Leserbriefe - Deutsches Ärzteblatt

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Leserbriefe - Deutsches Ärzteblatt
M E D I Z I N
len, dass SD auch im Rahmen des
deutschen Spontanerfassungssystems
als ein wichtiges, Lebensqualität und
Compliance der Patienten potenziell
beeinträchtigendes Arzneimittelrisiko
erscheinen. Aus verschiedenen oben
dargestellten Gründen ist die Dunkelziffer der tatsächlichen Ereignishäufigkeit hier als besonders hoch anzunehmen. Ganz besonders dürfte dies
wohl für Patientinnen zutreffen. Da
arzneimittelbedingte Sexualstörungen
gerade in Indikationsbereichen auftreten, wo die Krankheit selbst schon
die Sexualfunktion beeinträchtigt,
ist die vorausschauende Berücksichtigung dieser UAW besonders wichtig.
In vielen Fällen existieren durchaus
differenzialtherapeutische medikamentöse Alternativen oder die Störung antagonisierende Kombinationsstrategien, mit denen dem Patienten jedoch
nur geholfen werden kann, wenn das
Problem überhaupt erkannt und zur
Sprache gebracht wird.
Manuskript eingereicht: 18. 2. 2002, revidierte Fassung
angenommen: 28. 8. 2002
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2002; 99: A 3108–3114 [Heft 46]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser
und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Bruno Müller-Oerlinghausen
Vorsitzender der Arzneimittelkommission
der deutschen Ärzteschaft
Jebensstraße 3
10623 Berlin
E-Mail: [email protected]
Dr. med. Isabel Ringel
Klinik und Poliklinik für Neurologie
der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Ellernholzstraße1/2
17489 Greifswald
E-Mail: [email protected]
Weitere Informationen im Internet:
www.akdae.de
www.impotenzselbsthilfe.de/ursachen/nebenwirkung.html
A 3114
DISKUSSION
zu dem Beitrag
Gesundheitliche Aspekte
niederfrequenter Felder
der Stromversorgung
von
Prof. Dr. rer. nat. Dr. med.
habil. Dipl.-Phys.
Jürgen Helmut Bernhardt
in Heft 27/2002
Beeinflussung der
Melatoninproduktion
Anmerken möchte ich, dass es seit dem
1. Juni 2001 eine Unfallverhütungsvorschrift Elektromagnetische Felder
BGV B11 von der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik gibt. Diese setzt die Vorgaben
der Empfehlung der Europäischen
Kommission (1999/512/EG) für Expositionen von elektromagnetischen Feldern um.
Leider hat sich der Autor im Abschnitt über die Vorsorgegesichtspunkte meines Erachtens bei der magnetischen Induktion mit den Einheiten versehen. Korrekter müsste es 100 µT
heißen, womit dann zu vermuten ist,
dass die Dauerbelastung auch 10 µT
nicht überschreiten würde. Interessanterweise wird in einem Vortrag von Dr.
Eder, Bayerisches Landesamt für Arbeitsschutz, Arbeitsmedizin und Sicherheitstechnik (www.lfas.bayern.de),
eine Beeinflussung der Melatoninproduktion und Tumorbildung bei Ratten
ab 1 bis 2 mA/m2 angeführt, was einer äußeren Induktion von 10 µT entspräche. Eine Zusammenfassung zum
Thema Melatoninproduktion ist von
Jochen Kuhn (1) erstellt worden.
Abgesehen davon ist der Abschnitt
über Herzschrittmacher sehr informativ und zeigt mir die Problematik in
Bezug auf die vorhandenen Grenzwerte. Soweit mir bekannt ist, ist eine
entsprechende geänderte DIN zurzeit
in Vorbereitung.
Literatur
1. Kuhn J: Elektrosmog – ein Alarmsignal eines nur schwer
überschaubaren Risikos, Landau: Knechtverlag 1998.
Dipl.-Ing. Volker Schwanitz
Wildemannstraße 10, 38122 Braunschweig
E-Mail: [email protected]
DNA-Doppelstrangbrüche bei
intermittierender Exposition
Den umfassenden und ausgewogenen
Beitrag möchten wir durch einige Befunde ergänzen, die in dem von der
EU im 5. Rahmenprogramm geförderten Forschungsvorhaben (1) erhalten
wurden.
