Schwarzwald_Strasbourg

Transcrição

Schwarzwald_Strasbourg
Schwarzwald_Strasbourg
Reportagen
... UND WO ZUM KUCKUCK IST DIE ORTENAU?
Andere machen
Tagungen…
Editorial
OrtenauREPORTAGEN
… also, das sei doch eine Zumutung, sagte mir meine
Art-Directorin Simone Vollmer, und sowas mache
doch heute kein Mensch mehr: „Na ja, außer Ihnen!“
...wir machen
CONFERTAINMENT!
NEU in 2017: die neue Europa-Park Arena
Multifunktionale Event- & Medienhalle
950 Zimmer und Suiten in den fünf
4-Sterne-Hotels des Europa-Park
30 Räumlichkeiten von 26 bis 2.900 qm
Vielzahl an Restaurants, Bars, Bistros,
ein Wein- und ein Brauereikeller
Insgesamt mehr als 13.000 qm
Veranstaltungsfläche
Vielfältiges Raumangebot in
themenorientiertem Ambiente
Große Auswahl an Unterhaltungsangeboten
Professionell tagen ...
Spaß haben ...
Und den Europa-Park live erleben …
Spannende Incentive-Angebote
18-Loch-Meisterschafts-Golfplatz
Kompetente Beratung, Organisation und
Service, persönliche Eventbetreuung
den Abend genießen ...
und traumhaft übernachten.
Deutschlands größter Freizeitpark.
Sowas – das sind Magazinseiten ohne Bilder, Seiten,
auf denen man konzentriert eine ganze Seite Text
lesen muss. Sowas gibt es tatsächlich noch in diesem
Heft. Wenn Sie in Büchern, die man Ihnen schenkt,
nichts als den Klappentext lesen, den aus Zeitgründen
allerdings auch nur diagonal, dann meiden Sie bitte
nachfolgend die Seiten 24, 30, 34, 70 und 79.
Dass die dennoch im Heft sind, hängt einfach damit
zusammen, dass die Studierenden der Burda Journalistenschule (BJS), mit Unterstützung ihrer Dozenten
Maximilian Gaub und Fabrice Braun, sehr lesenswerte
Geschichten über Menschen der Region geschrieben
haben. Wobei aus der Region auch mal München
heißen kann und mal New York; Geschichten über
erfolgreiche Jungunternehmer, die es vom Oberrhein
genau dorthin verschlagen hat.
New York City dehnt sich übrigens nur auf
789 Quadratkilometern aus, das ist nicht mal die
Hälfte der Ortenau; 42,6 Prozent, um genau zu sein.
Auch ein paar andere Dinge unterscheiden New York
von der Ortenau. Wenn im Schnitt der Jahre hier jeden
Tag ein Mensch ermordet würde, käme uns das
wahrscheinlich zu viel vor. Als zuletzt in New York
elf Tage hintereinander niemand umgebracht wurde,
schrieb die WELT bereits von einer „friedvollen,
beinahe gemütlichen Stadt“. Das ist eine
Gemütlichkeit, die ich nicht unbedingt brauche.
Die Ortenau, das ist, falls Sie zu den zwei Prozent
gehören, die das immer noch nicht wissen, die Region
am Oberrhein gegenüber von Straßburg. Hier lohnt
es sich zu leben und zu arbeiten – Arbeit und Leben
sollen hier sogar befreundet sein –, und sicherer
als in New York ist es noch dazu. Und industriestark,
waldig, weinbergig, kulturell anregend und nur
wenige Minuten von Frankreich entfernt. Und gerade
mal zwei Stunden von Paris weg, falls wir mal eine
richtige Großstadt brauchen.
Das kann ja kein Zufall sein. Als die 19 Autoren
dieses Magazins „ihre“ Ortenau beschreiben sollten,
ging es um Themen wie Aufbruch, Unternehmens-
2
Sprechen Sie uns an – wir freuen uns über Ihr Interesse:
[email protected] · www.confertainment.de
Europa-Park-Str. 2 · 77977 Rust · Telefon +49 7822 77-14400
gründer, Tradition und gute Produkte. Da wären
selbst den regionalen Standort-Marketern von der
Wirtschaftsregion Ortenau (WRO) kaum positiver
besetzte Themen eingefallen.
Die Vielfalt der Ortenau wird abgebildet. Und da
gehören nicht nur das Internet-Start-up Holidu
der Siebers-Brüder dazu, die so eine Art Google
für Ferienwohnungen entwickelt haben, sondern
auch der Taubenzüchter aus Schmieheim, der
nicht fotografiert werden will.
Da gehört der Fotograf Stefan Wehrle dazu, dessen
Schwarzwaldmädels, wenn ich sie denn so nennen
darf, sicher keine Schwarzwälder Kirschtorte
mehr backen können. Die Konditormeisterin
Giulia Boschert aus Oberkirch macht das dagegen
jeden Tag.
Alles liegt hier nah beieinander. Wie groß ist denn
der Unterschied zwischen der Modebloggerin
Claudia Zakrocki, die 35.000-Instagram-Follower hat,
und der Bollenhut-Macherin Gabriele Aberle, die
schon so etwas wie ein Smartphone und eine
Mail-Adresse für ziemlich überflüssig hält? Der
Unterschied ist deshalb nicht besonders groß, weil
jede der beiden von ihrer Zielgruppe jeweils bestens
erreicht wird.
Und dem über 80-jährigen Winzer Heinrich Männle
habe ich auf den Seiten 14 und 15 etwas jüngere
Frauen gegenübergestellt, das DJane-Duo „Shelectric“,
Alexandra Herrmann und Melanie Allgaier.
Auf den beiden Seiten müssen Sie übrigens nicht
einmal etwas lesen.
Manfred Hammes
P.S. Mein besonderer Dank geht wieder
mal an Nikolaus von der Decken, der die
Burda Journalistenschule (BJS) leitet und
der einfach mal „Ja“ gesagt hat zu diesem
Projekt. Unkomplizierter und effektiver
kann Zusammenarbeit nicht sein.
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O R T E N A U R E P O R T A G E N | inhalt
INHALT
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Editorial
5Karte
Und wo zum Kuckuck ist
die Ortenau.
IMPRESSIONEN
6Die Jahreszeiten und ihre Menschen
Von Ulrich Marx, Nina Kuhn,
Robert Schwendemann und
Oliver Rath.
FUSSBALL
18 Eine für Alle, und Alle für Eine
Warum die Kleinen mit den Großen mithalten können.
START-UPs
23Der Traum des Torwarts
Warum der wahre T1TAN aus
der Ortenau kommt.
TRADITION
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„Wir haben den Hut, wir haben
das Glück“
Warum Gabriele Aberle jeden Tag
an einer Weltmarke arbeitet.
BLACK FOREST RELOADED
30 Schwarzwald 4.0
Wie der Schwarzwald sich
gerade neu erfindet.
FASHION
34 Stil-Vorbild aus dem Schwarzwald Wie Claudia Zakrocki sich zur
Marke stylt.
START-UPs
37Auf eigenen Beinen
Wie Ortenauer Jung-Unternehmer selbst in der TV-Höhle der Löwen bestehen.
VIRTUAL REALITY
63Auf dem Rücken des
purpurnen Drachen
Warum der Europa-Park mal
wieder seiner Zeit voraus ist.
IMPRESSIONEN
41 Wie Günther Petry schöne Natur und Michael Habura schöne
Industrie fotografieren.
START-UPs
66 Ein Google-Spezial
Warum Holidu für jeden die
richtige Ferienwohnung findet.
MÄNNLEs
44 Wetterrobuste Wein-Tradition
Wer in der Ortenau Männle heißt,
macht guten Wein.
TRADITION
70Ortenauer Zigarren
Warum „Herr Lehmann“
auch eine Frau sein kann.
WEIBLEs
46 Starke Frauen, starke Biere
Warum die Zeiten vorbei sind,
in denen das Bier Mönchs- und
Männersache war.
VOICE
NEW YORK
50 Über die Brooklyn Bridge
in den Black Forest
Warum Sie sich in 733, Fulton Street wie zuhause fühlen können.
52 15MAL WAS GUTES – TIPPS
Tapas und Alpakas aus dem Schwarz
wald. Das ZMF aus Freiburg, DJanes teilweise aus der Bildungsregion. Daydreams aus BurdaTown.
Feingeister, Zucker und Seide. Barista für alle. Der Ort, wo Medizin
mit einem spricht. Warum das Runde ins Runde muss und der Ober
rhein grenzenlos kulinarisch ist. Sowie die große Lust eines ein
zelnen, älteren Herrn, allerdings die LustaufProvence.de
SZENIK.EU
58Das Beste der Bühnen am Oberrhein
Wie Hoch- und Szenekultur
jeden Tag ins Videoportal kommen.
TRADITION
60Die Tauben von Schmieheim
Warum auch die Taubenzucht
ein harter Wettkampfsport ist.
73Der Traum von der Karriere
als Musikerin
Warum Desirée Lobé tough sein
muss und fighten will.
HUND UND MENSCH
75 Flyball: Mit Harmonie zum Erfolg
Warum mit Zwang gar nichts geht.
HIP-HOP
78 Grenzenloses 2erPasch
Wie mit Hip-Hop die Zweisprachig
keit gefördert wird.
ARBEIT
80 Jobs finden per Web-Videos
Wie der Rhein nicht länger eine Arbeitsmarktgrenze bleiben muss.
X-MAS
82 Keine weiße Weihnacht mehr
Warum das Gengenbach, der
Dorotheenhütte und dem Europa
Park wenig ausmacht.
86Autoren
87Impressum
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ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | impressionen
Typischer Fall von
Start-up in der Ortenau.
Aber nicht nur im
Frühling. Foto: Manfred Hammes
Zahlreiche weitere
junge Unternehmen
finden Sie in diesem
Heft.
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ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | impressionen
Die Ortenau: Das heißt
immer auch Straßburg.
Foto: Robert Schwendemann
Und zwar nicht nur
im Sommer und bei
guter Sicht.
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ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | impressionen
Die Ortenau:
Immer positiv.
Foto: Robert Schwendemann
Denn der Herbst ist der
Frühling des Winters.
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ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | impressionen
Winter in der Ortenau.
Foto: Robert Schwendemann
Die beste Zeit, um
mit der Ofenbank zu
fusionieren.
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ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | impressionen
Und das Sprichwort hat doch recht:
Alter Wein und junge Weiber
sind die besten Zeitvertreiber.
Mehr über Heinrich Männle
auf Seite 45.
Mehr über Shelectric
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Foto: Oliver Rath
Foto: Ulrich Marx
auf Seite 59.
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ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | impressionen
Alles andere als Kaffeehaus-Geschrammel:
Sarah Connor mal
wieder in der Region.
Mehr über Jens Arnold,
Sarah Connor und das ZMF
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Foto: ZMF_Nina Kuhn
Foto:
Foto: ???
Ulrich Marx
auf den Seiten 54 und 57.
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ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | FUSSBALL
Eine für alle,
alle für eine
In der Frauenfußball-Bundesliga findet sich neben bekannten
„Männer“-Vereinen, wie dem FC Bayern München und dem VfL Wolfsburg,
ein viel kleinerer Fußballklub. Aus Willstätt-Sand, einem Örtchen mit
nur knapp 1600 Einwohnern, kommt der SC Sand. Doch wie
schafft es ein so kleiner Verein, mit den Großen mitzuhalten?
Ein Team mit einer ganz besonderen Erfolgsgeschichte.
Fotos: Ulrich Marx
Von Berta Leinweber
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E
Eine Kunstrasenfläche nimmt den Großteil des
Kühnmatt-Stadions ein. Zwei kleinere Tribünen,
auf denen jeweils knapp hundert Zuschauer
Platz finden, stehen hier. Die Besucher, die sich
ein Testspiel des SC Sand anschauen wollen, stehen in
unmittelbarer Nähe zum Geschehen. Die Freilaufzone, die
den Rasen vom Zuschauerraum trennt, beträgt nur wenige
Zentimeter. Aufeinandergestapelte Bierkästen dienen als
improvisierte Theke, an der Getränke ausgeschenkt werden.
Vor dem kleinen Vereinshaus werden in einer Ecke
Fanartikel des Vereins verkauft.
Von allen Seiten leuchten blau-weiße Schals und Fahnen,
fast wie „auf Schalke“. Mit seiner Kapazität von maximal
2000 Zuschauern ist das Stadion des SC Sand das kleinste
der Frauenfußball-Bundesliga. Das Stadion in Essen beispielsweise fasst rund 20 000 Zuschauer. Doch das stört die
Sander Frauen nicht. Der kleine Verein hält sportlich mit
den Großen mit und hat zwei Jahre nach dem Aufstieg in die
Erste Liga sogar das Pokal-Endspiel erreicht; die Bayerinnen
aus München wurden besiegt nach Hause geschickt, obwohl
deren Jahresetat ein Mehrfaches beträgt. Geld schafft zum
Glück doch nicht alles. Hier kämpft David gegen Goliath.
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O R T E N A U R E P O R T A G E N | FUSSBALL
Was aber muss ein so kleiner Verein wie
der SC Sand leisten, um mithalten zu
können? „Es ist das Familiäre, die Nähe,
was uns von anderen Mannschaften
unterscheidet. Die Fans stehen praktisch
direkt am Spielfeld. Bei uns ist alles
viel geballter und emotionaler“, erzählt
Anne van Bonn, Mittelfeldspielerin der
Mannschaft. „Alles geht Hand in Hand.
Jeder packt mit an.“ Das ist nicht nur eine
Floskel. Den verschneiten Kunstrasen an
diesem Januartag befreien die Spielerinnen vor dem Vorbereitungsspiel
gegen die männlichen B-Junioren des
SC Bahlingen zusammen mit Trainer
Alexander Fischinger und Co-Trainerin
Claudia von Lanken.
Spiele gegen männliche Junioren- oder
Seniorenmannschaften sind mittlerweile
fester Bestandteil in der Vorbereitungsphase. Hierbei üben sich die Spielerinnen
besonders in der Schnelligkeit und im
Zweikampf. „Da wir in der höchsten Liga
Fashion | O R T E N A U
spielen, gibt es im Umkreis nicht so viele
Damenmannschaften, die sportlich auf
unserem Niveau liegen“, erklärt Stürmerin Christine Veth. „Um uns aber weiterzuentwickeln, müssen wir uns Gegner
suchen, die uns fordern. Da liegt es
nahe, gegen gute Männermannschaften
aus dem Umkreis anzutreten.“
Alles beginnt im Jahr 1979 mit einer
Hobbymannschaft. Zwei Jahre nach der
Gründung eines festen Kaders werden
erste Erfolge erzielt: Meister der Bezirksliga und später der Gewinn der Südbadischen Meisterschaft. 1996 steigt der
Verein in die Bundesliga auf und sichert
sich den sechsten Platz. Nach der Verkleinerung der Frauen-Bundesliga scheiden
die Damen jedoch aus der Liga aus.
Doch davon lassen sie sich nicht
aus der Bahn werfen: Oberliga-Aufstieg
und Regionalliga, bis 2014 dann
erneut der Aufstieg in die FrauenBundesliga gelingt. Erst am letzten Spieltag schafft die
Mannschaft mit dem 1:0 gegen Leverkusen den Klassenerhalt. In der
71. Minute schießt Ilaria Mauro das Tor.
Sportlich kann der Verein mit den
anderen mithalten, finanziell geht das
nicht. Während der FC Bayern München
vor den kalten Temperaturen flieht
und sein Trainingslager nach Spanien
verlegt, bleibt der SC Sand in Deutschland. „Wir versuchen unseren Etat
sinnvoll zu nutzen: Übernachtungen
in Fünf-Sterne-Unterkünften vermeiden
wir, und unsere Trainingslager finden
nicht im Ausland statt. Wenn Geld
dazukommt, finanzieren wir lieber ein
schönes Teamevent“, setzt Co-Trainerin
von Lanken Prioritäten.
Daher kauft der Verein auch keine
Spielerinnen ein, sondern lockt mit
anderen Vorzügen, wie dem direkten
Kontakt zu Sponsoren und Fans. >>
>>
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START-Ups | O R T E N A U R E P O R T A G E N
Foto: Ulrich Marx
O R T E N A U R E P O R T A G E N | FUSSBALL
Der Traum
des TorwarTS
Zwei Hobby-Fußballer aus der Ortenau
verkaufen mit ihrer eigenen Marke „T1tan“
Torwarthandschuhe mit hoher Qualität
zum günstigen Preis. Durch digitale Vertriebswege und Marketingstrategien haben sie
sich einen Traum erfüllt. Es dauerte nicht
lange, bis auch eine deutsche Torwart-Legende
auf sie aufmerksam wurde. Von Andreas Marx
So stehen hinter der finanziellen
Unterstützung immer auch Menschen
und nicht nur Unternehmen. Auch die
Fans freuen sich über den Kontakt zu
ihren Idolen. Wieder gilt: „Bei uns steht
der familiäre Charakter im Vordergrund,
die ländliche Umgebung“, stellt
von Lanken klar. „Mit dem Klassenerhalt
in der letzten Saison haben wir uns
außerdem sportlich für potenzielle
Spielerinnen interessant gemacht.
Aber wir punkten auch mit Seriosität,
Fairness und unserem Teamgeist.“
Vor allem mit Teamgeist.
Der Zusammenhalt der Mannschaft
ist der zentrale Erfolgsfaktor. Der Aufstieg in die Bundesliga und der Klassenerhalt am letzten Spieltag haben die
Mannschaft zusammengeschweißt.
„Der Unterschied zur letzten Saison ist,
dass die Gruppe besser zusammenpasst.
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Wir haben keine Spieler, die besonders
herausragen. Die Leistung jeder Einzelnen im Kader ist wichtig. Wir treten
füreinander ein“, so Abwehrspielerin
Julia Zirnstein. Von einem starken
Zusammenhalt sind auch die Fans der
Mannschaft geprägt. Anfang des Jahres
2016 wurde der „SC Sand Frauen
Fanclub“ gegründet, der die Spielerinnen bei den Spielen mit Trommeln
und Fahnen anfeuert. „Die Chemie
zwischen Fans und Spielerinnen stimmt,
und deshalb unterstützen wir den Verein
so gut wir können“, berichtet Anja Eiselt,
Mitglied im Fanclub. „Wir sind sehr
stolz, damit unseren Beitrag zum Erfolg
zu leisten.“
Mittlerweile nehmen auch die großen
Vereine der Liga den Fußballklub aus
der Ortenau ernst. „Der Kader wurde
mit einigen gestandenen Spielerinnen
sinnvoll verstärkt“, stellt Thomas Wörle,
Chef-Trainer des FC Bayern, fest.
„Mehr als bemerkenswert sind die Auswärtssiege gegen die Teams von Turbine
Potsdam und in Wolfsburg.
Dieses Erlebnis ist fast 15 Jahre her, doch
auch heute unterscheiden sich Torwarthandschuhe qualitativ und preislich:
Die Spanne reicht vom Billigmodell für 18 €
bis zum Profimodell von Reusch für 150 €.
Die Handschuhe in den Sportfachgeschäften
und an den Händen der Profis sehen zwar
gleich aus, haben aber einen unterschiedlichen Grip, fühlen sich besser an, sind
besser verarbeitet. „Außerdem sind sie
gesponsert. Ein Profi zahlt keinen Cent
dafür. Und der Amateur zahlt drauf.
Irgendwann beschloss ich, das zu ändern.“
Der Traum vom Fußballprofi wird zum
Traum eines eigenen Torwarthandschuhs.
Hochwertig und bezahlbar.
Gerade der Sieg gegen den absoluten
Topfavoriten aus Wolfsburg lässt aufhorchen und zeigt die Stärke dieses Teams.“
Und der Pokal-Heimsieg gegen die
Bayern, könnte man ergänzen . Dass der
SC Sand als ernst zu nehmender Gegner
wahrgenommen wird, war nicht immer
so. „ Ich weiß noch, als wir nach
Wolfsburg gefahren sind, wurden wir
ein bisschen belächelt, weil wir mit
dem Zug angereist sind. Da kommen
die Kleinen aus Sand, hieß es“, erinnert
sich von Lanken. Für das eingeschworene
Team kein Grund, den Kopf einzuziehen.
„Die Motivation im Team aus der
Unterschätzung durch die anderen
Mannschaften ist ein wichtiges
Phänomen. Eine erfolgreiche Aufstiegsrunde stärkt das Selbstvertrauen und
sorgt für Anfangsrespekt bei den
anderen Teams“, erklärt Sportpsychologe
Michael Gutmann. „Spannend wird es,
wenn das Team von den Gegnern nicht
mehr unterschätzt wird. Dann wird es
darauf ankommen, das Bild des unterschätzten Underdogs abzulegen und
den anderen Teams auf Augenhöhe
zu begegnen.“
Foto: Matthias Leibitz
Durch die Nähe kommen viele Förderer
zu den Heimspielen und bleiben
anschließend auf ein Gespräch mit den
Fußballerinnen.
Eine Erfahrung ist Matthias Leibitz besonders in Erinnerung geblieben: Als er 15 Jahre
alt ist, steht er in der B-Jugend-Auswahl des
SC Freiburg im Tor. Mit sechs Jahren schon
spielte er auf dieser Position. Wie die meisten Jungs in seinem Alter träumt auch er
davon, Profi zu werden. Einmal überreicht
ihm einer der Profis seine ausrangierten
Torwarthandschuhe. „Die Profi-Torhüter
spielten mit Sonderanfertigungen.
Die haben sich stark von meinen Modellen
unterschieden“, erinnert sich Leibitz.
„Das war ein Highlight für mich, aber
ich habe gemerkt, wie wenig Grip meine
Billigmodelle hatten und dass sie schlecht
verarbeitet waren.“ Muss das so sein?
Diese Frage lässt Leibitz nicht los.
Rückblick: Während seines BWL-Studiums
lernt er Manuel Meier kennen. Zusammen
schmieden sie den Plan, eine eigene Firma
zu gründen, so unabhängig wie möglich
zu sein und dafür die Möglichkeiten des
Internets zu nutzen. Sie brainstormen in
einer Kneipe, halten ihr Geschäftsmodell
auf einem Bierdeckel fest. Da erinnert
sich Leibitz an seine Zeit als Keeper beim
SC Freiburg und an den Traum des eigenen
Handschuhs. „Alle Torhüter wollen die
Handschuhe der Profis haben. Die aber gibt
es nur bei Ebay für 150 €, und im Laden nur
23
O R T E N A U R E P O R T A G E N | START-Ups
Schrott.“ Sie beschließen, Torwarthandschuhe herzustellen,
die gut und günstig sind, und gründen die Marke „T1tan“
in Anlehnung an Oliver Kahn. Der Traum wird langsam
Wirklichkeit.
Das Geschäftsmodell der Unternehmer ist ebenso erfolgreich
wie einfach – und lässt sich bequem von der Couch aus
durchführen. Ein Kunde, der auf ihrem Onlineshop ein Paar
Handschuhe kauft, erhält wenig später eine automatische
Auftragsbestätigung. Die Software registriert den Geldeingang
und schickt dem externen Logistiker automatisiert eine E-Mail
mit dem Auftrag. Der verpackt und verschickt schließlich
das Paket zum Kunden. „Wenn alles normal läuft, hat man
zwischen 24 und 48 Stunden das Paket“, sagt Leibitz.
Der Logistiker organisiert außerdem den Export der Materialien
nach Pakistan, da erst dort die Handschuhe produziert und
zusammengenäht werden. Die fertigen Exemplare importiert er
wieder und lagert sie bei sich ein. „Die Logistik ist unglaublich
komplex. Früher haben wir versucht, das selbst zu stemmen,
sind aber gescheitert. So haben wir den Stress nicht und mehr
Zeit für unsere Kernkompetenzen Produktentwicklung,
Vermarktung und Kundenservice.“ Den Rest erledigt der
Algorithmus.
Sie benutzen Materialien, die auch Mitbewerber wie Reusch
oder Uhlsport einsetzen. „Unsere Handschuhe verzichten auf
unnötigen Schnickschnack. Farbige Beläge der Innenflächen
oder komplizierte Verschlüsse machen sie nicht besser, aber
dafür teurer.“ Aus eigener Erfahrung weiß Leibitz, dass das als
Hobby-Torwart empfindlich ins Geld gehen kann, wenn pro
Saison drei oder vier Paare gekauft werden müssen. Deswegen
ist ihre Klientel auch der Amateur-Torwart von der Kreisklasse
bis in die Landesliga. Da Leibitz und Meier ohne Zwischenhändler agieren, können sie auch einen Preis ansetzen, der nur
halb so teuer ist wie bei einem Profihandschuh: „Wir liefern bei
gleicher Qualität für 55 Euro.“
Der automatisierte Arbeitsprozess erlaubt es Leibitz, den
Verkauf seiner eigenen Marke als Nebenjob auszuführen.
Eigentlich ist er Senior Market Manager bei der Firma Hobart
in Offenburg, die sich mit der Offenburger Firma MEIKO
den Weltmarkt für Profi-Spülmaschinen teilt. „Bei der
Einstellung hatte ich unsere Firma schon gegründet und
das auch so kommuniziert. Die sagten, dass das kein Problem
darstelle, wenn sich mein Geschäft und meine Arbeit nicht
in die Quere kommen“, sagt Leibitz. Ihre Firma haben die
Gründer zu einem vollautomatischen Selbstläufer aufgebaut.
