Selbstbestimmt Leben – keine Utopie Die hier vorliegenden

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Selbstbestimmt Leben – keine Utopie Die hier vorliegenden
Selbstbestimmt Leben – keine Utopie
Autorin: Sonja Stadler
Mentorin für existenzanalytische und logotherapeutische Beratung und Begleitung
Selbstbestimmt Leben – keine Utopie
Die hier vorliegenden Unterlagen stützen sich auf mein Referat. Während der
Veranstaltung, „Konferenz Persönliche Assistenz“ in Vorarlberg, am 29.02.2016 in
Bregenz. Aufgrund des großen Interesses an meinem Referat, wurde ich vom
Veranstalter gebeten die Unterlagen in schriftlicher Form nachzureichen. Diesem
Wunsch möchte ich an dieser Stelle, hiermit gerne nachkommen.
Der Inhalt beleuchtet den Hintergrund bzw. die Grundlagen der
Unterstützungssysteme basierend auf dem „4 Schachtel Modell“. Dieses Modell
entstand aus meiner langjährigen Berufs- und Beratungs-Erfahrung von und mit
Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen, welche in den Einrichtungen
leben und arbeiten. 2015 wurde es das erste Mal verschriftlicht und in der Praxis
angewandt.
Dabei handelt es sich um den Kurs:
In dem Kurs „Handbuch für TrainerInnen“ – Gesundsein. Ein Kurs zur
Förderung der Gesundheitskompetenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten
wurden die oben beschriebenen Haltungen und Ansätze als Grundlage für die Arbeit
mit Menschen mit Lernschwierigkeiten verwendet und das „4 Schachtel Modell“ der
Unterstützungssysteme angewendet.
Quelle: „Handbuch für TrainerInnen“ – Gesundsein. Ein Kurs zur Förderung der
Gesundheitskompetenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten
Im Auftrag der „WiG – Wiener Gesundheitsförderung“
Autorinnen:
Schaffer Research:
Nicole Schaffer
Solution – Sozialforschung & Entwicklung:
Birgit Buchinger, Gabi Pöhacker, Sonja Stadler
Herausgeberin:
Wiener Gesundheitsförderung gemeinnützige GmbH – WiG,
Projektleitung: Mag. (FH) Heidrun Rader, [email protected]
Seit 21 Jahren Aktivistin der Selbstbestimmt Leben Bewegung, davon 16 Jahre Anwenderin von
Persönlicher Assistenz
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Selbstbestimmt Leben – keine Utopie
Autorin: Sonja Stadler
Mentorin für existenzanalytische und logotherapeutische Beratung und Begleitung
Einblick in das „4 Schachtel Modell“:
Jede der 4 Schachteln ist mit dem Boden des Selbstbestimmt Leben Paradigmas
und der People First Geschichte und der damit verbundenen Personzentrierten
Haltung ausgelegt. In der 1. Schachtel befindet sich das Modell der „Persönlichen
Assistenz“ (für Menschen mit Körper- und Sinnesbehinderungen), 2. Schachtel
„Unterstützung nach People First“ (für Menschen mit Lernschwierigkeiten und
mehrfach Behinderungen), die 3. Schachtel „Personzentrierter Betreuung nach Carl
Rogers und Marlies Pörtner“ (für Menschen mit schwersten Mehrfachbehinderungen)
Die 4. Schachtel dient zum Mischen aus dem Inhalt der ersten 3 Schachteln, um
Personzentriert und Bedarfsorientiert das persönliche Unterstützungsmodell zu
finden.
Zur Unterstützung beim finden des Personzentrierten Unterstützungsmodells ist
seitens des Beraters/Begleiters auf folgende Methoden zurück zu greifen:
•
•
•
Peer Councelling
Persönliche Zukunftsplanung
Skill-Training
Ansätze nach Carl Rogers (Peer Councelling):
In meiner praxisbezogenen Auseinandersetzung mit dem Peer-Counseling begannen
mich verständlicherweise die Ansätze Carl Rogers klientenbezogener
Gesprächstherapie zu interessieren.
Seine Ansätze sind die Grundlage für das Peer Counselling, welches nur für
Personen mit Behinderungen durchführbar sind. Die Ansätze von Carl Rogers bieten
Menschen ohne Behinderungen Möglichkeiten, diese auch in der praktischen Arbeit
mit ihren KundInnen umsetzen zu können.
Im Folgenden möchte ich Ihnen einen kurzen Überblick, über die Entstehung der
klientenbezogenen Gesprächstherapie von Carl Rogers geben und ihnen einige
grundlegende Ideen dieser Gesprächstechnik mit auf den Weg geben.
Carl Ransom Rogers ist der Begründer der Gesprächspsychotherapie. Er entwickelte
eine eigene Art der Beratung und Psychotherapie, in der die Beziehung zur/m
Patient/in im Mittelpunkt steht. Er konnte zeigen, dass die Wirkung einer Therapie
nicht nur auf der speziellen therapeutischen Methode beruht, sondern vor allem von
der Art des Kontaktes zwischen Therapeut/innen und Klient/innen abhängt.
Nach Rogers müssen drei Bedingungen erfüllt sein, damit Menschen sich selbst und
die eigenen Verhaltensweisen optimal verstehen und konstruktive Veränderungen
einleiten können.
Seit 21 Jahren Aktivistin der Selbstbestimmt Leben Bewegung, davon 16 Jahre Anwenderin von
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Selbstbestimmt Leben – keine Utopie
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Ein ideales Gespräch sollte von Offenheit, Akzeptanz, Anteilnahme, nichturteilendem Verstehen, Empathie und Echtheit gekennzeichnet sein. Rogers
vertraute darauf, dass jeder Mensch von Grund auf „positiv“ dem Leben und der
Umwelt zugewandt ist. Menschen sind wandelbar und können ihr Schicksal
selbstverantwortlich in die eigenen Hände nehmen.
