change - Berlin Valley

Transcrição

change - Berlin Valley
AUGUST/SEPTEMBER – KOSTENLOS
CHANGE
ZKZ 89109
Mut zum Pivot
BAUEN
PRÜFEN
LERNEN
Die ersten Körperteile
aus dem 3D-Drucker
Startup-Analyse der Parteien
zur Berlin-Wahl
Mit Design Thinking
bessere Produkte entwickeln
BERLINVALLEY.COM
EDITORIAL
WIR HABEN DIE WAHL
PHILIPP HARTMANN
ist Founding Partner von Rheingau
Founders. Jetzt startet der Investor
eine zweite Karriere als Dozent beim
E-Learning-Portal Udemy. Sein Kurs
richtet sich speziell an junge Gründer.
Seite 14
SIMON SCHÄFER
Cover: Fotografie: Jann Venherm, Illustration: Louisa Pepay, Inspiration: brosmind.com; Fotos: Saskia Uppenkamp, Max Threlfall, Simon Schäfer
erklärt, warum der Brexit das beste
Beispiel für miserables Marketing ist,
warum die Idee Europa für StartupUnternehmer Sinn macht und warum er
gern einen blauen Pass hätte.
Seite 15
ANSGAR OBERHOLZ
findet die Idee, einen IT-Staatssekretär
in Berlin zu installieren, brillant. Was
er und andere Startup-Experten zu den
Programmen der Parteien für die BerlinWahl sagen:
Seite 18
Liebe Leserin, lieber Leser,
die TOA ist vorbei, da kündigt sich bereits das
nächste Festival an, bei dem Innovationen im Fokus
stehen. Allerdings wird das Newnew Festival, das
in diesem September zu ersten Mal in Karlsruhe
stattfinden wird, einen ganz anderen Charakter
haben als das Tech Open Air in Berlin.
Trotzdem darf man gespannt sein, denn dort
werden auch Corporates ihren Platz haben und
zeigen, wie sie künftig mit Startups zusammenarbeiten wollen. Das Festival findet im Zentrum für
Kunst und Medientechnologie (ZKM) statt, womit
dafür gesorgt ist, dass auch die Kunst auf dem
Festival viel Raum haben wird. Wie sich Initiator
Ulrich Dietz das Ganze vorstellt, verrät er uns im
Interview. Außerdem wird es – ähnlich wie bei der
TOA – über die Stadt verteilt viele Satellite Events
geben. Unis und Forschungseinrichtungen öffnen
ihre Türen. Ganz Karlsruhe im Innovationsfieber?
Anfang September werden wir es erleben.
Ebenfalls im September werden wir wissen, wer
Berlin in den kommenden Jahren regiert. Wir haben die Parteien gefragt, was in Sachen Startups
und Digitalisierung in ihren Wahlprogrammen
steht – und haben das Vertretern aus dem Startup-­
Ökosystem zur Kommentierung gegeben. Unsere
Experten haben jedenfalls noch einige Anmerkungen zu den Plänen: „Es stellt sich die Frage, warum
bis heute kein flächendeckendes Breitband existiert“, ist nur eine davon.
Mit der „10-Punkte-Agenda zur Digitalisierung“,
der „Startup-Agenda“ und der „Smart-City-Strategie“, um nur einige wohlklingende Vorhaben zu
nennen, habe die Politik „eine gute strategische
Grundlage, die wir in der nächsten Legislaturperio­
de abarbeiten müssen“, kündigt der zur Wiederwahl stehende Regierende Bürgermeister Michael
Müller (SPD) im Interview an. Wir werden sehen.
Neben all den Festivals und der Politik beschäftigen wir uns natürlich weiterhin mit den wirklich
wichtigen Themen, nämlich wie man ein Startup erfolgreich macht. Design Thinking etwa ist eine Methode, die hilft, Kunden und Mitarbeiter besser zu
verstehen – und also bessere Produkte zu machen.
Nach so einem Workshop kann es sein, dass man
bei einem Startup die Richtung ändert und plötzlich andere Kunden oder einen anderen Markt ins
Visier nimmt, also einen Pivot macht.
Der kommt in den besten Unternehmen vor. Starbucks zum Beispiel verkaufte zuerst Espresso­
maschinen, Twitter startete als Podcast-Plattform
und der Foto-Sharing-Dienst Flickr als ein Element
des Online-Spiels Game Neverending. Ein Pivot ist
keine plötzliche Erleuchtung, sondern eine kalkulierte, planvolle Änderung des Kerngeschäfts auf
Basis von Tests, Feedback und Erfahrungswerten.
Und auch wenn der Prozess sehr schmerzhaft sein
kann – oft ist der Pivot der Weg zum Erfolg. Ich
wünsche viel Vergnügen bei der Lektüre!
Corinna Visser
VIELEN DANK!
OHNE DIE UNTERSTÜTZUNG UNSERER SPONSOREN WÄRE DIESES KOSTENLOSE MAGAZIN
NICHT REALISIERBAR. DAFÜR GANZ HERZLICHEN DANK AN:
Mut zum Pivot: Unser Cover zeigt Nikita
Fahrenholz, der mit Book a Tiger gerade
einen Kurswechsel vollzogen hat.
Mehr dazu im Interview Seite 42.
berlinvalley.com / 3
INHALT
26
07Meldungen
KÖRPERTEILE
AUS DEM
3D-DRUCKER
12 So verbinden sich Fashion und Tech
15 Ein stärkeres Europa wünscht sich Unternehmer Simon Schäfer
17 Berlin wählt: Wie Startup-freundlich sind die Wahlprogramme?
20„Ich hätte nichts gegen ein paar weitere Zalandos“, sagt der
Regierende Bürgermeister Michael Müller im Interview
Die Medizinische Modellbau Manufaktur druckt Organe, an denen Chirurgen
ihre Operationen üben können. In
Karlsruhe werden Kunststoffe entwickelt,
die Metall im Körper ersetzen sollen.
Ein Blick in die Zukunft der modernen
Medizin.
21 Gründer kommentieren die Startup-Politik
22 Auf dem Grill: Investoren bewerten Startups
24 Wir sind die Neuen: Startups im Kurzporträt
26 Bioprinting: Körperteile aus dem 3D-Drucker
28 Das können Startups von Design Thinking lernen
„ICH BIN BRUTAL
EHRLICH“
Book a Tiger startete als Plattform, die Reinigungskräfte
vermittelt. Jetzt arbeitet das Startup nur noch mit festen
Mitarbeitern. Wie er den Kurswechsel managt, erklärt
Gründer Nikita Fahrenholz im Interview.
17 BERLIN-WAHL:
DARUM GEHT’S
Das politische Umfeld trägt zum Erfolg des StartupÖkosystems bei. Berlin Valley hat Experten die
Wahlprogramme der Parteien auf Startup-Tauglichkeit
prüfen lassen und Gründer gefragt, was sie von der
Berliner Politik halten.
28 EMPATHIE-ARBEIT
Beim Design Thinking geht es darum, sich zuerst
auf das Problem zu konzentrieren und sich in die
Lage des Nutzers zu versetzen. Am Ende kommt ein
Produkt heraus, dass das Poblem wirklich löst.
FASHION UND TECH
Leistungssteigernde Sportbekleidung, T-Shirts und
Röcke, die mit Licht und Ton verschiedene Stimmungen
erzeugen: Auf der Fashiontech Berlin verbinden sich
Mode und technische Innovation.
12 Fotos: Flickr.com: h2Woah!, Jan Venherm, 360 FashKits, Kay Herschelmann, Medizinische Modellbau Manufaktur
42 30„Design Thinking ist eine gute Wachstumsstrategie“,
sagt D-School-Gründer Ulrich Weinberg
34„Heimat für Top-Experten“ – Florian Heinemann und Uwe Horstmann über die Positionierung von Project A Ventures
38 Target Global und Partech Ventures stellen sich vor
40 Spezial: Pivot
42„Wir wollen die Branche revolutionieren“,
sagt Nikita Fahrenholz von Book a Tiger
44 So meisterten N26, Figo, Adjust und Iversity ihren Pivot
46Investor Olaf Jacobi ist überzeugt, dass die Initiative zum Kurswechsel in einem guten Team von den Gründern kommt
48 Bürobesuch bei Getyourguide
52 Elevator Pitch: Startups müssen sich beweisen
56 Treffpunkte: Das steht auf dem Programm beim Newnew Festival,
Dmexco und der Startup Night
60 Rückschau: Das war TOA 2016
65Eventkalender
66 Vorschau und Impressum
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Oben ohne: Wie Inseln verteilen sich viele kleine Bühnen auf der Ausstellungfläche in den Hallen der Arena Berlin. Im Hintergrund schwimmt das Logo der Bread and Butter – zwei &-Zeichen als 3D-Installation – auf der Spree.
BREAD AND BUTTER FÜR ALLE
Auf dem Gelände der Arena in Treptow will Zalando die Modemesse neu beleben
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Ohne Tempelhof und ohne Messe-Gründer Karl-Heinz Müller
fängt die Bread and Butter am 2. September noch einmal von
vorne an. „Unser Konzept bricht mit dem Status quo“, sagte David
Schneider, Gründer und Vorstandsmitglied des Neueigentümers
Zalando. Der Online-Modehändler hatte die Messe nach der
Insolvenz im vergangenen Jahr übernommen und musste gleich
die Januar-Ausgabe absagen. Jetzt geht es endlich los – oder
„Now“, wie es das auf das internationale Publikum zugeschnittene Motto der Messe auf den Punkt bringt. In der Arena soll sich
die Bread and Butter drei Tage lang von einer Trade-Show zu
einer Trend-Show für Marken und Konsumenten entwickeln. Und
zwar für jedermann. „Die Bread and Butter by Zalando schließt
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den Konsumenten nicht länger aus der Modewelt aus, sondern
lädt ihn ein, Teil von ihr zu werden“, sagt Schneider. Passend
dazu soll es Customizing Workshops geben, in denen Besucher
sich ausgewählte Artikel individuell gestalten lassen können.
Neuheiten werden mithilfe von Augmented Reality vorgestellt.
Den passenden Hintergrund liefern die Konzepte der Illustratoren Craig & Karl und der Kreativagentur Kemmler Kemmler.
Überhaupt spielt Digitales eine wichtige Rolle auf der Messe,
darunter Mode, die mitmilfe intelligenter Maschinen hergestellt
wird. Zalando-Marketing-VP Carsten Hendrich freut sich auf den
Mix: „Wir zeigen, was in der digitalen Welt angesagt ist und
teilen das mit unseren Konsumenten.“ breadandbutter.com
Ein wichtiger Schritt für Number26 auf dem Weg
zur echten Alternative zur Hausbank: Anderthalb
Jahre nach dem Start erhält das Fintech von Valentin Stalf (r.) und Maximilian Tayenthal die Vollbanklizenz der Bafin. Mit der Erlaubnis, Bankgeschäfte in Europa tätigen zu können, ändert das
Startup auch seinen Namen in N26. Zusammen mit
den 40 Millionen Dollar aus der Series-B-Runde im
Juni ist das Fintech gerüstet, sein Angebot auszuweiten. Geplant sind Real-Time-Kredite, Sicherheit
durch KI oder Expense Sharing, bei dem man
Rechnungen mit nur wenigen Klicks unter Freunden
aufteilen kann. (Mehr auf Seite 44) n26.com
„ES WIRD
IMMER
SCHWERER,
LEUTE
DAVON ZU
ÜBERZEUGEN,
IN TÜRKISCHE
STARTUPS ZU
INVESTIEREN“
ROLAND MANGER,
Partner beim VC Earlybird sagt, dass selbst Leute,
die um die Stärken des Standorts wissen,
zunehmend unruhig werden.
zeit.de
ETVENTURE KOOPERIERT
MIT FRIENDSFACTORY
„Coworking ist als Arbeitsmodell tot“, kommentiert
Gregor Gebhardt, Geschäftsführer der Bürovermietung Friendsfactory das neue Joint Venture mit
dem Company Builder Etventure. „Man kann sein
Geschäftsmodell nicht unter zig Leuten im gleichen
Raum ernsthaft auf- und ausbauen. Dafür braucht
es ein eigenes Büro.“ Die Kooperation erweitert
die eigenen Office-Lösungen um Dienstleistungen für Startups. Mieter und Mitglieder erhalten
ein Startup-Building vergleichbar mit Acceleratoren-Programmen. Start ist in München. Standorte
in Hamburg, Berlin und Stuttgart sollen noch 2016
öffnen. friendsfactory.de, etventure.de
berlinvalley.com / 7
MELDUNGEN
MELDUNGEN
Überraschung des Monats
REIN UND RAUS
Wer bekommt wie viel? Wer übernimmt
wen? Finanzierungen und Exits
ONLINESHOP TOP12.DE
SPONSERT DIE ROTEN TEUFEL
COOLAR EROBERT NEW YORK
Das Kühlschrank-Startup holt im Finale von „The Venture“ 50.000 Dollar
Mehr als 2500 Gründer hatten sich bei der neuen Runde des mit einer Million Dollar
dotierten Wettbewerbs „The Venture“ beworben. Voraussetzung für die Teilnahme
sind Geschäftsideen, deren Ziel es ist, die Welt zu verbessern. Veranstalter ist der
Whisky-Hersteller Chivas Regal. Fünf Teams, darunter das Berliner Startup Coolar,
schafften es am 14. Juli ins Finale nach New York. Noch einmal hatte Gründerin Julia
Römer (Mitte) fünf Minuten, um die Jury von dem Nutzen ihrer Technologie zu überzeugen. Coolar entwickelt von einem Stromnetz unabhängige Kühlsysteme. So kann
das Startup in den ärmsten Regionen der Welt die Kühlung von Lebensmitteln oder
Medizin sicherstellen. Das Jury-Urteil: Platz fünf und ein Preisgeld von 50.000 Dollar.
Platz eins und 300.000 Dollar gingen an das kolumbianische Startup Conceptos Plásticos, das Gummiabfälle zu Material für den Bau von Häusern oder Schulen umwandelt. Die weiteren Finalisten: Wefarm, Eyecontrol und Wakami. theventure.com
Mit Beginn der neuen Fußball-Bundesligasaison 2016/17
wird das E-Commerce-Startup Top12.de offizieller
Haupt- und Trikotsponsor des 1. FC Kaiserslautern.
Der 2015 gegründete Onlineshop sichert sich damit
ein Leistungspaket, das neben der Präsenz auf dem
Trikot unter anderem auch TV-relevante Werbung
und ein Digitalpaket enthält. Für Frederic Palmstorfer,
Geschäftsführer von Top12.de, schließt sich der Kreis:
„Für mich als ehemaligen Jugendspieler des FCK ist
es natürlich eine besondere Freude, dieses Bündnis
einzugehen!“ Er freue sich, den Verein als zwölfter
Mann zu unterstützen. top12.de
45 MILLIONEN EURO VON TCV FÜR BRILLEN.DE
Technology Crossover Ventures (TCV), einer der größten Risikokapitalgeber im Silicon Valley, investiert erstmals in Deutschland: Der Fonds steckt 45 Millionen
Euro in Brillen.de. Das Startup aus Wildau bei Berlin
produziert – anders als Mister Spex oder Brille24 –
auch eigene Modelle kostengünstig bei einem Partnerunternehmen in Schanghai. brillen.de
„WIR MÜSSEN
DIE STARTUP-NATION
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SHORE ERHÄLT 13 MILLIONEN VON ZALANDO
Die Zalando-Gründer Robert Gentz, David Schneider
und Rubin Ritter investieren mit der Funke Mediengruppe,
Bayern Kapital, dem ehemaligen Versatel-Vorstand
Peer Knauer und anderen Geldgebern 13 Millionen
Euro in Shore. Das Startup von Alexander Henn (l.)
und Philip Magoulas unterstützt kleine Firmen mit einer
Managementsoftware. shore.com
STUDIENGANG BILDET
GRÜNDER WEITER
Die Online-Lehrplattform Iversity ist
insolvent. Eine für Juni geplante Finanzierung sei geplatzt, sagte Iversity-Gründer Hannes Klöpper. Weil
sich die Altinvestoren T-Venture und
Bmp neu orientiert hätten, gebe es
von ihnen kein frisches Geld mehr.
Von den zuletzt 24 Mitarbeitern
mussten 20 gehen. Derzeit werde
mit einem neuen Investor verhandelt.
(Mehr auf Seite 45) iversity.org
8 / berlinvalley.com
Neue Funktionen, Fort- und Rückschritte
NACH DEM BREXIT:
BERLIN WIRBT UM STARTUPS
„Dear start-ups, keep calm and move to Berlin“,
warb die FDP bereits am Tag nach dem BrexitReferendum augenzwinkernd auf mobilen Plakaten
in London. Dabei könnte genau das eintreten.
Berlin Partner für Wirschaft und Technologie
bestätigt bereits mehrere Anfragen, vor allem
aus dem Fintech-Bereich. Für Oktober hat die
Wirtschaftsförderung die Eröffnung eines Popup-Labs in London geplant. Wirtschaftssenatorin
Cornelia Yzer (CDU) fordert: „Berlin muss sich in
Stellung bringen und bietet beste Voraussetzungen
für Unternehmer aus dem Ausland.“ Bereits am Tag
nach dem Referendum hat sie erste Schreiben an
britische Firmen verschickt, in denen sie für Berlin
als neuen Standort wirbt. berlin-partner.de
PETER THIEL INVESTIERT IN DEUTSCHE STARTUPS
Der Paypal-Gründer, Facebook-Investor und seit Kurzem Trump-Unterstützer, Peter Thiel, hat mit Finlab und
weiteren Geldgebern in zwei deutsche Startups investiert. Deposit Solutions aus Hamburg, Anbieter von
Zinspilot, erhält 15 Millionen Euro. 3,5 Millionen Euro
gehen an die Kölner Lern- und Ausbildungsplattform
Nextmarkets. nextmarkets.com, zinspilot.de
SCALABLE CAPITAL EXPANDIERT
Nur wenige Monate nach dem Marktstart in Deutschland ist der digitale Vermögensverwalter jetzt auch in
Österreich aktiv. Bei dem Fintech aus München können
Nutzer in kostengünstige, global diversifizierte ETF-Portfolios investieren. scalable.capital
WEITERE STÄDTE FÜR CATERWINGS
Rocket Internets Online-Marktplatz für Caterer
expandiert durch eine strategische Partnerschaft mit
Eventinc nach Köln, Frankfurt und Düsseldorf. Anfragen
über den Online-Event-Anbieter werden ab sofort von
Caterwings betreut. caterwings.de, eventinc.de
UDACITY KOMMT NACH DEUTSCHLAND
Fotos: Top12, Eve Sleep
INSOLVENZ: IVERSITY
PLANT NEUSTART
UPDATES
Fotos: JCS (CC BY 3.0, flickr), JD Lasica(CC BY-NC 2.0, flickr), Shore, brillen.de, The Venture, Heimat Berlin
In Baden-Württemberg hat das Forschungsministerium grünes Licht für
den berufs­b e­gleitenden Masterstudiengang Intra- und Entrepreneur­
ship der Universität Stuttgart und der
Hochschule der Medien (HdM) gegeben. Er startet im Wintersemester
und richtet sich an Mitarbeiter aus
technologieorientierten
Unternehmen sowie Startups. Bewerbungen
sind ab sofort möglich. innovativeentrepreneurship.de
THORSTEN DIRKS
Der Bitkom-Präsident schlägt den Aufbau „digitaler Ökosysteme“ vor,
in denen etablierte Unternehmen und Startups zusammengebracht werden.
bitkom.org
Die E-Learning-Plattform bietet zum Start die gleichen
Kurse wie in den USA an. Sie sind auf konkrete Fähigkeiten
und Wissensbereiche ausgerichtet und kosten 200 Euro
pro Monat. Zu den Investoren des Unternehmens mit
Einhorn-Status zählt Bertelsmann. udacity.de
DA LEGST DI NIEDER
8,2 Millionen Euro für Eve. Was finden Investoren an Matratzen-Startups?
Der Hype um den Online-Verkauf
von Matratzen reißt nicht ab. Im Juli
hat das deutsch-englische Startup
Eve Sleep von dem TV-Sender
Channel 
4 und den bestehenden
Investoren
DN
Capital
sowie
Octopus Ventures frisches Kapital
erhalten. Die zusätzlichen 8,2
Millionen Euro sollen vor allem in
die internationale Expansion fließen,
erklärt CEO und Mitgründer Jan
Bagniewski. Er spricht von einer
unglaublichen Entwicklung. „Wir
verzeichnen von Monat zu Monat
ein Wachstum von 25 Prozent.“
Für 2016 ist ein Umsatz von 20,3
Millionen Euro angepeilt. Fast das
Fünffache hat im vergangenen Jahr
bereits Casper umgesetzt. Mit Büros
in Berlin und London drängt das
New Yorker Matratzen-Startup nun
in den hartumkämpften europäischen
Markt. Allein in Deutschland tummeln
sich Startups wie Bruno, Muun, Emma
oder Buddy im Wettbwerb. Warum
auch nicht? Das Produkt ist attraktiv.
Guter Schlaf zählt zum Lifestyle und
die Margen sind im Online-Vertrieb
noch einmal höher als beim Händler
an der Ecke. Von schlaflosen Nächten
bei den Gründern keine Spur.
„Die Konsumenten nehmen unser
Geschäftsmodell hervorragend an“,
sagt Bagniewski. evemattress.de
GELD VOM STAAT
Wirtschaftsminister Gabriel: „Neue Gründerzeit in Deutschland anstoßen“
Mehr Geld für junge, innovative
Unternehmen:
Der
Europäische
Investitionsfonds und ERP-Sonder­
vermögen – vertreten durch das
Wirtschaftsministerium – haben die
Mittel für den ERP/EIF-Dachfonds
und European Angels Fonds um eine
Milliarde Euro erhöht. Zusammen
mit den Mitteln für die im März
gestartete Wachstumsfazilität stehen
künftig rund 3,2 Milliarden Euro zur
Finanzierung von Startups bereit.
„Durch die Aufstockung sind wir
unserem Ziel, eine neue Gründerzeit
in Deutschland anzustoßen, wieder
einen Schritt näher gekommen“, sagt
Wirtschaftminister Sigmar Gabriel
(SPD). Außerdem berichtet die Welt am
Sonntag, dass die Bundesregierung
mit einem neuen, zehn Milliarden
Euro schweren Fonds Gründer
stärker fördern will. Den Plänen
des Finanzministeriums zufolge soll
die KfW-Bank Gründern für jeden
Euro an Wagniskapital einen Euro
Kredit zu vergünstigten Konditionen
bereitstellen. So sollen insgesamt 20
Milliarden Euro zusammenkommen.
Bisherige Programme lassen aber am
Erfolg zweifeln. Von den 150 Millionen
Euro des Programms Invest etwa sind
laut Wirtschaftsministerium bisher nur
23,59 Millionen abgerufen worden.
welt.de, bmwi.de
berlinvalley.com / 9
MELDUNGEN
Gadget des Monats
HIN UND WEG
DATES
Sieger des Monats
Wer kommt? Wer geht? Wer hat was erreicht?
Wichtige Personalmeldungen der Startup-Szene
Wo man sich jetzt noch bewerben kann
PROJECT FLYING ELEPHANT: Der Inkubator des
Beliner VC Westtech startet im Oktober sein neues
Programm für Teams in frühen Entwicklungsphasen.
Ziel ist es, Gründern eine Umgebung zu bieten, in
der sie etwa drei Monate intensiv an ihrem jeweiligen
Projekt unter optimalen Rahmenbedingungen arbeiten
können. Die Bewerbungsphase läuft noch bis zum 15.
August 2016. projectflyingelephant.de
15.08.
DRUCKEN UND GUCKEN
Fischertechnik kooperiert für Bausatz mit Startup German Reprap
Auf der Spielwarenmesse im Januar hat er bereits für Aufsehen gesorgt.
Jetzt ist der vielbeachtete 3D-Drucker-Bausatz von Fischertechnik im Handel erhältlich. Das Set ist ein Gemeinschaftsprodukt der Waldachtaler
mit dem 3D-Drucker-Startup German Reprap aus Feldkirchen. Auch nach
dem Aufbau der 890 Teile bleibt die Technik sichtbar, weil der Bausatz auf eine umschließende Abdeckung verzichtet. In der Bibliothek der
Software sind bereits Beispiele als druckfähige G-Codes gespeichert.
Zusätzlich lassen sich aus Internet-Datenbanken importierte oder selbst
mit einem CAD-Programm gestaltete STL-Dateien in der Drucker-Software
verarbeiten und in einen druckfähigen G-Code verarbeiten. Preis des
Bausatzes: 699,95 Euro. fischertechnik.de, germanreprap.com
COMPANISTO KNACKT
30-MILLIONEN-MARKE
Die in Deutschland, Österreich und
der Schweiz tätige CrowdinvestingPlattform hat mehr als 30 Millionen
Euro in Wachstumsunternehmen und
Startups investiert. Auf Facebook
meldete das Unternehmen, dass
bislang nur sieben von insgesamt
60 Startups erfolglos waren. Dies
entspricht 1,42 Millionen Euro
ausgefallenem Kapital. „Der Anteil
des ausgefallenen Kapitals liegt
somit bei nur 4,52 Prozent – dies ist
für den Venture-Capital-Bereich eine
extrem niedrige Quote“, schreibt
Companisto. companisto.com
10 / berlinvalley.com
Die Global Fashion Group (GFG) hat
Ende Juli eine Finanzierungsrunde
in Höhe von 330 Millionen Euro
abgeschlossen. Das Geld kommt von
den bestehenden Gesellschaftern,
einschließlich Rocket und dem Rocket
Internet Capital Partners Fund. GFG
wurde 2014 gegründet und gehört
zu den führenden Online-FashionUnternehmen in Schwellenländern.
„Die jüngste Finanzierungsrunde
verschafft GFG das nötige Kapital,
um diesen Weg weiter zu verfolgen“,
sagt Rocket-Chef Oliver Samwer.
global-fashion-group.com
FINLEAP HOLT CAROLIN GABOR
ALS MANAGING DIRECTOR
In dieser Position soll die
frühere Beraterin bei der Boston
Consulting Group die marktreifen
Startups
in
den
Bereichen
Strategie und Wachstum bis hin
zum möglichen Exit unterstützen.
Zuletzt war Gabor CEO bei
Autohaus24. finleap.de
GRÜNDUNGSMEISTER
Nach zwölf Jahren bei Axel
Springer soll Claudia Thäns bei
DCMN nun helfen, den Printund
Digital-Bereich
intensiver
auszubauen. Bisher ist der Growth
Solution Provider hauptsächlich
für
Performance-basierte
TVKampagnen bekannt. dcmn.de
Am 14. Juli wurden in der Investitionsbank Berlin die besten Gründer
der Region Berlin-Brandenburg ausgezeichnet. In der Kategorie „Plan“
gewann das Berliner Startup Mara Mea, das multifunktionale Wickeltaschen sowie Umstands- und Stillmode für moderne Eltern entwickelt. Im
Bereich „Canvas“ überzeugte LQ Enterprise, ebenfalls aus Berlin, mit der
mehrsprachigen Plattform Jobkraftwerk, die Geflüchtete und Unternehmen zusammenbringt. Die Abschlussprämierung bildete den Höhepunkt
der dreiphasigen Initiative, die Existenzgründer kostenlos mit mehr als
100 Seminaren sowie einem großen Expertennetzwerk bei der Entwicklung eines tragfähigen Geschäftskonzepts unterstützt. Rund 1500 Interessierte nutzten das Angebot des diesjährigen Businessplan-Wettbewerbs.
Insgesamt wurden 295 Geschäftskonzepte eingereicht. b-p-w.de
BENEDIKT LEHNERT VERLÄSST
WUNDERLIST FÜR MICROSOFT
Die Marketingspezialistin, die
bereits von 2009 bis 2012 bei
dem Berliner Startup gearbeitet
hat, ist nun VP Global Operations
& Partnerships. Zwischenzeitlich
hatte Mendez beim Venture
Builder Covus das Unternehmen
Crobo aufgebaut. glispa.com
Ein Jahr nach der Übernahme von
6Wunderkinder durch Microsoft
wechselt der Chief Design Officer
von Wunderlist zur Mutter nach
New York. Dort soll er das OutlookTeam als Director of Product
Design for iOS, Android und Mac
unterstützen. microsoft.com
SUNNY WUNSCH ÜBERNIMMT
NEUES RESSORT BEI PIABO
Die Kommunikationsexpertin wird
Head of E-Commerce & Brand
PR. Ihr neu zusammengestelltes
Spezialteam soll bei Piabo die
Nachfrage
der
wachsenden
E-Commerce-Branche bedienen.
Sunny Wunsch kommt von CLY
Communication. piabo.de
DEEP TECH AWARD: Im Rahmen der Landesinitiative „Projekt Zukunft“ und der Kampagne für den
IT-Standort Berlin „Log in. berlin.“ werden Lösungen
und Produkte im Bereich Internet of Things (IoT) gesucht, die sich vor allem durch einen hohen Innova­
tionsgrad auszeichnen. Das Preisgeld beträgt 60.000
Euro. Bewerbungsschluss ist der 20. Oktober, die
Preisverleihung findet am 9. November statt. sibb.de
20.10.
IHR HABT SPANNENDE NEUIGKEITEN? SCHREIBT UNS: [email protected]
ORIETTA MENDEZ KEHRT
ZU GLISPA ZURÜCK
WENN DU NOCH EINMAL ANFANGEN KÖNNTEST …
… wo würdest du dein Startup heute gründen? Diese Frage ist Grundlage einer Studie der European Startup Initiative (ESI) unter 700 Gründern
P7S1 PLANT
WEITERE ZUKÄUFE
Der Medienkonzern Prosiebensat.1
will sein Digitalgeschäft nach den
Zukäufen von Verivox und Etraveli mit
weiteren Übernahmen stärken. Für
Akquisitionen habe man bis zu eine
halbe Milliarde Euro zur Verfügung,
sagte Konzernchef Thomas Ebeling
der Süddeutschen Zeitung. „Das
Problem ist, dass es gar nicht so viele
größere Unternehmen in Deutschland
gibt, die strategisch passen und
bei denen wir eine Wertsteigerung
für unsere Aktionäre erwarten.
Aber wir haben die Augen offen.“
prosiebensat1.de
EY PUBLIC VALUE AWARD: EY zeichnet in Kooperation mit der HHL Leipzig Graduate School of
Management erstmals Startups für ihren Beitrag zum
Gemeinwohl aus. Letztlich gebe es nichts, was eine
Idee stärker legitimiert als ihr Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenleben und Fortschritt. Startups,
die sich in diesem Bereich engagieren, können sich
online bis zum 15. August bewerben. eypva.com
15.08.
Mit Wickeltaschen zum Sieg beim Businessplan-Wettbewerb 2016
Fotos: Leo Seidel, european startup initiative
Berlin wird Testlabor für den neuen
Mobilfunkstandard 5G. Partner beim
Aufbau und der Entwicklung des
Netzes ist die Deutsche Telekom. 5G
ermöglicht
Echtzeitkommunikation
sowie deutlich höhere Datenraten
von bis zu zehn Gigabit pro
Sekunde. Die Technologie soll bis
2020 Marktreife erreichen. Eine der
Sendeanlagen kommt unter anderem
auf das frühere Telefunken-Hochhaus
am Ernst-Reuter-Platz. Auch Startups
und Organisationen sind ab sofort
aufgefordert, 5G-Innovationen in
Berlin zu erproben. telekom.de
GELD FÜR GLOBAL
FASHION GROUP
Die Komikerin hat im Juni mit
DCM und anderen Geldgebern in
Stagelink investiert. Kebekus nutzt
das Promotion-Startup bereits für
die Bewerbung ihrer Shows. Nun
freut sie sich, „auch als Investorin
Teil des Stagelink-Teams zu
werden“. stagelink.com
CLAUDIA THÄNS BRINGT
PRINTERFAHRUNG ZU DCMN
Fotos: Glispa, Finleap, DCMN, Fischertechnik, Axl Klein, Duncan Davidson
5G-NETZ ZUERST
IN BERLIN
CAROLIN KEBEKUS GEHT
UNTER DIE INVESTOREN
Wenig überraschend: An der Spitze liegen Berlin
(15 Prozent) und London (14 Prozent), die zusammen
knapp ein Drittel der Stimmen verbuchen.
Anders sieht das Ranking aus, wenn man nur
die Erwähnungen der Hubs in den bekanntesten
Techblogs – Wired, Techcrunch, The Next Web und
Mashable – untersucht. Hier liegt London vor Paris
und Berlin nur auf Rang drei, was zeigt: Persönliche
und unabhängige Erfahrungen spielen bei der
Standortwahl offenbar eine größere Rolle als die
Berichterstattung in den Medien.
Für die Mitte Juli vorgestellte Startup Heatmap Europe
haben die Autoren auch die Umzugsbereitschaft der
Gründer untersucht: Fast ein Viertel der Teilnehmer
haben ihr Unternehmen nicht in ihrem Herkunftsland
gegründet, wobei Männer eine deutlich höhere
Bereitschaft zum Umzug zeigen als Frauen: 90 zu
zehn Prozent.
