Urban Cultures: Kulturen in Bewegung
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Urban Cultures: Kulturen in Bewegung
VIELKULTURELLE STADT ZUKUNFTSCHANCE ODER KRISENHERD? TEIL IV Urban Cultures: Kulturen in Bewegung Jugendkulturen, Jugendhilfe, Schule und Kulturbetrieb Hip Hop zwischen Ausgrenzung, Kommerzialisierung und Partizipation. Wie verändern (migrantische) Jugendkulturen, Transnationalisierung und kulturelle Globalisierung unsere Gesellschaft? Wie reagieren die Kulturinstitutionen, die Schule und die Jugendhilfe? Tagung Donnerstag, 20. November 2008 9.00 Uhr, vhs Augsburg, Willy-Brandt-Platz 3a INTERKULTURELLE AKADEMIE AUGSBURG TAGUNG URBAN CULTURES Mesopotamien Verein Augsburg Die vielkulturelle Stadt – Zukunftschance oder Krisenherd? Teil IV Urban Cultures: Kulturen in Bewegung Jugendkulturen, Jugendhilfe, Schule und Kulturbetrieb Tagung der Interkulturellen Akademie in Zusammenarbeit mit der Universität Augsburg, dem Theater Augsburg und dem Stadtjugendring Tagung der Interkulturellen Akademie im Rahmen der Reihe „Die vielkulturelle Stadt – Zukunftschance oder Krisenherd?“ Teil IV Donnerstag, 20. November 2008, 9.00 Uhr, vhs Augsburg Nach den Tagungen der Interkulturellen Akademie im November 05, 06 und 07 setzt sich die Veranstaltungsreihe „Die vielkulturelle Stadt – Zukunftschance oder Krisenherd?“ in ihrer 4. Ausgabe mit der Bedeutung von migrantischen und globalisierten Jugendkulturen für die urbane, soziale und kulturelle Entwicklung der vielkulturellen Stadt auseinander. Dabei soll deutlich werden, dass es sowohl in der Hip Hop-Kultur wie auch in anderen Jugendszenen vielfältige Lernformen, Lernmöglichkeiten und Lernsituationen gibt, die außerhalb von schulischen Bildungsprozessen praktiziert werden und den in den Schulen, Bildungs- und Kultureinrichtungen üblichen Lern- und künstlerischen Ausdrucksformen in nichts nachstehen, manchmal vielleicht sogar effektiver sind als diese. Um solche Lernorte und Lernpraktiken zu begreifen und für die Alltagsarbeit im Kultur-, Bildungs- und Sozialbereich fruchtbar zu machen, bedarf es zunächst der Beschreibung und des Begreifens des Kulturmodells „Hip Hop“ und der damit implizierten Kulturtechniken. Denn die Hip Hop-Kultur stellt derzeit zweifellos die weltweit einflussreichste Jugendkultur dar. Sie ist ein treffendes Beispiel einer Jugendkultur, die in räumlich und sozial lokalisier- oder bestimmbaren Kontexten entstand, im Verlaufe ihrer Ausformung dann ihre engen Grenzen hinter sich ließ und an anderen Orten und in anderen Ländern in neuen Kontexten weiterentwickelt wurde und wird. Diese globale jugendkulturelle Szene ist auch deshalb so ein attraktives Forschungsfeld, weil an ihr die Dynamik gegenwärtiger kultureller Entwicklung in ihren transkulturellen Aspekten deutlich gemacht und lokale Prozesse von Entgrenzung und Aneignung, Inklusion und gleichzeitiger Autonomie untersucht werden können: Jugendkulturen als „cultural work in progress“, als kulturelle Praxen von Hybridisierung und Kreolisierung bestehender Ausdrucksmittel, als neue, transnationale kulturelle Konzepte von Bricolage und „globalisation from below“ mit ausgeprägten lokalen Strategien, eben urban cultures als Kulturen in Bewegung. Vor diesem Hintergrund möchte die Fachtagung praktische Forschungsberichte und themenorientierte Lösungsansätze der nationalen Hip Hop Szenenakteure im Kontext der Augsburger jugendkulturellen Wirklichkeiten, wie RAP FOR PEACE, KULTURPARK WEST und MODULAR diskutieren. Die Tagung ist stark praxisorientiert und richtet sich nicht nur an ein wissenschaftliches Fachpublikum und Studierende, sondern ausdrücklich an alle in der praktischen (inter)kulturellen, sozialen und schulischen Arbeit Tätigen oder an ihr Interessierten. Tagung der Interkulturellen Akademie Augsburg Donnerstag, 20. November 2008 vhs Augsburg, Willy-Brandt-Platz 3a 9.00 Come Together und Begrüßung Moderation: Prof. Dr. Doering-Manteuffel Universität Augsburg, Lehrstuhl Europäische Ethnologie 9.30 - 10.30 Uhr Vortrag mit Diskussion Dr. Christoph Mager, Universität Heidelberg „Hip Hop ist im Haus“: städtische Kulturpolitik, Jugendzentren und die Formierung globaler Sounds in urbanen Kontexten Seit den späten 1960er Jahren sind in vielen deutschen Städten und Gemeinden Jugendclubs, Bürgerhäuser und soziokulturelle Zentren entstanden. Diese kulturellen Einrichtungen bieten mit ihrem breiten Angebot eine Alternative zu traditionellen Formen der Kulturvermittlung und sind zu einem wichtigen Bestandteil urbaner Lebensgestaltung geworden. Insbesondere für Jugendliche eröffnen diese Infrastrukturen Raum und Räume für eigene musikalische Praktiken und die Artikulation kultureller Identitäten. Viele HipHop-DJs und Rapper nutzten seit Mitte der 1980er Jahre Kulturzentren als Übungs- und Veranstaltungsräume. Als ‚homebases’ kam diesen Zentren zunächst eine Identität stiftende Funktion auch für migrantische Jugendliche aus der näheren Nachbarschaft zu, die hier soziale Unterstützung und Bestätigung außerhalb etablierter Institutionen erfahren und sich ungezwungen an Plattenspielern oder Mikrofon versuchen konnten. Zugleich dienten diese Einrichtungen in den frühen 1990er Jahren als Knoten sozialräumlicher Hip Hop-Netzwerke, die weit über lokale städtische Kontexte hinauswiesen. ‚Jams’ als zentrale Zusammenkünfte von mobilen Hip Hop-Aktivisten unterschiedlicher räumlicher, sozialer und ethnischer Herkunft ermöglichten