätiologie. Komorbidität
rascher Verlauf
Zeichen intrakranialen Druckes
Zeichen von Herz-Lungeninsuffizienz
arterielle Hypertonie
Schlafapnoen
Entwicklungsrückstand, neurologische Störungen,
Muskelhypotonie
Dysmorphie (extreme Adipositas, Augenauffälligkeit, auffällige Facies,
Mikrozephalie, Skeletanomalien, Schwerhörigkeit, Nierenmissbildung)
psychologische Störungen
inadäquater Wachstumsrückstand oder Wachstumsgeschwindigkeit
< 4 cm/Jahr
Zeichen von Hypothyreose, Hyperkortizismus, Kalziumphosphatstoffwechselstörung
Hypogonadismus
Polyurie, Polydipsie
verfrühte oder verspätete Pubertät
Hirsutismus, Zeichen eines polyzystischen Ovarialsyndroms
Stoffwechselabklärung, nüchtern
Glukose, Gesamt-, LDL- und HDL-Cholesterin,
Triglyzeride, ALT, TSH
OGTT ab 10 Jahren bei positiven Risikofaktoren
Tabelle 2: Im Rahmen einer Adipositasabklärung, also bei einem BMI > P 97 (2 SD) oder einem Bauchumfang > 2 SD, oder BMI > P 90 < P97 und
positiven Risikofaktoren werden folgende Basisuntersuchungen vorgeschlagen15) . Bei Vorhandensein bestimmter Alarmzeichen müssen diese
gegebenenfalls erweitert werden.
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Programme zur Betreuung
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•www.akj-ch.ch
•www.a-dispo.ch
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32
•www.sportsmile.ch
•www.eurobesitas.ch
•www.hopitalduvalais.ch/contrepoids
•www.alimentationmouvementvs.ch
•www.fops.ch
•www.eqkilo.ch
Korrespondenzadresse
CHUV Centre Hospitalier
Universitaire Vaudois
Sylvie Borloz
Diététicienne dipl. HES, Chargée de projet
Division d’Endocrinologie, Diabétologie et
Obésité pédiatrique
Département Médico-Chirurgical de
Pédiatrie Hôpital de l’Enfance de Lausanne
Chemin de Montétan 16
1004 Lausanne
Tel . +41 (0)21 314 87 73
Fax +41 (0)21 314 94 96
[email protected]
Die Autoren deklarieren keine Interessenkonflikte.
Hinweise
Vol. 24 Nr. 4 2013
Das Einsiedler Babyfenster
Stephan Rupp, Einsiedeln
Schon immer gab es Mütter, die aus diversen
Gründen keine Möglichkeiten hatten, ihr Kind
nach einer Schwangerschaft selbst zu betreuen. Die drastischste Form der Problemlösung
ist die Kindstötung. Eine andere Variante ist
die Kindsaussetzung, die auf das Überleben
des Kindes abzielt. So konnte der biblische
Moses wohl aus politischen Gründen nicht bei
seinen Eltern aufwachsen. Eine Babyklappe
gab es schon 1198 im Spital des Heiligen
Geistes in Rom. Meist wurden solche Angebote von klösterlichen Einrichtungen betrieben.
Wegen der notwendigen medizinischen Betreuung sind die modernen Babyklappen
Spitälern angeschlossen. In der Schweiz hat
sich vor allem die Stiftung HMK (Hilfe für
Mutter und Kind) mit dem Ziel engagiert, Abtreibungen und Kindstötungen zu verhindern.
Ob dies mit einem Babyfenster erreicht wird,
ist unsicher. Statistische Erhebungen in gewissen Gebieten zeigen eine Zunahme der
abgegebenen Kinder, ohne gleichzeitige Abnahme der Kindstötungen. Möglicherweise
werden eher Abtreibungen verhindert1) . Provokativ könnte man sagen, dass Babyfenster
zum Preis des Verlustes der Kenntnis von
Abstammung und Herkunft das Überleben
gewisser Kinder ermöglichen.
Juristische Überlegungen
Möglichkeit genommen, sein Kind anzuerkennen, vor allem dann, wenn er gar keine Kenntnis
vom Nachwuchs hat. Deshalb sind die zuständigen Behörden gemäss Zivilgesetzbuch verpflichtet, die leiblichen Eltern zu ermitteln2). Wie
aktiv das sein muss, bleibt offen.
Für mich ist ungeklärt, was passiert, wenn ein
Kind durch Geburt, Transport oder Abgabe im
Babyfenster bleibende Schäden erleidet oder
stirbt. Ist dann der Betreiber der Einrichtung
juristisch (mit-)verantwortlich? Wahrscheinlich würde diese Frage erst nach Eintreten
eines derartigen Ereignisses juristisch entschieden werden.
Ethische Überlegungen
Es ist klar, dass ein Kind im Babyfenster weder Identität noch Herkunft kennen wird.
Dagegen gilt es abzuwägen, welche Nachteile
ihm andernfalls entstanden wären. Hier liegt
es an der Gesellschaft zu gewichten, ob dies
ethisch akzeptabel ist oder nicht. Ich verweise auf die diesbezüglichen Diskussionen in
der Schweizerischen Ärztezeitung, die in diesem Frühjahr publiziert wurden3) .
Organisatorische Massnahmen
Ein Babyfenster hat einen Zugang von aussen,
durch welchen das Neugeborene in ein vorge-
Das Babyfenster in Einsiedeln lieferte nach
seiner Einrichtung 2001 viel juristischen Diskussionsstoff. Macht sich die Mutter strafbar?
Welchem juristischen Risiko setzt sich der
Betreiber der Einrichtung aus? Werden die
Rechte des Vaters und des Kindes, besonders
im Hinblick auf Kenntnis seiner Identität und
Abstammung, angemessen berücksichtigt?
Die Mutter macht sich strafbar, wenn sie die
Geburt ihres Kindes nicht innert drei Tagen den
Behörden meldet und dem Kind Identität und
Herkunft verschleiert. Die Betreiber des Babyfensters machen sich der Mittäterschaft schuldig. Einer Klage des Kindes auf Genugtuung
werden aber kaum Erfolgschancen eingeräumt.
Ein strafrechtliches Verschulden von Eltern und
Betreibern wird eher verneint, da das Kind nicht
sich selbst überlassen wird. Dem Vater wird die
33
wärmtes Bett gelegt wird. Mit kurzer Verzögerung wird ein Alarm ausgelöst, der einen
definierten Personenkreis im Spital via Personensucher alarmiert. Das Neugeborene wird
vom Hebammen und Pflegefachfrauen abgeholt und erstbeurteilt. Daraus ergeben sich
mehr oder weniger dringliche medizinische
Massnahmen.
Es folgen standardisierte Abläufe. Zuerst
werden der zuständige Arzt, der Spitaldirektor
und die leitende Schwester informiert. Die
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde und
die Polizei werden via Spitaldirektion involviert. Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzgesetz hat die Abläufe leicht verändert,
da nun nicht mehr der Bezirk, sondern der
Kanton zuständig ist. Die Meldung an die Polizei erfolgt nicht notfallmässig, ausser es
muss um die Gesundheit der Mutter gefürchtet werden, wie dies beim letzten Kind der Fall
war. Die Hebamme ist für die administrative
Anmeldung des Kindes verantwortlich.
Medizinische Massnahmen
Über die Massnahmen bei Eintreffen des
Kindes gibt die Tabelle Auskunft. Babys aus
dem Babyfenster haben keine Anamnese. Wir
erfassen sofort die Vitalparameter, um den
Bedarf an Massnahmen erkennen zu können.
Rasch werden Gestationsalter und chronologisches Alter des Kindes bestimmt. Die anfängliche Annahme, dass praktisch nur Neugeborene von einem Alter bis zu drei Tagen
abgegeben werden, hat sich nicht bewahrheitet. Mehrere Kinder waren älter, eines gemäss
Begleitschreiben sogar 1 ½ Monate alt. Diese
Mutter hat erfolglos versucht, das Kind zu
Fortbildung
Vol. 24 Nr. 4 2013
Konzept-Alarm im Babyfenster
• Alle MitarbeiterInnen werden gebeten, ruhig ans Babyfenster zu gehen (nicht rennen)
• Alarm am Tag: Hebamme/Pflegefachfrau 1. Stock gehen ans Babyfenster
• Nachts: Pflegefachfrau 1. Stock und Pflegefachfrau Notfall/Hebamme aufbieten
• Beim Zurückstellen des Bettchens darauf achten, dass das Fenster richtig geschlossen ist (Fehlalarm)
1. Auffindesituation/Erstmassnahme
Datum/Visum
• Kind ins Stillzimmer bringen
• Fotografieren der Auffindesituation (Digitalkamera)
• Status: Respi, Puls, Kolorit, Tempi, O2-Sättigung
Überwachungsblattt beginnen: Kontrollen halbstündlich bis 4 x normal, dann stündlich bis 8 Stunden
Isolettenüberwachung bei Bedarf
Ernährung mit Maltodextrin 10%
1. Konakion – Gabe per os
• Information Pädiater
• wenn nicht erreichbar Anästhesie und/oder Gynäkologe, auch in der Nacht
• Kleider und sonstiges Begleitmaterial des Kindes aufbewahren
• Auffinden eines toten Kindes: nur Dienstarzt Medizin aufbieten, dieser informiert auch die Polizei
2. Blutentnahmen
• nach Erstbeurteilung durch Pflegepersonal
• kapillär: Blutgasanalyse, Hb, Hk, Glucose, Blutgruppe, Coombs, CRP, Quick
• Urin: Drogenscreening, ev. Mekonium auf Drogen
• durch Pädiater/Anästhesie
• venös: Hepatits B und C, HIV, Toxoplasmose, Zytomegalie, Röteln, Herpes, Treponemen (plus Reserveblut)
3. Impfungen
• nach der venösen Blutentnahme: aktive und passive Hepatitis B-Impfung maximal 4–6 Stunden nach dem Auffinden des Kindes
4. Untersuchungen
• durch Pädiater/Gynäkologe: Neugeborenen-Status inkl. Dubowitz, weitere Untersuchungen werden nach Bedarf verordnet
5. Informationen (durch Pflegefachfrau oder Hebamme)
• Spitaldirektor
• Stv. Spitaldirektorin
KESA (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Ausserschwyz), alleinzuständige Amtsstelle für alles administrative Handeln
und Informationen an Dritte
Zivilstandsamt
Information an das Zivilstandsamt durch Hebamme am nächsten Werktag (nach Absprache schicken einer Geburtsanmeldung)
Information des Stiftungsrates durch den Direktor
6. Besonderes fürs Personal RSE
• Das Recht zur Information nach aussen liegt alleine bei der KESA
• Es dürfen keine Interviews an die Presse gegeben werden
• Es dürfen keine Pressefotografen zugelassen werden
7. KESA
• Bestimmung einer Amtsperson, die die Aufgabe hat, alle Rechte und Pflichten des Kindes wahrzunehmen; sie leitet das
Adoptionsverfahren ein (Pflegefamilie, Adoption)
• Namensgebung durch den Bezirksammann (keine Veröffentlichung)
• Bürgerrecht Einsiedeln
• Kind ist konfessionslos
• Information an die Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind
Tabelle: Massnahmen
beim Eintreffen des Kindes am Einsiedler Babyfenster
34
Hinweise
Vol. 24 Nr. 4 2013
behalten. Über die passive Hepatitis-B-Impfung muss von Fall zu Fall entschieden werden. Für die aktive Impfung ist mehr Zeit
vorhanden, je nach Kindsalter warten wir die
Resultate der Serologie ab.
Ergeben sich keine besonderen Probleme,
geht das Kind nach rund 1 bis 2 Wochen zur
Pflegefamilie. Niemand im Spital Einsiedeln
kennt den weiteren Verbleib der Kinder, welcher durch den Vormund geregelt wird. Sollte
zu einem späteren Zeitpunkt von Seiten des
Kindes Interesse an einer Kontaktnahme
bestehen, muss die Initiative von ihm ausgehen.
Eine Elternschaft muss genetisch bewiesen
werden. Aus Kostengründen haben wir auf die
routinemässige Entnahme eines Wangenabstriches verzichtet, allenfalls muss das Kind
zu einem späteren Zeitpunkt damit belastet
werden.
Erfahrungen mit
den bisherigen Kindern
Bis jetzt wurden 8 Neugeborene im Einsiedler
Babyfenster abgegeben, also rund alle 1 ½
Jahre ein Kind. Sie waren zwischen wenige
Stunden und ca. 6 Wochen alt und wurden
nicht, wie erwartet, nur in der Nacht abgegeben, sondern über den Tag verteilt.
Einmalig waren sofortige ausserordentliche
Massnahmen nötig. Es betrifft dies ein Kind,
welches an einer Hypothermie mit Bradycardie und Arrhythmie litt und deshalb in eine
Neonatologie verlegt werden musste. Ein
weiteres Kind wurde sekundär weiterverlegt,
da es ein schlechteres Kolorit, eine grenzwertig erhöhte Körpertemperatur und ein akut
schlechteres Trinkverhalten bei gleichzeitiger
Chlamydienkonjunktivitis zeigte. Der Sepsisverdacht wurde glücklicherweise nicht bestätigt, so dass es nach wenigen Tagen rückverlegt werden konnte.