Im REFLEX-Projekt untersuchen
zwölf Arbeitsgruppen aus sieben europäischen Ländern unter Verwendung moderner molekular- und zellbiologischer Methoden die Wirkungen
elektromagnetischer Felder (EMF)
auf verschiedene Zellsysteme. Es zeigte sich, dass elektromagnetische Felder mit einer Frequenz von 50 Hz in
der Lage sind, in exponierten menschlichen Fibroblasten DNA-Einzel- und
DNA-Doppelstrangbrüche zu erzeugen.
Ein signifikanter Anstieg der Strangbruchrate wird bereits bei einer Flussdichte von 35 µT, also weit unterhalb
des gegenwärtig geltenden Grenzwertes, gefunden. Diese gentoxische
Wirkung ist allerdings nur dann nachweisbar, wenn die Exposition der Zellen intermittierend erfolgt. Werden
die Zellen bei gleicher Flussdichte
kontinuierlich exponiert, ist ein Anstieg der Strangbruchrate nicht nachweisbar, vermutlich weil die DNA-Reparaturkapazität mit der Dauer der
Exposition zunimmt (2).
Des Weiteren zeigte sich, dass EMF
der Frequenz von 50 Hz in neuronalen
Vorläuferzellen – entwickelt aus embryonalen Stammzellen von Mäusen –
die Expression von regulatorischen
Genen – allerdings wiederum nur bei
intermittierender Exposition – beeinflussen können. Dazu ist jedoch eine
Flussdichte von 2 000 µT erforderlich,
die deutlich über den geltenden Grenzwerten liegt.
Veränderungen der Transkriptionsrate wurden über einen längeren Entwicklungszeitraum nachgewiesen; kei-
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ne Veränderungen wurden festgestellt, wenn EMF auf bereits differenzierte Nervenzellen einwirkte (3). Obwohl wir gegenwärtig weder den
Mechanismus der Entstehung dieser
zellulären Veränderungen noch deren biologische – oder vielleicht sogar pathophysiologische – Bedeutung
kennen, mahnen diese Befunde zur
Vorsicht. Wenn sie auch das Festlegen von so genannten Vorsorgegrenzwerten bis jetzt nicht rechtfertigen,
sollte ihr Gewicht ausreichen, um den
an die Industrie und die Verbraucher gerichteten allgemeinen Empfehlungen der Strahlenschutzkommission zur Vorsorge Nachdruck zu verleihen.
Literatur
1. Adlkofer F, Tauber T, Rüdiger HW, Wobus AM, Trillo A,
Leszczynski D, Kolb HA, Lagroye I, Bersani F, Kuster N,
Clementi F, Maercker C: Risk evaluation of potential
environmental hazards from low energy electromagnetic field exposure using sensitive in vitro methods (REFLEX). Forschungsprojekt Februar 2000 bis
August 2003.
2. Ivancsits S, Diem W, Pilger A, Rüdiger HW, Jahn O: Induction of DNA strand breaks by Intermittent exposure to extremely-low-frequency electromagnetic
fields in human diploid fibroblasts. Mutat Res 2002;
Vol 519 (Issue 1–2): 1–33
3. Czyz J, Wobus AM: persönliche Mitteilung
Prof. Dr. med. Franz Adlkofer
Stiftung VERUM
Pettenkoferstraße 33
80336 München
Prof. Dr. med. Hugo Rüdiger
Klinische Abteilung Arbeitsmedizin
der Universität Wien
Währinger Gürtel 18–20
A-1090 Wien
Priv. Doz. Dr. rer. nat. Anna M. Wobus
Institut für Pflanzengenetik und
Kulturpflanzenforschung
Correnstraße 3
06446 Gatersleben
Schlusswort
Die Befunde über gentoxische Wirkungen bei der Exposition von Zellen
mit niederfrequenten Magnetfeldern,
auf die Prof. Adlkofer et al. hinweisen,
müssen weiter abgeklärt werden. Die
Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass Befunde auf In-vitro-Ebene sich häufig
nicht mehr auf tierexperimenteller
Ebene zeigen. Dies erschwert die Be-
wertung der Bedeutung von In-vitroBefunden für die Gesundheit des
Menschen. Wichtig sind daher nicht
nur die Aufklärung der Mechanismen,
sondern auch geeignete weiterführende Versuche auf tierexperimenteller
Ebene.