Aber was sind die entscheidenden Faktoren für die
Standortwahl? Wichtig sind Zugang zu Talenten und
die Qualität des Ökosystems, weniger wichtig ist
das Geld. Die Erklärung: „Unternehmer müssen nicht
dem Geld folgen, wenn sie sicherstellen können,
dass das Geld zu ihnen kommt.“ Alle Ergebnisse der
ESI-Studie unter: startupheatmap.eu
FOUNDERS’ FAVOURITE HUBS
«Where would you start
up if you could begin all
over again?»
2.392
Total Votes
29%
of all votes go to
Berlin & London
Berlin
1
15 %
London
2
14%
Amsterdam
3
10 %
Barcelona
4
Lisbon
5
WHAT GETS THE FOUNDERS MOVING?
Dublin
6
4 %
Stockholm
7
4 %
Munich
8
4 %
7 %
Copenhagen
9
3%
5 %
Vienna
10
3%
TALENT
COSTS
CAPITAL
69%
51%
44%
Second is the quality of
the ecosystem, though
founders from high-tech
startups rate it slightly
higher than talent.
Founders from low GDP
per capita countries rated
the costs more relevant
as compared to founders
from other countries.
Even though founders
from high-tech startups
rate access to capital
higher it ranks overall
least important.
ECO -SYSTEM
71%
Access to highly qualified
talent is relevant or very
relevant to the highest
number of founders.
Founders had up to 5 votes from a list of 30 cities. Percentages indicate how many of all founders would
like to startup in the respective city. To access the full list of favorite Hubs please click here.
* The percentages show the share of founders who find a certain factor relevant or very
relevant (4 and 5 points out of 5) when considering a location choice.
Get the full report here
HOW DID THE REGIONS VOTE?
BALTICS
NORDICS
CEE
SOUTH
FINDING A SPECIALISATION
58%
52%
52 %
42 %
32 %
29 %
London
Berlin
Tallinn
Riga
Amsterdam
Stockholm
50 %
48 %
45 %
30 %
15 %
Berlin
Stockholm
London
Copenhagen
57 %
46 %
32 %
20 %
London
Berlin
Amsterdam
64 %
London
Dublin
Amsterdam
13 %
Tallinn
18 %
17 %
Barcelona
Warsaw
50 %
46 %
32 %
32 %
10 %
Berlin
Lisbon
Amsterdam
Barcelona
Madrid
High-Tech Startup Access To Capital
-1
+3
ZURICH
+7
1
+1
MADRID
+5
2
-2
+3
2
+2
4
-4
LUXEMBOURG
3
+3
-3
BARCELONA
LISBON
Percentages indicate how many founders coming from a region imagine to startup in the mentioned city. Founders had up to 5 choices.
1
BERLIN
MUNICH
5
-5
The choice for a startup hub depends
on the founders needs or preferences.
ZURICH
MUNICH
Jumps 7 ranks for
High-Tech startups
Jumps 3 ranks for
Access to Capital
This shows the rank change when we only look at founders of high-tech companies
with a high appreciation for access to capital.
berlinvalley.com / 11
FA S H I O N T E C H
FA S H I O N T E C H
Viel Gesprächsbedarf: Diskussionsrunde auf der Messe
Lisa Lang: die Gründerin von Elektrocouture auf der Fashiontech Berlin
Passt sich an: Wearable Facade von Popkalab
nimmt mit Mikrokameras die Umgebung auf und
übersetzt sie in farbige Lichteffekte.
KLEIDER MIT BLING
Surface Distortion: neuestes Highlight der
holländischen Designerin Maartje Dijkstra
Alarm bei Annäherung: Eine Mitarbeiterin integriert das Proximity Kit von 360Fash Tech in ein Brautkleid.
Fashiontech Berlin: Wie IT die Mode aus der Krise rettet
Glanzvoller Auftritt: Elektrisch illuminierte Clutch von Moon Berlin
Wer das für Spielereien hält, sollte sich vor Augen führen, dass die
Fashiontech mittlerweile eine etablierte Veranstaltung ist. 30 Referenten sprachen bei der Konferenz über die Zukunft der Mode,
3500 Besucher waren ins Kühlhaus gekommen. Und da eine Messe nicht nur ein Markt ist, sondern auch einen Markt schafft, könnte
das Segment der technisch aufgerüsteten Kleidung schon bald aus
der Nische heraustreten. Dafür spricht auch der gemeinsame Plan
von Google und Levi’s: Seit die Konzerne im März dieses Jahres
verkündet haben, dass sie bis 2017 eine smarte Jacke herausbringen wollen, gilt als ausgemacht, dass die innovativen Designer,
die Smartphones oder LED-Lämpchen in die Kleidung integrieren,
auf der richtigen Spur sind. Es verwundert auch nicht, dass Shirts,
die Insulin- oder Blutwerte messen, oder Jacken mit eingebautem
Navigationsgerät Nachfrage erzeugen. Für Lisa Lang ist es nur
eine Frage der Zeit, bis Tech-Fashion bei H & M oder Zara hängt.
Für die Gründerin der Plattform Elektrocouture, die Designer mit
IT-Unternehmen zusammenbringt, ist die intelligente Mode gar die
Retterin in der Krise, in der die Branche feststeckt, weil sie seit
Jahren das Immergleiche präsentiert.
rw
Taschen aus der Libet-Serie mit LED-Beleuchtung von 360Fash Tech
Reflektiert die Körperhitze:
die Kollektion von Inforce Yoga
Fotos: 360Fashion, Moon Berlin, Popkalab/Ricardo O'Nascimento, Lisa Wassong/Christopher Santos,
Jasna Rok/Nils Krüger, Niké Dolman, Deutsche Telekom/Florian Reimann, Inforce Yoga/Lilien Stenglein, Formbytime
Gleich am Anfang der Halle posiert ein muskulöser Mann im Sportdress. Die Botschaft des Models: „Wer mit der Sportbekleidung von
Antelope trainiert, sieht nach wenigen Wochen aus wie ich.“ Spaß
beiseite. Wunder kann auch die vom 2014 gegründeten Startup
Wearable Life Science entwickelte Sportbekleidung nicht vollbringen. Leistungssteigernd ist sie sehr wohl. „Antelope besteht aus
einer Kompressionstextilie mit integrierten Elektroden, einer Smartphone-großen Elektronikeinheit sowie einer App zur Steuerung des
Systems“, erklärt Firmengründer Philipp Schwarz. Über elektrische
Impulse von außen werde die natürliche Muskelkontraktion verstärkt, jede sportliche Betätigung sei damit intensiver und effektiver.
Wearable Life Science aus Nürnberg war einer von 27 Ausstellern
auf der Fashiontech Berlin, die Ende Juni bereits zum sechsten Mal
stattfand. Wie jede Modemesse machte sie optisch viel her. Aber mit
Technologie kombinierte Hosen und Handtaschen sind besonders
schön, weil sie blinken und leuchten. Der Ambience-­Rock der Designerin Lina Wassong macht über zwei im Innenfutter angebrachte
Lautsprecher auch Geräusche. Man hört das Rauschen eines Flusses
oder das Rascheln von Baumkronen im Wind.
Hat den Durchblick: Peter Ramsauer
am Stand von Jasna Rok
Formwandler: Formbytime aus Österreich integriert Motoren,
Akkus, Sensoren und Bluetooth in Schmuckstücke.
Zum Einnähen: Die Motoren des Robotic Dress Kit von
360Fash Tech verändern die Form der Kleidung.
Lorem Ipsum
Leistungssteigernd: die Sportbekleidung von Antelope
Flimmert wie Glühwürmchen, klingt wie Waldesrauschen: der Ambience-Rock von Lina Wassong
KOLUMNE
JOBPROFIL
WAS MACHT EIGENTLICH EIN
Udemy
E-LEARNING INSTRUCTOR
In der Startup-Szene gibt es viele eigentümliche Jobbezeichnungen.
Philipp Hartmann erklärt, was seine Aufgaben als Dozent beim E-LearningPortal Udemy sind. Sein neuer Kurs richtet sich speziell an junge Gründer
Die Zukunft des Lernens ist digital. Seit Jahren boomen die Angebote rund um das Thema E-Learning. In
den USA längst riesengroß, wächst auch hierzulande
der Zuspruch für anspruchsvolle Online-Tutorials.
Wer, wie ich, in Deutschland aufgewachsen ist,
der weiß, dass Bildung ein Allgemeingut ist. Aber
in anderen Teilen der Welt sind solche Strukturen
kaum vorhanden. Insofern reizt mich an dem E-Learning-Phänomen, dass man mit Online-Kursen plötzlich einen Zugang für all jene schafft, die kein Geld
für teure Studien oder Weiterbildungsprogramme
haben. Nicht nur in vielen ärmeren Ländern, sondern auch in Deutschland und im EU-Ausland ist
der Wissenserwerb durch Online-Kurse die ideale
Ergänzung zum eigenen Lebenslauf. Ich selbst habe
BWL an der European Business School studiert und
mir viel Wissen im klassischen Hörsaal angeeignet.
Wenn ich heute als Student die Wahl hätte, auch
Online-Kurse zu belegen, um mein Wissen zu erweitern, würde ich das sofort machen.
Als mich Udemy fragte, ob ich Lust hätte, als Dozent
für den Wissensanbieter tätig zu werden, habe ich
sofort zugesagt. Ich fand es spannend, dabei mitzuwirken, Inhalte zu produzieren, in denen ich mein
Wissen mit anderen teile. Die Plattform hilft Dozenten, in wenigen Schritten einen Kurs aus unterschiedlichen Komponenten zusammenzubauen.
Als Co-Founder und Company Builder habe ich Einblick in die Aufbauarbeit bei mehr als 20 Portfolio-
WTF, EUROPA!
NAME:
Unternehmen gewinnen können und dadurch eine
Menge gelernt. Ich finde es wunderbar, Jung-Gründern auf diese Weise Starthilfe zu geben und damit
meine eigene Erfahrung an ein großes Publikum weiterzureichen. Weltweit hat die Plattform elf Millionen
Nutzer.
Natürlich freue ich mich auch, wenn ich als Online-Dozent für Rheingau Founders den einen oder
anderen neuen Kontakt über Udemy knüpfen kann.
Besonders bin ich auf die Interaktion mit der Community gespannt und darauf, wie meine Inhalte vom
breiten Publikum angenommen werden. Als Dozent
behält man übrigens die Rechte an dem Kurs und
kann die Inhalte beispielsweise auch auf der eigenen
Website vertreiben.
STARTHILFE FÜR JUNGE GRÜNDER
Konkret geht es in meinem Kurs „Entrepreneurship in
Deutschland“ (seit 29. Juli im Programm) um die digitale Gründerszene in Deutschland und speziell die in
Berlin. Ich spreche über meinen persönlichen Weg,
über den Startup-Hub Berlin, von Gründer­
mythen
und von dem optimalen Gründer und dem dazu
passenden Partner. Weitere Aspekte sind die Skalierung des Startups von Beginn an über die Wahl des
Geschäftsmodells bis hin zu verschiedenen Formen
des Exits. Fragen der passenden Rechtsform, der
Finanzierung und – last but not least – das Pitch Deck
werden ebenfalls besprochen.
GRÜNDUNG:
2010
Ist das wirklich alles, was Politik und Startups drauf haben?
GRÜNDER:
Oktay Caglar, Eren Bali,
Gagan Biyani
MITARBEITER:
SIMON SCHÄFER
20.000 Instructors
ist Unternehmer und hat 1997 mit Felix Petersen seine erste Internetagentur
gegründet. Danach arbeitete er für Kameha, Motorvision und Wire­c ard,
und hat in Berlin-Mitte eine Sneaker-Boutique und Street-Art-Gallerie
betrieben. 2011 gründete er mit Udo Schloemer die Factory Berlin und
entwickelt nun weitere Factory-Gebäude in Europa. Als Co-Initiator
des Startup Europe Summit ist Schäfer politisch aktiv und investiert als
Business Angel in Startups.
factory.co
STANDORTE:
San Francisco, Dublin, Ankara
SERVICE:
Online-Lern- und Lehr-Marktplatz
udemy.com
D
Bei Udemy geht es nicht darum, theoretisches Wissen an Dritte zu vermitteln und dafür vielleicht noch
ein Abschlusszertifikat zu vergeben, sondern darum,
von Praktikern zu lernen, echte Erfahrungen zu teilen – und zwar genau das Wissen, das einem im
realen Leben und im Job auch weiterhilft – nicht nur
auf dem Papier. Und für die Dozenten lohnt es sich
auch: Sie behalten bei Selbstvermarktung fast 100
Prozent der Einnahmen. Spitzendozenten verdienen
mehrere tausend Euro im Monat. In Deutschland gibt
es inzwischen rund 500 Dozenten bei Udemy.
er Brexit führt uns erschreckend
vor Augen: Europa versagt,
Gespenster von Nationalismus
und Pseudofaschismus gehen
um. Dass gerade der englischsprachige Wirtschaftsraum –
alle Computer funktionieren auf Englisch – aus
der EU austreten will, ist hanebüchen. Auch weil
nicht die Zukunft gesiegt hat, nicht die Innovation, sondern Ideologie und Vergangenheit. Denn
vor allem ältere Menschen haben für den Brexit
gestimmt, junge waren mit überwältigender Mehrheit gegen einen Austritt.
Gerade wir als Startup-Unternehmer können nur
für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum sein.
Wie sonst soll schnelles Skalieren funktionieren?
Wie sonst soll ein kompetitiver Raum geschaffen
werden, der es mit den Hegemonialmächten USA
und China aufnehmen kann? Wer als Startupoder Tech-Unternehmer für einen Brexit ist,
sollte sich einen neuen Job suchen. Denn mit
einer Dekonstruktion Europas ist unserer Branche
nicht geholfen.
In der Factory haben wir die Erfahrung gemacht,
dass Politiker gerne vorbeikommen, um für Fotos
zu posieren. Dagegen haben wir nichts, denn
sie machen nicht nur Werbung für sich, sondern
auch für unser junges Unternehmertum, die
Startup-Szene. Meistens sind die Funktionsträger
überrascht, wenn wir auch eine inhaltliche Diskussion führen wollen. Doch sie gehen darauf ein,
und meist ergeben sich Folgetreffen. Die Liste der
Begegnungen ist lang und illuster: Björn Böhning,
Cornelia Yzer, Michael Müller, Klaus Wowereit,
Anne Ruth Herkes, Dorothee Bär, Brigitte Zypries,
Peer Steinbrück, Thomas Jarzombek, Lars Klingbeil, Peter Tauber, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Sigmar Gabriel, Joachim Gauck,
John Emerson, João Vasconcelos, Stefan Löfven,
Günther Oettinger, Andrus Ansip, Neelie Kroes
und Carlos Moedas.
HAST DU EINEN
UNGEWÖHNLICHEN JOB?
SAG ES UNS:
[email protected]
PHILIPP HARTMANN
Der Founding Partner von Rheingau Founders,
dem professionellen Co-Founder für OnlineFirmen mit Sitz in Berlin, ist unter anderem beim
Aufbau von Firmen wie Lieferando, Schutzklick
oder Service Partner One beteiligt. Seit Juli ist
er zudem Dozent bei Udemy.
rheingau-founders.com
Fotos: Simon Schäfer
14 / berlinvalley.com
Fotos: Udemy
Lorem Ipsum
ES GEHT NICHT UM UNSERE TECH-BUBBLE
Die Zusammentreffen führen uns aber auch immer
wieder vor Augen, wo der Hund begraben liegt,
nämlich in der Distanz zwischen der Politiker-Kaste und dem Rest unserer Gesellschaft. Der Brexit
zeigt: Hier muss sich was ändern. Und das ist
auch möglich: Denn die Politik ist mehr denn je
auf der Suche nach authentischen Stimmen aus
der realen Welt, der innovativen Wirtschaft.
Doch nehmen wir uns für diesen Dialog genügend Zeit? Setzen wir uns für Netzneutralität ein,
machen wir uns für Safe Harbor stark und fliegen
wir mal nach Brüssel, um im Parlament unsere
Meinung hörbar zu machen?
Das Engagement würde sich lohnen: Technologie
greift so sehr in unsere Gesellschaft ein, dass
Veränderung – etwa die Abschaffung der Netzneutralität – uns alle betrifft. Wenn Facebook und
Youtube schnell laden, aber ein aufstrebender
Konkurrent deutlich länger braucht, spüren die
Nachteile wir alle: Monopole verfestigen sich,
Investitionen in bandbreitenintensive Startups
(Video, Games, Foto-Sharing) werden unsicherer.
Warum sollte man in ein Unternehmen investieren,
das willkürlich von einem Kabelbetreiber
an- oder abgedreht werden kann?
POLITIK KANN VOM PROGRAMMIEREN LERNEN
Die Folgen sind offensichtlich, aber der Politik
fehlen Konzepte. Auf der anderen Seite: Nicht
einmal VCs wissen, wohin die Entwicklung geht.
Sonst wäre es einfach, mit Venture Capital zu
verdienen. Klar ist also auch: Politiker haben es
schwer, mit Gesetzen und Regularien Innovation
zu antizipieren, wenn selbst diejenigen, die damit
ihren Lebensunterhalt verdienen, häufig Bruchlandungen erleben. Hinzu kommt: Die Implementierung von Gesetzen ist eine Schnecke, sie dauert
bis zu fünf Jahre.
Eine Idee für schnellere und flexiblere Gesetze:
Wie wir vom Programmieren wissen, bedeuten
Variablen Flexibilität. Warum also nicht mit Variablen definieren, was ein Startup ist? Warum keine
Parameter festlegen, die Änderungen im Steuerrecht oder im Investitionsraum möglich machen?
Vorschlag: Jede Firma, die nicht älter als drei
Jahre ist, weniger als 80 Prozent Risikokapital hat
und keinen Gewinn macht, zahlt keine Mehrwertsteuer (die kommt bei Investitionen sowieso
zu 100 Prozent zurück), kann ohne Insolvenzverfahren geschlossen werden, und die Verluste
können von Minderheitsgesellschaftern (Angels,
FFF, VCs unter 20 Prozent Beteiligung) steuerlich
abgeschrieben werden. Boom! Wer Schulden
macht (kein Venture Capital), wer Gewinn abwirft
und wer seit vier Jahren überlebt, ist kein Startup
mehr. Die unablässige Voraussetzung für solch
innovative Gesetzesentwürfe: Die Politik muss
Dialoge führen, muss Gründer fragen – und dazu
müssen Gründer sich Zeit nehmen.
Die Zeiten für solche Politikinnovationen sind
gut: Startups werden von allen Parteien unterstützt. Keiner hat was gegen Innovation, nicht
im eigenen Land, nicht in Europa. Denn das
Startup-Phänomen trägt zur gesellschaftlichen
Entwicklung bei: Diversity, Sustainability, Social
Tolerance and Redistribution of Wealth – Startups
zu fördern ist ein No-brainer (um bei Anglizismen
zu bleiben – pun intended).
Warum bessere Politik außerdem notwendig ist?
Wie ein Mantra tragen wir vor uns her, dass
neun von zehn Startups scheitern. Wir müssen
dieses Problem reduzieren. Das geht nur, wenn
wir den Key Performance Indicator unserer Ökonomie optimieren, mit anderen Worten: Wir müssen
deregulieren. Wir müssen es einfacher machen,
etwas zu starten, sowie es einfacher machen,
jemandem Geld zu geben, der etwas versucht.
Es einfacher machen zu scheitern, ohne juristische Folgen (vorausgesetzt freilich, man ist nicht
straffällig geworden).
EUROPA HAT EIN MARKETINGPROBLEM
Warum ist dieser Dialog so schwierig? Tatsächlich ist der Brexit das beste Beispiel für miserables Marketing in Europa. Brexit, mit den Hashtags
#leave und #remain. Remain. Really? Remain
where, in the past? Stay! Und wer hat das entschieden? Wie kann es sein, dass eine Entscheidung, die so wichtig ist für Europa, nicht mit den
modernsten Mitteln unterstützt wird? Warum ist
das nicht besser ausgeführt als Obama’s Change
campaign aus 2008?
Seien wir ehrlich: Die Kommission, Horizon
2020, SMEs, die Bürokratie und das Synonym
hierfür, Brüssel, sind straight up unsexy. Das Logo
ist dramatisch. Es ist das Gebäude (die komische
Form im Hintergrund), in dem die Kommissare
und der Präsident sitzen. Das geht viel besser.
Ich hätte zum Beispiel gerne einen europäischen
Pass. In blau. Die Idee Europa ist das einzige,
was Sinn macht. Wer als Tech-Unternehmer
denkt, dass individuelle Staaten es schaffen könnten, mit vielen Handelsabkommen und Verträgen
Tech-Innovation und das Google oder Facebook
von morgen auch in Europa über seine Grenzen
hinweg möglich zu machen, der ist verrückt.
Da will ich lieber einen blauen Pass.
berlinvalley.com / 15
WA H L E N I N B E R L I N
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Linie Sicherheit, doch auch Flexibilität und Schnelligkeit spielen eine große Rolle. Gerade in der Anfangsphase ist uns die HypoVereinsbank hierbei sehr
entgegengekommen. Nach einem Anruf erhielten
wir oftmals schon binnen Minuten einen Termin am
selben Tag. Gerade während der ersten Gründung
ist es von Vorteil, wenn man auf Schnelligkeit und
Flexibilität zählen kann. Zudem waren die Ansprechpartner der Bank auch strategische Sparringspartner, die uns die Möglichkeit gaben, frühzeitig
Herausforderungen und Themen zu diskutieren.
Anton Rummel, Co-CEO von Move24,
über die Herausforderungen einer
Gründung und die Unterstützung
durch erfahrene Bankberater
Anton, seit wann gibt es Move24 und was
macht Ihr genau?
Move24 bietet internationale Services für alle Arten
von Umzügen an. Da wir Ineffizienzen im Markt
eliminieren, können wir Umzüge mit voller Preistransparenz zum attraktiven Festpreis anbieten. Dabei
werden stets höchste Qualitätsstandards garantiert.
Die Umzüge werden von einem internationalen
Netzwerk von zertifizierten Partnerunternehmen
durchgeführt. Durch das Bündeln von Umzugsvolumen sowie die Übernahme administrativer Aufgaben
nimmt Move24 den Partnern einen großen Teil der
Kosten und Planungsunsicherheiten. Diese können
im Gegenzug deutlich attraktivere Preise anbieten.
Move24 wurde im Sommer 2015 in Berlin gegründet
und zieht mehrere tausend Haushalte pro Monat um.
Was waren die größten Herausforderungen bei der Gründung von Move24?
Neben dem Fundraising war der formelle Gründungsprozess eine Herausforderung. In den ersten
Wochen war der administrative Aufwand höher
als erwartet. In dieser Phase hat uns die HypoVereinsbank, die vom ersten Tag an mit im Boot war,
maßgeblich unterstützt.
„ES IST VON
VORTEIL, WENN
MAN AUF
SCHNELLIGKEIT
UND
FLEXIBILITÄT
ZÄHLEN KANN“
Warum habt Ihr Euch für das TechTeam
der HypoVereinsbank entschieden?
Ausschlaggebend war der erste Eindruck,
insbesondere die Flexibilität und Schnelligkeit.
Von Anfang an wurden wir von der HypoVereinsbank Schritt für Schritt durch den Prozess
geleitet. Durch die Expertise auf Seiten der Bank
hinsichtlich der speziellen Herausforderungen
eines Startups konnte das TechTeam besonders
hilfreich agieren. Dieses Verständnis war während
des Aufbaus und der Durchführung professioneller Gründungs- und Finanzierungsprozesse von
immenser Bedeutung.
Was erwartet Ihr ganz konkret von
Eurem Bankpartner?
Von unserem Bankpartner erwarten wir in erster
PARTEI ERGREIFEN
Wie müsste aus Eurer Sicht eine Bank der
Zukunft aufgestellt sein?
In einer Bank der Zukunft spielen Flexibilität, Schnelligkeit und auch durchgängige Erreichbarkeit eine
große Rolle. Auf technischer Seite benötigt man
Browser- und Mobile-basierte Real-Time-Tools sowie
smarte und sichere Validierungsprozesse.
Aber welche macht vernünftige Startup-Politik? Unsere Analyse zur Berlin-Wahl am 18. September
Welchen Rat gebt Ihr Gründern für die
Auswahl eines Bankpartners?
Wenn sich die Frage auf die Gründung im Allgemeinen bezogen hätte, hätte die Antwort gelautet, dass
man sich seiner Sache nie zu sicher sein und sich
auf das Wesentliche konzentrieren sollte. Die Erfahrungen, die wir mit der Bank gemacht haben, waren
kontinuierlich positiv. Um sich auf das Wesentliche,
nämlich das operative Business konzentrieren zu
können, braucht man eine Bank, der man vertraut
und die stets zu Diensten ist. Hier ist man bei der
HypoVereinsbank an der richtigen Adresse.
Seit die Berliner Startup-Szene national und immer mehr auch
international von sich reden macht, hat auch die Politik die jungen Unternehmen entdeckt. Zu den Top-Wahlkampfthemen sind
Innovationen fördern, die Digitalisierung vorantreiben und bessere Rahmenbedingungen für Gründer in der Digitalwirtschaft
schaffen deswegen noch nicht geworden. Immerhin aber kommen Startups in den Wahlprogrammen der Parteien vor.
Dass noch viel zu tun bleibt, zeigt eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Die Stadt
bewege sich zwar auf einem stabilen Wachstumskurs und die
Arbeitslosigkeit sinkt, dennoch sei Berlin die einzige Hauptstadt
in Europa, deren Produktivität und Pro-Kopf-Einkommen immer
EUER KONTAKT ZUM TECHTEAM DER
noch unter dem Landesdurchschnitt liegt. „Berlin ist in den vergangenen Jahren aus seinem Dornröschenschlaf erwacht“, kommentierte DIW-Präsident Marcel Fratzscher die Studie. „Es könnten goldene Jahrzehnte vor Berlin liegen – die Politik muss die
Weichen aber richtig stellen, um das enorme Potenzial der Stadt
besser zu nutzen.“ Dafür sei aber eine Reihe an Maßnahmen nötig, sagen die Forscher. Unter anderem müssten die Wachstumsbedingungen für junge Unternehmen verbessert und anstehende
Infrastrukturausbauten realisiert werden.
Auf den folgenden Seiten stellen wir vor, was die Parteien in ihre
Wahlprogramme aufgenommen haben und was Vertreter aus
dem Startup-Umfeld von den Programmen halten.
vis
FALKO MEISSNER
ist Relationship Manager im TechTeam der HypoVereinsbank. Die Bank bietet mit mehr als
3000 Experten in rund 50 Ländern über das
Bankennetzwerk der UniCredit globale Lösungen vor Ort an. Im TechTeam beraten neben
den Relationship Managern auch Spezialisten
in den Bereichen Cash-Management, Internationalisierung, Zins-, Währungs- und Risikomanagement bundesweit rund 140 Unternehmen.
[email protected]; hvb.de/tech
Fotos: Stefan Wieland, Stefan Kny, Max Threlfall
„MAN BRAUCHT EINE BANK,
DER MAN VERTRAUT“
Startup Europe Summit: Startups engagieren sich auch in der Politik. Beim Spacehack ging es zum Beispiel um die Frage, wie Technologie die Lebensbedingungen von Flüchtlingen verbessern kann.
Fotos: Christian H. Hasselbusch, Max Threlfall
Das Management von Move24 (v. l.): Marcel Rangnow, CMO und Managing Director, Ante Krsanac, Co-CEO und Managing Director, Anton Rummel,
Co-CEO, Philipp Andernach, COO. Ergänzt wird das Management-Team von Marion Nöldgen, Vice President Business Development.
Stichwort Internationalisierung: Für
Move24 spielt das europäische Geschäft
eine große Rolle. Wie hat Euch die Bank
auf dem Weg ins Ausland unterstützt?
Wichtig sind vor allem gute Lösungen für das
Cash-Management, die Außenhandelsfinanzierung, das Devisenmanagement sowie die Veranlagung von Sichteinlagen. Während unserer
Internationalisierung hat die HypoVereinsbank uns
in vielerlei Hinsicht unterstützt. Gut ist, wenn das
gesamte Treasury nur über eine Bank laufen kann:
Man kann mit einem einzigen Cash-Management-Tool arbeiten und nicht mit vielen unterschiedlichen. Agiert man wie wir international, ist
die Hilfestellung bei Kontoeröffnungen im Ausland
über Partnerbanken im Ausland sehr nützlich.
MASOUD KAMALI
FLORIAN NÖLL
ANSGAR OBERHOLZ
ist Gründer und CEO der S&S Media Group
(1995) sowie von Westtech Ventures (2013).
Der Frühphaseninvestor ist auf Deep-Tech-Start­
ups spezialisiert und fördert in seinem Inkubator-Projekt Project Flying Elephant Startups aus
dem Medienbereich.
gründete bereits als Schüler sein erstes Unternehmen. Er ist Vorstandschef des Bundesverbands Deutsche Startups und damit verantwortlich für die Agenda des Verbands. Nöll
kandidiert in der Abgeordnetenhauswahl für
die CDU im Bezirk Mitte.
Der Gastronom und Gründer lebt seit 1993 in
Berlin. Bevor er 2005 das St. Oberholz eröffnete, betrieb er eine Werbeagentur und produzierte Software. Auch als Musiker und Buchautor („Für hier oder zum Mitnehmen?“) war
Oberholz bereits tätig.
berlinvalley.com / 17
WA H L E N I N B E R L I N
WA H L E N I N B E R L I N
„Mit der 10-Punkte-Agenda zur Digitalisierung
hat der Regierende Bürgermeister Michael
Müller für die richtigen Impulse gesorgt. Berlin
soll 5G-Hauptstadt werden und über Testfelder
die Grundlage für neue Produkte und Services
bieten. Wir werden für schnelles Internet in
ganz Berlin sorgen. Mit der SPD wird es einen
IT-Staatssekretär geben. Die Förderung eines
gründungsfreundlichen Umfeldes ist für den
SPD-geführten Senat Chefsache. Die Internationalisierung befördern, mehr Gewerbeimmobilien für wachsende Startups, die weitere Stärkung von Entrepreneurship und Ausgründungen
an den Unis sowie Vernetzungsmöglichkeiten
zwischen Youngstern und etablierten Unternehmen schaffen – das sind einige unserer Vorhaben. Auch die Landesunternehmen werden wir
enger mit Startups vernetzen und somit neue
Anwendungsmöglichkeiten schaffen. Um Talenten das Ankommen in Berlin noch leichter zu
machen, wollen wir die Willkommensstrukturen
weiter verbessern, etwa über mehr Zweisprachigkeit in der Verwaltung.“
„Berlin hat sich zur wachstumsstärksten Start­
up-­M etropole entwickelt. Nun wollen wir Berlin zur Hauptstadt von Risikokapitalgebern
machen. Dafür haben wir die Kapitalbereitstellungen des Venture Capital Fonds Technologie
Berlin gestärkt. Wir setzen uns für vereinfachte
Investitionen von Business Angels ein und haben vorgeschlagen, das Programm zur Förderung von Wagniskapital mithilfe von Investitionszuschüssen zu verlängern und von der
Ertragsbesteuerung zu befreien. Um Berlin für
Gründer aus aller Welt attraktiv zu machen,
brauchen wir ausreichende Informationsangebote etwa zu Einreise, Schule und Spracherwerb. Außerdem wollen wir Gründer von
Bürokratie entlasten und Kooperationen von
Schulen und Universitäten mit Unternehmen fördern. Die fortschreitende Digitalisierung bietet
Startups eine Vielzahl attraktiver Geschäftsfelder. Die CDU Berlin setzt sich daher für einen
Ausbau der Datenautobahnen und ein freies
WLAN-Netz ein und unterstützt die Pilotierung
des neuen 5G-Netzes.“
„Für uns ist der Prozess der Digitalisierung ein
zentrales Zukunftsthema, denn er durchdringt
und verändert alle Lebensbereiche nachdrücklich. Wir wollen die Verwaltung digitalisieren,
auf den Stand der Technik bringen und das
ITDZ zum leistungsfähigen IT-Dienstleister des
Landes entwickeln. Der Investitionsstau ist auch
hier enorm. Ferner gilt es, Open Data auszubauen, um die Datenbestände so aufzubereiten, dass sie wirtschaftlich genutzt werden
können, ohne den Datenschutz zu verletzen.
Für Startups im IKT-Bereich gibt es in Berlin inzwischen eine gute Finanzierungsstruktur aus
privaten und öffentlichen Mitteln. Ausbauwürdig ist die Vernetzung der Szene mit den traditionellen Branchen im Interesse aller Beteiligten und die Sicherung von Gewerbestandorten
besonders im Innenstadtbereich. Nicht zuletzt
muss auch Berlin sich dem Thema Smart City
endlich seriös unter der Fragestellung zuwenden, was die Stadt tatsächlich braucht und der
Lebensqualität ihrer Bewohner*innen dient.“
„Startups brauchen Räume und Freiräume.