in den Jugendzentren den Transfer subkulturellen Wissens und den Aufbau persönlicher Beziehungen, die bis heute nachhaltig fortwirken. Die vielfältige Konsumtion und Produktion von Hip Hop in Deutschland wurden in hohem Maße beeinflusst durch die Organisation städtischer Jugendhäuser und soziokultureller Zentren als musikalisch relevante Orte. Dr. Christoph Mager, Studium von Geographie, Soziologie und Öffentlichem Recht in Heidelberg; Promotion zum Thema »Hip Hop, Musik und die Artikulation von Geographie«; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geographischen Institut der Universität Heidelberg; Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Wirtschaftsgeographie, Stadtkulturforschung, Musik und Geographie. Email: [email protected]. Infos: http://www.geog.uni-heidelberg.de/personen/#m 10.30 - 11.30 Uhr Vortrag mit Diskussion Akim Walta, Hip Hop Stützpunkt, Campus der Jugendkulturen, Berlin „Hip Hop Kultur ist grösser als NIKE oder Adidas !“ Die politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Potentiale der urbanen Jugendkulturen am Beispiel Hip Hop Welche Herausforderungen kann man sich nach 25 Jahren Hip Hop Aufbauarbeit noch stellen? Wie kann man der Kultur, die einen das ganze Leben begleitet und gelenkt hat, etwas zurückgeben? Wie kann man erreichen, dass die Pioniere der Hip Hop Kultur am kommerziellen Erfolg partizipieren? Wie kann man den Grundgedanken der Hip Hop Kultur bewahren und festigen, und solche ausgrenzen die nur aus wirtschaftlichen Gründen auf den Zug aufspringen? Wie kann Hip Hop Kultur die staatliche Unterstützung bekommen, die sie verdient, anstatt immer nur „benutzt“ zu werden? Wie kann man mit Hip Hop die Welt verbessern? Die Antwort habe ich für mich gefunden. Aus diesem Grund möchte ich das Projekt „Campus der urbanen Jugendkulturen“ vorstellen und die ohnehin kurze Vortrags- und Diskussionzeit konkret nutzen… Akim Walta aka ZEB.ROC.SKI aka ZEBSTER gilt als ein wichtiger Architekt der Deutschen und Europäischen Hip Hop-Kultur Geschichte. Der Gründer von MZEE, ON THE RUN und FROM HERE TO FAME und Autor von ‚Hip Hop Files‘ und ‚Graffiti Art Germany‘ „lebt“ Hip Hop seit 1983; als B-Boy, Writer, DJ, Veranstalter, Produzent, Label A&R, Verleger, Manager, Consultant, Journalist, Historiker, Projektentwickler, Netzwerker, Visionär…you name it. In Berlin verwandelte er zusammen mit einigen Mitstreitern ein ehemaliges Umspannwerk in den HIP HOP STÜTZPUNKT und zentriert dort seit 2007 globale Hip Hop Heads für die Realisierung des Projektes: „CAMPUS der urbanen Jugendkulturen“, das auch ein Hip Hop Museum beheimaten soll. Kontakt: [email protected] Tagung der Interkulturellen Akademie Tagung der Interkulturellen Akademie Augsburg Donnerstag, 20. November 2008 vhs Augsburg, Willy-Brandt-Platz 3a PANEL I HipHop zwischen Identität, Provokation, Integration und Kommerz 11.30 - 12.30 Uhr Vortrag mit Diskussion Zekai Fenerci, Pottporus e.V., European Centre of Hip Hop Culture, Renegade Theatre Moderation: Peter Bommas, Universität Augsburg, Europäische Ethnologie, Kulturpark West, Junges Theater Augsburg 14.15 - 15.00 Uhr Vortrag und Diskussion Nika Kramer, Autorin, Regisseurin, Produzentin, Hip Hop Aktivistin 13.30 - 14.15 Uhr Vortrag und Diskussion Jan Kage, freier Journalist und Musiker Hip Hop, Sexismus und Gender Mainstreaming Urbane Jugendkulturen als Akteure im Kunst- und Kulturbetrieb Aus dem 1999 erstmalig veranstalteten Breakdance-Event „Ruhrpott Battle“ entstand 2007 der Herner Hip Hop-Kulturverein „Pottporus“. Beheimatet in einem ehemaligen städtischen Jugendheim im Herzen des Ruhrgebiets, hat es sich der Verein zur Aufgabe gemacht, eine Plattform für die kulturelle Entwicklung von Jugendlichen der Region (oft aus Arbeiter- und Migrantenmilieus) zu etablieren, die das Versagen des öffentlichen Kulturapparats zumindest partiell kompensiert. Pottporus arbeitet – inzwischen international anerkannt – im Bereich Tanz, Theater und Kunst (Streetart, Graffiti, Foto und Video) und greift bei der Realisierung von Projekten auf ein über Jahrzehnte gewachsenes Netzwerk von Kulturschaffenden der etablierten und der OffSzene zurück. Zwar ergeben sich bei der Jugendkulturarbeit vereinzelte Kooperationen mit öffentlichen Institutionen und darüber auch Projektfinanzierungen, letztlich verwehren Politik und Verwaltung dem Verein jedoch jede systemstrukturelle und nachhaltige Förderung. Wie die jugendliche Subkultur selbst, sieht sich auch Pottporus einem zermürbenden Wechselspiel von kulturinstitutioneller Ausgrenzung und Partizipation ausgesetzt. Zekai Fenerci (geb. 1972) organisierte 1999 den ersten „Ruhrpott Batttle“, ein internationales Treffen von Breakdancern und Straßentänzern in Herne. Im gleichen Jahr begann er seine Tätigkeit als Vermittler von Hip HopKünstlern für Film, Fernsehen und Großveranstaltungen und gründete 2003 das „Renegade Theatre“, ein Theaterprojekt mit Straßentänzern, Künstlern der Essener Folkwang-Schule und international tätigen Choreografen, für das er als Produzent von mittlerweile sechs erfolgreichen Stücken verantwortlich ist. 2007 gründete er als 1. Vorsitzender den Verein Pottporus als „European Centre of Hip Hop Culture“. Pottporus e.V. bildet das Dach für die „Pottporus Dance School“, das „Renegade Theatre“ sowie das ein Mal jährlich stattfindende „Urban Street Art Festival“. Das Frauenbild in der Jugendkultur Hip Hop ist ambivalent. Einerseits nehmen Frauen