Der Mensch befindet sich für Rogers von Geburt an in einem Wachstumsprozess
und besitzt die innere Kraft, sich zu vervollkommnen und ungeahnte kreative
Fähigkeiten zu entfalten. Entscheidend dafür, dass Menschen ihre Möglichkeiten
nutzen und sich entfalten, ist aber die Qualität ihrer Beziehungen zu den
Mitmenschen. (vgl. Federspiel & Lackinger Karger 1996: 306-308)
Die persönliche Zukunftsplanung:
Der Ausgangspunkt: Gemeinsam eine erfreuliche Zukunft gestalten
Um Menschen bei der Gestaltung ihrer Zukunft erfolgreich unterstützen zu können,
müssen wir uns mit den unterstützten Personen über ihre Träume und Ziele im
Leben unterhalten.
Dies bedeutet wiederum, dass Menschen mit den unterschiedlichsten
Behinderungen ihr persönliches Unterstützungsmodell finden können – müssen.
Daraus ergibt sich, dass auf Instrumente aus der persönlichen Zukunftsplanung wie
dem Unterstützerkreis der Beratungsform des Peer Councelings und Unterlagen in
leichter Sprache zurückgegriffen werden kann und soll.
Empfohlene Literatur:
„ I want my dream!“ – Persönliche Zukunftsplanung
Autor: Stefan Doose
Erschienen beim Netzwerk People First Deutschland e.V.
Im Nachfolgenden Text erfahren Sie über die Entstehungsgeschichte von
Selbstbestimmt Leben sowie der People First Bewegung und des Personzentrierten
Ansatzes von Carl Rodgers um die Grundlagen der Personzentrierten Haltung
zusammengefasst zu haben.
Zum Skill-Training ist zusagen, dass Menschen mit den unterschiedlichsten
Behinderungen die Möglichkeit erhalten müssen, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten im
Leben zu erproben und zu üben. Dazu eignen sich Skill-Trainings die auf die
jeweilige Alltagssituation bezogen sind.
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Beispiel dafür, könnte sein das telefonische Anfordern eines Fahrtendienstes.
Anhand von diesem Beispiel kann der Mensch mit Behinderung auch herausfinden
welche Unterstützung er braucht um nicht selbstständig, aber selbstbestimmt
telefonieren zu können. Diese Erfahrung würde man im Weiteren dafür verwenden,
um für andere Beispiele im Leben, Anleitung für seine Unterstützung geben zu
können.
An dieser Stelle möchte ich Ihnen, Texte zur Entstehungsgeschichte der
„Selbstbestimmt Leben Bewegung, der People First Bewegung sowie der
Personzentrierten Betreuung“ zur Verfügung stellen, um die Füllung der ersten 3
Schachteln des 4 Schachtel Modells der Unterstützungssysteme genauer
nachvollziehen zu können.
Entstehung der Independent-Living-Association
(=Selbstbestimmt-Leben-Bewegung und die Geschichte
der People First Bewegung bilden gemeinsam den
Boden aller 4 Schachteln)
Bildquelle: Ed Roberts Campus
In den 1960er Jahren gab es in den Vereinigten Staaten eine sehr aktive
Student/innenbewegung, die viele Impulse zur gesellschaftlichen Veränderung gab.
Mehrere junge Menschen mit Behinderung versuchten zu der Zeit ihr Recht auf ein
Studium an der Universität in Berkley durchzusetzen. Sie hatten auch die
Bürgerrechtsbewegung der Bürger mit dunkler Hautfarbe als Vorbild. Unter anderem
stellte der junge Ed Roberts, der eine eiserne Lunge benötigte, einen Antrag auf
einen Studienplatz und wurde in das Campus-Spital eingewiesen, weil er angeblich
nur dort ausreichend "betreut" werden könnte.
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Ed Roberts und andere Student/innen mit Behinderung versuchten mit Hilfe sehr
aktiver Student/innenvertreter/innen ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Studienleben
durchzusetzen und gründeten in Berkley das erste Selbstbestimmt-Leben-Zentrum.
Gemeinsam formulierten sie erstmals viele heute allgemein gültige Forderungen,
entwickelten eigene Instrumentarien zur Förderung von Menschen mit den
unterschiedlichsten Behinderungen auf ihrem Weg zur Selbstbestimmung.
Schließlich wurde Ed Roberts selbst Chef jener Rehabilitationsbehörde, die ihm einst
jegliche Förderung auf seinem Weg zur Selbstbestimmung verwehrt hatte.
Schlussfolgerungen daraus:
An der Geschichte mit Ed Roberts gefallen mir drei Punkte besonders gut:
a) Durch die intensive Auseinandersetzung mit seiner Behinderung konnte er
seine persönlichen Bedürfnisse genau einschätzen. Daraus entwickelte er die
nötige Anleitungskompetenz, um mit Persönlicher Assistenz leben zu können.
b) Er verstand es auch andere Menschen mit den unterschiedlichsten
Behinderungen für seine Vision von einem selbstbestimmten Leben zu
begeistern. Diese Begeisterung drückte sich in zahlreichen Gesprächen aus,
die Frauen und Männer mit einer Behinderung miteinander führten. Der Inhalt
dieser Gespräche war geprägt von den Erlebnissen und Problemen, die die
Menschen durch ihre Behinderungen hatten. Ihre Gesprächskultur war
durchzogen von dem Willen, die gerade sprechende Person aussprechen zu
lassen, sie verstehen zu wollen und einfühlsam sein zu wollen. Auf diese
Weise konnten sie gut nachvollziehen, was für die sprechende Person im
Augenblick schwierig oder wichtig war. Durch dieses Verhalten erkannten die
Männer und Frauen mit einer Behinderung auch, dass ihnen die
Verbundenheit durch die ähnlichen Erfahrungen sehr gut tat. Derselbe
Lebenshintergrund machte sie zu Peers und sie lernten schnell den
Peergedanken positiv für sich zu nützen. Diese positive Nutzung hatte auch
zur Folge, dass die Menschen in gesellschaftspolitischen Belangen etwas für
sich zum Guten verändern konnten.
c) Diese Veränderungen sind am besten daran zu erkennen, dass es Ed Roberts
geschafft hat, Chef von jener Behörde zu werden die ihm zu Beginn seines
Student/innenlebens jegliche finanzielle Unterstützung untersagt hatte. Ich
weiß nur zu gut, dass meine Behinderung Geld kostet, denn der
Assistenzbedarf von mir und meiner Familie, will finanziert sein.