Wir werden ein Flächensicherungskonzept
voranbringen, das Kreativität, Gewerbe und
Wohnen in Einklang bringt. In Coworking
Spaces und Gründungszentren wollen wir mitwachsende Möglichkeiten schaffen, damit ab
der Gründungsphase bezahlbare Räume für
Startups zur Verfügung stehen. Wir brauchen
eine neue ‚Kultur des Scheiterns‘, die zweite
Chancen gewährt, gerade auch bei staatlichen
Förderprogrammen. An Universitäten und Forschungseinrichtungen schaffen wir Laborkapazitäten. Finanziell werden wir die Anschub- wie
Wachstumsphase fördern und hierfür neben
staatlichen Mitteln auch die Crowdfinanzierung rechtlich erleichtern. Berlins Attraktivität
für an Hochschulen ausgebildete oder zuziehende Fachkräfte für die Startups zu erhalten,
ist uns wichtig. Ein gut ausgebautes glasfaserbasiertes Breitbandnetz und flächendeckendes
WLAN in der Stadt ist überfällig. Gründungen
von Frauen wollen wir durch Mentoring-Angebote unterstützen.“
„Die Alternative für Deutschland steht für eine
Willkommenskultur für Gründer und Unternehmer! ‚Die AfD fordert, steuerliche Anreize für
Risikoinvestitionen in Startups zu schaffen und
bürokratische Hemmnisse bei der Gründung
und Regulierung von Startups abzubauen‘,
heißt es in unserem Programm. Eine weitere
Forderung: ‚Wir möchten erreichen, dass mehr
Aufträge regional vergeben werden können,
um mittelständische Unternehmen aus der Region zu stärken.‘ Wir setzen uns für die Streichung unsinniger Regeln und die Reduzierung
von Genehmigungsverfahren ein. Die AfD
wird den Kammerzwang beenden und die Forschungsförderung intensivieren. Beides kommt
Startups besonders zugute. Wir sorgen zudem
für ein attraktiveres Umfeld. Unser Programm
sieht neben besserer Schulbildung und mehr
Sicherheit unter anderem eine Entlastung von
Investoren, Familien, Hausbesitzern und Mietern vor – allesamt Standortfaktoren. Plus: Wir
erhalten den Flughafen Tegel und beenden die
Drangsalierung der Autofahrer.“
„Wir Freien Demokraten glauben an innovative Ideen und an die Chancen durch den technischen Fortschritt. Wir wollen das nächste
Berlin zu einem digitalen Berlin machen: ob
Ämter, Justiz, Polizei oder unsere Schulen.
Unsere Stadt soll Vorreiter im E-Government
werden. Jeder Behördengang soll sich per
Klick 24 Stunden am Tag von zu Hause aus
erledigen lassen. Die Ideen Berliner Startups
wollen wir aktiv einbinden, um zum Beispiel
passende Apps zu entwickeln. Für kürzere Bearbeitungszeiten und bessere Dienstleistungen
sollen alle Berliner Behörden flächendeckend
die elektronische Verwaltungsakte einführen.
Wir wollen, dass jeder Haushalt bis 2021
mit einer 100-Mbit/s-Breitbandverbindung erreichbar sein kann. Das ermöglicht auch die
Durchsetzung neuer Geschäftsmodelle. Wir
setzen auf Open Source, Open Data und offene
Schnittstellen. Daten von allgemeinem Interesse
sollen kostenlos, frei verfügbar sein. Damit wollen
wir das Entwickeln neuer Apps ermöglichen und
Berlin für Gründer attraktiv halten.“
Die CDU, die momentan in Berlin mit der SPD regiert, bietet ein buntes Angebot für Startups und
den Standort. Es stellt sich die Frage, warum bis
heute kein flächendeckendes Breitband existiert.
Unabhängig davon wären die Vereinfachung, Bezuschussung und die Ertragssteuerbefreiung der
Angel- und Serien-A-Investments zu begrüßen.
Wir leiden immer noch unter einem Mangel an
Serien-A-Investments in Berlin und Deutschland!
Obwohl die Digitalisierung ein zentrales Zukunftsthema für Die Linke zu sein scheint, hört
sich alles nach Zentralisierung und Verstaatlichung an! Die Szene braucht keine Politiker, um
sich zu vernetzen! Es wäre schön zu verstehen,
was Die Linke unter Smart City versteht! Es ist zu
begrüßen, dass man sich für Open Data einsetzt,
vorausgesetzt, dass dies nicht zu mehr Bürokratie
und noch schärferen Datenschutzgesetzen führt!
Ja, Bündnis 90 Die Grünen – eine Partei, die
für ihre Ideale bekannt war und immer eine
Frau als Vorsitzende hatte und hat; diese Partei
hat, wenn es um Frauen und Startups geht, nur
Mentoring-Angebote übrig? Crowdfinanzierung
rechtlich erleichtern? Gibt es da landesspezifische Probleme? Es wäre schön, wenn man mehr
über Flächensicherungkonzepte erfahren würde!
Solche Zukunftsräume hören sich spannend an!
Es ist ironisch, dass die AfD als erstes betont,
dass sie für eine Willkommenskultur für Gründer
stehe, während die Partei-Prominenz über den
Schießbefehl an der Grenze oder die Nachbarschaft zu einem Schwarzen parliert: 33 Prozent
der Gründer und deren Mitarbeiter in Berlin haben Migrationshintergrund oder sind Migranten
und stammen aus der ganzen Welt! Und: Sie
sind gut über die AfD informiert!
Geht es hier um eine Partei oder eine Internet­
agentur? Auf jeden Fall eine neue Partei! Es ist
nicht lange her, dass die FDP mit ähnlichen Argumenten wie die SPD gegen Uber gewesen ist!
Die neuen Startups brauchen ein neues Frame­
work für die Zusammenarbeit mit Politik und
Verbänden, um neue Geschäftsideen zu entwickeln. Wir brauchen Parteien, die dies verstehen
und uns bei der Umsetzung helfen!
Der Wahlprüfstein der CDU wirkt fast bescheiden, hatte sie doch in den vergangenen fünf
Jahren das Wirtschaftsressort inne und gute Dinge auf den Weg gebracht. Der Ausblick auf die
nächsten fünf Jahre wirkt im Vergleich eher wenig
ambitioniert. Kooperationen ‚von Schulen und
Universitäten mit Unternehmen‘ wären hingegen
ein echtes Statement, für das sich jedoch wahrscheinlich kein Koalitionspartner finden lässt.
Die Linke will das ITDZ ‚zum leistungsfähigen
IT-Dienstleister des Landes entwickeln‘. Wen?
Es geht um die Digitalisierung der Verwaltung.
Open Data und Smart City sind wichtig, echte
Startup-Themen finden sich jedoch kaum. Lediglich die Vernetzung der ‚Szene mit den traditionellen Branchen‘ ist erwähnenswert. Ob hingegen
viele Gründer unterschreiben würden, dass wir
in Berlin eine ‚gute Finanzierungsstruktur‘ haben?
Interessant klingt das ‚Flächensicherungskonzept
für Kreativität, Gewerbe und Wohnen‘. Aber was
wird gesichert? Mehr Gewerbe oder mehr Wohnen? Hinzu kommen rechtliche Vereinfachungen
und Förderung von Crowdfinanzierungen. Auch
die Worte Fachkräfte und Glasfaser fallen. Als
einzige Partei will man sich für eine Kultur des
Scheiterns einsetzen. Das Insolvenzrecht ist keine Ländersache, aber die Initiative ist löblich.
‚Die Alternative für Deutschland steht für eine
Willkommenskultur.‘ Diesen Einstiegssatz liest
man zweimal und überlegt sich im Anschluss
dreimal, ob man danach überhaupt noch weiterlesen will. Es folgen mit ‚steuerlichen Anreizen
für Risikoinvestitionen‘ und Maßnahmen zum Bürokratieabbau glaubwürdige Ziele. Die geplante
Abschaffung des Kammerzwangs hat das Potenzial Euphorie in der Gründerszene auszulösen.
Die FDP positioniert sich schon länger als
Startup-Partei. Hier beschränkt sie sich jedoch
auf E-Government, Breitband und Open Data.
Startups tauchen nur als Ideengeber für eine
moderne Verwaltung auf. Der große Wurf, in
Verbindung mit einer Strategie um mehr Risikokapital und Fachkräfte nach Berlin zu holen,
fehlt. Schade, eigentlich ist die FDP hier besser
aufgestellt.
Noch besser als das ITDZ zu einem leistungsfähigen IT-Dienstleister auszubauen, wäre es,
das ITDZ wie ein innovatives Startup zu führen,
Standards für Schnittstellen zu entwickeln und
Open-Source-Prinzipien zu verankern. Das
würde wiederum den Bereich Open Data automatisch beflügeln.
Coworking Spaces! Ein zentraler und erhaltenswerter Baustein der Berliner Gründer­
szene, der maßgeblich die Entwicklung der
letzten Jahre begünstigt hat. Im nächsten
Wahlprogramm werden wir hoffentlich lesen
dürfen, dass auch Co-Living-Projekte erhalten
und gefördert werden sollen.
Stimmt ja! Drangsalierung der Autofahrer ist
eines der dringendsten Probleme der Berliner
Startup-Szene. Gut, dass das endlich mal jemand anfasst.
Was fangen die Berliner mit ihrer neu gewonnenen Zeit an, wenn sie alle Behördengänge online erledigen? – Mehr Startups gründen! Das ist
ein schlauer Schachzug. 100 Mbit/s bis 2021
ist eine schöne Idee, aber eine flächendeckende Versorgung der Haushalte mit 50 Mbit/s bis
2017 wäre schon nett. Solange es Funklöcher in
Berlin-Mitte gibt, ist auf diesem Gebiet viel zu tun.
MASOUD KAMALI
Die SPD regiert seit der Wiedervereinigung in
Berlin! Sie ist sowohl für eine gute Institution wie
die IBB Bet als auch für das Verbot von Uber verantwortlich! Sie sorgt dafür, dass es schwieriger
ist, einen Termin mit dem Ordnungsamt zu bekommen als mit dem Regierenden Bürgermeister! Her
mit dem IT-Staatssekretär und sofortige Zweisprachigkeit der Verwaltung! Estländer lachen über
unsere Internet-Geschwindigkeit, Herr Müller!
FLORIAN NÖLL*
ANSGAR OBERHOLZ
Mit Berlin als 5G-Hauptstadt könnte sich der
Plan der FDP mit 100 Mbit/s bis 2021 erübrigen. Einen IT-Staatssekretär zu installieren,
ist eine brillante Idee. Wichtig wäre aber ein
zielgerichtetes Profil dieses Postens, damit dort
auch wirklich die drängendsten Probleme gelöst werden. Im Übrigen könnte ich für diesen
Posten jemanden vorschlagen.
18 / berlinvalley.com
* Nöll kandidiert für die CDU für das Berliner Abgeordnetenhaus.
Seine Einschätzungen sind die Meinungen des Startup-Verbands.
Kooperationen zwischen Schulen und Startups
zu fördern, ist eine gute Idee. Noch wichtiger ist
die Digitalisierung der Schulen selbst, nicht nur im
Hinblick auf Technik, sondern auf die Mind-Sets
der Lehrkörper, die oftmals noch das Digitale als
gefährlich ansehen und die Schüler nicht in ihrer
digitalisierten Lebensrealität abholen, geschweige ihnen Wissen für dieses Gebiet vermitteln.
Fotos: Stefan Kny, Max Threlfall
Ins Auge springen der IT-Staatssekretär und die Erklärung der Digitalisierung zur Chefsache. Doch
halt! Stellt die SPD nicht schon seit 15 Jahren den
Regierenden Bürgermeister? Manches wurde in
der letzten Legislatur gemacht, doch das Behörden-Chaos zeigt, es hapert an der Umsetzung.
Ein IT-Staatssekretär ist zu wenig. Wenn durchgesetzt wird, was hier steht: gut. Die Vergangenheit
zeigt aber, dass davon nicht auszugehen ist.
berlinvalley.com / 19
WA H L E N I N B E R L I N
R U BHRLIEKN – I N
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BM
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MEHR DIALOG
Mit der 10-Punkte-Agenda zur Digitalisierung, der
von der Startup Unit erarbeiteten Startup-Agenda
und unserer Smart-City-Strategie, die ebenfalls viele Digitalisierungsprojekte beinhaltet, haben wir
eine gute strategische Grundlage, die wir in der
nächsten Legislaturperiode abarbeiten müssen.
Die Digitalisierung ist auf jeden Fall eine der großen Chancen Berlins, die auch der nächste Senat
mit höchster Priorität versehen wird.
Der Regierende Bürgermeister
Michael Müller (SPD) zieht Bilanz
seiner Startup-Politik und verrät,
was er von den Startups erwartet
Herr Müller, in der Berliner Startup-Szene
sind viele neue Jobs entstanden. Welchen
Anteil hat Ihre Politik daran?
Zu Beginn des Berliner Startup-Booms hat die Berliner Politik eher indirekt auf das Startup-Umfeld
eingewirkt, indem wir Berlin als internationale und
tolerante Metropole weiterentwickelt haben. Seit
2012 haben wir dann etwa über den bei mir angesiedelten Startup-Roundtable aktiv intensive Kontakte zur Szene aufgebaut und in vielen Bereichen
das Gründungs- und Wachstumsumfeld verbessert.
So haben wir Finanzierung und Förderung deutlich
aufgestockt und auf digitale Produkte ausgerichtet.
Über die von TU-Präsident Thomsen und mir angestoßene 10-Punkte-Agenda Digitalisierung stärken
wir digitale Infrastrukturen und digitale Inhalte in
Wissenschaft und Forschung. Wir unterstützen bei
der Vernetzung mit etablierten Unternehmen und
bei der Internationalisierung. Und wir haben die
Startup-Metropole in unserer politischen Agenda,
in unserer Öffentlichkeitsarbeit und im HauptstadtMarketing zu einem Topthema gemacht.
Wo sehen Sie Versäumnisse der Politik?
Die Fachverwaltungen sollten bei Querschnittsthemen wie Digitalisierung und Startups noch stärker
ressortübergreifend und interdisziplinär zusam-
20 / berlinvalley.com
menarbeiten. Ich würde mir zudem wünschen,
dass manche Prozesse in der Stadt schneller laufen
und wir politische Ziele zügiger umgesetzt bekommen. Perspektivisch ist mir vor allem wichtig, dass
wir für die Berliner Startups ausreichend Räume für
weiteres Wachstum sichern und schaffen.
Was erwarten Sie von den Startups?
Zunächst freue ich mich über jedes Unternehmen,
das in Berlin gegründet wird, hier vor Ort wächst
und dem Standort treu bleibt. Ich hätte durchaus
nichts gegen ein paar weitere Zalandos. Klar ist,
dass sich Startups zu Beginn primär um ihr Produkt und die Finanzierung kümmern. Für bestimmte Themen ist in der Anfangsphase nachvollziehbarerweise wenig Raum. In den späteren Phasen
erwarte ich aber schon, dass sich die Startups
genauso wie die etablierten Unternehmen auch
mit Fragen der Ausbildung oder der Arbeitnehmerrechte befassen. Als Berliner Senat haben wir
die Verbundausbildung gestärkt, so gibt es etwa
die Möglichkeit, dass ein Startup und ein eta­
bliertes Unternehmen gemeinsam ausbilden. Ich
finde, das könnten noch mehr Startups nutzen. Beeindruckend finde ich, wie sich viele Startups für
die Stadt engagieren und sich ehrenamtlich einbringen. Begeistert bin ich davon, dass sich das
Ökosystem mittlerweile selbst regeneriert und ältere Startups in Infrastrukturen für neue Gründungen
investieren oder selbst anbieten. Deshalb bin ich
auch davon überzeugt, dass der Startup-Boom in
Berlin nachhaltig sein wird.
Wie wollen Sie die führende Rolle Berlins
in der Digitalwirtschaft weiter ausbauen?
„ICH HÄTTE
DURCHAUS
NICHTS
GEGEN EIN
PAAR WEITERE
ZALANDOS“
ANDRÉ TORKLER
FRANZISKA GRÄFIN VON HARDENBERG
ist Gründer und Geschäftsführer des Online-Immobilienmaklers Wunderagent.
Er gehört keiner Partei an.
ist Gründerin und Geschäftsführerin des Blumen-Abonnement-Startups Bloomy Days.
Sie ist keiner Partei zugehörig.
„Die Menschen haben Berlin durch
Gründungen zur digitalen Stadt gemacht, die ihre Willkommenskultur für
Zugezogene aus aller Welt bewahren
sollte. Als Unternehmen haben wir eine
„Die Startup-Politik ist für Gründerinnen
eine große Hürde – es gibt weder Mutterschutz, noch ist das Thema Elterngeld optimal gelöst: nur wer zu Hause
bleibt, wird finanziell entlastet. Dies ist
Digitalisierungsstrategie nicht bewusst
erlebt, vielleicht sollte man dies erlebbarer machen. Wir würden uns zudem
mehr Dialog über ‚Innovation in der
Wohnungswirtschaft‘ wünschen.“
für Selbstständige keine Option. Eine
flexible Nutzung des Elterngeldes für
Fremdbetreuung wäre ein praxisnaher
Ansatz. Wenn wir Frauen fördern wollen, müssen wir die Politik fordern.“
Die entsprechende Infrastruktur ist Voraussetzung für erfolgreiche digitale Geschäftsmodelle. Wie wollen Sie dafür sorgen,
dass es 5G zuerst in Berlin geben wird?
Berlin muss es mit Blick auf einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung künftig noch stärker schaffen,
in Schlüsselbranchen Innovationstreiber zu sein. In
Bereichen wie etwa der Gesundheitswirtschaft gelingt uns das schon ganz gut. Um für Innovationen
unter anderem in der Sensorik die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, wollen wir in Berlin als notwendige Infrastruktur in mehreren Stufen 5G-Testfelder aufbauen. Die Wirtschaftsverwaltung führt
dazu entsprechende Gespräche unter anderen mit
den Netzbetreibern. Ich zähle darauf, dass es uns
zügig gelingt, zunächst einzelne Zukunftsorte mit
dem neuen Standard zu versehen und diesen in
späteren Schritten auf das Stadtgebiet auszudehnen. Denn die Wettbewerber schlafen nicht.
Braucht Berlin einen Senator für Digitales?
Das in diesem Jahr verabschiedete E-Government-Gesetz sieht die Einsetzung eines für IT verantwortlichen Staatssekretärs vor. Diese Art neuer
CIO soll die vielfältigen Digitalisierungsprojekte
an zentraler Stelle koordinieren und mit Nachdruck voranbringen. Da die Digitalisierung ein
Querschnittsthema ist, erwarte ich darüber hinaus
von allen Fachressorts, in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen digitale Themen noch stärker in
den Fokus zu nehmen.
Die Fragen stellte Corinna Visser.
Fotos: Wunderagent, Bloomy Days, Junique, Thermondo
„EINE GUTE STRATEGISCHE
GRUNDLAGE“
Welche Pläne haben Sie für ein Startup-­
Zentrum am Flughafen?
Der ehemalige Flughafen Tempelhof ist eine einzigartige Immobilie. Deshalb wollen wir aus dieser
Liegenschaft auch etwas Besonderes machen. Es
soll ein neuer Leuchtturm entstehen, der interna­
tional Beachtung finden wird. Im Senat haben wir
beschlossen, dass dort unter der Marke ‚Berlin
Creative District‘ Berlins neues Quartier für Kunst,
Kultur und Kreativwirtschaft entstehen soll. Dies
schließt Innovation und Startups ausdrücklich mit
ein. Relativ weit vorangeschritten ist bereits die
Vergabe des sogenannten Gebäudeteils H2rund.
Hier soll vor allem ein Gründerzentrum für digitale
und kreative Startups aufgebaut werden. Sobald
die Vergabe erfolgt ist, können die Bauarbeiten beginnen und mehrere tausend Quadratmeter für die
Berliner Startups geschaffen werden.
Fotos: Thomas Platow/Landesarchiv
Der Startup-Boom ist nachhaltig: Davon ist Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) überzeugt.
Berlin Valley hat bei vier Gründern nachgefragt:
Wie zufrieden seid Ihr mit der bisherigen Digitalisierungsstrategie und Startup-Politik Berlins?
Was muss Eurer Meinung nach besser werden?
LEA LANGE
PHILIPP PAUSDER
ist Gründerin und Geschäftsführerin der Online-Galerie Juniqe.
Sie möchte über eine Parteizugehörigkeit keine Aussage treffen.
ist Gründer und Geschäftsführer von Thermondo, einem Startup, das
Heizungsanlagen vertreibt und einbaut. Er gehört keiner Partei an.
„Die Berliner Startup-Szene und die
Politik sind noch zu weit voneinander
entfernt. Aktuelle Themen der Unternehmer von Digitalisierung über VC-Bestimmungen bis zu existenziellen Aspekten
„Ich habe den Eindruck, dass die Berliner Politik das Startup-Ökosystem sehr
ernst nimmt. Wir haben beispielsweise
erfolgreich mithilfe von Berlin Partner
Blue-Card-basierte Einstellungen vor-
werden nur oberflächlich behandelt.
Während im Startup-Umfeld eine starke Dynamik herrscht, ticken die Uhren
in der Politik deutlich langsamer. Wir
müssen stärker in den Dialog starten.“
genommen. Und gleichzeitig muss
Berlin in der allgemeinen Verwaltung
noch unendlich effizienter werden. Als
Start­
up-Gründer leben wir von Trac­
tion. Das sollte für alle gelten.“
berlinvalley.com / 21
Projektmanagement
und Collaboration Software
AUF DEM
Drei Investoren bewerten* vier Startups
FABIAN LEIPELT
ist Associate bei WestTech
Ventures, einem Pre-Seed und
Seed-Venture Capitalist in
Berlin. Er ist außerdem als
Program Manager bei Project
Flying Elephant, WestTech’s
Inkubator tätig.
westtechventures.de
JÖRG BINNENBRÜCKER
ist Managing Partner bei
Capnamic Ventures. Jörg
bewegt sich seit mehr als 16
Jahren in der Venture-Capitalund Private-Equity-Szene. Vor
der Gründung von Capnamic
Ventures hat er Dumont Venture aufgebaut.
capnamic.de
JASPER MASEMANN
investiert seit acht Jahren
und ist seit 2015 Principal im
Berliner Büro von Holtzbrinck
Ventures mit Fokus auf alle
Arten von B2B-Modellen,
SaaS-Platformen und Marktplätzen.
holtzbrinck-ventures.com
Grundlage der Bewertung sind die Pitch Decks der Unternehmen.
Die Skala reicht von 1 – uninteressant bis 5 – sehr interessant.
SOLLEN WIR EUER STARTUP AUF
DEN GRILL LEGEN? SCHREIBT UNS:
[email protected]
22 / berlinvalley.com
mit E-Mails und in Meetings zu
verschwenden ...
MINEKO
NEOVOLTAIK
WELL IT
KARTENMACHEN.DE
bietet Mietern die Möglichkeit, ihre Nebenkostenabrechnung online von Experten prüfen zu lassen. Wer zuviel gezahlt
hat, kann sich sein Geld innerhalb der
zwölf Monate Widerspruchsfrist mithilfe
von Mineko zurückholen.
mineko.de
stellt Batterien auf Basis einer Lithium-Eisen-Phosphat-Technologie her. Die Module haben ein großes Speichervolumen und
sollen nur sehr langsam an Leistung verlieren. Nach zehn jahren garantiert Mineko
noch 87 Prozent der Leistungsfähigkeit.
neovoltaic.net
entwickelt mobile Softwarelösungen, um
die Kommunikation zwischen Krankenhäusern, Ärzten und Patienten zu verbessern.
Die App Zepter hilft bei der Zuweisung von
Patienten zu Krankenhäusern, Lotse stellt Patienten relevante Informationen bereit.
well-it.de
Alle Jahre wieder – so auch bei der Nebenkostenabrechnung! Diese Leistung
scheint im deutschen Mietmarkt auf positive Resonanz zu stoßen. Eine klare Value
Proposition für den Kunden und für Mineko ein gutes Geschäftsmodell durch die
Planbarkeit des Forderungsabkaufs und
der Abrechnungsdaten, die gewonnen
werden. Ob und inwieweit dieser Prozess
bereits automatisiert ist, ist nicht ersichtlich, sollte aber in Zeiten von Machine
Learning eine spannende Aufgabe sein.
Im Bereich erneuerbarer Energiequellen
stoßen die All-in-one-Lösungen bei den
Kunden, die Erzeuger und gleichzeitig Verbraucher sind, auf sehr positive Resonanz,
wenn man das Umsatzwachstum von Neovoltaic betrachtet – ein klarer USP. Die Rolle
der großen Stromversorger wird sich weiter stark wandeln. Ob das B2B-Vertriebskonzept nachhaltig mitwachsen kann und
wichtige Kooperationen geschlossen werden können, bleibt der Knackpunkt für den
langfristigen Erfolg.
Der Aufholbedarf im Gesundheitssystem
in den Bereichen Automatisierung und Digitalisierung ist enorm. Das Matchmaking
zwischen Ärzten und Kliniken, um eine optimale Patientenzuweisung zu gewährleisten, stellt hier einen Teil der Verbesserung
dar. Wer den größten Schmerz hat und
wie incentiviert werden kann, wird sich
zeigen. Ärzte sind allerdings nicht unbedingt als Early Adopter bekannt. Es bleibt
abzuwarten, ob eine signifikante Marktdurchdringung möglich ist.
Kartenmachen.de hat sich die großen
Shopping-Plattformen zunutze gemacht
und dort dank sehr guter Bewertungen
einen Sales-Channel gefunden, der das
Business ankurbelt. Bisher gebootstrapped und bereits in der Gewinnzone hat
das Unternehmen eine sehr gute Entwicklung genommen. Ob das Geschäftsmodell wirklich skalierbar ist, lässt sich nicht
abschätzen ohne konkrete Zahlen – die
Konkurrenz ist sehr groß und schläft nicht,
wenn es um neue Produkte geht.
GESCHÄFTSMODELL:
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Mit mehr als 30 Millionen Mietern in
Deutschland adressiert Mineko einen
Massenmarkt und bringt Transparenz in
die für Mieter kaum nachzuvollziehende
Nebenkostenabrechnung. Der spitze Use
Case und der einfache Prozess erleichtern
die Kundenansprache. Die Skalierbarkeit
Minekos steht und fällt mit dem Automatisierungsgrad der Prozesse.
Der Umsatz zeigt, dass es eine Nachfrage
gibt. Die Abgrenzung zu anderen Anbietern
und Produkten sollte im Pitch klarer kommuniziert werden. Zudem fehlen kritische
Informationen zu Vertriebskanälen, -zyklen
und -kosten. Des Weiteren deutet der Pitch
auf ein statisches Geschäftsmodell hin, welches aufgrund des angebotenen One-Stop
Shops (Planung, Installation, Finanzierung)
lange Sales-Zyklen mit einer hohen Kundenbetreuung voraussetzt und wenig Raum für
ein skalierbares Geschäftsmodell lässt.
Aufgrund der starken Verkrustung der Branche bietet sich momentan viel Spielraum für
Healthtech-Unternehmen. Well IT verspricht
Effizienz in einen weitestgehend unstrukturierten Prozess zu bringen und gibt den
Patienten mehr Transparenz. Form und Inhalt der Pitch-Unterlagen sollten unbedingt
überarbeitet werden. Viele wesentliche
Informationen zum Produkt und der Markteintrittsstrategie bleiben unbeantwortet.
Der Vertrieb in Praxen und Krankenhäuser
erfordert eine smarte Sales-Strategie.
Das Produkt wirkt sehr hochwertig und
adres­siert eine breite Zielgruppe. Zudem
verspricht es hohe Wiederkaufraten. Eine
kurze Wettbewerbsanalyse offenbart jedoch zahlreiche Alternativen. Hier stellt
sich die Frage der Differenzierung. Die
Skalierbarkeit des Modells hängt stark von
den Marketingausgaben und der finanziellen Ausstattung des Unternehmens ab.
Kurzum: gutes Produkt mit klarem Use Case
für den Massenmarkt, jedoch ohne starken
USP und daher eher ein Marketing Play.
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Mineko prüft für seine Kunden ihre Nebenkostenabrechnungen und übernimmt als
lizensierter Inkasso-Dienst in Zukunft die
Rückforderungen überhöhter Kosten. Mit fünf
Milliarden Euro zu viel gezahlten Nebenkosten in Deutschland adressiert Mineko einen
sehr attraktiven Markt. Der anstehende Pivot
von der gebührenfinanzierten Prüfung der
Abrechnungen zur Durchsetzung der Forderungen auf Provisionsbasis birgt Risiken, ist
aber vergleichbar mit erfolgreichen Modellen im Bereich Fluggastrechte.
Neovoltaic beruft sich darauf, dass sie die
einzigen im DACH-Markt sind, die eine
All-in-one-Lösung (Energiespeicher, Energiemanagement et cetera) anbieten und
daher die Schnittstellen optimal abstimmen können. Die Frage ist, ob der „grüne“
Energiemarkt bereits so weit ist, dass so
eine All-in-one-Lösung, die von der Idee
her sicherlich sinnvoll ist, von den Kunden
akzeptiert wird.
Well IT will Unklarheiten und Effizienz-Probleme bei der Überweisung von Patienten
an Krankenhäuser beheben und durch integrierte Kommunikation eine transparente
Pre-Selection von potenziellen Ärzten und
Krankenhäusern ermöglichen. Der Markt
hierfür ist vorhanden, wenn auch nicht besonders groß. Die große Frage bleibt, ob
sich so ein System durchsetzen wird, da
diese Art von Software nur den gewünschten Effekt hat, wenn sehr viele Krankenhäuser und Ärzte damit arbeiten.
Klar ist es oldschool, eine physische Einladung zu verschicken. Aber seien wir mal
ehrlich: zur Hochzeit werden die meisten
auch in Zukunft mit ‚echten‘ Karten eingeladen. Insofern greift Kartenmachen.de einen stabilen, leicht rückläufigen Markt an.
Das Produkt sieht toll aus, kann aber leicht
kopiert werden. Hoffentlich lassen sich die
Gründer vom innovativen Konkurrenten
Lovepop aus den USA inspirieren, der zum
Beispiel mit 3D-Karten punktet.
GESCHÄFTSMODELL:
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33 PUNKTE
29 PUNKTE
Fotos: Westtech Ventures, Jasper Masemann, Capnamic Ventures
GRILL
Get things done! Anstatt deine Zeit
21 PUNKTE
gestaltet und vertreibt individuelle Einladungskarten online. Der Nutzer kann sich
ein Motiv aussuchen, den Einladungstext
an Kartenmachen senden und bekommt
von ausgebildeten Grafikdesignern Gestaltungsvorschläge für die Karten.
kartenmachen.de
Besser
zusammenarbeiten
geht ganz einfach.
Kostenlos ausprobieren unter
www.wrike.com/de
Keine unnötigen E-Mails, weniger
25 PUNKTE
Statusmeetings und schnellere
Entscheidungswege – die
Zusammenarbeit in Wrike macht
Teams effizienter. Auch agile
Arbeitsweisen lassen sich darüber
abbilden. Bestens geeignet für
Startups, die etwas erreichen wollen.
N E U E S TA R T U P S
WIR SIND
DIE NEUEN
GEMA FÜR
FOTOGRAFEN
Für Fotografen ist es schwierig, den
Überblick darüber zu behalten, wer ihre
Fotos wo im Internet verwendet, und Lizenzverletzungen einzuklagen. Lapixa
scannt das Netz nach den Fotos ihrer
Klienten und unternimmt weitere rechtliche Schritte, wenn die Bilder widerrechtlich genutzt werden. Den Service
finanziert das Startup über eine Provision bei erfolgreichen Klagen.
lapixa.de
Täglich entstehen neue Ideen und Startups
in Deutschland. Berlin Valley stellt einige vor
SCORE ZUR
SHARING ECONOMY
FOTOS UND VIDEOS
VON OBEN
Deemly will Anbieter und Nutzer von Sharing-Economy-Plattformen transparenter machen. Auf einem
Deemly-Account werden die Ratings verschiedener
Plattformen wie Airbnb, Uber oder Blablacar zusammengefasst. Daraus ergibt sich der Deemly-­
Score, den jeder als Vertrauensnachweis auf seiner
Website integrieren kann.
deemly.co
Bei Airteam können Kunden Fotografen für Luftaufnahmen buchen.
Das Startup hat sich deutschlandweit ein Netzwerk aus erfahrenen
Drohnenfotografen aufgebaut und vermittelt diese an ihre Kunden.