Die anderen Kinder boten keine wesentlichen
medizinischen Probleme. Eigentlich überra-
schend ist, dass wir nie mit stärkeren Entzugssymptomen konfrontiert waren. Hauptproblem bei mehreren Kindern war die tiefe
Körpertemperatur bei Eintritt. Ausser im oben
geschilderten Fall reichten aber die normalen
Aufwärmmassnahmen.
Bis zur Klärung des Gesundheitszustands des
Kindes wird die Betreuung zum Ausschluss
einer Infektgefährdung anderer Kinder getrennt von den «normalen» Neugeborenen
durchgeführt, meist unter der Verantwortung
einer Hebamme.
Behördliche Massnahmen
und Kosten
Das Kind erhält nach Eintritt jeweils rasch
einen gesetzlichen Vertreter, der seine Interessen wahrnimmt. Ich halte es für wichtig,
dass zwischen den medizinischen und den
vormundschaftlichen Massnahmen eine klare
Trennung vorhanden ist. So ist weder mir
noch den betreuenden Personen bekannt,
was aus den Kindern genau geworden ist. Es
ist den Adoptiveltern überlassen, wie sie das
Kind zu einem späteren Zeitpunkt über seine
Herkunft informieren. Die Behörde hat sich im
Interesse der Kinder entschieden, nicht über
deren weiteres Leben zu informieren. Natürlich wäre es interessant zu wissen, was die
betroffenen Kinder später von der Einrichtung
denken. Vielleicht wird sich ja irgendwann
eine betroffene Person im Spital melden und
uns ihre Meinung kundtun.
Die Infrastrukturkosten des Babyfensters
werden von der HMK übernommen. Die Alarmierung geht an Personen, die ohnehin im
Dienst sind, so dass formell keine Zusatzkosten entstehen. Die Kinder unterstehen
Schweizer Recht mit entsprechendem Krankenkassenobligatorium. Sie werden von der
Bezirkskrankenkasse Einsiedeln grundversichert, die auch die Kosten der medizinischen
Massnahmen übernimmt. Bleiben noch die
Kosten der vormundschaftlichen Massnahmen, inklusive Platzierung in Pflegefamilien,
die von der öffentlichen Hand getragen werden müssen.
Schlussbemerkungen
Die Eröffnung des Babyfensters hat viel Mut
gebraucht, da die juristische Situation unklar
war und ist. Die Initiative ging von unserem
Frauenarzt, Dr. Werner Förster, aus, der zusammen mit der Stiftung «Hilfe für Mutter und
Kind» das Babyfenster mit viel Enthusiasmus
realisiert hat. Wohlwissend, dass ich grosse
Bedenken gehabt hätte, wurde ich erst am Tag
vor der Pressekonferenz zur Eröffnung in den
«Geheimplan» eingeweiht. So blieb wenig Zeit,
das medizinische Konzept und die genauen
Abläufe zu erarbeiten.
Die Einrichtung kann nur existieren, wenn
sie im Umfeld auf Goodwill stösst. Besonders dankbar bin ich der Vormundschaftsbehörde Einsiedeln, respektive der KESA
(Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde
Ausserschwyz), die die Betreuung der Babyfensterkinder vorbildlich übernimmt. Dank
gilt auch der Kantonspolizei, die ihre Pflichten mit viel Wohlwollen und Feingefühl erledigt. Auch die politischen Behörden stehen
hinter dem Babyfenster, nie kam es zu kritischen Fragen, auch wenn dem Bezirk Kosten
entstehen. Das Babyfenster ist nach nun
rund 12 Jahren eine akzeptierte Einrichtung.
Es ist wichtig, dass alles getan wird, damit
sie möglichst wenig genutzt werden muss,
ebenso wichtig ist, dass die ethischen Diskussionen weitergeführt werden. Wünschenswert wäre, dass solche Babyfenster
einem grossen Zentrum angeschlossen sind,
da dort mehr medizinische Massnahmen
verfügbar sind als in einem kleinen Spital
wie Einsiedeln.
Referenzen
1) Joelle Coutinho/Claudia Krell: Anonyme Geburt und
Babyklappen in Deutschland-Fallzahlen, Angebote,
Kontexte, Deutsches Jugendinstitut. http://www.
dji.de/Projekt_Babyklappen/Berichte/Abschlussbericht_Anonyme_Geburt_und_Babyklappen.pdf.
2) Prof. Dr. H. Hausheer/Dr. R. E. Aebi-Müller, Renaissance einer alten Idee: Das Einsiedler Babyfenster
aus (zivil)rechtlicher Sicht, recht 2002, Heft 1, S.
1–16.
3) Martin J: Sind Babyfenster ethisch akzeptabel?
Schweizerische Aerztezeitung 2013, 94 (11): 446.
Korrespondenzadresse
Dr. Stephan Rupp
FMH Kinderarzt
Spitalstrasse 30
8840 Einsiedeln
[email protected]
35
Hinweise
Vol. 24 Nr. 4 2013
Ungewollte Kinder
Eine ethische Abwägung von Babyfenstern
Ruth Baumann-Hölzle* und Andrea Abraham**
Hintergrund
Die Aussetzung von Neugeborenen reicht weit
in die Geschichte zurück. Früh schon wurde
die Frage aufgeworfen, wer sich diesen Kindern annehmen soll und wie die Risiken der
Aussetzungen gemindert werden können. Die
Kirchen sahen es bald als ihre Pflicht, sich um
diese Findelkinder zu kümmern. Sie richteten
an Kirchen- und Klosterpforten Wiegen, Dreh­
laden und Türen ein, an denen die Neugeborenen anonym abgegeben werden konnten.
Weil in viele dieser Einrichtungen auch ältere
kranke oder behinderte Kinder gelegt wurden, brachte man an einigen von ihnen Gitterstäbe an, die so eng beieinander lagen, dass
nur neugeborene Kinder hindurchpassten1) .
Im Kontext dieser Einrichtungen wurde ein
bestimmtes Bild der Mütter konstruiert, deren
Kind man durch die Drehlade vor einem gewaltsamen Tod retten wollte. So steht bei der
Hamburger Drehlade, welche 1709 installiert
wurde, geschrieben:
«Auf dass der Kindermord nicht künftig wird
verübet, Der von tyrannischer Hand der
Mutter oft geschieht, Die gleichsam Molochs Wuth ihr Kindlein übergiebet, Ist dieser
Torno hier auf ewig aufgericht»2)
Heute findet die Stigmatisierung der Mutter
zumindest im öffentlichen Diskurs nicht mehr
statt, aber die Lebensrettung des Neugeborenen wird immer noch als gewichtiges Argument für die Legitimierung der Babyfenster
verwendet.
Seit den späten 1990er Jahren wurde die historische Idee der Drehlade wieder aufgenommen, so dass es heute weltweit Babyfenster
gibt, die sowohl von christlichen als auch unabhängigen Organisationen betrieben werden.
Je nach Land werden für die Babyfenster an­
dere Begriffe verwendet wie «Babyklappe»,
«angel’s cradle», «babys’ safe haven», «door of
* Leiterin des Instituts Dialog Ethik
** Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts
Dialog Ethik
hope», «mothers‘ Moses basket», «storks’ cradle» oder «la ruota». Obschon die Grundidee der
verschiedenen Babyfenster dieselbe ist, ist ihr
jeweiliger soziokultureller Kontext und der
Grund der Nutzung oft sehr unterschiedlich.
Beispielhaft seien hier eine restriktive Familienpolitik (z. B. Einkindpolitik) genannt, der tiefe
Status von weiblichen Neugeborenen, die
Stigmatisierung von und fehlende Ressourcen
für behinderte Kinder, oder ein Mangel an Unterstützungsangeboten für arme Familien und
allein erziehende Mütter.
Im deutschsprachigen Raum wurde das erste
moderne europäische Babyfenster im Jahre
2000 in Hamburg eingeweiht mit dem Ziel,
damit präventiv gegen Kindestötungen vorzugehen. In der Schweiz wurde 2001 am Spital
Einsiedeln das erste Babyfenster eingerichtet,
mehr als zehn Jahre später folgten Babyfenster an den Spitälern Davos und Olten. Geplant
sind weitere Fenster in Bellinzona und Bern.
Nach dem Spitalaufenthalt übernehmen die
kantonalen Behörden das Neugeborene und
platzieren es bei Pflegeeltern. Wird es innerhalb eines Jahres nicht von seiner Mutter bzw.
seinen Eltern zurückgeholt, wächst es bei
Adoptiveltern auf. Alle bisherigen Babyfenster
werden von der Organisation «Schweizerische
Hilfe für Mutter und Kind» (SHMK) finanziert.
Die SHMK betreibt die Webseite www.baby
fenster.ch und bietet Bedürftigen kostenlose
telefonische oder persönliche Beratung als
auch finanzielle Unterstützung an. Gegründet
wurde die SHMK vom «Verein Mamma», hinter
dem konservativ-christliche Abtreibungsgegner stehen. Ihr Gedankengut wird auf der Informationswebseite zu den Babyfenstern
nicht explizit angegeben, kommt aber beispielsweise bei der Auflistung «33 Gründe für
ein Baby» zum Ausdruck, zu denen gehören:
«weil Gott will, dass Babys leben» oder «weil
Gott in der Bibel gesagt hat: ‹Seid fruchtbar
und mehret euch!›».
Die Haltungen gegenüber Babyfenstern gehen
in der Schweiz weit auseinander. Sie reichen
von der genannten konservativ-christlichen
Ablehnung gegenüber dem Schwanger-
36
schaftsabbruch, über Positionen, welche Babyfenster als ein notwendiges niederschwelliges Ergänzungsangebot betrachten, bis hin
zu Gegenpositionen, welche die Babyfenster
insbesondere aufgrund der anonymen Abgabe
und der damit einhergehenden unklaren Herkunft des Kindes und der verunmöglichten
medizinischen und psychologischen Betreuung der Mutter nicht akzeptieren. Letztere
Position wird mit Bezugnahme auf die UNO
Kinderrechtskonvention auch im internationalen Kinderrechtsdiskurs vertreten. In den
vergangenen Jahren wurden auf politischer
Ebene auch andere anonyme Angebote debattiert, wie die diskrete oder anonyme Geburt.
Zwei parlamentarische Vorstösse der SVP und
der CVP, welche 2008 in diesem Zusammenhang gemacht wurden, erlitten beide eine
Niederlage. Begründet wurde die Abweisung
der Vorstösse mit der fehlenden Evidenz: Man
wisse nicht mit Sicherheit, ob die vorgeschlagenen Angebote tatsächlich Kinderleben retten würden, sondern nehme es lediglich an.
Deshalb wurde bei der Behandlung dieser
Vorstösse das Recht auf biologische Identität
höher gewertet als die anonyme Geburt. Nach
wie vor ist es so, dass Spitäler, Geburtshäuser
und freischaffende Hebammen rechtlich zur
Meldung eines geborenen Kindes an das Zivilstandesamt und somit zu einer registrierten
Geburt verpflichtet sind. Aus Gründen der
Patientensicherheit werden Geburten unter
Codes bzw. Pseudonymen nur sehr selten
durchgeführt, so z. B. bei akut bedrohten oder
bei sehr berühmten Frauen. Die Anonymisierung dient dabei aber lediglich administrativen spitalinternen Zwecken und beeinflusst
die Meldepflicht an die Behörden nicht.
Wer gibt seine Kinder
in Babyfenstern ab?
Der Diskurs um Babyfenster ist geprägt von
einer hohen Emotionalität, impliziten und
expliziten Werthaltungen gegenüber dem
Schwangerschaftsabbruch und einer schwachen empirischen Datenlage. Wer aber sind
diese Frauen bzw. Eltern, die ihr Neugeborenes in Babyfenstern abgeben? Aus welchen
Notlagen rührt ihre Entscheidung zur anonymen Abgabe? Im Gegensatz zur Schweiz, wo
sich diese Fragen aufgrund der niedrigen
Zahlen nicht beantworten lassen, hat man die
Babyfenster Nutzung in Deutschland so weit
wie möglich wissenschaftlich begleitet.
Im Rahmen einer deutschen Studie konnten
sechs Frauen interviewt werden, die ihre
Hinweise
Vol. 24 Nr. 4 2013
Kinder in einem Babyfenster abgegeben hatten3) . Sie traten aber alle zu einem bestimmten Zeitpunkt aus der Anonymität heraus, da
fünf von ihnen ihr Kind wieder zurückgeholt
haben. Die Beweggründe der grossen Anzahl
von Frauen, die anonym geblieben ist, konnte
deshalb in der Studie nicht erhoben werden.