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Bedeutung der Selbstbestimmung für uns Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder
mit einer Behinderung:
Auch für Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung sollten die nachstehenden
Worte immer mehr an Bedeutung und Wichtigkeit gewinnen, je älter sie werden.
Was bedeutet es für uns Menschen mit einer Behinderung ein selbstbestimmtes
Leben zu führen?
Es bedeutet, dass wir unabhängig von Art und Ausmaß unserer Behinderung den
eigenen Lebensstil wählen, entwickeln und leben können, sowie das
uneingeschränkte Recht haben am öffentlichem Leben teilzunehmen. Wenn es heißt
den eigenen Lebensstil wählen, entwickeln und leben zu können sind damit auch
alltägliche Dinge wie essen und anziehen gemeint. Den eigenen Lebensstil zu leben
bringt eine neue Freiheit mit sich. Dadurch ergeben sich aber neue Anforderungen
und Aufgaben, welche wiederum in Eigenverantwortung zu lösen sind. Dieser
Umstand ist für manche Menschen mit einer Behinderung nicht einfach zu erfassen
und verlangt viel Übung von allen beteiligten Personen, die da sind die Frauen und
Männer mit einer Behinderung, die Assistent/innen, bzw. Unterstützer/innen und
auch die Eltern, falls es sich noch um Kinder und Jugendliche handelt.
Die sich ergebenden „Anforderungen und Aufgaben“ sind:
Frauen und Männer mit den unterschiedlichsten Behinderungen werden diesen
Anforderungen und Aufgaben eines selbstbestimmten Lebens gerecht in dem sie
sich intensiv mit dem Selbstbestimmt-Leben-Paradigma befassen und sich vom
Rehabilitationsparadigma Schritt für Schritt lösen. Dieser Lösungsprozess braucht
Zeit, viel Übung und Erfahrung mit selbstbestimmten Alltagsprojekten und auch eine
sozialpolitische Auseinandersetzung mit dem Thema Behinderung. Deshalb auch
hier Unterlagen für diese Auseinandersetzungen.
Um Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen, Lernschwierigkeiten
und/oder Mehrfachbehinderungen sowie chronischen Krankheiten einen sozial
politischen Rahmen für diese Entwicklungsmöglichkeiten aber auch
Entwicklungsanforderungen zu bauen, hat die Selbstbestimmt-Leben-Österreich
(SLÖ) Jahre lang um das Gleichstellungsgesetz gekämpft.
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Paradigmenwechsel
Therapeutische Sichtweise
Selbstbestimmt-Leben-Sichtweise
Sonja
Ich mag mich wie ich bin – auch mit
Behinderung.
Behinderung
Ich heiße Sonja.
Ich muss turnen.
Ich turne, wenn es mir Spaß macht!
Ich werde immer Hilfe brauchen.
Ich werde immer persönliche Assistenz
brauchen. Ich mag Birgit, meine
persönliche Assistentin! Wir sind ein
gutes Team.
Ich habe keinen Beruf.
Ich arbeite gerne als Trainerin.
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Problemdefinition
Ort des
Problems
Problemlösung
Soziale
Rolle
Wer ist tonangebend
Erwünschtes
Ergebnis
Rehabilitations-Paradigma
Körperliche Einschränkung,
mangelnde Fähigkeit zur
Berufsausbildung
Der/die einzelne Betroffene
Selbstbestimmt-LebenParadigma
Abhängigkeit von Fachleuten,
Angehörigen,...
Patient/in oder/und Klient/in
Umwelt,
Rehabilitationsprozess
Beratung durch gleichfalls
Betroffene, Rechtsbeistand,
Selbsthilfe, Kontrolle durch behind.
"Kund/innen", Abbau
architektonischer Hindernisse
Kund/in
Fachprofi
Kund/in
Größtmögliche Fähigkeiten in Bezug
auf Aktivitäten des täglichen Lebens,
Berufstätigkeit
Independent Living
(= Selbstbestimmtes Leben)
Fachkundiges Vorgehen von Ärzt/in,
Krankengymnast/in,
Beschäftigungstherapeut/in,
Berufsberater/in,...
Für das Selbstbestimmt-Leben-Paradigma sind in der Praxis folgende Schritte
von großer Bedeutung:
•
•
•
•
•
•
•
seine Grundbedürfnisse befriedigen zu können
im Fühlen und Denken frei zu sein
sich selbst zu akzeptieren und zu vertreten
sich in der Begegnung mit anderen gleichwertig zu fühlen
seine eigenen Ziele verwirklichen zu können
ein eigenverantwortliches Leben zu führen, in dem frau/man sich für die sich
daraus ergebenden Konsequenzen entscheiden kann
in und mit der Gesellschaft zu leben und ein politischer Mensch zu sein
In der Arbeit mit Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten und/oder
Mehrfachbehinderungen ist es für mich zur Selbstverständlichkeit geworden, die
gerade erfolgte Aufzählung mit alltäglichen Beispielen zu untermauern.
Ich bin der Ansicht, dass alle diese Punkte wichtig sind, aber mich bewegt einer
immer wieder besonders und deshalb möchte ich ihn auch noch einmal hervorheben
und beschreiben.
Sich selbst zu akzeptieren und zu vertreten: Das heißt für mich, ich habe mich mit
meiner Behinderung auseinandergesetzt und habe herausgefunden, was ich brauche
um mit meiner Behinderung psychisch und physisch gut klar zu kommen. Durch
diese Auseinandersetzung habe ich auch Anleitungskompetenz entwickeln können.
