Zwangsvollstreckung in Forderungen und Rechte

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Zwangsvollstreckung in Forderungen und Rechte
Stand: Januar 2017
Merkblatt
Zwangsvollstreckung in
Forderungen und Rechte
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Vorbemerkung
Von besonderer Bedeutung bei der Vollstreckung wegen Geldforderungen ist heutzutage die
Pfändung von Forderungen und anderen Vermögenswerten. Hierbei pfändet nicht der Gerichtsvollzieher Sachen des Schuldners, sondern das Vollstreckungsgericht pfändet durch
Beschluss eine Forderung des Schuldners gegen einen Dritten (Drittschuldner).
In Betracht kommen hier zum Beispiel Lohn- und Gehaltsforderungen gegenüber dem Arbeitgeber, Kontoguthaben (d. h. Ansprüche aus einer Kontoverbindung), Ansprüche aus
Bausparverträgen, Rentenansprüche bzw. Rentenanwartschaften, Ansprüche gegen Versicherungen, Ansprüche gegen Auftraggeber, Gesellschaftsanteile und (Eigentümer-) Grundpfandrechte.
Hinweis: Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer IHK Kassel-Marburg – nur erste Hinweise
geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher
Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen
werden.
Die IHK Kassel-Marburg bedankt sich bei der IHK Stuttgart für die Überlassung dieses Merkblatts.
1. Durchführung der Pfändung
Die Zwangsvollstreckung in Forderungen und sonstige Vermögensrechte erfolgt auf entsprechenden Antrag des Gläubigers durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts als Vollstreckungsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Verfahrensökonomisch wird der Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses in aller Regel mit dem Antrag auf Erlass eines Überweisungsbeschlusses verbunden.
Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
Für diesen Antrag besteht grundsätzlich ein Nutzungszwang der von der Justiz bereitgestellten Formulare. Das zu verwendende Formular finden Sie hier.
Zwar muss der Gläubiger nicht den Nachweis erbringen, dass die zu pfändende Forderung
auch tatsächlich besteht. Er muss aber dem Erfordernis der Bestimmtheit des Vollstreckungsobjekts genügen: Die Forderung ist nach Gläubiger, Schuldner, Drittschuldner,
Schuldgegenstand (z. B. Lohnanspruch) und Schuldgrund (z. B. Arbeitsverhältnis) so genau
zu bezeichnen, dass sie von anderen Forderungen einwandfrei unterschieden werden kann.
Allzu hohe Anforderungen hieran sind jedoch nicht zu stellen, da dem Gläubiger regelmäßig
die genauere Kenntnis der Verhältnisse des Schuldners fehlt; insbesondere braucht der
Gläubiger bei einer Kontenpfändung nicht die Kontonummer des Schuldners anzugeben.
Das kontoführende Kreditinstitut ist jedoch zu ermitteln.
Unzulässig ist im Hinblick auf die zuvor genannten Anforderungen die Pfändung
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von Forderungen „aus jedem Rechtsgrund” oder „aller denkbaren Forderungen”;
von Forderungen aus Lieferungen oder auf Schadensersatz, wenn sich nicht im Wege der Auslegung ermitteln lässt, auf welchen Schuldgrund und gegen wen als Drittschuldner diese sich richten;
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eine sog. Ausforschungs- oder Verdachtspfändung, mit der Forderungen auf Verdacht gepfändet werden sollen, für deren Bestand keine konkreten Anhaltspunkte
bestehen;
eine Globalpfändung, mit der alle Ansprüche auf Rückgewähr sämtlicher Sicherheiten
oder sämtliche Forderungen aus einer Bankverbindung gepfändet werden sollen.
Als ausreichend wird es aber in der Regel angesehen, wenn der Antrag so ausgelegt werden
kann, dass die Forderungen spezifizierbar und bestimmbar sind.
Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird durch den Gerichtsvollzieher an den Drittschuldner (Schuldner der Forderung des Titelschuldners) zugestellt. Mit der Zustellung an
den Drittschuldner ist die Pfändung als bewirkt anzusehen, die Forderung ist beschlagnahmt.