Doch das war nicht immer so.
Nach der Gründung der Marke „T1tan“ gibt es schnell Probleme.
Ein ehemaliger Lieferant versucht die Jungunternehmer auszutricksen. „Die haben nicht die vereinbarte Qualität geliefert,
sondern minderwertige Ware. Mit unserem jetzigen Lieferanten
haben wir ein Vertrauensverhältnis, aber am Anfang mussten
wir Lehrgeld bezahlen. Das hat damals fast zur Einstellung
unseres jungen Unternehmens geführt.“ Ein anderes Mal zweifeln Leibitz und Meier so stark an ihrem Geschäftsmodell, dass
sie aufgeben wollen. Sie wussten nicht, wie sie ihren Bekannt-
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heitsgrad steigern sollten. Geld für große Werbeinvestitionen
war nicht vorhanden. Doch ihr geschickt gewählter Markenname erweist sich eines Tages als Glücksfall. Leibitz und Meier
werden in die Geschäftsstelle der Titaneon Media AG gebeten,
Oliver Kahns Firma in der Nähe des Münchner Olympiastadions.
Anfangs denken die jungen Unternehmer, dass eine Unterlassungsklage auf sie wartet, weil etwa ein Verstoß gegen Namenoder Markenrechte vorläge. Doch es kommt anders. Sie werden
gefragt: „Wie sieht’s aus, wollt ihr eure Firma verkaufen?“ Zwar
werden bei diesem Gespräch keine Zahlen genannt, doch Kahn
erklärt ihnen sein Geschäftsmodell, plant, nach Asien und Südamerika zu expandieren. „Wir hätten sicher keine überzogenen
Preisvorstellungen gehabt. Wichtiger wäre uns, weiter die
Produktverantwortung zu haben.“ Nach dem Gespräch verabschiedet sich der Titan mit den Worten: „Ich melde mich bei
euch.“ Das hat er bisher nicht getan.
Dennoch: Diese Erfahrung machte Meier und Leibitz Mut
weiterzumachen, nicht aufzugeben, besser zu werden.
Sie arbeiten professioneller, nutzen soziale Netzwerke und
verschicken ihre Handschuhe an Youtuber, die einem großen
Publikum neue Produkte vorstellen. Das Feedback ist stets gut,
Kundenrezensionen auf Amazon durchweg positiv.
Ludwig Hemmerle ist Torwart und spielt beim FSV Wehringen
bei Augsburg. Zusammen mit Fabian Pecher betreiben sie den
Youtube-Channel „Freestylekickerz“, einen beliebten Kanal
mit 21.000 Fans. Auch er ist überzeugt von ‚T1tan‘. „Wichtig
sind vor allem ein guter Grip und kein allzu großer Abrieb.
Ich mag es, wenn der Handschuh das natürliche Fang- und
Wurfverhalten nicht beeinträchtigt. Der Grip bei „T1tan“ ist
sehr gut, man merkt auf jeden Fall den Profihaftschaum, der
hält auch deutlich länger als bei den normalen Handschuhen.“
Vor Vergleichen mit den ganz Großen brauchen sich die Macher
von „T1tan“ also nicht scheuen, allerdings: Weder Uhlsport
noch Adidas haben von „T1tan“ jemals gehört. „Es gibt unzählige
Handschuh-Firmen“, heißt es von Reusch. „T1tan ist nicht im
Mindesten relevant für uns.“ Doch die Leistungskurve steigt
nach oben: Während die T1tan-Facebookseite im Jahr 2014
noch 1.000 Likes hatte, sind es 2016 schon 13.000.
Den Traum vom eigenen Handschuh hat sich Meier verwirklicht, doch sein Hunger ist nicht gestillt: „Wir wollen die Nummer eins im Vertrieb von Torwarthandschuhen im deutschsprachigen Raum werden. Der Deutsche Fußball-Bund ist der größte
Sportverband der Welt. Diesen Heimvorteil wollen wir nutzen.“
Die Nummer eins werden zu wollen ist für jemanden, der sie
jahrelang auf dem Rücken getragen hat und diese Ziffer auch im
Produktnamen inspiriert hat, fast eine Verpflichtung. Vielleicht
wird sich Oliver Kahn irgendwann ärgern, Leibitz und Meier
danach kein Angebot gemacht zu haben.
Einen Scoop konnten sie jedenfalls schon landen: So trug bei
den Olympischen Spielen 2012 zum ersten Mal ein Nationalkeeper die Marke „T1tan“ – und das ganz ohne Sponsoring.
Es war der Schlussmann der Vereinigten Arabischen Emirate
beim 1:3 gegen England; doch diesen Handschuh müssen sich
Leibitz und Meier nicht anziehen.
www.e-werk-mittelbaden.de
ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | TRADITION
„Wir haben den
Hut, wir haben
das Glück“
Er prangt auf LKWs, ist auf Tourismus-Messen omnipräsent und
fasziniert sogar die Kunst der Moderne: der Bollenhut. Hutmacherin
Gabriele Aberle ist mit dem Schwarzwaldsymbol nicht nur groß
geworden, ihr wurde die Tradition quasi in die Wiege gelegt
Von Alissia Lehle
G
Gabriele Aberle schaut aus der
Tür ihres alten Schwarzwaldhauses, lacht herzlich und
grüßt im alemannischen
Dialekt. Wie in einem Heimatfilm lehnt sie auf der unteren Hälfte der
alten schweren Holz-Klöntür, die für die
Häuser in der Region typisch ist. Sie trägt
Tracht. Alles passt zusammen, von der
weiß gemusterten Haube über die blaue
Schürze bis hin zu den schwarzen Trachtenschuhen. Sie wohnt idyllisch. Um ihr
Haus ist es verschneit.
Foto: Simone Boettcher-Murr
Gabriele Aberle stammt aus der Bollenhut-Gemeinde Gutach. Sie ist eine der
Letzten, die das Traditionshandwerk
der Bollenhut-Herstellung beherrscht.
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Der Bollenhut hat für die 61-jährige eine
lange Familientradition. Ihre Großmutter
hat sich das Wissen der Fertigung nach
dem Zweiten Weltkrieg selbst angeeignet und anschließend der Mutter von
Gabriele Aberle vermacht. Ihre Mutter
hat das Handwerk 1984 wiederum an
Gabriele Aberle weitergegeben. „Eigentlich will man als junges Mädchen nicht
in eine Schublade gesteckt werden. Aber
dadurch, dass ich im Ort geblieben bin
und immer einen Bezug zur Tracht hatte,
ist es mir leichtgefallen, das Handwerk
weiterzuführen. Aber es läuft unter
Hobby, das muss man dazu sagen“, sagt
Aberle, die nach der Schule eine Banklehre gemacht hat. Wem sie die Bollenhut-Fertigung beibringen wird, weiß
sie noch nicht. Ihre Tochter wohnt in
München. Aber ausschließen, dass die
Tochter einmal in vierter Generation weitermacht, will sie nicht. Interessentinnen
aus Gutach gäbe es genug. „Ich möchte es
aber nur an eine einzige Person weitergeben. Aus dem Grund, dass der Hut gleichbleibt. Jede Hutmacherin bringt auch eine
persönliche Note mit ein. Die Gefahr, dass
der Bollenhut zu unterschiedlich wird,
ist sonst zu groß.“
Eine kleine Stube in dem Haus von
Gabriele Aberle ist dem Bollenhut gewidmet. Eine Wand ist mit fünf Bollenhüten
geschmückt, drei rote, zwei schwarze.
Ein Hut ist bereits über 100 Jahre alt.
Seine aufgenähten Bollen sind noch
wesentlich kleiner, auch die typische
Kreuzform ist besser zu erkennen. Neben
den Hüten hängen Fotos aus Gabriele
Aberles Jugend. Sie in jungen Jahren mit
rotem Bollenhut und auf ihrer Hochzeit
mit dem traditionellen Schäppel, der
aufwendig geschmückten Brautkrone.
Auf dem Holztisch im Raum ist ein Korb
voll roter Wolle, verschieden große Strohhüte und unfertige Wollbollen. Während
Aberle die roten Bollen mit einer Schere
gleichmäßig abrundet, erzählt sie mit
Stolz vom Ursprung der Bollenhüte.
Der Bollenhut ist Teil einer evangelischen Kirchentracht, die sich im
frühen 18. Jahrhundert in den Nachbargemeinden Gutach, Kirnbach und
Reichenbach entwickelt hat. Inzwischen
ist der Bollenhut zum Symbol für den
gesamten Schwarzwald geworden.
Der erste Hut war ein Strohgeflecht, auf
dem 14 rote Kreise in Kreuzform aufgemalt waren. Ungefähr 1820 wurden die
aufgemalten Kreise erstmals zu Wollrosen, diese sind mit dem Wohlstand ab
Ende des 19. Jahrhunderts immer größer
geworden.
„Der heutige Bollenhut wird fast wie
früher hergestellt. Die Strohhüte
bekomme ich aus Italien. Ich leime, forme
und gipse sie. Dann fertige ich aus zirka
zwei Kilogramm Wolle die 14 Bollen,
schneide sie dann so ab, dass sie oval
sind. Anschließend nähe ich sie in Kreuzform an.“ Während sie erzählt, wird klar,
dass sie diese Schritte schon Hunderte
Mal gemacht hat. >>
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O R T E N A U R E P O R T A G E N | TRADITION
Dass die Tradition der Tracht und des Bollenhutes auch in Zukunft bewahrt wird, ist Gabriele
Aberle besonders wichtig. Mit Begeisterung
erzählt sie: „Für mich sind die fünf- bis sechsjährigen Mädchen die eigentlichen Stars.
Sie tragen die Trachtenkleider mit Stolz und
fühlen sich dabei wie kleine Prinzessinnen.“
Sie öffnet die Türen einer Vitrine. Vier Puppen
in Gutacher Tracht und Bollenhut stehen darin.
Auch diese Bollenhüte hat sie selbst hergestellt.
Sie zeigt, wie detailliert gearbeitet wurde,
ein Püppchen hat sogar Angora-Socken an.
Die Popularität des Bollenhutes ist der Gutacher
Malerkolonie des 19. Jahrhunderts zu verdanken.
Die Maler Curt Liebich und Wilhelm Hasemann
trugen durch ländliche Postkartenmotive des
Gutachtals dazu bei, dass der Hut mit den roten
Bollen internationale Bekanntheit erlangte.
Durch Heimatfilme der 1950er- und 1960er-Jahre
und die Operettenverfilmung „Schwarzwaldmädel“ wurde der Hut fälschlicherweise dem
gesamten Schwarzwald zugewiesen. Der Bollenhut wird mittlerweile auf vielen Produkten
aus Baden und dem Schwarzwald eingesetzt.
Fotos: Simone Boettcher-Murr
Das stört die Hutmacherin aber nicht:
„Jede Werbung mit dem Bollenhut ist auch eine
Werbung für Gutach. Ich finde es aber wichtig,
dass man das Original zeigt und die Bedeutung
erklärt.“ Das sei in der Kunst nicht immer der
Fall. Fotos und Kunstwerke, die den Bollenhut
mit Drogen und Waffen in Verbindung bringen,
stören sie: „Natürlich ist das die Freiheit des
Künstlers. Es kommt auf das Werk an. Es gibt
moderne Bilder mit dem Bollenhut, die ich
klasse finde. Die würde ich mir selber hinhängen. Aber ich denke mir, muss eigentlich jeder
mit dem Bollenhut Geld verdienen?“
28
Dass der Bollenhut so beliebt ist, dass er
sogar andere Trachten verdrängt, bedauert sie:
„Ich finde es schade, dass man die eigene Tracht
nicht schätzt. Es gibt ja so viele andere schöne
Trachten im Schwarzwald.“ Sie macht eine kurze
Pause, dann lacht sie: „Gut, wir haben den Hut,
wir haben das Glück.“
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ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | BLACK FOREST reloaded
Schw rzw ld 4.0
Kuckucksuhr, dunkle Tannen, Schwarzwälder Kirschtorte
und das Schwarzwaldmädel sind überall auf der Welt die
ersten Assoziationen, wenn es um Black Forest, Forêt-Noire
oder den Schwarzwald geht. Um die Traditionen nicht
verstauben zu lassen, erfindet sich der Schwarzwald gerade neu.
Doch nicht alle sind mit diesem Imagewandel einverstanden.
Von Sophie Sonnenberger, Alissia Lehle und Maren Schwarz
Die Konditorei verwöhnt ihre Kunden seit über 100 Jahren
mit süßen Leckereien. Nicht nur in der Ortenau, sondern auch
im fernen Japan, wo die Schwarzwälder Kirschtorte reißenden
Absatz findet. Weiterentwicklung schätzt Konditor Gmeiner,
deshalb hat er das Rezept vor einigen Jahren modernisiert.
Er ist nicht der Einzige, der traditionelle Symbole aus der
Region neu interpretiert.
Auch in der Kunst wird aus traditionell modern. Der Offenburger Künstler Stefan Strumbel verwandelt die weltberühmte
Kuckucksuhr in einen hippen Kultgegenstand. Selbst Karl
Lagerfeld äußert sich gegenüber dem „Spiegel“ begeistert:
„Ein neuer Ausdruck von deutscher Kultur, das ist sehr
stimulierend.“ Das Holz lackiert Strumbel in Neonfarben.
So wird aus Gemütlichkeit Rebellion. Mit seinen Uhren bricht
er mit der 250-jährigen Schwarzwälder Tradition und macht
sie zu einem neuen Symbol für Heimat. Statt Vögelchen,
Tannenbäumen und Bauernjungen verwendet Strumbel
Handgranaten, Knochen, erlegte Tiere oder Waffen.
Verziert mit Parolen, wie „What the fuck is Heimat“, sagt er
dem Image der Kuckucksuhr den Kampf an und kreiert ein
modernes Street-Art-Image.
30
Zurück in die Konditorei: Giulia Boschert lässt die Sauerkirschen abtropfen und bringt Kirschsaft, Zucker, Zitronensaft und Zimt zum Kochen. Das haben die Schwarzwälder
Bäuerinnen schon im 19. Jahrhundert so gemacht.
Sie haben ihren Gästen zu besonderen Anlässen ein Dessert
aus eingelegten Kirschen und geschlagenem Rahm serviert.
„Diese Mischung aus Kirschen und Sahne schmeckt sowohl
Einheimischen als auch Urlaubern heute noch. Sie bestehen
darauf, bei uns ein Stück Schwarzwald zu essen. Deshalb
würden wir sie nie aus dem Sortiment nehmen“, erklärt
die Konditorin, während sie die Flüssigkeit unter ständigem
Rühren aufkochen lässt. In der Confiserie Gmeiner geht
nur noch die Schwarzwälder Kirschtorte mit Ganache über
die Ladentheke, außerdem bietet die Confiserie eine leichte
Variante der Torte im Dessertglas an.
Auch im Spirituosen-Regal gibt es Neuigkeiten aus dem
Schwarzwald. Neben dem berühmten Kirschwasser findet
man dort einen weiteren jungen Exportschlager. „Monkey 47“
ist ein Dry Gin, der von der Brennerei „Black Forest Distillers“
in Loßburg hergestellt wird. Im Gegensatz zur britischen
Traditionsvariante wird der Schwarzwälder Gin mit regionalen
Kräutern verfeinert. Wolfgang Weiler vom Schwarzwälder
Tourismus-Verband ist begeistert: „Die neuen Spirituosen
verdrängen die traditionellen ‚Wässerli‘ aus der Region nicht,
sie ergänzen sie aufs Beste.“
Der Fotograf Sebastian Wehrle aus Freiamt interpretiert
ebenfalls ein Markenzeichen des Schwarzwalds neu.
Zusammen mit der Visagistin Ramona Strudel hat er das
berühmte Schwarzwaldmädel neu inszeniert. „Wir wollten
die Trachten anders in Szene setzen“, sagt Wehrle. Er kreiert
eher düstere Fotos, die „das Mädel“ in einem völlig anderen
Licht, aber doch vertraut erscheinen lassen. Die Models tragen
Tattoos, Piercings und traditionelle Kopfbedeckungen wie
den Bollenhut oder eine Art überdimensionale Schleife,>>
Fotos: Simone Boettcher-Murr
I
„In puncto Kirschwasser darf es bei der Schwarzwälder Kirschtorte gerne ein bisschen mehr sein“,
sagt Konditorin Giulia Boschert, während sie in
der Backstube der Confiserie Gmeiner die dünnen
Biskuit-Böden mit Schnaps tränkt. An diesem Arbeitsschritt hat sich seit der Entstehung der Königin der Torten
nichts verändert. Als Nächstes greift sie zu Eiern, Zucker und
Schokolade. Sie peppt die Torte, die traditionell nur aus SchokoBiskuit, Sauerkirschen und Schlagsahne besteht, mit einer
Ganache, einer Masse aus Sahne und Schokolade, auf. „Bei uns
wird die Torte seit einiger Zeit nicht mehr so zubereitet wie
zu Großvaters Zeiten. Unsere Kunden wollen eine zeitgemäße
Variante des Klassikers“, erklärt Boschert.
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ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | BLACK FOREST reloaded
„ Die
HEIMAT wächst mit “
Fotograf Sebastian
Wehrle liebt seine
Heimat. Genau deshalb hat er die modernen Schwarzwaldmädels in den alten
Trachten fotografiert,
mal mit dem roten,
mal mit dem schwarzen Bollenhut.
Was ist für Sie Heimat?
Wehrle: Was Heimat bedeutet?
Also ganz im Grunde ist es für mich
da wo ich geboren bin, meine Umgebung
als Kind. Ich verbinde das immer
so ein bisschen mit noch Kind sein.
Aber wenn man erwachsen wird,
dann wird Heimat immer größer. Es ist
dann eigentlich der Komfortbereich,
kann man sagen. Da wo man sich wohlfühlt. Die Heimat wächst mit.
Wie würdest du den Schwarzwald in
drei Worten beschreiben?
Wehrle: Tannenbäume, frische Luft,
fleißige Menschen. Das gefällt mir.
Hattest du auf deiner Reise Sehnsucht
nach deiner Heimat?
Wehrle: Ja. Auf den Reisen merkt man
dann wirklich, was Heimat bedeutet.
Familie, Freunde, Opa, Oma. Und natürlich das Essen. Ich war so oft enttäuscht
von der Küche auf meinen Reisen.
Da habe ich die Heimat hin und wieder
schon vermisst.
Könntest du dir vorstellen, den
Schwarzwald für immer zu verlassen?
Ich glaube nicht. Ich würde hier in
Freiamt gerne ein Haus bauen.
Schwarzwald oder Reisen?
Wehrle: Reisen im Schwarzwald. Wenn
ich mich entscheiden müsste, würde ich
in der Heimat bleiben.
die man Hornkappe nennt. Beim Bollenhut-Motiv kombinieren
sie den Hut mit der Simonswälder Tracht. „Wir haben damit
etwas zusammengebracht, was eigentlich nicht zusammen
darf“, sagt Wehrle. Eine Kombination, die früher nicht möglich
gewesen wäre. Heute ist das anders. Denn der Stilbruch ist
erfolgreich.
In der Ortenau ist nicht jeder angetan von Stilbrüchen.
Gabriele Aberle aus Gutach ist eine der letzten Bollenhutmacherinnen der Ortenau. Sie will an der Trachten-Tradition
festhalten. Der Hut, der mit 14 roten Bollen verziert ist, darf
nur von ledigen Frauen getragen werden. Ab dem Hochzeitstag
sind die Bollen schwarz. Für Gabriele Aberle ist der Bollenhut,
der in den drei Gemeinden Gutach, Kirnbach und Reichenbach
seinen Ursprung hat, ein Stück Kulturgut und Brauchtum.
Die Hutmacherin betont: „Es ist ein Stück Heimat für die
Gemeinde und die Bevölkerung. Der Hut soll genau so weiter
bestehen bleiben.“
Auch Mike Lauble, dreißig Jahre jünger als Aberle und Chef
der Trachtenkapelle Gutach, kann sich nicht vorstellen, dass es
jemals grüne, blaue oder pinke Bollenhüte geben wird, auch
wenn das bereits einige Unternehmen zu Marketingzwecken
nutzen. „Wir haben schon oft versucht, den Bollenhut schützen
zu lassen, leider war und ist es nicht möglich, weil der Ursprung
nicht genau bekannt ist.“ Stefan Strumbels Kuckucksuhren
und Sebastian Wehrles Schwarzwaldmädels ordnen Lauble
und Aberle dem Bereich der künstlerischen Freiheit zu.
Trotzdem wünschen sich die beiden, dass Tradition und Originalität der Tracht erhalten bleiben.
Foto: Ulrich Marx
Fotos: Simone Boettcher-Murr
Genau diese Trachten-Tradition gilt als Vorlage für die Schwarzwälder Kirschtorte. Einer Sage nach ist sie von den Farben in
der Tracht der Schwarzwaldmädel inspiriert worden. „Das Kleid
ist so schwarz wie die Schokoladenraspel, die Bluse so weiß
wie die Sahne und die Kirschen erinnern an die roten Kugeln
auf dem Bollenhut“, erklärt die Konditorin, während sie
die einzelnen Bestandteile der Torte zusammensetzt. Bei der
Dekoration des Klassikers macht sie keine Experimente:
Genauso wie zu Großvaters Zeiten verwendet sie Schokoladenspäne, Kirschen und kleine Schwarzwälder Tannenbäume aus
Schokolade. Man müsse ja schließlich nicht alles an dem alten
Traditionsrezept verändern, sagt die Konditorin.
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33
ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | FASHION
Stil-Vorbild aus
dem Schwarzwald
Bunt, blond und mit Hut: Claudia Zakrocki
ist als stilbewusste Modebloggerin bekannt geworden. Die Lahrerin
hat sich mittlerweile in der Modebranche zur Marke gemausert.
Angefangen hat alles mit ihrem Blog
„Cloud44“ vor etwa sieben Jahren, auf
dem sie ihre Outfits zeigte und kleine
Kolumnen verfasste, zu allem was ihr
gerade in den Sinn kam. Auf einem
Foto von damals stand sie noch etwas
verloren vor einer mit Graffiti besprühten niedrigen Mauer in Heidelberg, den
rechten Fuß vor den linken gestellt.
Heute lehnt sie in gleicher Pose, aber
wesentlich lässiger an der Mauer des
mächtigen Kronprinzenpalais in Berlin
und wird von der deutschen und der
amerikanischen Vogue fotografiert –
es ist Fashion Week.
In der Modeszene setzt Zakrocki Trends
– in Form von Outfits und in Form von
Meinung. Sie selbst bezeichnet sich als
„Influencer“, ihr Stil ist in jedem Fall
anders und wegweisend. Und wie wird
man Vorbild für andere?
Zakrocki war eine der ersten in Deutschland, die sich mit ihrem Blog einen
34
Namen machen konnte. 2009, als sie
ihre erste Website ins Leben rief, gab
es nur vereinzelt Blogs, das Schreiben
und Veröffentlichen abseits der Printmedien war eher ungewöhnlich. Erst
recht das Bloggen über Mode und das
Zurschaustellen eigener Outfits. „Manch
einer fand es möglicherweise komisch,
dass sich da ein Mädel in Heidelberg
in ihren Klamotten fotografieren lässt.
Heutzutage ist das natürlich ganz
normal, aber zu dieser Zeit steckte das
Bloggertum noch in den Kinderschuhen.
Cloudy hat es aber dennoch gemacht
und sich immer darüber hinweggesetzt,
was andere Leute dazu sagen“, verrät
Anneli Botz, die als Online-Redakteurin
arbeitet und seit dem gemeinsamen
Studium gut mit Zakrocki befreundet ist.
Für Zakrocki war ihr Blog „Cloud44“ eine
Probe aufs Exempel, zunächst um festzustellen, ob das Schreiben ihr überhaupt
Spaß macht. Eigentlich studierte sie Anglistik, Germanistik und Kunstgeschichte,
um Lehrerin zu werden. Während eines
Auslandssemesters in Australien fing sie
dann mit dem Schreiben an.
„Mein damaliger Freund meinte, ich
solle doch mal einen Blog machen und
schauen, ob es mir liegt und ob ich Lust
habe, regelmäßig und unter Zeitdruck
zu bloggen“, erzählt Zakrocki von ihren
ersten Gehversuchen. Sie hatte Lust.
So sehr, dass sie schließlich von Lehramt
auf Magister umschwenkte und ihren
Blog weiterführte. „Über das Bloggen
habe ich viele nette Leute kennengelernt
und Spaß daran gefunden.“ Zu diesen
Leuten gehörte auch Katja Schweitzberger, die zum damaligen Zeitpunkt
gerade Deutschlands bekanntesten
Modeblog „LesMads“ von ihren Gründerinnen Jessica Weiß und Julia Knolle
übernommen hatte.
„LesMads“ war Vorreiter und Vorbild
der deutschen Modeblogs. Knolle und
Weiß schrieben über Mode, Trends und
Lifestyle – und machten damit bereits
nach kurzer Zeit den Verleger Hubert
Burda auf sich aufmerksam. Mit der
Unterstützung von Hubert Burda Media
avancierte die Seite zum meistgelesenen
Blog Deutschlands. „Ich bin Katja ein
halbes Jahr später zu ‚LesMads’ gefolgt
und auf diesem Wege in die Branche
reingerutscht“, erklärt Zakrocki ihren
weiteren Weg.