An dieser Stelle möchte ich sagen, dass ich aus eigener Erfahrung nur allzu gut
weiß, das gerade dieser Punkt leichter beschrieben ist als ins Leben umgesetzt. Das
ist nun aber auch der wichtigste Grund warum frau/man nicht aufhören sollte es
immer und immer wieder aufs Neue auszuprobieren.
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Was heißt People First eigentlich und woher kommt es?
In den 70ern des vergangenen Jahrzehnts haben sich in den USA Menschen mit
Lernschwierigkeiten zu einer Gruppe zusammen getan. Diese dachten sich den
Namen „People First“ für ihre Gruppe aus, zu Deutsch „Zuerst Mensch“.
Die Mitglieder wollten und wollen damit zeigen, dass sie zunächst einmal Menschen
sind, nicht nur „die geistig Behinderten“. Inzwischen gibt es auf der ganzen Welt
People First Gruppen.
1994 fand in Duisburg ein Kongress mit dem Thema „Ich weiß doch selbst, was ich
will! – Menschen mit geistiger Behinderung auf dem Weg zu mehr
Selbstbestimmung“ statt. Fast 1000 Menschen mit und ohne Behinderung nahmen
daran teil. Das Ergebnis dieses Kongresses war die Duisburger Erklärung, die noch
heute Gültigkeit hat:
Wir möchten mehr als bisher unser Leben selbst bestimmen. Dazu brauchen wir
andere Menschen. Wir wollen aber nicht nur sagen, was andere tun sollen. Auch wir
können etwas tun!
Wir wollen Verantwortung übernehmen. (Zum Beispiel in der Werkstatt nach der
Pause pünktlich mit der Arbeit anfangen.)
Wir wollen uns auch um schwächere Leute kümmern. Auch schwer behinderte
Menschen können sagen, was sie wollen. Vielleicht nicht durch Sprache, aber
frau/man kann es im Gesicht sehen oder am Verhalten.
Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. (Zum Beispiel soll
eine Familie mit behindertem Kind genauso wie andere eine Wohnung mieten
können.)
Alle haben das Recht, am Leben der Gemeinschaft teilzunehmen. (Zum Beispiel ist
es nicht in Ordnung, wenn frau/man behinderte Menschen abfüttert oder ihnen sagt,
wann sie ins Bett oder zur Toilette gehen sollen.)
Wenn Politiker/innen von Selbstbestimmung sprechen, heißt das nicht, dass sie
damit Geld sparen können. Denn Selbstbestimmung heißt nicht, dass frau/man ohne
Hilfe lebt.
Selbst zu bestimmen, heißt auszuwählen und Entscheidungen zu treffen!“ (vgl. Göbel
1997: 3-5)
Jede/r lernt am besten durch eigene Erfahrungen. Involvierte Menschen meinen es
oft zu gut. Sie lassen uns nicht selbst probieren. Es ist ja nicht schlimm, wenn
frau/man Fehler macht und von vorne anfängt.
Betreuer/innen sollen uns helfen, dass wir Dinge selbst tun können. Sie sollen sich
mit Geduld auf behinderte Menschen einstellen. Wir wollen zusammenarbeiten, wir
sind keine Befehlsempfänger/innen. (vgl. Göbel 1997: 7)
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Selbstbestimmt Leben – keine Utopie
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In der Begegnung mit Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten habe ich schon
viele schöne und für mich wertvolle Erfahrungen machen dürfen, die für mich nicht
nur in beruflicher Hinsicht wichtig waren, sondern auch für mich persönlich. Eine
dieser Erfahrungen war, dass ich die Unterscheidung ob ein Mensch eine
Körperbehinderung oder eine Lernschwierigkeit hat, nicht mache.
So erwarte ich mir von den Menschen aus der Selbstbestimmt Leben und der People
First Bewegung eine enge empathische, solidarische sowie eine zielstrebige
Zusammenarbeit. Besonders wichtig finde ich dabei, dass wir nicht auf die Menschen
mit einer Behinderung die in Einrichtungen leben und arbeiten vergessen dürfen.
Sie müssen genau so wie wir erfahren dürfen, was uns die Selbstbestimmt Leben
und die People First Geschichte erzählt und sagen will. Wir müssen sie dabei
unterstützen, dass sie auch in ihrer Einrichtung in der sie leben und arbeiten,
Selbstbestimmt Leben lernen und dies auch dürfen. Denn sie haben ein Recht auf
Selbstbestimmt Leben Erfahrungen sowie wir.
Aus meiner Sicht brauchen wir Peers und jede/r von uns Mut um seine/ihre
Selbstbestimmung zu erlangen und um sich dafür einzusetzen. Dieser Mut den
Frauen und Männer mit einer Lernschwierigkeit brauchen kam für mich auch in dem
Text einer Unterstützerin zum Ausdruck. Die Unterstützerin Frau Mag. Petra Flieger
hielt einen Vortrag zur Eröffnung des 3. Kongresses mit dem Titel „DU, Ich und mein
Leben WIR“ von, mit und für Menschen mit einer Behinderung (Lebenshilfe Innsbruck
5.Nov. 1998). Ich war selbst Teilnehmerin an diesem Kongress und konnte mir viele
wertvolle Impulse für meine Arbeit mit meinen Kund/innen mitnehmen.
Auswirkungen des Selbstbestimmt Leben Paradigmas auf
Österreich
An dieser Stelle möchte ich das Behindertenberatungszentrum BIZEPS etwas
ausführlicher beschreiben, denn es war das erste Österreichs. Seit der Entstehung
von BIZEPS zogen die meisten Bundesländer Österreichs hinten nach.
Behindertenberatungszentrum (BIZEPS):
Der Verein "Behindertenberatungszentrum-BIZEPS; Zentrum für Selbstbestimmtes
Leben" betreibt eine Beratungsstelle für behinderte Menschen und deren Angehörige
in Wien, die nach den Kriterien der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung organisiert ist
und nach deren Wertvorstellungen arbeitet.