Auffallend ist, dass bei den interviewten
Frauen keine Typisierung bezüglich Alter, Bildung, Herkunft oder Familienstand vorgenommen werden kann: sie bilden eine sehr heterogene Gruppe. Damit relativiert sich die oft
kolportierte Annahme, dass die Benutzerinnen von Babyfenstern wahrscheinlich jung
und alleinstehend seien. Die befragten Frauen
erzählten, dass sie auf die Schwangerschaft
mit Unverständnis, Schock oder Panik reagiert hätten. Sie konnten die Schwangerschaft nicht verstehen, nicht annehmen, und
sich nicht mit ihr identifizieren. Einige verdrängten die Schwangerschaft weitgehend,
interpretierten ihre Gewichtszunahme anderweitig, wieder andere isolierten sich zunehmend von ihrem sozialen Umfeld. Die Frauen
schilderten verschiedenartige Gründe für das
Verschweigen bzw. die Unerwünschtheit der
Schwangerschaft: Dazu gehören die Angst vor
sozialer Ächtung und Unverständnis, Schamgefühle, fehlende Unterstützung oder Abtreibungserwartungen durch ihr soziales Umfeld,
Gefährdung der eigenen Ausbildungs- und
Karrierepläne, eine von der Familie nicht akzeptierte Liebesbeziehung, kein (weiterer)
Kinderwunsch des Partners, Schwangerschaft durch einen One-night-stand oder die
hohe Arbeitsbelastung des Partners. Die befragten Frauen gingen zu keinen gynäkologischen Vorsorgeuntersuchungen und haben
ihre Kinder heimlich und geräuscharm zuhause geboren, teilweise trotz Anwesenheit anderer Personen im selben Haushalt. Das soziale Umfeld jener Frauen, die das Kind wieder
zurückholten, reagierte geschockt und enttäuscht darüber, nicht schon während der
Schwangerschaft ins Vertrauen gezogen worden zu sein. Rückblickend schätzten die
Frauen, dass sie nach der Rücknahme ihrer
Kinder eine engmaschige professionelle Betreuung erfuhren. Sie hätten sich gewünscht,
diese Unterstützung bereits im Zuge der
Schwangerschaft erhalten zu haben.
Kindesaussetzung
und Kindestötung
Die Hoffnung, dass die Einrichtung von Babyfenstern die Anzahl der Tötung von Neugeborenen (Neonatizid) verringern kann, lässt sich
nicht bestätigen. Dies ist ein Hinweis darauf,
dass es sich bei der Kindesaussetzung und
dem Neonatizid um zwei unterschiedliche
Phänomene handelt. Obwohl sowohl Mütter,
die ihr Kind töten als auch jene, die ihr Kind in
ein Babyfenster ablegen, ihre Schwangerschaft verdrängen oder bewusst verheimlichen, sich dadurch sozial isolieren und deshalb anonym bleiben wollen und kaum über
Vertrauensbeziehungen verfügen, scheinen
sie sich in ihrer Haltung dem Kind gegenüber
stark zu unterscheiden. Mütter, die ihre Neugeborenen in ein Babyfenster legen, begründen ihre Motivation für diesen Schritt mit
Fürsorglichkeit und Verantwortungsbewusstsein3) . Sie wollen ihnen eine Chance geben,
indem sie wissen, dass ihre Kinder gefunden
werden und hoffen, dass sie in einem besseren Elternhaus aufwachsen. Neben Handlungen aus Verantwortlichkeit ist aber davon
auszugehen, dass Frauen ihre Neugeborenen
manchmal auch irrational aus einer Panik und
Überforderung heraus abgeben. Mütter, die
ihre neugeborenen Kinder töten, löschen das
Leben ihrer Kinder hingegen aus und nehmen
ihnen damit die Option für ein gutes Leben.
Die von Krüger4) analysierten Fälle von Neonatiziden in der Schweiz bringen denn auch
eine starke Passivität der Mütter ihren Neugeborenen gegenüber zum Ausdruck, die in
der Studie mitunter in einen biographischen
und psychologischen Kontext gesetzt wird.
Aufgrund der bisherigen Erfahrungen und Erkenntnisse ist anzunehmen, dass die Alternative zum Babyfenster in den meisten Fällen
nicht der Neonatizid, sondern die Kindesaussetzung an einem vergleichsweise ungeschützten Ort ist. Es ist daher fraglich und
empirisch nicht belegt, dass Babyfenster
Neonatizide vermeiden helfen und somit zur
«Rettung» von Kinderleben führen, auch wenn
von den Anbietern der Babyfenster mit diesem Argument dafür geworben wird.
Ethische Abwägung
Bei allen drei Phänomen – der Kindesaussetzung in ein Babyfenster, der ungeschützten
Aussetzung und dem Neonatizid – stellt sich
die Frage, aus welcher Motivation heraus und
mit welchem Ziel die urteilsfähige* Frau handelt. Ethisch relevant ist, ob sie aus eigener
Einschätzung zum Wohle des Kindes handelt,
weil sie nicht Mutter des Kindes sein möchte,
oder ob sie sich überfordert fühlt, diese Rolle
einzunehmen. Bei einem Neonatizid erachtet
die Mutter das Leben des Kindes als nicht
37
lebenswert. Es kann durchaus sein, dass sie
die Tötung mit dem Kindeswohl begründet,
weil sie es mit dem Überleben des Kindes als
nicht vereinbar erachtet. Trotzdem handelt es
sich dabei rechtlich betrachtet aber nicht um
aktive Sterbehilfe, sondern um eine Tötung,
auch wenn dieser ein altruistisches Motiv
zugrunde liegen kann. Oder aber sie betrachtet das Kind als Schaden für ihr eigenes
Leben, was sich in den «wrongful life»-Diskurs
einbetten liesse.
Auch die Kindesaussetzung in einem Babyfenster oder an einem ungeschützten Ort
kann durch das Kindeswohl motiviert sein.
Geschieht sie an einem ungeschützten Ort, ist
das Kindeswohl grundsätzlich gefährdet: Die
Frau delegiert das Kindeswohl an ein namenloses Schicksal und nimmt unter Umständen
Missbrauch und/oder Tod des Kindes in Kauf,
sodass der Tod des Kindes als mögliche Folge
der Aussetzung zwar nicht als aktive Tötung,
aber als fahrlässige Tötung gewertet werden
muss.
Die Kindesaussetzung in Obhut im Rahmen
eines Babyfensters kann unter Umständen
allein durch das Kindeswohl motiviert und
begründet sein. Die Frau delegiert die Sorge
um das Kind und sein Wohl an eine dafür zuständige Organisation. Während die Frau beim
Neonatizid das Grundrecht des Kindes auf
Leben nicht respektiert und im Falle der ungeschützten Aussetzung sein Leben gefährdet, kann sie durch das Babyfenster dem
Anspruch des Kindes auf Überleben gerecht
werden. Das Kindeswohl wird hinsichtlich des
Anspruchs des Kindes, seine Herkunft zu
kennen, jedoch eingeschränkt respektiert.
Dieser Aspekt stellt so auch einen der Hauptkritikpunkte an den Babyfenstern dar. In seiner Stellungnahme betont der Deutsche Ethikrat5) , dass die Entwicklung der Identität
gebunden ist an eine bekannte Herkunft und
eine Zukunft und setzt Anonymität mit Verlust
und Verlusterfahrung gleich. Er erachtet es als
Aufgabe des Rechtsstaates, seinen Bürgern
Zugang zu diesem Wissen über ihre Existenz
zu ermöglichen. So kritisiert der Deutsche
* Die Urteilsfähigkeit aber auch die Willensfreiheit
sind gerade bei einer Kindesaussetzung oder Kindestötung schwierig zu bestimmen, weil sie neben
den Persönlichkeitsstrukturen der Frau auch von
den politischen, sozialen und gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen, von Handlungsalternativen
und Unterstützungsangeboten abhängig sind. Zudem geht es um ultima-ratio-Handlungen und oft
Verzweiflungstaten.
Fortbildung
Ethikrat denn auch, dass die Anonymitätszusicherung an die Mutter (und den Vater) höher
gewichtet wird als die Verletzung des Kinderrechts auf Kennen der Herkunft. Trotz dieser
kritischen Sicht kann man aber davon ausgehen, dass diese Kinder als spätere Adoptivund damit Wunschkinder die Chance für eine
gute Lebensqualität haben.
Vol. 24 Nr. 4 2013
pelt, wie man die Babyfenster sieht: Als Entsorgungsklappe, als sicherer Zwischenhalt
des Neugeborenen vor seiner anstehenden
Lebensreise oder als Zwischenhalt für die
Mutter, während dem sie sich Gedanken über
das «wie weiter» machen kann.
Literaturverzeichnis
Die Anonymität der Babyfenster geht nicht
nur mit Fragen zum Kindeswohl, sondern auch
mit Fragen zum Wohl der Mütter einher. Die
Anonymität der Babyfenster ist deshalb
ethisch nur dann vertretbar, wenn sie mit einem Beratungsangebot verknüpft sind. Ziel
einer humanen Gesellschaft kann nicht die
Stärkung von Anonymität sein, sondern der
Ausbau sozialer Fürsorge, persönlicher Beziehungen und Solidarität. Obwohl die Mütter mit
dem Angebot der Babyfenster Unterstützung
für ihre als schwierig empfundene Lebenssituation erhalten, ist damit das Problem nämlich nicht gelöst. So betonen Coutinho & Krell
(2011: 291): «Tatsächlich kommt ein neuer
belastender Faktor, nämlich die anonyme
Trennung vom Kind, hinzu.»
1) Lehmann, V. 2008: Drehlade, Findelkind, Babyklappe. Verlassen von Mutter und Vater. Frauenarzt 48
(3): 250–255.
2) Baxmann, M. 2009: Drehladen und Findelhäuser.
Die Geschichte der Kindesaussetzungen. Online
unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/
Zeitreisen/925203/
3) Coutinho, J. und C. Krell 2011: Anonyme Geburt und
Babyklappen in Deutschland. Fallzahlen, Angebote,
Kontexte. München: Deutsches Jugendinstitut e. V.
4) Krüger, P. 2013: Prevalence and phenomenology of
neonaticide in Switzerland 1980–2010: a retrospective study. Under review.
5) Deutscher Ethikrat 2009: Das Problem der anonymen Kindesabgabe. Stellungnahme. Berlin: Deutscher Ethikrat.
Korrespondenzadresse
[email protected]
Bei den Beratungsangeboten sollte darauf geachtet werden, dass sie entweder von «neutraler» Seite betrieben werden bzw. dass die
Haltung der Betreiber transparent ausgewiesen wird. Es ist nicht egal, wer oder welche
ideologische Haltung hinter den Babyfenstern
und den damit verbundenen Beratungsangeboten steht, weil sich die hilfesuchenden Frauen
in einer speziell vulnerablen und abhängigen
Situation befinden. Die Schweizer Babyfenster
sollten deshalb aus dem christlich-konservativen Hintergrund herausgelöst und unabhängig
betrieben werden. Die Gesellschaft ist dazu
verpflichtet dafür zu sorgen, dass ungewollt
schwangere Frauen die in dieser Situation
notwendige niederschwellige Unterstützung
bekommen um sich frei für ihr Kind oder auch
gegen eine Schwangerschaft entscheiden zu
können. Bedeutsam ist aber nicht nur der
strukturelle Rahmen. Gerade in der Schweiz
besteht ein relativ breites Angebot an niederschwelligen Strukturen und Angeboten für
(werdende) Mütter und ihre Kinder. Die bisher
erhobenen Daten zeigen, dass es den Frauen,
die ihre Schwangerschaft verheimlicht und/
oder verdrängt haben, insbesondere an familieninterner Unterstützung und nahen Vertrauensbeziehungen gefehlt hat.
Nichtsdestotrotz bleibt es Interpretationssache und an die individuelle Situation gekop-
38
Hinweise
Vol. 24 Nr. 4 2013
SPSU – Jahresbericht 2012
Die Swiss Paediatric Surveillance Unit (SPSU)
ist ein seit 1995 bestehendes nationales
Erhebungssystem, das gemeinsam von der
Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie und
dem Bundesamt für Gesundheit betrieben
wird. Im Rahmen der SPSU wurden 2012 von
20 der 33 beteiligten pädiatrischen Weiterbildungskliniken insgesamt 73 sichere Krankheitsfälle gemeldet: 62 Fälle von ExtendedSpectrum-Beta-Lactamase (ESBL) pro­duzierendem gramnegativem Erreger, acht Fälle
von akuter schlaffer Lähmung als Indikator der
Poliomyelitisüberwachung, zwei Fälle von
Harnstoffzyklusdefekten und ein Fall von kon­
genitaler Toxoplasmose. Es sind keine Fälle von
kongenitalen Rötelninfektionen aufgetreten.
Dank
Wir danken allen Verantwortlichen in den
Kliniken für die wertvolle Mitarbeit, die für das
Funktionieren und den Erfolg des SPSU-Meldesystems entscheidend ist.
Für das SPSU-Komitee:
C. Rudin, Basel (Präsident)
V. Bernet-Büttiker, Zürich
K. Posfay Barbe, Genf
B. Laubscher, Neuchâtel
G. Simonetti, Bern
M. Mäusezahl, Bern
D. Beeli, Bern
Die Anzahl Fälle der abgeschlossenen und
laufenden Studien sind in der Tabelle wiedergegeben. Der vollständige Jahresbericht erscheint im Bulletin des BAG Nr. 38 vom 16.9.
2013 und ist auf der Homepage der SGP einzusehen: www.swiss-paediatrics.org.