im Hip Hop meist lediglich den Stellenwert von Sexualobjekten ein – in "Hip Hop und Identitätskonstruktion" – Was hat Hip Hop als popkulturden Texten beispielsweise von der Gruppe „Die Sekte“ und im Video von US elle Subkultur mit Identitätskonstruktion zu tun? Rapper Nelly, in dem er einer Frau eine Kreditkarte zwischen den Pobacken Was hat Hip Hop als popkulturelle Subkultur mit Identitätskonstruktion zu tun? durchzieht. Auf der anderen Seite gibt es das Bild der starken, selbstbewussten Eine ganze Menge. Denn Hip Hop dient mit seinen vielfältigen AusdrucksFrau, die in allen Disziplinen des Hip Hop aktiv ist. Das Problem ist, dass das möglichkeiten vielen Jugendlichen – wie andere Subkulturen auch – zum einen zweite Bild, welches ein starkes Rollenvorbild für Mädchen wäre, weniger beals Mittel, sich von der Mehrheitsgesellschaft abzugrenzen und in dieser kannt ist. Daher haben viele junge Mädchen, die versuchen ihren Platz in der Hip Hop Abgrenzung und Ablehnung gewisser Haltungen und Werte die eigene Identität Kultur zu finden, das Gefühl, sie müssten sich dem ersten Bild anpassen. zu definieren. Dabei hilft ein umfassendes kulturelles Instrumentarium, das in Im Hip Hop gibt es durchaus starke, intelligente Frauen mit Selbstachtung. Sie Tanz (Breakdance), Malerei (Grafitti), Musik (Rap und Djing) und Mode seine stehen vor dem Mikrofon, hinter der Kamera und hinter den Kulissen, in wichtiAusdrucksformen findet. Zum anderen dient HipHop aber auch der Artikulation gen Positionen an der Spitze der Nahrungskette der Hip Hop Industrie. Jedoch minoritärer Positionen in (rassistischen) Gesellschaften, in denen die ethnische bleiben viele versteckt im Untergrund als namenlose Künstler ohne kommerzielMehrheit ihre kulturelle Dominanz in sämtlichen Gesellschaftsbereichen auslebt len Erfolg. Gründe dafür sind mangelnde Medienpräsenz, chauvinistische Pround die Definitionsmacht über kollektive Identitäten, einschließlich die der grammierung und irreführende einseitige Darstellung von Frauen im Hip Hop Minderheit(en) innehat. Die Geschichte des HipHop als afroamerikanische Kultur aus einem falschen Blickwinkel. Hip Hop ist vom Grundgedanken her eine in der „weißen“ Hegemonialkultur der USA ist dafür ein beredtes Beispiel. Aber emanzipatorische Kultur, bei der man für seine Leistungen Anerkennung auch arabische Migranten in Frankreich und türkische und russisch-deutsche bekommt. Wir wollen den Mädchen zeigen, dass sie Teil der Kultur sein können, Arbeiterkinder in Deutschland sind ein Beleg für die Aneignung von kommunika- ohne sich dem sexistisch geprägten Bild anzupassen und sich den Männern tiven, kulturellen Techniken wie zum Beispiel Hip Hop durch ausgegrenzte unterzuordnen. Sie sollen Perspektiven aufgezeigt bekommen, wie sie selbst Minderheiten, die sich dadurch Luft machen und Gehör verschaffen. aktiv werden und sich durch Leistung Respekt verdienen können. Jan Kage lebt als freier Journalist und Musiker in Berlin. Er schreibt für Hefte wie De:Bug, Intro, Juice, Backspin, die taz oder die Berliner Zeitung und macht Beiträge für Fritz Radio, Deutschlandradio, SWR u.a. Außerdem hat er das Buch „American Rap“ im Ventil Verlag, Mainz veröffentlicht und den Fotobildband „and it don’t stop“ des Fotografen Mika Väisänen mit herausgegeben; nebenbei Beiträge in Anthologien. Kage ist diplomierter Sozialwissenschaftler. Als Musiker hat er mehrere Platten veröffentlicht, im Bundesgebiet und Kamerun Konzerte gespielt und in dem Hip Hop-Film „Status Yo!“ mitgewirkt. Er veranstaltet seit fünf Jahren die Partyreihe „party arty“ in Berlin, die Musiker, DJs, Poeten und Maler sämtlicher Stile in einer Nacht vereint und die neben Hamburg auch schon in Augsburg gastierte. Nika Kramer aka Nawtee Neek, freiberufliche Fremdsprachenkorrespondentin, arbeitet als Texterin, Editorin, Videojournalistin und Eventpromoterin. Nebenher ist sie in beratender Funktion für die Firma TOM NIXX in Berlin tätig. Von 2003 bis 2005 war sie bei MZEE Records /From Here to Fame Publishing beschäftigt. Nika Kramer war die Editorin und Übersetzerin für das Buch Hip Hop Files: Photographs 1979 bis 1984 (From Here to Fame, 2004) und Autorin/Editorin für We B*Girlz. Sie ist tätig für die internationalen Breakdance Veranstaltungen Battle of the Year und Red Bull BC One. Sie war Produzentin / Regisseurin und Kamerafrau bei dem dokumentarischen Kurzfilm Redder than Red – The Story of B-Girl Bubbles. Zusammen mit Martha Cooper gründete sie We B*Girlz Productionz, mit der Idee, ein Netzwerk für Frauen im Hip Hop zu schaffen und die Szene zu unterstützen und zu dokumentieren. Tagung der Interkulturellen Akademie Tagung der Interkulturellen Akademie PANEL I Hip Hop zwischen Identität, Provokation, Integration und Kommerz PANEL II Hip Hop zwischen Globalisierung und lokalen Strategien: gesellschaftliche Gegenentwürfe, kulturelle Bildung und soziale Inklusion 15.00 - 15.45 Uhr Vortrag und Diskussion Yann Eric Döhner, Politikwissenschaftler, Berliner Sozialforum HipHop – globalisierte (Jugend-)Kultur und Bestseller der Unterhaltungsindustrie. Versuche einer politischen Verortung zwischen Aneignung und Ausverkauf Gemeinhin wird Hip Hop gerne als Sprachrohr sozial und/oder ethnisch ausgegrenzter Jugendgruppierungen dargestellt und in der Tat ist oftmals ein emanzipatorisches Moment zu identifizieren, sei es wenn mittels RapTexten Themen wie beispielsweise Polizeigewalt gegen Minderheiten