Schwerpunkte Ihrer Arbeit sind unter anderem:
•
•
•
Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein selbstbestimmtes Leben mit
Persönlicher Assistenz möglich machen
behinderte Menschen bei der Organisation von Persönlicher Assistenz zu
beraten und zu unterstützen
eine umfassende Behindertengleichstellungsgesetzgebung zu erkämpfen um
gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.
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Mentorin für existenzanalytische und logotherapeutische Beratung und Begleitung
Sie beraten behinderte Menschen in allen behinderungsrelevanten Bereichen und
unterstützen sie auf ihrem individuellen Weg in ein selbstbestimmtes Leben. Wir
bieten aktivierende Betroffenenberatung nach dem Prinzip "Behinderte Menschen
beraten behinderte Menschen" (Peer Counceling) an.
Sie mischen sich auch aktiv in das politische Leben ein, indem sie verstärkt auf ihre
Bedürfnisse hinweisen und gemeinsam gegen Benachteiligungen und
Diskriminierungen auftreten.
Das Modell der Persönlichen Assistenz im Überblick:
Inhalt der 1. Schachtel:
Im heutigen Alltagsleben ist es auch für Menschen ohne so genannte Behinderungen
nicht mehr möglich, alle anfallenden Tätigkeiten selbst zu erledigen. Z.B. die
Reparatur des Autos, eine neue Dauerwelle, das Anfertigen von Kleidungsstücken
usw. wird über entsprechende Dienstleistungen abgewickelt.
Viele Menschen mit Behinderungen werden durch persönliche Assistenzleistungen
erst in die Lage versetzt, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Erst dadurch sind
sie nicht mehr gezwungen, sich den Strukturen von Heimen oder ambulanten
Diensten unterzuordnen.
So wird frau/man als Mensch mit Behinderung vom/von der Hilfeempfänger/in zum/r
Auftraggeber/in. Frau/man kann so Tätigkeiten, die frau/man nicht selbständig
ausführen könnte, delegieren und sich auf jene Dinge konzentrieren, die frau/man
selbst tun kann und will.
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Persönliche Assistenz
Ich nehme alle meine Kompetenzen
selbst wahr, handle in Eigenverantwortung, liefere mich meine/n
persönliche/n Assistent/in nicht aus.
Mein Vorteil dabei ist, dass ich mich
selbst vertreten kann und so mein
Selbst-vertrauen steigt.
Der Nachteil für mich ist, dass ich
selbst nachdenken muss, was und wo
ich wie etwas will. Wenn ich einen
Fehler gemacht habe, muss ich
auch damit fertig werden. Also ist
es für mich anstrengender.
Betreuung
Ich lege all meine Kompetenzen in die
Hände der/s Betreuer/in/s und liefere
mich ihr/ihm dadurch aus.
Ich habe aber auch den Vorteil, dass
ich mich nicht selbst anstrengen muss.
Ich brauche mir nichts selber überlegen,
denn die/der Betreuer/in sagt mir
sowieso, wo es langgeht. Ich muss
also nur hinten nach.
Mein Nachteil wird sein, dass ich mir
nichts zutraue und mein Leben
langweiliger und eintöniger werden
wird.
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Um den Wunsch nach Selbstbestimmung umsetzen zu können, muss frau/man sich
folgende Kompetenzen aneignen:
Beschreibung
Kompetenzen
PersonalArbeitgeber/innen
kompetenz
entscheiden, wer die
Assistenzleistung erbringt,
schließen Arbeitsverträge mit
ihren Assistent/innen, erstellen
Dienstpläne,
Lohnabrechnungen, führen
Steuern und
Sozialversicherungsbeiträge
ab.
Beispiel aus der Praxis
Ich als Assistenznehmer/in muss
mir überlegen, ob ich die
Assistenzleistung von einer Frau oder
von einem Mann haben will. Wie alt
soll diese Person sein? Welche
Fähigkeiten soll diese
Person mitbringen? Welche
Eigenschaften wünsche ich mir?
Unsere Assistent/innen sind nicht
angemeldet und werden am Ende des
Dienstes bezahlt.
AnleitungsArbeitgeber/innen lernen die
Ich erkläre selbst, wie ich es schaffe,
kompetenz
Assistent/innen selbst für die
aus dem Rolli aufzustehen, ohne dabei
benötigte Hilfeleistung ein. Sie umzufallen. Ich muss beim Aufstehen
wissen am besten, welche
darauf achten, dass ich nicht zu weit
Assistenzleistung sie in
auf die Fersen nach hinten komme.
welchem Umfang benötigen.
Beim Anziehen ziehe ich zuerst alle
Hosen an, dann die Schuhe. Denn mit
den Schuhen kann ich besser stehen
und erst wenn ich sicher stehe, wird
eine Hose nach der anderen hinauf
gezogen.
FinanzArbeitgeber/innen kontrollieren Derzeit können wir 7,40 Euro in der
kompetenz
die Verwendung der ihnen zur Stunde und für die Anfahrt 3,70 Euro
Verfügung stehenden
bezahlen. Seit der Einführung des
finanziellen Mittel, wie z.B.
Pflegegeldes wird es erst dieses Jahr
Leistungen aus dem
erhöht. Es scheint, dass Politiker/innen
Bundespflegegeldgesetz.
glauben, wir Assistenz bekommen
auch für 3,70 in der Stunde eine/n
Assistent/in.
Organisations- Arbeitgeber/innen gestalten
Ich entscheide, ob ich Arbeit im
kompetenz
ihren Tagesablauf nach ihren Haushalt erledigen muss oder ob ich
Wünschen und
mit meiner Tochter auf den Spielplatz
Anforderungen.
gehen will.
RaumArbeitgeber/innen
Ich entscheide, auf welchen Spielplatz
kompetenz
entscheiden, an welchem Ort ich gehen will.
die Assistenz erbracht wird.
Z.B. in der eigenen Wohnung,
am Urlaubsort, bei Besuch
von Freund/innen und
Familienangehörigen, usw.
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Inhalt der 2. Schachtel:
Was ist Unterstützung für Menschen mit Lernschwierigkeiten in Abgrenzung zu
Assistenz?