Es folgt ihr zweiter Blog, „Cloudycloudy“,
den sie erwachsener gestaltet und professioneller aufzieht, mit einem schlichten
Layout, hochqualitativen Fotos, längeren
Kolumnen und kritischen Texten zu
aktuellen Kollektionen und Modetrends.
Nebenher schreibt sie als feste Autorin weiterhin für „LesMads“. „Ich habe
Cloudys alten Blog wahnsinnig gerne
gelesen. Ihre Art zu schreiben ist so ehrlich, authentisch, eigenwillig und witzig.
Deswegen wollte ich sie unbedingt
bei ‚LesMads’ dabeihaben“, erinnert sich
Katja Schweitzberger. Zakrocki berichtet
von der Fashion Week und sitzt jetzt
plötzlich am Laufsteg in der ersten
Reihe, wenn sie von der Fashion Week
berichtet. Modebloggerinnen wie
Claudia Zakrocki sind auf einmal
mittendrin statt nur dabei.
Foto: Marlen Stahlhuth
M
Man schaut hin. Wegen
der Rockstar-Aura, die
wie aus früheren MTVMusikvideos gegriffen
scheint. Wegen der
Hüte, ohne die sie nie das Haus verlässt,
den Sonnenbrillen in Herzform oder mit
übergroßen runden Gläsern, den Lederjacken mit Fransen, Fellkrempe oder
Reißverschlüssen, die sie an so vielen
Tagen trägt. Und wegen ihres lauten
Lachens, das von ganz tief unten kommt.
Claudia Zakrocki, genannt Cloudy, ist
eines der bekanntesten Gesichter in der
deutschen Modeszene.
Foto: EyeCandy Berlin
Von Eva Harmeling
35
O R T E N A U R E P O R T A G E N | FASHION
START-Ups | O R T E N A U R E P O R T A G E N
Auf eigenen
36
Aber Cloudy Zakrocki möchte sich weiterentwickeln: Sie wird als Bloggerin,
die das Online-Geschäft von der Pike auf gelernt und mitgestaltet hat, Chefredakteurin der Online-Ausgabe des „Interview Magazine“. Sie soll den kompletten Web-Auftritt umgestalten. Ein Riesenschritt: Das amerikanische „Interview Magazine“ wurde in New York von Andy Warhol ins Leben gerufen und
bringt Interviews mit kreativen Köpfen aus den Bereichen Mode, Kunst und
der Unterhaltungsbranche, teuer produzierte Modestrecken und hochkarätige
Stars auf dem Cover. Ein Titel, der Rang und Namen hat – Zakrocki hat für die
deutsche Online-Ausgabe freie Hand, die Seite läuft gut.
Auch zu Interview.de holte Zakrocki Blogger als Redakteure. Sie erklärt sich
das Blogger-Phänomen so: „Ich glaube, der Grund warum das Bloggen in
den letzten Jahren überhaupt so groß wurde, hat viel mit Voyeurismus zu tun.
Man kann sich als Leser mit den Bloggern identifizieren, und man selbst öffnet
für die Leser Türen in eine Welt, die sie so nicht kennen.“ Auch Zakrocki bietet
ihren Followern und Lesern genug Material zum Träumen. Rund 35.000 Fans hat
sie mittlerweile auf der Fotoplattform Instagram. Fashionfans, die ihr Leben in
der Traumschneiderei verfolgen und Schnappschüsse ihrer Egg Benedicts im
Berliner Szene-Café „Melbourne Canteen“ in Neukölln mit einem Like belohnen.
Ein Leben, von dem viele träumen: Journalist sein, in der Modeszene verwurzelt,
Reisen an die schönsten Orte der Welt, tolle Hotels. Bei all dem Traummaterial
bleibt Zakrocki aber bescheiden: „35.000 ist nicht unbedingt viel im Vergleich zu
dem, was andere haben.“ Mit ihrem offenen, freundlichen und unverkrampften
Wesen widerlegt sie das weitverbreitete Klischee der Modezicken.
Beinen
Junge Unternehmer aus der Ortenau
mit ungewöhnlichen Ideen Von Jennifer Faatz
E
Ein Garten für unterwegs
Ein Garten zum Mitnehmen:
Das ist der Wunsch der Japanerin Akiko Takahashi (35), als sie
während ihres Studiums nach
Deutschland kommt. Aus Japan kennt
sie die Tradition kleiner Gärten aus Moos
und Farn, die in den meist sehr kleinen
Wohnungen aufgehängt werden. Diese
selbstverständliche Integration der
Pflanzen in den Alltag fehlt Takahashi
in Deutschland. So entsteht, gemeinsam
mit ihrem Freund Christian Atz (32),
die Idee, alltagstaugliche Mini-Gärten
zu entwickeln.
Mitte 2013 gründen Takahashi und Atz in
Lahr das Unternehmen „Mobile Garden“.
Sie sind überzeugt von ihrer gereiften
Idee: einem handflächengroßen Blumentopf aus recycelbarem Kunststoff,
den jeder, inspiriert von Origami, selbst
zusammenbasteln und überallhin mitnehmen kann. Doch könnten sie auch
andere davon begeistern? Das Feedback
aus dem Bekanntenkreis ist gut. Dennoch
investieren die beiden zunächst lediglich
500 Euro in ihr Hobbyprojekt und arbeiten hauptberuflich weiter in anderen
Jobs: Takahashi als Informatikerin und
Designerin, Atz als Jurist. Zeit für das eigene Projekt bleibt nur wenig, die Arbeit ist
schwer: Sie suchen nach Unternehmenspartnern aus der Region und bekommen
immer wieder Tipps von Bekannten und
Ansprechpartnern aus der Umgebung,
bis sie schließlich innerhalb Baden-Württembergs fündig werden. Doch damit ist
die Arbeit nicht getan. Mit ihrem kleinen
Budget können sie zunächst nur wenig
Werbung machen. Das Projekt bleibt
ein Hobby, das vor allem über Mundzu-Mund-Propaganda bekannter wird.
Bis die Produktionsfirma der VOX-Show
„Die Höhle der Löwen“ auf die beiden
Unternehmer aufmerksam wird und
anfragt, ob Takahashi und Atz ihr Produkt
in der Sendung vorstellen möchten.
Sie präsentieren „Mobile Garden“ im September 2015 im Fernsehen. Der ErlebnisGutschein-Vermarkter Jochen Schweizer,
Zakrocki geht es bei ihren Outfits nicht ausschließlich ums Aussehen und
Gesehenwerden. Sie sieht Mode als eine Kunst, die im Alltag oft vernachlässigt
wird: „Mir geht es darum, Mode kritisch zu betrachten, als Produkt eines
Designers als auch als Nutzobjekt der Gesellschaft.“
Das Beispiel Cloudy Zakrocki zeigt: Bloggen kann tatsächlich ein Sprungbrett
in die Medienwelt sein. Ein persönlicher Blog ermöglicht dem Verfasser, zu
schreiben wie er will und was er will – kombiniert mit der Sympathie der
Leser ist das oft schon ein Erfolgsgarant. Um ihren Blog „Cloudycloudy“
weiter-zuführen, fühlt sich Zakrocki allerdings zu alt. Dass sie sich mit ihren
fast 30 Jahren selbst zum „alten Eisen“ zählt zeigt, wie schnelllebig die FashionBranche geworden ist, in der Instagram-Schnappschüsse den Ton angeben und
bereits Online-Magazine dazu vergleichbar langsam sind. „Ich bin da einfach
rausgewachsen“, erklärt die Lahrerin, die Ende 2015 still und leise ihren Posten
bei Interview.de aufgab und nach kurzem Nachdenken hinzufügt: „Das ist
natürlich auch eine Typfrage, und ich war nie der Typ, der sich von morgens
bis abends nur mit der eigenen Person beschäftigen möchte – das ist fürs
Bloggen natürlich fast unabdingbar. Ich arbeite lieber für eine Sache als für
ein Bild meiner Person.“ Dabei hat sie in der Welt von Street-Style-Fotografie
und Instagram längst ein Bild von sich kreiert: Es ist bunt, locker, lustig – und es
trägt in jedem Fall Hut.
Foto: MG-ZDF
Foto: EyeCandy Berlin
Foto: EyeCandy Berlin
Foto: Sebastian Berthold
Die erfolgreichsten Blogger können von ihrer Arbeit sogar leben, haben sich
zur eigenen Marke gemacht oder sogar ein Unternehmen um ihren Blog herum
errichtet, wie die international bekannteste Modebloggerin Chiara Ferragni
von „The Blonde Salad“. Verdienen wenige Blogger mittlerweile bis zu
mehreren hunderttausend Euro im Jahr, erwirtschaftete Ferragni 2014 sogar
sechs Millionen Euro. Dass Blogger mit ihrer Nahbarkeit, Authentizität und
großer Leserschaft eine ideale Werbefläche bilden, haben viele Firmen mittlerweile erkannt. So wurden Blogger zu Vorbildern und bedienen Junge-MädchenTräume von Designersachen, Fotoshootings und Reisen an exotische Orte und die
Metropolen dieser Welt.
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ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | START-Ups
der bereits bei einigen Start-ups engagiert ist, investiert. „Seitdem arbeiten
wir beide hauptberuflich daran“, sagt
Christian Atz. Sie widmen sich nun ganz
ihrer Produktpalette, die beständig erweitert werden soll. „Im Moment entwickeln
wir neue Prototypen für Sukkulenten,
die Feuchtigkeit aus der Luft binden.
Und ein Mobile Garden Junior für Kinder
und Jugendliche wäre schön“, sagt Atz.
„Erst mal schauen, ob Bedarf da ist.“
Pforzheim, muss er als Seminararbeit
ein eigenes Programm entwickeln.
Er erinnert sich an das positive Image
des Schwarzwaldes, das im Ausland
besser zu sein scheint als im Schwarzwald selbst. Das nimmt er als Anlass,
designt und programmiert das Spiel
„Schwarzwaldmarie“, in dem der Spieler
ein kleines Mädchen mit Bollenhut durch
den Wald steuert, dabei Schwarzwälder
Kirschtorte einsammeln und sich gegen
wilde Tiere zur Wehr setzen muss.
App: Schwarzwald aufs Handy
Sein größtes Problem während dieser Zeit
ist das Programmieren. „Ich war immer
eher kreativ. Nun musste ich plötzlich
zurück an mein Mathe-Abitur und Funktionen denken. Das war holprig.“ Doch er
bekommt Hilfe an der Universität, kämpft
sich durch. So entsteht im Laufe eines
Semesters die erste Version des Spiels
und er arbeitet auch im Anschluss an das
Seminar weiter daran. Ihm bleibt neben
dem Studium nur wenig Zeit, da er auch
mit anderen Design-Projekten beschäftigt
ist – und hat kein Budget, das Spiel zu bewerben. Doch er lädt es in den App-Store,
und schließlich kommt Christopher Krull,
der Geschäftsführer von Hochschwarz-
Nach einem Praxissemester in einer
Design-Agentur in Amsterdam entscheidet er sich, ein Semester freiberuflich
zu arbeiten und sich ausschließlich den
Aufträgen zu widmen, die er seit der
„Schwarzwaldmarie“ bekommt. Dafür
schließt er sich mit einem befreundeten
Entwickler zusammen und beobachtet
einen neuen Trend: „Viele Firmen wollen
mittlerweile Spiele, um junge Leute
anzusprechen. Das gab es vorher so nicht.
Aber wenn es gut umgesetzt ist, kann die
Firma auf jeden Fall im Kopf bleiben“,
berichtet Basler. Daher möchte er es auch
nach seinem Studium weiter in dieser
Branche versuchen. Und die Schwarzwaldmarie? „Bisher habe ich nur eine
vage Idee, wie es mit ihr weitergeht.
Aber ich möchte auf jeden Fall noch
etwas mit der Figur machen.“
Kuchenverkauf war gestern
„Wenn, dann richtig“ dachte sich
Benedikt Link (33) aus Freiburg, als der
Betriebswirt von seiner Arbeit bei einer
kleinen schwedischen Firma zurückkehrte. Er hatte Lust, sich selbstständig
zu machen und auch eine gute Idee im
Gepäck: eine neue Form, Spenden zu
sammeln, mit der in Schweden jährlich
mehrere Millionen Euro gesammelt
werden. Das Besondere daran: Vereine,
Schulklassen und Jugendgruppen verkaufen nicht mehr Kuchen oder Gebasteltes,
sondern Produkte des täglichen Bedarfs,
wie Socken, T-Shirts oder Kalender, um
sich etwas zu finanzieren. Diese Produkte
hat Link in seinem Sortiment, Gruppen
organisieren eine Sammelbestellung und
können anschließend einen Anteil als
Spende behalten. Warum also nicht den
Sprung wagen?
Gemeinsam mit einem schwedischen
Freund macht sich Link im Jahr 2013
unter dem Namen „Neue Masche“
selbstständig. Sein Freund merkt jedoch
schnell, dass er nicht in Deutschland
bleiben möchte. Geht zurück. Link steht
vor der Entscheidung: aufgeben oder
alleine weitermachen? Er hadert. Denkt,
er sei nicht der Typ Mensch, eine Firma
allein aufzubauen: „Die Diskussionen
und das gemeinsame Problemlösen ist
mir sehr wichtig“, sagt er. Doch er macht
weiter und stellt bald erste Mitarbeiter
ein, mit denen er sich austauschen kann.
Dennoch bleibt es schwierig. Er muss
das schwedische System an deutsches
Steuerrecht anpassen und sich rechtlich
beraten lassen, damit Gruppen mit seiner
Methode risikofrei Spenden sammeln
können. Zudem steht er auch noch vor
einer ganz speziellen Herausforderung:
Er hat einen bis dato unbekannten
Lösungsansatz für ein bekanntes
Problem: „Wenn man Spenden sammeln
möchte, fällt einem oft nur Kuchenverkauf ein. Man sucht nicht weiter.“
Link lässt sich nicht beirren, geht seinen
Weg. Ihn motiviert, dass Schulklassen
angetan sind und sich positiv zurückmelden, weil sie bis zu 1.500 Euro oder
mehr sammeln konnten. So entwickelt
sich allmählich eine neue Art des Spendensammelns. Bisher ist diese zwar vor
allem von lokaler Bekanntheit, doch Link
möchte sie auch überregional etablieren:
„Die Idee ist eigentlich eine Lösung für
ein weit verbreitetes Problem. Denn
privates Engagement wird immer
wichtiger, und unser Werkzeugkasten
ist eine Möglichkeit, dieses zu fördern.“
Daher möchte er in Zukunft noch mehr
Gruppen erreichen. Am liebsten in ganz
Deutschland, vielleicht aber sogar in
Österreich und der Schweiz.
Mehr Informationen:
Er muss also einen noch unsichtbaren
Markt bewerben, Kooperationen aufbauen. Dabei trifft er oft auch auf Menschen,
die seine Idee in Frage stellen. Immerhin
hat Kuchen verkaufen bisher doch auch
funktioniert, oder?
www.mobilegarden.org
www.liebekleineschwarzwaldmarie.de
www.neuemasche.com
Fotos: Philipp Basler
Den Schwarzwald kennt jeder. Zumindest
im Ausland. Das fällt Philipp Basler (23)
aus Offenburg auf, als er nach dem Abitur
vier Monate in Amerika verbringt. „Ich
habe oft versucht zu erklären, wo ich
herkomme und dann auch mal den
Schwarzwald erwähnt. Jeder hat ihn
gekannt – das war mir vorher gar nicht
bewusst.“ Er beginnt, sich mit dem Image
der Region auseinanderzusetzen und
stellt fest, dass viele junge Menschen
kaum stolz darauf sind, aus dem Schwarzwald zu kommen. Später, während seines
Studiums des Intermedialen Designs in
wald Tourismus, auf ihn zu, um gemeinsam Werbung zu machen und zwei
weitere Level des Spiels zu konzipieren.
Spieler können Torten und Fanpakete
gewinnen. Zeitungen schreiben über ihn.
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ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | IMPRESSIONEN
Foto: Günther Petry
Die Ortenau:
Schöne Natur und …
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ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | impressionen
Foto: Lukas Habura
… schöne Industrie:
Badische Stahlwerke
und Koehler Paper
Group im Kehler Hafen.
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ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | MÄNNLEs
Ob Riesling oder Spätburgunder – die Ortenauer
lieben ihre heimischen Trauben. Die Region kann sogar noch
vom Klimawandel profitieren.
Heinrich Männle
Foto: Ulrich Marx
Frank Männle
Foto: Manfred Hammes
Vesper: Selbstgebackenes Brot von
Wilma Männle, „Durbächerle“ und neuer Wein
44
Langsam lässt Frank Männle seinen Blick aus dem Fenster zu den
Oberkircher Weinreben schweifen. Ein bisschen lässt sich seine Besorgnis um den Riesling im Gesicht ablesen. „Wenn die Temperaturen über die
nächsten Jahre weitersteigen sollten, ist der Riesling durchaus gefährdet
in unserer Region“, sagt der Qualitätsmanager der Oberkircher Winzer.
Insgesamt 500 Hektar Rebfläche werden hier in Oberkirch bearbeitet.
Früher wurde der Riesling immer zusammen mit Spätburgunder und
Gewürztraminer in Heiß- und Südlagen angebaut. Das hat sich mit der
Klimaerwärmung geändert. „Durch die Wärme reifen die empfindlichen
Trauben meist schon im August und können durch nachfolgende Regentage stark beschädigt werden. Wir bauen deshalb aktuell keinen Riesling
mehr in unseren heißesten Lagen an“, erzählt Männle. Auf rund 2.700
Hektar Ertragsrebfläche kommen die neun Winzergenossenschaften, in
denen über dreitausend Winzerfamilien zusammengeschlossen sind,
und 41 Weingüter in der Ortenau. Besonders der Riesling ist eine beliebte
Weinrebe in der Gegend, aber auch Rotweine wie Spätburgunder oder
Merlot gedeihen prächtig. Doch die Sommer werden zunehmend heißer,
so war der Juni 2015 nach Messungen der US-Klimabehörde NOAA der
wärmste Juni seit Beginn der Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert.
Wird der Klimawandel den traditionsreichen Weinbau in der Region
grundlegend verändern oder einzelne Sorten verdrängen? Warme und
trockene Sommer kommen besonders der Rotweinrebe entgegen.
Sie braucht lange Trockenperioden. Könnte es deshalb sinnvoll sein, den
hitzeempfindlichen Riesling durch exotischere französische Rotweinsorten zu ersetzen, die mit hohen Temperaturen besser zurechtkommen?
Manfred Stoll von der Universität Geisenheim ist Experte für Weinanbau
in Deutschland: „Der Trend der letzten Jahre hat gezeigt, dass andere
Sorten, gerade Rotweinsorten, vermehrt angebaut werden. Was nicht
nur auf den Klimawandel zurückgeht. Aber viele unserer ursprünglichen
Rebsorten, die wir seit Jahrhunderten kultivieren, werden auch in
Zukunft durch individuelle Anpassung immer noch gut angebaut
werden können.“ Heißere Sommer, mildere Winter – der Klimawandel
wirkt sich ganz unterschiedlich auf den Weinanbau aus. Zum einen
führen die milderen Winter immer häufiger zu einem früheren Austrieb,
was auch die Reife zwei bis drei Wochen nach vorne verschiebt. Dadurch
kann es zu Schädigungen durch Starkregen oder auch Spätfrost kommen.
Zum anderen verändert sich die Niederschlagsverteilung. Für den
Weinbau bedeutet das, dass weniger Regen in den Sommermonaten fällt
und so eine längere Trockenperiode entsteht. Das kann aber auch
Vorteile bringen.
Foto: Ulrich Marx
Von Julia Loibl
Auch Heinrich Männle sieht keinen Grund zur Beunruhigung.
Der über 80-Jährige gehört seit Jahrzehnten zu den höchstdekorierten Winzern in Baden und findet sich auch im bundesweiten Ranking unter den Top-Betrieben. „Beim Weinbau ist
es besonders wichtig, dass man lernt, die Natur zu verstehen
und auf die einzelnen Bedürfnisse der Weinrebe eingeht. Das
heißt auch, Gras und Wildkräuter zwischen den Reben wachsen
zu lassen, um so den Boden mit den nötigen Nährstoffen zu
versorgen, aber auch die Pflanze an die Trockenheit zu gewöhnen.“ Männle hat die Erfahrung gemacht, dass junge Weinreben
gerade in trockeneren Zeiten künstlich bewässert werden
müssen. Das unterstützt die Pflanze in ihrer Wachstumsphase.
Ältere Weinreben überstehen allerdings auch Trockenperioden
und können durch ihre dünnen Faserwurzeln 15 Meter tief ins
Erdreich eindringen, um sich so mit Wasser zu versorgen.
Eine Umstellung des Anbaus auf andere Rebsorten ist auch gar
nicht so einfach. Französische Rebsorten, wie etwa der Syrah,
vertragen zwar die Hitze besser, aber ihnen reicht auch die
längere Trockenzeit nicht aus, für die ein Klimawandel in der
Ortenau sorgen könnte. Die Winzer müssen auch auf die Vorlieben ihrer Kunden Rücksicht nehmen – und noch greifen die
Kunden lieber zum klassischen Spätburgunder als zu Exoten.
„Viele Winzer vertreiben über die Hälfte ihrer Weine in der
umliegenden Region. Ab und an sind neue Weinsorten willkommen und bieten Abwechslung. Am Ende des Tages setzen
sich aber die bekannten Sorten aus der Region durch. Auch der
Klimawandel wird dem nicht viel entgegenwirken können“,
ist Heinrich Männle überzeugt. Männle, Jahrgang 1933, Spitzname ‚Rotwein-Männle‘ lacht und erinnert sich zurück an seine
Jugend: „In den Jahren von 1940 bis 1959 waren die Witterungen
viel extremer als heute.“ Die Winter waren damals durchgängig
kalt und meist lag schon im November viel Schnee. In den
Sommermonaten machte er sich mit seiner Familie schon sehr
früh auf den Weg auf die Felder. Meist konnten sie auch nur
bis halb 11 Uhr arbeiten, so heiß war es. „Wir legten dann meist
eine Pause ein und kehrten gegen fünf zurück auf die Felder.
Wir müssen uns einfach der Natur wieder anpassen.“
Sich an die veränderten Bedingungen anzupassen, ist auch
Thomas Männles Strategie. „Wir müssen, wie in jeder anderen
Branche auch, nach vorne schauen, uns anpassen und weiterentwickeln“, sagt der Qualitätsmanager. Wenn Reben gepflanzt
werden, ist das eine Entwicklung für eine Generation und will
deshalb frühzeitig geplant sein. Ein Prozent der Fläche nutzen
sie für neue Rebsorten.
Generell kann in der Ortenau positiv in die Zukunft geblickt
werden. Dieser Meinung ist auch Matthias Wolf vom Weingut Schloss Ortenberg. Wenn auch noch in kleineren Mengen
produziert er Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah und Sauvignon
Blanc. Sorten also, die man weit eher in Südfrankreich vermuten würde. „Wir wollen mit diesen neuen, wärmeliebenden
Sorten noch mehr experimentieren. Sie werden uns in Zukunft
sicher begleiten. Gefährlich für die Winzer können natürlich
Wetterphänomene etwa mit starkem Hagel werden. Mit dem
Klimawandel an sich können wir gut umgehen. Bei der Arbeit
im Weinberg und im Keller können wir inzwischen so viel für
die Qualität tun. Manchmal sind das scheinbare Kleinigkeiten:
Etwa wenn wir die Blätter in der Traubenzone auf der sonnenabgewandten Seite früher entfernen und das Laub nach Süden
länger am Rebstock belassen.“ Zusammengefasst: „Winzer
müssen Künstler sein! Deutschland kann, weinseitig betrachtet,
sogar zu den Gewinnern des Klimawandels gehören.
Pro Grad Erwärmung rechnen Experten mit einer Verschiebung
um rund 200 Kilometer in Richtung der kühleren Regionen
Thomas Männle
Foto: Ulrich Marx
Wetterrobuste
Wein-Tradition
Für viele Weinbauern war 2015 beispielsweise trotz großer
Trockenheit ein sehr erfolgreiches Weinjahr. „Nässe und höhere
Temperaturen kurbeln die Pilzbildung an. Die Trockenheit verhindert dies. Viel gesundes Material lässt dann den Wein besonders fruchtig werden“, erzählt Kellermeister Alfred Männle, der
seit 25 Jahren für die Durbacher Winzergenossenschaft arbeitet.
Die Temperaturerhöhungen lassen mehr Zucker in den Trauben
entstehen, das erhöht den Alkoholgehalt im Wein. Gleichzeitig
wird die Säure vermindert und der Geschmack harmonischer.
45
ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | WEIBLes
Starke Frauen,
starke Biere
Bierbrauen gilt immer noch als Männerdomäne. Doch eine neue
Riege von Brauerinnen mischt die Szene auf: Sie stellen Biere auf höchstem
Niveau her – und das nicht gerade alkoholfrei. Von Anna Suckow
Für den Genussmensch mit großer Heimatverbundenheit
war schnell klar: Ich braue mein eigenes Bier. „Das war in der
schweren Zeit, die Erinnerung an mein Zuhause“, sagt
Veronique Reynaert. In Belgien ließ sie sich von Brauern in
das Handwerk einführen, brachte ein altes Rezept aus ihrem
Heimatdorf in die Ortenau und setzte ihren ersten Sud auf dem
heimischen Herd an. Wo andere ihre Nudeln kochen, braute sie
Bier. So wie auch jetzt gerade in einem Nebenraum der Küche
ein Bräu reift, den sie eigens für das Restaurant Heckenrose in
Ringsheim kreiert. Es riecht nach Hopfen. Noch ist der Sud noch
nicht genießbar, doch die Aromen steigen schon aus dem Fass
empor.