SPSU-Studien
Dauer
sichere Fälle
Kongenitale Toxoplasmose
1/1995 bis 12/1998 und 6/2009 bis 5/2014
21
Vitamin-K-Mangelblutung
1/1995 bis 12/2000 und 7/2005 bis 6/2011
27
Zyst. periventrikuläre Leukomalazie
1/1996 bis 12/1997
48
Hämolytisch-urämisches Syndrom
4/1997 bis 3/2003 und 4/2004 bis 3/2010
249
Frühsommer-Meningoenzephalitis
1/2000 bis 2/2003
23
Varizellen-Zoster
1/2000 bis 3/2003
235
Akutes rheumatisches Fieber
6/2000 bis 5/2010
24
Neuralrohrdefekt
1/2001 bis 12/2007
258
Schwere RSV-Infektionen
10/2001 bis 9/2005
462
Schütteltrauma
7/2002 bis 6/2007
50
Neonataler Herpes
7/2002 bis 6/2008
5
Invagination
4/2003 bis 3/2006
243
Pertussis
4/2006 bis 3/2010
127
Anaphylaxie
5/2007 bis 4/2010
58
Akute schlaffe Lähmung 1/1995 laufend
188
Kongenitale Röteln
1/1995 laufend
2
Schwere Hyperbillirubinämie
10/2006 bis 12/2011
172
Extended-spectrum β-lactamase (ESBL)produzierender gramnegativer Erreger
7/2008 bis 6/2012
403
Harnstoffzyklusdefekt
1/2012 bis 12/2013
2
39
Hinweise
Vol. 24 Nr. 4 2013
Masern ab Ende Oktober dank nationaler
Kampagne im Fokus
Die Schweiz hat beschlossen, gemeinsam mit
der Region Europa der Weltgesundheitsorganisation WHO bis 2015 masernfrei zu werden.
Dank der sich stetig verbessernden MasernDurchimpfung in der Schweiz erkranken heute nur noch wenige Personen an Masern. Die
rar gewordenen persönlichen Erfahrungen mit
Masernerkrankungen bei der Schweizer
Bevölkerung führen dazu, dass das für die
Zielerreichung der Masernelimination nötige
Bewusstsein für die Masern und deren Gefährlichkeit nicht mehr vorhanden ist. Mit einer gemeinsamen Kampagne zur Masernelimination wollen Bund und Kantone das Thema
Masernelimination ins Bewusstsein der Bevölkerung zurückholen und ein Verständnis für
die Notwendigkeit der Masernimpfung schaffen. Die Kampagne mit dem Slogan «Gegen
Masern impfen und nichts verpassen» wird in
der letzten Oktoberwoche 2013 mit dem
Aushang von Plakaten und einem Fernsehspot
national lanciert. Ab diesem Zeitpunkt werden
Ärztinnen und Ärzte wohl häufiger mit Fragen
zu Masern, Masernimpfung und Masernelimination konfrontiert sein. Zur Information der
Patientinnen und Patienten stehen der Ärzteschaft Begleitmaterialien zur nationalen Maserneliminations-Kampagne zur Verfügung,
die ab Mitte Oktober 2013 kostenlos beim
Bundesamt für Bauten und Logistik BBL bezogen werden können (Bestellinformationen vgl.
Box). Ab Kampagnenstart ist auch die Internetseite www.stopmasern.ch online. Weitere
Informationen zur Kampagne können Sie dem
Heft 43 der Schweizerischen Ärztezeitung
vom 23. Oktober 2013 entnehmen.
Bestellinformationen Begleitmaterialien Maserneliminationskampagne
Bestelladresse
Bundesamt für Bauten und Logistik BBL, Verkauf Bundespublikationen, 3003 Bern
Fax: 031 325 50 58, E-Mail: verkauf@[email protected]
Verfügbare Materialien
•Broschüre «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» ohne FMH-Logo,
Bestellnummer: 311.289
•Broschüre «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» mit FMH-Logo,
Bestellnummer: 311.289.1
•Flyer «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» (Kurzversion der Broschüre)
ohne FMH-Logo, Bestellnummer 311.290
•Flyer «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» (Kurzversion der Broschüre)
mit FMH-Logo, Bestellnummer 311.290.1
•Factsheet zur MMR-Impfung der Eidg. Kommission für Impffragen EKIF
(Blöcke von 50 Papierexemplaren), Bestellnummer: 311.276
Sprachen
Alle Materialien sind deutsch-, französisch- und italienischsprachig verfügbar
Korrespondenzadresse
Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Gesundheit BAG
Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit
Schwarztorstrasse 96
CH-3003 Bern
[email protected]
40
Hinweise
Vol. 24 Nr. 4 2013
Wasserzubereitung und Mineralwasser
aus der Flasche (ohne Kohlensäure) zur
Herstellung von Säuglingsschoppen
Update zur Information der Ernährungskommission der
Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie aus dem Jahr 2001
Johannes Spalinger, Luzern
In der Schweiz ist das Hahnenwasser (Leitungswasser) von sehr hoher Qualität sowohl
in Bezug auf die chemische Zusammensetzung wie auch auf dessen mikrobiologischen
Gehalt. Es kann daher bedenkenlos für die
Herstellung der Säuglingsschoppen verwendet werden.
Es gibt keine wissenschaftlichen Grundlagen,
das Hahnenwasser nicht für die Herstellung
von Säuglingsschoppen zu verwenden.
Für den Säuglingsschoppen wird empfohlen
(WHO), das Wasser auf > 70 ° C abzukochen,
für die Zubereitung des Schoppens abzukühlen und danach bei Körpertemperatur anzubieten. Damit kann das Risiko einer Infektion
mit dem Bakterium Enterobacter sakazakii
(eine seltene Ursache einer schwer verlauf­
enden bakteriellen Infektion bei Früh- und
Neugeborenen) reduziert werden. Der Säuglingsschoppen sollte immer frisch vor jeder
Mahlzeit zubereitet werden, nicht getrunkener
Schoppen soll verworfen werden und nicht für
die nächste Mahlzeit aufbewahrt werden.
Wünschen die Eltern Mineralwasser aus der
Flasche zu verwenden, was nicht empfohlen
wird, muss dieses ebenfalls abgekocht
werden. Einmal geöffnet, ist die Mineralwasserflasche im Kühlschrank aufzubewahren,
nicht länger als 24 Stunden.
Zur Herstellung des Säuglingsschoppens eignen sich nur Mineralwasser, welche wenig
Mineralsalze enthalten. Das Risiko einer Salzüberladung (hypertonen Dehydratation) beim
Gebrauch von mineralienreichen Mineralwassern ohne Kohlensäure ist nicht zu vernachlässigen.
In der Schweiz bestehen keine Empfehlungen
betreffend Höchstgehalt an Natrium, Nitraten
und Sulfaten für Mineralwasser zur Zubereitung von Säuglingsschoppen. In Deutschland,
Grossbritannien (NHS) und der USA (FDA)
wurden Höchstwerte definiert. Diese liegen in
folgenden Bereichen:
Natriumgehalt < 20 mg/L bis < 200 mg/L
Nitratgehalt <10 mg/L bis < 50 - 100 mg/L
Sulfatgehalt < 240 mg/l bis < 500 mg/l.
Quellen
• Ernährungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie. Mineralwasser aus der
Flasche (ohne Kohlensäure) zur Herstellung von
Säuglingsschoppen. Paediatrica 2001; 12: 44–45.
• www.mineralwasser.ch.
• FDA (www.fda.gov/ForConsumers/Consumer
Updates/ucm048694.htm).
•NHA:
www.nhs.uk/conditions/pregnancyand-baby/pages/making-up-infant-formula.aspx.
• Deutsche Mineralwasser Verordnung 2006 (MTW)
• Kantonales Labor Zürich, Mineralwasser Zusammensetzung.
• Säuglingsernährung und Ernährung der stillenden
Mutter Handlungsempfehlungen – Ein Konsensuspapier im Auftrag des bundesweiten Netzwerk
Junge Familie Monatsschr Kinderheilkd 2010 158:
679–689.
Korrespondenzadresse
Dr. med. J. Spalinger, Pädiatrische
Gastroenterologie und Ernährung
Kinderspital Luzern
6000 Luzern 16
[email protected]
Mineralwasser (mg/l)
Natrium
Nitrate
Sulfat
Fluorid
Calcium
Magnesium
Chlorid
Allegra
1.5
1.8
42
0.1
90
23
1
Arkina
7.1
<0.1
9
1.2
37
22
3
Evian
6.0
3.7
12.6
–
80
20
2
Fontessa
3
<0.1
120
<0.1
114
7
<1
Henniez bleu
5.8
17.3
12.4
0.1
106
8
13.5
Vittel
7.3
1.8
105
0.16
11.5
8
13.5
Volvic
11.6
6.2
8.1
0.2
11.5
8
13.5
Beispiele einzelner Mineralwasser mit niedrigem Gehalt an Natrium, Nitraten und Sulfat (keine abschliessende Aufzählung).
Bern
5.3
17
22
0.05
100
13
9.3
Zürich
4.7
4
15
0.1
54
8
4
Leitungswasser Bern und Zürich.
41
Hinweise
Vol. 24 Nr. 4 2013
Preisverleihungen anlässlich der Jahresversammlung 2013 der SGP:
Guido Fanconi Preis 2013
Marianne Caflisch
gogiques et pluriculturelles au service de la
médecine de l’adolescence.
Après une formation en France en médecine
de l’adolescence, Marianne Caflisch met en
route dès son retour à Genève, en 1997, la
consultation de médecine de l’adolescent,
suivie en 2002 de la consultation Santé
Jeunes.
En reconnaissance pour son engagement de
pionnière dans le développement de la médecine de l’adolescence en Suisse. La Société
Suisse de Pédiatrie remet le Prix 2013 Guido
Fanconi à la Doctoresse Marianne Caflisch.
Nous avons la grande chance de compter
parmi nos membres une pédiatre visionnaire,
innovatrice, nous entraînant avec conviction
dans un domaine pédiatrique resté trop longtemps inexploré. Le prix Guido Fanconi de
cette année revient à cette pédiatre haute en
couleur et au caractère bien trempé, qui a su
nous montrer que les aléas de la vie peuvent
être des opportunités, elle qui a mis sans
compter ses compétences cliniques, péda­
Grâce à elle, la médecine de l’adolescence a
trouvé sa place au sein de la pédiatrie suisse;
elle a participé à l’introduction de cette spécialité dans les divers départements de pédiatrie en Suisse et a été présidente de l’Association suisse pour la santé des adolescents.
Qu’elle soit en consultation auprès des ados,
présidente de l’ASSA ou en tournée pour former les multiples milieux professionnels
concernés, Marianne Caflisch mérite la reconnaissance pour son travail de pionnière et le
soutien pour la poursuite de son engagement
que nous souhaitons lui manifester par ce prix
Guido Fanconi 2013.
Bammatter Preis 2013 Preis PIA-CH 2013
Talent-Preis 2013
Matthias Roth
Caroline Guyer
for her work: Cycled light exposure reduces
fussing and crying in very preterm infants
Jean-Christoph Caubet
.
The jury decided to give to Dr Matthias Roth
the Bammatter Prize 2013 for the scientific
value of his research. He succeeded to draw
a link between epidemiology of neonatal respiratory distress, lung morphology, surfactant
alterarations and prevention of bronchopulmonary dysplasia.
42
Hinweise
Vol. 24 Nr. 4 2013
La Chaux-de-Fonds – eine Stadt
begegnet Kinderärzten
Nathalie Schallenberger1) , Souhaïl Latrèche2) , Rudolf Schlaepfer3) , Eric Tissot4) ,
La Chaux-de-Fonds
Unter den vielen Ständen pharmazeutischer
Firmen fand sich am diesjährigen Kongress
der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie in Genf ein Stand der Stadt La Chaux-deFonds. Wozu ein solcher Stand? Warum stellt
sich eine Stadt an einem Ärztekongress vor?
In Sorge um die Gesundheit und das Wohlergehen der Bevölkerung haben die Stadtbehör­
den nach Möglichkeiten gesucht, dem Mangel
an Grundversorgern, Allgemein- und Kinderärzten vorzubeugen, der La Chaux-de-Fonds
wie auch anderen Städten und Regionen der
Schweiz droht.
Städte und Länder aufsuchen, Handelskontore eröffnen, an die Menschen herantreten, die
Nachfrage und die Bedürfnisse des Kunden
«spüren» und zu verstehen versuchen, und
schliesslich pragmatische und effiziente Lösungen suchen und finden, ist eine tief im
Geist der Uhrmacher verankerte Tradition. An
die Ärzten herantreten, um ihre Bedürfnisse
und Wünsche besser zu verstehen, war für die
Stadtbehörden deshalb ein selbstverständlicher Schritt.
Der atypische Marktstand der Stadt La Chaux-­
de-Fonds überraschte vorerst. Nachdem aber
die Befürchtung, es könnte sich um Tourismuswerbung handeln, zerstreut war, haben die
Besucher schnell die ins UNESCO-Welterbe
aufgenommene Uhrenmetropole erkannt und
reges Interesse gezeigt. Unter der Überschrift
«La Chaux-de-Fonds c’est bon pour la santé»
wurden Äpfel verteilt und die Gelegenheit genutzt, über Zukunftspläne zu sprechen.