Auch Image-Filme und 360-Grad-Aufnahmen sind möglich. Außerdem lassen sich 3D-Modelle erstellen, die in Kombination mit Fotos
und Videos genutzt werden, um Immobilien vielseitig darzustellen.
airteam.camera
LIFESTYLE-SPORTNAHRUNG
Hej Nutrition stellt Zusatznahrung für Sportler her und verkauft bislang Proteinpulver in verschiedenen Geschmacksrichtungen, Chia-­
Samen und Power-Riegel. Das Startup legt einen Schwerpunkt darauf, das Bodybuilder-Image von Nahrungsergänzung aufzulösen
und sie zum Teil eines modernen und gesunden Lifestyles zu machen.
hej-nutrition.de
Einen Arzttermin zu finden oder zu verschieben, ist
meist ein aufwendiger Abstimmungsprozess. Über
Doctolib kann die Terminfindung zukünftig online
und in Echtzeit geschehen. Das Tool verknüpft einen
Service zur Terminbuchung für Patienten mit einem
Kalender für Ärzte. So sind keine weiteren Abstimmungen mehr nötig.
doctolib.de
IHR HABT GERADE EIN STARTUP
GEGRÜNDET? MELDET EUCH:
[email protected]
24 / berlinvalley.com
Fotos: Deemly, Airteam, Doctolib, HEJ, Zinsbaustein, Scott Garner (Flickr.com CC by 2.0)
ARZTTERMINE
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IMMOBILIEN-INVESTMENTS
FÜR KLEINANLEGER
Im Niedrigzinsumfeld ist Geldanlage ein schwieriges Thema; besonders kleine Beträge sind schwer außerhalb des Bankkontos unterzubringen. Mit Zinsbaustein haben Kleinanleger Zugang zum
Immobilienmarkt. Das Unternehmen bündelt Investitionsbeträge
ab 500 Euro für je ein Projekt und will das angelegte Geld nach
Projektabschluss mit 5,25 Prozent Zinsen auszahlen.
zinsbaustein.de
Texte: Anna-Lena Kümpel
Knappworst & Partner Tax Consultancy
Meinekestraße 27 | 10719 Berlin | Tel. 030 - 27 87 94 6
Am Bassin 4 | 14467 Potsdam | Tel. 0331 - 29 82 10
www.knappworst.de
BIOPRINTING
BIOPRINTING
sagt Tran-Mai. Sein Ziel sei es, das Verfahren
in der Medizin für Implantate oder Prothesen zu
etablieren. Das Startup finanziert sich derzeit durch
den Verkauf der speziellen Kunststofffasern und zugehöriger Drucker. Es bietet aber auch Beratungen
und Trainings an. „Bereits im ersten operativen Geschäftsjahr konnten wir einen sechsstelligen Umsatz
erzielen“, sagt Tran-Mai. Zurzeit werde mit potenziellen Investoren verhandelt.
Kürzlich wurde Indmatec als bestes Startup
Baden-Württembergs ausgezeichnet. Bei der Veranstaltung des Netzwerks für Beteiligungskapital VCBW dürfte eine hübsche Summe zusammengekommen sein: Mindestens 300 .000 Euro und bis zu drei
Millionen Euro konnten die Teilnehmer einwerben.
Die genauen Deals wurden diskret verhandelt.
„IN FÜNF
JAHREN
STEHEN
3D-DRUCKER
IN ALLEN
GROSSEN
FIRMEN“
International gefragt: Durch die Knochen fühlen sich die Silikonprothesen von Stamos + Braun wie echt an.
für die medizinische Forschung, um Tierversuche
überflüssig zu machen. Auch eine Mini-Niere kam
schon aus dem Drucker. Sie überlebte fünf Tage
außerhalb des Labors. An der Harvard University
ist es gelungen, Gewebe zu drucken, das sechs
Wochen überlebte. Möglich war das durch eine
spezielle Biotinte bestehend aus Enzymen, Gelatine,
Zellen und Wachstumsfaktoren.
Noch ist eine Anwendung am Menschen nicht möglich, aber überall auf der Welt entwickeln Forscher
und Unternehmen Produkte, die im wahrsten Sinne
des Wortes beeindruckend sind. Auch in Deutschland, wie die Beispiele aus Berlin, Karlsruhe und
Dresden zeigen.
OHREN
Forscher im britischen Cambridge haben
lebende Netzhautzellen gedruckt. Sie
sind überzeugt, damit irgendwann Blinde
heilen zu können.
In Princeton haben Forscher
ein bionisches Ohr erzeugt,
das Radiowellen hören kann.
LEBER
Die US-Firma Organovo
druckt funktionsfähige
Leberzellen. Sie werden
der Pharmaindustrie für
die Forschung verkauft.
KNOCHEN
Forscher der Universität
Freiburg arbeiten
daran, Knochen zu
drucken, die eigene
Blutgefäße enthalten.
KEIN METALL MEHR IM KÖRPER
In Karlsruhe gibt es seit zwei Jahren das Startup
Indmatec. Sein Mitgründer Tony Tran-Mai sagt:
„Auch wenn es sehr viel Zuspruch von allen Seiten
gibt, gehen viele doch vorsichtig an diese recht
neue Technologie heran.“ Das Unternehmen hat
den thermoplastischen Kunststoff Peek entwickelt,
der mittels Schmelzschichtung, der sogenannten
FFF-Technologie, gedruckt werden kann. Peek soll
eine Alternative zu Metall sein, leicht wie Aluminium,
aber sehr belastbar. Geeignet unter anderem als
Zahnersatz oder als Werkstoff in der Chirurgie.
Denn viele Patienten, die etwa Titan in den Körper
geschraubt bekommen, damit schwere Brüche heilen, reagieren allergisch auf das Metall. „Wir sind
das erste Unternehmen weltweit, das Peek mit der
FFF-Technologie professionell verarbeiten kann“,
In Hannover werden
münzgroße Hautstücke
gedruckt. Mäusen
wurden sie erfolgreich
transplantiert.
das Welten“, sagt Mitgründer Alex Stamos. Künstliche Füße, Finger oder Hände werden mitsamt integrierten Knochenstrukturen gedruckt. „Durch die
Knochen fühlt es sich extrem echt an, wenn man die
Hand gibt“, sagt Stamos.
Derzeit laufen Testdrucke, Patienten tragen die ersten komplett gedruckten Vorfußprothesen Probe.
Ende des Jahres wollen Stamos + Braun einen ei-
genen Silikon-3D-Drucker auf den Markt bringen.
„Wir wollen zeigen, dass nicht nur die Big Player
in dem Bereich mitmischen können, sondern auch
kleine innovative Betriebe“, sagt Stamos. Das
israelische Verteidigungsministerium habe bereits
Interesse angemeldet.
Jenny Becker
Testkörper: realitätsnahe Patientennachbildung eines Herzens und eines Brustkorbs, um die Implantation einer Aortenklappe zu üben
Fotos: matthiaspopp.com, MMM Medizinische Modellbau Manufaktur GmbH
26 / berlinvalley.com
DAS ALTER BESIEGEN
Ärzte und Forscher träumen von einer wahren
Revolution der Medizin: lebensfähiges Gewebe
aus dem Drucker. Allein in Deutschland warten
10.000 Menschen auf eine Organtransplan­tation.
3D-Drucker könnten das Problem beheben. Das
Anwendungsfeld ist riesig. Chirurgen könnten
Patienten nach schweren Unfällen das Gesicht rekonstruieren, verletzte Beine würden nachgedruckt,
verschlissene Knie mit neuen Knorpeln versehen.
Sogar das Alter ließe sich besiegen – indem altes
Gewebe einfach ersetzt wird. Noch steckt das sogenannte Bioprinting in den Kinderschuhen, aber
es ist schon Erstaunliches möglich.
Forscher der Universität Princeton haben ein Ohr
gedruckt, das Frequenzen wahrnimmt, die normalerweise unhörbar sind. Das US-amerikanische
Unternehmen Organovo wiederum druckt Gewebe
AUGEN
HAUT
GEFÜHLSECHTE SKELETTHAND
Das Dresdner Startup Stamos + Braun Prothesenwerk hat sich bewusst gegen Investoren entschieden, um unabhängig zu sein. Das Unternehmen
finanziert sich aus dem Cashflow, den es durch
seine Kunden aus aller Welt generiert. Die lebensechten Prothesen sind international gefragt –
die Kunden kommen aus Saudi-Arabien, Katar,
Kuwait. Kurz nach der Gründung im Jahr 2014 haben Stamos + Braun den Fokus auf den 3D-Druck
gelegt und kooperierten dafür mit der Technischen
Universität Dresden.
Als weltweit erstem Unternehmen ist es ihnen gelungen, medizinische Silikone zu drucken. „Die
Prothesen aus dem 3D-Drucker wiegen bis zu 50
Prozent weniger. Für einen Prothesenträger sind
Organe aus dem 3D-Drucker sind die Zukunft der modernen Medizin.
Auch deutsche Startups gehen unter die Bioprinter
den Businessplan-Wettbewerb der Berliner Sparkasse gewonnen und den Bundeswettbewerb „Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen“. Die Finanzierung stellten sie zusammen mit der Deutschen Bank
auf die Beine und nutzten dafür auch öffentliche
Mittel wie den Gründerkredit „Startgeld“ der Förderbank KfW. Nun gehören schon Kliniken in ganz
Deutschland zu den Kunden. Trotzdem ist Pfützner
viel unterwegs, um sein Angebot bei Chefärzten
und Ausbildern vorzustellen. „Es ist eine immense
Arbeit, Interesse an einem Produkt zu wecken, dass
es bis dato nicht gegeben hat“, sagt er der Plattform Medizintechnologie.de.
SCHÄDEL
Neurochirurgen aus Utrecht haben
bereits eine künstlich erzeugte
Schädeldecke verpflanzt.
MARCEL PFÜTZNER, MMM
DER GEDRUCKTE MENSCH
Aus dem Drucker kommen menschliche Knochen,
Muskeln und Organe. Sie sehen aus wie echt, sie
fühlen sich echt an. Mitten in einem historischen
Backsteinbau vor den Toren Berlins findet gerade die
Zukunft statt. Das Startup Medizinische Modellbau
Manufaktur, kurz MMM, stellt lebensechte Kopien
von Organen her – mit einem 3D-Drucker. Neulich
haben sie hier das Herz einer 86-jährigen Frau
nachgedruckt. Die Patientin konnte kaum atmen oder
laufen, weil ihre Herzklappe sich verengt hatte. Die
Ärzte planten eine Aortenklappenprothese – eine
heikle Operation in diesem Alter. Also ließen sie das
Herz der Frau originalgetreu nachdrucken und übten
daran in einer Probeoperation präzise jeden Handgriff. Anhand des Herzens aus dem Drucker konnten
sie auch die exakt passende Prothese für die alte
Dame anfertigen. Das ist eine Revolution der Medizintechnik – und Marcel Pfützner ist mittendrin.
Pfützner hat das Startup MMM 2014 zusammen
mit seiner Frau gegründet. „In fünf Jahren werden 3D-Drucker in allen großen Unternehmen und
Krankenhäusern stehen“, sagt er im Magazin der
Deutschen Bank. Wenn es nach ihm geht, soll die
modellgestützte Operationsplanung schon 2020
aus keiner Klinik mehr wegzudenken sein. Sein
Startup hat sich vorwiegend auf Ärzte spezialisiert,
die anhand der 3D-Modelle ihre Eingriffe planen
und individualisieren. Von der Übermittlung der
Patientendaten bis zum fertigen Modell dauert es
rund 72 Stunden. Auch Jungmediziner können anhand der lebensechten Organe geschult werden.
Die Pfützners haben dafür im vergangenen Jahr
KÖRPERTEILE
ÜBERSCHRIFT
AUS DEM DRUCKER
berlinvalley.com / 27
DESIGN THINKING
Für Gerald Dissen, Gründer der Firma Room in a
Box, bedeuten die ersten beiden Schritte im Design-Thinking-Prozess, Experte für ein bestimmtes Thema zu werden. „Um ein Problem wirklich
nutzerorientiert zu lösen, muss man sich mit dem
aktuellen Stand der Technik gut auskennen“, sagt
Dissen. Für das neueste Produkt von Room in a
Box, den Monkey Desk, wurde er zum Experten
für Tische. „Ich habe gelernt, dass es so etwas wie
eine Sitz-Steh-Dynamik gibt, dass es einen optimalen Blickwinkel auf den Monitor und eine optimale
Ellenbogen-Position zum Arbeiten gibt. Auch dass
Tische standardmäßig 75 Zentimeter hoch sind und
früher nur 70 Zentimeter hoch waren und noch viel
mehr. Das alles hat geholfen, den Monkey Desk so
zu entwickeln, dass jeder damit seine Arbeitsposition verbessern kann.“
„IM ERSTEN
TEIL DES
PROZESSES
GEHT ES
DARUM, SICH
IN DIE SCHUHE
DES NUTZERS
ZU BEGEBEN“
Lernen Design Thinking: die Studierenden der D-School am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam
EMPATHISCH PROBLEME LÖSEN
An diese ersten Schritte schließt sich die Definition
des Standpunktes an. Alle Erkenntnisse werden zu
einer These verdichtet, aus der im nächsten Schritt
Ideen entwickelt werden. Im weiteren Prozess wird
aus einer Idee ein Prototyp. Er wird getestet und
nach dem Kundenfeedback verändert, bis ein
funktionierendes Produkt mit funktionierendem Geschäftsmodell entsteht. Dieser zweite Teil des Prozesses funktioniert wie der Lean-Startup-Ansatz. Es
geht darum, Produkt und Geschäftsmodell früh zu
testen, um möglichst schnell aus eventuellen Fehlern zu lernen und damit weniger Ressourcen zu
Wie Design Thinking hilft, Kunden und Mitarbeiter besser zu verstehen
VERSTEHEN
BEOBACHTEN
Problemlösung und Ideengenerierung.“ Vom Nutzer her zu denken, sei aber nicht das Gleiche,
wie kundenorientiert zu denken, sagt Taherivand
im Gespräch mit Berlin Valley. Sich am Nutzer zu
orientieren bedeutet auch, potenzielle Nutzer einzubeziehen, die ein Produkt bisher vielleicht gar
nicht verwenden.
Ein gutes Beispiel ist der Pizzaschneider. Er wurde entwickelt, nachdem die Hersteller Kinder und
Menschen mit Gicht beobachtet hatten, die mit
dem normalen Messer nicht zurechtkamen. Diese
Extremnutzer gaben die Inspiration für die runde
Klinge, die heute einen Platz in vielen Küchen hat.
EMPATHIE-ARBEIT
„Bei den ersten beiden Schritten des Prozesses
geht es darum, sich in die Schuhe des Nutzers zu
begeben, seine Probleme, Emotionen und Motivationen zu verstehen und zu beobachten, wie ein
STANDPUNKT DEFINIEREN
IDEEN ENTWICKELN
bestehendes Problem bisher gelöst wird“, erklärt
Taherivand. Für eines seiner Projekte, die wachmachende Guarana-Brause, ist er genau so vorgegangen. Das Ziel war es, etwas Neues im EnergyDrink-Markt zu entwickeln. Taherivand wollte sich
von Extremnutzern inspirieren lassen und landete
schnell bei Software-Entwicklern, die überdurchschnittlich viele Energy Drinks, Kaffee oder Mate
konsumieren. In Interviews und der Empathie-Arbeit konnten er und seine Mitgründer herausfinden,
warum ihre Testpersonen so viel Wachmachendes
konsumieren, was sie daran mögen und welche
Emotionen damit verbunden sind. Aus den Ergebnissen entstand die Idee, die aufputschende Wirkung in Form von einer Schleckbrause anzubieten.
„Extremnutzer sind eine gute Inspiration, weil sie
sich oft schon sehr intensiv mit einem Problem auseinandergesetzt haben und sich gut mit den bisherigen Lösungen auskennen“, sagt Taherivand.
PROTOTYP BAUEN
TESTEN
Der Prozess ist ein Kernelement des Design Thinkings. Die Empathie-Arbeit während der ersten Schritte unterscheidet Design Thinking wesentlich von anderen Innovations-Methoden wie Lean Startup oder Open Innovation.
28 / berlinvalley.com
verbrauchen. Im Gegensatz zu Lean Startup lässt
sich Design Thinking auch in kleinem Rahmen in
Workshops gewinnbringend einsetzen und ist daher optimal, um Veränderungen innerhalb von bestehenden Firmen anzustoßen.
DESIGN THINKING FÜR INTERNE PROZESSE
„In einem Startup wird es dann spannend, wenn
das Unternehmen wächst“, sagt Martin Güther,
Gründer von Spacedeck und D-School-Alumni.
Spacedeck ist eine Browser-Anwendung, in der
Teams ihre Brainstorming-Ergebnisse festhalten
können. „Das Team wird größer und die lockere,
innovative Startup-Atmosphäre droht verlorenzugehen“, sagt Güther. „Strukturen wie Personalmanagement oder Buchhaltung wachsen und sind
meist sehr spezialisiert in ihren Fachbereichen,
Platz für Innovation wird so immer kleiner.“ Design
Thinking gibt Managern die Möglichkeit, an solchen Problemen zu arbeiten: Mitarbeiter sind quasi Extremnutzer der aktuellen Unternehmenskultur.
Die meisten sind Experten für ihre Abteilungen. Von
Vorteil ist, möglichst diverse Mitarbeiter-Teams verschiedener Abteilungen, verschiedener Standorte
oder mit unterschiedlichem fachlichen Hintergrund
In Design-Thinking-Prozessen entstanden: das digitale Whiteboard von Spacedeck und der Monkey Desk von Room in a Box
Fotos: Kay Herschelmann, Moonshot, Spacedeck, Room in a Box
Bei Corporates gilt Design Thinking als Wundermittel gegen Ideenlosigkeit, aber auch Startups
können von der Innovationsmethode lernen. Erfunden wurde sie bereits 1991 von der kalifornischen
Design- und Innovationsagentur Ideo. 2004 wurde
die erste D-School für Design Thinking am Hasso
Plattner Institute of Design in Stanford gegründet.
Dort lernen Studierende in Projekten, wie Design
Thinking funktioniert und angewendet wird. Seit
2007 gibt es auch in Potsdam eine D-School.
„Das Wertvolle an Design Thinking ist nicht der Prozess an sich, sondern das Mindset“, sagt Abraham
Taherivand. Er ist ein erfahrener Design Thinker,
studierte 2009 an den D-Schools in Potsdam und
Stanford, gründete mehrere erfolgreiche Unternehmen und ist im Design Thinking Coaching und
der Programmentwicklung an der HPI Academy
in Potsdam involviert. Er erklärt den Kern von
Design Thinking so: „Es geht um nutzerzentrierte
Von Software-Entwicklern inspiriert:
Wachmachende Guarana-Brause von Moonshot
zu bilden. Denn so gibt es viele Blickwinkel auf ein
Problem und viele Lösungshorizonte, aus denen Synergien entstehen können. Im ersten Schritt geht es
dann mit den Teams an die Empathie-Arbeit: Wie
sieht das Problem eigentlich aus, wie lösen die Betroffenen es bisher, warum lösen sie es so, welche
Randbedingungen spielen eine Rolle? Erst danach
geht es an die Lösung: Gemeinsam entwickelt das
Team verschiedene Ansätze, diskutiert sie und baut
einen Prototypen. Meist wird es sich bei den Lösungen nicht um Produkte zum Anfassen, sondern um
Prozesse oder Services handeln. Einen solchen Prozess durchzuspielen gilt ebenfalls als Prototyp. Mit
den Ergebnissen dieser ersten Tests kann das Team
die Lösung weiterentwickeln und sie schließlich in
größerem Rahmen in der Abteilung testen.
Bei regelmäßigen Design-Thinking-Workshops
können verschiedene Probleme angesprochen
werden, und die Mitarbeiter beginnen gleich mit
der Lösung. Das hilft in jedem Fall, die Old-Economy-Frustration fernzuhalten, und das Team nutzt
seine kreativen Fähigkeiten, um die eigenen Prozesse effektiver zu gestalten.
Anna-Lena Kümpel
DESIGN THINKING
100 FEMALE STARTUP
FOUNDERS EUROPE
Können Startups als kleine, agile Unternehmen von Design Thinking profitieren?
Aus den kleinen Unternehmen werden irgendwann
größere; sie wachsen aus der Startup-Phase he­raus
und in eine Organisationsform hinein, die ich Brockhaus-System nenne. Bei Zalando beobachten wir das
gerade intensiv, weil wir ein Projekt zusammen machen. Zalando ist so extrem gewachsen, dass jetzt
Strukturprobleme entstehen, die von Beratern gelöst
werden, die noch in alten Mustern denken. Ich finde
es aber wichtig, dass diese Unternehmen ihre organisatorischen Herausforderungen von innen heraus und
mit Blick auf die sich wandelnde Technologie selbst
in den Griff kriegen. Auf der Organisationsebene ins
20. Jahrhundert zurückzufallen, bringt keinen Fortschritt. Genau hier kann Design Thinking ansetzen.
„IN TEAMS WIRD
VIEL ENERGIE FREI“
D-School-Gründer Ulrich Weinberg
erklärt, wie bedeutend vernetztes
Denken ist und wie Design Thinking
in Startups einen Unterschied macht
Herr Weinberg, 2007 haben Sie die
D-School in Potsdam gegründet.
Hat sich die Bedeutung von Design Thinking in diesen neun Jahren verändert?
2007 haben wir unseren Schwerpunkt auf die Studierenden und auf Innovationen rund um Produkte
und Services gelegt. Teambasiertes Arbeiten mit
Studierenden aus verschiedenen Disziplinen stand
im Vordergrund. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass Design Thinking auch für die Entwicklung und das Redesign von Business-Modellen interessant ist. In diesem Bereich bewege ich mich
mittlerweile immer mehr und bin jetzt ganz nah
dran an Managern, Bankdirektoren, Firmenchefs.
Warum ist Design Thinking für diese
Unternehmen so interessant?
Durch die Digitalisierung wächst der Veränderungsdruck nicht mehr linear, sondern exponentiell. Es vernetzen sich Netze mit Netzen; dadurch ergeben sich
mehr Informationen und Möglichkeiten. Viele Prozesse werden schneller, und die Unternehmen merken,
dass sie ihre Geschäftsmodelle verändern müssen,
um konkurrenzfähig zu bleiben. Mit dieser Veränderung kommen viele schlecht klar, weil sie mit einem
alten Denk- und Handlungsapparat an die Sache herangehen: analog, nicht vernetzt und kompetitiv.
30 / berlinvalley.com
Wie kommt es, dass auch junge Menschen
noch in diesem Denken stecken?
Die Menschen kommen aus einem hochkompetitiven
Bildungsapparat, der bestimmte Denkgewohnheiten
prägt. Schulen und Hochschulen setzen traditionell
extrem auf den Einzelnen, der in Wettbewerb zu
anderen steht. Wenn ich das jahrelang trainiere,
bildet sich eine sehr wettbewerbsorientierte Haltung. Interessant ist, dass unsere Studenten denken,
sie seien vernetzt, weil sie auf Facebook, Linkedin
und so weiter aktiv sind. Aber eigentlich sind oft
nur die Maschinen vernetzt, nicht die Köpfe.
Vor diesem Problem stehen auch Unternehmer. Was raten Sie: Wie können Unternehmen das ändern?
Im digitalen Zeitalter brauchen wir ein vernetztes
und kollaboratives Denken. Was wir hier an der
D-School machen, hat im Kern wenig mit Technik
zu tun. Das Spannende ist die soziale Innovation.
Die Studenten lernen zuerst im Team zusammenzuarbeiten. Das ist in der Regel eine ungewohnte Erfahrung, obwohl die meisten schon Teamerfahrung
haben. Die ist aber meist negativ, wenn T-e-a-m
bedeutet: ‚Toll, ein anderer macht’s!‘ In den ersten
Wochen arbeiten unsere Studenten verschiedene
Aufgaben in Teams ab und merken nach einer
Weile, dass wir nicht auf die Einzel-Performance
achten und auch die Teams nicht benoten. Wir
schauen uns die Qualität der Ergebnisse bei der
Präsentation an. Sobald sie das registrieren, passiert in den Köpfen etwas und in den Teams wird
eine unglaubliche Energie frei. In einem solchen
bewertungsfreien Umfeld entsteht die intrinsische
Motivation, gute Qualität abzuliefern.
„AUF DER
EBENE DER
ORGANISATION
INS 20.
JAHRHUNDERT
ZURÜCKZUFALLEN,
BRINGT
KEINEN
FORTSCHRITT“
THE HUNDERT
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Gibt es dafür ein Beispiel?
Paypal hat vor etwa zwei Jahren eine Design-ThinkingWelle über den Globus geschickt und alle Mitarbeiter wenigstens grundlegend geschult: Was ist Design
Thinking, wie bleibe ich nah am Kunden, wie befördere ich die Kooperation zwischen unterschiedlichen
Werken besser, wie funktioniert Proto­typing? Das hat
mich erstaunt, und ich fand sehr gut, dass sie sich
das verordnet haben. Paypal hat verstanden, dass es
nicht darum geht, ein bisschen besser oder ein bisschen innovativer zu sein, sondern um einen tiefgreifenden Kulturwandel im ganzen Unternehmen.
Das Gespräch führte Anna-Lena Kümpel.
KOSTENLOSER DOWNLOAD AUF
ULRICH WEINBERG
ist Professor für Design Thinking an der HPI
D-School in Potsdam, die er 2007 gründete.
Er vermittelt Studierenden die Fähigkeit, in
multidisziplinären Teams benutzerfreundliche
Produkte zu entwickeln, und arbeitet mit Unternehmen an deren Innovationsfähigkeit. Zuvor
war er Professor für Computer Animation.
hpi.de
THE-HUNDERT.COM
facebook.com/thehundert
Fotos: Kai Herschelmann
Schult Studierende im vernetzten Denken: Professor Ulrich Weinberg
Entdecke inspirierende Gründerinnen und erfahre,
wie sie ihren Weg in die Startup-Szene gefunden haben.
twitter.com/thehundert
Made with love in Berlin
L E A N S TA R T U P M E E T U P
make investments. make them matter.
Musik für Motorradfahrer:
Sophie Willborn erklärt ihren Helm.
Gemeinsam
Solarprojekte in
Entwicklungs- und
Schwellenländern
finanzieren.
Baut ein Startup Monitoring Tool: Sven Ripsas
„DU MUSST EXCEL LIEBEN“
Bei einem kühlen Bier:
Zeit zum Netzwerken
Bauen, messen, lernen: Lean Startup war Thema des zweiten Berlin-Valley-Meetups
Was hat ein Wasserfall mit Lean Startup zu tun? – Gar nichts?
Im Gegenteil. Waterfall nennt man den klassischen Weg einer
Produktentwicklung: ein Pflichtenheft schreiben, ein Jahr lang
programmieren und wenn das Produkt fertig ist, schaut man, ob
es jemand haben will. Bei der Lean-Startup-Methode geht man
genau anders vor: Man schaut zuerst auf den Markt und die Kunden, stellt Hypothesen auf, baut ein minimal-funktionales Produkt
und testet dies am Markt. Bauen, messen, lernen – so lautet der
Optimierungskreislauf bei Lean Startup. „Es ist ein ständig iterativer Prozess“, erklärt Thomas Janson von Leanberlin.de beim
zweiten Meetup von Berlin Valley in der Factory.
Vielen Dank an unseren Partner Factory
und unseren Sponsor Brlo.
Mehr Bilder vom Meetup:
FACEBOOK.COM/BERLINVALLEY/PHOTOS
80 Gäste kamen, um sich bei Vorträgen und Podiumsdiskussion
und beim anschließenden Networking über Lean Startup auszutauschen. Messen ist ein wesentlicher Bestandteil der Methode.
Es kommt aber darauf an, die richtigen Daten zu sammeln, erläuterte Sven Ripsas, Professor für Entrepreneurship an der HWR
Berlin. Er entwickelt ein Startup Monitoring Tool. „Wenn ihr einen im Team habt, der Excel liebt, dann ist das ein großer Fortschritt“, rät er den Zuhörern. Und: „Du musst einmal die Woche
deine Zahlen genau angucken, am besten tagesaktuell.“
Aus der Praxis berichteten dann in der Po­diums­diskussion Sophie
Willborn, Gründerin von Headwave, Tamer El-Hawari von Project A Ventures und Sebastian Bacher von Nu3. „Einfach machen!“, lautet zum Beispiel der Rat von Sophie, deren Unternehmen ein kabelloses Soundsystem für Motorradfahrer entwickelt
hat. Mit dem ersten handgelöteten Helm hat sie Kunden befragt.
Ihr Tipp: „Am besten einen Stand auf einer Messe mieten, die
zu Eurem Thema passt.“ Dort lässt sich ganz einfach das nötige
Feedback einholen. vis
Wollte fast jeder testen:
den Helm von Headwave
Noch Fragen? Die Experten standen Rede und Antwort.
Aufmerksame Zuhörer: Das Meetup
in der Factory war gut besucht.
32 / berlinvalley.com
Gruppenfoto: Dank an die Beteiligten auf und hinter der Bühne
Fotos: Adela Dupetit
Thomas Janson erklärt: das Lean-Startup-Mindset
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INVESTOREN
INVESTOREN
„GELD IST NICHTS BESONDERES“
Project-A-Ventures-Partner
Florian Heinemann* und Uwe
Horstmann über die Ausrichtung,
Strategie und Erfolgsfaktoren des
Frühphaseninvestors
34 / berlinvalley.com
Fotos: Saskia Uppenkamp
Ihr nennt Euch bei Project A „Operational
VC“. Wie positioniert Ihr Euch in der Investorenlandschaft?
UWE: Wir sehen uns grundsätzlich als Venture
Capitalist und nehmen ganz klar am Kampf um
die besten Unternehmer teil. Geld ist heutzutage
nichts Besonderes. Investoren brauchen ein Alleinstellungsmerkmal. Für uns ist es wichtig, die Unternehmen wirklich operativ unterstützen zu können.
Um das zu kommunizieren, haben wir den Begriff
Operational VC erfunden.
FLORIAN: Wir glauben, dass die Start-Konfiguration einer Firma die spätere Entwicklung wesentlich
beeinflusst. Daher ist der Grenznutzen von operativer Unterstützung in der frühen Phase deutlich
höher. Wir alle glauben sehr stark an die Konfigurationstheorie, der zufolge die Anfangskonfiguration einer Firma den min/max Entwicklungspfad
determiniert. Unser Ziel ist daher, das Grund-Setup
einer Firma nachhaltig zu verbessern, weswegen
wir uns in einem frühen Stadium involvieren, also
Series A und davor. Allerdings lassen sich Start­
ups schwer am Reißbrett konstruieren und VC ist
letztendlich ein von Wahrscheinlichkeiten geprägtes Spiel. Deswegen setzen wir auf Unternehmen,
bei denen das Gründerteam eine emotionale Bindung zur Firma hat und entsprechend incentiviert
ist. Den perfekten Unternehmer gibt es nicht, und
Gründer bauen ihre Organisation optimalerweise
so um sich herum auf, dass sie ihren Stärken und
Schwächen entsprechen. Genau hier wollen wir
in einer frühen Phase des Unternehmens ansetzen
und operativ unterstützen, das Startup möglichst
passend aufzustellen. Das unterscheidet uns von
den meisten Company Buildern, die eine Firma
einfach hochziehen und dann ein Führungsteam
rekrutieren, das eben nicht lang genug durchhält.
Große Firmen brauchen im Schnitt acht bis zwölf
Jahre bis sie wirklich eine Relevanz erreichen.
Selbst Zalando, wo alles extrem schnell ging, hat
ja sechs, sieben Jahre gebraucht, bis es wirklich
eine relevante Firma war.
Euer Vorbild ist wahrscheinlich Andreessen
Horowitz. Wie seht Ihr Euch im Vergleich?
FLORIAN: Der wesentliche Unterschied sind die
Assets under Management. Außerdem muss man
verstehen, dass unser Business ein Outlier-Business
ist. Das heißt, du musst schauen, dass du bei den
international erfolgreichsten Firmen mit dabei bist.
Die international erfolgreichsten Startups gehen
eher zu den Leuten, die eine sehr starke Reputation
haben, und das sind eben primär amerikanische
VCs und dann vielleicht noch angloamerikanische.
Diese Reputation fehlt uns, und man kann sie sich
nur über die Zeit aufbauen. Ein Marc Andreessen
Arbeiten intensiv mit den Startups zusammen:
Uwe Horstmann und Florian Heinemann
hat sie verdienterweise qua Persona. Oder auch
Ben Horowitz. Wir müssen sie uns eben verdienen, aber das ist ja auch nicht schlimm. Außerdem arbeitet Andreessen Horowitz hauptsächlich
mit seniorigen Leuten. Wir auch, aber wir haben
auch viele Juniors dabei. Ich persönlich finde eine
juniorigere Personalstruktur nicht so schlecht, weil
wir damit stärker am Puls der Zeit sind. Ob ein
senioriger Experte, der nur noch sehr high level
berät, in der frühen Phase das richtige Setting ist,
weiß ich nicht.
Jochen Krisch von Exciting Commerce hat
die These aufgestellt, dass Project A zwar
noch in der Findungsphase ist, zeitgleich
aber kurz vorm Durchbruch steht.
UWE: Wir haben 2012 angefangen und hatten
vor anderthalb Jahren den ersten großen Aufschlag. Seitdem haben wir uns gefunden und einen
Masterplan definiert, den wir sehr schnell exeku­
tieren. Es kommt zwar immer wieder die Frage
‚Wo ist Euer Zalando?‘, aber inzwischen haben
die meisten verstanden, dass wir viele B2B-Firmen
im Portfolio haben, die nach außen wenig präsent
sind. Ich vermute, dass der Durchbruch kommt, sobald unsere Ventures in der Außendarstellung sehr
stark werden.
Ist Project A so ein bisschen ist wie das
frühe Rocket Internet?
UWE: Ich finde, wir haben uns viel stärker in die
VC-Richtung entwickelt als Rocket. Rocket ist mehr:
‚Wir starten jetzt was. Wir machen jetzt ein Zipjet,
wir machen jetzt ein Hellofresh, ein Helpling.‘ Wir
sind eher so: ‚Hier kommt eine Company, die eine
coole Mobile-Targeting-Technologie gemacht hat,
lass uns mit denen mal hinsetzen.‘
Wie seid Ihr formal aufgestellt?