Ihre Biermarke nennt sie Fox und gibt so einen Hinweis auf
die Brauerin, denn Reynaert heißt übersetzt „Reineke“, und
dann sind wir wieder beim Fuchs. Auf allen Flaschen blickt das
rothaarige Tier, auch in ihrer Wohnung ist es immer wieder zu
sehen. An der Wand hängen Gemälde und Zeichnungen mit
Porträts des schlauen Waldbewohners, auf einer alten Anrichte
stehen aufgereiht Gläser mit Kerzen und Fuchs-Gravierungen.
Der erste Sud des von ihr gebrauten Tripple Blondes schmeckte
ausgezeichnet und war schnell über den Freundeskreis hinaus
bekannt. Um mit der gestiegenen Nachfrage mithalten zu
können, verlagerte sie die Produktion in ein Brauhaus in
Wittenweier. So kann sie größere Mengen produzieren.
Der Schritt war nicht leicht, denn nun liegt die Produktion nicht
mehr allein in ihren Händen. Doch Veronique Reynaert weiß:
„Man muss offen bleiben und auch mal einen Schritt nach vorne gehen.“ Bierbrauen ist für sie Handwerkskunst. Im wahrsten
Sinne, denn der Sud aus belgischem Bio-Hopfen ist so dick-
46
flüssig, dass er mit Hand gerührt werden muss. Vor der ersten
Abfüllung war sie sehr aufgeregt – wird aus dem Traum Realität,
das eigene Bier von Anfang an zu begleiten –,von der Konzeption über Herstellung bis zum Endprodukt. Lachend erklärt sie:
„Mit 47 Jahren bekommt man keine Kinder mehr, sondern
Flaschen.“ In Kleinstmengen wird das Starkbier in Flaschen
gefüllt, mit Champagnerkorken verschlossen und gärt ein
drittes Mal nach. Diese Arbeit hat ihren Preis – rund 12 Euro
kostet die 0,75-l-Flasche des Tripple Blondes. Dafür erwartet den
Konsument ein Bier abseits der Masse – und mit viel Persönlichkeit von Veronique Reynaert. Vom Rezept bis zum Etikett trägt
alles ihre Handschrift.
Mehr als 90 Prozent der Brauer in Deutschland sind männlich.
Es ist verblüffend, dass Bierbrauen heute als Domäne der
Männer gilt. Von der Antike bis ins Mittelalter war die Verarbeitung von Hopfen und Malz nämlich in der Hand der Frauen.
Archäologische Funde belegen, dass Frauen schon vor
4000 Jahren im Zweistromland als alleinige Herrinnen über den
Sudkessel wachten. Auch Luthers Ehefrau Katharina hatte noch
den Brauerinnenberuf erlernt und bediente den trinkfreudigen
Reformator mit eigenwilligen Rezepturen. Erst als die Klöster
im Bierausschank eine lukrative Einnahmequelle entdeckten,
verdrängten die Mönche die Brauerinnen zunehmend vom
Sud und nahmen ab dem Hochmittelalter den Rührlöffel in
die eigene Hand.
Doch das ändert sich jetzt, Frauen interessieren sich
zunehmend wieder für das kühle Blonde. „Immer mehr
entscheiden sich auch für den Brauberuf oder übernehmen
gleich ganze Brauereien. Bier-Unis wie Weihenstephan
und Berlin registrieren ein wachsendes Interesse von Bewerberinnen“, erläutert Expertin Mareike Hasenbeck, die auf ihrem
Blog www.feinerhopfen.com über edle und ungewöhnliche
Biere schreibt.
Auch die Craft-Bier-Szene mit ihrer enormen Geschmacksvielfalt hat vieles verändert: Frauen genießen endlich wieder Bier.
Die Bezeichnung Craft-Bier kommt nicht etwa von Kraft – auch
wenn es mehr als die üblichen fünf Prozent Alkohol enthält
und somit zu den Starkbieren zählt. Stattdessen kommt es von
dem englischen Wort für Handarbeit. Die in kleiner Auflage
Foto: Fotolia©Nejron Photo
E
Eine schwere Krankheit zwang Veronique Reynaert
vor fünf Jahren, ihr Leben zu ändern. Der Liebe
wegen zog die gebürtige Belgierin von
West-Flandern in die Ortenau, brachte ihre große
Leidenschaft Tanzen mit. Doch dann wurde ein Tumor am
Stammhirn diagnostiziert. Nach der Operation verlor sie ihr
Kurzzeitgedächtnis, musste einfachste Dinge neu erlernen und
kämpft seitdem mit chronischen Kopfschmerzen. An Tanzen
war nicht mehr zu denken. Doch um sich von den Schmerzen
abzulenken, musste ein neues Hobby her.
47
O R T E N A U R E P O R T A G E N | WEIBLes
Fotos: Heidi Fößel
annehmen
hergestellten Starkbiere von Veronique Reynaert zählen auch
zu diesem neuen Trend-Segment – und kamen auf dem CraftBeer-Festival in Freiburg gut an. Das Bier ist in Getränkemärkten
in der Region und über das Internet erhältlich. Für die Zukunft
soll das Gebiet erweitert und die Produktion erhöht werden.
Wie Veronique Reynaert entschließen sich in Deutschland
immer mehr Frauen dazu, selbst Bier zu brauen. Vier fränkische
Brauerinnen etwa haben eine Hopfenkaltschale extra für das
weibliche Geschlecht auf den Markt gebracht, in Detmold führt
die einst jüngste Braumeisterin ein Familienunternehmen in
die Zukunft. Mit Witz, Geschmack und Ellenbogen erobern sich
Frauen wieder ein Stück der Brauereilandschaft zurück.
Wenn Jessica Görick vom Bierbrauen erzählt, leuchten ihre
Augen. Sie ist Auszubildende in der Brauerei Bauhöfer – und
die erste Frau, die in der Familienbrauerei in Renchen-Ulm das
Handwerk erlernt. Die roten Haare hat sie zu einem lockeren
Pferdeschwanz gebunden. Nach dem Abitur fing sie zunächst
ein Biologie-Studium an. „Ich habe nebenbei zwei Praktika in
Brauereien gemacht und dann schnell gemerkt: Ich möchte
eigentlich gar nicht studieren, ich möchte genau diesen Beruf
ausüben, weil es mir so viel Spaß macht“, erzählt sie. Also brach
sie ihr Studium ab und suchte sich einen Ausbildungsplatz.
Schnell stand für sie die Ulmer Brauerei als Lehrstätte fest,
da eine mittelständische Brauerei mehr Einblicke in die
Produktionsabläufe garantiert. „Hier ist man überall im Einsatz,
auch bei der Abfüllung, bei der Filtration und im Sudhaus.“
48
Anfangs hatte sie etwas Angst vor der Männerdomäne:
„Es ist schon hartes Brot und die Arbeit ist auch körperlich
anstrengend.“
In Kapuzenpulli, Latzhose und Gummistiefeln führt sie
durch das Brauhaus. Hier wird überall mitangepackt. Jessica
Görick nimmt wie ihre männlichen Kollegen auch mal Pumpen
auseinander, erneuert Ventile und schleppt im Keller Fässer.
Auffallend hell und sauber ist es beim Läuterbottich. Die Sonne
scheint durch die großen Fenster auf die Edelstahltanks, in
denen der Treber von der flüssigen Würze getrennt wird. Görick
hat sich schon immer für den Gerstensaft interessiert, erzählt
sie, während sie am Bildschirm die Temperaturen im Sudkessel
kontrolliert. „Ich wollte auch immer herausfinden, wie was
funktioniert.“ Alle Vorgänge werden über den Computer
kontrolliert, Tradition trifft hier auf moderne Technik.
Zwischendurch wird natürlich, neben Qualität und Alkoholgehalt, auch der Geschmack kontrolliert. Der Winterbock strömt
langsam in das Glas. Aus dem honigfarbenen Bier steigt ein
süßlicher Duft hervor, der an Gewürze und Obst denken lässt.
Das kastanienbraune Bier schmeckt angenehm, leicht würzig
und nicht zu bitter. Jessica Görick trinkt auch gerne nach Feierabend ein Bier. „Ich trinke es aber nicht einfach, weil es eben
Bier ist, sondern möchte schon wissen, woher es kommt und
wie es hergestellt wird.“
Dass gerade Frauen auch den Geschmack von feineren
Starkbieren schätzen, überrascht Mareike Hasenbeck nicht.
Denn: „Alkohol ist ein Geschmacksverstärker. Und Geschmack
ist Frauensache.“
Stahlproduktion in Kehl
Badische Stahlwerke GmbH · Graudenzer Straße 45 · D-77694 Kehl
Telefon +49 (0)7851 83-0 · Fax +49 (0)7851 83-496 · www.bsw-kehl.de
ORTENAUREPORTAGEN
Über die
in den Black Forest
Spezialitäten aus dem Schwarzwald sind ein Verkaufsschlager in den USA.
Ayana und Tobias Holler haben sich ihren Traum erfüllt und in New York
ihre ganz eigene Interpretation des „Black Forest“ geschaffen:
733, Fulton Street. Von Anne Ramstorf
D
Die Wände ziert eine Sammlung Schwarzwälder
Schilduhren und ein Gemälde mit goldenem Rahmen,
das ein Bauernhaus vor Schwarzwald-Panorama
zeigt. Zwei Frauen blättern eifrig in der Speisekarte. Ein Mann hinter einer dunklen Holztheke
zapft schon einmal ein Bier. Vom Zapfhahn strahlt einem
fröhlich ein Schwarzwaldmädel entgegen. Plötzlich dringt
der Ruf einer Kuckucksuhr durch das Restaurant.
Fotos: Ayana und Tobias Holler
Was wie eine Szene in einem Wirtshaus irgendwo im
Schwarzwald wirkt, spielt jedoch im New Yorker Stadtteil
Brooklyn. Das „Black Forest Brooklyn“ bringt ein Stück
deutsche Gemütlichkeit in die Millionenmetropole.
Ayana und Tobias Holler, die Besitzer des Restaurants, eröffneten im Dezember 2013 das Lokal, in dem sie Traditionen
des Schwarzwaldes mit dem New Yorker Lebensgefühl verbinden. Obwohl die beiden nur ein paar Kilometer voneinander
entfernt am Oberrhein aufgewachsen sind, lernten sich
Tobias Holler aus Pfaffenweiler und Ayana aus Sulzburg erst
in der US-Metropole kennen. Tobias Holler kam vor 12 Jahren
für seinen Job als Architekt nach New York, seine spätere
Frau arbeitete dort als Dokumentarfilmerin.
50
Ayana Holler jobbte als junge Frau als Kellnerin in einem
angesagten Restaurant und hegte seitdem den Traum, einmal
ein eigenes Lokal zu besitzen.
Als sich die beiden entschieden, ein deutsches Gasthaus im
Schwarzwald-Stil zu eröffnen, war dem Ehepaar wichtig,
von der Einrichtung über die Zubereitung der Speisen bis
zum Bierangebot, vor allem Produkte aus der Heimat zu
verwenden. Auf der Speisekarte finden sich Jägerschnitzel
mit Spätzle, Schupfnudeln mit Sauerkraut und Rindergulasch.
Das Konzept ging auf: „Am Eröffnungstag strömten die
Menschen unerlässlich in unser Restaurant und uns gingen
in den ersten Wochen ständig die Lebensmittel aus. Wir konnten gar nicht genug nachkaufen, so beliebt sind die badischen
Gerichte“, erklärt Tobias Holler. „Unsere Gäste kommen in unser
Lokal, um Deutschland zu erleben.“
Spezialitäten aus dem Schwarzwald verkaufen sich gut im
Ausland. Allein in New York vertreiben mittlerweile über
vierzig Läden und Restaurants Bier aus dem Schwarzwald, das
Tannenzäpfle. Aber auch typisches Essen aus Baden ist beliebt:
So stieg das Exportvolumen von Schwarzwälder Schinken 2015
um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Schinken hat ein
weltweit einmaliges Aroma, das durch den Räucherprozess über
einheimischen Nadelhölzern, meist Tannenholz und Sägemehl,
erzeugt wird. Schon seit über 200 Jahren verleiht dieses Verfahren dem Schinken seinen außerordentlichen Geschmack.
Auch der Klassiker Schwarzwälder Kirschtorte ist aus den
unzähligen deutschen Bäckereien in den USA seit Jahrzehnten
nicht mehr wegzudenken. Die Sahnetorte mit ihrem Kirschenkranz gibt es seit den 30er-Jahren. Sie erinnert stark an die
dunkle Schwarzwälder Tracht mit rotem Bollenhut aus Gutach.
Im Laufe der Zeit wurde das Gebäck zu der beliebtesten
deutschen Torte überhaupt.
Auch in der „Black Forest Bakery“ in Long Island ist der Kuchen,
der nach einem alten Familienrezept gebacken wird, ein
Verkaufsschlager. Vor fast 50 Jahren wanderte die Familie Lorch
aus dem württembergischen Lauterbach in die USA aus und
eröffnete kurz darauf die traditionelle Bäckerei, die nun von
ihrem Sohn Thomas weiterbetrieben wird. Die „Black Forest
Bakery“ befindet sich in einem zweistöckigen Haus im
Fachwerkstil. Hinter der gläsernen Theke stehen zwei
Verkäuferinnen und bedienen die Kunden aus der Nachbarschaft. Der Duft von Schwarzbrot vermischt sich mit dem süßen
Geruch schwerer Torten, die man schon förmlich schmecken
kann. „Der ‘Black Forest‘-Trend ist durch seine Exotik und durch
die deutsche Gemütlichkeit, die so vermittelt wird, ein Erfolg“,
erklärt Thomas Lorch. Für die New Yorker ist der Kuchen aus
Baden ungewöhnlicher als Sushi oder Wan-Tan-Suppe.
Auch im Brooklyner Schwarzwald-Restaurant gehört die
Kirschtorte, die täglich frisch nach einem Familienrezept von
Ayana Holler gebacken wird, zu den beliebtesten Angeboten auf
der Karte. Bis Ayana und Tobias Holler einen Importeur gefunden hatten, der original deutsche Sauerkirschen ins Land bringt,
vergingen aber Wochen. Auch die Einfuhr eines deutschen
Bieres erwies sich komplizierter als erwartet. Da deutsches Bier
nicht, wie in den USA üblich, pasteurisiert wird und deshalb nur
für ein halbes Jahr als unbedenklich genießbar gilt, dauerten die
Verhandlungen mit der US-Einfuhrbehörde Monate.
Manchmal hatte Holler den Eindruck, er habe um eine Genehmigung für Biowaffen nachgesucht. Nach langem Warten war
es aber dann endlich so weit. Ein Jahr nach Eröffnung konnte
das erste Fass des badischen Traditionsbieres angestochen
werden, damit waren Ayana und Tobias die Ersten, die RothausBier in den USA ausschenkten. Das „Black Forest Brooklyn“
bietet mittlerweile 14 deutsche Biersorten an und ist damit ein
Treffpunkt für Bierliebhaber und Probierfreudige. Ulmer und
Kronen fehlen auf der Getränkekarte – bisher.
Lange musste das Ehepaar suchen, bis es den geeigneten Laden
für seine Schwarzwaldstuben in Brooklyn fand. Eine ehemalige
Arztpraxis wurde mit viel Liebe zum Detail zum Restaurant
in Biergartenoptik umgebaut. Holzvertäfelungen, Bilder aus
dem Schwarzwald und Dekorationsstücke, wie Bierfässchen
und Kuckucksuhr, sorgen jetzt für Gemütlichkeit. Den beiden
Badenern war beim Bau der Schwarzwaldstube wichtig, nicht
altbacken oder verstaubt zu wirken, sondern ein offenes,
helles und kinderfreundliches Ambiente mit New Yorker Flair
zu schaffen. Bunt beschriebene Schiefertafel und mintgrün
lackierte Holzstühle verleihen dem Lokal den modernen Touch,
der zu Brooklyn passt.
Der Indoor-Biergarten mit Kaffeehaus zieht nicht nur deutsche
Touristen an, die keine Burger und Pommes mehr sehen
können, die Gäste des Restaurants sind so bunt gemischt wie
New York selbst. „Wir sind eine Anlaufstelle für die gesamte
Nachbarschaft. In einer Stadt mit acht Millionen Einwohnern
hätte ich solch eine familiäre Atmosphäre nicht erwartet“,
erzählt Ayana Holler. Seit der Eröffnung sind die dunklen
Bierbänke immer gut besetzt. Die zwei jungen Frauen lesen
ihren Bestellwunsch angestrengt von der Karte ab. „Brastkadofeln and Schworwasser Kirsdorte“, sagt die eine laut lachend.
Die Aussprache der Gerichte fällt schwer, doch der Geschmack
überzeugt. Tobias Holler freut sich über den Erfolg seines
Restaurants: „Neben den vielen bayrischen Biergärten haben
wir mit unserer badischen Küche eine Marktlücke in New York
entdeckt und das Schönste aus Baden mit dem Besten aus New
York verbunden.“
Foto: Fotolia©studiostoks
O R T E N A U R E P O R T A G E N | NEW YORK
51
ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | TIPPS
Sie gewannen 2015 den Wettbewerb
„Deutschlands beste Hobbyköche“
und bringen mit ihrem Kochbuch
ordentlich Schwung in die traditionelle
Schwarzwälder Küche: Verena Scheidel
und Manuel Wassmer aus Bühl lieben
es aufregend anders, und das sieht man
den 130 Tapas-Rezepten der talentierten
Freizeitköche auch an. Was verbirgt sich
wohl hinter Flammkuchen-Zigarren
oder Schwarzwälder Sushi? Und wie
schmecken Badische Flädle-Wraps?
Tapas müssen eben nicht immer aus
dem Baskenland oder Andalusien sein,
inzwischen gibt es die Mini-Leckereien
in vielen Regionen – und nun ist auch
der Schwarzwald mit dabei.
Schwarzwälder Tapas – Von Verena
Scheidel & Manuel Wassmer. Cook &
Shoot Verlag, 29,80 €. Mehr Infos gibt es
unter: www.schwarzwaelder-minis.de
15
TIPPS
4
nen in der Natur viel einfacher macht.
Und wer kann schon von sich behaupten,
dass er mit einer Kamelart aus Südamerika im Schwarzwald wandern war?
Es ist keinerlei Vorkenntnis nötig und
jede Altersgruppe ist herzlich willkommen. Einzige Voraussetzung sind wetterfeste Kleidung und festes Schuhwerk,
dann steht einem unvergesslichen
Erlebnis nichts mehr im Wege.
Mehr Infos unter:
www.lama-alpaka-wollshop.de
usfoto
Foto: Fotolia© grafikpl
1
Auf die Tapas, fertig, los!
3
Eine Welt aus Zucker
und Seide
Von
Katharina Kunzmann
Stephanie Becker
Moritz Künkel
Michelle Merbach
und Manfred Hammes
2
Fotos: Cook&Shoot
Den Schwarzwald
erleben mit Alpakas
52
Weinrebe reiht sich an Weinrebe und
tiefe Wälder erstrecken sich vor beeindruckenden Bergen: Der Schwarzwald
besticht vor allem durch seine abwechslungsreiche Landschaft. Wanderer
und Bergsteiger wissen dies schon
seit Jahren zu schätzen. Doch wie wäre
es, diese Kulisse an der Seite eines
Alpakas zu erkunden? Familie Sälinger
aus dem Brandenkopfgebiet im Schwarzwald bietet ein- bis dreistündige
Trekking-Touren mit Lamas oder Alpakas
an. Die extrem ruhige Art der Tiere färbt
auf den Menschen ab, was das Entspan-
TExte für feingeister
Am Anfang war das Wort – Mark Twain’s
Worte – in den Diaries of Adam and Eve.
Sie fanden ihren Weg zu Emma. Sie kommentierte, spielte und entwickelte Eva.
So gab ein Wort das andere und eine
das Wort dem andern. Eine Katze tauchte
auf und spielte advocatus diaboli, um
etwas entgegenzusetzen. Das gefiel auch
Claudia und Franz, sie brachten ihre
Finger ins Spiel, und bald war MadamEva
auf der Welt … Nicht ganz einfach, aber
ein lesenswerter Titel aus dem DreyVerlag in Gutach; und das sogar für
Machos und nicht nur Radikalfeministinnen (oder wie die heißen).
Emma Guntz, Franz Handschuh,
Claudia Klein, Wendelinus Wurth:
MAdamEva. Drey-Verlag Gutach 2016,
ISBN 978-3-933765-84-0, 16 €
5
Mode und Cupcakes – was könnte
Frau mehr wollen? Deshalb hat Anjelica
Lorenz einfach diese beiden Dinge in
ihrem Offenburger Laden Couture
and Cupcakes vereint. Dort finden sich
ausgefallene Modestücke, einzigartige
Dekoartikel und jede Menge leckere,
selbst gebackene Cupcakes. Diesen
wahrgewordenen Mädchentraum gibt
es seit gut einem Jahr. Etwas versteckt
in der Klosterstraße zählt Couture and
Cupcakes noch zu den Geheimtipps der
Stadt. In einem familiären Ambiente
taucht der Besucher in eine rosa Welt
aus Zucker und Seide ein. Für einen
Moment scheint alles etwas leichter.
Und sollte der ein oder andere Cupcake
sich gleich auf den Hüften absetzen, ist
eine neue Garderobe in greifbarer Nähe.
Mehr Infos unter: www.modejunkie.com
LUST AUF PROVENCE
Darf in diesem Heft von der Provence
die Rede sein? Und Werbung für den Blog
www.lustaufprovence.de gemacht
werden? Es muss sogar, denn unser
Herausgeber Manfred Hammes kümmert
sich künftig weniger um diese in Kooperation mit Hubert Burda Media, namentlich mit Nikolaus von der Decken und
Maximilian Gaub, entwickelten „OrtenauReportagen“, sondern um seinen Blog
sowie seine Film- und Buchprojekte.
Mit dem für Sie kostenlosen Abonnement
des Blogs erhalten Sie künftig jede Woche
einen „Brief“ aus dem Süden Frankreichs.
Themen wie immer sind Literatur und
Gastronomie und meist beides zusammen. Lassen Sie sich, und das ist doch
wirklich nicht zu viel, so wenigstens
einmal pro Woche verführen.
Von www.lustaufprovence.de
kommen Sie zum Blog und den Filmen
53
O R T E N A U R E P O R T A G E N | TIPPS
6
7
ZMF: wie immer
beeindruckend
Das Kurzreise-Portal „daydreams.de“
ermöglicht es, schnell und unkompliziert,
für wenig Geld quer durch Europa zu
reisen. Ob alleine, zu weit oder doch mit
der ganzen Familie, mit über 2500 Partner-Hotels bietet das Online-Portal eine
große Auswahl. Ganz individuell können
sich die Nutzer ihren Urlaub zusammenstellen. In welche Region will ich? Lieber
ein romantisches Wochenende in der
französischen Normandie oder doch
einen Städtetrip nach Brüssel? Das
Angebot wird ständig erweitert. „Zur Zeit
arbeiten wir beispielweise an Themenwelten wie Veggie/Vegan, Märchen und
Weltkulturerbestätten. Uns geht es vor
allem darum, neue Trends aufzugreifen
und Menschen zu inspirieren, ihnen
etwas zu bieten, an was sie vorher vielleicht nicht gedacht haben“, so Geschäftsführer Ralf Schnetz. Mehr Informationen
gibt es auf: www.daydreams.de
8
Foto: ZMF_Klaus
Polkowski
a
Foto: ZMF_Tin
Niedecken
Ein ganzes Festival in verschiedenen
Zelten, das gibt es nur in Freiburg.
Jedea Jahr heizen wieder verschiedene
Künstler, von Sarah Connor bis
Wolfgang Niedecken, aus den Bereichen
Jazz, Rock, Klassik und Pop beim ZeltMusik-Festival in Freiburg ein. Dank
dieser Vielfältigkeit zählt das ZMF zu den
beliebtesten Festivals in Deutschland.
2015 waren rund 125.000 Besucher mit
dabei. Zwei Wochen lang kann man ein
abwechslungsreiches Kulturprogramm
in einem außergewöhnlichen Ambiente
genießen. Die Zeltstadt des ZMF steht
mitten in der Natur vor den Toren
Freiburgs, in der Nähe zum MundenhofTiergehege. Wer einfach so über das
Gelände schlendern möchte, ist herzlich
eingeladen, denn ein Großteil der
Veranstaltungen ist gratis. Mehr Infos
unter: www.zmf.de
Foto: Manfred Ha
mmes
Tagträumereien
im hotel
Grenzenlos
kulinarischer oberrhein
Die deutsch-französischen Beziehungen
sind intakt. Allerdings nirgends so wie
am Oberrhein und beim Thema Gastronomie. Hubert Matt-Willmatt hat für
die Edition Ariovist und den Silberburg
Verlag ein Reisetagebuch mit gastronomischen Verführungen und Entdeckungen geschrieben, das weit über die
normalen Rezeptbeschreibungen hinaus
geht. Und so ist etwa im „Bord du Rhin“
in Gerstheim, das die meisten nur unter
dem Namen „Niemandsland“ kennen,
zunächst wichtig, dass man es überhaupt
findet, und dann, dass die Familie Riss die
aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden
Bombensplitter und Einschusslöcher in
der Eingangstür sorgfältig restauriert hat.