Mehrere junge (und ältere) Kollegen sind der
Einladung der Stadtbehörden gefolgt und
werden mit Lebenspartner oder Familie ein
Wochenende in La Chaux-de-Fonds verbringen, um die vielseitigen Facetten dieser Stadt
und ihrer Umgebung kennen zu lernen. Das
1) Stadträtin, Direktion Schul-, Gesundheits-, Sozialwesen und Aussendienst der Stadt La Chaux-deFonds
2) Leiter des Dienstes für Gesundheit und Gesundheitsförderung der Stadt La Chaux-de-Fonds
3) Mitglied der Kommission für Gesundheit und Gesundheitsförderung der Stadt La Chaux-de-Fonds
4) Koordinator für Kommunikation und Förderung von
Kultur, Sport und Wirtschaft der Stadt La Chauxde-Fonds
reichhaltige Programm bietet nebst einem
kulturellen Teil mit Besuch der Stadt, ihrer
Umgebung oder von Museen, ein Zusammentreffen mit den Stadtbehörden, den hiesigen
Kinderärzten und den Besuch von Praxen. Es
soll auch Gelegenheit geben, Anliegen und
Erwartungen der zukünftigen Kinderärzte zu
erfahren.
Falls dieses Angebot Kolleginnen und Kollegen interessiert, die nicht die Gelegenheit
hatten, den Stand der Stadt La Chaux-deFonds anlässlich des Kongresses in Genf zu
besuchen, können sie sich an untenstehende
Adresse wenden.
Wir hoffen fest, dass diese Initiative ein er-
folgreiches Nachspiel haben und bei jenen ein
positives Echo finden wird, die ausgetretene
Pfade und das vertraute Umfeld der Grossund Universitätsstädte verlassen und nach
Lösungen suchen wollen, die sich auf den
ersten Blick nicht aufdrängen, sich langfristig
aber als aussichtsreich und Erfolg versprechend erweisen.
Die Stadt La Chaux-de-Fonds setzt ihre Aktion fort und wird an der Fortbildungsveranstaltung des Kollegiums für Hausarztmedizin
KHM, am 26. September 2013 im Centre de
Congrès Beaulieu in Lausanne, präsent sein.
Korrespondenzadresse
Service de la santé et promotion de la santé
de la Ville de La Chaux-de-Fonds
Dr Souhaïl Latrèche
Rue de la Serre 14
Case postale 2286
2300 La Chaux-de-Fonds
Tél. +41 32 967 61 92
Fax +41 32 722 07 90
[email protected]
Der Kindernotfalldienst wird im Kanton Neuenburg seit 1997 im Spital Pourtalès und seit
2008 in beiden Spitälern, Neuenburg und La Chaux-de-Fonds, von Kinderärzten und Kinderklinik gemeinsam bestritten.
Während der Wochentage übernimmt die Kinderpoliklinik des Spitals Pourtalès den pädiatrischen Notfalldienst 24 Stunden im Tag. In La Chaux-de-Fonds steht den Patienten eine
Hotline von 08 Uhr bis 18 Uhr zur Verfügung.
Während den Wochenenden und an Feiertagen wird der Notfalldienst in beiden Spitälern
von 10 Uhr bis 17–18 Uhr von den im Kanton praktizierenden Kinderärzten übernommen,
über Nacht wiederum von der Kinderpoliklinik.
Dieses System war in der Schweiz eine Pionierleistung, es ist effizient und funktioniert zur
Zufriedenheit aller Beteiligten: Patienten und deren Familien, praktizierenden und Spitalärzten. Den Assistenzärzten gibt es Gelegenheit, Notfallkonsultationen gemeinsam mit den
praktizierenden Ärzten durchzuführen und den praktizierenden Ärzten, berufliche und
persönliche Kontakte zu «ihrem» Spital zu wahren, wo übrigens jeweils am Mittwoch Morgen
Weiter- und Fortbildungen stattfinden.
43
Hinweise
Vol. 24 Nr. 4 2013
Educational Grant
Pilotprojekt der Schweizerischen Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung, ab Herbst 2013 für drei Jahre
Andreas Nydegger, Präsident SGPGHE, Lausanne
•Wissenschaftliche Kongresse im Bereich
der Gastroenterologie, Hepatologie und
Ernährung (GPGE, SFGHNP, ESPGHAN,
AGA, UEGW), falls ein Poster vorgestellt
oder eine Präsentation gehalten wird
•Besuchen einer Summer-School (organisiert durch ESPGHAN) oder eines Endo­
skopiekurses
•Kurse zur Verbesserung von ForschungsSkills.
Der Maximalbetrag beläuft sich auf CHF
2000.– pro 6 Monate und kann unter mehreren Bewerbern aufgeteilt werden, wobei der
Betrag nicht für Reisekosten aufgewendet
werden darf. Anlässlich der 2 Einreichungsfristen (Ende März, beziehungs­weise Ende
September des jeweiligen Kalenderjahres)
wird das Komitee, bestehend aus 3 Mitgliedern der SGPGHE, die jeweils beste(n)
Arbeit(en) auswählen. Die Gewinner müssen
ihre Arbeit anlässlich der Mitgliederversammlung im November vorstellen. Die Mitglieder
des aktuellen Komitees sind: Dr. Raoul Furlano (Basel), Dr. Susanne Schibli (Bern) und Dr.
Andreas Nydegger (Lausanne). Bewerbungen
sollen an folgende Adresse geschickt werden:
Für eine provisorische Dauer von 3 Jahren
können sich alle Ärzte in Weiterbildung, sowie
ausgebildete Kinderärzte, welche im Bereich
der pädiatrischen Gastroenterologie tätig
sind, bewerben. Die Bewerbung muss durch
ein Mitglied der SGPGHE unterstützt werden
und muss folgende Dokumente enthalten:
•Motivationsschreiben
•Lebenslauf
•Wissenschaftliche Arbeit, die vorgestellt
wird (Poster oder Präsentation)
Korrespondenzadresse
Dr. Raoul Furlano
(Komitee-Verantwortlicher)
Abteilungsleiter für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung
Universitäts-Kinderspital beider Basel
Spitalstrasse 33
Postfach
4031 Basel
[email protected]
Die Schweizerische Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (SGPGHE) stellt ab Herbst 2013 einen «Educational Grant» zur Verfügung. Dieser
beinhaltet eine finanzielle Beteiligung für folgende Bereiche:
44
Hinweise
Vol. 24 Nr. 4 2013
Kollegium für Hausarztmedizin KHM
KHM Forschungspreis Hausarztmedizin 2014
Gestiftet von MEPHA
Fachgebiet Hausarztmedizin
Arbeiten/Kriterien Abgeschlossene wissenschaftliche Arbeiten aus der Schweiz oder von im Ausland tätigen Schweizer­Innen,
die wichtige Aspekte hausärztlicher Grundversorgung thematisieren, insbesondere:
•Die Qualität der Behandlung und der Betreuung hausärztlicher PatientInnen
•Die praktische Arbeit des hausärztlichen Grundversorgers (valid, relevant, umsetzbar im Rahmen der
Praxis)
•Die Sicherstellung der hausärztlichen Grundversorgung (Erforschung der Grundlagen, Arbeitsbedingungen, Ressourcenlage und Versorgungssituation)
Preissumme CHF 30 000.–
Es können eine oder mehrere Arbeiten ausgezeichnet werden. Bei der Preisvergabe an mehrere Arbeiten
wird die Preissumme aufgeteilt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
TeilnehmerInnen Autorinnen und Autoren aus der Schweiz oder von im Ausland tätigen SchweizerInnen, die in den vergangenen drei Jahren eine bedeutende hausärztliche Arbeit abgeschlossen haben
Eingabetermin 1. Dezember 2013 (bitte den Termin beachten)
Preisverleihung KHM Fortbildungstagung vom 26./27. Juni 2014 in Luzern
und vom 4. September 2014 in Lausanne
Preiskomitee Eine unabhängige Jury, eingesetzt vom Stiftungsrat KHM
Teilnahmebedingungen Einzureichen sind in elektronischer Form per E-Mail oder CD (keine Disketten) und auf Papier:
•Anmeldeformular (www.kollegium.ch/rd/d.html)
•Curriculum vitae des Hauptautors
•Manuskript
•Begleitschreiben «Bedeutung der eingereichten Arbeit für die Hausarztmedizin». Schon einmal unterbreitete Arbeiten können nicht berücksichtigt werden und über die Preisnominierung wird keine Korrespondenz geführt.
Auskunft Kollegium für Hausarztmedizin KHM
Sekretariat Forschung Hausarztmedizin, Landhausweg 26, 3007 Bern
[email protected]; www.kollegium.ch/rd/d.html
Fanconi-Preis 2014
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
Die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) verleiht jährlich anlässlich der Jahrestagung
den Fanconi-Preis im Wert von CHF 10'000.–.
Mit dem Preis werden bedeutende Arbeiten zugunsten der Pädiatrie ausgezeichnet. Dabei kann es sich um ausgezeichnete wissenschaftliche
Beiträge, bedeutende gesellschaftliche Leistungen zugunsten der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen oder um hervorragende Verdienste im Rahmen der SGP handeln. Der Preis kann sowohl für eine herausragende Einzelleistung wie für ein Lebenswerk verliehen werden.
Preisträger können eine Person oder mehrere Personen derselben Arbeitsgruppe sein. Sie müssen mit der schweizerischen Pädiatrie in
enger Beziehung stehen. Die Preisverleihung erfolgt durch den Vorstand der Gesellschaft, der sich von Experten seiner Wahl beraten lässt.
Kandidaturen mit ausführlichem Lebenslauf und Begründung der preiswürdigen Leistung können von jedem ordentlichen Mitglied, einschliesslich der Kandidatin oder dem Kandidaten selbst, bis zum 31. Januar 2014 beim Sekretariat der SGP eingereicht werden.
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie, Postfach 1380, 1701 Freiburg, [email protected]
45
Zeitschriftenreview
Vol. 24 Nr. 4 2013
Zeitschriftenreview
Kommentare: Mustapha Mazouni, Lausanne / Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Koshy E., Murray J., Bottle A.,
et al.
Significantly increasing hospital admissions for acute throat infections among
children in England: is this related to
tonsillectomy rates? Arch Dis Child 2012;
97: 1064–1068.
Abstract
Objective
To examine trends in hospital admissions for
acute throat infection (ATI) and peritonsillar
abscess (PTA) alongside tonsillectomy
trends in children.
Design
We analysed Hospital Episode Statistics data
to calculate annual age-standardised and
age-sex specific rates for ATI, PTA and tonsillectomies in children aged 0–17 years who
were admitted to hospital in England between 1 April 1999 and 31 March 2010.
Results
Age-standardised admission rates for ATI
increased by 76% from 107.3 (95% CI 105.3
to 109.2) to 188.4 (95% CI 185.9 to 191.0)
admissions per 100’000 children. Median
length of stay for ATI admissions decreased
from 1 to 0 days. Admission rates for PTA
remained stable at between 9.6 (95% CI 9.0
to 10.2) and 8.7 (95% CI 8.1 to 9.2) per
100’000 children in 1999/2000 and
2009/2010, respectively. Age standardised
tonsillectomy rates declined from 367.4
(95% CI 363.8 to 371.0) to 278.0 (95% CI
274.9 to 281.1) per 100’000 children between 1999/2000 and 2000/2001, respectively, increased to 322.4 (95% CI 319.0 to
325.7) in 2002/2003 and then gradually
declined again to 293.6 (95% CI 290.4 to
296.8) in 2009/2010.
Conclusions
ATI admission rates have increased substantially in the past decade, but the majority of
children are discharged after a short stay.
PTA admission rates have remained stable.
This suggests the severity of throat infection
has not increased. Tonsillectomy rates in
England have been declining overall but do
not appear to be associated with this increasing trend in ATI admissions. The increase
most likely reflects changes in primary care
and hospital service provision.
Kommentar (Mustapha Mazouni)
Diese über 10 Jahre laufende Studie gründet
auf Daten der Hospital Episode Statistics und
des National Health Service. Untersucht
wurde die Häufigkeit der Spitalaufnahmen
unter der Diagnose «akute Pharyngitis» (AHI)
bzw. Peritonsillarabszess (PTA) und deren
Auswirkung auf die Häufigkeit der im Kindesalter durchgeführten Tonsillektomien. Es ist
die erste Studie dieser Art in Grossbritannien
und ihre Bedeutung liegt darin, dass sie eine
breite, repräsentative Stichprobe der englischen Bevölkerung umfasst.
Die Ergebnisse regen zu folgenden Überlegungen an:
Die Zunahme der AHI um 76% ist eindrücklich. Die Autoren haben keine eindeutige Erklärung dafür, interpretieren aber folgendermassen:
•Änderungen der ärztlichen Versorgung Englands, die zu einer Änderung der Aufnahmekriterien und damit Zunahme der Spitalaufnahmen ganz allgemein geführt haben.
•Die weitaus grösste Zahl Spitalaufnahmen
wegen AHI betrafen schwere Formen ohne
Komplikationen, was in der Überzahl kurzer
Aufnahmen (≤1 Tag) zum Ausdruck kommt
und auch die absolute Zunahme an AHI erklärt.