UWE: Rechtlich sind wir ein Investmentfonds. Wir
arbeiten rein finanziell orientiert und werden nur
über den Erfolg der Startups incentiviert. Wir haben ganz normal Geldtöpfe und bauen für unsere
bald zwei Fonds Portfolios von vielleicht je 25 bis
30 Unternehmen auf. Wir machen oft klassische
Seed- und Series-A-Finanzierung, in Höhe von ein
paar Hunderttausend bis drei Millionen Euro. In
diesen Deals sind wir oft der klassische Lead-Investor. Dann gibt es Series-B- und Series-C-Finanzierungen, in denen wir eher ein Juniorpartner
sind und mit ein paar Fonds zusammenarbeiten,
die uns da auch proaktiv einbinden, auch weil
operativer Support benötigt wird. Insgesamt können wir pro Firma bis zu zehn Millionen Euro ausgeben. Es gibt außerdem eine zweite Einheit von
100 operativen Experten, die unseren Unternehmern ihre Serviceleistungen quasi wie ein Menü
zur Verfügung stellen. Wenn wir eine Due Diligence machen, sitzen wir mit den Unternehmern und
den jeweiligen Experten zusammen und versuchen
zu verstehen, wie wir den Startups helfen können.
Manchmal ist das nur Input, manchmal richtige
operative Manpower. Das geht meistens über einen intensiven Zeitraum von ein paar Monaten,
immer mit dem klaren Fokus auf den Aufbau eines
eigenen Teams im Venture.
Was erwartet einen Unternehmer, wenn er
zu Euch kommt?
FLORIAN: Anfangs gibt es eine sehr intensive Zusammenarbeit zwischen uns und dem Startup. Wir
versuchen auf Partnerebene etwa alle zwei Wochen in Kontakt zu stehen, meist sogar häufiger.
Im Idealfall gibt es auch einen Austausch auf fachlicher Ebene etwa mit unserem Head of Marketing
oder Head of BI. Im ersten Jahr arbeiten oft Leute
von uns in den Startups mit, bis sie sich selbst quasi
überflüssig gemacht haben.
„UNSER ZIEL
IST ES, DAS
GRUND-SETUP
EINES STARTUPS
ZU VERBESSERN“
Kannst Du Beispiele nennen?
FLORIAN: Catawiki ist ein gutes Beispiel. Wir
sind in einer für uns relativ späten Phase mit einem Co-Investment mit Accel eingestiegen. Es gab
bereits eine gut laufende Plattform: einen der führenden Marktplätze für außergewöhnliche Sammlerstücke. Wir konnten an zwei Stellen weiterhelfen: Wir haben das Performance-Marketing- und
CRM-Team ausgebaut. Anfangs haben unsere Experten Catawiki unterstützt, dann haben wir vier
Junior-Manager direkt von der Hochschule rekrutiert und so ausgebildet, dass sie die Positionen
besetzen konnten. Außerdem haben einige unserer
Entwickler geholfen, Data-Warehouse-Ent
NAME:
Project A Ventures
GRÜNDUNG:
Januar 2012
GRÜNDER:
Florian Heinemann,
Uwe Horstmann, Thies Sander,
Christian Weiss
MITARBEITER:
rund 100
STANDORTE:
Berlin, São Paulo
SERVICE:
Frühphasen-Investor
und operativer VC im Bereich
digitale Technologien
project-a.com
*Florian Heinemann ist Investor der Tomorrowland GmbH,
der Holding des Verlags NKF Media GmbH.
berlinvalley.com / 35
INVESTOREN
INVESTOREN
Wie läuft der interne Entscheidungsprozess?
UWE: Wir investieren nur, wenn einer von uns richtig
für ein Thema brennt. Dann sind die anderen meist
bereit mitzuziehen. Ich wollte beispielsweise Catawiki
unbedingt machen. Das war keine einfache Diskussion, und das ist auch richtig so. Wir haben uns viele
Gedanken gemacht, auch weil wir die Anforderungen der Gründer erfüllen wollten. Im Nachhinein war
es gut, dass wir uns dafür entschieden haben.
Woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem
Venture die Reißleine ziehen müsst?
FLORIAN: Wir hatten sechs Ventures, die wir als
Abschreibung zählen. Wenn wir merken, dass wir
eine bestimmte Funktionsfähigkeit nicht herstellen
können, ziehen wir die Reißleine. Wir fragen uns bei
jedem Geschäftsmodell vorher, woran man glauben
muss, um davon auszugehen, dass es funktioniert.
Wenn diese Hypothesen plausibel sind, glauben wir
sie so lange, bis sie aktiv widerlegt sind.
UWE: Dieser Baum der Hypothesen, die dem
Modell zugrunde liegen, ist ein sehr guter Check.
Wir stellen ihn vor jedem Investment auf, aber Du
kannst ihn eigentlich immer wieder anschauen,
wenn sich etwas verändert. Wenn wir an eine der
Hypothesen nicht mehr glauben können, müssen
wir umdenken.
Im Gespräch mit Jan Thomas von Berlin Valley: Florian Heinemann (l.) und Uwe Horstmann
Also kein echter Standardprozess?
FLORIAN: Teils, teils. Die meisten Unternehmer,
die zu uns kommen, haben schon Gründungserfahrung. Die ersten operativen Workshops machen wir
bereits, wenn wir das Investment vorbereiten. Unsere Teams sitzen dann mit dem jeweiligen Startup
zusammen, und aus den Gesprächen ergibt sich,
welche Punkte auf unserer ‚Menükarte‘ für das Unternehmen sinnvoll sind. Letztlich entscheidet aber
immer das Management der Firma, ob sie unsere
Unterstützung wollen. Sie ist keine Bedingung für
das Investment. Später gibt es eine Art Key Accounter auf Partnerebene, also Uwe, Christian, Thies oder
ich. Im ersten Jahr gibt es eine sehr intensive Phase
der Zusammenarbeit, auch mit unserem Head of BI
oder Head of Marketing. In diesem Zusammenspiel
erkennst du eine Reihe von Mustern. Du siehst, was
bei einem Startup funktioniert und versuchst, das auf
andere Themen zu übertragen.
So ein Apparat ist sicher sehr teuer.
Refinanziert sich Euer Modell?
UWE: Einen relevanten Teil der Kosten tragen wir
selbst. Das heißt, wir machen im Prinzip jedes Jahr
Verlust. Damit wir solvent bleiben, reinvestieren wir
die Management-Fee in den Apparat. Eigentlich sind
wir Partner wie Angestellte und verdienen aktuell nur
unser Gehalt. Das ist nicht kompatibel mit der Mentalität: ‚Ich mache mir als Partner auf Basis der Management-Fee die Taschen voll, obwohl ich eigentlich noch
36 / berlinvalley.com
nichts getan habe.‘ Bisher scheint es gut zu funktionieren, unsere Performance nach Kosten ist sehr gut.
Wir investieren selbst viel in den Fonds, und das wird
sich bezahlt machen. Für uns gibt es ein Commitment,
dass wir hier mindestens zehn Jahre arbeiten. Dieser
Vertrag ist gerade unterschrieben.
Ihr seid vier Partner. Wie funktioniert die
Zusammenarbeit?
UWE: Flo und ich arbeiten seit neun Jahren zusammen. Wir kennen die Stärken und Schwächen des
anderen. Andere Fonds sind fast franchiseartig in
Silos organisiert. Wir funktionieren eher wie ein
Jenga-Turm: Alles greift ineinander. Ich kümmere
mich um neue Deals, Florian gibt Marketing-Input,
Thies macht Funding/Financing und Christian kümmert sich um IT- und HR-Themen. Wir brauchen uns
gegenseitig sehr stark.
„EIN
GRÜNDERTEAM
AUSZUWECHSELN,
IST IMMER BLÖD“
Warum habt Ihr Euch für dieses Mischmodell
aus VC und Company Builder entschieden?
FLORIAN: Das ist für mich eine sehr persönliche
Entscheidung. Ich glaube, dass ich besser darin
bin, an der Seitenlinie zu stehen und Leute zu beraten als selbst zu spielen. Ich bin ein vernünftiger
Unternehmer, aber nicht herausragend in der Umsetzung. Dafür reizt es mich, von außen auf ein
Unternehmen zu schauen und Punkte zu identifizieren, an denen wir ansetzen können.
Von Euch gibt es Ausgründungen wie Loop­
line Systems oder Spryker. Ist das nicht
streng genommen Company Building?
UWE: Manchmal haben wir Unternehmer, die sagen: ‚Ich hab hier ein gutes Thema. Wollen wir das
nicht zusammen anschieben?‘ Das ist tatsächlich
eher Co-Founding als Inkubation. Bei Spryker war
unser eigener CTO Teil des Teams, das das Projekt
umsetzen wollte. Loopline haben wir als internes
Tool gebaut und unsere Head of HR fand das so
cool, dass sie das weiter ausbauen wollte. Also
haben wir das umgesetzt. Wahrscheinlich finden
sich viele Argumente dafür, dass es Schwachsinn
ist, unsere Wettbewerbsvorteile quasi auszugründen. Aber sei’s drum. Es steckt Potenzial in den
Ideen und wären wir darauf angewiesen, dass wir
diese ‚Secret Source‘ haben, läge das Problem
tiefer. Wir teilen das gerne. Im Bereich Business
Intelligence denken wir sogar darüber nach, Teile
unseres geistigen Eigentums Open Source zur Verfügung zu stellen. Spryker hat kürzlich auch einen
Teil seines Quellcodes veröffentlicht. So könnten
auch Leute, die nichts mit Project A zu tun haben,
eine Inhouse-Business-Intelligence aufbauen. Das
Ökosystem könnte auf jeden Fall davon profitieren.
Wie seht Ihr, wann Ihr eingreifen müsst?
FLORIAN: Wir müssen erkennen, ob der Kompass
noch richtig läuft. Wenn ein Gründer systematisch
schlechte Entscheidungen trifft, ist das problematisch. Häufig passiert es auch, dass jemand nicht
in der Lage ist, mit der Organisation zu wachsen:
Alle Beteiligungen des Frühphaseninvestors
Also reines Gutmenschentum?
UWE: Wir hoffen, dass das auf unsere Außenwahrnehmung einzahlt. Vielleicht hat der eine oder
andere dann noch mehr Lust, mit uns zusammenzuarbeiten. Außerdem werden wir besser, wenn
wir Feedback von außen bekommen. Und wir profitieren davon, wenn das Ökosystem wächst. Wir
haben ja kein Interesse daran, das Business-Intelligence-Know-how in der Startup-Szene gering zu
halten, damit wir selbst stärker hervorstechen. Wir
lernen viel eher vom Austausch mit klugen Köpfen
und je mehr Austausch es gibt, desto besser.
Auf welche Themen fokussiert Ihr Euch?
UWE: Wir kommen aus dem transaktionalen
B2C-Bereich, wo es viele Marktplätze und viel
E-Commerce gibt. Das bleiben auch wichtige Themen für uns. Aber wir haben uns gefragt, wo die
Schaufeln für diesen Goldrausch hergestellt werden. Für uns ist das der B2B-Bereich. Das Thema
haben wir dann mit Software-as-a-Service-Unternehmen in unser Portfolio aufgenommen. Seit ein
paar Monaten tauchen wir auch in das Thema
Digital Health ein, weil wir das spannend finden.
Das ist ein Bereich, in dem wir noch mehr operativen Mehrwert liefern können als beispielsweise im
E-Commerce. In dem Bereich haben wir mit Junomedical bereits ein erstes Investment und es sind
zwei weitere in der Pipeline.
Könnte es den Fall geben, dass Ihr das
Gründerteam bittet zu gehen, so wie das
bei Movinga geschehen ist? Oder würdet
ihr das Unternehmen dann eher schließen?
UWE: Zuerst stellt sich die Frage, ob die Hypothese richtig ist und ob wir mit dem richtigen Business-Modell unterwegs sind. Das Team ist dabei
ein wichtiger Punkt. Also muss man sich auch fragen, ob es mit diesem Team weitergehen kann.
Wenn das ganze Team wegbricht, ist es schwierig.
Wenn einer der Gründer wegbricht, kann man unter Umständen einen Ersatz finden.
FLORIAN: Es ist ein Missverständnis, dass wir –
oder auch Rocket – gerne Leute aus unseren Teams
schmeißen. Ein Gründerteam auszuwechseln ist immer blöd, selbst wenn das rechtlich möglich ist und
man die Anteile einziehen kann. Man muss dann
einen adäquaten Ersatz finden. Das bringt Unruhe
in die Organisation und verunsichert auch neue Investoren. Ich kenne keinen Investor, der gerne Leute rausschmeißt. In der Regel zerstört das auch erst
einmal viel Wert und Vertrauen. Für uns ist es der
Gründer, der sein Unternehmen treibt. Und bis zu einem gewissen Punkt tragen wir auch Entscheidungen
mit, die wir nicht für richtig halten, solange diese
Entscheidungen systematisch gefällt werden. Wir haben einen Zeithorizont von acht bis zwölf Jahren im
Blick, und langfristig ist es wichtig, dass die Gründer
die Ownership für ihr Unternehmen behalten. Das
wird nichts, wenn wir ihnen ständig sagen, was sie
zu tun haben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass
die Leute selbst kündigen, wenn man ihnen zu oft die
Verantwortung entzieht. Das ist langfristig schlimmer
als ein paar Fehlentscheidungen.
DAS PORTFOLIO VON PROJECT A VENTURES
Marktplätze, E-Commerce und transaktionale Geschäftsmodelle
Digitale Infrastrukturlösungen und Enabling Technologies
Exits
Fotos: Saskia Uppenkamp
wickler einzustellen und mit denen gemeinsam
das Data-Warehouse-System entwickelt. Dieses
System steuert das gesamte Content-Management
und die Kundeninteraktion. Mit der Zeit hat sich
unser Team immer weiter rausgenommen und heute hat Catawiki ein eigenes Team von zehn DataWarehouse-Entwicklern. Insgesamt wurde alles
nach einem Jahr komplett an das Startup übergeben. Im Vergleich dazu haben wir bei Pets Deli
relativ früh investiert und dann unter anderem den
Shop neu gebaut. Unser Team hat sich in den Bereichen IT, Data-Warehouse und Marketing eingebracht und dann – wie bei Catawiki – geholfen,
neue Leute für diese Bereiche einzustellen. Wir
setzen uns mit den Ventures zusammen und klären
gemeinsam, wie die Zielorganisation aussehen soll
und versuchen das möglichst schnell aufzubauen.
Welche Hypothesen sind dabei wichtig?
UWE: Es gibt zwei wichtige Hypothesen. Erstens:
Ist das Team in der Lage, das Business umzusetzen?
Zweitens: Ist Project A in der Lage, einen positiven
Impact zu leisten? Wenn wir beide Fragen noch mit
Ja beantworten, machen wir grundsätzlich weiter.
das Team aufzubauen, die Leute zu halten und zu
motivieren. Manchmal fehlt es dazu an der emotionalen Intelligenz, und die ist schwer zu trainieren.
Wir beobachten das sehr genau, aber jemanden
auszutauschen, bleibt für uns die Ultima Ratio. Das
machen wir sehr ungern.
Quelle: Project A Ventures
FLORIAN HEINEMANN, UWE HORSTMANN
Bevor Florian Heinemann und Uwe Horstmann 2012 Project A Ventures mitgründeten, waren beide Geschäftsführer bei Rocket Internet. Jeder von ihnen hat zahlreiche
Startups (mit-)gegründet, zudem sind beide
Investoren und Business Angels. Ihre Ausbildung absolvierten sie unter anderem an der
WHU in Vallendar.
Was haltet Ihr vom Blue-Yard-Ansatz? Dort
scheint die wichtigste Frage zu sein: Was
wäre, wenn das wirklich funktioniert? Businesspläne sind da erstmal nebensächlich.
UWE: Ich glaube, Ciarán O’Leary tut dem Ökosystem durch seine Herangehensweise sehr viel Gutes. Zeitgleich ist es ein Zeichen der Reife des
Ökosystems, wenn groß gedacht werden kann. Die
zunehmende Kapitalbereitstellung versetzt erst in
die Lage, dass wir auch hierzulande die großen
Denker haben, die sich für Deutschland oder Europa entscheiden, und nicht in die USA gehen.
Gerade starten immer mehr VCs, unter anderem von erfolgreichen Unternehmern gegründet. Professionalisiert sich der Markt?
FLORIAN: Ja, und zwar sowohl auf der VC- als
auch auf der Unternehmerseite. Es gibt immer
mehr Serial Entrepreneurs. Es gibt Leute, die bei
sehr guten Startups gearbeitet haben und dann
Unternehmer werden. Qualität und Quantität der
investierbaren Gelegenheiten nehmen tendenziell
zu. Ob schnell genug ausreichend Geld verfügbar
sein wird, kann ich noch nicht sagen. Aber der
Wettbewerb um die guten – oder vermeintlich guten – Deals wird weiter zunehmen. Als VC müssen
wir uns auf einen Markt einstellen, auf dem wir
informiertere Unternehmer treffen, die noch besser
und bewusster entscheiden als heute. Die heißen
Deals können sich aussuchen, wer bei ihnen investiert, so wie das im Silicon Valley auch der Fall
ist. Wir müssen uns wie fast alle deutschen VCs
im internationalen Wettbewerb fragen, warum die
guten Leute ihr Geld von uns nehmen sollten. Von
unseren Unternehmern fordern wir ja auch, dass
sie ihre USPs benennen können und sich klar am
Markt positionieren. Viele Investoren haben hier
Nachholbedarf und sind nicht klar positioniert. Es
gibt eine Reihe älterer VCs, die vermutlich nur deshalb einen guten Dealflow haben, weil sie früh da
waren und Geld hatten. Das wird sich verändern.
Unsere Aufgabe als operativer VC wird sein, unser
Serviceangebot so gut und so attraktiv zu gestalten,
dass wir gute Antworten auf die Frage ‚Warum wir?‘
geben können. Die größte Herausforderung ist es,
immer an den aktuellen Themen dranzubleiben, unsere Experten und das Serviceangebot up to date zu
halten. Wenn wir das gut machen, habe ich wenig
Sorgen, dass unsere Positionierung glaubwürdig und
werthaltig ist. Die Kernherausforderung ist: Schaffen wir es, für die Topexperten in den jeweiligen
Bereichen eine gute Heimat zu bieten?
Das Gespräch führte Jan Thomas.
berlinvalley.com / 37
INVESTOREN
Alexander Frolov, Partner von
Target Global, über den Reiz von
B2B-Modellen und warum Berlin für
Investoren attraktiver ist als London
Alexander, in Eurem Portfolio sind Unternehmen wie Delivery Hero, Gobutler,
Dreamlines und Book a Tiger – klassische
B2C-Marktplätze. Was macht Euch als
Investor in diesem Bereich einzigartig?
Unsere Vision ist es, einer Firma Kapital über das
ganze Spektrum – Seed, Early und Later Stage –
zur Verfügung zu stellen. Unser Fonds hat ein Volumen von mehr als 300 Millionen Dollar. Dadurch
können wir Unternehmen mehr Kapital als andere
zur Verfügung stellen – jeweils in Portionen von
fünf bis 30 Millionen Dollar.
Ein starkes Argument. Aber es geht doch
nicht nur ums Geld?
Nein, das ist nicht der Hauptgrund, aber es hilft.
Wir bieten auch viel Wissen in verschiedenen Bereichen. Ein Partner befasst sich nur mit Fintechs.
Ein anderer, Yaron Valler, hat vorher für Hasso
Plattner Ventures gearbeitet und kennt sich mit
SaaS und Unternehmenssoftware aus. Und da wir
mit einem Bein in Israel stehen, haben wir einen
guten Draht zu den hochtechnisierten Firmen vor
Ort. Wir sind sehr international. Mit Dreamlines
sind wir inzwischen in zehn Ländern. Delivery
Hero agiert in 30 Ländern. Wir kennen die Welt,
und wir helfen Firmen zu verstehen, wie Sachen
funktionieren, an die sie vielleicht vorher nicht
gedacht haben.
Genau. Du kannst anfangen und für Disruption sorgen. In der ganzen Branche verdienen Leute eine
Menge Geld, aber die Kunden sind nicht unbedingt glücklich mit ihren Erfahrungen. Das ist eine
gute Basis dafür, dass etwas passieren muss.
Welche Bereiche habt Ihr noch im Auge?
Wir beobachten eine Konvergenz des Marktplatz-Modells mit Software-as-a-Service. Ein Beispiel ist unser Investment in Docplanner. Die stellen
auf der einen Seite eine Plattform zur Arztwahl bereit. Zum anderen gibt es auch eine Software für
Ärzte, um Patientendaten zu verwalten. Ein weiterer Trend ist B2B. Business-Kunden sind großartig,
wenn man sie bekommt. Sie verdienen mehr, sie
haben mehr Life-Time-Values.
Kannst Du ein Beispiel nennen?
Wir haben vor Kurzem mit Rocket Internet und
­Lukasz Gadowski in den Caterer Lemoncat investiert. Caterer machen B2B-Geschäfte auf zwei Seiten – mit dem Caterer und mit dem Unternehmen,
an das sie Caterer-Marketplaces-Services verkaufen. Viele Unternehmen arbeiten so. Ich bin gespannt, wie deutsche Gründer dieser Herausforderung gewachsen sind. Wenn sie es schaffen, wird
es viele wertvolle Unternehmen geben.
Target Global unterhält Büros in Moskau,
Tel Aviv und Berlin. Welche weiteren
Hot­spots sind interessant?
Ich denke, London wird weiterhin aktiv sein. Man
wird sehen, wie der Standort sich nach dem Brexit
verändert. Außerdem ist Barcelona sehr aktiv,
Was mögt Ihr an Berlin?
Wir hatten die Wahl zwischen Berlin und London.
Berlin hat schließlich aus verschiedenen Gründen
besser gepasst. Zum einen weil die Firmen, nach
denen wir aus den Bereichen Business Process Innovation und B2C suchen, hier ansässig sind. In
London sind es eher Unternehmen aus den Bereichen Life Science und Halbleiter, die uns nicht interessieren. Zum anderen ist die Kapitalstruktur in der
Early Stage hier viel gesünder. In Großbritannien
gibt es viele Steuervorteile. Man kann 100.000
Euro investieren und bekommt 100.000 Euro auf
der Steuerabrechnung zurück. Das führt zu der verrückten Situation, dass Dinge gefundet werden, die
nicht gefundet werden sollten.
Beschreibe bitte das Konzept Eures Fonds.
Partech Ventures deckt das gesamte Spektrum an Finanzierungsbedarf bei
Tech- und Digitalunternehmen ab. Unsere Investment-Plattform agiert dabei
sowohl in Europa als auch in den USA mit folgenden drei Herangehensweisen:
Es gibt einen Seed-Fonds (Partech Entrepreneur Fund, circa 100 Millionen
Euro), einen Venture-Fonds (Partech International Ventures Fund, circa
350 Millionen Euro) und einen Growth-Fonds (Partech Growth Fund, circa
400 Millionen Euro). Pro Jahr führen wir rund 40 bis 50 Investitionen durch,
deren Höhe von 150.000 Euro bis zu 50 Millionen Euro variieren.
Für welche Unternehmen könnt Ihr Euch begeistern?
Wir tätigen Investitionen in richtungsweisende Unternehmen aus den Bereichen
Internet und mobile Services, Business-Software und -Anwendungen,
Fintech und Insurtech, intelligente Hardware sowie IoT und fortgeschrittene
Technologien, auf die folgende Punkte zutreffen: Herausragende und
vielseitige Management-Teams, hochdifferenziertes Produkt beziehungsweise
Service, kurze Einführungs- und Sales-Schleifen, nachweisliche Traktion
und Retention, übersichtliche Kundenakquisitionskosten und Best-in-ClassWirtschaftseinheiten, gezielte Ansprache großer Absatzmärkte und Industrien.
„IN LONDON
DENKT MAN
SICH: WARUM
ZUR HÖLLE
MACHEN
DIE DAS?“
Fotos: Partech Ventures
„WIR KENNEN
DIE WELT”
ebenso Skandinavien. Im Prinzip könnte man ein
tolles Unternehmen überall in der Welt gründen.
Ist der Markt überhitzt?
Ja, irgendwie schon. Es ist einfach nicht gesund,
was dort passiert. Die Leute, die hier investieren,
sind Entrepreneure. Sie verstehen, was funktioniert
oder was zumindest eine Chance hat zu funktionieren. Und deshalb ist das Umfeld in Berlin für
uns als VCs, die zur Seed Stage oder später dazustoßen, wertvoller. Die Leute hier tun die richtigen
Sachen. In London oder in anderen Städten denkt
man sich: ‚Warum zur Hölle machen die das?‘
Wie geht es bei Euch weiter?
Wir stellen ein! Wir wollen unser Team erweitern.
Das Gespräch führte Jan Thomas.
Alexander Frolov ist seit 2012 Partner bei Target Global und spezialisiert auf digitale B2C-Investments.
Hilft Eure Internationalität auch bei der
Kapitalbeschaffung?
Ja. Bei Goeuro haben wir zum Beispiel Battery
Ventures, NEA und kürzlich auch Goldman Sachs
aus den USA an Bord geholt. Dieses Angebot,
das wir Gründern machen können, unterscheidet
uns von anderen.
Weil man das sehr einfach algorithmenbasiert machen kann. Man braucht kein
Unternehmen mit zigtausend Angestellten.
38 / berlinvalley.com
Fotos: Adela Dupetit
Investoren benehmen sich oft wie Lemminge.
Was wird der nächste Bereich sein, auf den
sich alle stürzen?
Interessante Frage. Ich habe vor ein paar Wochen
Garrett Camp, Mitgründer von Uber, in London getroffen. Er hat gesagt: ‚Versicherungen!‘ Versicherungen sind das große Ding in den USA, und wir
werden es auch in Europa sehen. In Berlin sind wir
beispielsweise Co-Investor bei Finleap und Clark,
und es gibt noch weitere Startups wie Financefox
und Knip. Das ist auf jeden Fall ein Bereich, den
man sich anschauen muss.
Welche Mehrwerte bietet Euer Fonds?
Wir sind eine global agierende Technologie-Investment-Plattform, die
Unternehmern neben Kapital mit vielen weiteren Services beratend zur Seite
steht: Die Plattform fungiert als transatlantische Brücke zur internationalen
Expansion sowie als umfassender Beratungsdienstleister.
Beschreibe doch bitte Euer Team.
Mittlerweile sind wir an die 40 Mitarbeiter an drei Standorten (Berlin, Paris
und San Francisco), die als ein Investment-Team eng zusammenarbeiten.
Olivier Schuepbach, General Partner des Berliner Büros bei Partech Ventures
Die zehn Partner haben höchst vielfältige und sich komplementierende
Expertisen – die meisten sind selbst Unternehmer oder hielten Management-Funktionen in verschiedenen Technologie-Unternehmen.
Wie viele Unternehmen befinden sich in Eurem Portfolio?
Mehr als 120 Unternehmen. Wir rechnen damit, innerhalb der nächsten
zwölf Monate weitere 40 bis 50 Investitionen hinzuzufügen.
Antworten von Olivier Schuepbach partechventures.com
PIVOT
PIVOT
WIE MAN
DEN KURS
KORRIGIERT
DER RICHTIGE DREH
So verschieden können Pivots sein,
nach Eric Ries
Warum es manchmal wichtig ist, den Kurs zu wechseln, um erfolgreich zu sein
Der Fernbusmarkt in Deutschland war gerade frisch liberalisiert.
Und natürlich wollten Kunden jetzt Bustickets online vergleichen,
so wie sie das bei Flugtickets auch tun. Angebot und Nachfrage
auf einer Mobilitätsplattform zu matchen – das war die Vision
von Julian Hauck und Johannes Thunert, den Mitgründern von
Fahrtenfuchs. Sie hatten bereits einen Algorithmus, bauten einen
Prototyp und konnten Investoren von der Idee überzeugen. Im
Dezember 2014 sammelte das Startup in einer Seed-Runde eine
siebenstellige Summe ein.
Doch dann entwickelte sich das Geschäft nicht wie erwartet.
Auch die geplante Einbindung des öffentlichen Nahverkehrs
stellte sich als technisch aufwendig und ökonomisch unattraktiv heraus. „Wir haben uns entschieden, weiter in die Tiefe zu
gehen und die Busse nicht nur vergleichbar, sondern die Tickets
auch buchbar zu machen“, erzählt Johannes Thunert. Die Inte­
gration des Nahverkehrs wollten sie stoppen, doch die Investoren waren anderer Meinung. Sie wollten die Neuausrichtung
unter dem Namen Distribusion nicht finanzieren. Von den zwölf
Mitarbeitern mussten alle bis auf zwei gehen. Distribusion stand
vor dem Aus.
EIN PIVOT KOMMT IN DEN BESTEN STARTUPS VOR
Nur fünf Prozent der Businesspläne werden so umgesetzt, wie
sie geschrieben werden, sagt Nils Högsdal, Professor für Corporate Finance und Entrepreneurship an der Hochschule der Medien in Stuttgart. „Das bedeutet aber nicht, dass 95 Prozent der
Startups scheitern. Sie machen nur zum Teil etwas anderes.“ Ein
Kurswechsel oder auch Pivot ist also keinesfalls die Ausnahme,
sondern kommt in den besten Unternehmen vor. Mehr noch: „Ein
erfolgreiches Startup macht im Schnitt drei Pivots“, sagt Högsdal.
Das Startup Genome Project stellte in einem Report vor ein paar
Jahren fest, dass Startups, die einen oder zwei Pivots machen,
mehr Kapital einsammeln (2,5-mal mehr), ein höheres Nutzerwachstum haben (3,6-fach) und mit einer höheren Wahrscheinlichkeit (52 Prozent) früher skalieren als Startups, die mehr als
zwei Pivots oder gar keinen machen.
„Ein Pivot bedeutet, dass mindestens ein Aspekt des ursprünglichen Geschäftsmodells geändert wird“, erläutert Högsdal. „Es
bedeutet nicht, dass man alles über den Haufen wirft.“ Dafür
wählt er das Bild eines Kletterers in der Steilwand, der nur an
einer Stelle loslassen kann, um sich neuen Halt zu suchen. „Man
sollte maximal ein oder zwei Aspekte ändern“, rät Högsdal,
„sonst weiß man nicht mehr, was erfolgreich war.“ Eine typische
Anpassung sei etwa die Umstellung des Modells von einer Lösung für Endkunden auf ein Business-to-Business-Modell oder die
Umstellung einer App von Werbefinanzierung auf ein Abo-Modell. Wichtig sei aber, um im Bild des Kletterers zu bleiben, dass
man immer noch den gleichen Gipfel anpeilt, also die gleiche
Vision verfolgt.
haben“, sagt Högsdal. Daher sei es wichtig, die
einzelnen Schritte des Pivots zu validieren. „Jeder Pivot beruht auf einer Annahme, die überprüft
werden muss.“ Und anders als bei der klassischen
Sichtweise geht es nicht darum, das neue Modell
über Monate hin zu entwickeln, sondern in einem
schnellen Iterationsprozess von Bauen, Messen,
Lernen anzupassen. „Es ist besser, zehnmal klein
zu scheitern mit einem überschaubaren Budget, als
alles auf eine Karte zu setzen“, sagt Högsdal.
Bei einem strukturierten Kurswechsel geht es darum, Daten zu sammeln und daraus Rückschlüsse zu
ziehen. „Wer erfolgreich sein will, darf nicht stur
auf seinem Kurs fahren, sondern muss sich nach
dem Wind richten“, sagt Högsdal. „Wichtig ist
es, sein Ziel vor Augen zu haben, aber man sollte
nicht blind am Kurs festhalten.“ Das falle allerdings
vor allem Alleingründern schwer.
ES GEHT UM EINE STRUKTURIERTE KURSKORREKTUR
Eric Ries, der Begründer der Lean-Startup-Methode, definiert
den Pivot in seinem Buch „Lean Startup“ als eine „strukturierte Kurskorrektur“. Es geht also um eine geplante Anpassung.
„Der Pivot darf keine Ausrede für Gründer sein, die keinen Plan
RECHTZEITIG MIT DEM INVESTOR REDEN
Doch wie erklärt man seinen Investoren, die man ja
von dem ursprünglichen Weg überzeugt hat, dass
man nun einen anderen Kurs nimmt? „Erfahrene
Business Angels wissen, dass sie kurzfristig über
Anpassungen informiert werden“, meint Högsdal.
„Wenn die Vision die gleiche bleibt, dann werden
sich die Investoren darauf einlassen“, sagt Uwe
Horstmann, Mitgründer des Frühphaseninvestors
Project A Ventures. Es gehe ja nicht darum, etwas
wild auszuprobieren. „In einer idealen Welt macht
man den Pivot frühzeitig, wenn noch Geld auf dem
Konto ist.“ Ob man die Investoren überzeugen könne dabeizubleiben, sei eine Kommunikationsfrage.