Von dem Zeitpunkt der Beschlagnahme an ist es dem Drittschuldner verboten, an den
Schuldner Zahlung zu leisten. Der Schuldner darf aufgrund der Pfändung nicht mehr über die
Forderung verfügen.
2. Verwertung durch Überweisung
Wie bei der Sachpfändung ist der Gläubiger mit der bloßen Pfändung einer Forderung noch
nicht befriedigt, es bedarf noch der Verwertung der gepfändeten Forderung. Dies geschieht
durch Überweisung der Forderung an den Gläubiger durch Überweisungsbeschluss des
Vollstreckungsgerichts, welcher in der Praxis zusammen mit dem Pfändungsbeschluss
ergeht. Der Gläubiger hat grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen der Überweisung zur Einziehung und der Überweisung an Zahlung statt zum Nennwert.
Die Überweisung an Zahlung statt zum Nennwert hat die Wirkungen einer Abtretung im Sinne des § 398 BGB; die Forderung geht nach § 401 BGB mit allen Nebenrechten in Höhe des
zu vollstreckenden Betrages einschließlich der Kosten auf den Gläubiger über. Mit dem Forderungsübergang gilt er insoweit als befriedigt, unabhängig davon, ob und inwieweit er tatsächlich vom Drittschuldner Zahlung erhält (vgl. § 835 Abs. 2 ZPO). Der Gläubiger trägt hier
also das Risiko der Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit des Drittschuldners.
Dagegen ist die Überweisung zur Einziehung für den Gläubiger risikolos und in der Praxis
der Regelfall, auch in den Formularen: Der Vollstreckungsschuldner bleibt Inhaber der Forderung. Er darf aber nicht mehr über sie verfügen und der Vollstreckungsgläubiger wird zu
deren Einziehung beim Drittschuldner ermächtigt. Mit der Überweisung selbst wird der Gläubiger also noch nicht befriedigt. Diese Wirkung tritt erst ein, wenn der Drittschuldner tatsächlich an den Gläubiger zahlt, sei es freiwillig, sei es auf Einziehungsklage des Gläubigers hin.
Damit der Gläubiger nach der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
vom Drittschuldner die Informationen erhält, inwieweit seine Pfändung erfolgreich war und
welche Voraussetzungen zur Einziehung ggf. erforderlich sind, sieht § 840 ZPO eine Auskunftspflicht des Drittschuldners vor, die sogenannte Drittschuldnererklärung.
Drittschuldnererklärung
Danach muss der Drittschuldner auf Aufforderung des Gläubigers hin sofort, jedoch spätestens innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses Auskunft erteilen,
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ob und in welcher Höhe die gepfändete Forderung besteht,
ob sie fällig, bedingt oder von einer Gegenleistung abhängig ist,
ob die Forderung bestritten wird,
ob der Drittschuldner vorrangige eigene Forderungen besitzt, mit denen er aufrechnen kann,
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ob andere Gläubiger gepfändet haben und wenn ja, in welcher Höhe.
Bei Verletzung der Auskunftspflicht durch Schweigen oder falsche bzw. unvollständige Auskunft steht dem Gläubiger zwar keine Klage auf Auskunftserteilung zu, da es sich nach der
Rechtsprechung um eine bloße prozessuale Obliegenheit handelt. Der Drittschuldner macht
sich aber eventuell schadenersatzpflichtig. Der Gläubiger ist so zu stellen, wie er bei gehöriger Erfüllung der Auskunftspflicht stünde.
3. Pfändungsschutz
In der Praxis erweist sich, dass sich insbesondere Pfändungen von Arbeitseinkommen und
von Forderungen aus Bankverbindungen lohnen. Zu beachten ist aber, dass Teile der Lohnbezüge nicht pfändbar sind. Dies gilt auch für Rentenansprüche.
Pfändungsfreigrenzen
Die entsprechenden Pfändungsfreigrenzen finden Sie hier.