Die Häufigkeit der Peritonsillarabszesse verblieb über diesen Zeitabschnitt konstant.
Die Häufigkeit der Tonsillektomien oder Adeno-Tonsillektomien hat während dieser zehn
Jahre gesamthaft abgenommen, wurde also
weder durch die Häufigkeit an AHI noch die
Schwere der PTA beeinflusst. Die Autoren bringen diese Tatsache vielmehr mit der Publikation
und Anwendung durch die Hals-Nasen-Ohrenärzte von nationalen Guidelines zur Behandlung
der AHI und zur Indikation der Tonsillektomie in
Zusammenhang. Dies, obwohl die Gründe, eine
Tonsillektomie durchzuführen, multifaktoriell
sind.
46
Die jetzt effizientere Spitalbetreuung der AHI
im Vergleich zu anderen medizinischen Strukturen (privat oder staatlich) kann die kurzen
Spitalaufenthalte erklären.
Jang H.-J., Kim AS., Hwang J.-B.
The etiology of small and fresh rectal
bleeding in not-sick neonates: should
we initially suspect food protein-induced proctocolitis? Eur J Pediatr 2012; DOI
10.1007/s00431-012-1825-2.
Abstract
This study was performed to identify the cause
and frequency of food protein-induced proctocolitis (FPIPC) in not-sick neonates with small
and fresh rectal bleeding and to verify the effectiveness of oral food elimination and challenge test (ECT) as a diagnostic method of
FPIPC. We prospectively analyzed neonates
with small and fresh rectal bleeding who were
clinically normal. We investigated age at symptom onset, feeding at onset of bleeding, the
time of bleeding disappearance, stool smear
and culture, endoscopic findings, and histopathologies in the biopsy specimens of 16 notsick neonates. We performed food ECT in cases with over 4 days of persistent rectal
bleeding in the absence of any other etiology.
In 16 not-sick neonates with rectal bleeding,
the median age at symptom onset was 8.5
(1–43) days. Endoscopic abnormalities were
observed in all 16 patients, and in 10 cases
satisfying the pathological guidelines for
FPIPC, two (12.5 %) were confirmed as FPIPC
by food ECT. In the other 14 (87.5 %) cases,
rectal bleeding spontaneously disappeared
after on average at 4 (1–8) days and thus was
diagnosed as idiopathic neonatal transient
colitis (INTC).
Conclusions
FPIPC is rare as a cause of small and fresh
rectal bleeding in not-sick newborns and most
of cases proved to be INTC. Although clinical
findings are suspected as its symptoms and
histological results satisfy its diagnostic criteria, FPIPC should be carefully confirmed
through food ECT.
Kommentar (Mustapha Mazouni)
Diese sorgfältige Studie zum Auftreten kleiner
Mengen frischen Blutes im Stuhl gesunder
Neugeborener (n=13) und Säuglinge (n=3)
wurde durch eine Gruppe der Universität
Daegu (Republik Korea) durchgeführt. Mit
strenger Methodik wurden weitreichende
hämatologische und mikrobiologische sowie
Zeitschriftenreview
Vol. 24 Nr. 4 2013
invasive Abklärungen (Endoskopie und Rektalbiopsien) durchgeführt.
Die Autoren kommen zu folgenden Schlussfolgerungen:
Die «durch Nahrungsmittelintoleranz bedingte
Neugeborenenkolitis» (NINK) (Kuhmilch, Eier,
Haselnuss, Soja, Fisch, Schalentiere, Weizen)
ist beim gesunden Neugeborenen selten. Nur
zwei der 16 untersuchten Patienten entsprachen den Kriterien einer NINK: Eine Kuhmilchund eine Fisch- und Hühnereiintoleranz. Bei
den übrigen 14 Fällen handelte es sich um
eine «transitorische idiopathische Neugeborenenkolitis», wovon acht Fälle von «transitorischer eosinophiler Neugeborenenkolitis».
Zusammenfassend kann festgehalten werden,
dass eine Darmblutung beim Neugeborenen
im Allgemeinen gutartig und befristet ist
(klingt im Mittel innerhalb vier Tagen ab). Die
NINK, durch die Autoren nach strengen Kriterien definiert, ist ungewöhnlich und wenig
bekannt.
Auf Grund ihrer Studie empfehlen sie bei
Auftreten einer Darmblutung beim Neugeborenen folgendes Vorgehen:
•Beobachtung ohne Abklärungen während
vier Tagen.
•Bei Darmblutung > vier Tagen: Sistieren der
Ernährung p. o. und Nahrungsmittel einzeln
testen zum Ausschluss oder Bestätigung
einer NINK.
•Nahrungsmittelausschluss und anschlies­
sende -tests sollten als diagnostisches Vorgehen bei NINK in Betracht gezogen werden.
De Schutter I., Dreesman A.,
Soetens O., et al.
In young children, persistent wheezing
is associated with bronchial bacterial
infection: a retrospective analysis.
BMC Pediatrics 2012; 12: 83
Abstract
Background
Young children with persistent wheezing
pose a diagnostic and therapeutical challenge to the pediatrician. We aimed to evaluate
bacterial bronchial infection as a possible
reason for non response to conventional
asthma therapy, and to identify and characterise the predominant pathogens involved.
Methods
We retrospectively analysed microbiological
and cytological findings in a selected popu-
lation of young wheezers with symptoms
unresponsive to inhaled corticosteroid (ICS)
therapy, who underwent flexible bronchoscopy with bronchoalveolar lavage (BAL).
Procedural measures were taken to limit
contamination risk and quantitative bacterial culture of BAL fluid (significance cut-off ≥
104 colony-forming units/ml) was used.
Modern microbiological methods were used
for detection of a wide panel of pathogens
and for characterisation of the bacterial
isolates.
Results
33 children aged between 4 and 38 months,
without structural anomalies of the conductive airways were evaluated. Significant
bacterial BAL cultures were found in 48,5%
of patients. Haemophilus influenzae was
isolated in 30,3%, Streptococcus pneumoniae in 12,1% and Moraxella catarrhalis in
12,1%. All H. influenzae isolates were nonencapsulated strains and definitely distinguished from non-haemolytic H. haemolyticus.
Respiratory viruses were detected in 21,9%
of cases with mixed bacterial-viral infection
in 12,1%. Cytology revealed a marked neutrophilic inflammation.
Conclusions
Bacterial infection of the bronchial tree is
common in persistent preschool wheezers
and provides a possible explanation for non
response to ICS therapy. Non-typeable H.
influenzae seems to be the predominant
pathogen involved, followed by S. pneumoniae and M. catarrhalis.
Kommentar (Mustapha Mazouni)
Das Fortbestehen einer pfeifenden Atmung
(Wheezing) trotz adäquater Behandlung mit
inhalierten Kortikosteroiden, bei Kindern im
Vorschulalter, stellt für den Kinderarzt sowohl
eine diagnostische als auch therapeutische
Herausforderung dar. Mehrere Studien haben
kürzlich darauf hingewiesen, dass bakterielle
Infekte für anhaltendes Wheezing verantwortlich sein könnten. Diese Beobachtungen veranlassten die Autoren, eine Studie bei asthmakranken Kindern im Vorschulalter, die
keine anatomischen Veränderungen des Bronchialbaumes aufweisen, durchzuführen, ausgehend von der Hypothese, dass die bakterielle Infektion eine unabhängige Ursache der
Entzündung und andauernden Wheezings
sein könnte. Obwohl die Studie eine nur kleine
Anzahl Kinder (n=33) und keine Kontrollgruppe umfasst, verdienen folgende Ergebnisse
Beachtung:
•Das Vorhandensein durch BAL von nicht
47
typisierbarem H. influenzae (NTHi) in den
Atemwegen verursacht einen chronischen
Infekt. Dieser stellt die hauptsächliche Ursache der Entzündung dar, die bei der zytologischen Untersuchung der alveolären
Spülflüssigkeit festgestellt wurde.
•Die antibiotische Behandlung (Amoxicillin
oder Amoxicillin/Clavulansäure, nach Erhalten des Antibiogrammes) während zehn
Tagen führte zum Abklingen des Wheezings bei sieben der 16 Kindern, bei denen
in der alveolären Spülflüssigkeit ein signifikantes bakterielles Wachstum nachgewiesen wurde.
Diese Befunde wurden kürzlich durch weitere
Studien bestätigt.
Taillefer A., Casasoprana A.,
Cascarigny F., et al.
Infants wearing teething necklaces.
Arch Pediatr 2012; 19: 1058–64.
Abstract
Numerous infants wear teething necklaces,
a quack remedy with a real risk of strangulation or aspiration of small beads.
Aims
Evaluate parental perceptions and beliefs
about the use of teething necklaces and
analyze parental knowledge about the associated dangers.
Material and methods
Between March and July 2011, in three different pediatric units of a tertiary children’s
hospital and a general hospital in Toulouse
and Montauban (southwest France), voluntary parents were invited to be interviewed
about their child wearing a teething necklace. The interviews were conducted following an anthropological approach: they were
recorded and then fully transcribed and
analyzed. Parents were informed that the
conversation was recorded.
Results
During the study period, 48 children were
eligible. Eleven families refused to participate, 29 parents were interviewed face to face.
The children’s mean age was 14 years ± 7
months, the male: female ratio was equal to
0.8 (12 boys, 15 girls). The mean age of
children when necklace wearing was started
was equal to 4 ± 2 months. The mean
mother’s age was 31 ± 5 years and 33 ± 4
years for fathers. The parents’ religion was
mostly Catholic (60%). Teething necklaces
were mainly made of amber (n=23). Sales
information about the risks associated with
Zeitschriftenreview
the necklaces was for the most part absent
(92%). The most frequent positive parental
perceptions were analgesic properties and
a soothing remedy (73%); a birth accessory
and memory (64%); an esthetic accessory
(60%); a protective amulet (60%); and an alternative or additional element to other traditional therapeutics (55%). The negative
parental perceptions (n=4) were an unnecessary accessory, costume jewelry, a pure
commercial abuse of a popular belief, a
dangerous item with a risk of strangulation,
and the absence of proof of its efficacy.
Comments
Although parents concede that teeth eruption is benign, they fear its related symptoms.
To a natural phenomenon a natural response: they use a necklace to satisfy the analogy. The parental approach of this usage is
consistent with accessorizing the child to
protect and help them during a difficult stage. When informed of the danger of strangulation, numerous families preferred to continue this practice; their irrational fear of
seeing their child suffer surpassed their fear
of the risk of strangulation.
Conclusion
Putting necklaces on young children is dangerous. This risk must be diffused by all
professionals working with small children in
order to stop any publicity or sale of this
ineffective product implicated in infant
deaths by strangulation
Kommentar (Mustapha Mazouni)
Es handelt sich um kein neues Thema, aber
einer der Autoren ist es in seiner Doktorarbeit
vom anthropologischen Gesichtspunkt aus
angegangen, indem er die elterlichen Vorstellungen zum Tragen von Halsketten bei Säuglingen und die Wahrnehmung der damit verbundenen Gefahren durch diese Familien
untersuchte.
Die Gefahren dieser Halsketten wurden in der
pädiatrischen Literatur ausgiebig beschrieben
(200 Todesfälle zwischen 1975 und 1978 in
den USA und 30 Todesfälle in Frankreich im
Jahr 2003).
Nach einer kurzen historischen Übersicht zum
Tragen von Halsketten im Verlaufe der Jahrhunderte, betonen die Autoren folgende vier
wesentliche Punkte ihrer Untersuchung:
•Zahlreiche Familien beharren auf dem Tragen der Halsketten, obwohl sie über deren
Gefahren informiert sind.
•In ihren Vorstellungen mischen heutige Eltern Analogismus (nach Philippe Descola),
Vol. 24 Nr. 4 2013
Paradoxie, Familientradition und Volksglauben.
•Die Halskette wirkt beruhigend auf die Eltern.
•Kein Verkäufer hat die Eltern auf die Strangulierungs- oder Inhalationsgefahr (Perlen)
aufmerksam gemacht.
Hesselmar B. , Sjöberg F. , Saalman
R. , et al.
Pacifier cleaning practices and risk
of allergy development. Pediatrics
2013; 131 (6): e1829
delivery and parental pacifier sucking yielded independent and additive protective
effects against eczema development. The
salivary microbiota differed between children whose parents cleaned their pacifier by
sucking it and children whose parents did
not use this practice.
Conclusions
Parental sucking of their infant’s pacifier
may reduce the risk of allergy development,
possibly via immune stimulation by microbes
transferred to the infant via the parent’s
saliva.
Kommentar (Rudolf Schlaepfer)
What’s known on this subject: Infants with
a diverse gut microbial flora are less likely
to develop eczema and allergy.
What this study adds: Parental sucking of
their infant’s pacifier is associated with a
reduced risk of allergy development and an
altered oral flora in their child. Transfer of
oral microbes from parent to infant via the
pacifier might be used in primary prevention.
Abstract
Objective
Immune stimulation through exposure to
commensal microbes may protect against
allergy development. Oral microbes may be
transferred from parents to infants via pacifiers. We investigated whether pacifier cleaning practices affected the risk of allergy
development.
