Dynamische Gebäudesimulation

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Dynamische Gebäudesimulation
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MCE hat im Rahmen eines von der
Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft geförderten Projektes die
Software VisualEnergy entwickelt.
Bilder: Johann Ployer/MCE Anlagenbau Austria
Probleme und Lösungsansätze
Für Komfort und Wirtschaftlichkeit
Dynamische
Gebäudesimulation
Dynamische Gebäudesimulation nutzt die Leistungsfähigkeit
moderner Computertechnologie, um Bauwerke komfortabler
und wirtschaftlicher zu gestalten, als das mit konventionellen
Methoden möglich wäre.
I
n der dynamischen Gebäudesimulation werden unter Umwelteinflüssen die physikalischen Vorgänge in der Gebäudehülle, die Bedürfnisse und das Verhalten der Gebäudebenutzer sowie die Funktion der
Gebäudetechnik gleichzeitig in einem
Computermodell untersucht. Die Betrachtung beschränkt sich dabei nicht
auf Extremfälle – etwa heißester oder
kältester Tag – sondern umfasst einen
längeren Zeitraum – typischerweise
einen Jahreszyklus.
Stärken und Vorteile
Mit Hilfe der dynamischen Gebäudesimulation können Bauphysik und Eigenschaften technischer Einrichtungen wirklichkeitsnah berücksichtigt
werden. In einer Zeit, in der Klimakapriolen zum Alltag gehören, ist die
Fähigkeit hervorzuheben, aktuelle,
standortspezifisch gemessene Wetterdaten zu berücksichtigen. Stärken zeigen sich auch bei der Analyse der
Auswirkungen von Sonnenstrahlung
auf das Klima im Bauwerk. Ihre Be-
einflussung durch Fenster und Lichtlenksysteme kann ebenso realistisch
abgebildet werden wie die gegenseitige Beschattung von Gebäuden und
Gebäudeteilen. Zeitlich veränderliche
Einflüsse wie Wetter oder variable
Nutzung und die speichernde Wirkung von Baustoffen werden erfasst.
Die gleichzeitige Betrachtung verschiedener Systeme zeigt Wechselwirkungen auf – z. B. zwischen Sonnenschutz und Kühlsystem. Die Rechnung liefert Hinweise auf Komfort, Investitions- und Betriebskosten. Die
Berücksichtigung der gegenseitigen
Einflüsse ist der Schlüssel zur Optimierung des Gesamtsystems Gebäude, Gebäudenutzer und Gebäudetechnik.
Der vom Gebäudenutzer empfundene
Komfort lässt sich quantifizieren. Der
höhere Nutzen durch Komfortsteigerung kann monetär bewertet und in
die Optimierung des Gesamtsystems
einbezogen werden. Damit können
Gebäude mit bestmöglichem KostenNutzen-Verhältnis geschaffen werden.
Nichts ist umsonst. Der Preis für die
Stärken der dynamischen Gebäudesimulation liegt im hohen Aufwand, eine Fülle fundierter Daten zu beschaffen und zu verarbeiten. Der dafür notwendige Zeithorizont übersteigt den
üblicherweise in der Wirtschaft verfügbaren Rahmen bei weitem.
MCE hat deshalb im Rahmen eines
von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft
geförderten
Projektes in mehrjähriger Arbeit die
Software VisualEnergy entwickelt, die
die Modellierung mit intensiver Datenbankunterstützung
weitgehend
automatisiert und entsprechend beschleunigt. VisualEnergy verbindet
und erweitert die Möglichkeiten vorhandener Speziallösungen zu einem
integrierten Gesamtpaket mit komfortabler graphischer Ausgabe. Die
damit gewonnene Zuverlässigkeit und
Zeitersparnis ist die Basis für eine
Analyse komplexer Gebäude im täglichen Geschäft, wobei die erfolgreiche
Anwendung nach wie vor Ideenreichtum und langjährige Erfahrung erfordert.
Wirtschaftlichkeit
Eine hochgradig automatisierte Simulation erlaubt, eine Fülle geometrischer Varianten der Gebäudehülle zu
analysieren. Sie macht die Auswirkungen unterschiedlicher Formen und
Baustoffe auf den Energieverbrauch
transparent.
Der lange Betrachtungszeitraum zeigt
die tatsächliche Nutzungsdauer der
verschiedenen Systeme im Lebenszyklus. Die Priorität für selten gebrauchte Einrichtungen kann auf
niedrige Investitionskosten, jene für
häufig gebrauchte Anlagen auf sparsamen Energieverbrauch gelegt werden. Über die Lebensdauer betrachtet, erweisen sich die Betriebskosten
eines Bauwerkes als entscheidender
Kostenfaktor, der Investitionsaufwand
tritt in den Hintergrund.
Komfort
Das Rechenmodell liefert zu jedem
Zeitpunkt den Raumluftzustand und
beleuchtungstechnische Daten für
beliebige Orte im Gebäude. Zusammen mit Angaben über das Nutzerverhalten lassen sich die Ergebnisse
zu Komfortaussagen verdichten.