Unterstützung geht über die Aufgaben von Persönlicher Assistenz hinaus.
Menschen, die persönliche Assistenz in Anspruch nehmen, verfügen über eine
Anleitungskompetenz. Das heißt, sie bestimmen, wie die konkrete Hilfeleistung, die
sie brauchen, aussehen muss.
In Abgrenzung dazu beschreiben Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht unbedingt
bis ins Detail, welche konkrete Hilfeleistung sie gerade brauchen, sondern benennen
sehr oft die Dinge, die sie gar nicht oder nicht so gut können. Daran erkennt die
Unterstützungsperson den Hilfsbedarf. Je mehr Menschen mit Lernschwierigkeiten
gewohnt sind, nach Unterstützung zu fragen, desto eher können sie ihren konkreten
Hilfsbedarf benennen.
Wir unterscheiden vor allem zwei Formen der Unterstützung:
Praktische Unterstützung (ähnlich Assistenz)
Bei der praktischen Unterstützung sagt die betroffene Person, was sie will oder was
sie nicht kann. Hier geht es darum „Hände, Füße und Kopf“ für eine Person zu sein:
•
Vorlesen
•
Aufschreiben
•
Informationen heraussuchen
•
Fahrtdienst anbieten
Inhaltliche Unterstützung
Bei der inhaltlichen Unterstützung hat die Unterstützungsperson eine aktivere Rolle.
Hier geht es darum, sein gesamtes Wissen zur Verfügung stellen.
Das kann sein:
•
Informationsquelle zu sein
•
Aktivitäten unterstützend vor- und nachzubereiten
•
Neutral die Aktivitäten zu reflektieren
•
Sicherheit im Hintergrund zu vermitteln
•
Zu beraten
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•
Komplexe Abläufe zu strukturieren
•
An Termine zu erinnern
•
Zu erfragen, welche Hilfen gebraucht werden
•
Ideen und Ratschläge zu geben
Wichtig ist bei alledem, dass alle Entscheidungen, welche getroffen werden,
grundsätzlich bei den betroffenen Personen liegen.
Im Gegensatz zu Assistenzsituationen liegt der aktive Part der Unterstützung in der
Vor- und Nachbereitung von Aktivitäten. Während der eigentlichen Aktivität bleibt die
Unterstützungsperson im Hintergrund.
Gute Unterstützung ist, die drei folgenden Rollen zu kennen und zu wissen, wann
eine Unterstützungsperson welche Rolle einnehmen muss:
•
Helfende Person, die einen größeren aktiven Anteil hat.
•
Beistehende Person, die in ihrer Nähe ist und unter Umständen Hilfe leistet.
•
Beratende Person, die im Hintergrund als Ansprechperson da ist.
Ziel von Unterstützung
Ein Ziel von Unterstützung ist das Erreichen von mehr Selbstbestimmung,
Eigenverantwortung und möglicher Selbstständigkeit.
Der Inhalt der 3. Schachtel:
Personenzentrierte Betreuung:
Menschen die aufgrund ihrer Behinderung auf Personzentrierte Betreuung
angewiesen sind, brauchen UnterstützerInnen und Betreuungspersonen, die gewillt
sind, sich mit den Grundsätzen von Carl Rodgers und den Praxisanleitungen von
Marlies Pörtner wie in diesen Unterlagen erwähnt, intensiv auseinander zu setzen.
Bei dieser Form der Unterstützung ist es besonders wichtig sich mit den oben
beschriebenen Grundsätzen zu beschäftigen, denn nur so wird es gelingen
Menschen trotz ihrer schweren Behinderung dabei zu unterstützen ihre eigene Ideen,
Wünsche und Vorstellungen vom Leben in ganz kleinen Schritten und in ihren
persönlichen Möglichkeiten umzusetzen.
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Selbstbestimmt Leben – keine Utopie
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Diesen Weg hat die Caritas Vorarlberg, Fachbereich mit Menschen mit
Behinderungen 2008 durch die Umstellung ihres Leitbildes und die dazugehörigen
pädagogischen Leitlinien begonnen erfolgreich zu gehen. Im Folgenden möchte ich
ihnen dazu einen praktischen Einblick geben.
Wir haben gemeinsam mit Sonja Stadler bei der Leitbild und Leitlinienklausur wirklich
intensive Auseinandersetzungen aufgrund dieses Buches geführt und infolgedessen
die pädagogischen Leitlinien entwickelt. An dieser Stelle möchte ich die Überschriften
aus unserem Leitlinienheft zitieren:
Handlungsgrundlagen
•
Gleichgewicht zwischen Rahmen und Spielraum
•
Klarheit
•
Erleben als zentraler Faktor
•
Nicht was fehlt ist entscheidend sondern was da ist
•
Die kleinen Schritte
•
Der Weg ist ebenso wichtig wie das Ziel
•
Vertrauen in die Entwicklungsmöglichkeiten
•
Selbstverantwortung
Leitfaden
•
Zuhören
•
Ernstnehmen
•
Von der Normalsituation ausgehen
•
Beim Naheliegenden bleiben
•
Sich nicht von Vorwissen bestimmen lassen
•
Erfahrungen ermöglichen und auf das Erleben eingehen
•
Ermutigen
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Selbstbestimmt Leben – keine Utopie
Autorin: Sonja Stadler
Mentorin für existenzanalytische und logotherapeutische Beratung und Begleitung
•
Nicht ständig auf das Symptom starren
•
Eigenständigkeit unterstützen
•
Überschaubare Wahlmöglichkeiten geben
•
Stützen für selbständiges Handeln anbieten
•
Klar informieren
•
Konkret bleiben
•
Die „Sprache“ des Gegenübers finden
•
Den eigenen Anteil erkennen
Die oben genannten Punkte aus den Handlungsgrundlagen und Leitfaden sind aus
dem Buch „Pörtner, Marlies (2008): Ernstnehmen Zutrauen Verstehen.
Personzentrierte Haltung im Umgang mit geistig behinderten und pflegebedürftigen
Menschen. 6. und überarbeitete und erweiterte Auflage. Klett-Cotta. Stuttgart“
erwähnt.