Methods
A birth-cohort of 184 infants was examined
for clinical allergy and sensitization to airborne and food allergens at 18 and 36 months of age and, in addition, promptly on occurrence of symptoms. Pacifier use and
pacifier cleaning practices were recorded
during interviews with the parents when the
children were 6 months old. The oral microbiota of the infants was characterized by
analysis of saliva samples collected at 4
months of age.
Results
Children whose parents «cleaned» their pacifier by sucking it (n=65) were less likely to
have asthma (odds ratio [OR] 0.12; 95%
confidence interval [CI] 0.01–0.99), eczema
(OR 0.37; 95% CI 0.15–0.91), and sensitization (OR 0.37; 95% CI 0.10–1.27) at 18 months
of age than children whose parents did not
use this cleaning technique (n=58). Protection against eczema remained at age 36
months (hazard ratio 0.51; P=.04). Vaginal
48
Die Autoren führen am Ende ihres ausführlich
dokumentierten Artikels eine in vieler Hinsicht
interessante Diskussion.
Der frühzeitige Erwerb einer komplexen
Darmflora schützt vor dem Auftreten von
Allergien, was vermuten lässt, dass die in
symbioseähnlicher Verbindung lebenden Keime die Reifung des Immunsystems positiv
beeinflussen. Hygienistische Hypothesen
assoziieren ein geringeres Allergierisiko mit
Armut, kinderreichen oder in engen Verhältnissen lebenden Familien, frühzeitigem Kontakt mit Haustieren oder Tieren auf einem
Bauernhof sowie mit durch Nahrungsmittel
eingenommenen Keimen. Der erste Kontakt
findet im Munde statt, die Mundschleimhaut
beherbergt eine komplexe Flora, bestehend
aus mehreren hundert weit verbreiteten
Keimarten, die durch Kontakt, durch Küssen,
Berühren und Ernähren des Kindes übertragen werden.
In der vorliegenden Studie wurde die Entwicklung von 174 Kindern bis ins Alter von 36
Monaten verfolgt (längerfristige Nachkontrollen sind im Gange). Es wurden − noch während
der Schwangerschaft − vorwiegend Kinder aus
Familien mit mindestens einem an Allergien
leidenden Familienmitglied in die Studie eingeschlossen (80% der Familien). Die geringe
Anzahl Kinder wird durch die sehr minutiöse
Untersuchung, einschliesslich zwei Blutentnahmen im Alter von 18 bzw. 36 Monaten,
aufgewogen. Ausser Fragen zu möglichen
confounding factors wurden den Eltern Fragen zu den Nuggigewohnheiten gestellt.
Das Benutzen per se eines Nuggi korreliert
nicht mit einer klinisch manifesten Allergie
oder einer Sensibilisierung (erhöhte Anzahl
Eosinophile und totales IgE sowie Vorhandensein spezifischer IgE für Nahrungsmittel- und
Atemwegsallergene im Blut), das Steri­li­sieren
des Nuggi erhöht die Asthma­prävalenz (jedoch nicht signifikant), das Reinigen des
Zeitschriftenreview
Vol. 24 Nr. 4 2013
Nuggi durch in den Mund nehmen korreliert
hingegen ganz eindeutig mit einer Abnahme
des Asthmarisikos: Die Prävalenz von Asthma
wie auch von Ekzem ist bei Kindern, deren
Eltern diese Gewohnheit haben, deutlich
niedriger als bei Kindern von Eltern, die dies
nicht tun; in ge­ringerem Masse gilt dies auch
für die Sensibilisierung. Die Häufigkeit respiratorischer Infekte unterscheidet sich nicht.
Die Gewohnheit der Eltern, den Nuggi durch
Lutschen zu säubern ist nicht mit confounding
factors wie Allergien der Eltern, Rauchen,
Stilldauer, Einführen von fester Nahrung,
Krankheiten und deren Behandlung oder der
Gegenwart von Haustieren assoziiert. Hingegen korreliert diese Gewohnheit sehr stark
mit der Tatsache, dass das Kind vaginal entbunden wurde: Diese Eltern reinigen den
Nuggi signifikant häufiger durch Lutschen als
Eltern, deren Kinder durch Kaiserschnitt geboren wurden (in dieser Serie 14%!).
Die vaginale Geburt und das Lutschen des
Nuggi durch die Eltern verleihen dem Kind
einen kumulierten und voneinander unabhän-
gigen Schutz vor Allergien. So ist die Prävalenz des Ekzems im Alter von 18 Monaten bei
vaginal geborenen Kindern, deren Eltern am
Nuggi lutschen, ca. 2.5-mal niedriger als bei
Sectiokindern, deren Eltern dies nicht tun
(20% vs. 54%).
Die Autoren erwähnen schliesslich das Kariesrisiko1) , eine in einer früheren Nummer von
Paediatrica2) auch behandelte Problematik.
Sie zitieren dazu jedoch eine Studie gemäss
welcher Karies nicht mit dem Benutzen eines
Nuggi assoziiert ist3) , und eine zweite, in welcher sogar eine eher negative Korrelation
zwischen Karies und «engem» Kontakt durch
Speichel zwischen Eltern und Kind vermutet
wird4) .
Der grosse, damit verbundene Aufwand hindert die Autoren zurzeit daran, genaue Angaben zu den Keimarten zu machen, die im
Speichel der beiden Gruppen Kinder mehr
oder weniger prävalent sind.
Sie schliessen mit der Hypothese, dass die
Übertragung von Keimen aus dem Mund der
Eltern zum Kind durch den Nuggi ein Mittel
primärer Prävention sein könnte, die insbesondere Sectiokindern zugute kommen würde.
Persönliche Schlussfolgerung
Während meiner langjährigen Praxistätigkeit
habe ich oft zu Boden gefallene Nuggis aufgehoben und unter den Wasserhahn gehalten,
und oft erntete ich einen dankbaren Blick der
Eltern. Und doch war es total falsch … die
wissenschaftliche, wie auch die historische
Wahrheit ist jene, die uns anhand der verfügbaren Kenntnisse plausibel erscheint.
Referenzen
1) Parisotto TM, Steiner-Oliveira C, Silva CM, Rodrigues
LK, Nobre-dos-Santos M. Early childhood caries and
mutans streptococci: a systematic review. Oral Health
Prev Dent. 2010; 8 (1): 59–70.
2) Bouferrache K, Pop S, Abarca M, Madrid C. Le pédiatre et
les dents des tout petits. Paediatrica 2010; 21 (1): 14–20.
3) Peressini S. Pacifier use and early childhood caries:
an evidence-based study of the literature. J Can Dent
Assoc. 2003; 69 (1): 16–19.
4) Aaltonen AS, Tenovuo J. Association between mother-infant salivary contacts and caries resistance in children:
a cohort study. Pediatr Dent. 1994; 16 (2): 110–116.
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FMH - Quiz
Vol. 24 Nr. 4 2013
FMH Quiz 55
Fallvorstellung
Ein 10-jähriger afro-amerikanischer Junge
kommt zu Ihnen in die Praxis mit einer Geschichte von Magenschmerzen, Übelkeit, Blähungen und Durchfällen, die seit einem Jahr
bestehen und etwa 45 bis 60 Minuten nach
Genuss von Milchprodukten auftreten. Er
sagt, dass diese Symptome erst auftreten,
wenn er «zu viel» gegessen hat. Er zeigt kein
Erbrechen, keinen Pruritus und hat nie Blut
erbrochen oder ausgehustet. Die klinische
Untersuchung zeigt einen Jungen in gutem
Allgemeinzustand mit normalen Vitalparametern. Der Bauch ist weich mit normalen Darmgeräuschen, die Suche nach okkultem Blut im
Stuhl ist negativ.
Frage
Welches ist die wahrscheinlichste Ursache für
die beschriebene Symptomatik?
Antworten
A. Allergische eosinophile Gastro-Enteritis
B. Laktoseintoleranz
C. Kuhmilchproteinallergie
D. Kuhmilchproteinbedingte Enterokolitis
E. Orales Allergiesyndrom
Kommentar
1. Welches ist die wahrscheinlichste
Diagnose?
Aufgrund der Anamnese kann eine rasch
(aber nicht unmittelbar) nach Einnahme milchhaltiger Produkte eintretende Diagnose vermutet werden. Die beschriebene klinische
Präsentation mit
•Schmerzen, Blähungen und Durchfall, jedoch
•ohne Erbrechen, Hämatemesis, Blutabgang
ab ano, chronische Diarrhö oder Fettstühle
seintoleranz kann ein kongenitaler Laktasemangel, der ohne Behandlung innerhalb weniger Tage tödlich verliefe, selbstverständlich
ausgeschlossen werden. In der Gruppe sekundärer Laktoseintoleranz können eine Cystische Fibrose, ein Morbus Crohn oder andere
chronisch-entzündliche Darmerkrankungen,
eine Parasitose (Lamblien) sowie die übermässige Verabreichung von Antibiotika oder
Protonenpumpenhemmer ausgeschlossen
werden. Eine Zöliakie muss (je nach Resultat
einer probatorischen Therapie – siehe unten)
in einer Population mit erhöhter Prävalenz
(zum Beispiel Italien mit 1:200 Kinder) vermutet werden, erscheint dagegen bei einem Kind
afrikanischer Herkunft wenig wahrscheinlich.
Zudem wäre die beschriebene Manifestation
sehr atypisch, trotz der bekanntermassen mannigfaltigen Manifestationen einer Zöliakie.
Klinisch handelt es sich somit um eine pri­
märe Laktoseintoleranz, die im englischen
Sprachgebrauch auch als «ethnisch bedingt»
bezeichnet wird – der Begriff weist auf die
erhöhte Prävalenz in bestimmten Bevölkerungen hin: Afrika 65–75% und gewisse asiatische Regionen sowie amerikanische Ureinwohner > 90%.
2. Weitere vorgeschlagene
Differentialdiagnosen:
E. Orales Allergiesyndrom, auch als gekreuzte Allergie bezeichnet. Es wird davon
ausgegangen, dass es sich um eine Kontaktallergie bei Patienten mit allergischer Rhinitis
handelt. Die Symptome sind auf den Oropharynx beschränkt; dazu gehören das praktisch
unmittelbare Auftreten von Juckreiz, Irritation
und Schwellung der Lippen, Zunge, Gaumen
und Rachen nach Einnahme von Früchten
oder frischem, beziehungsweise ungekochtem Gemüse. Die klinische Beschreibung bei
diesem Patienten stimmt damit nicht überein.
Stunden nach Einnahme auf. Zu den Symptomen gehören Hautmanifestationen (Juckreiz,
Urtikaria), Beschwerden im Oropharynx (Juckreiz, Schwellung der Lippen),Stridor, respiratorische (Husten, Asthmaanfall) und kardiovaskuläre (bis zum anaphylaktischen Schock)
Symptome sowie gastro-intestinale Beschwerden, zumeist mit Erbrechen.
Die durch Nahrungsmittel, beziehungsweise
spezifisch durch Kuhmilchproteine bedingte,
Enterokolitis (food protein-induced enterocolitis syndrome, FPIES) kann sich auf zwei
verschiedene Arten manifestieren: Typischerweise 2–4 Stunden nach dem ersten Kontakt,
oder nach einer (unbeabsichtigten) Re-Exposition treten Erbrechen und massive Durchfälle auf, welche zu Dehydratation und Lethargie
sowie bis zum Schock führen können.
Die chronische Exposition mit dem verantwortlichen Agens führt zu Erbrechen, Durchfällen, Gedeihstörung und bisweilen zu einer
Hypalbuminämie.
Nicht-IgE-vermittelte Reaktionen treten in
der Regel nach einer längeren Latenzzeit (> 2
Stunden) auf.
Die Symptomatik beim beschriebenen Patienten ist weder mit einer IgE-vermittelten noch
mit einer nicht-IgE-vermittelten Reaktion vereinbar.
A. allergische eosinophile
Gastro-Enteritis
Die allergische eosinophile Gastro-Enteritis
kann in jedem Alter auftreten. Sie manifestiert sich durch Übelkeit, Abdominalschmerzen, Durchfall, Malabsorption und Gewichtsverlust, wobei die Symptome abhängig von
der Ausdehnung der betroffenen Darmabschnitte sind. Rund die Hälfte der Betroffenen
haben zusätzlich eine atopische Diathese;
Nahrungsmittelallergien, Asthma, Ekzeme
und Rhinitis.
lässt vermuten, dass es sich weder um Protein noch Fett, sondern um Laktose als Auslöser
handelt.
C. Kuhmilchproteinallergie
D. Kuhmilchproteinbedingte Enterokolitis
Im Gegensatz zur eosinophilen Oesophagitis
bewirkt das Vermeiden von Nahrungsmittelallergenen jedoch keine oder keine wesentliche
klinische Besserung bei den betroffenen Patienten.
Aufgrund des Alters (> 5 Jahre), der Herkunft,
der sonst guten Gesundheit und der unauffälligen körperlichen Untersuchungsbefunde kann
mit genügender Sicherheit die klinische Diagnose einer Laktoseintoleranz gestellt werden.