Die einstmals umkämpfte Rheininsel ist
heute elsässisch-badischer Treffpunkt,
der seine vielen Stammgäste auch damit
überzeugt, dass sich die Speisekarte seit
vierzig Jahren so gut wie nicht verändert
hat. Das Filetsteak mit Morcheln, die
ab Mai auf der Insel wachsen, gehört zu
den Standards, ebenso wie der frittierte
Karpfen. Das von Pascal Schweitzer
verlegte Buch schlägt den Bogen vom
Niemandsland über den Dollenberg bis
hin zur Berggaststätte in den Vogesen.
Insgesamt werden 35 Restaurants mit
70 Rezepten vorgestellt.
224 großformatige Seiten mit sorgfältiger
Food-Fotografie von Heinz Linke kosten
erstaunlicherweise nur 24,90 Euro.
[email protected] .
Wer hat schon
alle Tassen
im Schrank?
Wir haben
genügend davon.
Die Zeller Keramik-Manufaktur mit ihrer über 200-jährigen Geschichte steht für hochwertigste Qualitätsarbeit in der Fertigung von Keramikgeschirren. Heute wie einst
setzt die Zeller Keramik auf echte Handarbeit und kombiniert einen den Anforderungen der Zeit entsprechenden Produktionsablauf mit meisterlicher Handwerkskunst. Die Formen werden von Hand gegossen, viele Elemente der weltberühmten
Dekore „Hahn und Henne”, „Favorite” oder „Alt Straßburg” sind handgemalt.
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Hauptstraße 2, 77736 Zell am Harmersbach
54
GeSCHICHTE | O R T E N A U R E P O R T A G E N
O R T E N A U R E P O R T A G E N | TIPPS
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Das Runde muss
ins Runde
10 11
Ganz klein und unscheinbar versteckt
sich in der Offenburger Innenstadt
ein echtes Schmuckstück. Die Kaffeemanufaktur Arnold – ein Muss für jeden
Kaffeeliebhaber. Öffnet man die Tür,
zieht einem der Duft von frischem Kaffee
in die Nase. Gerade mal 20 Plätze hat das
kleine und gemütliche Café im VintageStil. Gleich neben der Verkaufstheke
steht die große Rösttrommel.
Rund 20 verschiedene Kaffeesorten
stellt die Manufaktur damit her.
Das Ziel von Inhaber Jens Arnold:
„Einen Cappuccino wie in Italien selbst
machen.“ Aber er möchte sein Wissen
auch weitergeben. In Kaffee- und
Röstseminaren können Liebhaber des
braunen Wachmachers einmal selbst
zum Barista werden.
Kaffeemanufaktur Arnold
Spitalstraße 6, 77652 Offenburg
Telefon 0781 20550343
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag 9:30 Uhr bis 18 Uhr
und Samstag 9:30 Uhr bis 16 Uhr
In der Marktscheune in Berghaupten
gibt es alles, was nicht nur das Bio-Herz
höherschlagen lässt: frisches Obst und
Gemüse, Backwaren, selbstgemachte
Brotaufstriche und Schwarzwälder
Wurst- und Fleischspezialitäten. Über
800 Produkte aus regionalem Anbau und
frisch vom Bauern bieten Brigitte und
Ulrich Müller in ihrer Scheune an. Im
angrenzenden Bauern-Café wird täglich
frisch gekocht. Neben Klassikern wie
„Badischer Sauerbraten mit Spätzle
vom Brett und Preiselbeeren“ gibt es
auch leckere vegetarische Gerichte wie
„Spaghettipfännle mit saisonalem
Gemüse und hauseigenem Pesto“.
Und das Konzept scheint aufzugehen.
Die Verkaufs-Bilanz 2015:
1000 Schwarzwälder Kirschtorten,
2600 Liter Bier und 30.000 Brote.
Die Marktscheune hat täglich
von 9 bis 19 Uhr geöffnet.
Marktscheune, Auf dem Grün 1
77791 Berghaupten
Telefon 07803 92 79 81
www.markt-scheune.com
rx
Foto: Ulrich Ma
Foto: Ulrich Marx
Foto: Soccerpark
Foto: Soccerpark
Wer den „Soccerpark“ in NeuriedDundenheim betritt, wird sich erst
einmal wundern: Der Platz sieht aus
wie ein Minigolfplatz für Riesen, aber
statt mit Golfschläger und -ball stehen die
Spieler mit Sportklamotten und Fußbällen
auf dem Platz: Hier wird Fußballgolf
gespielt. Die Trendsportart aus Schweden
verbindet Elemente aus Fußball und Golf.
Es wird versucht, einen Fußball mit möglichst wenigen Schussversuchen durch
Hindernisse und über Geländeneigungen
in ein großes Golfloch zu spielen. Mittlerweile ist die Fangemeinschaft schon
so groß, dass man sich bei Welt-, Europaund deutscher Meisterschaft mit anderen
messen kann. Wer klein anfangen will,
kann bei den Ortenau Open im Oktober
im Soccerpark gegen die Fußballgolf-Elite
der Region antreten.
Ehemaliges Sportgelände des
SV Dundenheim, Offenburger Straße 68
77743 Neuried-Dundenheim
Telefon 07807 6421066
www.soccerpark-ortenau.de
Frisch aus der Region
Einmal selbst
Barista sein
56
57
O R T E N A U R E P O R T A G E N | TIPPS
12
GeSCHICHTE | O R T E N A U R E P O R T A G E N
Das Beste der Bühnen am Oberrhein; szenik.eu
Von Michelle Merbach
Auf der Website wird schnell klar, was den Leser erwartet.
„Das Beste der Bühnen am Oberrhein“ steht über Kategorien
wie Rock, Theater oder Festivals. Darunter rotieren die
vier aktuellen Highlights der Redaktion, etwa Klassik-Diva
Cecilia Bartoldi, aber ebenso der Jazz-Künstler James Carter,
der lässig auf einem roten Samtsofa sitzt; mit Hut, Saxophon
und einem selbstbewussten Lächeln im Gesicht. Einen Klick
später warten neben den Fakten zu Carter ein Interview
sowie ein 55-sekündiger Video-Vorgeschmack.
„Das Tolle an Szenik ist, dass es den Geist öffnet für andere
kulturelle Angebote – Kulturstätten, Veranstaltungen und
Künstler, die neu für mich sind, weil sie sich nicht direkt vor
meiner Haustür befinden“, sagt Nutzerin Jennifer Laas, die
das Portal intensiv nutzt. Was die 33-jährige Straßburgerin
beschreibt, ist das deutsch-französische Kulturportal szenik.eu,
das in den Sprachen beider Länder über kulturelle Veranstaltungen am Oberrhein – von Basel über Colmar, Offenburg
und Straßburg bis hin nach Karlsruhe.
Chefredakteurin
Sylvia Dubost
und Szenik-Chef Jean-Luc Bredel
Durch einen Besuch auf der Plattform soll jeder – unabhängig
von Einkommen und Mobilität – Kultur erleben: Dazu gibt es zu
jeder Veranstaltung einen Video-Trailer, oft auch im Livestream
und in voller Länge. Hoch- und Szenenkultur im heimischen
Wohnzimmer. Die Initiative „Deutschland – Land der Ideen“
zeichnet Szenik dafür im Rahmen des Wettbewerbs
„Ideen finden Stadt“ mit einem Innovationspreis aus.
„Das Ziel der Plattform ist es, die Kulturmenschen, die Künstler,
die Publiken zu verbinden – diesseits und jenseits vom Rhein.
Wir wollen die Menschen zusammenbringen, ein Netzwerk aufbauen. Die Region soll so ihre Identität verstärken“, beschreibt
Jean-Luc Bredel, Präsident des Trägervereins Association Europe
Culture Citoyenneté (AECC) die Idee von Szenik.
Und diese Idee kommt immer mehr an. Die Plattform verzeichnet seit der Gründung Ende 2012 knapp 135.000 Besucher,
4.000 Kulturbegeisterte haben den Szenik-Newsletter abonniert.
Doch das Kulturportal hat ein Problem: Die Finanzierung ist
58
weggebrochen. Der 1948 geborene Jean-Luc Bredel mit
den grauen Haaren und dem freundlichen Gesicht sitzt an
dem quadratischen, dunklen Holztisch in seinem kleinen,
gemütlichen Büro im zweiten Stock eines Bürokomplexes
in der Straßburger Innenstadt. Er hat die Unterarme auf
den Tisch gelegt, die Hände ineinandergefaltet, als er sagt:
„Wir brauchen Geld, um Szenik weiterzuführen.“
14 15
Die Geschichte von Szenik beginnt 2008. Straßburg bewirbt
sich um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“, die Ortenau,
die Schweiz und Karlsruhe unterstützen die Bewerbung.
Ohne Erfolg: Der Titel geht nach Südfrankreich, an
Marseille. „Diese gemeinsame Arbeit von Franzosen, Deutschen
und Schweizern sollte weitergeführt werden“, erzählt Bredel.
Sie gründen den Verein AECC, dessen Hauptarbeit das Projekt
Szenik ist. Im November 2012 geht die Plattform online.
Elektronische Musik
aus dem Schwarzwald
Die Europäische Union finanziert das Projekt in den ersten
drei Jahren und übernimmt so 45 Prozent der Kosten. Diese Frist
ist jetzt ausgelaufen.
Die erhoffte Lösung: Bredel gründet im September 2015 eine
Kulturstiftung zur Unterstützung von Szenik, zum Teil mit
Geldern der AECC. Seit Frühling 2016 gibt es diesen neuen
Verein – ebenfalls mit dem Namen „Szenik“ – , der neben
vielen anderen von der Kulturstiftung bezuschusst wird.
Dieser Schritt hält Szenik am Laufen, stellt die Finanzierung
sicher und bringt neue Gelder ein.
Zum Beispiel von industriellen Sponsoren wie Würth-France,
und erst recht von Kulturstätten wie Theatern und Orchestern,
die ja am meisten von Szenik profitieren. „Es ist eine fatale
Neigung, dass die Kultur einer der ersten Bereiche ist, an denen
die Politik spart, wenn wirtschaftliche Probleme aufkommen.“
Künstler müssen in der heutigen Zeit schon wirklich überzeugen und begeistern mit kreativen Werken und Projekten. „Sonst
bleiben die Gelder in den Kassen des Staates oder der Städte.“
Was die Macher von Szenik zudem heute umtreibt, ist die Frage
nach dem Morgen. Sie wollen das Einzugsgebiet ausweiten,
Richtung Lothringen, Champagne, Luxemburg, und auch ein Teil
des Saarlands soll eingeschlossen werden. Ziel ist es, auch dem
erweiterten Gebiet Strahlkraft zu verleihen und den Bewohnern
dieser Regionen zu zeigen, dass sie verwandt sind.
13
Moderne Heimatkunst
In ihrer Galerie in Offenburg versuchen
Ulrich und Simone Marx ihre Begeisterung für Fotokunst weiterzugeben.
Für ihre Ausstellungen suchen die beiden
Galeristen Werke aus der Ortenau aus.
„Für eine erfolgreiche Ausstellung ist
der regionale Bezug doch sehr wichtig“,
sagt Ulrich Marx. Durch die Anordnung
und Mischung der Bilder soll ein neuer
Blickwinkel auf die Region entstehen.
Zu den ausgestellten Künstlern gehören
Modedesigner Jochen Scherzinger und
Sebastian Wehrle mit ihrer „FabulousBlack-Forest-Serie“. Mit seinen „Schwarzwaldmaidlis“ in Gothic-Optik hat
Wehrle der klassischen Schwarzwaldtracht einen neuen Look verpasst.
Marx Galleries, Kittelgasse 22
77652 Offenburg
Telefon 0781 22526, www.marx-fotos.de
Ob in Frankreich, der Schweiz oder in
Deutschland, das DJane-Duo „Shelectric“
aus Offenburg kennt man in der ElectroSzene. Hinter dem Namen verbergen
sich Alexandra Herrmann und Melanie
Allgaier. Seit zehn Jahren machen die
beiden zusammen Musik. Wer die beiden
live erleben möchte, sollte in ihrem
Stammclub, dem Universal D.O.G. in Lahr,
vorbeischauen. Seit acht Jahren bringen
sie dort die Boxen zum Beben. Aber
auch auf Festivals ist das Duo dabei.
Im vergangenen Jahr unter anderem
beim „Sea of Love“ in Freiburg und dem
„Snowzone“ in Frankreich. Zudem legen
sie in Clubs in Freiburg sowie einmal
im Monat unter dem Motto „Shelectric
meets“ mit verschiedenen Gast-DJs im
„Schoellmanns“ auf.
Aktuelle Informationen gibt es
auf der Facebook-Seite des DJane-Duos:
www.facebook.com/shelectric
Alles unter einem Dach
Max Grundig wollte einen Ort der
sprechenden Medizin schaffen, wo sich
Ärzte und Personal Zeit für die Patienten
nehmen und eine Umgebung, die dem
Patienten, seinen Angehörigen und
Freunden das oft beklemmende Gefühl
des Krankenhauses nimmt. Auf der
Bühlerhöhe hat er dafür den idealen Ort
gefunden. Dieser Anspruch erstreckt sich
auf den medizinischen Bereich gleichermaßen wie auf die Funktionsbereiche,
die Zimmer, das Restaurant und den
gesamten Klinikkomplex. Die Klinik
fußt auf drei Bausteinen: der Inneren
Medizin mit einem breiten Spektrum
an Fachabteilungen, einem Check-upZentrum mit Hightech-Geräten und dem
Bereich der Psychosomatischen Medizin.
Max Grundig Klinik
Privatklinik für Internistische
und Psychologische Medizin
Schwarzwaldhochstraße 1
D-77815 Bühl
Telefon 07226 54-0
Foto: Oliver Rath
Die Macher der deutsch-französischen Website szenik.eu
finden, Kultur macht die Welt zu einem besseren Ort.
Deshalb fördern sie seit 2012 mit ihrer Plattform den kulturellen
Austausch im Dreiländereck. Die Umwandlung in eine Stiftung
bringt neuen Schwung und neues Geld.
Spätestens zum Saison-Auftakt im September 2016, wenn die
Kulturstätten wieder erwachen und die Kulturszene auf ein
Neues in Gang kommt, soll beschlossen sein, ob die Region
erweitert wird oder nicht. So oder so: Szenik wird wohl weiterhin bestehen. „Vielleicht kommen nicht so viele Gelder zusammen, wie wir uns das wünschten, aber es wird schon funktionieren“, sagt Jean-Luc Bredel zuversichtlich. Es ist ihm eine
Herzensangelegenheit, Menschen mit Kulturangeboten über
die Landesgrenzen zu locken. „Kultur ist wie Salz im Leben“,
findet er. Was ist schon ein Leben, ein Essen ohne eine Prise
Salz? Und schmeckt das Essen vom fremden Teller nicht immer
ein bisschen besser?
59
Fotos: Fotolia
Die Tauben
von
Schmieheim
PRinziPien
O R T E N A U R E P O R T A G E N | TRADITION
I NTE L L I GE NTE
UMFORMlösUngen
Sie schimmern weiß, blau-schwarz, in cremigem
Altrosa oder samtig lila-grau. Gerhard Schmitt
züchtet seit über 40 Jahren Rassetauben.
2014 gewinnt er auf der Deutschen Taubenschau
die Meisterschaft.
Von Meike Stephan
Gerhard Schmitt ist aufgeregt. Er fährt mit acht Kollegen seines eigens gegründeten
„Sonderverein der Carneau- und Giertauben-Züchter“ zur 63. Deutschen Taubenschau nach
Ulm. Die Männer haben sich einen Kleinbus gemietet, im Gepäck: rund 80 Zuchttauben.
Jede in einem eigenen Käfig, frisch gewaschen, mit glänzenden Federn für die Ausstellung.
Es ist Freitag, der 21. November 2014, und morgen wird Gerhard Schmitt mit 380 von
maximal 388 Punkten Deutscher Meister im Taubenzüchten sein.
Wenige Stunden zuvor: Schmitt hat sich für heute Urlaub genommen, einen Tag von
insgesamt fünfzehn im Jahr, für die er mit seinem Hobby unterwegs ist: dem Züchten von
Rassetauben. Gerhard Schmitt, zweifacher Vater, dreifacher Großvater, kurze graue Haare,
frisch rasiert und von schmaler, drahtiger Figur, sitzt an seinem hölzernen Esszimmertisch,
vor sich eine Tasse Kaffee. Draußen im großen Garten picken wilde Vögel aus großen und
kleinen Vogelhäusern Körner. Schmitts Haus ist modern, hochwertige Holzmöbel auf Parkett
und sandfarbenen Fliesen. Alles hat seinen Platz, alles ist aufgeräumt. Im Hauseingang steht
eine Taube aus Porzellan.
Es ist Zeit. Schmitt räumt die Kaffeetasse weg, geht in den Keller und zieht seine dicke
blau-weiß-karierte Fleecejacke über, die mit feinen roten Linien versehen ist. Sie riecht nach
Staub, Sägespänen und seinem eigens kreierten Taubenfutter: einer Mischung aus Weizen,
Gerste, Sojabohnen, Perlmais, Erbsen und Sonnenblumenkernen. Durch den Schnee stapft er
mit seinen Lederschuhen hinter sein Haus in Kippenheim. Von weitem hört man das Gurren
der Tauben. Diesmal pfeift er nicht sieben Mal kurz hintereinander, wie er es normalerweise
macht, wenn er zu seinem Taubenschlag geht und rund 50 hungrige Schnäbel stopft.
Heute kommt er nicht zum Füttern. Trotzdem flattern die Tiere aufgeregt auf, als er die
knarrende Holztür öffnet und ins Innere des sieben Quadratmeter großen Taubenschlages
tritt. Schmitt hat zehn Tauben zur Ausstellung in Ulm angemeldet – die zehn schönsten
Jungtiere aus seiner diesjährigen Zucht. Schmitt ist stolz auf sie, er weiß, dass er bei der
Paarung gute Arbeit geleistet hat. Er kennt sich aus mit Tauben.
Gerhard Schmitt ist auf einem kleinen Bauernhof in Schmieheim aufgewachsen. Es gibt
Kaninchen, Hühner, Kühe und Schweine. Von klein auf hat er mit Tieren Kontakt. Tauben hat
die Familie nicht, allerdings der Nachbar. Mit zwölf verbringt Schmitt viel Zeit im Speicher
des Nachbarn, um bei dessen Tauben zu sein. „Irgendwie hat es mir Spaß gemacht, den
Tauben zuzuschauen“, erinnert er sich. Es fasziniert ihn, wie sich die Taubenpaare verhalten,
wie sie sich bewegen, wie sie zärtlich zueinander sind. Als der Nachbar den Speicher
umbaut und mit dem Taubenzüchten aufhört, bittet Schmitt darum, ein paar Tauben
geschenkt zu bekommen. Die Eltern haben nichts dagegen, auf dem Bauernhof sind sie Tiere
60
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O R T E N A U R E P O R T A G E N | TRADITION
Heute gibt es in Schmitts Taubenschlag
knapp fünfzig Zuchttauben. Sie schimmern weiß, blau-schwarz, in cremigem
Altrosa oder samtig lila-grau, haben einen
zarten Kamm auf dem Kopf oder einen
üppigen Kropf vor dem Hals. Sie sind
größer als gewöhnliche Stadttauben und
wirken elegant, wenn sie den Kopf leicht
zur Seite neigen und das Treiben im
Verschlag beobachten. Namen haben
die Tauben nicht: „Das finde ich irgendwie ein bisschen affig“, sagt Schmitt.
Von Beruf ist Schmitt Schichtführer in
der Montage von Sanitärarmaturen bei
der Firma Grohe in Lahr. Dort arbeitet
er seit 46 Jahren. Er hofft, in eineinhalb
Jahren in Rente gehen zu können. Wenn
Schmitt nach einem anstrengenden
Tag nach Hause kommt, geht er gerne in
den Garten und schaut den Tauben zu.
„Bei der Taubenzucht geht es mir um
Schönheit“, erklärt er. Schönheit, das
bedeutet, möglichst ausgeprägte Merkmale der jeweiligen Rasse an die Tauben
zu züchten. Dabei spielen sogenannte
Rassemerkmale wie Hals- und Beinlänge, Farbe und Größe ebenso eine Rolle
wie die Blutlinie des Tiers. Ziel ist es,
die bestgelungenen Nachkommen auf
Rassetaubenschauen zu präsentieren und
die Preisrichter mit ihnen zu überzeugen.
Das ist auch der Plan für das Novemberwochenende 2014 in Ulm.
Seinen heutigen Taubenverschlag hat
Schmitt ebenfalls selbst gebaut, in Zusammenarbeit mit seinem Schwiegervater.
Es gibt ein Außengehege und im Innern
drei kleine Kammern, die mit einfachen
Holztüren voneinander abgetrennt sind.
Die Luft ist dick hier drin, der Staub, den
die Federn der Tauben produzieren, liegt
schwer im Raum, das Atmen ist mühselig. Seitlich ist ein schmaler Flur, links
leben die Tauben, abgetrennt von einem
feinen Maschendrahtzaun. Überall kleben
Federn: im Zaun, in Spinnweben an der
Decke, in Wandschlitzen. Sie liegen auf
dem Boden über den Sägespänen und
säumen die länglichen, selbst gezimmerten Futterstellen. An die Wände hat
Schmitt Bretter genagelt, auf denen die
62
Tauben sitzen können. Mehrere Fenster
lassen fahles Licht ins Innere fallen.
Die Wassertränke ist im Winter von
unten geheizt, und Schmitt gibt dem
Wasser gepressten Knoblauch bei, das ist
gut für das Immunsystem der Tauben.
Der letzte Raum ist für die bereits gepaarten Tauben reserviert. Hier hat er an
der rechten Seite wandhoch Brutkästen
angebracht. Zwischen Dezember und
Januar werden hier Tauben ihre Sprösslinge großziehen. Eine Taube brütet
18 Tage, dann schlüpfen die Jungtiere.
Sie picken zuerst die Eierschale kreisrund
mit kleinen Löchern auf, dann wird die
löchrige Schale mit dem Körper weggedrückt. „Gelbe und rote Tauben sind komplett nackt, wenn sie schlüpfen. Weiße
und schwarze Tauben haben einen Flaum
auf dem ganzen Körper“, erklärt Schmitt.
Nacheinander bringt er die auserwählten Tauben, die mit auf die Ausstellung
nach Ulm kommen, in seine Garage.
Flink schlüpft er dazu in die meterhohe
Öffnung des Taubengeheges, lässt kurz
die Augen schweifen, dann packt er zu,
hält das Tier in seinen kräftigen Händen
fest, die rotgeränderten Augen der Taube
bewegen sich schnell.
In der Garage reinigt Schmitt ihre Füße
unter dem Wasserhahn. Dann fährt er
behutsam mit einem in Essigwasser
getunkten Baumwolltuch über das Federwerk und entfernt so die Staubschicht.
Auch aus den Augenrändern entfernt
Schmitt mit seinem Finger und etwas
Wasser den Federstaub und putzt ihren
Schnabel. Zuletzt reibt er die Füße mit
Melkfett ein. Jetzt ist die Taube bereit für
die Ausstellung und kann in ihren Käfig.
Vorher hat Schmitt sie mehrere Tage an
den Transportkäfig gewöhnt. Es ist derselbe Käfig, in dem sie auch ausgestellt wird.
Die Taube soll sich darin wohlfühlen, das
ist wichtig, um bei den Punktrichtern zu
überzeugen.
Die Deutsche Taubenschau ist die wichtigste Ausstellung für Taubenzüchter.
Sie findet jährlich auf einem Messe-
gelände in Großstädten wie Leipzig,
Erfurt oder wie 2014 in Ulm statt. Rund
18.000 Tauben werden dann von ungefähr
1500 Taubenzüchtern präsentiert. Die
Fahrt von Kippenheim nach Ulm dauert
knapp drei Stunden. Die Zeit vergeht
schnell, die Männer verstehen sich gut,
sie teilen dieselbe Leidenschaft. Eine
Leidenschaft, die viele nicht verstehen.
Eine davon ist Schmitts Frau. Schon
mehrfach hat sie versucht, ihm die Vögel
auszureden. Sie hätte es lieber gesehen,
wenn er sich mehr auf sein zweites
Hobby, das Laufen, konzentriert hätte.
Stattdessen gibt er den Sport auf und
verbringt noch mehr Zeit im Taubenschlag. „Tauben haben für mich etwas
Beruhigendes. Manchmal kann ich
einfach vor dem Käfig stehen und ihnen
zuschauen. Wie sie sich putzen oder
wie die Kropftauben minutenlang ihren
Kropf aufblasen und dann in wenigen
Sekunden die Luft wieder ausweichen
lassen“, sagt Schmitt. Selbst als ihm
der Hausarzt Federstaub in der Lunge
diagnostiziert und ihm dringend rät, mit
dem Taubenzüchten aufzuhören, hält
er die Abstinenz nur zwei Jahre aus.