Eine spezifische, gesetzliche Schutzvorschrift existiert für Selbstständige für den Bereich der
Altersvorsorge. Danach werden Leistungen aus bestimmten Altersvorsorgeprodukten (anteilig) vor Pfändung geschützt. Voraussetzung hierfür ist unter anderem jedoch, dass das gewählte Vorsorgeprodukt (zum Beispiel Lebensversicherungen, private Rentenversicherungen, Bankspar- und Investmentfondssparpläne) folgende Bedingungen erfüllt:
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Die Leistung muss regelmäßig und nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder
nur bei Eintritt der Berufsunfähigkeit gewährt werden;
über die Ansprüche aus dem Vertrag darf nicht verfügt werden;
die Bestimmungen von Dritten mit Ausnahme von Hinterbliebenen als Berechtigte ist
ausgeschlossen;
die Zahlung einer Kapitalleistung, ausgenommen eine Zahlung für den Todesfall, ist
nicht vereinbart.
Der Unternehmer muss sich bei Abschluss eines Altersvorsorgevertrags darüber im Klaren
sein, ob dieser als Kreditsicherungsmittel eingesetzt werden soll. Ist dies der Fall, greift der
Pfändungsschutz nämlich nicht.
Weitere Details zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge von Selbständigen, insbesondere
zur Höhe, finden Sie hier.
Seit dem 1. Juli 2010 bietet das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes auch für
Selbständige noch einen umfassenderen Pfändungsschutz durch das sogenannte „P-Konto“.
Pfändungsschutzkonto
Der Schuldner hat einen Anspruch gegenüber dem Kreditinstitut auf Umwandlung eines bereits bestehenden Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto). Auf diesem Konto
erhält der Schuldner für sein Guthaben einen automatischen Basispfändungsschutz in Höhe
seines Pfändungsfreibetrags. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchen Einkünften dieses Guthaben herrührt. Künftig genießen damit also auch Selbständige Pfändungsschutz für
ihr Kontoguthaben. Der Pfändungsfreibetrag kann durch Vorlage entsprechender Bescheinigungen beim Kreditinstitut erhöht werden.
4. Vorpfändung
Zur schnellen Sicherung seines Zugriffsinteresses kann der Gläubiger schon vorab Forderungen des Schuldners gegen den Drittschuldner durch den Gerichtsvollzieher im Wege der
Vorpfändung (auch „vorläufiges Zahlungsverbot”) nach § 845 ZPO beschlagnahmen und so
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seinen Anspruch sichern. Es handelt sich dabei um eine private Zwangsvollstreckungsmaßnahme mit befristeter Wirkung (vgl. § 845 Abs. 2 ZPO).
Die Vorpfändung hat den Vorteil, dass es nur eines vollstreckbaren Titels gegen den Schuldner bedarf, aber weder der Zustellung und vollstreckbaren Ausfertigung desselben noch des
Erlasses eines Pfändungsbeschlusses. Sie erfolgt dadurch, dass der Gerichtsvollzieher im
Auftrag des Gläubigers dem Drittschuldner und dem Schuldner die schriftliche Benachrichtigung der bevorstehenden Pfändung zustellt.
Diese kann vom Gläubiger – oder bei ausdrücklichem Auftrag – vom Gerichtsvollzieher angefertigt sein. Ihr Inhalt entspricht den Anforderungen an einen Pfändungsbeschluss:
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Bezeichnung des Titels und der zu vollstreckenden Forderung;
hinreichend bestimmte Benennung der zu pfändenden Forderung;
Aufforderung an den Drittschuldner, nicht mehr an den Schuldner zu zahlen;
Aufforderung an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung, insb. ihrer
Einziehung, zu enthalten.
Wegen des privaten Charakters der Vorpfändung müssen deren Zulässigkeitsvoraussetzungen und die Erfordernisse des § 845 Abs. 1 ZPO erfüllt sein, insbesondere die Zustellung an
den Drittschuldner. Andernfalls ist die Vorpfändung unwirksam. Verzichtbar sind lediglich die
Benachrichtigung und deren Zustellung an den Schuldner.
Kontakt
Weitere Fragen der IHK Kassel-Marburg zugehörigen Mitgliedsunternehmen beantwortet
Ihnen gerne Simone Kaiser-Dietrich, Tel.: 0561 7891-390, Fax: 0561 7891-487, E-Mail:
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