Daher sei es wichtig, die Investoren frühzeitig mit
einzubinden. „Das unterscheidet gute von schlechten Unternehmern, auch in dieser Situation noch
überzeugend zu sein.“ Trotzdem bleibe es eine Herausforderung. „Ich würde immer auf die Lernkurve
abstellen“, rät Horstmann. „Dann ist das für den
Investor leichter zu verdauen. Es ist gut, wenn man
“EVERYO
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CHED IN
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D ER EX-BO
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M PI O N M
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„Business ist nichts anderes als ein Knäuel
menschlicher Beziehungen.“ Svenja Klüh und
Cristin Liekfeldt drehen für den Companisto-Blog
regelmäßig Videos über Startups, Investoren
und Zukunftstechnologien.
Das Video-Interview zum Thema Pivot mit
Investor Olaf Jacobi findet Ihr bei unserem
Kooperationspartner Companisto:
companisto.com/blog
40 / berlinvalley.com
Foto: Cristin Liekfeldt, Illustrationen: Louisa Pepay
MEHR ONLINE
sagen kann, was man jetzt weiß und
vorher eben nicht wusste.“
Seine Vorgehensweise beschreibt er
so: „Wir stellen eine Investmenthypothese auf. Solange die nicht grundlegend widerlegt ist, glauben wir, dass
es einen Weg dahin gibt. Und dass
das Team in der Lage ist, diesen Weg
zu finden.“ Auch seine Erfahrung
sagt: Es klappt meistens nicht beim
ersten Mal.
Im schlimmsten Fall gelingt es den
Gründern nicht, eine vertrauensvolle
Beziehung zu den Investoren aufzubauen – und das Geld ist zu Ende.
„Das ist die schwächste Position“,
sagt Horstmann.
In genau so einer kritischen Situation befand sich Distribusion vor dem
Pivot zum B2B-Anbieter einer innovativen Buchungstechnologie für Fernbusse im Sommer 2015. Zunächst
floss eigenes Geld in das Unternehmen, dann konnten die Gründer neue
Investoren für den neuen Kurs gewinnen. Es gelang ihnen eine Series-A-Finanzierung über sechs Millionen
Euro von den internationalen Investoren Northzone, Creandum und HR
Ventures einzuwerben. Inzwischen
arbeitet Distribusion mit mehr als 150
Fernbusanbietern aus mehr als 25
Ländern zusammen. Die neueste Entwicklung: Distribusion kooperiert nun
mit Amadeus, einem weltweit führenden Anbieter von IT-Lösungen für die
Reisebranche mit einem Umsatz von
knapp vier Milliarden Euro.
Corinna Visser
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Zoom-in
Hierbei wird eine einzelne Funktion, die zuvor Teil
eines Gesamtpaktes war, zum Produkt.
Zoom-out
Der umgekehrte Schritt: Das Gesamtpaket wird auf
eine einzelne Funktion reduziert und als Teil eines
größeren Produkts angeboten.
Kundensegment
Das Produkt löst ein Problem, aber für eine andere
Gruppe von Kunden als ursprünglich gedacht.
Kundenbedarf
Der anvisierte Kunde hat ein anderes Problem, das
sich zu lösen lohnt, als ursprünglich gedacht.
Plattform
Aus einer Anwendung wird eine Plattform – oder
umgekehrt.
Geschäftsarchitektur
Aus einem Geschäft, das auf hohe Margen und
niedrige Volumen ausgerichtet ist, wird eines mit
niedrigen Margen, aber hohem Volumen – oder
umgekehrt.
Wertschöpfung
Das Unternehmen wechselt seine Wachstumsstrategie,
um ein schnelleres oder gewinnbringenderes
Wachstum zu erreichen.
Wachstumsmotor
Es gibt virale, zähe oder bezahlte Wachstumsmodelle. Meist erfordert der Wechsel des Wachstumsmotors auch einen Wechsel der Wertschöpfungsmethode.
Absatzweg
Ein Wechsel des Verkaufskanals – zum Beispiel
durch den direkten Verkauf an den Endkunden.
Technik
Dieselbe Lösung wird mit einer anderen Technologie erreicht, mit der höhere Preise und/oder bessere
Leistung erzielt werden.
Quelle: Eric Ries, „Lean Startup – Schnell risikolos und erfolgreich Unternehmen gründen.“, aus dem Englischen von Ursula
Bischoff, Redline Vertrag, 19,99 Euro
PIVOT
Was haben die Investoren gesagt?
Ich bin immer brutal ehrlich. Ich verspreche niemandem das Blaue vom Himmel. Wir haben eine
klare Vision, an die wir glauben, und die testen
wir. Dazu dient unser monatliches Reporting. Investoren wollen ein kreatives Team, das mit offenen
Karten spielt und die richtigen Rückschlüsse aus
den Daten zieht. Als ich den Strategiewechsel das
erste Mal angedeutet habe, haben tatsächlich alle
die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.
Ich konnte das aber mit Daten untermauern. Inte­
ressanterweise folgen uns jetzt unsere Wettbewerber – zumindest in den USA.
Wie haben die Kunden reagiert?
Wir fragen die Kunden nach jeder Buchung, wie der
Prozess und die Reinigungsdienstleistung waren. Im
vergangenen Sommer hatten wir im Schnitt eine Bewertung von 3,8 von fünf möglichen Sternen. Seit
drei Monaten sind wir jetzt bei 4,5 Sternen. Offensichtlich gefällt den Kunden, was wir machen.
Dabei seid Ihr teurer geworden …
Ja, wir zahlen jetzt den Tariflohn, der in Westdeutschland bei 9,80 Euro liegt. Wir waren auch als
Plattform schon hochpreisiger als die Konkurrenz.
„ICH BIN IMMER
BRUTAL EHRLICH“
Book-a-Tiger-Gründer Nikita
Fahrenholz erklärt, warum sein
Unternehmen das Geschäftsmodell
geändert und wie er die Investoren
von dem Kurswechsel überzeugt hat
Nikita, warum habt Ihr Euer Geschäfts­
modell umgestellt?
Wir haben festgestellt, dass unsere Kunden – vor
allem Privatkunden – zwei Dinge wollen: immer
die gleiche Putzfrau und gute Qualität in der Reinigungsleistung. Das konnten wir mit dem Plattformgedanken nicht erfüllen. Beim Freelancer-Modell
waren wir nicht weisungsbefugt, das heißt, wir
konnten den Reinigungskräften nicht sagen, wann
sie wo sein sollen, wie sie etwas machen sollen
und wie sie dabei auszusehen haben. Das können
wir jetzt, weil wir sie anstellen.
Ihr macht aus einer digitalen Plattform
eine Handwerksfirma?
Wir sind trotzdem noch eine Plattform, interpretieren
es nur anders. Wir können natürlich noch immer
sehr kurzfristig Nachfrage und Angebot miteinander matchen. Nur das Verhältnis zwischen uns
und unseren Reinigungskräften ist enger. Wir haben dadurch viele Vorteile: Wir können unsere Arbeitnehmer schulen, genau auswählen, wer zu uns
42 / berlinvalley.com
passt und Anweisungen geben. Diese Faktoren haben eine direkte Wirkung auf die Qualität unseres
Angebots und das Kundenerlebnis.
Bleibt ihr eine Tech-Company?
Wir haben einen digitalen und effizienten Ansatz.
Vermutlich gibt es keine andere Reinigungsfirma,
die so viele Entwickler hat wie wir. Wir haben vier
Data Scientists, die sich den ganzen Tag darüber
Gedanken machen, wie die Plattform die gesamte Aussteuerung automatisch ausführen kann. Unser Ziel ist es, eine digitale Facility Management
Company zu bauen und damit diese Branche zu
revolutionieren. Wir wollen automatisieren, was
die Konkurrenz manuell macht.
Was war die größte Schwierigkeit
beim Umbau?
Wir sind von 100 auf mehrere hundert Angestellte
gewachsen und so innerhalb von nur sechs Monaten zur größten Reinigungsfirma für Privathaushalte
in Deutschland geworden. Dabei mussten wir viel
lernen, zum Beispiel wie wir Reinigungskräfte ausbilden. Dafür haben wir jetzt die Tiger Academy. Und
wir mussten unser Recruiting umstellen, von ‚Hey,
hast Du nicht Lust, als Freelancer bei uns zu arbeiten?‘ hin zur Rekrutierung qualifizierten Personals.
Wie viele Leute habt Ihr jetzt?
Wir kommunizieren die Zahl nicht mehr, weil sie
wettbewerbsrelevant ist. Wir gehen aber mit sehr
großen Schritten auf 1000 Mitarbeiter zu.
Und die Kunden machen das mit?
Der Schwarzmarkt ist natürlich immer noch viel
günstiger. Aber meiner Überzeugung nach ist
es falsch, sich einerseits bei Starbucks einen
Fairtrade-­Kaffee für sechs Euro zu kaufen und sich
andererseits das eigene Klo für weniger als zehn
Euro die Stunde putzen zu lassen.
„INVESTOREN
WOLLEN EIN
KREATIVES
TEAM, DAS
MIT OFFENEN
KARTEN
SPIELT“
Wollen die Reinigungskräfte tatsächlich
eine Festanstellung?
Der Großteil ja. Wir arbeiten bereits heute daran,
in ein bis zwei Jahren Bonusvereinbarungen treffen
und Karrieremöglichkeit bieten zu können. Dann ist
der Job eine echte Alternative – sowohl monetär
als auch vom gesellschaftlichen Status.
Gibt es einen Rat, den Du anderen
Gründern geben kannst?
Man sollte darauf hören, was der gesunde Menschenverstand sagt. Das klingt einfach, aber man
kann sich in Startup-Situationen sehr leicht belügen. Es wächst alles schnell, und man schaut nur
den Umsatz an oder die Klicks und vergisst, wo
das Business steht und ob wirklich alles Sinn macht,
was man tut. Für uns war es wichtig zu wissen, wo
wir in fünf Jahren stehen und worauf wir dann stolz
sind. Bei dem Plattform-Modell wusste ich nicht immer zu 100 Prozent, ob das Feedback positiv ausfällt. Das hat mich nicht stolz gemacht. Mittlerweile
weiß ich, dass das nicht mehr passieren kann, weil
alle gut ausgebildet sind. Das ist mir wichtig.
Das Gespräch führten Anna-Lena Kümpel und Corinna Visser.
Fotos: Jann Venherm
Chef einer modernen Reinigungsfirma: Nikita Fahrenholz ist einer der beiden Gründer von Book a Tiger.
PIVOT
PIVOT
AM ANFANG FEHLTE DER MUT
DER MARKT WAR
NICHT BEREIT
„Der Pivot war einer unserer Gründungsmomente“, sagt Valentin Stalf, Gründer von Number26 (jetzt N26)
Bau en eine Ban k:
das Team von N26
„Die Idee zu N26 ist Maximilian und mir Anfang
2013 gekommen. Wir saßen zu Hause in Wien
und haben über verschiedene Ideen nachgedacht.
Dann kamen wir auf die geniale Idee, eine Taschengeldkarte mit App (namens Papaya) für Eltern
und Kinder auf den Markt zu bringen. Im Nachhinein betrachtet ein kleiner und schwieriger Markt,
daher ist es nicht überraschend, dass fast alle unsere ersten Business Angels Kinder im Teenageralter
hatten. Als das Produkt dann in der Testphase war,
kamen immer mehr Tester auf uns zu, die das Produkt nicht für ihre Kinder, sondern für sich selbst
verwenden wollten. Das Teenager-Produkt war der
Anfang und hat uns den Weg zur größeren Idee
gezeigt. Eine Mobile Bank zu gründen, dafür hat
uns anfangs noch der Mut gefehlt.
Im Nachhinein ist die Taschengeldkarte eine verrückte Idee, eigentlich irre, dass wir daran so fest
geglaubt haben und das Produkt bis zum Launch
entwickelt haben. Die Entscheidung zum Pivot ist
relativ rasch nach dem Start der Beta-Phase gefallen. Als Gründer wussten wir schnell, dass in
der Mobile Bank von morgen größeres Potenzial
steckt. Relativ bald haben wir dann unsere Investoren eingebunden. Die konnten wir zum Glück
schnell für unsere neue Idee gewinnen, auch wenn
das nicht ganz einfach war.
Unsere Vision ist es, eine paneuropäische Bank zu
bauen, die am Smartphone eine exzellente Erfahrung bietet und gleichzeitig die besten Produkte mit
einem Klick zugänglich macht. Seit unserem Launch
von circa eineinhalb Jahren haben uns mehr als
200.000 Kunden ihr Vertrauen geschenkt. Heute beschäftigen wir bei N26 in Berlin rund 140 Mitarbeiter 20 verschiedener Nationalitäten. Beim Aufbau
eines Unternehmens gibt es viele Gründungsmomente, einer war sicher unser Pivot, aber man ist jeden
Tag mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Wer
genügend Durchhaltevermögen mitbringt, hat am
Ende zumindest die Chance, ein langfristig erfolgreiches Unternehmen aufzubauen.“
„Mit dem Feedback änderten wir das Modell“,
sagt Christian Henschel, CEO von Adjust
„Bei der Gründung von Adjust beruhte das Geschäftsmodell auf Mobile Ad Verification, sprich
der Überprüfung, ob Anzeigen realen Menschen
an realen Orten gezeigt werden. Aus dem Konzept
entstand ein Prototyp, der in alle Ad-Netzwerke integriert werden musste, damit die Verifizierung funktioniert. Nachdem der Prototyp fertig war, mussten
wir leider feststellen, dass der Markt für diese Art
Technologie noch nicht bereit war. In erster Linie
waren Medienagenturen und nicht App-Entwickler
am Kauf des Produktes interessiert. Dieser Umstand
reduzierte aber die von uns geschätzte Marktgröße
erheblich, da zu Anfang App-Entwickler mit eingerechnet wurden. Während erster Tests stellte sich
zudem heraus, dass auf dem Markt noch eine Lücke für Attribution, also die Zuordnung von Ads,
bestand: Es gab bereits Akteure, die sich mit dem
Problem befassten, jedoch waren diese nicht für
die Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen
geeignet (was Privatsphäre und Datenschutzverordnung betraf).
Mit den Erkenntnissen aus den Tests sowie dem Feed­
back des Marktes änderten wir das Geschäftsmodell
im August/September und stellten auf App-Attribution um. Zudem suchten wir im Netzwerk nach Ingenieuren, die neue Expertise ins Team einbringen.
ERST EINE APP, DANN EINE PLATTFORM
Au f de n B2B-M ark t fok
uss ier t: da s Tea m von
Zum Zeitpunkt der Umstellung hatte Adjust nur einen
Investor, Target Partners, der bereit war, die gesamte
Reise mit Adjust zu bestreiten. Aus seiner Erfahrung
heraus verstand Target die Erkenntnisse, die Adjust
auf dem Markt gesammelt hat, und stimmte der Entscheidung im vollem Umfang zu. Der Investor wusste, dass diese Art des Lernens Teil des Prozesses ist.
Mittlerweile hat sich der Markt weiterentwickelt und
Adjust ist zum anfänglichem Konzept zurückgekehrt,
jedoch mit einem neuen Blickwinkel. Die Bekämp-
t
fung von mobilem Ad-Betrug (Fraud) ist zu einem
wichtigen Bestandteil des Produkts geworden. Der
Markt ist zunehmend bereit, sich mit dem Problem
der Zuschreibung auseinanderzusetzen und Adjust einen Schritt näher, es zu lösen. Die vielen Erkenntnisse, die über den Markt gesammelt wurden,
können nun in die Entwicklung des Produktes mit
einfließen. Nichtsdestotrotz gibt es noch viele Entwicklungsrichtungen für Adjust, von denen viele heute noch gar nicht absehbar sind.“
Hannes Klöpper, CEO von Iversity, testete den
Markt mit einem Wettbewerb
Fig o
Fotos: Adjust, Figo, Number26, Iversity
44 / berlinvalley.com
Diensten seiner Kunden und mehr als 55 Millionen
Online-Banking-Konten in Deutschland und Österreich. Neben Fintechs nutzen auch Banken und
Großunternehmen die Lösung. Figo hat heute 31
Mitarbeiter, und 700 Entwickler arbeiten derzeit
mit der API.“
Dritten innovative Services mit Banking-Funktionen. Durch die Integration der Figo-Banking-API
können diese ihre Anwendungen, Produkte und
Dienstleistungen an derzeit mehr als 3100 Finanzquellen anbinden. Figo schlägt mit der Banking-asa-Service-Plattform die Brücke zwischen modernen
die Grü nd er von Ad jus
WEITERBILDUNG
IM VISIER
„Es war ein schmerzhafter Prozess“, berichtet André M. Bajorat, zuerst Business Angel, jetzt CEO von Figo
„Figo startete 2012 als Banking-App, die sich an
Endkunden richtete. Ziel war es, dem Nutzer ein
finanzielles Zuhause zu geben und die Bank als
Frontend zu ersetzen. Doch 2013 gab es Probleme,
die App über den Appstore von Apple anzubieten,
was beinahe das Ende des jungen Unternehmens
zur Folge hatte. Ein B2B-Angebot war zwar schon
länger Teil der Figo-Idee gewesen. Allerdings haben wir uns zu Beginn auf den B2C-Case fokussiert. Daher war es keine totale Überraschung, als
der Pivot im Gesellschafterkreis besprochen wurde. Dennoch war es ein schmerzhafter und harter
Prozess für das gesamte Team. Mit dem Zuspruch
der richtigen Menschen um uns herum, ist es uns
aber gelungen. Kunden und Lieferanten haben wir
sehr klar und offen über die Situation in Kenntnis
gesetzt und hatten das Glück, dass diese uns zum
großen Teil treu geblieben sind.
Ende 2013 begann der Fintech-Boom. Immer mehr
Unternehmen identifizierten ein Problem im Finanzwesen, dessen Lösung sie in modernen und benutzerfreundlichen Anwendungen sahen. Genau an
der Stelle kommt Figos API ins Spiel, die im Rahmen
der App-Entwicklung ohnehin schon für Figo selbst
das Mittel zum Zweck war. Der Bedarf, Finanzquellen innerhalb kürzester Zeit in eigene Services zu
integrieren, war so groß, dass sich daraus die jetzige Geschäftsidee entwickelte. Figo ist der erste
Banking-Service-Provider Europas und ermöglicht
Im me r in Be we gu ng:
„Die Idee zu Iversity entstand ursprünglich aus der
Frustration über die digitale Abstinenz der Hochschulen. In der Lehre wurden lediglich benutzerunfreundliche Learning-Management-Systeme eingesetzt, bei denen es sich letztlich um PDF-Friedhöfe
handelte. Das wollten wir ändern. Aber wir mussten schnell erkennen, dass Hochschulen für Start­
ups schwierige Kunden sind. Der Vertriebsprozess
war sehr zäh. Als die Massive Open Online Courses (MOOCs) aufkamen, sahen wir die Chance,
das Thema Online-Lernen ganz unabhängig von
bestehenden Institutionen voranzubringen. Zusammen mit dem Stifterverband für die Deutsche
Wissenschaft lobten wir bei einem Wettbewerb
250.000 Euro für die besten Online-Kurs-Konzepte
aus. Die Resonanz war groß, schon am Tag unseres Launches im Oktober 2013 hatten wir mehr als
100.000 angemeldete Nutzer.
Im Anschluss wuchs unser Angebot kostenloser
akademischer Online-Kurse aus allen Wissensgebieten weiter. Dabei haben wir nicht nur mit
Hochschulen zusammengearbeitet, sondern zum
Beispiel auch mit der EU, den Vereinten Natio-
si ch je tz t
Ko nzen tr ie rt
au f de n Au sb
nen und dem WWF. Mitte 2015 haben wir unser
Geschäftsmodell geändert und uns das Thema
Weiterbildung vorgenommen. Dabei konnten wir
natürlich auf all das zurückgreifen, was wir zuvor
gelernt haben, wie man gute Online-Lehre gestaltet. Zusammen mit der WHU haben wir einen Kurs
zum Thema Visual Thinking entwickelt, der sowohl
bei Berufstätigen als auch Unternehmen hervorra-
au de s
gs an ge bo
Wei te rb ild un
ts: da s Te am
vo n Iver si ty
gend ankam. In den letzten Monaten konnten wir
mit unserem Angebot einige namenhafte Kunden
wie etwa die Deutsche Bahn, KPMG, RWE, die
Commerzbank oder auch den Stahlhändler Klöckner gewinnen. In 2016 werden wir uns voll auf den
Ausbau unseres digitalen Weiterbildungsangebots
konzentrieren. Das werden wir jetzt allerdings mit
neuen Investoren tun müssen.“
berlinvalley.com / 45
PIVOT
PIVOT
War selbst Startup-Unternehmer: Olaf Jacobi. Er weiß daher,
wie es ist, wenn man als Gründer seinen Investoren den Kurswechsel erklären muss.
NAME:
Capnamic Ventures
GRÜNDUNG:
Februar 2013
Aufsichtsrat. Aber die Gründer sind ja ganz nah
dran, setzen die Dinge täglich um und reden mit
den Kunden. Wenn die nicht drauf kommen … Natürlich möchte ein Gründer nicht so einfach aufgeben, es ist ja schließlich seine Idee. Dann ist der
Investor als Partner da, um zu fragen: ‚Rennst du
dich da jetzt nicht tot?‘ Aber das erste Gefühl, das
etwas nicht stimmt, haben die Gründer.
GRÜNDER:
Jörg Binnenbrücker und
Christian Siegele
MITARBEITER:
zehn
STANDORTE:
Wie ist das für den Investor, der ja zunächst von den Argumenten der Gründer
überzeugt war?
Wenn man selber Gründer war, kennt man das
Gefühl. Wer reiner Investor ist, wer nie selbst ein
Unternehmen aufgebaut hat, für den ist das ein
Schock.
Köln und Berlin
SERVICE:
Das Unternehmen unterstützt
Startups aus den Bereichen
Mobile Applications, Softwareas-a-Service, Internet of Things,
Fintech, Mobility und E-Health
überwiegend in der Frühphase
mit Wagniskapital.
Was muss ein Gründer tun, um die Investoren zu überzeugen?
Authentizität ist ganz wichtig und auch Offenheit.
Zu sagen: ‚Das war meine Idee, aber ich habe
festgestellt, das funktioniert jetzt (noch) nicht, lass
uns einen Schritt zur Seite gehen und einen anderen Weg nehmen.‘ Wenn man das richtig rüberbringt, ist das ein Zeichen von Stärke. Was den
Investor angeht: Capnamic Ventures hat den Anspruch, wenn es mal Bad News gibt, und ein Pivot
ist keine Good News, dann möchten wir der erste
Ansprechpartner sein. Das Schlimmste ist, wenn
Gründer sagen: ‚Wir wissen, es funktioniert nicht,
aber wir wollen weitermachen, weil wir den Investor nicht sauer machen wollen.‘ Das ist Humbug!
capnamic.de
„MAN SOLLTE
KEIN TOTES PFERD REITEN“
Olaf, wie viele Startups, in die Du investiert
hast, haben einen Pivot gemacht?
Die genaue Zahl kann ich nicht sagen, aber es
kommt in den meisten Fällen vor. Man rechnet
zwar nicht damit, aber es passiert, weil einige Annahmen über den Markt, die Wettbewerber oder
die Reaktion der Kunden nicht hundertprozentig
stimmen. So passieren Pivots. Je später ein Investor in ein Unternehmen investiert, desto weniger.
Wenn man in der Series B investiert, dann gibt es
eigentlich keine Pivots mehr.
Was ist Deine Definition von einem Pivot?
Als Investor investiert man nicht in ein fertiges Produkt, man investiert in ein Team, in einen Markt,
46 / berlinvalley.com
Wer ist am schwersten zu überzeugen?
Aus meiner eigenen Erfahrung sind das die Investoren, die selbst keine unternehmerische Erfahrung
haben und Märkte und Unternehmen an Hand von
Excel bewerten.
Man darf als Gründer also nicht zu sehr
verliebt in sein Produkt sein?
Punkt! Als Unternehmer muss man hartnäckig sein.
Wenn man durch die Eingangstür nicht reinkommt,
muss man schauen, ob vielleicht ein Fenster offensteht, oder man geht durch die Hintertür. Aber man
muss auch irgendwann hinterfragen, ob es an einem selbst liegt oder an dem Produkt oder an den
Kunden. Es ist falsch, immer mehr Features auf das
Produkt zu schmeißen in der Hoffnung, dass es sich
dann verkauft.
Aber Hartnäckigkeit ist doch eine wichtige
Eigenschaft für einen Unternehmer?
Das sage ich ja, dass das wichtig ist. Aber man
muss sich auch irgendwann eingestehen, dass man
nicht die Erfolge erzielt, die man sich vorgestellt
hat. Es gibt diese schöne Metapher: ‚to ride a
dead horse‘. Man sollte kein totes Pferd reiten. Ein
Beispiel: In meinem Alter noch Weltmeister im Marathon werden zu wollen, ist eine Schwachsinns­
idee. Ich könnte sagen, ich trainiere härter.
Das bringt aber nichts. Wenn ein Pferd tot ist,
könnte man den Reiter wechseln. Das machen Investoren. Die schmeißen den CEO raus, aber das
Pferd bleibt tot. Oder ich gebe dem Pferd mehr zu
essen, also mehr Investment. Bringt nichts. Es ist immer noch tot. Daran kann man gut sehen: Du musst
das Pferd wechseln. Ich denke, diese Metapher
trifft für einen Pivot hervorragend zu. Die Gründer
müssen selbst feststellen: ‚Mein Pferd ist tot.‘ Denn
die meisten Investoren versuchen, das Thema zu
fixen, indem sie den Reiter wechseln oder mehr
Geld reinstecken.
OLAF JACOBI
ist seit Dezember 2015 Managing Partner
bei Capnamic Ventures. Der 48-Jährige hat
mehr als 20 Jahre Erfahrung als Manager,
Unternehmer und Investor. Von 2007 bis
2015 war er Partner und Mitinhaber bei Target Partners. Von 1999 bis 2007 gründete
er mehrere Startups. In seiner Freizeit spielt
Olaf ambitioniert Beachvolleyball.
Wie oft darf man einen Pivot machen?
Das kommt auf die Beteiligten an, auf die Symbio­
se von Gründerteam und Investor. Wie agieren
sie miteinander, wie kommunizieren sie? Hat der
Investor schon einmal in einer ähnlichen Situation
gesteckt als Unternehmer? Hat er absolutes Vertrauen in den Gründer? Da spielen sehr viele Fragen eine Rolle.
Wann entscheidet man, dass das kein Pivot mehr ist, sondern das Aus?
Wenn man das wüsste (lacht). Irgendwann kommen die Gründer als erste dahin und sagen: ‚Leute,
das macht keinen Sinn.‘ In den meisten Fällen wird
es eine Übereinkunft zwischen den Gründern, dem
Investor und dem Board sein. Das ist wie in einer
Beziehung. Das kennt jeder von uns. Man versucht
es immer wieder, aber irgendwann merkt man,
dass es nicht mehr geht.
Also probiert man so lange, bis das Geld
weg ist?
Andersrum: Das Geld ist irgendwann weg, und
dann kann man nicht mehr probieren.
Das Gespräch führte Corinna Visser.
Pivot ist nicht die Ausnahme: Er kommt bei den meisten Startups vor, sagt Olaf Jocabi.
in eine Technologie. Und wenn aus dieser Technologie nicht das Produkt herauskommt, das der
Markt gerade braucht, dann baut man ein anderes
Produkt. Das nenne ich einen Pivot.
Wie viel Geduld muss man haben, bis man
feststellt, der Markt will ein Produkt nicht?
Natürlich brauchen einige Sachen länger, bis sie
sich durchsetzen. Aber wenn das Produkt fertig
ist und man es den ersten Kunden zeigt und die
sagen, ‚damit kann ich nichts anfangen‘, dann ist
das ein Signal. Anders ist es, wenn man sagt: ‚Das
Produkt passt, wir brauchen aber lange, um es in
den Markt zu bringen.‘ Ein Beispiel: Man will von
Deutschland nach Rom – zu Fuß. Wenn ich den direkten Weg wähle, muss ich über die Alpen. Wenn
ich vor den Alpen stehe und sage, ‚es ist echt
schlechtes Wetter und es macht keinen Sinn, hier
über die Alpen zu gehen‘, dann sollte ich einen
Umweg nehmen. Das heißt, ich muss irgendwie an
den Alpen vorbei. Das ist ein Umweg, aber ich
komme auf jeden Fall nach Rom.
Wie erkennt man, ob man einen anderen
Weg wählen muss?
Ich habe mein letztes eigenes Startup 2005 in
Boston gegründet. Wir hatten internationale VCs,
weil wir ein sehr erfahrenes Team waren. Wir haben einen Linux-Server gebaut, ganz ähnlich dem,
was Protonet heute in Hamburg macht. Die großen
Distributoren, mit denen wir vorher gesprochen haben, sagten, sie würden den Server verkaufen. Wir
wollten ihn gegen Microsoft in den Markt bringen.
Wir haben sieben Millionen Dollar von den VCs eingesammelt und angefangen zu verkaufen. Aber auf
einmal wurde klar, das Ding will keiner verkaufen.
Der Kunde kommt zum Verkäufer und sagt: ‚Ich hätte
gern einen Microsoft-Server.‘ Und kein Verkäufer
sagt dann: ‚Nimm doch den Collax- Server.‘ Darauf
hatten wir keinen Einfluss. Als das nach drei, vier
Quartalen klar war, mussten wir einen Pivot machen.
Ich habe also zu meinen Investoren gesagt: ‚Leute,
wir können jetzt noch weiter Geld verbrennen, oder
wir machen etwas anderes.‘
Sind es immer die Gründer, von denen die
Initiative zum Kurswechsel ausgeht?
In einem guten Team sind es die Gründer. Wenn
du ein schlechtes Gründerteam hast, dann sind
es andere Leute, vielleicht Investoren oder der
Fotos: Saskia Uppenkamp
Olaf Jacobi von Capnamic Ventures
erklärt, warum manche Investoren
lieber den CEO auswechseln,
als das Geschäftsmodell zu ändern,
und warum er davon abrät
Wie nimmt man die Mitarbeiter mit?
Bei den Mitarbeitern sehe ich kein Problem. So ein
Pivot findet in den ersten ein bis zwei Jahren eines
Startups statt. Da ist das Team eine eingeschworene
Gemeinschaft.
Wie managt man einen Pivot?
Das gute an einem Pivot ist ja, dass man bereits
Erfahrung gesammelt hat, und die muss man nutzen. Und man muss die Finanzen planen. Mit dem
Pivot startet man die Entwicklung neu, und bevor
die ersten Umsätze kommen, sind dann nicht wie
geplant sechs Monate, sondern vielleicht sogar
zwölf Monate vergangen. Da braucht man einen
Investor, der mitzieht. Retrospektiv ist das Einräumen von Fehlern ein Zeichen von Stärke. Es gibt
viele Teams mit unerfahrenen und schwachen Leuten, die rennen einfach weiter, wie ein Hamster im
Laufrad und merken gar nicht, dass sie etwas verändern müssen.
berlinvalley.com / 47
BÜROBESUCH
BÜROBESUCH
Kreativ: Die Entwickler kleben ihre Projekte einfach an die Wände.
Souvenirs: Die Mitarbeiter bringen
Kühlschrankmagnete von ihren Reisen mit.
BEWEGUNG MIT KAFFEETASSE
Inspiration: Um neue Partner zu akquirieren,
holen sich die Mitarbeiter Anregungen in Reiseführern.
Company Culture: Die Fotos der James-Bond-Mottoparty
vor Weihnachten hängen im Office.
Bei Getyourguide trifft sich das Team in der Küche
NAME:
Getyourguide
GRÜNDUNG:
2009
GRÜNDER:
Tao Tao, Johannes Reck,
Josef Gatzek
MITARBEITER:
etwa 200, davon 170 in Berlin
STANDORTE:
Berlin, Zürich, Rom, Las Vegas,
Paris, London, Barcelona, Bangkok,
Dubai, New York, Sydney
SERVICE:
Online-Buchung von Tickets für
Sehenswürdigkeiten
Treffpunkt: Zum Mittagessen sitzen die Mitarbeiter auch gern in der kleinen Küche im ersten Stock zusammen.
getyourguide.de
kann sich in einen der acht Meeting-Räume zurückziehen. Zwei davon sind so klein, dass sie liebevoll
„Telefonbuden“ genannt werden.
Die Möbel im ganzen Büro sind schick und
schlicht: weiße Tische, schwarze Stühle, ein großer
Monitor an jedem Platz. „Ich bin hier auch für die
Arbeitssicherheit zuständig und achte sehr auf ergonomische Arbeitsplätze“, sagt Mandy. „Unsere
Tische sind alle höhenverstellbar, und wer mal vom
Schreibtisch weg möchte, kann sich mit seinem
Laptop in eine Couchecke zurückziehen.“
Gegenüber den Büros im zweiten Stockwerk steht
ein hölzerner Affenfelsen mit roten Sitzsäcken: die
Update Area. Jeden Freitag treffen sich hier um
17.30 Uhr alle Mitarbeiter und beenden die Woche gemeinsam mit Vorträgen und Bier.
Ein Teil des Teams in Berlin hatte leider keinen
Platz mehr im Hauptquartier. Deswegen arbeiten
die mehr als 30 Mitarbeiter aus den Abteilungen
Content und Finance in der Greifswalder Straße
und die 80 Leute im Customer Service haben ein
separates Büro in Kreuzberg. In einem Jahr will
Getyourguide deshalb an einen anderen Standort
ziehen, damit das ganze Berliner Team an einem
Ort zusammenarbeiten kann.
ak
Die Welt erobern: Auf der Karte an der Wand ist
eingezeichnet, wo es Getyourguide schon überall gibt.