auf die Tagesordnung gesetzt werden, sei es die Wiederaneignung des Sozialraums durch Graffiti. Auf der anderen Seite gibt es im HipHop eine tiefe Verankerung des ‚american dream’. Der Aufstieg des Individuums und auch der Konkurrenzgedanke ist ein wichtiger Bestandteil der Hip Hop-Kultur. Mit dem Wandel von der Subkultur zum popkulturellen Mainstream und den neuen Vermarktungstechniken der Unterhaltungsindustrie bekommt Hip Hop eine andere Richtung und scheint ein wichtiger kultureller Multiplikator der neoliberalen Hegemonie in der globalisierten Welt zu sein. Zwischen diesen widersprüchlichen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft liegt das Politische im Hip Hop, dem es mehr Aufmerksamkeit zu widmen gilt. Yann Eric Döhner, 31 Jahre alt, Geschäftsleiter des badeschiff in Berlin, langjähriger Mitarbeiter von FUSION e.V. im Jugendzentrum Manege gegenüber der Rütlischule, Langzeitstudent der Politikwissenschaft und aktiv im Berliner Sozialforum. 15.45 - 16.30 Uhr Vortrag und Diskussion Matthias Garte, Koordinator der Fachstelle für Integration und Interkulturelle Arbeit im Referat Oberbürgermeister Wo stehen wir? Augsburgs „deukische“ Generation(en) zwischen Anerkennung und Ausgrenzung Die in Augsburg im Gefolge des Migrationsgeschehens der letzten Jahrzehnte entstandene Wirklichkeit ist hochkomplex. Ein Drittel der Augsburger haben einen sog. „Migrationshintergrund“ und ihre Herkunft, ihre Lebenslagen, ihre Milieuaffinitäten, ihre Sprach- und Bildungserfolge sind genauso heterogen wie die der anderen Augsburger auch. Erst seit wenigen Jahren sind die Tatsachen der Migration anerkannt und die Frage nach dem künftigen Zusammenleben steht nun weiter oben auf der politischen Agenda. Allerdings bestimmen ethnisierende und pauschale Zuweisungen an „die Migranten“ immer noch den öffentlichen Diskurs. Auch die Migranten und ihre Selbstorganisationen sind nicht davor gefeit, einen Integrationsdiskurs zu führen, den selbst sie in vielen Fällen schon hinter sich gelassen haben. Problemlagen sind auch Teil unserer großstädtischen Realität, diese müssen aber genau definiert und in den richtigen Kontext gestellt werden. Nur der gemeinsame Blick von Augsburgern mit und ohne Zuwanderungsgeschichte auf die heterogene Wirklichkeit verhindert Ausgrenzung durch ethnische Zuweisungen und andere Zumutungen. Matthias Garte, Jahrgang 1948, Dipl. Politologe, Abitur in Mailand 1968, bis 1976 Studium der Politischen Wissenschaft, Neueren Geschichte und Jura in Zürich, München und Berlin. Beruflicher Einstieg in der hauptamtlichen Jugendarbeit, von 1983 bis 2003 Geschäftsführer des Stadtjugendrings Augsburg, bis 2007 AIPSozialraumplanung für die Stadt Augsburg mit den Schwerpunkten Migration und Jugendhilfeplanung. Seit Januar 2008 Koordinator der Fachstelle Integration im Referat Oberbürgermeister. Moderation: Udo Legner, Stadt Augsburg, Fachstelle Schulentwicklung 13.30 - 14.15 Uhr Vortrag und Diskussion Dr. Jörg Hagedorn, Universität Augsburg Der Aufstand der Zeichen – Graffiti als Anti-Diskurs und als Material symbolischen Tauschs (Baudrillard). 14.15 - 15.00 Uhr Vortrag und Diskussion Marcus Staiger, Verleger, Label Royalbunker, Journalist Hip Hop und Identitäten – Hip Hop und Kommunikation In meinem Vortrag geht es um Phänomene aus meiner praktischen Arbeit als Labelchef und Hip Hop Journalist. Hip Hop wird gerne dafür genutzt, sich selbst zu definieren und sich gegen andere Gruppierungen abzugrenDer Beitrag wendet sich der Sphäre der Zeichen und Codes im urbanen Raum zu. zen. Dabei spielen äußere Faktoren wie Stadtteile, Städte oder Crews eine Das Urbane, das die Stadt ablöst, ist dabei die Zentralstelle der Codes. Die im Rolle. In letzter Zeit geht es bei einigen Künstlern auch gerne mal um urbanen Gewebe zerstreuten Codes sind die wirkliche Form der gesellschaftlichen Nationalitäten und besonders das „Deutsch Sein“ ist scheinbar ein Thema. Verhältnisse. Das Graffiti ist Ausdruck gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse, es Auch die Herkunft aus einer sozialen Schicht scheint wichtig zu sein, im wendet sich transversal gegen die Macht der Medien, der Zeichen und der herrGegensatz zu früher, als es eher darum ging, Mitglied einer kulturellen schenden Kultur. Es wendet sich gegen eine bestehende Sozialstruktur, die jedem Gemeinschaft zu sein. Diese Phänomene erschweren die Kommunikation seinen Eigennamen und eine private Individualität verpasst. Die Umwandlung untereinander, aber vor allem gibt es große Diskussionsstörungen zwischen und Fabrikation der Codes geschieht im Graffiti inhaltsleer und ohne die Absicht, diesen Gruppen und dem Rest der Gesellschaft. Hip Hop und speziell Rap ist eine unmöglich gewordene Identität zurückzugewinnen. Graffiti brechen als leere eine Ausdrucksform in der viel geredet, wenig gesagt und noch viel weniger Signifikate in die durch Zeichen erfüllte Raum/Zeit der Stadt ein, Bedeutungswerte verstanden wird. Gerade in der bürgerlichen Welt werden die Äußerungen werden manipuliert, die Unbestimmtheit wird auf das System gewendet, Codes aus der Hip Hop Welt oft als dumm und lächerlich oder als eine Art bedrohwerden verändert. Eine Manipulation und Fabrikation, die ihre Kraft dort entfaltet, liche Freakshow gesehen. Insofern soll der Vortrag die Grundlage für etwas wo sie gerade keine Botschaft, keinen Inhalt hat. Graffiti zerreißt das Geflecht der sein, das fehlt – eine Diskussion. bestehenden