Der Inhalt der 4. Schachtel:
Der Boden wird ebenfalls ausgelegt mit der Sichtweise der Selbstbestimmt Leben
und der People First Geschichte. Mit den oben beschriebenen Instrumenten des
Peer Councelings und der persönlichen Zukunftsplanung und Skill-Training wird der
jeweilige Kundin/Kunde dabei unterstützt seine Schachtel selbstbestimmt zu befüllen
und so sein eigenes Unterstützungsmodell zu gründen.
Nun hoffe ich Ihnen die Möglichkeit gegeben zu haben, sich mit den Grundlagen der
Selbstbestimmt und People First Bewegung sowie mit dem 4 Schachtel Modell der
Unterstützungssysteme intensiv zu beschäftigen. Ich gehe davon aus, dass es so
gelingen kann Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen auf den Weg in
ein Selbstbestimmtes Leben bestmöglich zu unterstützen.
Ich sende kräftige Selbstbestimmt Leben Grüße
Ihre Sonja Stadler
Seit 21 Jahren Aktivistin der Selbstbestimmt Leben Bewegung, davon 16 Jahre Anwenderin von
Persönlicher Assistenz
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Selbstbestimmt Leben – keine Utopie
Autorin: Sonja Stadler
Mentorin für existenzanalytische und logotherapeutische Beratung und Begleitung
Zusammenfassung meines Referates „Konferenz Persönliche
Assistenz“ Vorarlberg 29.02.2016 in Bregenz
In leichter Sprache für Menschen mit Lernschwierigkeiten
In diesen Unterlagen versuche ich die wichtigsten Dinge aus
meinem Referat noch einmal zu erzählen.
Selbstbestimmt Leben: Ed Roberts
Der Amerikaner Ed Roberts
wollte in den 1960er Jahren
in Berkeley, Kalifornien studieren.
Ed brauchte ein Beatmungsgerät
und einen Rollstuhl. Die Ärzte
wollten, dass er im Krankenhaus
wohnt. Ed Roberts wollte aber mit
Quelle: Ed Roberts Campus
den anderen Leuten zusammenwohnen.
Er suchte sich seine eigenen Unterstützer.
Die lernten, ihm im Alltag zu helfen. So konnte er immer besser
für sich selbst sprechen. Andere Menschen mit einer
Behinderung wollten das auch und es entstand eine PeerGruppe.
Quelle: TrainerInnen-Handbuch – „Gesundsein. Ein Kurs zur Förderung der Gesundheitskompetenz für Menschen
mit Lernschwierigkeiten – 1. Modul – Mein Alltag
Autorinnen:
Sonja Stadler, Mag. Gabi Pöhacker, Dr. Birgit Buchinger, Mag. Nicole Schaffer
Herausgeber: WiG – Wiener Gesundheitsförderung
Seit 21 Jahren Aktivistin der Selbstbestimmt Leben Bewegung, davon 16 Jahre Anwenderin von
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Selbstbestimmt Leben – keine Utopie
Autorin: Sonja Stadler
Mentorin für existenzanalytische und logotherapeutische Beratung und Begleitung
Grundsätze von „Selbstbestimmt Leben“
•
seine Grundbedürfnisse befriedigen
zu können
•
im Fühlen und Denken frei zu sein
•
sich selbst zu akzeptieren und zu
vertreten
•
sich in der Begegnung mit anderen
gleichwertig zu fühlen
•
seine eigenen Ziele verwirklichen zu
können
•
ein eigenverantwortliches Leben zu
führen, in dem man sich für die sich
daraus ergebenden Konsequenzen
entscheiden kann
•
in und mit der Gesellschaft zu leben
und ein politischer Menschen zu sein
Bildquelle: TrainerInnen-Handbuch – „Gesundsein. Ein Kurs zur Förderung der Gesundheitskompetenz für
Menschen mit Lernschwierigkeiten – 1. Modul – Mein Alltag
Autorinnen:
Sonja Stadler, Mag. Gabi Pöhacker, Dr. Birgit Buchinger, Mag. Nicole Schaffer
Herausgeber: WiG – Wiener Gesundheitsförderung
Seit 21 Jahren Aktivistin der Selbstbestimmt Leben Bewegung, davon 16 Jahre Anwenderin von
Persönlicher Assistenz
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Selbstbestimmt Leben – keine Utopie
Autorin: Sonja Stadler
Mentorin für existenzanalytische und logotherapeutische Beratung und Begleitung
Menschen mit Lernschwierigkeiten haben ähnlich wie Ed
Roberts in Amerika herausgefunden, dass sie Selbstbestimmt
Leben wollen. Ich finde das richtig und gut so. In den 70er
Jahren ist dann die Geschichte von People First auch zu uns
gekommen. Menschen mit Lernschwierigkeiten haben sich
zusammengefunden um gemeinsam über ihre Alltags-Probleme
zu unterhalten. So haben sie herausgefunden, welche
Unterstützung sie brauchen um mit ihren Selbstbestimmtem
Leben zurecht zu kommen.
Bildquelle: „Wir vertreten uns selbst!“ von Susanne Göbel
Arbeitsbuch zum Aufbau von Selbsthilfegruppen für Menschen
mit Lernschwierigkeiten – September 1997 Herausgeber: bifos Schriftenreihe
Seit 21 Jahren Aktivistin der Selbstbestimmt Leben Bewegung, davon 16 Jahre Anwenderin von
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Selbstbestimmt Leben – keine Utopie
Autorin: Sonja Stadler
Mentorin für existenzanalytische und logotherapeutische Beratung und Begleitung
Peer Counceling ist ein englisches Wort. Es heißt Menschen
die eine Behinderung haben, beraten Menschen die auch eine
Behinderung haben.
Ed Roberts und seine Freunde haben diese Form von Beratung
erfunden. Für Menschen mit verschiedenen Behinderungen ist
es wichtig Peer Counceling zu bekommen. Durch diese
Beratung kann man lernen Selbstbestimmt zu Leben.