„Man könnte schon sagen, dass das eine
Sucht ist“, sagt er jetzt. Heute merkt
er den Staub in der Lunge beim Laufen.
Samstag, 22. November 2014: Die Ausstellung ist heute für Gäste geschlossen.
Nur die Preisrichter haben Zugang zur
Tauben schau und inspizieren jedes Tier.
Von jedem Teilnehmer suchen sie sich die
vier besten Tauben aus und vergeben
ihnen Punkte. Für ein „Sehr gut“ gibt es
93-95 Punkte, ein „Hervorragend“ 96
und ein „Vorzüglich“ 97 Punkte. Gerhard
Schmitt bekommt 380 Punkte: einmal
„Hervorragend“, zwei Mal ein „Sehr gut“
mit 95 und einmal ein „Sehr gut“ mit
94 Punkten. Er hat damit die Höchstpunktzahl in diesem Jahr erreicht und ist
„Deutscher Meister im Taubenzüchten
2014“. Zusammen mit seinen Kollegen aus
Kippenheim geht er in eine Gaststätte, er
gibt eine Runde Bier aus, es gibt ihm zu
Ehren eine kleine Fete. „Das war schon
eine Überraschung“, erzählt er heute, ein
gutes Jahr später, im Januar 2016. Er sitzt
wieder an seinem Holztisch im Esszimmer in Kippenheim und erinnert sich
an die Zeit zurück: „Das ist eine schöne
Bestätigung für die Arbeit, die man das
ganze Jahr über hatte.“ Gerhard Schmitt
kratzt sich am kurzen Bart, denkt kurz
nach: „Man ist dann irgendwie glücklich.“
Auf dem Rücken des
purpurnen Drachen
Der Europa-Park in Rust ist der weltweit erste Freizeitpark, der eine
Virtual-Reality-Achterbahnfahrt anbietet. Das digitale Konzept soll
alten Attraktionen, wie dem Alpenexpress, neues Leben einhauchen.
Von Anna Rinderspacher
I
Ich rüttle an meinem Headset, es sitzt fest. Hinter mir
lacht ein Pärchen, ein bisschen irritiert drehe ich mich
um, doch ich kann sie nicht sehen. Stattdessen winkt
mir eine verschwommene Euromaus, das Maskottchen
des Europa-Parks, entgegen. Mit einem Rad passe ich die Schärfe
des Bildes an, bevor ich meinen Haltegriff umklammere.
Der Alpenexpress fährt los.
Als weltweit erster Freizeitpark bietet der Europa-Park Rust
seit September 2015 eine Achterbahnfahrt in Virtual Reality an.
Gegen einen Aufpreis von zwei Euro können Parkbesucher
ein Headset mieten, das an eine Taucherbrille erinnert. Mit
dieser erleben sie die Fahrt mit dem Alpenexpress, der 1984 als
erste Achterbahn des Europa-Parks eingeweiht wurde, völlig
neu – als Alpenexpress VR-Ride. Auch die 2006 eröffnete YoungStar Achterbahn „Pegasus Coastiality“ kann seit dem Saisonstart
2016 auf eine völlig neue Art erlebt werden. Mit der VR-Technologie rauscht man im Griechischen Themenbereich durch eine
schaurig-schöne Animationswelt.
Zwei Jahre dauerte es, bis die Technik perfektioniert war:
Sensoren an den Rädern des Fahrwerks registrieren die
Geschwindigkeit des Kurzzuges 30-mal pro Sekunde und leiten
diese an eine Blackbox im Inneren der Lokomotive weiter.
Von dort aus werden die Informationen mit einem Animationsfilm synchronisiert und via Bluetooth an Smartphones
gesendet, die im Gehäuse des Headsets eingebettet sind. Bilder,
die der Besucher während der Fahrt sieht, sind simuliert;
die Gefühle, die er dabei empfindet, sind echt.
Der Alpenexpress VR-Ride saust nun durch eine Diamantenmine – vor mir sind die Euromaus und der Europa-Park-Elefant
damit beschäftigt, eine Eisenbahn-Draisine zu bedienen. Nach
und nach bauen sich die Gleise vor mir auf. Zwischendurch
kommt von links ein weiterer Wagen angefahren; darin sitzt ein
kleiner Ziegenbock, den die Euromaus sogleich zu sich herüberzieht. Auf einmal enden die Gleise – ich rase auf einen Abgrund
zu. Als der Wagen ins Leere schanzt, halte ich die Luft an.
Wieso fühlt sich diese virtuelle Realität so echt an? „Der
menschliche Gleichgewichtssinn kann keine absolute
Foto: Europa-Park
gewohnt und Platz für eine provisorische
Behausung, die der 12-Jährige damals
allein baut, gibt es auch. Er behält die
Tiere, bis er zur Bundeswehr muss.
Es gibt Zeiten, da hat Gerhard Schmitt
über zweihundert Tauben auf dem
elterlichen Hof.
Virtual reality | O R T E N A U R E P O R T A G E N
Geschwindigkeit, sondern nur Veränderungen wahrnehmen“,
erklärt Professor Thomas Wagner von der Fachhochschule
Kaiserslautern, der die VR-Achterbahn für den Europa-Park entwickelte. „Aspekte wie Geschwindigkeit, Distanzen und Höhen
lassen sich deshalb in virtuellen Welten sehr leicht verstärken,
ohne dass sie sich falsch oder simuliert anfühlen.“ So wirkt
eine Abfahrt der realen Achterbahn aus 15 Metern Höhe in
der virtuellen Realität glaubhaft wie ein Sturz aus 70 Metern.
Dadurch wird die Fahrt mit dem Alpenexpress zu einem noch
nie dagewesenen Erlebnis – erschien die Achterbahn mit einer
63
O R T E N A U R E P O R T A G E N | Virtual reality
Horst Sahrbacher, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Offenburg:
Geschwindigkeit von 45 Stundenkilometern zuletzt doch
beinahe unspektakulär neben Attraktionen wie der Blue Fire,
die Fahrgäste mit 100 km/h in einen Looping schießt.
Michael Mack, der Sohn des Parkgründers Roland Mack, erkannte das Potenzial des Konzepts: Gemeinsam mit Thomas Wagner
gründete er das Unternehmen VR-Coaster und meldete ein
Patent auf die Virtual-Reality-Achterbahn an. Neben weiteren
Konzepten für den Europa-Park arbeitet VR-Coaster derzeit an
Projekten in Amerika und Asien. Ein Trailer auf der Website des
Unternehmens vermittelt erste Eindrücke einer Kooperation
mit den Universal Studios im japanischen Osaka: Quietschbunte
Popart-Figuren treffen auf japanische Mädchen im Manga-Look
mit überdimensionalgroßen Schleifen auf dem Kopf.
Zukunft durch Weiterbildung
„Die Nachfrage nach qualizierten Arbeitskräften ist im Ortenaukreis hoch und wird weiter steigen.
Die Qualizierung von Arbeitnehmern ohne Berufsabschluss ist deshalb ein zentrales Handlungsfeld
der Agentur für Arbeit Offenburg. Wir unterstützen Sie nanziell, wenn Sie ungelernten Arbeitnehmern im Rahmen einer Qualizierung einen Berufsabschluss vermitteln.“
Der Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit Offenburg unterstützt Sie:
Wir beraten Sie gerne persönlich, um Personal für Sie zu gewinnen oder passgenau zu qualizieren.
Rufen Sie uns an: 0800 - 4 5555 20 (Dieser Anruf ist für Sie kostenfrei)
Ich stürze im freien Fall in den Abgrund. Eiskalter Wind pfeift
mir um die Ohren. Plötzlich taucht ein purpurfarbener Drache
unter mir auf, auf dessen Rücken ich lande. Ich fliege! Aus der
Luft lasse ich den Blick über das virtuelle Europa-Park-Gelände
unter mir schweifen. In der Ferne erkenne ich die verschlungenen Gerüste der Achterbahnen Silverstar und Blue Fire.
Die Flügelschläge des Drachen werden langsamer, er landet.
Die Fahrt ist vorbei. Ich atme tief durch, schiebe die Brille nach
oben und muss blinzeln. Zurück in der Realität schlägt mein
Herz wie verrückt.
64
Foto: Europa-Park
Auch wenn das virtuell-reelle Fahrerlebnis bislang sehr gut
von den Besuchern des Europa-Parks angenommen wird –
während der Testphase bewerteten Fahrgäste das Erlebnis
im Schnitt mit 4,8 von 5 möglichen Punkten –, den klassischen
Freizeitpark wird die neue Technik nicht ablösen. Vielmehr
werden VR-Rides ein Zusatzangebot bleiben. „Auch wenn es
revolutionär ist und wahnsinnig gut ankommt, werden wir
auch weiterhin Achterbahnen bauen, die ohne VR auskommen“,
versichert der Unternehmenssprecher des Europa-Parks,
Jakob Wahl. „Wir sind in erster Linie ein Familienpark.
VR aber ist ein individuelles Erlebnis.“
Foto: Europa-Park
Der Anreiz, virtuelle Realität und Achterbahn zu koppeln,
liegt nicht zuletzt darin, dass Achterbahnen regelmäßig neue
VR-Erlebnisse bieten können und die Besucher irgendwann
die Möglichkeit haben, aus verschiedenen Programmen auszuwählen. „Auch die zu Halloween sehr beliebten Labyrinthe
lassen sich mit VR-Technologie um einiges aufregender gestalten“, merkt Wagner an. Darüber hinaus, so der Entwickler,
werden Interaktion und „Gaming“ in Zukunft wesentliche
Elemente sein, auf die Vergnügungsparks bei der Entwicklung
von VR-Attraktionen setzen. So könnten Parkbesucher etwa
eine bestimmte Attraktion besuchen, um dort ein virtuelles
Bonuselement aufzusammeln und dieses anschließend auf
einer anderen Attraktion zum Einsatz zu bringen.
Dass solche VR-Angebote gerade jetzt entstehen, ist für
Wagner kein Zufall: „Bisher waren diese Brillen weitaus größer,
leistungsschwächer und vor allem viel teurer als die aktuelle
Generation von VR-Headsets.“ Erst durch die Entwicklung
von Smartphones mit hochauflösenden Bildschirmen und
leistungsfähigen Sensoren wurde ein Gerät wie die Oculus
Rift, in deren Marktreife Facebook-Gründer Mark Zuckerberg
2 Milliarden Dollar investierte, oder die Samsung VR-Gear,
mit der VR-Coaster arbeitet, zu einem erschwinglichen Preis
möglich.
Was ist VR ?
Virtual Reality oder Virtuelle Realität versucht, reale
oder Fantasiewelten am Computer anhand dreidimensionaler Bilder nachzubilden und für den Nutzer „erlebbar“
zu machen. So kann er anhand spezieller Vorrichtungen,
wie Helmen, oder Brillen, auf real erscheinende Weise
mit den Bildern interagieren, zum Beispiel in einem
Computer- oder Konsolenspiel. Das Militär verwendet
VR-Technologie schon lange zu Schulungszwecken.
Durch das Voranschreiten der Technik werden diese
bisher kostspieligen und teilweise sperrigen Geräte
nun für den Verbraucher erschwinglich und handlicher.
& PARTNER, Offenburg
KALISCH
O R T E N A U R E P O R T A G E N | START-Ups
Ein „Google-Spezial“
„Holidu“ sucht die richtige von drei Millionen Ferienwohnungen
Von Helena Kégl
I
Ihr Name ist Siebers, Johannes und Michael Siebers.
Und ihre Erfolgsformel lautet: Holiday + Du = Holidu.
Daraus entstanden ist ein Start-up, das den OnlineFerienwohnungsmarkt revolutioniert und jede Suche
und Buchung extrem vereinfacht. In Offenburg haben
sie ihr Unternehmen gegründet, jetzt sind sie in München.
gefragt, warum es so schwierig ist, Ferienwohnungen zu finden,
wenn es so leicht ist, sich Flug und Hotel zu buchen.“
Die Tür geht auf und durch das Büro kommt Johannes Siebers
(31) den Gang entlang. Er schaut freundlich, schüttelt mit Nachdruck die Hand und führt in den Konferenzraum. Kurz darauf
kommt sein jüngerer Bruder Michael (27) dazu. Gemeinsam
erzählen sie von den Anfängen ihres Unternehmens.
Drei Jahre später ist so aus einem Problem ein Start-up
geworden. Holidu vergleicht heute als Metasuchmaschine die
Angebote aller wichtigen Ferienwohnungsportale auf einer
einzigen Plattform und bietet Nutzern direkten Zugriff auf über
drei Millionen geprüfte Ferienunterkünfte aus über 200 Ländern
an. „Intelligent gefiltert, können Kunden so bis zu 55 Prozent
sparen und genießen eine riesige Bandbreite an Unterkünften,
die von edler Finca bis rustikaler Hütte alles zu bieten haben“,
definieren die Macher den Nutzen der Website.
Es ist der Sommer 2013. Bei der Suche nach einem Ferienhaus in
Portugal entwickeln sie ihre Geschäftsidee. „Wir haben schnell
festgestellt, dass es ein überwältigendes Angebot an Seiten gibt.
Davon bieten sowohl die großen als auch die kleinen Portale
oftmals die gleichen Ferienwohnungen zu extrem unterschiedlichen Preisen an“, erklärt Johannes. „Wir haben uns dann
Johannes und Michael blicken stolz auf ihre Holidu-Wand. Dort
haben sie auf einer Landkarte fein säuberlich die wichtigen
Ferienhausregionen abgesteckt. Lernt man die beiden getrennt
kennen, meint man nicht, es mit Geschwistern zu tun zu haben.
Sitzen sie jedoch nebeneinander, ist das anders. Beide offener
Blick, blond, Hände und Nase zeigen die familiäre Verbindung.
Wir sind immer für Sie da
Foto: Helena Kégl
Allerdings nur 25 Stunden am Tag
66
www.wro.de
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ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | START-Ups
Und sie sprechen mit der gleichen Begeisterung und Überzeugung von ihrem Produkt. Es ist schwer, sich nicht mitreißen
zu lassen. Was heute jedoch als Ferienwohnungs-Suchmaschine
Holidu bekannt ist, war anfangs ein harter Weg, erzählen sie.
Kurz nach ihrem Urlaub kündigen sie ihre Jobs, um sich auf
das Projekt zu konzentrieren. Eine mutige Entscheidung, denn
Johannes war erfolgreich als Investment-Analyst bei Siemens
tätig und Michael als JavaScript Developer und IT-Consultant
ebenso glücklich bei Zalando. Die Brüder arbeiten nächtelang
in ihrem Wohnzimmer durch und feilen an ihrer Geschäftsidee.
Sie wollen so schnell wie möglich marktfähig werden. Nach
den ersten sechs Monaten, in denen sie nur mit Eigenkapital an
der Umsetzung ihrer Idee arbeiten, erhalten sie das anerkannte
„Exist-Gründerstipendium“ des Bundeswirtschaftsministeriums
zusammen mit dem Institut für Entrepreneurship, Technologie
und Innovation (EnTechnon) des KIT Karlsruhe.
Weitere Zuschüsse folgten Anfang dieses Jahres durch namhafte
‚Business Angels’, Geldgeber, die unter anderem als Mentoren
agieren und den Jungunternehmern bei der Entwicklung helfen. Solche Finanzierungen sichern den Erfolgskurs der beiden
Brüder, und Holidu ist damit ein ernstzunehmender Mitspieler
der weltweiten Start-up-Sphäre. Erst kürzlich hat sich Holidu
erfolgreich ein Venture-Kapital in Höhe von 5 Millionen Euro
sichern können. Damit soll der Weg für weiteres Wachstum
geebnet und das Geschäftsmodell ausgebaut werden.
Kees Koolen, Partner bei EQT Ventures und ehemaliger CEO
von Booking.com, äußerte gegenüber dem Portal Munich
Start-up, dass „der stark fragmentierte Ferienwohnungsmarkt
ein riesiges Wachstumspotential bietet. Holidu hat in kurzer
Zeit marktführende Technologien entwickelt“. Martin Junker,
Managing-Partner bei Venture Stars, fügte hinzu: „Wir sind
beeindruckt von der Effizienz und Geschwindigkeit des Teams
und wollen mit unserem Netzwerk einen Beitrag zum Erreichen
der nächsten Meilensteine leisten.“
Johannes hat Wirtschaft in Tübingen studiert und kümmert
sich um alle wirtschaftlichen Aspekte des wachsenden Unternehmens. Sein jüngerer Bruder Michael studierte Informatik in
Tübingen und ist der Tech-Experte hinter Holidu.
Die beiden Brüder versammeln ihr 20-köpfiges Team zur Besprechung um sich. Frisch eingezogen sind sie in ihr Büro in
der Karlsstraße. Mit namhaften Nachbarn wie dem Condé Nast
Verlag. Lichtdurchflutet sind die Arbeitsräume im ersten Stockwerk des großen Gebäudes nahe der Innenstadt. Nur Glaswände
durchtrennen die verschiedenen Einheiten. Lebhaft geht es
hier zu, da ein Lachen, hier ein Tippen und dazwischen werden
Telefonate in mehreren Sprachen geführt.
Wie funktioniert die Suchmaschine? Der Nutzer entscheidet
sich für ein Angebot, wird auf die Seite des jeweiligen
Anbieters weitergeleitet und bucht dann dort. Jede Buchung
wird verfolgt und Holidu erhält dadurch eine Provision.
Um bei den verschiedenen Anbietern die identischen Ferienwohnungen zu finden und immer den besten Preis anzeigen
zu können, nutzt die Suchmaschine eine selbst entwickelte
Bilderkennungs-Software.
„Die Technologie vergleicht die Bilder von Ferienwohnungen
miteinander, um Duplikate herausfiltern zu können“, erklärt
Michael. „Wir können so identifizieren, ob die Ferienwohnung
auf Seite A die Gleiche ist wie auf Seite B. Und das kann eigentlich kein anderer bisher. Wir haben einen Technologie-Fokus,
den wir ständig ausbauen. Die große Schwierigkeit ist, das mit
40 Millionen Bildern zu machen. Deswegen sitzen wir Tag und
Nacht am System und entwickeln es weiter.”
Dies bedeutet viel gemeinsame Arbeit. Auf die Frage, wie es ist,
als Brüder gemeinsam zu arbeiten, antwortet Johannes: „Wie
ist es eigentlich, als Nicht-Brüder gemeinsam zu arbeiten? Als
Gründer brauchst du ein unglaubliches Vertrauen, gerade in den
ersten Jahren, und als Brüder ist das gegeben. Es kann natürlich
auch mal krachen, aber das ist schnell wieder vorbei. Das Gute
ist, dass wir total unterschiedliche Aufgabenfelder und Rollen
haben und das Konfliktpotential dementsprechend niedrig ist.“
Was sie gemeinsam mit ihrem Team erreichen wollen? Michael
und Johannes schauen sich kurz an. „Es gibt immer noch
Ferienwohnungen, die nicht bei uns sind. Das heißt, wir bauen
ständig unser Inventar aus. Ansonsten arbeiten wir weiterhin
daran, Reichweite zu generieren. Ich meine, wir sind ein Startup, da ist es klar, dass uns noch nicht jeder kennt. Unsere Vision
ist, Holidu zu einem weltbekannten Synoym für Ferienwohnungen zu machen“, sagt Johannes.
Ihr Team, das mit der gleichen Begeisterung wie ihre jungen
Vorgesetzten täglich daran arbeitet, Holidu zu vergrößern,
nennt sich die ‚Holidu-Family‘. Ihre Schreibtische sind eng
nebeneinander aufgebaut und es herrscht ein kreatives Treiben. Unlängst ging es gemeinsam ins Zillertal zum Skifahren.
Gebucht, natürlich, über Holidu. Zeit finden, für sich und ihre
Mitarbeiter, durchatmen und den Kopf freikriegen, ist ihnen
sehr wichtig. Dabei entstanden schon manch brillante Ideen auf
dem Ski-Lift oder in ungezwungener Runde beim Abendessen.
Foto: Helena Kégl
Rasmus Porsgaard, der Chief Marketing Officer von Holidu,
erzählt: „Das Besondere an Holidu ist, dass wir auf der einen
Seite ein sehr internationales Unternehmen mit Mitarbeitern
aus mehr als zehn Ländern sind und es sich auf der anderen
Seite wie eine kleine Familie anfühlt. Wir arbeiten alle sehr
freundschaftlich zusammen und versuchen immer die Stärken
der anderen hervorzubringen.“ Simon Meier, Chief Operating
Officer, der erst kürzlich dazugestoßen ist, bestätigt: „Als mich
Johannes und Michael gefragt haben, ob ich bei Holidu einsteigen wollte, musste ich nicht lange überlegen. Ich denke,
die Brüder sind so erfolgreich, weil sie in ihren jeweiligen
Bereichen exzellent sind und sich dabei voll auf den anderen
verlassen können. Diese Vertrauenskultur überträgt sich auf
das gesamte Team und hilft dabei, schnelle Entscheidungen zu
treffen und diese effektiv umzusetzen.“
68
Diesen Familien-Zusammenhalt spürt man bei den SiebersBrüdern sofort. „Erfolg ist nicht planbar. Klar sind wir happy
mit dem Verlauf. Anderseits haben wir noch viel vor. Wir
schauen immer nach vorne und wollen noch viel verändern“,
sagt Michael und legt seinem Bruder freundschaftlich den Arm
über die Schulter.
Und auch die Szene ist begeistert. Lukas Herbst, Gründer von
StartupBrett.de, einer Plattform zur Förderung junger Unternehmen, sagt: „Die Reisebranche ist hart umkämpft, daher ziehe
ich meinen Hut vor den beiden. Mit der richtigen Strategie ist
das aber, wie man sieht, auch machbar. Oftmals ist die richtige
Idee zum richtigen Zeitpunkt Gold wert. Sie haben erkannt, dass
die Buchung von Ferienwohnungen wesentlich komplizierter
ist als bei der klassischen Hotelbuchung. Mit dem richtigen
Konzept und Team hat es hier funktioniert. Vielleicht ist aber
auch die Geschwisterverbindung der Schlüssel.“
Dass die Offenburger Jungs trotz ihres unglaublichen Erfolgs
bodenständig geblieben sind, haben sie ihrem Umfeld zu
verdanken. Freunde und Familie unterstützten die beiden von
Anfang an. Und auch in ihre alte Heimat zieht es sie immer
wieder. Einmal im Quartal sind sie zu Hause. Und genießen
dann jede Minute. Besonders die Landschaft mit ihren wunderschönen Weinbergen fehlt den beiden und die vielen
erfolgreichen Unternehmen, die es hier gibt.
„Ich glaube auch, dass viele Leute von außerhalb die Ortenau
nicht unbedingt auf dem Radar haben und immer wieder
erstaunt sind, welche Marktführer es hier gibt und wie viele
Start-ups aus der Region entstanden sind und weiterhin
entstehen.“
Michael und Johannes stehen auf, schieben ihre Stühle zurück
und verlassen den Konferenzraum. Die Arbeit ruft und ihr Team
wartet schon. Michael dreht sich noch einmal um: „Wir sind
übrigens immer auf der Suche nach talentierten Leuten und
guten Software-Entwicklern. In allen Dingen, die wir machen,
wollen wir erstklassig sein, und dafür brauchen wir Zuwachs,
besonders aus der angewandten Informatik-Szene.“
69
ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | TRADITION
Ortenauer
ZigarreN
Die ehemalige Seelbacher Zigarrenmanufaktur „Herr Lehmann“ erfindet
sich neu. Nicht nur eine neue Leitung und ein neuer Standort sollen das
Fortleben des Betriebs sichern, sondern vor allem eines: das traditionelle
Handwerk. Von Kathrin Wölfle
Holzformen stapeln sich zwischen den
Messingplatten der Presse. Dazwischen
blitzen dunkelbraune Blätter hervor.
Auf dem Boden verstreut liegen Tabakreste. Zwei dunkle Holztische stehen
in der Mitte des Raumes. Maserungen,
Kerben, Spuren von vielen Arbeitstagen
durchziehen die alten Möbelstücke.
Sie stehen nicht ohne Grund hier: In der
Marktstraße 1 befindet sich nicht nur der
Verkaufsraum der Zigarrenmanufaktur
„Herr Lehmann“, sondern hier werden
auch die Zigarren gefertigt.
Es ist still. Nur das Schaben eines Messers
über die unebene, weiche Oberfläche des
Holzes ist zu hören. Zwei Frauen sitzen
an den Tischen und rollen große Tabakblätter um die braunen Zigarrenrohlinge
aus den Holzformen. Eine der Frauen
ist Monika Böhnert. Zuerst sollte das
Zigarrenhandwerk für sie nur ein
Nebenjob sein. Die Einzelhandelskauffrau
führte mehrere Modeboutiquen in der
Offenburger Innenstadt. Sie hatte falsche
70
Nägel, trug High Heels. Ihr Alltag war
hektisch. „Und schauen Sie mich jetzt an“,
lacht Monika Böhnert und zeigt auf die
gemütlichen Fellboots und ihre schlichte
schwarze Schürze, auf die groß das Logo
der Manufaktur gedruckt ist. Ihre Nägel
sind kurz und dreckig.
Am Anfang war diese Umstellung hart,
aber die Arbeit mit den Zigarren entschädigten sie. „Es ist wie Meditation.