Codes, der codierten Differenzen, indem es eine nicht-codierbare absolute Differenz schafft. Graffiti liegen quer zu den Massenverhältnissen, quer Marcus Staiger gründete 1998 das Label Royalbunker und entdeckte in zur Architektur, quer zur Sozialstruktur, quer zum Protest und quer zu den Medien seiner Karriere als A&R zahlreiche Künstler. Obwohl das Label nie den kommerziellen Erfolg seiner Mitbewerber erreichen konnte, war es doch maß(Werbung). Graffiti stehen jenseits von Ideologien und Kunst, es geht um reine geblich an der kulturellen Entwicklung des deutschen Rap beteiligt und Umkehrung, Umwandlung, Decodierung. Warum? Weil es darum geht, Wände konnte immer wieder entscheidende Impulse geben. von Architektur (Code) zu befreien, sie werden zum lebendigen beweglichen Körper der Stadt gemacht (es gibt Parallelen zur Tätowierung des Körpers), zu Zuletzt machte das Label mit der Entdeckung der Rap Crew K.I.Z. von sich sozialer Materie, die frei sein soll von funktionaler und institutioneller reden und feierte große Erfolge. 2008 löste Staiger das Label auf, weil er Markierung. der Meinung war, er habe genug für Rap getan. Was nicht stimmt. Man kann nie genug für Rap tun. Marcus Staiger ist Chefredakteur der Internetplattform rap.de und schreibt einen Blog auf myspace.com/marcusstaiger, der alle 2 Wochen erscheint: „staiger’s geschichten aus der hip hop welt“. Jörg Hagedorn, geb. 1972, Dr. phil, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der In diesem Blog berichtet er aus einer Welt, die absolut Professur für Pädagogik, Prof. Dr. Leonie Herwartz-Emden, verrückt, fremd und doch mitten unter uns ist: Deutscher Universität Augsburg. Arbeitsgebiete: Rekonstruktiv-hermeHip Hop. Er lebt darin. Er kennt sich aus. Er versucht zu neutische Jugend- und Medienforschung, Jugend- und Medienkulturen, Mediensozialisation, Publikationen und erklären, was nicht erklärbar ist. Er spricht mit denen, mit denen kein anderer mehr sprechen will. Außerdem ist weitere Informationen: http://www.philso.uniaugsburg.de/de/lehrstuehle/paedagoMarcus Staiger der coolste Mensch der Welt. gik/paed3/Mitarbeiter/hagedorn/ Tagung der Interkulturellen Akademie „Migration, Integration und Bildung: Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg“ PANEL II Hip Hop zwischen Globalisierung und lokalen Strategien: gesellschaftliche Gegenentwürfe, kulturelle Bildung und soziale Inklusion Einladung zum Vortrag von Prof. Dr. Klaus J. Bade an der Universität Augsburg Hörsaal 1004, Physik-Hörsaalzentrum Universitätsstr. 1 15.00 -15.45 Uhr Vortrag und Diskussion Andreas Kern, Roots&Routes, JFC Medienzentrum Köln 15.45 - 16.30 Uhr Vortrag und Diskussion Torsten Wiegel, Soziokulturelles Zentrum Steinhaus e. V., Bautzen Jugendkulturen, kulturelle Heterogenität und kulturelle Bildung – das Beispiel „Roots&Routes“ als ein interkulturelles Projekt urbaner Jugendkulturen Hip Hop, soziale Integration und (jugend)kulturelle Bildung – Urban Cultures und Schule Ziel des 2001 in den Niederlanden gestarteten und inzwischen in über 10 Ländern der EU stattfindenden Projekts Roots&Routes ist es, Nachwuchskünstler mit verschiedensten kulturellen „Roots“ mit Tanz-, Musik und Medienprofis zusammenzubringen, um ihnen neue „Routes“ zu eröffnen. Egal ob Rap, Reggae, Funk oder African Beats, Street Dance, Breakdance oder Capoeira – stilistische Grenzen gibt es dabei keine! Als interkulturelles Förderprojekt junger Musik-, Tanz- und Medientalente bietet Roots & Routes intensive Workshops, gefolgt von Masterclasses bei namhaften Künstlern sowie Auftritte bei großen Festivals. Bei der diesjährigen Kölner Projektphase lebten und arbeiteten 100 junge Künstler beim Roots&Routes Summer Course zusammen; darunter 45 Nachwuchstalente aus 9 Roots&Routes Partnerländern sowie Künstler und Coaches aus aller Welt. Wie z.B. Jimi Renfro, langjähriger Tänzer in US-Musicals und jetziger Backgroundsänger bei Marla Glen. Gemeinsam mit Regisseur Costas Lamproulis und Choreografin Roula Karaferi (Athen), Rapcoach Tim Weedon (Washington D.C./Dublin), Musikproduzent Lajo Mounkassa (Stockholm) und TV-TotalKameramann Jörg Schürmann, You-Can-Dance-Star Eva Nitsch, dem deutschen BreakDance Meister Jaekwon, Ex-Freundeskreis Gitarrist Vasili Asmanidis und dem Reggae Star Maxim feilt Renfro an der Bühnenshow von Nachwuchskünstlern aus 10 europäischen Großstädten. Das Ergebnis wurde bei der Roots&Routes Experience am 18. Juli im Kölner Gloria aufgeführt. Andreas Kern ist in verschiedenen kulturellen Ebenen aktiv: Er arbeitet als Projektmanager im JFC Medienzentrum Köln, als Repräsentant der Europäischen Kulturhauptstadt Linz09, ist Musikjournalist, Veranstalter und DJ. Seit 2005 entwickelt und koordiniert er interkulturelle Jugendprojekte sowohl auf lokalem als auch internationalem Level. Repräsentation des Musikprogramms "Hörstadt" der Kulturhauptstadt Europas "Linz09" in Deutschland. Aufbau des Künstlernetzwerks und Musiklabels Refugium. Aufbau des internationalen Jugendaustausches zwischen Roots&Routes Köln und dem Brouhaha Street Festival in Liverpool. Seit Mai 2005: Projektkoordinator im JFC Medienzentrum Köln. Veranstalter der Eventreihe Beat Boutique. Regelmäßige DJ Auftritte in Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich, Ungarn und der Schweiz. Seit 1997: DJ und Veranstalter elektronischer Musikveranstaltungen Soziokulturelle Zentren nutzen Kultur vielfach als Methode sozialer Arbeit. Im