Mir ist es wichtig:
Zu sagen: „Dass sich die People First Bewegung mit der
Selbstbestimmt Leben Bewegung zusammen tun muss“. Um
gemeinsam ihre Ziele zu erreichen. Wir dürfen dabei nicht auf
die Menschen mit Behinderungen vergessen. Welche in den
Einrichtungen leben und arbeiten.
Unterstützung nach People First
Menschen mit Lernschwierigkeiten müssen lernen für
sich selber zusprechen. Wenn sie gute Unterstützung
einfordern wollen. Durch gute Unterstützung können sie
Selbstbestimmter Leben.
Bildquelle: TrainerInnen-Handbuch – „Gesundsein. Ein Kurs zur
Förderung der Gesundheitskompetenz für Menschen mit
Lernschwierigkeiten – 1. Modul – Mein Alltag
Autorinnen:
Sonja Stadler, Mag. Gabi Pöhacker, Dr. Birgit Buchinger, Mag.
Nicole Schaffer
Herausgeber: WiG – Wiener Gesundheitsförderung
Seit 21 Jahren Aktivistin der Selbstbestimmt Leben Bewegung, davon 16 Jahre Anwenderin von
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Selbstbestimmt Leben – keine Utopie
Autorin: Sonja Stadler
Mentorin für existenzanalytische und logotherapeutische Beratung und Begleitung
Die 2 Formen der Unterstützung:
• Praktische Unterstützung:
Ist ähnlich wie in der Persönlichen Assistenz
Die betroffene Person sagt in der praktischen Unterstützung:
Was sie will oder was sie nicht kann.
Hier geht es darum „Hände, Füße und Kopf“ für eine Person zu
sein:
• Vorlesen
• Aufschreiben
• Informationen heraussuchen
• Fahrtdienst anbieten
Inhaltliche Unterstützung:
Die Unterstützungsperson hat eine aktivere Rolle bei der
inhaltlichen Unterstützung.
Hier geht es darum, sein gesamtes Wissen zur Verfügung
stellen.
Das kann sein:
• Informationsquelle zu sein
• Aktivitäten unterstützend vor- und nachzubereiten
• Neutral die Aktivitäten zu reflektieren
• Sicherheit im Hintergrund zu vermitteln
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• Zu beraten
• Komplexe Abläufe zu strukturieren
• An Termine zu erinnern
• Zu erfragen, welche Hilfen gebraucht werden
• Ideen und Ratschläge zu geben
Es ist wichtig, dass alle Entscheidungen, was gemacht werden,
bei den betroffenen Personen liegen.
Eine gute UnterstützerInn muss wissen wann sie welche Rolle
einnehmen muss. Sie hat drei Rollen die sie können muss.
• Helfende Person, die einen größeren aktiven Anteil hat.
• Beistehende Person, die in ihrer Nähe ist und unter
Umständen Hilfe leistet.
• Beratende Person, die im Hintergrund als Ansprechperson
da ist.
Ziel von Unterstützung
Ein Ziel von Unterstützung ist das Erreichen von mehr
Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und möglicher
Selbstständigkeit.
Für Menschen die eine schwerere Behinderung haben. Ist es
wichtig die Geschichte von Ed Roberts und Selbstbestimmt
Leben und von People First zu erfahren.
Wer über diese Geschichte Bescheid weiß, soll sie ihnen immer
wieder erzählen. Menschen mit schwereren Behinderungen
bekommen den Mut um für ihre Selbstbestimmung zu kämpfen.
BetreuerInnen müssen lernen diese Menschen als Personen zu
sehen.
Und nicht nur für diese Art von Betreuung brauchen
BetreuerInnen viel Fantasie, Geduld und Ausdauer.
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Selbstbestimmt Leben – keine Utopie
Autorin: Sonja Stadler
Mentorin für existenzanalytische und logotherapeutische Beratung und Begleitung
Ich hoffe, dass ich ihnen mein Referat gut zusammengefasst
habe.
• Dass sie nun wissen wer Ed Roberts ist
• Was die People First Geschichte erzählen will
• Was gute Unterstützung ist
• Was gute Betreuung ist
Ich wünsche ihnen gutes Gelingen auf den Weg in ein
Selbstbestimmtes Leben!
Ich sende kräftige Selbstbestimmt Leben Grüße
Ihre Sonja Stadler
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Selbstbestimmt Leben – keine Utopie
Autorin: Sonja Stadler
Mentorin für existenzanalytische und logotherapeutische Beratung und Begleitung
Empfohlene Literatur:
Quelle: „Handbuch für TrainerInnen“ – Gesundsein. Ein Kurs zur Förderung der
Gesundheitskompetenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten
Im Auftrag der „WiG – Wiener Gesundheitsförderung“
Autorinnen:
Schaffer Research:
Nicole Schaffer
Solution – Sozialforschung & Entwicklung:
Birgit Buchinger, Gabi Pöhacker, Sonja Stadler
Herausgeberin:
Wiener Gesundheitsförderung gemeinnützige GmbH – WiG,
Projektleitung: Mag. (FH) Heidrun Rader, [email protected]
„ I want my dream!“ – Persönliche Zukunftsplanung
Autor: Stefan Doose
Erschienen beim Netzwerk People First Deutschland e.V.
Bildquelle: „Wir vertreten uns selbst!“ von Susanne Göbel
Arbeitsbuch zum Aufbau von Selbsthilfegruppen für Menschen
mit Lernschwierigkeiten – September 1997 Herausgeber: bifos Schriftenreihe
„Pörtner, Marlies (2008): Ernstnehmen Zutrauen Verstehen. Personzentrierte Haltung
im Umgang mit geistig behinderten und pflegebedürftigen Menschen. 6. und
überarbeitete und erweiterte Auflage. Klett-Cotta. Stuttgart“ erwähnt.
Seit 21 Jahren Aktivistin der Selbstbestimmt Leben Bewegung, davon 16 Jahre Anwenderin von
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