Beim Rollen kann ich komplett abschalten und mich einfach nur auf die Tabakblätter und die Zigarre konzentrieren.“
Das Herstellen von Zigarren machte ihr
bald mehr Spaß als ihr Job in der Modebranche. Mittlerweile, nach mehr als
einem Jahr, rollt sie nicht nur Zigarren,
sondern übernimmt auch das Management des Ladens. „Ich bin quasi Mädchen
für alles, so viel Vertrauen haben meine
Chefs in mich!“
Dass Gregor Grüb und Klaus Harisch ihre
Chefs und Geschäftsführer der Manufaktur wurden, war Zufall: Auf einem
Sommerfest 2013 hörten sie mit, wie
jemand von den Zeiten erzählte, als die
Tabakindustrie rund um Lahr florierte.
Das Interesse der beiden Geschäftsmänner war geweckt, und bei ihren
Recherchen stießen sie auf den kleinen
Handwerksbetrieb „Lehmann“, der letzte
seiner Art in Deutschland. Sie besuchten
die Besitzer Oskar und Maria Lehmann in
ihrer Werkstatt in Seelbach. „Er war 85
und sie schon über 80 und saßen zusammen im Keller. Man konnte durch den
Zigarenqualm fast nichts sehen.“
Fasziniert erzählt Gregor Grüb vom
ersten Besuch. Er war sofort infiziert
von der Leidenschaft und Kunstfertigkeit,
mit der die beiden ihre Zigarren produzierten. „Beim dritten Besuch sagte uns
Oskar, dass, wenn wir noch Zigarren
wollten, diese jetzt kaufen müssten. Er
und seine Frau wollten in Rente gehen
und deshalb die Manufaktur schließen.“
Die Idee, das Geschäft zu übernehmen,
kam Gregor Grüb bereits auf dem Heimweg. Zusammen mit seinem Partner
Klaus Harisch entwickelte er ein Konzept,
dass das alte Handwerk erhalten sollte.
„So richtig ernst genommen haben
sie uns am Anfang nicht“, schmunzelt er.
„Sie konnten nicht glauben, dass jemand
Interesse daran hatte, ihren Familienbetrieb weiterzuführen.“
Seit 1924 war die Zigarren-Manufaktur
„Lehmann“ im Besitz der Familie. Damals
war sie eine von 200 Fabriken im Umkreis
von Lahr. Hier am Fuße des Schwarzwaldes lag das größte Anbaugebiet für
Tabak in Deutschland, in dem ein Viertel
aller deutschen Zigarren produziert
wurde. Das Geschäft boomte und viele –
vor allem Frauen – fanden in den
Zigarrenmanufakturen Arbeit.
Doch mit Einführung der Zigarette
bekam die Zigarre eine Konkurrenz,
der sie kaum standhalten konnte.
Die Betriebe mussten reihenweise
schließen. Dazu kam der Import von
billigerem ausländischem Tabak.
Fotos: Ulrich Marx
E
Es duftet. Nach getrockneten
Blättern, herb, aber mit einer
süßlichen Note. Wenn man
den kleinen Laden mitten in
der Lahrer Innenstadt betritt, wird man
sofort vom schweren, starken Geruch
des Tabaks begrüßt. Ein großer Orientteppich, Sessel und Vitrinen erinnern an
ein gemütliches Wohnzimmer. Aber nur
im ersten Moment, denn ein paar Schritte
weiter steht eine massive, hüfthohe Maschine – die Tabakpresse.
71
O R T E N A U R E P O R T A G E N | TRADITION
voice | O R T E N A U R E P O R T A G E N
Akzent ist unüberhörbar. „Stellen Sie alle
Zigarren von Hand her?“ fragt der Tourist,
während er Barbara Glocke über die
Schulter schaut.
In den 60er-Jahren übernahmen Oskar
und Maria Lehmann die Manufaktur
seines Vaters. Sie hielten trotz der
schwierigen Marktsituation am traditionellen Handwerk fest, setzten nicht
auf die neuen maschinellen Methoden.
Bis 2014 führten sie das traditionelle
Zigarrengewerbe fort. Dann schien die
Schließung unausweichlich. Der Ruhestand wartet auf das Ehepaar, und keines
der vier Kinder wollte das Familiengewerbe übernehmen. Stattdessen übernahmen Gregor Grüb und Klaus Harisch
die Zigarrenmanufaktur „Herr Lehmann“
im Mai 2014.
Der Umzug von Seelbach nach Lahr ist
der Anfang des neuen Konzeptes: Die
Zigarren sollen nicht nur handgefertigt
sein, sondern komplett badisch, regional.
Den alten Namen behielten die neuen
Eigentümer bei, um das Lebenswerk
Oskar Lehmanns zu ehren. Schwieriger,
als neue Räumlichkeiten zu finden,
gestaltet sich die Suche nach Angestell-
72
ten, die noch Zigarren herstellen können.
Neben Monika Böhnert arbeiten noch
vier weitere Quereinsteiger in der
Zigarrenmanufaktur. „Keiner von uns
hat den Beruf gelernt. Alles was wir
wissen hat uns Frau Lehmann beigebracht.“
Die ehemalige Besitzerin der Fabrik hat
als letzte Amtshandlung ihr Wissen an
die neuen Angestellten weitergegeben,
in einem sechswöchigen Grundkurs.
Die Glocke an der Eingangstür klingelt.
Monika Böhnert schaut auf und legt die
Zigarre, die sie gerade ummantelt, aus
der Hand. Ein Paar betritt den Laden und
bleibt vor den Tischen stehen. Monika
Böhnert gegenüber sitzt Barbara Glocke,
lässt sich von den neugierigen Blicken
nicht stören. Mit einer kleinen Schere
schneidet sie überstehende Kanten am
Ende der Zigarre ab. Lächelnd tritt das
Paar näher. „Beeindruckend“, kommentiert der Mann, sein schwedischer
Sie schneidet die Blätter in gleichmäßig
gewölbte Stücke, als ob sie mit dem
Messer einer unsichtbaren Linie folgt.
Die Stärke der Manjok-Wurzel dient als
Kleber. Mit einem Pinsel wird das Blatt
damit bestrichen, bis es feucht und
klebrig ist. Dann kommt der Tabakrohling aus der Presse hinzu.
Barbara Glocke legt ihn gezielt auf das
eine Ende des Stückes – etwas schräg,
damit das Deckblatt sich perfekt um den
Rohling rollen lässt. Die Feinarbeit, das
Einpacken der Enden, ist das Besondere.
„Eine Maschine kann nie so gezielt und
individuell arbeiten. Man muss das Blatt
fühlen, weil jedes anders ist, und schließlich sollen alle Zigarren schön werden.“
Jedes Detail ist wichtig, Zigarren sind
Einzelstücke. „Die Qualität wird besonders durch die traditionelle handwerkliche Herstellungsweise gewährleistet.“
Gregor Grüb hat deshalb alles von
seinen Vorgängern übernommen, die
Werktische, die Zigarrenpresse und das
Wissen. Nur die geheime Tabakmischung
von Oskar Lehmann haben die neuen
Geschäftsführer ersetzt: Von zwei Bauern
in der Rheinebene lassen sie seit 2015
exklusiv Geudertheimer Tabak anbauen.
Der Tabak, der schon in den 20er Jahren
verwendet wurde, wächst nur im Ried.
Die komplette Zigarre ist mittlerweile
badisch – vom Anbau bis zum Verkauf.
Der Preis ist trotzdem nicht viel höher
als industriell hergestellte oder importierte Zigarren. 20 Zigarillos bekommt
man schon für 14 Euro, eine edle Nr. 5
mit Goldverzierung für 9,90 Euro. Im
neuen Internet-Shop kann man auch
bequem von zuhause aus handgefertigte
„Herr Lehmann“ -Zigarren bestellen.
Monika Böhnert kümmert sich um den
Verkauf. „Es kommen Bestellungen aus
ganz Deutschland. Außerdem werden
dadurch auch immer mehr Leute auf uns
aufmerksam.“ Obwohl der Fortbestand
der Handwerkskunst ein wichtiger
Bestandteil des Konzeptes von
„Herr Lehmann“ ist, will Grüb die modernen Möglichkeiten nutzen: „Unser Laden
ist kein Museum, sondern ein wirtschaftlicher Betrieb. Wir wollen die
Zigarrentradition zeitlos machen.“
Der Traum von der
Karriere als Musikerin
Ein Tag im Leben von Desirée Lobé
Von Meike Stephan
D
Die Haarbürste war ihr Mikrofon, der Spiegel
zuhause ihre Bühne. Schon als Kind träumte
Desirée Lobé von einer Musikkarriere. Sie sang
im Kirchenchor, ging in Freiburg auf ein Gymnasium mit Musikschwerpunkt, spielte acht Jahre
lang Keyboard. Bis Mitte 20 war das Singen für sie lediglich
ein Hobby, Desirée arbeitete als Friseurin. Dann entschied
sie, ihre Leidenschaft zu ihrem Hauptberuf zu machen und
professionelle Sängerin zu werden. Neulich sang sie die
Nationalhymne vor dem Europa-Titelkampf von Profiboxer
Sezer Ülker. Ihr Tagesablauf hat sich komplett verändert.
Am kreativsten ist sie nachts.
Mein Tag beginnt um 6.30 Uhr. Zähne putzen, dann gibt es
Frühstück für meine zehnjährige Tochter und ich mache ihr
Pausenbrot. 7:30 Uhr: Wenn die Kleine in die Schule geht, lege
ich mich noch einmal hin, wenn es die Zeit zulässt, und schlafe
ein bis zwei Stunden. 10:00 Uhr: Jetzt brauche ich Musik! Die
höre ich am liebsten an meinem Laptop. Ich habe immer
wechselnde Lieblingsalben, die ich dann rauf und runter höre,
weil sie mich total berühren und inspirieren. Zur Zeit ist das
ein Album der Berliner Band „Berge“. Dann gibt es Frühstück
für mich. Das besteht aus einem Früchtemüsli und Wasser mit
frischem Ingwer – das ist gut für die Stimme und das Immunsystem. Ich trinke zwar gern Kaffee, aber er tut mir nicht gut.
Deshalb gibt es bei mir nur Tee und Ingwer-Wasser – an sich
langweilig! 11:00 Uhr: Ich meditiere drei Mal am Tag. Morgens,
mittags und vor dem Schlafengehen je 15 Minuten. Das erdet
mich, bringt mich zur Ruhe und ich kann danach meinen Tag
fokussierter angehen.
11:15 Uhr: Jetzt beginnt mein Arbeitstag. Ich arbeite von
zuhause, das genieße ich total. Zuerst beantworte ich E-Mails
und schaue auf meine Social-Media-Kanäle. Im Moment bin
ich auf Facebook, YouTube und Soundcloud. Aber ich werde
mir jetzt auch einen Twitter- und Instagram-Account machen.
Am Tag bekomme ich zwischen fünf und zehn Fan-Nachrichten,
zum Beispiel: „Deine Musik ist wie Medizin.“ oder: „Ich wünsche dir viel Glück, dass du bald ein Album rausbringst. Es wird
höchste Zeit!!“
13:30 Uhr: Jetzt bin ich wieder Mama. Meine Tochter kommt aus
der Schule zurück und es gibt Mittagessen. Sie mag kein Obst,
aber ansonsten kann es alles Mögliche sein. Gestern gab es
73
O R T E N A U R E P O R T A G E N | voice
hund und mensch | O R T E N A U R E P O R T A G E N
Flyball
Fotos: Manfred Hammes
Mit Harmonie zum Erfolg
Leistungssport für Hund und Mensch.
Vier Hürden, ein Ball, ein Hund: Flyball ist ein
Sport für Mensch und Vierbeiner. Sylvia Selinger
und ihre Kollegen des VDH Durbachtal zählen
dabei zu den erfolgreichsten Sportlern Deutschlands. Ihr Erfolgsrezept ist das Zusammenspiel
zwischen Mensch und Tier.
Von Stephanie Becker
Frischkäse-Sticks, Spinat und Rührei. 14:30 Uhr: Meine Tochter
geht in die Mittagsbetreuung, und nach meiner zweiten
Meditation telefoniere ich mit meinem Management über
neue Marketing-Strategien und Termine. Ich möchte dieses
Jahr im Sommer eine Süddeutschland-Tour machen: Stuttgart,
Karlsruhe, München. Ab April geht die Hochzeitssaison los.
In der Adventszeit möchte ich vermehrt in Kirchen auftreten,
auch das muss bereits jetzt geplant werden.
16:00 Uhr: Fotoshooting in Baden-Baden. Ich verändere oft
meine Haare und brauche dann regelmäßig neue Fotos. Auch
für Social-Media sind Fotos total wichtig. Mein liebstes Fortbewegungsmittel ist mein Auto. Ich liebe Autofahren und bin
total verliebt in meinen roten VW Beetle Cabrio. Musik im Auto
ist ein Muss. Auf meinem Handy habe ich über hundert aktuelle
Songs und ich singe immer mit. Im Moment sind das natürlich
die Songs von „Berge“, zum Beispiel „Vor uns die Sintflut“:
„I must be tough
I must behave, I must keep fighting
Don't give it up
I want to keep us compromising
Open your arms and pray
To the truth that you're denying
I can't be blamed
I want you to want me again.“
Wenn ich auf einen Gig gehe, singe ich mich übrigens
im Auto warm. 18:00 Uhr: Meine Tochter und ich essen
zusammen zu Abend, meistens noch einmal etwas Warmes,
zum Beispiel Dinkel-Buttermilch-Pfannkuchen mit Gemüse.
Richtig lecker! Der Abend gehört ihr: Wir reden über alles,
das ist mir sehr wichtig. Dann schauen wir zusammen etwas
fern, um 21:00 Uhr geht sie ins Bett. Ich bin dann noch einmal
viel in sozialen Netzwerken, schaue meine Statistiken an,
meine Likes, beantworte weitere Nachrichten. 22:30 Uhr:
Nachts bin ich am kreativsten. Da geht eigentlich erst meine
Zeit so richtig los: Da singe ich, da schreibe ich meine Lieder,
da hole ich mir Impulse und setze die Grundlagen für meine
Ideen. Ich lasse mich zuerst von einer Melodie inspirieren,
oft ist das stimmungsabhängig. Dann entwickelt sich eine
Melodie in meinem Kopf, die ich zuerst nur summe. Erst dann
entsteht der Text. Manchmal kann es dann sein, dass ich zu
später Stunde noch meinen Produzenten Alan anrufe und ihm
mein Lied vorsinge. Dann können wir stundenlang an einer
Idee tüfteln. Oft passiert es, dass ich erst um 2:00 Uhr ins Bett
komme. Natürlich nicht, ohne davor noch einmal zu meditieren.
Die Desirée Lobé Band spielt in der Besetzung mit Wolfgang
Kininger am Bass, Timo Wendling am Schlagzeug und
dem Gitarristen Markus Westermann. Kontaktaufnahme mit
Desirée Lobé über [email protected] .
74
Foto: Sylvia Selinger
Where are you taking me?
„Das ist jetzt fünf Jahre her“, erinnert
sich Sylvia Selinger, „es war ein kleiner
Wettbewerb in Sauldorf in BadenWürttemberg. Wir hatten Sorgen, dass
jemand ums Leben kommt.“ Als der Regen
einsetzt, flüchten sich die Teilnehmer
und ihre Hunde in die Duschkabinen,
anstatt an dem Flyball-Turnier teilzunehmen. An einem Wettbewerb, bei dem die
Hunde gegeneinander ihre Schnelligkeit,
Springfreude und ihr Apportiergeschick
unter Beweis stellen. Mit ihren Border
Collies Feivel und Peppino nimmt die
48-Jährige seit 2010 regelmäßig an
Turnieren teil, 2014 wird sie mit ihrer
Mannschaft des VDH Durbachtal zweifacher Deutscher Meister.
„Der Sport ist schon ziemlich verrückt“,
sagt sie und lacht. Vor allem geht es sehr
laut beim Flyball zu. Die Hunde bellen
und die Leute schreien. „Border Collies
haben von Natur aus einen sehr hohen
Spieltrieb und gelten als intelligenteste
Hunderasse der Welt.“ Daher hält Selinger
Flyball für eine perfekte Beschäftigung
für die beiden. Auch, weil sie selbst sehr
aktiv ist. Regelmäßig macht sie Touren
auf dem Mountainbike, geht joggen oder
wandern. Immer mit den Hunden an
ihrer Seite.
Give in to the game
To the sense that you've been hiding
Der Regen prasselt auf das Dach wie
ein nicht enden wollender Tusch.
Vor dem Fenster reißt ein Sturm Zelte
aus ihren Verankerungen und treibt
sie wie Vieh vor sich her. Es knarzt und
knallt, unaufhörlich pfeift der Wind
durch Spalten und Ritzen des Vereinsheims. In den Duschkabinen kauern sich
Menschen aneinander und halten ihre
Hunde im Arm, während sich der Rasenplatz binnen weniger Minuten in einen
Sumpf verwandelt.
Beim Gassigehen huscht Feivel in Achterform zwischen ihren Beinen durch oder
folgt ihr wie ein Schatten. „Ich binde
Elemente aus dem DogDancing in den
Alltag mit ein“, erklärt Selinger. Peppino
läuft dann im Kreis um sein Frauchen,
während sie spaziert. Auf großen Grünflächen kommt zudem der Ball zum
Einsatz. Egal, wie lange sie zuvor schon
unterwegs waren. Mit dem Flyball kam
eine weitere Aktivität für das Trio dazu.
Beim VDH Durbachtal hat Selinger Gleichgesinnte gefunden. Menschen, denen
die Bindung zu ihren Hunden ebenso
75
O R T E N A U R E P O R T A G E N | hund und mensch
Foto: Sylvia Selinger
wichtig ist wie ihr. „Wir harmonieren
einfach, Hunde sowie Menschen“, meint
sie. Die Tiere gelten dort nicht als Sportgeräte, sondern als Familienmitglieder.
Davon können sich seit acht Jahren
Vereine aus ganz Deutschland ein Bild
machen, zum Beispiel, wenn der VDH
jeden Sommer das Internationale FlyballTurnier in Ebersweier veranstaltet. „Ich
komme immer wieder gerne hierher. Die
Atmosphäre ist toll und die Leute sind
einfach klasse“, sagt Flyballer Wilfried
Jost aus Gießen. „So sollte Flyball überall
sein.“
Ursprünglich kommt der Sport aus den
Vereinigten Staaten. In den 1970er Jahren
sucht Herbert O. Wegner aus Kalifornien
nach einer Beschäftigungsmethode für
seine lauffreudigen und ballverrückten
Vierbeiner. Er baut eine Kiste, die einen
Ball drei Meter in die Höhe schleudert,
wenn der Hund sie mit der Pfote berührt.
Die Flyball-Box ist geboren.
In den Jahren hat sich das Konzept etwas
verändert. Heute nimmt der Hund ihn
nur noch aus der Box. Davor stehen vier
Hürden, die der Vierbeiner überwinden
muss, bevor er sein Spielzeug bekommt.
Aus einer Freizeitbeschäftigung hat sich
ein Mannschaftssport entwickelt, der in
Deutschland immer mehr Anhänger
findet. Mittlerweile nehmen rund 60
Vereine an Turnieren teil. Dabei treten
jeweils zwei Mannschaften zu je vier
Hunden gegeneinander an. Es geht um
Schnelligkeit. Welches Team schnappt
sich den Ball und überspringt die Hürden
in kürzester Zeit?
Wie beim Turnier um die Deutsche
Meisterschaft 2014 in Hassloch. „Wir sind
mit zwei Teams angetreten, den Cool
Runnings und der Next Generation“,
erinnert sich Sylvia Selinger. Zwölf
Hunde mit ihren Besitzern plus Familie
und Freunde reisen dafür aus der
Ortenau an, bereits siegessicher, dass die
Next Generation in ihrer Klasse gewinnen wird. Die jungen Hunde sind schon
die gesamte Saison in Topform.
Am Finaltag ist es so heiß, dass der VDH
Durbachtal seine Vierbeiner zwischen
den Rennen in den Schatten der
Zuschauertribüne legt. Diese Umsicht soll
sich später noch auszahlen. Ohne Mühe
76
gewinnt die Next Generation den Meistertitel, an den Sieg der Cool Runnings
denkt niemand. „Wir sind das völlig ruhig
angegangen und haben noch darüber
Witze gerissen, dass wir den Gegner mit
3:0 vom Platz jagen“, erzählt Selinger.
Im letzten Rennen treten sie gegen die
Flyball-Dragons aus Bonn an. Als der
vierte Hund des VDH-Teams die Lichtschranke passiert, ist klar: Der VDH hat
den zweiten Titel. „Unser Trainer warf
vor Freude sogar sein iPad weg, als er
uns umarmt hat“, erzählt Selinger und
muss herzlich lachen.
„Unsere Hunde waren munter und
ausgeruht, im Vergleich zu den FlyballDragons“, sagt der damalige Trainer
Thomas Braun heute. Schon vor der
Meisterschaft ist Braun immer darauf
bedacht, dass die Harmonie in seiner
Truppe stimmt. Mit Erfolg: Der VDH
holte 2013 den Baden-Württemberg-Cup.
„Bei allen Turnieren helfen wir uns
gegenseitig beim Zeltaufbau und schauen
gemeinsam, dass es den Hunden
gutgeht.“ Ein guter Verbund ist das Entscheidende. Vor allem zwischen Haltern
und Hunden. „Man muss seinen Hund
wirklich gut kennen und einschätzen
können“, erklärt der ehemalige
VDH-Coach. „Nicht der Ball darf die Belohnung sein, sondern das Zurückkehren zu
Herrchen oder Frauchen.“
So entsteht mit der Zeit ein Band
zwischen Zwei- und Vierbeinern. Wie
damals in Sauldorf: Die Abstände
zwischen den Schlägen der Regentropfen
werden immer länger. Langsam traut
sich der Trupp aus seinem Versteck, an
ein Turnier denkt aber niemand mehr.
Stattdessen versammeln sich die Frauen
und Männer des VDH Durbachtal mit
ihren 20 Hunden auf dem überschwemmten Rasenplatz und fangen an, Ball zu
spielen. Mit einem einzigen Ball. „Es war
richtig friedlich“, erinnert sich Selinger.
Kein Gekläffe, kein Beißen. Nur die pure
Freude am Spiel mit Artgenossen und
Mensch. Ein gegnerisches Team spaziert
an der Szenerie vorbei und bleibt beeindruckt stehen. So etwas hatten sie noch
nie gesehen.
Sind Sie ein „Special-Typ“ oder
machen Sie noch langweilige
Image-Broschüren?
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Sondern wir natürlich Sie.
„Corporate Publishing“ nennt
man das im Allgemeinen.
Wir aber nennen das
„Culture Publishing“.
Denn wir geben unseren Titel
nicht jedem. Nur den Guten.
Alle Specials zum Blättern unter
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besser, wir plaudern darüber.
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ORTENAUREPORTAGEN
Foto: Zweierpasch
O R T E N A U R E P O R T A G E N | HIP-HOP
Grenzenloses 2erPASCH
Ein Hip-Hop-Duo rappt auf Deutsch als „Zweierpasch“
und auf Französisch als „Double Deux“ für das bessere Verstehen
über die Grenzen hinweg. Von Sina Weneit
E
Es fühlt sich ein wenig skurril an, als die Zwillingsbrüder Till und Felix Neumann im Oktober 2015 den
ersten Blick aus ihrem Zimmer im Kozatskiy-Hotel im
Herzen von Kiew werfen. Zu ihren Füßen liegt der
Majdan – der Unabhängigkeitsplatz, der 2014 Schauplatz blutiger Gewaltaktionen zwischen der ukrainischen Polizei und
regierungskritischen Demonstranten wurde. Mehr als
70 Menschen kamen dabei ums Leben. „Heute spazieren dort
wieder entspannt Menschen über den granitgepflasterten
Platz“, erzählt Felix.
Auf dem Weg zum Kulturzentrum Partkom, in dem während
der Maidan-Revolution Verletzte spontan notversorgt wurden,
begegnen die Zwillinge Panzern und bewaffneten Soldaten; die
Krise, der Krieg, sind noch zu spüren. An Straßenküchen werden
Kaffee und Mittagessen zum Schleuderpreis angeboten und als
Souvenir kann man Toilettenpapier mit Putins Konterfei
erstehen. Till und Felix machen ein Foto, veröffentlichen es
zusammen mit anderen Eindrücken auf Facebook – zu gewagt,
findet ihre prorussische Reisebegleiterin. „Wir haben uns
dennoch entschieden, es nicht zu löschen“, sagt Till.
Im Partkom werden die Brüder schon von Schlagzeuger Costa
und Pianist Sasha erwartet. Zusammen mit den beiden
Ukrainern werden sie in nur drei Tagen und trotz erheblicher
Sprachbarrieren ein einstündiges Konzert einstudieren, das
78
sie anschließend in drei Städten der Ukraine performen sollen.