Bereich der Jugendkulturen ist allerdings oft das, was bei Jugendlichen „ankommt“ und akzeptiert wird, keineswegs auch das, was Lehrer und Eltern als sinnstiftende (Freizeit) Betätigung ansehen. Es besteht offensichtlich ein großer Unterschied zwischen musischer Bildung in der Musikschule und der im DJ- bzw. Probenraum. Der Zeichenzirkel hat ein besseres „standing“ als der Graffiti-Kurs. Mein Vortrag unternimmt den Versuch, hier Brücken zu schlagen und das enorme Potenzial selbstmotivierter künstlerischer Betätigung in der Jugendkultur am Beispiel der Arbeit von STEINHAUS e. V. in Bautzen aufzuzeigen. STREETCOLOURZ – (Schul)Projekttage – urbane Kulturen Kreative, jugendkulturelle Ausdrucksformen gewinnen infolge gesellschaftlicher Veränderungen für die Lebensbiographien junger Menschen zunehmend an Bedeutung und erfahren nicht nur in ihren szenetypischen Zusammenhängen eine hohe Anerkennung. Plurale Lebenskonzepte können und sollten gewaltverherrlichenden und menschenverachtenden Tendenzen bzw. Gruppierungen entgegenstehen. Mittels lebensweltnaher und interessensorientierter Angebote, welche Erfahrungslernen und persönliche Erfolgserlebnisse ermöglichen, wollen wir zur Stärkung des individuellen Selbstwertes und zur Unterstützung im Prozess der Identitätsfindung beitragen. STREETCOLOURZ fordert insbesondere zur kreativen, musischen und sportlichen Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Entwicklung auf. Neben der Vermittlung der Kulturpraxis sollen Denkprozesse angeregt und durch die Einflussnahme auf gruppendynamische Prozesse alltagsdemokratische Handlungsweisen gefestigt werden. Torsten Wiegel, Geschäftsführer des soziokulturellen Zentrums Steinhaus e.V. in Bautzen, ehrenamtliche Tätigkeit: Fachbeirat für Soziokultur der Kulturstiftung Sachsen, Koordinator der Planungsregion Bautzen im Jugendhilfeverbundsystem, Facharbeitsgruppe Soziokultur im Kulturraum Oberlausitz/Niederschlesien, Vorstand des Landesverbandes Soziokultur Sachsen e.V., Referent zu den Themen Kulturpolitik, Kulturmanagement, Sozialwirtschaft, Jugendhilfeplanung und Projektmanagement, national und international 16.30 - 17.00 Uhr Abschlussgespräch 18.15 Uhr Vortrag Prof. Dr. Klaus J. Bade, Zentralinstitut für didaktische Forschung und Lehre der Universität Augsburg „Migration, Integration und Bildung: Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg“ Immer weiter geht die Schere auf zwischen der Mehrheitsgesellschaft und den Zuwanderern, so urteilt Klaus J. Bade über die jetzige Bildungs- und Ausbildungssituation von Migrantenkindern und -jugendlichen. Daten zur Bildungsbeteiligung, zu Schulabschlüssen und zur Ausbildungsbeteiligung sprechen eine deutliche Sprache. Das Bildungsdefizit von vielen Zuwanderern der ersten Generation wird an die nachkommenden Generationen weitergegeben und in der Vergangenheit wurden keine Anstrengungen unternommen, um dies zu verhindern. Es gibt in Deutschland eine migrantische Mittelschicht, die allerdings zu klein ist im Vergleich zur deutschen Bevölkerung. Sie könnte größer sein, so der Migrationsforscher Klaus J. Bade, hätte man rechtzeitig in Aufstiegschancen investiert. Die jetzige Integrationspolitik hat diese Versäumnisse nun in Angriff genommen, Erfolge sind zu erwarten – es geht voran; aber die Folgen der Versäumnisse der Vergangenheit bleiben eine Zusatzbelastung für die Gegenwart und die Gestaltung der gemeinsamen Zukunft in der Einwanderungsgesellschaft. Veranstalter: Lehrerbildungszentren der Ludwig-Maximilian-Universität München, Technische Universität München, sowie Universität Augsburg und ist Teil der Reihe "Brennpunkte der Lehrerbildung". Klaus J. Bade Prof. Dr. phil. habil., geb. in Sierentz (Elsass) 1944, o. Univ. Prof. em. (Neueste Geschichte), Universität Osnabrück. Historiker, Migrationsforscher, Politikberater. Begründer des Osnabrücker „Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien“ (IMIS), des „Rates für Migration“ (RfM) und der „Gesellschaft für Historische Migrationsforschung“ Autor und Herausgeber von rund 40 Büchern und zahlreichen anderen Veröffentlichungen zur Kolonialgeschichte, zur Sozial-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte sowie zur Entwicklung von Bevölkerung und Wanderung in Geschichte und Gegenwart. Tagung der Interkulturellen Akademie Tagung der Interkulturellen AkademieUrban Cultures: Urban Cultures: Kulturen in Bewegung Jugendkulturen zwischen Ausgrenzung und Partizipation Lernen in/aus/durch Szenen Szenewissen als Kompetenzgewinn Urban Cultures: Kulturen in Bewegung Jugendkulturen zwischen Ausgrenzung und Partizipation - global und lokal Die Betonung der kulturellen Differenz, die Grenzziehung, sowie das Schaffen und Erhalten abgeschotteter eigener kultureller Lebensräume scheinen in Zeiten gesellschaftlichen Wandels Heimat und Konstanz zu gewähren. Das beharrliche Weiterbestehen kultureller Paralleluniversen ist ein besonders augenfälliger Indikator für soziale Unsicherheitsgefühle von diasporischen oder ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen. Dass eine Reihe afro-, türkisch- und russischdeutscher Künstler sich sogar bewusst und kämpferisch multikulturalistisch-integrativen Konzepten verweigert, die ihnen und anderen außereuropäischen Migrantenpopulationen zwar die Freiheit popkultureller Entfaltung gewähren, ihnen aber politische Rechte verwehren, beschreibt eine Haltung alternativer politischer Auseinandersetzung, die in dem Rap „S.O.S.