Wochenende: Zum Freitags-Update gibt es Bier.
Hell und offen: das Büro der Marketing-Abteilung
Lorem Ipsum
Gemütlich: In der Update Area beendet das Getyourguide-Team gemeinsam die Woche.
Fotos: Adela Dupetit
Die Wurzeln von Getyourguide liegen in Zürich.
Drei Jahre nach der Gründung 2009 zog das
wachsende Tourismus-Startup nach Berlin. Im
Headquarter, einem modernisierten Backsteinbau
am Prenzlauer Berg, arbeiten nun 60 Mitarbeiter
auf zwei Etagen.
Treffpunkt am späten Morgen ist die große, moderne Küche im zweiten Stockwerk: Ab neun gibt
es Frühstück. Einige Mitarbeiter tragen ihre vollen
Kaffeetassen mit sich herum, denn die einzige
Kaffee­m aschine steht eine Etage tiefer in der kleineren Küche. „Das hat sich so ergeben, und bisher
haben wir keinen Anlass gesehen, das zu ändern.
So sind die Mitarbeiter animiert, sich zu bewegen,
und die Teams auf den verschiedenen Stockwerken
laufen sich öfter über den Weg“, erzählt Mandy
Mill. Sie ist für das Office-Management zuständig.
Der Weg nach unten führt durch einen schmalen
Gang, rechts sitzen, durch Glaswände getrennt,
die Teams für Sales und Marketing. Die Entwickler
arbeiten ein Stockwerk tiefer.
Die Räume bei Getyourguide sind groß und offen.
Auf der ersten Etage sitzen die verschiedenen Abteilungen an großen Tischgruppen in einem einzigen Raum. Wer in Ruhe etwas besprechen will,
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CROWDFUNDING FÜR STARTUPS
Companisto ist Marktführer für Crowdinvesting. Hierbei schließen sich viele Menschen zusammen, um sich gemeinsam an
Startups und Wachstumsunternehmen zu beteiligen.
companisto.com
GSG-HOF KÖPENICKER STRASSE UND INNENANSICHT
DURCHSTARTEN IN X-BERG
COWORKING SPACE
Erfolgreiche Symbiose: GSG Berlin und Startups
SCHMUCKVOLLE GRÜNDERZEITFASSADEN
Alles begann 1966 mit dem Kauf des Gewerbehofes in der Blücherstraße, der auch noch heute im
Bestand der GSG Berlin ist. Weitere Ankäufe folgten, die Gewerbehöfe wurden behutsam instandgesetzt und teils durch moderne Erweiterungsbauten
ergänzt. Heute gehören zum Portfolio 45 Standorte
mit rund 900.000 Quadratmetern Gewerbefläche.
In Kreuzberg tummeln sich besonders viele
architektonische GSG-Perlen mit interessanten
Geschichten. In der Oranienstraße 6 tüftelte
Konrad Zuse an seinem ersten Rechner, in der
Reichenberger Straße erblickten Bechstein-Flügel
und -Klaviere das Licht der Welt.
KLEIN ANFANGEN, GROSS RAUSKOMMEN
Heute findet man in der Mieterliste der GSG Berlin
viele bekannte Namen der Berliner Startup-Szene.
Oft haben sie hier, teils mit Unterstützung der GSG
Berlin, klein angefangen und sind mittlerweile groß
rausgekommen. Es sind ständig wechselnde Flächenangebote in vielen Größenordnungen verfügbar.
Mehr unter: www.gsg.de
betahaus.de
GSG-HOF PRINZESSINNENSTRASSE
20-MAL IN X-BERG
GSG-Hof Adalbertstraße 5–8
GSG-Hof Alexandrinenstraße 2–3
GSG-Hof Blücherstraße 22
GSG-Hof Gneisenaustraße 66–67
GSG-Hof Köpenicker Straße 145
GSG-Hof Köpenicker Straße 154–157
AQUA Carré, Lobeckstraße 30–35
GSG-Hof Lobeckstraße 36
GSG-Höfe Oranienstraße 6, 10–11, 24 und 188
GSG-Hof Prinzessinnenstraße 19–20
piano forte Hof, Reichenberger Straße 124
GSG-Hof Schlesische Straße 27
GSG-Höfe Skalitzer Straße 97 und 127–128
GSG-Hof Urbanstraße 71
GSG-Höfe Waldemarstraße 33 a und 37 a
GSG-Hof Zossener Straße 55–58
SOFTWARE-LÖSUNGEN
Xailabs ist ein innovatives Softwareunternehmen, das funktionale Enterprise-Lösungen gestaltet, originelle mobile Anwendungen kreiert und nachhaltige Markenerlebnisse schafft.
xailabs.com/de
gsg.de/kreuzberg
GSG-HOF LOBECKSTRASSE
SERIELLER 3-D-DRUCKER
CLUE – NOW YOU KNOW
Mit der Zyklus- und Fruchtbarkeits-App Clue können Frauen
weltweit auf einfache und vertrauensvolle Art und Weise ihren
Körper besser kennenlernen.
helloclue.com
GSG-HOF ADALBERTSTRASSE
Fotos: GSG Berlin, Companisto/Max Jurisch
W
er durch Kreuzberger Straßen flaniert, kommt an den
markanten, silberfarbenen
drei Buchstaben an Klinkersteinfassaden nicht vorbei.
GSG – das steht für Gewerbesiedlungs-Gesellschaft (GSG Berlin), die 1965
gemeinsam vom Land Berlin, der Berliner Handwerkskammer und der IHK gegründet, im Jahr
2007 aber privatisiert wurde und heute Teil eines
europaweit agierenden Immobilienunternehmens
ist. Ziel war es, in den Nachkriegsjahren Berliner
Firmen günstige Büro- und Gewerbeflächen in der
Hauptstadt zur Verfügung zu stellen. Daran hat
sich auch 51 Jahre später nichts geändert.
Betahaus ist ein Coworking- und Event-Space für Entrepreneure
und Kreative, die ihre eigenen Projekte verwirklichen und sich
mit anderen austauschen wollen.
BigRep ist der Entwickler und Hersteller des weltweit
größten, serienmäßig verfügbaren 3-D-Druckers.
bigrep.com
GSG-HOF GNEISENAUSTRASSE
D E M O D AY S
N E U E S TA R T U P S
ELEVATOR PITCH
AB INS FERNSEHEN
Demo Day bei Prosiebensat.1
Nur vier Startups hatten sich unter mehr als 300
Bewerbern für das siebte Batch des Prosiebensat.1
Accelerators durchgesetzt und präsentierten sich
Ende Juni beim Demo Day: die Vergleichsplattform
für Immobilienbesitzer 123makler.de, der digitale Automobilklub Jimdrive, das Online-Pfandhaus
Valendo und der Spielzeugverleih Meinespielzeugkiste.de. Sie alle verfügen nun über ein Werbebudget
in Höhe von 500.000 Euro auf den TV-Sendern von
Prosiebensat.1.
p7s1accelerator.com
Du im Aufzug. Pling. Tür auf. Dein Trauminvestor tritt ein. Das ist die Chance Deines Lebens.
Du musst überzeugen – in 30 Sekunden. Nerven behalten: Du schaffst das!
RAUS AUS DER
GRÜNDERETAGE
SERVICE: Die Schuhleister nutzen moderne
Technik wie den 3D-Druck und optische Fußvermessung, um maßgefertigte Schuhe mit
nur einer Vermessung anzubieten.
SERVICE: Digitando sammelt E-Mails, die
beim Onlineshopping anfallen, und bündelt
sie auf einer übersichtlichen Oberfläche.
GRÜNDER: Timo Marks
GRÜNDER: Florian Götz
die-schuhleister.de
GRÜNDUNG: November 2015
PITCH: Die Schuhleister lassen ein altes
Handwerk der kundenindividuellen Schuhe
mit den Methoden des 21. Jahrhunderts wieder neu aufblühen. Wir nutzen unter anderem optische Fußvermessung und 3D-Druck
der Leisten und Einlagen, um moderne und
hochqualitative Maßschuhe anzubieten, die
nach einmaliger Vermessung passen und jederzeit durch den Kunden nachbestellt werden können. Hierbei sorgen wir für die perfekte Mischung aus Anpassung an den Fuß
mit Gesundheitsaspekten und persönlicher
Zufriedenheit des Endkunden beim Stil –
dies stellt die Schuhleister-Kundenzufriedenheitsmotivation dar. Die Schuhleister sind
ein B2B-Service, welcher Geschäftskunden
(Händler, Marken, Hersteller, Unternehmen)
unterstützt, ihre Kunden und Mitarbeiter zufriedenzustellen.
GRÜNDUNG: Juni 2016
WOLLT IHR EUER STARTUP HIER PRÄSENTIEREN?
MELDET EUCH: [email protected]
SERVICE: Nook Names verbindet Auftraggeber mit handverlesenen Freelancern aus
der Kreativ- und Werbebranche.
GRÜNDER: Phil Meinwelt, Jonas Drechsel
GRÜNDUNG: Februar 2016
nook-names.de
PITCH: Nook Names als Freelancer-Netzwerk ist über Jahre gewachsen. Nach
15 Netzwerk-Events umfasst unsere Community inzwischen mehr als 600 kreative
Freelancer aus den Bereichen Design, Text,
Entwicklung, Foto, Video und Marketing.
Wir haben sie in einem Aufnahmeverfahren
darauf getestet, ob wir sie gern als Dienstleister weiterempfehlen möchten. Seit unserer Gründung akquirieren wir interessierte Auftraggeber aus der Agentur- und
Startup-Branche, denen wir persönlich auf
ihren Bedarf hin abgestimmte Freelancer
vorschlagen. Mit diesen Erfahrungen und einem Proof of Concept gehen wir den nächsten, deutlich skalierbareren Schritt. Aktuell
suchen wir dafür vor allem Startups, die
Freelancer-Bedarf haben, sowie Investoren,
die gerne mit uns das Google der FreelancerSuche aufbauen möchten.
WECHSELHELFER
UND MITGESTALTER
Demo Day bei GTEC
Fotos: Prosiebensat.1, Microsoft, Stefan Kny
PITCH: Heute basiert die Beziehung zwischen Onlineshops und Kunden auf jeder
Menge E-Mails. Sie sollen den Kunden
zum nächsten Kauf animieren. Dabei liegt
die Erfolgsquote bei sechs Prozent und kostete deutsche Unternehmen im Jahr 2015
1,9 Milliarden Euro. Digitando ist die digitale Sekretärin: Sie erledigt derartige Post und
stärkt damit die Kundenposition gegenüber
Onlineshops. Informationen in Bestellungen,
Rechnungen, Angeboten, Kontakt- und Zugangsdaten werden gebündelt und für unsere Nutzer dargestellt. Zusätzlich belohnen
wir die individuelle Kundenbeziehung mittels
Cashback. Freemium für private Nutzung
und Abo für Business-Kunden sind die Einnahmequelle. Die praktische Anwendung des
Vendor-Relationship-Managements
macht
Digitando einzigartig, extrem skalierbar
und seit Ende März nutzbar.
Acht Startups schlossen ebenfalls Ende Juni die
fünfte Klasse des Microsoft Accelerators ab. Die
Themen waren vielfältig, es präsentierten: das
Online-Therapieprogramm Caspar, die Mitglieder-Management-Plattform Raklet, die Plattform für
digitalisierte Fabriken Factor-E, das Logistik-Software-Startup Flutaro, das Netzwerk Linknovate für
innovative technische Entwicklungen, die Gesundheits-App Hidoc, das Produktivitätstool Datary und
die Musik-Sharing-Plattform iGroove.
microsoftaccelerator.com
Fotos: Digitando, die Schuhleister, Nook Names
digitando.de
Demo Night bei Microsoft
Anfang Juli lud Christoph Räthke zum Demo Day der
GTEC Startup Academy und des Labs. Insgesamt
neun Startups stellten sich vor, darunter das Immobiliennetzwerk RealPD, die Mitgestaltungsplattform
Projecttogether, die Multiplayer-Music-Maker-App
Polyjammer, die Personal-Coaching-Plattform Ellistra,
der automatisierte Recruitment-Berater iCombine
und den Wechselhelfer Swapp, mit dem Haushalte
günstigere Versorger und Spezialisten finden.
gtec.berlin
berlinvalley.com / 53
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Fragen auf. Fragen sind ein sehr guter Start, wenn
man etwas verändern will. Jacqueline de Rojas, Präsidentin des britischen Hightech-Verbands techUK,
unterstrich an diesem Punkt: „Sie müssen kein Alphatier und Killertyp sein, um Ihre Angelegenheiten und
Interessen durchzusetzen. Manchmal kann es viel
effektiver sein, die ‚richtigen’ Fragen zu stellen.“
Also Fragen, die die Karten neu mischen.
RICHTIG FRAGEN, WEITERDENKEN
Auf dem Summit wurden also richtige Fragen
gestellt, mit denen wir uns selbst und unsere Rolle
als Führungspersönlichkeiten auf den Prüfstand
stellten. Hier sind einige der Fragen, welche zum
Nachdenken anregten:
•
Was will ich wirklich tun? Was mache
ich gerne?
•
Was will ich überhaupt erreichen?
•
Achte ich auf meine Stärken?
Respektiere ich meine Erfolge?
•
Kenne ich meine Schwächen?
Kann ich diese kompensieren?
•
Kann ich Dinge konstruktiv hinterfragen
und dann gekonnt managen?
•
Bin ich zu bescheiden? Fordere ich auch,
was mir wirklich zusteht
(Geld, Position, Respekt)?
•
Nehme ich genug Wissen auf, um weiter
in der Spitzengruppe mitzuspielen?
•
Arbeite ich genug an meinen
Netzwerken, die mich unterstützen und
neue Möglichkeiten eröffnen?
•
Umgebe ich mich mit Leuten, die
Widerspruch vertragen oder sogar
begrüßen?
•
Unterstütze ich andere bei der Erfüllung
ihrer Träume und Ziele?
„Eigene Spielregeln definieren“: Diskussionsrunde auf dem Women in Leadership Summit in Monaco
Jacqueline de Rojas und Margaret Heffernan
hoben die positiven Auswirkungen von richtigen
Fragen hervor, die das Team aktiv beteiligen
und Vorausdenken begünstigen. Die Fähigkeit,
SEI STARK, SEI SCHLAU, SEI FRAU
Wie kann Genderparität in der Arbeitswelt beschleunigt werden? Was können Frauen tun? Was ist der Beitrag
der Männer? Welche Rolle spielen neue Technologien? Uschi Schreiber, EY Global Vice Chair, erklärt, wie Frauen
in Zeiten des digitalen Wandels stärker in Führung gehen können – als Managerinnen und Unternehmerinnen
MÄNNER, WO BLEIBT IHR?
Obwohl die Einladung zu dem Summit an Männer
wie Frauen ging, fiel auf, dass erstere nur sehr
vereinzelt im Publikum vertreten waren. Sicher,
es gibt auch nicht von der Hand zu weisende
Vorteile von Meetings mit einem vorwiegend
weiblichen Publikum: So kann die Diskussion auf
einem hohen inhaltlichen Niveau geführt werden,
was daher rührt, dass gemeinsame „weibliche“
Karriereerfahrungen und Hintergrundwissen aus
erster Hand ausgetauscht werden. Aufgrund der
Tatsache, dass männliche Teilnehmer am Wirtschaftsleben immer noch die meisten Senior- und
Führungspositionen innehaben, ist es jedoch von
entscheidender Wichtigkeit, dass Männer aktiv an
der Diskussion über Geschlechtergleichbehandlung und -gerechtigkeit teilnehmen. Frauen und
Männer müssen sich zusammenschließen, wenn
ein wirklicher Wandel in der Arbeitswelt und am
Arbeitsplatz stattfinden soll.
Frauen erreichen mittlerweile eine ganze Menge
als Führungskräfte am Arbeitsplatz oder Unternehmerinnen im eigenen Betrieb. Sie führen die Genderdiskussion weiter an. Diese Diskussion braucht
aber männliche Führungskräfte als Diskussionspartner, damit sich ein vollständiges Bild ergibt, das
Das weltweit erfolgreiche Programm wird dieses Jahr zum ersten
Mal in der EU durchgeführt. Es bietet vielversprechenden jungen
Unternehmerinnen die Möglichkeit, ihr Geschäftsmodell zu skalieren. Ist euer Start-up mindestens zwölf Monate alt? Lag euer Umsatz 2015 bei mindestens 500.000 Euro, oder habt ihr mindestens
als Blaupause für weiteres, zielführendes Handeln
dienen kann. Im Interesse aller.
FRAUEN, BLEIBT IHR SELBST
Um die eigenen Stärken ausspielen zu können,
müssen weibliche Führungskräfte Antworten auf
zentrale Fragen finden. So wurde auf dem Summit
die Kernfrage gestellt: „Was ist eine authentische
und glaubwürdige weibliche Führungspersönlichkeit – und wie wird man eine?“
Margaret Heffernan, Entrepreneurin, CEO und
Autorin von „Beyond Measure: The Big Impact
of Small Changes“ sowie zahlreichen anderen
Büchern und Artikeln konnte einiges zur Diskussion
beitragen. Ihr erster Rat an andere Führungsfrauen
lautete: „Definieren Sie Ihre eigenen Spielregeln!“
Sie selbst hatte im Laufe ihrer Karriere erkannt,
dass es nicht zielführend für Frauen ist, Männer
und ihren Führungsstil zu kopieren. Nach den
ersten Versuchen in dieser Richtung erkannte sie,
dass dies kein Erfolgsrezept ist. Ihr Resümee aus
ihren Erfahrungen: „Ich will nicht das Spiel anderer spielen. Ich glaube, dass wir Frauen dazu da
sind, die Spielregeln zu verändern.“
Der Standpunkt von Margaret Heffernan trug
zu einer lebhaften Diskussion bei und warf viele
TECHNOLOGIEN MÜSSEN WEIBLICHER
WERDEN
Beschäftigt man sich mit der Genderparität, so
zeigen sich immer wieder Möglichkeiten neuer
Technologien für den Gleichstellungsprozess. Auf
dem Summit kamen digitale Unternehmerinnen
und Vordenkerinnen zu Wort, die hervorhoben,
dass sich Frauen in größerem Umfang mit neuen
Technologien befassen müssen. Weibliche Unternehmerinnen und Führungskräfte müssen verstärkt
„Technik können“ und hier das entsprechende Wissen sowie die nötigen Qualifikationen mitbringen.
Emer Coleman, CEO von Dsrptn, brachte es folgendermaßen auf den Punkt: „Ingenieure schreiben den Code der Zukunft, und Frauen müssen
auf dem Gebiet der Codierung eine stärkere Rolle
spielen. Wenn sie den Code beherrschen, haben sie
den Schlüssel zum Erfolg in der Hand.“ Jacqueline
Simmons von Bloomberg News, die einen Teil
des Gipfels moderierte, stellte fest, dass es in den
technologischen Disziplinen noch einen deutlichen Mangel an Frauen gibt. Zahlreiche Studien
zeigen, wie problematisch dies in einer Welt ist,
in der MINT-Felder im Begriff sind, die Führung zu
übernehmen. Vielen Frauen bleibt oft noch eine
Fülle neuer Arbeitsmöglichkeiten verschlossen.
Darüber hinaus arbeiten sie noch zu häufig in Bereichen, die von Routinen und Prozessen bestimmt
sind, welche durch disruptive Technologien wie
Automatisierung und Robotik obsolet werden.
Daniele Fiandaca von Creative Social und von
Token Man führte hierzu aus: „Es gibt 1,4 Millionen
Arbeitsplätze im Technologiesektor, aber nur drei
Prozent Frauen, die in den Startlöchern sind, um
USCHI SCHREIBER
ist Partner im Bereich Markets & Business Development bei EY New York. Mit Kunden auf
der ganzen Welt arbeitet sie an der Lösung
komplexer Probleme und der Umsetzung von
nachhaltigem Wandel. ey.com/de,
uschischreiber.com/blog
diese einzunehmen. Dies ist eine schockierende
Statistik.“ Mädchen müssen schon im frühen Schulalter für technische Berufe und Fächer begeistert
werden. Je früher, desto besser. Sie haben dann
eine größere Chance, sich zu MINT-Berufen und
technischen Fächern hingezogen zu fühlen – und
in diesem Bereich ein Leben lang zu lernen.“
Um ihren Standpunkt deutlicher zu machen,
vermittelte Emer Coleman den Summit-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern in einer Masterclass
ihr technologisches Wissen. Hier wurde sehr
deutlich, wie wichtig lebenslanges Lernen für
den eigenen Erfolg in einer Welt im disruptiven
Wandel ist. Mädchen und Frauen zu begeistern
und zu motivieren, ist ein essenzieller Beitrag
zur Verwirklichung der Gleichstellung von Mann
und Frau – für die Gesellschaft und eine bessere
Arbeitswelt. Es führt kein Weg daran vorbei, die
Genderparität auf unsere Agenda zu setzen – und
mit zahlreichen Initiativen wie den Summit und
anderen Programmen zu unterstützen.
WO GRÜNDERINNEN IHR GESCHÄFTSMODELL BESCHLEUNIGEN:
ENTREPRENEURIAL WINNING WOMEN EU 2016
500.000 Euro Funding erhalten? Dann meldet euch bis zum
8. August mit Namen des Unternehmens, Namen der
Gründerin, Erläuterung des Geschäftsmodells, Umsatz 2015,
Umsatzplan 2016 und Pitch Deck an bei:
[email protected]
„Richtige Fragen stellen“: Jacqueline de Rojas, Präsidentin des britischen Hightech-Verbands techUK, diskutierte auf dem Summit die Chancen von Frauen in der Arbeitswelt.
Fotos: Studio phenix
G
enderparität in der Arbeitswelt
und Gesellschaft ist ein überragend wichtiges Thema, das in
so gut wie alle Lebensbereiche
hineingreift. Die Gleichstellung
der Geschlechter ist nicht nur
eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch des
Erfolgs von Organisationen und Gesellschaften.
Es gibt ganz klare Beweise, dass Unternehmen
und Staaten mehr erreichen, wenn sie Frauen
gleichberechtigt einbeziehen. Es liegt also in unser
aller Interesse, dass die völlige Gleichstellung von
Männern und Frauen Wirklichkeit wird. Auf dem
Women in Leadership Summit im Rahmen des EY
World Entrepreneur of the Year 2016 Forum vom
7. bis zum 12. Juni in Monaco wurde wieder einmal deutlich, dass zur Verwirklichung der Genderparität unter anderem drei Dinge nötig sind:
•
Männer müssen sich engagierter in die Genderdebatte einbringen.
•
Weibliche Führungskräfte und
Unternehmerinnen müssen ihren eigenen,
authentischen Führungsstil entwickeln.
•
Frauen müssen heute und in Zukunft
stärker in Technologie- und MINT-Berufen
mitmischen.
aus intelligenten Fragestellungen zu lernen, wird
immer wichtiger in einer Welt, die geprägt ist von
disruptiven Technologien und rapide fortschreitenden Wandlungsprozessen. Wir brauchen smarte
Persönlichkeiten und diversifizierte Teams, die in
neuen Kategorien denken, um auf bahnbrechende
Ideen zu kommen.
TREFFPUNKT
DAS NEWNEW FESTIVAL
ALLES IM BLICK
Das Festival findet vom 20. bis zum 22. September
2016 im Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in
Karlsruhe statt. Teil des Festivals ist der StartupWettbewerb Code_n, für den sich mehr als 380
junge Unternehmen aus 40 Ländern beworben
haben. 52 Finalisten aus den Clustern „Applied
Fintech“, „Connected Mobility“, „Healthtech“ und
„Photonics 4.0“ werden beim Festival dabei sein.
Blickshift bietet Produkte und Lösungen für die Analyse des Blickverhaltens
von Autofahrern an. Das Hauptprodukt ist die Software Blickshift Analytics, die auf hochaktuellen Forschungsergebnissen der Visual Analytics
basiert. Blickshift wurde 2015 von drei PhD-Absolventen des Instituts für
Visualisierung und Interaktive Systeme der Universität Stuttgart gegründet.
Die Vision ist es, innovative Software für die Mensch-MaschineInteraktion und Big Data Analytics zu entwickeln.
connect.code-n.org/startups/blickshift
NEWNEWFESTIVAL.COM
„EINE PRICKELNDE
MISCHUNG“
Warum Karlsruhe? GFT-Chef Ulrich
Dietz erklärt, was Besucher auf dem
Newnew Festival erwartet
Herr Dietz, es gibt so viele Startup-Veran­
stal­tungen, warum brauchen wir jetzt noch
das Newnew Festival?
Das Newnew Festival ist bewusst kein reines Start­
up-­E vent. Uns war es viel wichtiger, eine Innovationsveranstaltung zu initiieren. Startups sind ein
zentraler Teil davon – es sind aber viele weitere
Bausteine nötig.
Was sind die anderen Teile?
Wir bieten eine internationale Mischung aus hochwertigem Content, unter anderem ein Konferenzprogramm auf drei Bühnen. Neben den Startups
werden auch unsere Industriepartner ihre Themen
ausstellen, Trends diskutieren, Experten diverser
Bereiche vernetzen sich. Außerdem gibt es Kunst
und Musik – das darf nicht fehlen.
Warum war das nicht in Hannover auf
der Cebit möglich, wo die Industriepartner
gleich um die Ecke sind?
Wir waren viermal in Hannover – mit mehr als
75.000 Besuchern war es 2015 ein sensationeller
Erfolg. Aber die Cebit ist eine IT- und keine Innovationsmesse. Wir hatten das Gefühl, wir sind inzwischen erwachsen geworden und es ist an der Zeit,
ein eigenes Format zu entwickeln. Code_n steht für
‚Code of the New‘ – diesen Anspruch haben wir
auch an uns selbst.
56 / berlinvalley.com
Und warum haben Sie ausgerechnet
Karlsruhe ausgewählt?
Karlsruhe ist sicher nicht der Nabel der Welt, Berlin
aber übrigens auch nicht. Karlsruhe bietet uns ein
ideales Ökosystem mit innovativen, lokalen Partnern. Ausschlaggebend war letztlich aber unser
Veranstaltungsort: das Karlsruher Zentrum für Kunst
und Medien (ZKM). Eine weltweit einzigartige Kulturinstitution. Innovation in Verbindung mit avantgardistischer Medienkunst – das ist eine prickelnde
Mischung. Und im ZKM haben wir zudem genug
Platz, um unseren Themen den nötigen Raum zu
geben. Es sind auch in der ganzen Stadt Veranstaltungen geplant: vom Pub Crawl über Konzerte
bis hin zum Abschluss-Event bei den Schlosslichtspielen. Das endgültige Programm steht noch nicht
fest, wird aber in den nächsten Wochen Stück für
Stück vorgestellt.
SCHLAUE FENSTER
2014 erfand Bodle Technologies aus Oxford eine revolutionäre, ultradünne Lacktechnologie, die auf Knopfdruck Licht manipulieren kann. Vor
allem für farbige, reflektierende Displays, bei denen Auflösung, geringes
Gewicht und niedriger Stromverbrauch entscheidend sind, bietet diese
bahnbrechende Technologie außergewöhnliche Möglichkeiten. Das erste
Produkt wird ein flexibles Display mit extrem hoher Auflösung sein. Das
zweite ein „schlaues“ Fenster, bei dem man aktiv die Menge an eintretendem Infrarotlicht steuern kann.
bodletechnologies.com
Wie kommt ein mittelständisches
Unternehmen wie GFT auf die Idee,
ein Festival in diesem Maßstab zu
organisieren?
Das Festival ist ein Element unseres Innovationsnetzwerks Code_n. Wir machen das nicht ganz allein:
Wir haben starke Industriepartner an unserer Seite,
und auch das Bundesforschungsministerium unterstützt uns. Die Digitalisierung geht uns alle an. Wir
brauchen mehr mutige Unternehmer, um als Industrie­
nation weiter vorne mitzuspielen. GFT ist weltweit
aktiv, und wir haben uns gefragt, wie wir ein Format
entwickeln können, das uns ständig herausfordert
und mit dem wir permanent über den Tellerrand blicken. Wir wollen die Innovationsentwicklung bei unseren Kunden aus der Finanzwirtschaft vorantreiben,
und dafür brauchen wir Glaubwürdigkeit. Deshalb
probieren wir Dinge aus und entwickeln sie weiter.
Das leben wir sehr intensiv.
HEILEN MIT 3D
Ambigate, ein Spin-off der Universität Tübingen, entwickelt mit E-Reha
eine videospielbasierte Bewegungstherapie für das häusliche und betriebliche Umfeld. Bei den Übungen bewegt man sich in einer virtuellen
Welt. Eine 3D-Kamera erkennt kontaktlos die Bewegungen des Nutzers
und lokalisiert sofort Ausführungsfehler. Zusätzlich wird mittels hochinnovativer Parameter der Krankheitsfortschritt bestimmt und die Therapie
entsprechend online dynamisch angepasst. Ambigate hat unter anderem
einen Grant und den IKT-Innovativ-Preis des BMWi erhalten.
ambigate.com
Wieso muss es dann gleich ein Festival mit
Musik und Kunst sein?
Ich bin der Ansicht, wir müssen in Deutschland attraktive Veranstaltungen realisieren, die echte Begeisterung hervorrufen. Gerade für die IT-Welt! Ich
denke dabei an so etwas wie die ‚Floating Piers‘
des Künstlers Christo auf dem Iseosee. Damit hat er
fast 1,3 Millionen Besucher angelockt. Für so einen
Zuspruch werden wir natürlich noch eine Weile
hinarbeiten müssen (lacht).
Wie groß ist das Interesse der Startups?
In Hannover hatten wir zuletzt 450 Bewerbungen.
Für Karlsruhe waren es 385 aus 40 Ländern. Wir
waren positiv überrascht, dass es erneut so viele
waren, obwohl wir ein neues Format auf die Beine
stellen. Code_n als Innovationsmarke hat sich etabliert – davon profitieren wir jetzt: 52 Startups aus
elf Ländern sind im Finale dabei.
Welche Besucher würden Sie denn gern auf
dem Newnew Festival sehen?
Alle, die sich von der digitalisierten Welt inspirieren lassen wollen. Das Versicherungsunternehmen
aus München ebenso wie den Beamten aus Berlin
oder Studenten aus Köln sowie alle, die sich für
neue Geschäftsmodelle begeistern. Wir erwarten
eine bunte Mischung – also nicht nur Manager.
Wie war die Qualität der Bewerbungen?
Hervorragend. Es wird auch jede Menge zum
Anfassen und Staunen geboten sein. Wir konzentrieren uns bewusst auf Startups, die aus dem technischen Umfeld kommen. Uns interessiert nicht der
nächste Essenslieferdienst, sondern wir suchen nach
Startups, die technologisch dicke Bretter bohren.
Und mit wie vielen Besuchern rechnen Sie?
Unser Ziel sind 10.000. Wenn es nur die Hälfte
wird, ist das fürs erste Jahr auch okay – zumindest
solange jeder ein Quäntchen Inspiration in seinen
Alltag mitnimmt.
Das Gespräch führte Corinna Visser.
Fotos: GFT Technologies SE, Blickhift, Ambigate, 8-Tree, University of Oxford
Initiator des Code-n-Wettbewerbs: Ulrich Dietz, Vorstandschef von GFT Technologies in Stuttgart
Inwiefern?
Wir konzentrieren uns auf die vier Cluster ‚Applied
Fintech‘, ‚Healthtech‘, ‚Connected Mobility‘ und
‚Photonics 4.0‘: Fintech, weil das unser Kerngeschäft bei GFT betrifft und wir den Bereich weiter
pushen wollen. Mobility, weil es ein zentrales Thema unserer Industrie ist. Health, weil das Armband,
das den Puls misst, erst den Anfang darstellt. Und
Photonics, weil es aktuell noch stark unterrepräsentiert ist, aber Themen wie Laser und LED ungeheures Potenzial für die Industrie bieten.
DELLEN FINDEN
8tree macht Dinge etwas anders: zum Beispiel komplexe Messtechnik
mal ganz einfach. Ein Knopfdruck genügt, um zuverlässig und hochgenau Dellen am Flugzeug mittels eines 3D-Scanners zu vermessen. Dies
war bisher eine notwendige, aber ungeliebte manuelle Aufgabe. Mit
dem Produkt Dentcheck geht das mit einem optischen Verfahren in zwei
Sekunden. Und der Clou: Das Ergebnis wird auf die Oberfläche projiziert, sodass jeder sofort weiß, was als nächstes zu tun ist. Das Verfahren
des Daisen­d orfer Startups ist weltweit patentiert.
8-tree.com
berlinvalley.com / 57
TREFFPUNKT
TREFFPUNKT
SCALE YOUR BUSINESS
Welchen Maßstab legt Ihr bei Euren
Startups an das Thema Skalierung?
Alle Startups denken international und wissen, dass
sie ein Geschäftsmodell entwickeln müssen, das
mehr oder weniger global ausrollbar ist. Entsprechend würden wir in kein Startup investieren, dass
nur in Deutschland oder den Niederlanden funktioniert. Das ist einfach die Marktlogik und würde
einem auf Wachstum ausgelegten Venture-Modell
wie dem unseren auch nicht entsprechen.
