Faktenbox Psychotherapie bei Depressionen
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Faktenbox Psychotherapie bei Depressionen
Faktenbox Psychotherapie bei Depressionen Nutzen und Risiken im Überblick Was passiert bei einer psychotherapeutischen Behandlung? Bei einer Psychotherapie finden regelmäßig Einzel- oder Gruppengespräche, meist wöchentlich, mit einem Psychotherapeuten statt. Eine Psychotherapie hilft, sich selbst besser zu verstehen. Eigene Stärken können erkannt und aufgebaut werden und Behandlungsmethoden und Ziele individuell gestaltet werden. Auch Entspannungstechniken oder Verhaltensübungen können eingesetzt werden. Für wen kommt eine Psychotherapie in Frage? Der Nutzen von Psychotherapie allein (ohne Medikamente) ist vor allem für Patienten mit leichten und mittelgradigen Depressionen belegt. Bei schwer ausgeprägten Symptomen ist die psychotherapeutische Behandlung allein oft nicht ausreichend. Eine Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten zeigt dann eine bessere Wirkung. Welche Therapieformen gibt es? Es gibt verschiedene Psychotherapieverfahren. Die Kosten werden von den Krankenkassen für Verhaltenstherapie, Psychoanalytische Therapie und Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie übernommen. Welche Therapieform hilft mir? Alle von den Krankenkassen bezahlten Verfahren können bei Depressionen wirksam sein. Die meisten Untersuchungen zur Wirksamkeit gibt es bei der Verhaltenstherapie, die wenigsten zur Psychoanalytischen Therapie. Welche Therapieform zum Einsatz kommt, hängt von den Problembereichen und Vorlieben des Patienten ab und den Methoden, die der Therapeut anbietet. Eine wichtige Voraussetzung einer Psychotherapie ist – unabhängig vom Verfahren – das Vertrauen zwischen Patient und Therapeut. Es hat einen großen Einfluss auf das Behandlungsergebnis. Nutzen und Vorteile In 14 internationalen Studien [3-16] haben depressive Patienten (meist mit mittelgradigen Depressionen) entweder Verhaltenstherapie oder eine Behandlung mit Antidepressiva erhalten. Die Behandlung dauerte 8 bis 20 Wochen. 1 Bei wie vielen Patienten, die die Behandlung zu Ende geführt haben, haben die Erkankungssymptome nachgelassen? Verhaltenstherapie Bei 50 von 100 Patienten haben nach Ende der Verhaltenstherapie die Erkrankungssymptome nachgelassen. Therapie mit Antidepressiva Bei 45 von 100 Patienten haben nach Ende der Behandlung mit Antidepressiva die Erkrankungssymptome nachgelassen. Sowohl Verhaltenstherapie als auch Antidepressiva sind wirksam: Bei beiden Behandlungen sind die Symptome wie zum Beispiel gedrückte Stimmung, Interessenverlust, erhöhte Ermüdbarkeit bei rund der Hälfte der Patienten komplett zurückgegangen. Wie viele Patienten blieben nach Abschluss der Behandlung ohne Rückfall? Die Patienten wurden sechs Monate bis zwei Jahre nach der Beendigung einer 8- bis 20-wöchigen Behandlung befragt [19]. Psychotherapie 73 von 100 Patienten blieben nach Beendigung der Psychotherapie ohne Rückfall. Therapie mit Antidepressiva 43 von 100 Patienten blieben nach Beendigung der Therapie mit Antidepressiva ohne Rückfall. Psychotherapie hilft langfristig: Im Vergleich zur medikamentösen Behandlung mit Antidepressiva erkranken Betroffene nach Ende einer Psychothrapie seltener wieder. 2 Risiken und Nachteile • Die Wirkung tritt erst nach ungefähr acht bis zehn Wochen ein. • Psychotherapie beansprucht Zeit und Energie (wöchentliche Termine, eigene Mitarbeit). • Manchmal werden Sie mit Sichtweisen auf das eigene Leben konfrontiert, die zunächst unangenehm sein können. Es kann daher vorkommen, dass sich die Beschwerden vorübergehend verschlimmern. • Oft haben Psychotherapeuten lange Wartezeiten, sodass die Behandlung nicht sofort begonnen werden kann. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen. Oft müssen Sie mehrere Therapeuten anrufen, bevor Sie einen Platz finden. Welche anderen Behandlungen kommen noch infrage? Bei Patienten mit leichten Depressionen kann auch das sogenannte „Beobachtende Abwarten“ gewählt werden. Dabei beginnt zunächst keine Behandlung, ein Arzt beobachtet regelmäßig, ob sich die Beschwerden verändern. Bei mittelschweren Depressionen kommt auch eine alleinige Behandlung mit Antidepressiva infrage. Für Menschen mit schweren Depressionen ist die Kombination aus medikamentöser Behandlung und Psychotherapie am besten geeignet. Weiterhin gibt es ergänzende Behandlungsformen wie Bewegung/Sport, Lichttherapie, Wachtherapie, Peer-Beratung und Selbsthilfegruppen. Zusammenfassung der wichtigsten Fakten • Psychotherapie ist wirksam und hilft langfristig. • Eigene Stärken können erkannt und ausgebaut werden. • Kurzfristig ist Psychotherapie in etwa genauso wirksam wie Antidepressiva. • Bei schweren und auch bei chronischen Depressionen ist oft die Behandlung mit Psychotherapie allein nicht ausreichend, eine zusätzliche Behandlung mit einem Antidepressivum ist empfehlenswert. • Bei mittelgradigen bis schweren Depressionen setzt die Wirkung psychotherapeutischer Behandlung in der Regel etwas später ein als bei einer Behandlung mit Medikamenten. • Psychotherapie beansprucht Zeit und Energie. Eine Entscheidungshilfe, die Sie Schritt für Schritt bei der Wahl der für Sie richtigen Behandlung unter- stützt, finden Sie auf den Seiten von psychenet.de: http://entscheidungshilfen.psychenet.de Zusätzliche Informationen Diese Faktenbox wurde erstellt in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf – Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Arbeitsgruppe „Patientenbeteiligung bei medizinischen Entscheidungen“ sowie dem Projekt psychenet – Hamburger Netz psychische Gesundheit – Teil-projekt II „Interaktives Internetportal“ – gefördert vom Bundesbildungsministerium für Bildung und Forschung (BMBF) – Förderkennzeichen 01KQ1002B. 3 Autoren Sarah Liebherz (Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin) Dr. Jörg Dirmaier (Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut) Prof. Dr. Dr. Martin Härter (Arzt, Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut) Dr. Alessa von Wolff (Diplom-Psychologin) Angaben zur Aktualität und Gültigkeit Diese Faktenbox wurde im Februar 2014 erstellt, eine Aktualisierung ist für Februar 2015 geplant. Weiterführende Informationen www.psychenet.de www.versorgungsleitlinien.de/patienten/pdf/nvl-depression-patienten.pdf www.gesundheitsinformation.de/depression.2125.de.html Verwendete Quellen Alle Informationen entsprechen dem aktuellen Stand der Forschung und wurden aus den aktuellen Versorgungsleitlinien (http://www.depression.versorgungsleitlinien.de) entnommen, die von Vertretern vieler Fachgesellschaften erarbeitet wurde [1, 2]. Ergänzend wurden weitere aktuelle wissenschaftliche Arbeiten einbezogen, die nach dem Erscheinen der Leitlinie veröffentlicht wurden. Referenzen [1] D GPPN, BÄK, KBV et al. S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Kurzfassung. 1. Auflage 2009. Berlin, Düsseldorf: DGPPN, ÄZQ, AWMF [2] D GPPN, BÄK, KBV et al. PatientenLeitlinie zur Nationalen VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression, Version 1.0 24. August 2011 [3] B agby MR, Quilty LC, Segal ZV et al. 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