Innerhalb der Differentialdiagnose der Lakto-
Eine Kuhmilproteinallergie manifestiert sich
meist bereits während der ersten Lebensmonate, wobei IgE-vermittelte und nicht-IgEvermittelte Formen vorkommen:
IgE-vermittelte Reaktionen treten in der
Regel innerhalb von wenigen Minuten bis 2
Teilweise vermag die beim Patienten beschriebene akute Symptomatik mit dieser Diagnose
übereinzustimmen; die fehlende Angabe einer
Atopie und insbesondere der sehr gute Allgemeinzustand ein Jahr nach Beginn der Symptomatik sprechen jedoch dagegen.
50
FMH - Quiz
Vol. 24 Nr. 4 2013
3. Vorgeschlagenes Vorgehen in der
kinderärztlichen Praxis
Klinisch handelt es sich somit um eine primäre Laktoseintoleranz. Das schrittweise Vorgehen beginnt mit einer strikten Eliminationsdiät, wobei sichergestellt werden muss, dass
ansonsten eine unverändert normale Ernährung fortgesetzt wird. Insbesondere soll darauf geachtet werden, dass nicht gleichzeitig
eine glutenfreie Ernährung eingeführt wird –
zunehmend wird durch Laien, ohne wissenschaftliche Begründung, eine glutenfreie Diät
empfohlen. Konkret wird somit empfohlen,
ausschliesslich laktosefreie Milchprodukte zu
konsumieren und sonst eine normale Ernährung, aber ohne Michzusätze. Nach 2–3 Wochen kann bei Kindern, die zuvor zumindest
mehrfach wöchentlich Laktose konsumierten,
eine genügende Beurteilung des Effektes der
Diät erfolgen.
Bei überzeugendem Resultat der Eliminationsdiät kann die Diagnose definitiv bestätigt
werden. In der Folge können schrittweise
laktosehaltige Nahrungsmittel wieder eingeführt werden; dies erlaubt die individuelle
Toleranzgrenze zu finden, welche einen beschwerdefreien Konsum von Laktose erlaubt.
Dazu geeignet sind Milchprodukte mit geringem Laktosegehalt wie Butter, Hartkäse sowie gewisse Joghurt, die Laktase enthalten.
Dieses Vorgehen ist äusserst kostengünstig,
es genügen zwei Konsultationen von zirka 30
Minuten und allenfalls eine telefonische Rücksprache.
urtümlichen Jägern und Sammlern vormals
physiologische Genotyp CC in der Position 13910 der Regulatorregion des Laktase-Gens
führt bei unserer Ernährung mit entsprechendem Laktosekonsum zum klinischen Erscheinungsbild einer Laktoseintoleranz. Historisch
haben wahrscheinlich Bevölkerungen mit hohem Laktosekonsum eine Mutation entwickelt, welche zur Persistenz einer hohen intestinalen Laktaseaktivität führt. Diese Personen sind entweder homozygot für den Genotyp – 13910 TT oder heterozygot – 13910 TC.
Der fehlende Nachweis eines zur Laktoseintoleranz prädisponierenden Genotyps erlaubt
den Ausschluss einer primären Laktoseintoleranz (jedoch keineswegs einer sekundären
Lakotseintoleranz!).
Der Nachweis eines solchen Genotypes entbindet jedoch nicht von einer klassischen
Abklärung, bei Bedarf mit Atemtest, und von
der Suche nach einer sekundären Laktoseintoleranz; insbesondere in atypischen Situati-
Bei diesem Vorgehen wird die Eliminationsdiät bei einem gewissen Anteil der Patienten
keine abschliessende Diagnose erlauben.
Nach Überprüfung der korrekten Durchführung der Diät (liebevolle Sabotage durch
Grosseltern, Krippe etc.?) muss die initiale
klinische Verdachtsdiagnose überprüft werden; in dieser Situation müssen gegebenenfalls auch gezielt andere mögliche Ursachen
(Zöliakie, Lamblien, vgl. oben) ausgeschlossen werden. In einem dritten Schritt, falls die
Diagnose weiterhin unklar bleibt, kann der
Patient einem pädiatrischen Gastroenterologen zur Weiterabklärung zugewiesen werden.
4. Genetische Untersuchung?
Die Ausführungen von Benkebil F et al in Paediatrica (5) haben immer noch Gültigkeit
(leicht abgeänderter Text):
«Der genetische Ursprung einer Laktoseintoleranz konnte aufgezeigt werden. Der bei den
51
onen, bei Anzeichen einer organischen Erkrankung oder bei Persistenz der Symptome
trotz korrekt durchgeführter laktosefreier
Diät.»
Referenzen
1) Montgomery RK et al. Lactose intolerance. In UpToDate, Friedmann LS (Ed), UpToDate, Waltham,
MA, 2013 (www.uptodate.com, letzter Zugriff
05.07.2013).
2) Jarvinen-Seppo KM. Milk allergy: Clinical features
and diagnosis. In UpToDate, Sicherer SH (Ed), UpToDate, Waltham, MA, 2013 (www.uptodate.com,
letzter Zugriff 05.07.2013).
3) Burks W. Clinical manifestations of food allergy: An
overview. In UpToDate, Sicherer SH (Ed), UpToDate,
Waltham, MA, 2013 (www.uptodate.com, letzter
Zugriff 05.07.2013).
4) Nowak-Węgrzyn A. Food protein-induced enterocolitis syndrome (FPIES) In UpToDate, Sicherer SH
(Ed), UpToDate, Waltham, MA, 2013 (www.uptodate.com, letzter Zugriff 05.07.2013).
5) Benkebil F, Roulet M. Laktoseintoleranz im Kindesalter: beeibflusst die Genetik unser Vorgehen? Paediatrica 2007; 18 (1): 22–4.
Korrespondenzadresse
[email protected]
Kaktus
Vol. 24 Nr. 4 2013
Besserer Schutz vor Epidemien
dank neuem Gesetz
ne jedoch wie bisher uneingeschränkt Obligatorien verfügen.
Aus diesen Gründen ruft das Abstimmungskomitee die Bevölkerung auf, am 22. September
2013 Ja zu stimmen. Nur so kann die Schweiz
wirksam vor den ansteckenden Krankheiten
der heutigen Zeit geschützt werden.
Abstimmung vom 22. September 2013
Am kommenden 22. September stimmt die
Schweiz über das neue Epidemiengesetz
ab. Dieses will die Bevölkerung besser vor
gefährlichen Infektionskrankheiten schützen als dies mit dem heutigen, veralteten
Gesetz möglich ist. Eine breite Allianz von
Organisationen aus allen Bereichen des
Gesundheitswesens ist überzeugt, dass es
das neue Gesetz braucht und setzt sich für
ein Ja ein.
Die Muster des Auftretens und die Verbreitung von übertragbaren Krankheiten haben
sich in den letzten Jahrzehnten markant verändert. Epidemien wie SARS, Schweine- und
Vogelgrippe haben gezeigt, dass neue Krankheitserreger sich in der modernen, globalisierten und mobilen Welt sehr schnell verbreiten
können. Das geltende Epidemiengesetz aus
dem Jahr 1970 ist diesen Herausforderungen
nicht mehr gewachsen.
Deshalb wurde es umfassend überarbeitet.
National- und Ständerat haben dem neuen
Epidemiengesetz (EpG) mit grossen Mehrheiten zugestimmt. Es kommt am 22. September
2013 zur Abstimmung, weil dagegen das Referendum ergriffen worden ist.
Besserer Schutz der Bevölkerung
Das neue Epidemiengesetz sieht Massnahmen vor, um übertragbare Krankheiten besser
zu verhüten, zu bekämpfen, zu überwachen
und früher zu erkennen. Unter anderem sollen
nationale Programme den Schutz der Bevölkerung verbessern, Infektionen im Spital
bekämpfen und die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen verhindern. Ein dreistufiges
Eskalationsmodell regelt die Zuständigkeiten
von Bund und Kantonen in Krisensituationen,
ein ständiges Koordinationsgremium stellt
deren Zusammenarbeit im Alltag sicher. Die
Kompetenz, Impfungen für obligatorisch zu
erklären, wird eingeschränkt. Neue Datenschutzbestimmungen definieren zudem, welche Daten von wem zu welchen Zwecken gesammelt werden dürfen und wie stark sie
anonymisiert sein müssen.
Rund 20 Organisationen aus allen Bereichen
des Gesundheitswesens und weiteren Kreisen
setzen sich für ein Ja zum neuen Epidemiengesetz ein. Sie haben unter Federführung von
Public Health Schweiz, der nationalen Organisation der öffentlichen Gesundheit, ein gros­
ses Abstimmungskomitee gebildet. Darunter
sind unter anderem die Ärzteverbindung FMH,
der Schweizerische Apothekerverband pharmaSuisse, der Schweizerische Berufsverband
der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner
SBK und das Konsumentenforum. Auch die
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
(SGP) und Kinderärzte.schweiz haben sich
dem Ja Komitee angeschlossen.
Sie alle sind gemeinsam der Überzeugung,
dass die Schweiz das neue Epidemiengesetz
braucht, weil es die Bevölkerung besser
vor den heutigen Gefahren von Epidemien
schützt. Ansteckende Krankheiten können
frühzeitig erkannt und wirksamer bekämpft
werden. Patientinnen und Patienten wie auch
das Personal können besser vor Ansteckungen im Spital geschützt werden. Gegen die
zunehmenden Antibiotika-Resistenzen werden Massnahmen ergriffen. Bund und Kantone können Krisensituationen besser bewältigen.
Impfobligatorium
ist kein Impfzwang
Die Referendumsführer konzentrieren ihre
Kritik hauptsächlich auf das Thema Impfen.
Sie behaupten, das neue Gesetz führe einen
Impfzwang ein. Dies trifft aber in keiner Weise
zu. Im Gegenteil: Während das heutige Gesetz
es den Kantonen ohne nähere Bedingungen
erlaubt, Impfungen für obligatorisch zu erklären, schränkt das neue Gesetz diese Möglichkeit klar ein. Neu dürfen solche Obligatorien
nur noch bei einer erheblichen Gefahr und nur
für einzelne Personengruppen erlassen werden. Und auch dann gilt wie bereits heute:
Jede Person kann frei entscheiden, ob sie sich
impfen lassen will oder nicht. Einen Impfzwang gibt es nicht. Bei einer Ablehnung des
neuen Epidemiengesetzes könnten die Kanto-
52
Für weitere Informationen
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Montelukast Sandoz®. W: Montelukast als Montelukast Natrium. I: Chronisches Bronchialasthma bei Erwachsenen und Kindern ab 6 Jahren, bei Kindern von 2 – 5 Jahren mit gesicherter Asthmadiagnose (als Monotherapie bei leichten, nicht steroidpflichtigen Formen oder als Zusatztherapie
bei schweren Formen) und bei Kindern von 6 Monaten bis 2 Jahren mit gesicherter Asthmadiagnose (als Monotherapie bei leichten, nicht steroidpflichtigen Formen oder als Zusatztherapie bei schweren Formen). Linderung von Symptomen der allergischen Rhinitis (Erwachsene und Kinder ab
2 Jahren). D: Einnahme einmal täglich mit oder ohne Nahrung. Asthma: Einnahme abends vor der Bettruhe. Erwachsene über 15 Jahren eine Tablette à 10 mg pro Tag. Kinder zwischen 6 und 14 Jahren eine Kautablette à 5 mg pro Tag. Kinder zwischen 6 Monaten und 5 Jahren nehmen
Granulat oder Kautablette à 4 mg pro Tag ein. Details s. www.swissmedicinfo.ch. KI: Überempfindlichkeit gegenüber einem Bestandteil des Produkts. VM: Nicht zur Behandlung von akuten Asthmaanfällen, nicht als plötzlicher Ersatz für inhalative oder orale Kortikosteroide. Arzt konsultieren,
wenn kurzwirksame Bronchodilatatoren häufiger als gewöhnlich benötigt werden. Neuropsychiatrische Ereignisse wie abnormes Träumen, Halluzinationen, Reizbarkeit, Agitiertheit u.a. wurden beobachtet. Vorsicht und angemessene klinische Überwachung bei Reduktion von systemischen
Kortikosteroiden. Kautabletten enthalten Aspartam und den Azofarbstoff Allurarot AC (E129). Details s. www.swissmedicinfo.ch. IA: Kann gleichzeitig mit anderen Substanzen zur Prophylaxe und chronischen Behandlung von Asthma und allergischer Rhinitis verabreicht werden. Phenobarbital.
Details s. www.swissmedicinfo.ch. Schwangerschaft und Stillzeit: Sollte während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn es ist klar notwendig. Sollte während der Stillzeit nicht verwendet werden. UW: In klinischen Studien wurde am häufigsten über Dyspepsie,
Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und Zahnschmerzen berichtet. Details s. www.swissmedicinfo.ch. P: 10 mg: Filmtabletten zu 28, 98 Stück. 5 mg: Kautabletten zu 28, 98 Stück. 4 mg: Kautabletten zu 28, 98 Stück und Granulat zu 28 Sachets. Swissmedic-Liste: B. Ausführliche Informationen
siehe www.swissmedicinfo.ch. Sandoz Pharmaceuticals AG, Suurstoffi 14, Postfach, 6343 Rotkreuz, Tel. 0800 858 885, www.generika.ch
1006722
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