Das Goethe-Institut in Kiew und das Institut Française hatten
das Duo „Zweierpasch“ für das Musik-Projekt engagiert. Ihre
deutsch-französischen Hip-Hop-Songs sollen vor allem Jugendliche begeistern und den europäischen Gedanken des freundschaftlichen Miteinanders vermitteln. Die im Anschluss stattfindenden Rap-Workshops sollen Barrieren abbauen – sprachliche,
gesellschaftliche, kulturelle. Dass Verständigung auch gelingt,
wenn Menschen nicht dieselbe Sprache sprechen, zeigt sich
dabei eindrücklich, wie die Brüder drei Monate später, immer
noch euphorisiert, berichten. „Songs können Grenzen überwinden. Gemeinsam Musik zu machen verbindet die Menschen
und baut so Brücken zwischen den Kulturen“, erklärt
Felix Neumann das Konzept hinter ihren Projekten. In der
Ukraine haben sie ein Zeichen für Völkerverständigung gesetzt
– mit Musik als Schlüssel zum gegenseitigen Verstehen.
Till und Felix Neumann passen nicht in die typische RapperSchublade. Nach dicken Autos, Geld und Frauen sucht man in
den Texten der 32-Jährigen vergeblich. „Party-Rap ist uns zu
wenig“, sagen die beiden. Musik ohne Message auch.
Ihre Ansprüche an die eigenen Songs sind hoch – die Themen
haben Tiefgang: Es geht um Kinderrechte, Flüchtlinge, Völkerverständigung und ein friedliches Europa. Ihre Songs heißen
„Grenzgänger“, „Friedenstauben“ oder „Kleine Helden“ und
werden inzwischen deutschlandweit zur spielerischen Sprachförderung im Französischunterricht eingesetzt. „Reflektierten
Hip-Hop“ – wie es ihn in der Szene kaum noch gäbe – nennt ihr
Label-Chef Sandro De Lorenzo die Arbeit von Zweierpasch. Seit
ihrem ersten Album „Alle guten Dinge sind zwei“ im Jahr 2013
sind sie bei dem Berliner Label Rummelplatzmusik unter
Vertrag. Die pädagogische und politische Ausrichtung, kombiniert mit den zweisprachigen Hip-Hop-Texten, ist so einzigartig,
dass sie den Musikern schon viele Türen geöffnet hat. „Unsere
Arbeit führt uns eher in Krisengebiete als auf die Partybühne.
Aber ich fliege eh lieber in die Ukraine oder nach Mauretanien
als nach Teneriffa“, sagt Felix. Erstaunlich bei dem ganzen
Engagement und Erfolg: Die Musik ist nur ihr Nebenjob. Felix
koordiniert hauptberuflich Bildungsprojekte, Till ist Journalist.
„Zweierpasch“ stemmen sie nebenbei und in ihrer Freizeit. Das
geht an die Substanz. „Nach der Ukrainetour war ich echt am
Limit“, sagt Till. Einer ihrer größten Momente bisher war eine
Audienz samt Live-Auftritt im Schloss Bellevue vor Bundespräsident Joachim Gauck anlässlich der Verleihung eines
Geschichtspreises im Jahr 2013. „Das war eine Ehre, die wir uns
natürlich nie erträumt hatten“, schwärmt Till. „Ich habe natürlich gleich den Fauxpas begangen und unseren Bundespräsidenten mit ‚Hallo, Herr Gauck‘ begrüßt“, erzählt Felix lachend.
Die Begeisterung für deutschen Hip-Hop hat die Brüder aus
Adelsheim in Nordbaden schon früh gepackt. Mit 15 Jahren
probieren sie sich bei Freestyle-Sessions im Freundeskreis aus
und machen erste Aufnahmen. Erst nur auf Deutsch. „Wenn
man die ersten Reime kickt, ist alles noch Freestyle. Man rappt
über das Rappen an sich, über das Feeling. Da hat man noch
keine tiefgehenden thematischen Ziele“, erzählt Felix von den
Anfängen. Für ihr Studium zieht es die beiden nach Freiburg,
Till immatrikuliert sich für Sprachwissenschaften, Felix für
Politik und Sozialpädagogik. Die Leidenschaft für Musik bleibt
ungebrochen, die Zwillinge spielen mittlerweile kleinere
Konzerte in Deutschland und Frankreich – damals noch als
„Buddah Woofaz“. Victor, ein befreundeter Deutsch-Franzose
und selbst Musiker, ermutigt das Duo, auf Französisch zu
texten und übernimmt bei ihren Auftritten vorübergehend die
Sprechparts. Zusammen machen sie neben dem Studium eine
mehrwöchige Ausbildung als deutsch-französische Sprachanimateure – und müssen anschließend ein Langzeitprojekt
übernehmen. „Wir sollten etwas machen, was wir gut können.
Also haben wir Rap-Workshops für Jugendliche auf Deutsch und
Französisch gegeben – und das kam super an.“ Die Zwillinge
finden Gefallen an der bilingualen Ausrichtung – und wagen im
Januar 2012 den musikalischen und konzeptionellen Neustart
als „Zweierpasch“. Zwei Brüder, zwei Sprachen – und eine Idee:
Menschen zusammenbringen mit politisch-poetischen Texten
und coolen Sounds. Das Konzept geht auf. Per Mundpropaganda
spricht es sich rum. Immer mehr Lehrer wollen mit den
Songs ihren Französisch-Unterricht bereichern. Jutta Kury,
Französisch-Lehrerin in Emmendingen bei Freiburg, hat
die Begeisterung, die von den Songs und Workshops mit
„Zweierpasch“ ausgeht, zusammen mit ihren Schülern der
elften Klasse miterlebt. „Die beiden stehen für gelebte Zweisprachigkeit“, lobt Kury. „Da kommen zwei junge Musiker
in die Schule, einer spricht während des ganzen Workshops
Deutsch, der andere Französisch. Dazu die mitreißenden Songs,
die Rhythmisierung der Sprache: Das finden die Schüler cool!“
Besonders wertvoll sei die Kombination aus Musik und Sprache
auch durch ihre Nachhaltigkeit. Die Songs bleiben im Kopf, die
Schüler bekommen Lust dazuzulernen. Was Jutta Kury besonders freut: „Nach dem Workshop haben sich ungewöhnlich viele
Schüler für ein Französisch-Abitur entschieden.“ Dabei verliert
das Fach Französisch in den Schulen Baden-Württembergs
stetig an Beliebtheit, die Kinder und Jugendlichen entscheiden
sich immer öfter für Spanisch. Trotz – oder wegen – der Nähe
zu Frankreich. „Spanisch wirkt exotischer“, vermutet Kury und
bedauert diesen Trend, der umgekehrt auch an französischen
Schulen zu beobachten ist, wo immer weniger Deutschkurse
angeboten werden. Auch Felix ist entsetzt darüber, wie wenige
Menschen im deutsch-französischen Grenzgebiet die Sprache
und das Land des jeweiligen unmittelbaren Nachbarn kennen.
Mangelndes Verständnis und daraus resultierende Fremdenfeindlichkeit sind nicht nur Phänomene aus fernen Ländern,
sondern finden vor unserer Haustür statt. Besonders im direkt
an Straßburg grenzenden Kehl fällt das den Brüdern auf.
„Ich habe letztes Jahr mit über 120 Klassen im Eurodistrikt
gearbeitet“, sagt Felix. Man spüre dort teilweise echte Ressentiments dem Fremden gegenüber, das Interesse für die Sprache
und das Land der eigenen unmittelbaren Nachbarn fehle oft.
„Genau dort wollen wir mit unseren Projekten Positives bewirken“, sagen die Rapper. „Denke global, handle lokal!“, lautet ihr
Credo.
„Wenn ich mir ansehe, was in Europa gerade für Ideen an
Nährboden gewinnen, bekomme ich Angst“, sagt Felix besorgt.
Besonders in Zeiten, in denen der rechtsextreme Front National
große Zuläufe verzeichnet, in denen rechtsradikale Gruppen
wie Pegida Fremdenhass schüren, wollen „Zweierpasch“ ihr
Engagement verstärken. „Wenn uns die Geschichte eins gelehrt
hat, dann, dass Abschottung nie guttut.“ Die Brüder wissen, dass
sie in einer privilegierten Generation aufgewachsen sind. Noch
nie hat in Deutschland so lange Frieden geherrscht wie heute.
„Aber Frieden ist kein Selbstläufer“, warnt Till. „Man muss ihn
bewahren.“
Ihr nächstes Projekt steht schon in den Startlöchern. Mit Ra(p)
conte veröffentlichen sie im Februar 2016 ein Album mit
gerappten Märchen. Geplant sind eine Tournee und viele Workshops, in denen Kinder und Jugendliche wieder für Sprachförderung begeistert werden sollen. „Wenn man Musik in einer
anderen Sprache macht, passiert etwas Magisches. Man vergisst,
dass man gerade etwas Schwieriges tut. Man verliert die Scheu,
die viele aus dem Sprachunterricht kennen“, sagt Felix. Aber
auch für Erwachsene ist das Album etwas.
Soundästhetik ist den Rappern extrem wichtig. Ihre Musiksozialisation fand Ende der 90er-Jahre, zur „Golden Era of HipHop“ in Deutschland statt. Mit Max Herre und Jan Delay statt
Aggro Berlin und Bushido. Dass sie nicht die klassische Rap-Zielgruppe ab 14 Jahren ansprechen, ist den Jungs klar – und egal.
„Vielen jungen Leuten, die meiner Meinung nach Scheuklappen
aufhaben, sind wir heute nicht genug Rap oder Hip-Hop. Wir
beleidigen keine Leute, werfen nicht mit Schimpfwörtern um
uns. Das spricht viele einfach nicht an.“ „Zweierpasch“ verarbeiten Themen, die ihnen wichtig sind. Jede Art von Rap hätte
seine Berechtigung – für sie seien Authentizität und Themen die
wichtigsten Kriterien. Und so machen „Zweierpasch“ weiter ihr
Ding. Eben grenzenlos Hip-Hop.
79
digital
intelligence
O R T E N A U R E P O R T A G E N | ARBEIT
Briefbogen_Blatt_2:Briefbogen_Blatt_2
Jobs finden
per Web-Videos
Arbeitssuchende haben inzwischen noch
eine weitere Möglichkeit, sich deutschen
Arbeitgebern zu präsentieren: die Webbasierte Video-Bewerbung. Vor allem geht
es hier um die schnelle Beantwortung
der Frage: Wie gut sind die deutschen
Sprachkenntnisse? Denn da ist das Papier,
auf dem die Bewerbungen geschrieben
werden, geduldiger als ein Video, in dem
man sich in der Sprache des Nachbarn
präsentiert. Mit der Jobsuche per WebVideo könne man „ein Stück Europa für
unsere Bürger bauen“, so Patrick Roger,
der Vorsitzende des Maison de l‘emploi.
Da kann ein Bewerber eine noch so
gefeilte Bewerbung vorlegen, „von den
Sprachkenntnissen möchten sich die
Arbeitgeber selbst überzeugen“, so die
Erfahrung von Horst Sahrbacher, dem
Vorsitzenden der Geschäftsführung
der Agentur für Arbeit in Offenburg.
Video-Bewerbung ist ein Weg, diese
Hürde relativ leicht zu überspringen.
Geboren wurde die Idee bei einem
Treffen am Rande des Straßburger
Tennisturniers, so Manfred Hammes
von der WRO. Mit dem Straßburger
80
IHK, HWK, Ortenaukreis
Start-up-Unternehmen Blackblitz hatte
Hammes auch ein Unternehmen an der
Hand, das die ersten Bewerbungsvideos
innerhalb weniger Tage produzierte.
Die ersten Video-Clips sind online. Sie
sind entweder über einen Link auf der
WRO-Homepage – der entsprechende
Link wird allen Arbeitgebern über den
elektronischen Newsletter der Agentur
für Arbeit Offenburg zugesandt – oder
über einen eigenen YouTube-Kanal
einsehbar. Finanziell gefördert wird das
Pilotprojekt mit Mitteln aus dem Europäischen Förderprogramm für Beschäftigung und soziale Innovation (EaSI).
150 Firmen
Bewerber – ähnlich wie in einem
Bewerbungs-Anschreiben – darlegen,
welche Art von Beschäftigung sie in
Deutschland suchen, was sie bisher
beruflich gemacht haben und welche
Kenntnisse sie für ihren angepeilten
Job mitbringen. Die Bewerber werden
dabei aus wenigen Kameraperspektiven
gefilmt, während sie von sich erzählen.
Für den potenziellen Arbeitgeber ist das
aussagekräftig genug: Wie präsentiert
sich der Bewerber? Und vor allem:
Wie gut spricht er oder sie Deutsch?
Jaco.pdf
In den etwa anderthalb Minuten langen
Clips können die Bewerberinnen und
Seite 1
53 Kommunen
Foto: Michael Bod
e
D
9:56 Uhr
Wir sind die WRO:
Gerne wird von einem Europa ohne Grenzen gesprochen. Gut und
richtig. Aber selbst der Rhein, der sich in den vergangenen Jahrzehnten
immer mehr zur Nahtstelle entwickelt hat, ist eine Grenze, wenn man
die unterschiedliche Entwicklung des Arbeitsmarktes in Frankreich und
Deutschland betrachtet. In der Ortenau eine so geringe Arbeitslosigkeit,
dass eher von Vollbeschäftigung gesprochen werden kann, im Elsass
aber eine hohe Arbeitslosigkeit, insbesondere bei Jugendlichen.
Die Arbeitsagentur Offenburg,
das Maison de l’emploi aus
Straßburg und die Wirtschaftsregion Offenburg/
Ortenau (WRO) haben viele Projekte initiiert, um dem entgegenzuwirken. Immerhin arbeiten derzeit schon über zwanzigtausend Franzosen aus dem Elsass auf
der anderen Seite des Rheins. Das zeigt
das Interesse der deutschen Arbeitgeber.
16.06.2009
1
16.03.15
48 000 Mitarbeiter
16 Mrd Euro Umsatz
Schlüsselfertiges Bauen mit Tradition
10:15
Von 2016 bis 2018 soll im Rahmen des
Interreg-Projektes „Arbeitsmarkt 360°“
die Anzahl der Franzosen, die in
Deutschland eine Lehre machen
oder eine Arbeit aufnehmen, deutlich
gesteigert werden. Dafür stehen rund
1,5 Millionen Euro zur Verfügung.
Bei diesem Projekt unter Federführung
des Maison de l'Emploi arbeiten die
Wirtschaftsregion Offenburg/Ortenau,
die Arbeitsagenturen auf beiden Seiten
des Rheins und der Eurodistrikt eng
zusammen.
Stahl
Maschinen
Werkzeuge
Bauelemente
81
ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | x-mas
E
Es ist Dezember. Der Wind pfeift lautstark durch die
Bäume und die weihnachtlich geschmückte Stadt am
Fuße des Weinberges glitzert mit den Sternen um die
Wette. Hier in Sasbachwalden bietet die Familie Wild
die Erlebnisübernachtung „Schlafen im Weinfass“ an.
Das heimische Schlafzimmer wird für eine Nacht mit mannshohen bauchigen Holzfässern getauscht. Diese sind mit einem
Bett, Tisch und einer hölzernen Sitzbank ausgestattet. Jetzt in
der Adventszeit sind die Fässer mit Lichterketten geschmückt.
Der ganze Weinberg, über den die Schlafplätze verteilt sind,
wurde in ein Weihnachtswunderland verwandelt. Helle
Rentier-Figuren und beleuchtete Tannen weisen den Weg.
Im Fass selbst ist es wohlig warm. Eine kleine Heizung in der
Ecke bollert gemütlich, und der Geruch des Holzes unterstreicht
die ruhige Stimmung. Die kleinen Fenster mit den rotkarierten
Vorhängen geben den Blick über die Miniaturstadt am Fuße
des Bergs frei. Wenn es tatsächlich kleine Elfen gibt, die dem
Weihnachtsmann bei seiner Arbeit helfen, dann wohnen sie
genau hier – ganz sicher.
Keine weiSSe
Weihnacht mehr
Wer sich darauf verlässt, dass sich zur Adventszeit die Herzen und
Geldbeutel der Touristen weit öffnen, der könnte bald leer ausgehen.
Die Winter werden immer wärmer. Deshalb müssen Gastronomen und
Unternehmer in der Weihnachtszeit auf neue, kreative Ideen setzen.
Von Katharina Kunzmann
In der Ortenau konnte man sich 2010 das letzte Mal über
weiße Weihnachten freuen. Und die weiße Pracht wird
wohl auch künftig immer seltener werden. Die Weltorganisation für Meteorologie, WMO, berichtet, dass jedes der vergangenen drei Jahrzehnte wärmer war als das vorhergehende.
„Grundsätzlich kann man sagen, dass der Schneemangel
dem gesamten Schwarzwald schadet“, betont Sandra Bequier,
die Tourismus-beauftragte des Ortenaukreises.
Deshalb müssen Erwerbstätige im Tourismusbereich künftig
versuchen, sich vom Winterwetter unabhängig zu machen.
„Gastronomen und Hoteliers ebenso wie die öffentlichen und
privaten Anbieter von Freizeit- und Kulturangeboten forcieren
immer mehr Trends wie Regionalität und Qualität, Natur
und Entschleunigung, Gesundheit und Nachhaltigkeit“, sagt
Christian Leser, der für die Wirtschaftsregion Offenburg/
Ortenau (wro.de) touristische Messen und Veranstaltungen
organisiert. Die Klimaveränderung zwingt besonders in der
Adventszeit zum Umdenken.
Nicht nur für den Familienbetrieb Wild, sondern für das
ganze Schwarzwaldgebiet ist die Adventszeit ein wichtiger
Wirtschaftsfaktor, ein Tourismusmagnet. „Die Dezemberübernachtungen steigen seit 2006 kontinuierlich“, so
Christopher Krull von der Schwarzwald Tourismus Gesellschaft.
Allein im Winterhalbjahr 2014/2015 konnte die Ortenau über
eine Million Gäste-Übernachtungen verzeichnen.
82
Statt nach „Vin chaud“ duftet es 30 Kilometer weit entfernt,
in Offenburg, sehr ähnlich – nämlich nach Glühwein.
Stefan Schürlein vom Stadtmarketing Offenburg sieht für den
örtlichen Weihnachtsmarkt aber noch Luft nach oben. „Der
Start des letzten Weihnachtsmarkts war aufgrund des Wetters
eher ruhig. Erst später war er gut besucht“, sagte Schürlein.
Der Grund: Es wollte und wollte einfach nicht schneien.
Auch Lothar Kimmig, Geschäftsführer der Tourist Info in
Gengenbach, kann bestätigen, dass das Wetter starken Einfluss
auf die Besucherzahlen hat. „Besonders Regen ist schädlich für
das Weihnachtsmarkt-Geschäft.“
Fotos: Wild
Foto: Robert Schwendemann
Auch die französischen Nachbarn setzen auf das Weihnachtsgeschäft. Straßburg verwandelt sich ab Dezember in ein
Lichtermeer: „Capitale de Noël“ zu sein, Weihnachtshauptstadt,
behauptet Straßburgs nicht zu Unrecht von sich. Die alten
Fachwerkhäuser werden mit reichlich Schnick und Schnack
behangen. Der Duft von „Vin chaud“ liegt in den Gassen. Man
putzt sich raus für seine Gäste, denn 70 Prozent der Besucher
der vielen Straßburger Weihnachtsmärkte sind Touristen. Ein
Aufwand, der sich zu lohnen scheint, denn hier werden rund
250 Millionen Euro Umsatz generiert.
83
ORTENAUREPORTAGEN
O R T E N A U R E P O R T A G E N | x-mas
Die Stadt Gengenbach bietet ihren Gästen schon seit Längerem
mehr als nur verschneite Weihnachtsmarkthütten. Zufällig
entdeckte man, dass das örtliche Rathaus genau 24 Fenster hat
– und der Rathaus-Adventskalender war geboren. Die Vorfreude
auf das Christkind wird in Gengenbach zum Gemeinschaftsevent. Täglich öffnet sich eines der Fenster, die von namhaften Künstlern gestaltet wurden; der Erfolg ist groß.
Über 100.000 Besucher, zehnmal mehr als die Stadt Einwohner hat, strömen während der Adventszeit hierher, um das
Spektakel mitzuverfolgen. Die Gäste stammen aus Frankreich,
Spanien, Italien und sogar Asien. „Man muss seinen Gästen
unbedingt etwas Besonderes bieten“, sagt Lothar Kimmig.
Von A wie Achern bis Z wie Zell am Harmersbach – in der
Ortenau gibt es über 50 verschiedene Adventsmärkte. Jedes
noch so kleine Dorf wirbt mit einem eigenen Markt. Wer da
nichts Besonderes zu bieten hat, geht in der Masse unter.
Deshalb setzen die Orte verstärkt auf Diversität. Auf dem
Weihnachtsmarkt auf Mühlstein/Nordrach gibt es die
Weihnachtsleckereien in einer historischen Stube, in Durbach mangelt es beim Winzer-Weihnachtsmarkt bestimmt
nicht an Glühwein, und auf dem Triberger Weihnachtszauber
schmücken über eine Million Lichter den höchsten Wasserfall
Deutschlands. „Ein weiteres Highlight zur Weihnachtszeit bietet
der Europa-Park, der mit seinem Winterwunderland jedes Jahr
zahlreiche Besucher aus dem In- und Ausland anlockt“, erzählt
Sannah Mattes von der Tourismus Marketing GmbH BadenWürttemberg. Mehr als 500.000 Besucher erleben die weihnachtlich geschmückte Winterwunderwelt mit altertümlichem
Christkindlmarkt und einem 55 Meter hohen Riesenrad.
Auch die Mitarbeiter der Dorotheenhütte in Wolfach verlassen
sich nicht auf weiße Weihnacht. Statt ihre Gäste nur bei Schnee
in die Glashütte zu locken, feiert man dort einfach ganzjährig
Weihnachten. Wer die festlich geschmückten Bäume, den
Sternenhimmel und die liebevoll dekorierten Marktstände
bestaunt, der vergisst die Jahreszeit. Auch im Sommer verkaufen
sie dort mundgeblasenen Baumschmuck, und der schlafende
Weihnachtsmann am Ausgang erinnert daran, dass auch das
nächste Weihnachten immer irgendwie vor der Tür steht.
84
Foto: Dorotheenhütte Wolfach
Auch die Gäste von Ilona Wild müssen weder auf das Wetter
noch auf die Jahreszeiten achten. Bis auf 6 Wochen im Jahr
bewirtet sie durchgängig ihre Gäste, und die Fässer sind
fast immer ausgebucht. Die Idee, ihre Gäste wie Diogenes
im Weinfass schlummern zu lassen ist neu, ungewöhnlich.
„In einem Fass schlafen kann man eben nicht jeden Tag,
und unsere Gäste schätzen das außergewöhnliche Erlebnis.
Viele von ihnen kommen immer wieder.“ Wer weitermacht
wie eh und je, könnte bald leer ausgehen.
Fotos: Europa-Park
In Offenburg gibt es mit dem Weihnachtszirkus eine weitere
Besonderheit. Dann heißt es Manege frei! Während der
fünfzehn Gastspieltage versammelt das Zirkusensemble fast
vierzigtausend Besucher. Ob es draußen stürmt oder schneit
ist den Besuchern im Zelt dabei egal.
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i m pre s s u m
O R T E N A U R E P O R T A G E N | autoren
STEPHANIE BECKER
Content Agency Rätsel
Jennifer Faatz
Guter Rat
Foto: Günther Petry
DIE AUTOREN
Eva Harmeling
bunte.de
Helena Kégl
Focus
ORTENAUREPORTAGEN
Ein Projekt der Burda Journalistenschule
und Wirtschaftsregion Offenburg/Ortenau
Moritz Künkel
Neue Woche
Katharina Kunzmann
Das Haus
Alissia Lehle
Lust auf Genuss
Berta Leinweber
Wohnen & Garten
Herausgeber
Nikolaus von der Decken und
Manfred Hammes
Chefredakteure
Maximilian Gaub und Fabrice Braun
Koordination
Lydia Krumet (Burda Journalistenschule)
und Daniel Nitz (WRO)
Layout/Bildbearbeitung/Herstellung
Kalisch + Partner Werbeagentur, Offenburg
Julia Loibl
ELLE
Anna Rinderspacher
TV Spielfilm
Andreas Marx
Playboy
Maren Schwarz
Das Kochrezept
Michelle Merbach
freundin
Sophie Sonnenberger
DONNA
Anne Ramstorf
Super Illu
Meike Stephan
elle.de
Art-Direktion
Simone Vollmer
Imprimatur
Reinhold Klein
Fotografen und Bildnachweise
Sebastian Wehrle, Franziska Gilli (Titelbild),
Manfred Hammes, Robert Schwendemann,
Ulrich Marx, Oliver Rath, Michael
Gregonowits, ZMF, Matthias Leibitz,
Simone Boettcher-Murr, Marlen Stahlhuut,
Heidi Fößel, Sebastian Berthold, EyeCandy
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Klinik, Europa-Park, Helena Kégl,
Sylvia Selinger, Zweierpasch, Michael Bode,
Wild, Dorotheenhütte Wolfach
Druck
Dinner Druck GmbH, Schwanau
ANNA SUCKOW
Freizeit Revue
86
Sina Weneit
Fit for Fun
Kathrin Wölfle
LISA
Dank
Ein besonderer Dank geht an die
Unternehmen, die das Zustandekommen
des Projekts mit einer Anzeige unterstützt
haben, sowie an die Gesellschafter und
den Wirtschaftsbeirat der Wirtschaftsregion
Offenburg/Ortenau
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