“ des afrodeutschen Rappers Samy Deluxe ebenso zur Sprache kommt wie in dem Musikprojekt „Brothers Kepers“ des Köln-Afrikaners Ade Odokoya. Andererseits gibt es eine Fülle popkultureller und jugendkultureller Projekte, in denen ein positiver kultureller Austausch gewollt wird und gelingt. In ihnen kommt die innovative Dynamik einer gleichberechtigten interkulturellen Begegnung zum Ausdruck. Weit über die Präsentation von Exotischem hinaus widmen sie sich der Internationalisierung kultureller Patterns und der Schöpfung neuer künstlerischer Ausdrucksformen im Aufeinandertreffen unterschiedlicher Traditionen. Durch persönliche Aneignung und Umformung der global-heimatlosen Musik/Kunst – selbst wenn zunächst die speziellen kulturellen und ethnischen Identitäten zum Zwecke optimaler globaler Vermarktung ausgetrieben wurden – gelingt der Rückbezug auf die eigenen Lebenswelten und ihre Alltagskontexte. Dieser Prozess der „Glokalisierung“ ist vor allem in Deutschland deutlich spürbar und zunehmend zum Gegenstand kulturwissenschaftlicher Debatten geworden. Als Ausweg aus dem Widerstreit von universalistischer, westlicher Aufklärungsmoderne und kulturdeterminierendem Kampf der Kulturen mit einhergehender Selbstghettoisierung kann der Dialog gesehen werden, der in der interkulturellen Begegnung das Andere in seinem Anderssein anerkennt. Gleichzeitig muss er eine Dynamik in der Interaktion entfalten, die die Möglichkeiten der Aneignung des Fremden in glokale Kulturkonzepte ebenso vorsieht wie die gemeinsame Arbeit an etwas Neuem. Die Tagung „Urban Cultures: Kulturen in Bewegung“ möchte solche „glokalen Szenen“ als Lernräume begreifbar machen und die Aspekte transkultureller Phänomene vor dem Hintergrund lokaler Effekte und Ausprägungen betonen. Eine ganz besondere Stellung nimmt in diesem Spannungsfeld von Ausgrenzung und Teilhabe die Hip Hop-Kultur ein, weshalb an ihrem theoretischen Ansatz und der Praxis von Hip Hop-Projekten der Stellenwert kultureller Bildung und sozialer Inklusion thematisiert wird. Ganz bewusst wird dabei der Fokus gelegt auf die aktuelle Entwicklung im Zeitalter von Globalisierung und neuem Kosmopolitismus, den notwendigen Perspektivenwechsel hin zu einer Achse „Migration – urban cultures – creative cities“. Urban Cultures - Lernen in/aus/durch Szenen? Szenewissen als Kompetenzgewinn Peter Bommas Jugendliche/junge Erwachsene können bei der Bewältigung ihrer Lebenssituationen immer weniger damit rechnen, dass sie brauchbare Problemlösungen oder perspektivische Strategien von älteren/erwachsenen Menschen bekommen. Sie sehen sich immer öfter darauf verwiesen, eigene Konzepte zu entwickeln: Konzepte für Ressourcenbeschaffung, für die Nutzung von Konsumangeboten, für kulturelle Optionen, für berufliche Perspektiven. Oder einfacher, sie müssen sich selbst um Konzepte für ihre Selbstverwirklichungs- und Lebenschancen bemühen, institutionelle Hilfen können sie immer weniger erwarten. Szenen als Lernorte Während die Vertreter der traditionellen Bildungsprogrammatik – Lehrer, Schulverwaltung, Bildungspolitiker, Wirtschaftsverbände – den Jugendlichen insgesamt eine nachlassende Bereitschaft und Kompetenz zur konzentrierten Aneignung von Kenntnissen und Fertigkeiten (meist kognitiver Art) zuschreiben, stehen dieser Vermutung vielfältige empirische Forschungsbefunde entgegen: Auch heutzutage lassen sich Jugendliche typischerweise über lange Zeiträume hochkonzentriert und mit großer Begeisterung auf alle möglichen Thematiken und Problemstellungen ein. Allerdings tun sie dies abhängig von ihren Neigungen, Stimmungen, ihren Interessen und Wertsetzungen in ihren selbstgewählten Erlebniswelten. Auch dort geht es um KulturWerte, um recht eigen-willige. In den Szenen werden nicht nur Hedonismen gepflegt, sondern vielfältige, lebenspraktisch relevante Kompetenzen entwickelt, vermittelt und angeeignet. Demgegenüber scheinen die Bildungsprogramme der herkömmlichen Sozialisationsinstanzen – also Schule, Lehrwerkstatt, Familie, Kirche, Jugendverbände, Vereine – den tatsächlichen, existentiellen Fragen Jugendlicher immer weniger gerecht zu werden. In diesen Programmen der herkömmlichen Agenturen von Lebensplanung finden die Jugendlichen kaum mehr brauchbar scheinende Vorgaben zur lebenspraktischen Problembewältigung, kaum zuverlässige Anleitungen für Entwürfe gegenwärtiger und zukünftiger Lebensphasen. Solche Vorgaben und Anleitungen finden Jugendliche viel eher in den Medien und – am nachhaltigsten, weil authentischer und erlebbarer als die Medienillusionen – in einer hochkomplexen und fast unüberschaubaren Welt jugendlicher „Gesellungsgebilde“ (Szenen), in denen ganz verschiedene Themen von Bedeutung und ganz unterschiedliche Verhaltensweisen angemessen sind. Besonders in diesen „Szenen“ suchen die Jugendlichen das, was sie in der Nachbarschaft, im Betrieb, in der Gemeinde, in Kirchen, Verbänden oder Vereinen immer seltener und immer öfter nicht einmal mehr in ihren Familien und bei ihren IntimPartnern finden: Verbündete für ihre Interessen, Kumpane für ihre Neigungen, Partner ihrer Projekte, Gleichgesinnte ihrer Leidenschaften – also Freunde, Gesinnungsfreunde. Die finden sie hier, weil sie sich ihre Szene entsprechend ihren Bedeutungen und Wichtigkeiten auswählen. Szene als Beschreibungsraster Szenen lassen sich bestimmen als Netzwerke von Akteuren, die bestimmte materielle und mentale Formen der Selbststilisierung gemeinsam