Die
Dmexco
Lorem
Ipsum2015 hat’s vorgemacht: Ein bisschen Show muss sein, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
„Faszinierender Spirit“: Peter Borchers, Leiter des Telekom-Inkubators Hubraum, pflegt die Kontakte zum Silicon Valley.
BITTE NAHMACHEN
„WIR MÜSSEN IN DIE
ZUKUNFT SCHAUEN“
Mehr Live-Gefühl, engerer Kundenkontakt lauten die Gebote der Stunde. Wie das geht und was
die digitalen Strategien für Konsumenten und die werbetreibende Industrie bedeuten, zeigt die Dmexco in Köln
„In unserer Wirtschaft sind die digitalen Technologien der Schlüssel, um Prozesse zu optimieren,
eigene Stärken und Wissensressourcen besser zu
nutzen sowie Geschäfte weiter auszubauen“, heißt
es auf der Website der Dmexco, die am 14. und
15. September erneut die wichtigen Player der Digitalwirtschaft in Köln zusammenbringt.
Ein Beispiel erleben wir gerade hautnah. Weltweit
sind die Menschen im Monsterrausch und fangen mit
der App Pokémon Go kleine süße Wesen. Niantic
und Nintendo, die Macher der App, haben dabei
geschickt den seit 20 Jahren andauernden Kult in die
digitale Welt übertragen, indem sie die kleinen Taschenmonster in die Augmented Reality von Google
Maps platzieren. Lokale Händler können den Hype
und den Spieltrieb für sich nutzen und sogenannte
Lockmodule platzieren, die Monster und somit Kunden auf der Jagd anziehen. „Hier sehe ich ein richtig krasses Potenzial für lokale Unternehmen. Sprich:
All die Burgerläden oder Cafés. Nutzt den Effekt“,
schreibt der Social-Media-Experte Philipp Steuer auf
seinem Blog (philippsteuer.de).
SNAPSHAT IST SPÜRBAR ENGER
Der andere Hype ist Snapshat. Während die älteren Digital Natives bereits an dem Bling-Bling des
sozialen Netzwerks verzweifeln, steht die App bei
Jugendlichen hoch im Kurs. In der Umfrage im Youth
Insight Panel (YIP) der Bravo hängt Snapchat bei
den unter Zehn- bis 19-Jährigen (35 Prozent; 2015:
17 Prozent) das in die Jahre gekommene Facebook
(32 Prozent; 2015: 40 Prozent) ab. Auch das Berliner Startup Einhorn, das mit nachhaltig produzierten Kondomen und einer schillernden ContentMarketing-­Strategie, auf sich aufmerksam macht, hat
Snapshat für sich entdeckt. „Inzwischen erreichen
unsere Snaps gute vierstellige View-Zahlen und unsere Storys werden von mehr als 80 Prozent der Nutzer komplett angesehen“, sagen die Gründer Philip
Siefer und Waldemar Zeiler im Interview mit Online
Marketing Rockstars. „Das sind jetzt zwar noch keine Mega-Reichweiten, der Kontakt zu unseren Followern ist auf Snapchat aber spürbar viel enger als
auf anderen Plattformen.“
Der Trend geht ganz klar zu mehr Live-Gefühl und
Produktpräsentation in Echtzeit. In diesem Jahr wird
es daher erstmals auf der Dmexco eine Motion Hall
geben, die Video und Bewegtbild ein spezielles Forum bietet. Facebook, Twitter, Maker Studios, aber
auch etablierte Player wie AOL, Bloomberg Media,
NBCUniversal, RTL und ZDF zeigen dort die aktuellen
Trends und Themen sowie neue Inhalte und Plattformen, die für die Marketing-, Media- und Kommunikationsindustrie von Bedeutung sind. „Digital is every­
thing – not every thing is digital“ lautet das Motto der
Messe und soll zeigen, warum digital alles ist und
alles von der Digitalisierung profitiert.
Entsprechend vollgepackt ist die Dmexco, die in den
Bereichen Expo und Conference den Bogen vom Internet of Things über Wearables und künstliche In-
telligenz bis zur virtuellen und erweiterten Realität
spannen will. Die großen Fragen: Wie erreiche ich
die Konsumenten? Welche Rolle spielen Chatbots
in der Kundenbeziehung? Worauf kommt es beim
360-Grad-Storytelling an? Wie können Unternehmen sinnvoll die Off- und Onlinewelt verknüpfen?
Am 3. September findet in Berlin
die Startup Night statt. Wir haben
das Motto „Meet Investors. Meet
Corporates. Scale your Business.
Be International.“ zum Anlass für
ein Gespräch mit Peter Borchers,
Leiter des Hubraum, genommen
EIN STÜCK VOM KUCHEN
Faszinierende Beispiele gibt es bereits, etwa die
Out-of-home-Kampagne, die der Außenwerber Ströer für die Daimler-Tochter Moovel zusammen mit der
Agentur Vivaki umgesetzt hat: Auf mehr als 100
Werbevideo-Screens waren bis Ende Juni in Hamburg abhängig von Zeit und Wetter unterschiedliche
humorvolle Werbebotschaften zu sehen. Das Stichwort für die Messe: Programmatic Advertising.
Vor allem aber ist Kreativität und Inspiration gefragt,
wenn es darum geht, die begrenzte Zeit der Konsumenten auf sich zu lenken. Jeder will ein Stück vom
Kuchen haben, der Aufmerksamkeit heißt. Startups
können wichtige Impulse geben. Sie erhalten im von
der Gründerinitiative des Bundesverbands Digitale
Wirtschaft organisierten Start-up Village ein Forum,
auf dem sie Ideen, disruptive Methoden und Modelle sowie Know-how präsentieren. Wer die Aufmerksamkeit bündeln will, bucht einen Speaker-Slot. Für
Richard Michel, CEO vom Bildverwaltungs-Startup
Pixxio, hat sich der Besuch gelohnt: „Viele der damaligen Besucher setzen unsere DAM-Software mittlerweile erfolgreich in Unternehmen ein.“
cs
MEET CORPORATES
MEET INVESTORS
Peter, worauf achtet Ihr, wenn sich
Startups bei Euch bewerben?
Auf der einen Seite sind für uns die klassischen
VC-Kriterien wichtig: Glauben wir an das Produkt
oder den Service? Ist der Markt groß genug? Wie
ist das Team aufgestellt? Das Team ist besonders
wichtig, weil die Gründer in der Frühphase ja
meist nur mit Prototypen zu uns kommen. Zum anderen prüfen wir, ob mittelfristig die Aussicht auf
Synergieeffekte mit den Produkten oder Services
der Telekom besteht. Wenn sich die beiden Kreise
überschneiden, dann investieren wir.
Fotos: Deutsche Telekom
Fotos: Dmexco
Ob im Bad in der Menge oder in den Bällen: Netzwerken hat auf der Dmexco oberste Priorität.
58 / berlinvalley.com
Stimmt Ihr Euch bei Euren Investitionen
mit anderen Telekom-Abteilungen, zum
Beispiel DT Capital Partners, ab, die als
Nachfolgeinvestoren in Frage kommen
könnten?
Der Hubraum ist grundsätzlich unabhängig bei
seinen Entscheidungen. Das heißt aber nicht, dass
wir uns nicht austauschen. Wenn zum Beispiel DT
Capital Partners Dealflow bekommt, der für sie zu
früh ist, leiten sie ihn an uns weiter und umgekehrt.
Haben sich die Kriterien in den
vergangenen Jahren verändert?
Die Themen entwickeln sich. Wir kümmern uns insbesondere um Themen, die heute nur am Rande
oder noch nicht im Tagesgeschäft der Telekom relevant sind und vermarktet werden. Wir müssen in
die Zukunft schauen. Dementsprechend interessieren uns neben den klassischen Feldern wie Internet
of Things, Cyber Security oder Connected Devices
auch Themen wie Robotics, künstliche Intelligenz
oder Blockchain.
Neben der Telekom sind bei der Startup
Night auch Microsoft, VW, Eon und die
Deutsche Bank an Bord. Wie sieht für dich
idealerweise ein Match zwischen Startup
und Corporate aus?
Ein super Case aus unserem Portfolio ist Teraki.
Das Startup beschäftigt sich mit der Datenoptimierung im Internet of Things und kürzt – ähnlich wie
bei der MP3-Komprimierung – große Mengen an
Daten um irrelevante Informationen. Dadurch lässt
sich die Netzlast um den Faktor 1:10 bis 1:20 reduzieren. Eine zukünftige Implementierung könnte
uns beispielsweise wahnsinnig helfen, etwa die
Auslastung der Backbones und Datenleitungen zu
verbessern.
Machen solche Startups die konzerneigenen Innovationsabteilungen auf Dauer
überflüssig?
Ganz im Gegenteil. Inkubatoren sehe ich als weiteres
Instrument im Werkzeugkasten der Innovation. Start­
up-Units ersetzen nicht die konzerneigene Produktinnovation, sondern wir ergänzen sie. Apple und Google erfinden ja auch nicht alles selbst. Es gibt immer
ungleich mehr Leute außerhalb des Unternehmens,
die auch gute Ideen haben, als in den Unternehmen.
Du hast gesagt, dass Ihr Euch die Teams
genau anschaut. Greift Ihr in die Personalstruktur ein, wenn Ihr merkt, das läuft nicht?
Wir prüfen die Teams sehr genau und schauen
unter anderem, dass alle Kernkompetenzen im
Gründerteam vorhanden sind. Dann verlassen wir
uns darauf, dass die Gründer im Wesentlichen die
richtigen Entscheidungen treffen. Sie kennen ihr
Modell viel besser als wir und fordern Input von
uns. Insofern verstehen wir uns eher als Servicedienstleister, der den Teams mit Rat und Tat zur
Seite steht. Dass wir eingreifen und gegensteuern
müssen, kommt eigentlich kaum vor.
BE INTERNATIONAL
Ihr seid mit dem Inkubator-Modell nach
Krakau und Tel Aviv expandiert. Was sind
die Gründe für die Standortwahl?
Der Grund findet sich in den Suchfeldern, die wir zu
Beginn besprochen haben. Im Bereich Cyber Security
kommen zwar auch immer wieder Ideen aus Deutschland oder Osteuropa, aber viel weniger im Vergleich
zu Israel. Von hier erhalten wir irrsinnig gute Bewerbungen in diesem Bereich. Deswegen haben wir uns
für Tel Aviv entschieden, um von diesem Standort aus
neue und andere Märkte zu erschließen.
Ist die Brücke ins Silicon Valley noch wichtig?
Die Brücke ist nach wie vor sehr wichtig. Viele unserer
Teams haben US-Investoren und gehen früher oder
später in die USA. Auch wenn wir dort noch keinen
Hubraum haben, pflegen wir unsere persönlichen
Netzwerke. So gewährleisten wir, dass die Teams mit
den richtigen Leuten zusammenkommen und sich in
dem Ökosystem vor Ort bewegen können, um Kunden oder andere Startups zu treffen. Das funktioniert
in den USA nach wie vor sehr gut. Ein Anruf und daraus ergeben sich gleich drei neue tolle Sachen. Das
ist ein ganz spezieller, faszinierender Spirit.
Welcher Standort in Europa hat am ehesten
das Potenzial eines Silicon Valley?
Ich glaube, dass die Großräume München und
Berlin sich noch wahnsinnig weiterentwickeln werden. Beide haben eine starke Gründerszene und
gute Corporate-Anbindungen. Aufgrund des technischen Schwerpunkts hat aber aus meiner Sicht
München eher das Potenzial, eine Art Silicon Valley von Deutschland oder Europa zu werden. Die
Szene in Berlin ist wie in New York eher inhaltlich
von den Geschäftsmodellen getrieben.
Das Gespräch führte Christoph Strobel.
Fünf Standorte öffnen am 3. September
zur Startup Night. Infos und Tickets unter:
STARTUPNIGHT.DE
berlinvalley.com / 59
EVENTS
EVENTS
und in Aufbruchstimmung versetzen. „China hat sein
Wachstum vor allem der Punk-Rock-Haltung einiger
Unternehmer zu verdanken“, sagt Feng. „Leute wie
Jack Ma, Gründer von Alibaba, hassen das alte System. Unternehmen wie seines bekommen keine Kredite von chinesischen Banken, sondern von Investoren
aus Südafrika.“
HASS AUF DAS ALTE SYSTEM
Alibaba gehört zusammen mit Baidu und der
Wechat-Mutter Tencent zu der Kategorie der Unternehmen, die symbolisch für Chinas Fortschritt
und Technikbegeisterung stehen. Das hierzulande
nur als Messenger bekannte Wechat ist in China
eine Universal-App für Bankgeschäfte, Einkäufe oder
den Taxiruf. „Für Außenstehende ist unsere Smartphone-Nutzung nur schwer nachzuvollziehen, aber für
die Chinesen ist das Smartphone ein bedeutender Teil
des Lebens. Viele Leute haben Nackenschmerzen,
weil wir ständig aufs Display schauen“, sagt Feng.
Die Technikversessenheit der Volksrepublik lässt
sich gut mit der jungen Geschichte erklären. Durch
die Verschlossenheit bis Ende der Siebzigerjahre
war China lange Zeit eine Art Einwegspiegel. Die
Öffnung war für viele Chinesen ein Kulturschock.
„Wir wussten, dass wir hinterher waren, aber wir
kannten das Ausmaß nicht. Daher kommt nicht
nur das Interesse für Neues, sondern auch viel
Unsicherheit. Aber die verfliegt langsam und das
Selbstbewusstsein steigt.“
Für chinesische Startups bedeutet das vor allem
die Erschließung weiterer Märkte. Hochburgen wie
Berlin sind dabei ideale Drehkreuze. „Die weltweite Hipster-Bewegung in den Metropolen ist ein
wichtiges Bindeglied und Übersetzer zwischen den
Kulturen“, sagt Heger, der mit der richtigen Idee
zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Mit einem
auf den Westen angepassten Geschmack und einer
neuen Markenidentität soll das chinesische Nationalgetränk Baijiu ab Oktober den Westen erobern.
Justus Zenker
Bauen brücken: Matthias Heger mit seiner Beratungsfirma Capital Spirits und Helen Feng als Frontfrau der Band Nova Heart
Entspannter Erfahrungsaustausch: Helen Feng (4. v. l.) und Philipp Grefer (2. v. r.) von Fake Music Media haben im Rahmen des Tech Open Air chinesische Unternehmer nach Berlin gebracht.
GO WEST!
In China herrscht Aufbruchstimmung. Treiber sind Startups, die weltweite Hipster-Bewegung
und die Punk-Rock-Haltung einiger Unternehmer. Der Weg in den Westen führt über Berlin
„BERLIN IST
DAS LETZTE
GROSSE
MEKKA.
NEW YORK
IST TOT UND
SAN FRANCISCO
ZU TEUER“
SCHICKSAL SELBST IN DIE HAND NEHMEN
Das liegt nicht zuletzt an Künstlern wie Helen Feng.
Die ehemalige MTV-Moderatorin und Frontfrau der
chinesischen Band Nova Heart liebt Berlin wegen
der Kreativität. Feng ist außerdem Mitinitiatorin
von Neu China, einer Plattform, die den Austausch
und die Zusammenarbeit zwischen China und dem
Westen fördern will. Im Rahmen der Premiere auf
dem Tech Open Air am 13. Juli stellte die Initiative
verschiedene Protagonisten und Anknüpfungspunkte der aufstrebenden Startup-Szene Chinas vor.
„Berlin ist das letzte große Mekka“, sagt Feng.
„New York ist tot und San Francisco zu teuer. Hier
schwebt noch eine Art längst vergessener Traum,
der dich daran erinnert, dass du kein Geld verdienen solltest. In diese Richtung sollte sich auch
Peking entwickeln.“
Dafür dürfte es aber mittlerweile zu spät sein. Peking spielt längst in einer Liga mit Startup-Hubs wie
das Silicon Valley. Dank zahlloser Inkubatoren, privater Förderer, Communitys und Coworking Spaces
boomt die Szene. Das System treibt junge Menschen
eher unfreiwillig ins Unternehmertum. Durch fehlende Absicherung der Arbeitsplätze ist es in China
einfach, von einem auf den anderen Tag den Job zu
verlieren. Als Unternehmer hingegen hat man sein
Schicksal in der eigenen Hand. Rechtliche Hürden
zwingen zwar viele Einsteiger in den Graubereich,
das stellt aber am Anfang kein großes Problem dar.
„Wenn du unter dem Radar fliegst und klein bleibst,
klappt das wunderbar“, erklärt Feng.
Ein größeres Hindernis sind allerdings die Banken. Die investieren lieber in sichere Staatsbetriebe statt in Startups. Folglich kommen Investitionen
vor allem von anderen, inzwischen gewachsenen
Unternehmen. Feng bezeichnet diesen Effekt der
gegenseitigen Kredite als „Big-Brother-Netzwerk“.
Da aber nicht alle Unternehmer gleich ehrenwert
handeln, entsteht Vertrauen in China nur sehr, sehr
langsam. Die wenigen Vertrauensbeziehungen, die
chinesische Unternehmer haben, werden deshalb
umso intensiver gepflegt. Es sind die vorausstrebenden Privatunternehmen, die China aktuell antreiben
AUF DEM WEG NACH CHINA
Wie man den chinesischen Markt erobert – das war die Techcode-Konferenz von Berlin Valley
„Der Misserfolg der meisten Unternehmen in China
hat nichts mit China zu tun“, sagt Daniel Lachmann,
Senior Project Manager bei Techcode Berlin. „Sie
scheitern, weil sie nicht auf ihre Kunden hören und
sich nicht den Gegebenheiten anpassen. So würden sie auch auf dem Heimatmarkt scheitern.“ Wer
erfahren wollte, wie man es besser macht, konnte
sich auf der Konferenz Going China informieren,
die Berlin Valley Anfang Juli gemeinsam mit Techcode veranstaltete. Wenn Startups an Expansion
denken, dann denken sie meist an Europa und die
USA. Dabei ist China mit seinen knapp 1,4 Milliarden Einwohnern und dem weltweit größten Internetmarkt durchaus eine interessante Option.
Lesara arbeitet seit der Gründung 2013 mit chinesischen Herstellern zusammen. Gründer Roman
Kirsch berichtete, dass der Onlineshop Produk­tion,
Qualitätskontrolle, Fotostudio, Lager sowie Versand
in China hat. Daher dauert es im besten Fall nur
noch zehn Tage vom Erkennen eines Trends bis
das Produkt im Onlineshop auftaucht. Auch Mathieu Caudal vom Elektroroller-Startup Unu und Alvin
Wei Shi vom Onlineshop Wohlheit berichteten von
ihren Erfahrungen mit chinesischen Partnern. Ebenso
wie Liwen Qin, Gründerin des Beratungsunternehmens Trends Eurasia, hatten sie vor allem einen Rat:
„Sucht Euch Eure chinesischen Partner sorgfältig aus
und dann vertraut ihnen!“
Techcode baut von China aus ein globales Netzwerk von Inkubatoren und Acceleratoren für Start­
ups und ein Ökosystem für Entrepreneure auf. Seit
Ende vergangenen Jahres hat Techcode auch ein
Innovationscenter in Berlin.
vis
Berichteten von ihren Erfahrungen auf dem chinesischen Markt (v. l.): Christian Herzog (Berlin Partner), Alvin Wei Shi (Wohlheit), Mathieu Caudal (Unu), Daniel Lachmann (Techcode), Liwen Qin (Trends Eurasia), Roman Kirsch (Lesara)
Fotos: Adela Dupetit, Jann Venherm
60 / berlinvalley.com
Berlin und nicht etwa in London oder Paris aufstößt,
ist schnell erklärt: „In Berlin kommst du mit 20 Prozent
weniger PR-Budget aus als in London. Außerdem
werden hier mittlerweile mehr Trends geboren. Und
die Stadt ist zunehmend internationaler.“
Fotos: NEU China
Wer durch Pekings Altstadt schlendert, kann sie
leicht übersehen. Die Bar Capital Spirits Baijiu
befindet sich nicht im 30. Stock eines glitzernden
Hochhauses, sondern in einem historischen, restaurierten Hutong, einem der typischen chinesischen
Wohnbauten. „Alle haben uns davon abgeraten“,
erinnert sich Matthias Heger an die Anfänge seines Unternehmens. Baijiu, was übersetzt „weißer
Alkohol“ bedeutet, war lange Zeit die inoffizielle
Währung für gegenseitige Gefallen. Erhältlich in
allen Preisklassen haftet Baijiu bis heute das Image
von Billigfusel und Korruption an.
Womit keiner gerechnet hat: Das Konzept kam vor
allem bei den jungen Chinesen und Touristen an.
Magazine und TV-Sender aus der ganzen Welt berichteten über die Erfolgsgeschichte – und schließlich stand der erste Vertreter eines staatlichen BaijiuHerstellers auf der Schwelle. „Die Baijiu-Industrie
befand sich gerade mitten in einer riesigen Absatzkrise und wollte von uns wissen: ‚Wie macht ihr das
nur?’“, sagt Heger. Um die passenden Antworten geben zu können, gründete Heger Capital Spirits, eine
Beratungsfirma für Baijiu-Export.
Heger ist ein Brückenbauer. Die Trinkgewohnheiten
des Westens und wie Marken in Europa und den
USA funktionieren ist den Baijiu-Produzenten völlig
fremd. Außerdem „herrscht in China ein Paradox
zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung“, erklärt
Heger. „Viele denken, was in China geht, geht auch
im Westen und andersrum.“ Für junge Unternehmen
wie Capital Spirits bilden diese Unterschiede die Geschäftsgrundlage. Und das Geschäft ist, eingesessenen Staatsbetrieben die Tore zum Westen zu öffnen.
Warum Heger die Tür zuerst in New York und
berlinvalley.com / 61
EVENTS
Hoch soll sie leben: die TOA16.
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B2B
Fireside mit Fabian und Ferry: Die Brüder Heilemann tauschen sich mit TOA-Gründer Nikolas Woischnik aus.
Besser als mit der Bahn: Zur TOA geht’s mit dem Schiff.
Sonne tanken: eine kurze Pause auf dem Hauptstadtfloß
DAS WAR DIE TOA 2016
Idylle an der Spree: So entspannt sich das Publikum zwischendurch.
Drei Tage Tech, Kunst, Musik und
Spreefahrt: mehr als 80 Speaker und
175 Satellite Events standen auf dem
Programm des Tech Open Air
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Schau mal: TOA-Grüner Niko Woischnik und Springer-Chef Mathias Döpfner zusammen unterwegs
www.de.capgemini.com
Design is who you are.
Tech für das Allgemeinwohl: Sajida Altaya (Kiron-Studentin), Markus Keßler
(Kiron) und Sebastian Stricker (Sharethemeal) im Gespräch
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24.02.16 10:44
BALÁZS TARSOLY, OPERATION BUTTERFLY
Der Blick nach vorn: volles Haus im Studio 1
62 / berlinvalley.com
Fotos: Nika Kramer, Stefan Wieland, Dan Taylor (Heisenberg Media
Ganz entspannt: Yoga am Wasser
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FRANKFURT / BERLIN
www.de.capgemini.com
EVENTS
EVENTS
KALENDER
Wichtige Events und Konferenzen für Gründer und Startups im Überblick
Frauenpower beim Zest in Malta (v. l.): Tugce Ergul (Angel Labs), Julie Meyer (Ariadne Capital),
Videesha Kunkulagunta (Redstone Digital) und Kaidi Ruusalepp (Funderbeam)
18.08. | KÖLN | KOELNMESSE
GAMESCOM CONGRESS
Deutschlands größter Kongress rund um digitale Spiele und Schnittstelle
zu anderen Kultur- und Kreativbranchen sowie zur Digitalwirtschaft.
02.–06.09 | BERLIN | MESSE BERLIN
IFA STARTUP DAYS
Täglich präsentieren sich zehn Startups auf der Ifa.
Alle Event-Details, NewsletterAnmeldung und mehr:
BERLINSTARTUP.EVENTS
Innovation Weekend in Berlin: Ikuo Hiraishi
bringt sein Projekt aus Japan zur Infarm.
17.–21.08. | KÖLN | KOELNMESSE
GAMESCOM
13.–16.09. | LONDON | VERSCHIEDENE ORTE
SOCIAL MEDIA WEEK LONDON
06.–07.10. | TOULOUSE | QUAI DES SAVOIRS
EMTECH FRANCE
18.–19.08. | BERLIN | UCI KINOWELT COLOSSEUM
HYBRIDCONF
14.–15.09. | KÖLN | KOELNMESSE
DMEXCO
24.–29.09. | TEL AVIV | HATACHANA
DLD TEL AVIV
26.08. | BERLIN | PRENZLAUER BERG
PING PONG CUP
15.–18.09. | ZÜRICH | KAUFLEUTEN
DIGITAL FESTIVAL
06.–07.10. | TOULOUSE | QUAI DES SAVOIRS
EMTECH FRANCE
30.08. | BADEN | TRAFO BADEN
SWISS INDUSTRY 4.0 CONFERENCE
19.–20.09. | BERLIN | BERLIN CONGRESS CENTER
INDUSTRY OF THINGS WORLD
17.–18.10. | LONDON | INTERNATIONAL O2
GLOBAL EXPANSION SUMMIT
30.–31.08. | DÜSSELDORF | RADISSON BLU
HORIZONT WERBEWIRKUNGSGIPFEL
20.–22.09. | KARLSRUHE | ZKM
NEWNEW FESTIVAL
25.–27.09. | MÜNCHEN | ICM MÜNCHEN
BITS & PRETZELS
31.08.–02.09 | BERLIN | VERSCHIEDENE ORTE
POP-KULTUR
22.–23.09. | HAMBURG | REEPERBAHN
NEXT CONFERENCE
00.00. | STADT | ORT
NAME
01.–02.09. | DÜSSELDORF | NIKKO HOTEL
CONTRA 2016
24.–29.09. | TEL AVIV | HATACHANA
DLD TEL AVIV
00.00. | STADT | ORT
NAME
Die Messe für interaktive Spiele zeigt die besten und neuesten Games
und die Highlights des Jahres der Games-Community.
GUT GETROFFEN
Schöner Ausblick: Michael Grupp von Pantavision
bei Meeting Europe’s Startup Stars
Jeden Monat trifft sich die
Startup-Szene auf Konferenzen,
Partys, Hackathons und anderen Events.
Ein kleiner Rückblick
Bei der Konferenz für Kreative stärken Designer und Entwickler ihre
Zusammenarbeit. Ziel ist es, das Web zu verbessern.
Das erste jährliche Ping-Pong-Turnier für Berliner Startups
Hier verschaffen sich Werbungtreibende und Mediaplaner einen Überblick
über den aktuellen Stand und die Trends der Werbewirkungsforschung.
Am Ball: Ein Kidsize Robot kickt beim Robocup in Leipzig.
Da lang: das Rescue-Robot-Finale
beim Robocup in Leipzig
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Fotos: Wilfried Feder, EmTech Europe
Abwarten: Das Team und Teilnehmer von Lventure und
Luiss Enlabs netzwerken außerhalb des Rainmaking Loft.
Fotos: Tom Schulze, Stefan Hoyer, RD Media, Lorenzo Serafini, EU Startup Services, Ikuo Hiraishi und Shiya Yoshimi, Rolf Schulten, Malta Communications Authority
Aus der Vogelperspektive: der Rework Machine Intelligence Summit
in Berlin in der Umweltforum Auferstehungskirche
Die Mannschaft 2.0: So wird beim Robocup 2016 in Leipzig Fußball gespielt.
Die Fachmesse für digitales Marketing und Werbung verbindet die
Wirtschaft mit visionären Trends und kommerziellen Potenzialen.
Die Tech-Welt trifft sich bei Keynotes, Labs, Sessions und HackZurich,
um Fragen der digitalen Zukunft zu diskutieren.
Das MIT Review veranstaltet die größte Emerging-Technology-Konferenz.
Tel Aviv wird als Stadt der Innovation gefeiert in dem Tastemaker aus
verschiedenen Feldern zusammen gebracht werden.
The größte Emerging Technology Konferenz, veranstaltet vom MIT Review.
Jetzt aber ran: Die Manager von Lventure und Luiss Enlabs
bereiten sich beim International Investor Day vor.
Bei der Konferenz rund um Industrie 4.0 wird der Swiss Industry 4.0 Award
verliehen.
Alle dabei: Gruppenbild zur Preisverleihung „Innovators under 35“ des MIT Technology Reviews
Bei der Social Media Week, die in 18 Metropolen weltweit stattfindet,
steht der Einfluss sozialer Medien auf Kultur und Wirtschaft im Zentrum.
Interdisziplinärer Austausch ist das Programm. Das schließt wissenschaftliche
Diskurse ein wie auch Konzerte, Performances, Talks und Lesungen.
Im Zentrum steht die Frage, welche Strategien zur Conversion
und Traffic-Optimierung heute funktionieren.
Das Programm der Plattform für Player der Internetindustrie beinhaltet
Keynotes, Workshops, Briefings, Panel-Diskussionen und Networking.
Das Event präsentiert Zukunftstechnologien und vernetzt Persönlichkeiten
aus Wirtschaft, Wissenschaft und der Kreativbranche (mehr auf Seite 56).
Zusammen mit dem Reeperbahn Festival wird das Digitale und Kulturelle mit
Business und Unterhaltung kombiniert.
Tel Aviv wird als Stadt der Innovation gefeiert und Tastemaker aus
verschiedenen Feldern werden zusammengebracht.
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Diskutiert werden globale Entwicklungsmöglichkeiten in der digitalen Welt.
Bei diesem Startup-Festival versammeln sich Gründer, Investoren,
Studierende und Gründungsinteressierte in Trachten zum Oktoberfest.
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CODE: BERLINVALLEY // GÜLTIG BIS 31. AUGUST
VORSCHAU
IN DER NÄCHSTEN AUSGABE
FINTECH
Wie weit sind die neuen Banken?
DURCHSTARTEN!
IMPRESSUM
INTERNATIONALISIERUNG
Die Dos und Don’ts der Expansion
CHEFREDAKTEURIN (V. I. S. D. P.)
Corinna Visser (vis; [email protected])
HERAUSGEBER
Jan Thomas (jt; [email protected])
ANSPRECHPARTNER ANZEIGEN
Sebastian Schäfer ([email protected])
CHEFIN VOM DIENST
Julia Meusel (jm)
MANAGING EDITOR
Christoph Strobel (cs)
REDAKTION
Jenny Becker (jb), Anna-Lena Kümpel (ak), Rosa Wehler (rw),
Justus Zenker (jz)
LEKTORAT Julia Meusel
STÄNDIGE MITARBEITER
Sabine Petzsch, Erik Giertz
CREATIVE SUPERVISION
Balázs Tarsoly ([email protected])
CREATIVE DIRECTOR
Natascha Ungereit ([email protected])
PRODUKTIONSLEITER
Johnnie Clapper ([email protected])
MITARBEITER GRAFISCHE GESTALTUNG
Louisa Pepay
FOTOGRAFEN
Adela Dupetit, Saskia Uppenkamp, Jann Venherm
DRUCK
Möller Druck und Verlag GmbH, Zeppelinstraße 6,
16356 Ahrensfelde OT Blumberg
PAPIER
glzd. gestr. aufgebessert LWC, 70 g/m² SZO
AUFLAGE
20.000 Exemplare
NKF publiziert zwei der führenden Startup-Medien in Deutschland –
Berlin Valley und the Hundert.
Innovationen sind unsere Leidenschaft. Wir möchten Veränderung verstehen und mitgestalten,
technologisch und gesellschaftlich. Kurzum: Unser Platz ist vorne, unser Blinker links.
Wir haben Spaß an dem, was wir tun.
Unsere größte Stärke ist unser Team. Und hier kommst Du ins Spiel.
Denn wir wollen weiter wachsen und suchen daher ab sofort:
EVENT-MANAGER
Berlin Valley erscheint monatlich und kostenlos in der
NKF Media GmbH, Gustav-Meyer-Allee 25, 13355 Berlin,
Telefon: 030 46777251, nkf.media
NEW YORK STARTUPS ON THE RISE
Wir stellen das Ökosystem der Ostküstenmetropole vor
ERSCHEINT AM: 6. OKTOBER
Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der
Redaktion wieder. Die in diesem Magazin enthaltenen Angaben
werden nach bestem Wissen erstellt und mit großer Sorgfalt auf
ihre Richtigkeit überprüft. Trotzdem sind inhaltliche und sachliche Fehler nicht vollständig auszuschließen. NKF Media GmbH
übernimmt keinerlei Garantie und Haftung für die Richtigkeit,
Aktualität und Vollständigkeit der bereitgestellten Informationen.
Alle Angaben sind ohne Gewähr.
(M/W)
ONLINE-REDAKTEUR
(M/W)
WIR BEDANKEN UNS BEI WEITEREN PARTNERN UND UNTERSTÜTZERN
PRAKTIKANT
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Fotos: Flickr/Penn State CC by 2.0, alphaspirit-Fotolia.com, Philipp Henzler/Unsplash
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Deadline: 8th August 2016 #BetterQuestions
“EY” and “we” refer to all German member firms of Ernst & Young Global Limited, a UK company limited by guarantee. ED None.
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