Im Abschnitt über Vorsorgegesichtspunkte ist tatsächlich ein Druckfehler übersehen worden, auf den
Herr Schwanitz dankenswerterweise
hingewiesen hat: es muss 10 µT beziehungsweise 100 µT und nicht mT
heißen.
Im Rahmen des Beitrags wurden
Fragen nach der Wirksamkeit der
Magnetfeldtherapie, insbesondere bei
Anwendung pulsierender Magnetfeldresonanztherapie oder von statischen
Magnetfeldern (Magnetfeldmatten)
nicht berücksichtigt.
Biologische Wirkungen statischer
Magnetfelder sind gut untersucht. In
den letzten Jahren ist die Forschung
intensiviert worden, und zwar in Hinblick auf die diagnostischen Verfahren
der magnetischen Resonanz (Kernspintomographie), bei denen statische
Magnetfelder von mehr als 1 Tesla (etwa das 10- bis 20Fache der Magnetfelder an der Oberfläche von Magnetfeldmatten) sowie zeitlich veränderliche Magnetfelder in der Größenordnung einiger mT (zeitliche Änderung
bis 20 T/s) und Hochfrequenzfelder
verwendet wurden (1). Von einer therapeutischen Wirksamkeit dieser starken Felder wurde bisher nicht berichtet.
Insgesamt muss an der Wirksamkeit
statischer Magnetfelder von Magnetfeldmatten gezweifelt werden. Die
Wirkungsmechanismen statischer Magnetfelder – Induktion, elektronische
Wechselwirkungen und elektrohydrodynamische Wirkungen – lassen eine
Wirksamkeit nicht plausibel erscheinen. Spezielle Sensoren, wie sie zum
Teil im Tierreich zu finden sind, kommen beim Menschen nicht vor.
Ebenso besteht erheblicher Zweifel
an der Wirksamkeit von Geräten, die
Magnetfelder nach Biorhythmus anwenden. Wie zeitlich veränderliche
Magnetfelder auf biologische Systeme
wirken, ist hinreichend bekannt. Bei
Intensitäten unterhalb von etwa 200
µT werden elektrische Felder und
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Ströme im Körper erzeugt, die sich
den körpereigenen Strömen, wie sie
von der elektrischen Tätigkeit der
Gehirnzellen oder von Muskelzellen
wie die des Herzens erzeugt werden,
überlagern. Die Entwickler und Vertreiber dieser Art von Magnetfeldfeldtherapiegeräten argumentieren damit, dass bestimmte Frequenzen, wie
sie etwa im EEG vorkommen, besonders wirksam sind. Einen Beweis dafür
gibt es nicht. Insbesondere sind die verwendeten Intensitäten viel zu schwach,
um nennenswerte elektrische Felder
und Ströme im Körper zu erzeugen,
die irgendeine Wirksamkeit zeigen
können.
Nebenwirkungen der Felder können jedoch auftreten, sind aber kein
Beweis für die Wirksamkeit. Infrage
kommen Störungen der Funktion aktiver medizinischer Implantate, wie
zum Beispiel Herzschrittmacher oder
Nervenstimulatoren. Dies muss im
Einzelfall geprüft werden.
Literatur
1. Strahlenschutzkommission (SSK): Vermeidung gesundheitlicher Risiken bei Anwendung magnetischer
Resonanzverfahren in der medizinischen Diagnostik.
Fachgespräch am 3. Mai 2000. München: Urban & Fischer 2001; Berichte der SSK, Heft 28.
Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. habil.
Jürgen Helmut Bernhardt
Neureutherstraße 19
80799 München
Diskussionsbeiträge
Zuschriften zu Beiträgen im medizinisch-wissenschaftlichen Teil – ausgenommen Editorials, Kongressberichte und Zeitschriftenreferate – können
grundsätzlich in der Rubrik „Diskussion“ zusammen mit einem dem Autor zustehenden Schlusswort veröffentlicht werden, wenn sie innerhalb
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se).
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