haben und diese Gemeinsamkeiten kommunikativ stabilisieren, modifizieren oder transformieren. Sie haben ein zentrales Thema, auf das hin die Aktivitäten der Szenegänger ausgerichtet sind: Musikstil, Sportart, politische Idee, Konsumgegenstände etc. Szenen fungieren als kommunikative und interaktive Formen von Teilzeitlebensbereichen, sie werden „inszeniert“ und dienen der sozialen Verortung. Sie entwickeln ihre eigene Kultur im Sinne von Verhaltensweisen, Signalen, Codes, Ritualen, Wissensbeständen, sind labile Gebilde mit jederzeit kündbarer Zugehörigkeit. Szenen haben typische Treffpunkte, die von großer Bedeutung sind für das Zugehörigkeitsgefühl und für die Netzwerkarbeit von Gruppen. Es sind vororganisierte Erfahrungsräume mit dem strukturell unverzichtbaren Element des „Events“. Szenen bilden sich um sogenannte „Organisationseliten“, den Szenekern, der widerum umgeben ist von „friends bzw. heavy usern“ und den hinein-schnuppernden Szenegängern aus dem Umfeld der „Normalos“. Sie liegen quer zu traditionellen Gesellungsformen und zu etablierten gesellschaftlichen Einrichtungen. Man kann mit diesen Kriterien eine „Szenelandschaft“ beschreiben, eine alltägliche Lebenswelt kartographieren und eine Art von Architektur der Szene erstellen. Bei genauerer Betrachtung solcher Szenen stellt sich schnell heraus, dass es in diesen Netzwerken nicht nur „action“ im Sinne von Freizeitspaß gibt, sondern dass auch Kompetenzbildungsprozesse ablaufen, die von den involvierten Jugendlichen als lebenspraktisch relevant empfunden werden. Man kann davon sprechen, dass in solchen Szenen zwar diffuse, aber konkrete, über das „Leben in Szenen“ (Hitzler) hinausweisende alltagspraktisch bedeutungsvolle und berufspraktisch verwertbare Kompetenzen entwickelt, vermittelt und angeeignet werden. Eine solche Wahrnehmung von „Szenen als Lernorte“ bedarf allerdings eines unvoreingenommenen, neugierigen und interessierten Blicks. Szenetypische Kompetenzformen In ihrer Expertise für den 8. Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung NRW haben Hitzler und Pfadenhauer (Düsseldorf 2005) einen Kompetenz-Leitfaden entwickelt und empirisch dargestellt, der die Relevanz von Kompetenzen außerhalb des Szenelebens anschaulich macht. Sie unterscheiden sechs Kompetenzformen, wobei die Typen 3 bis 6 sich auch außerhalb von Szenen verwerten lassen: 1) Grundlegende szeneintern relevante Kompetenzen, die zwar in der Szene von Bedeutung sind, aber kein Potenzial zur Ressourcenschöpfung haben. 2) Szeneintern relevante Kompetenzen zur Ressourcenschöpfung 3) Allgemein alltagspraktisch relevante Kompetenzen, die auch außerhalb der Szene im Alltag von Bedeutung sind. 4) Nicht-zertifizierte berufspraktisch relevante Kompetenzen, die über die Szene hinaus berufspraktisch verwertbar sind, sich jedoch kaum oder schlecht dokumentieren lassen („teaching und learning by doing“ – Djing, Tanzen, Singen) 5) Quasi-zertifizierte berufspraktische Kompetenzen, die über die Szene hinaus berufspraktisch verwertbar und mit der Vorlage von „Werken“ nachgewiesen werden können (z.B. Graffiti, DJ-Leistungen, Songproduktionen, Softwareentwicklungen, Fanzineartikel, Flyerdesigns, Tonaufnahmen, Videomitschnitte, Gastrobereich, technische Hilfsleistungen, Personenbetreuung, Partyveranstaltungen) 6) Formal-zertifizierte berufspraktisch relevante Kompetenzen, die sich als Berufsqualifikation formal nachweisen lassen (Hospitation, Praktikum, Volontariat) Mit diesem Leitfaden als Hilfsmittel können konkrete Szenen einer urban culture Landschaft hinsichtlich ihrer Kompetenzvermittlung unter Berücksichtigung des jeweiligen Focus von Bedeutungen, Kenntnissen, Vollzugsroutinen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Befugnissen differenziert erfasst und an Fallbeispielen aus einzelnen Szenen (musikzentrierte, sportzentrierte oder technikspielzentrierte) expliziert werden. Ein erster Schritt zur Neudefinition des „young urban creative professional“ – gerade auch unter dem Aspekt interkultureller Bildung bezüglich migrationsbedingten „Ausfalls“ traditioneller Bildungsprogrammatik – wäre damit getan. Vgl. dazu auch Hitzler, Ronald/BucherThomas/Niederbacher, Arne: Leben in Szenen (Wiesbaden 2005), Tully, Claus (Hg): Lernen in flexibilisierten Welten. Wie sich das Lernen der Jugend verändert (Weinheim 2006). Anmeldung bei: Kulturhaus Kresslesmühle Barfüßerstraße 4, 86150 Augsburg Tel. 0821-37170, Fax: 0821-516723 Email: [email protected] Anmeldeschluss: 15. November 2008 Teilnehmergebühr: Euro 30,- / ermäßigt Euro 10,- Überweisung an: Kulturhaus Kresslesmühle Stadtsparkasse Augsburg Kto. 144 210 2 BLZ 720 500 00 Stichwort: „Urban Cultures“ Tagungsort: VHS Augsburg Willy-Brandt-Platz 3a, 86153 Augsburg Termin: Donnerstag.20. November 2008 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr, Raum 103, 1. Stock mit Unterstützung des Kulturreferates der Stadt Augsburg gefördert durch die Stadtsparkasse Augsburg und quid verum? INTERKULTURELLE AKADEMIE AUGSBURG DIALOG PARTIZIPATION INKLUSION URBAN CULTURES: KULTUREN IN BEWEGUNG Vielkulturelle Stadt – Zukunftschancen oder Krisenherd Teil IV Tagung, 20 November 2008 Mesopotamien Verein Augsburg Impressum: Kulturhaus Kresslesmühle gGmbH Hans Joachim Ruile Barfüßerstraße 4, 86150 Augsburg Tel.: 0821-37170, fax: 516723 [email protected], www.kresslesmuehle.de Mesopotamien Verein e. V. Gebro Aydin Mendelssohnstraße 21, 86154 Augsburg www.bethnahrin.de