Um höhere Komfortstandards zu erfüllen, sind bauliche oder technische
Maßnahmen notwendig. Die InvestiÖsterreichs einzige spezialisierte Fachzeitschrift für
die Bereiche Heizung, Lüftung, Klima- und Kältetechnik
Heizung Lüftung Klimatechnik – 10/2006
Heizung
Lüftung
Klimatechnik
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tions- und Betriebskosten dafür sind
der Preis für den Komfort.
Umgekehrt wirkt sich reduzierter
Komfort negativ auf die Erlösseite
aus. Abweichungen vom optischen
Raumklima bedeuten verringerte Arbeitsleistung und damit weniger Umsatz. Kurz – weniger Komfort bedeutet
weniger Einnahmen für den Gebäudebetreiber.
Diese Zusammenhänge zwischen Kosten und Erträge lassen sich quantifizieren. Die Gebäudesimulation liefert
dazu die notwendigen Daten. Mit der
monetären Bewertung von Komfort
gewinnt die traditionelle Wirtschaftlichkeitsbetrachtung eine neue Dimension.
Dynamische Gebäudesimulation
im Lebenszyklus eines Gebäudes
Im Entwurfsprozess sind alle Optionen offen. Die dynamische Gebäudesimulation liefert die notwendigen
Entscheidungshilfen für Projektentwickler, Investoren und Architekten,
um auf fundierter Grundlage neue
Bauwerke zu gestalten. Die Weichenstellungen, die in dieser Phase getroffen werden, beeinflussen nachhaltig
Komfort und Wirtschaftlichkeit des
Objektes.
In der Errichtungsphase, sind die
richtungweisenden Festlegungen bereits getroffen, der Spielraum ist beschränkter. Dennoch gibt es Möglichkeiten in der detaillierten Systemund Materialwahl, Investitions- und
Betriebskosten maßgeblich zu beeinflussen. Die Qualität regelungstechnischer Vorgaben ist ein entscheidender
Faktor für Komfort und Wirtschaftlichkeit, der erst durch dynamische
Analysen seriös in den Griff zu bekommen ist.
Der Betrieb zeigt, dass die in bestehenden Gebäuden realisierten technischen Lösungen in den seltensten
Fällen ideal sind. Die dynamische Gebäudesimulation liefert den Betreibern von Bauwerken die notwendigen
Hinweise, wie und in welchem Ausmaß Komfort und Wirtschaftlichkeit
der Objekte zu verbessern sind.
Österreichs einzige spezialisierte Fachzeitschrift für
die Bereiche Heizung, Lüftung, Klima- und Kältetechnik
Heizung
Lüftung
Klimatechnik
10/2006 – Heizung Lüftung Klimatechnik
VisualEnergy
verbindet
und erweitert
die Möglichkeiten vorhandener
Speziallösungen zu einem
integrierten
Gesamtpaket
mit komfortabler
graphischer
Ausgabe.
Beispiele
Die Anwendung der Gebäudesimulation in einem Bürogebäude zeigt, dass
sich der Kühlenergiebedarf bei entsprechender
konstruktiver
Ausführung der Kühldecke durch Nutzung von Speichereffekten um 10%
reduzieren lässt.
Ein anderes Ergebnis liefert Hinweise,
dass die geplanten horizontalen Beschattungselemente eines Bürogebäudes bei flachem Sonnenstand versagen. Komforteinbußen durch Überwärmung im der kalten Jahreszeit
sind die Folge.
Die Analyse eines bestehenden Bürogebäudes weist darauf hin, dass sich
die Behaglichkeit durch Kühlung der
Raumluft massiv steigern lässt. Die
Daten deuten auf aktuelle Einbußen
an Arbeitsleistung in der Größenordnung von 1 Mio. EUR/a, die mit geringem Aufwand beseitigt werden können.
Bei praxisüblicher Auslegung wird
aufgrund des hohen Aufwandes auf
eine Berücksichtigung der gegenseitigen Beschattung von Gebäudeteilen
verzichtet. Damit kommt es zu einer
Fehleinschätzung der Kühllast, die in
einem konkreten Fall für die unteren
Gebäudegeschosse bis zu 100% der
tatsächlichen Last beträgt. Die genaue
Analyse bringt in diesem Fall erhebliche Einsparungen an Kosten technischer Anlagen.
Zusammenfassung
Die dynamische Gebäudesimulation
erlaubt es heute, komplexe Bauwerke
mit aufwändiger Technik mit vertretbarem Zeitaufwand wirklichkeitsnah
nachzubilden und zu analysieren. Die
Rechenergebnisse zeigen Wege zur
optimalen Abstimmung des Gesamtsystems Gebäudehülle und technische Einrichtungen unter Berücksichtigung der Nutzerbedürfnisse. Die dynamische Gebäudesimulation ist damit ein Schlüssel zur Optimierung
von Investitions-, Betriebs- und Lebenszykluskosten.
Johann Ployer,
MCE Anlagenbau Austria, Wien,
www.mce-ag.com
Die dynamische Gebäudesimulation erlaubt es heute,
komplexe Bauwerke mit aufwändiger Technik mit
vertretbarem Zeitaufwand wirklichkeitsnah nachzubilden
und zu analysieren.