Das Profil 1/2015

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Das Profil 1/2015
1/2012
1/2015
Die Zeitung des Rheinmetall-Konzerns
Der Südpol wartet noch...
In der Antarktis war er zwar noch nicht, doch den
Rest der Welt kennt Johann Szopa von der KSPGDivision Motorservice praktisch wie seine Westentasche: Weit über 100 Tage im Jahr ist der 57-Jährige
dienstlich unterwegs, wie er auf „Profil“-Seite 9 erzählt.
Spürfuchs ABC kompakt Ein Leben ohne die Sucht
Weltweit erlangte vor allem eine Variante des Radpanzers Fuchs Berühmtheit:
der zur Aufklärung atomarer, biologischer und chemischer Kampfstoffe ausgelegte „ABC-Spürfuchs“ (siehe Seiten 10 + 11).
Schon heute wird im Rheinmetall-Konzern viel getan, um
Mitarbeiter vor einer Suchterkrankung zu bewahren,
sie in der Sucht zu begleiten sowie bei der Reintegration in die Arbeitswelt zu unterstützen. Wie dies geschieht, zeigt „Das Profil“ auf den Seiten 17 bis 20.
Kompetenter Partner
für wertvolle Hinweise
Meilenstein
in Spanien
Rheinmetall bestellt Rechtsanwalt als Ombudsmann
75 Millionen AGR-Ventile
rds Düsseldorf. Kompetente Anlaufstelle: Der Rheinmetall-Konzern hat
den in Frankfurt am Main ansässigen Rechtsanwalt Dr. Rainer Buchert
zum Ombudsmann bestellt. Buchert, der diesbezüglich bereits seit längerem international renommierte Firmen wie Volkswagen, Lufthansa, Diehl,
Rewe und Bertelsmann betreut, steht allen Mitarbeitern und Geschäftspartnern der Düsseldorfer Unternehmensgruppe seit 1. Januar 2015 als
externe Anlaufstelle zur Klärung möglicher Compliance-Verstöße zur
Verfügung. Dieses Hinweisgebersystem ist damit ein integraler Bestandteil der bei Rheinmetall bereits seit längerem arbeitenden ComplianceOrganisation, die in jüngster Zeit sowohl auf Konzernebene als auch in
den Tochtergesellschaften der beiden Unternehmensbereiche Defence
und Automotive erheblich ausgebaut und personell verstärkt worden ist.
msc Abadiano. Das 75-millionste
Abgasrückführventil (AGR-Ventil) lief
kürzlich bei der baskischen Pierburg
S.A. (Abadiano) aus der Produktionsstraße; das Werk der Pierburg GmbH
in Spanien gilt als Leitwerk für AGRVentile. Seit 1994 werden jedes Jahr
durchschnittlich etwa fünf Millionen
der Ventile für Otto- und Dieselmotoren hergestellt. Technisch gesehen
übernehmen Abgasrückführventile
die Regelung der Rückführung von
Abgas in den Motor. Grundlage für
den Erfolg des schadstoffmindernden
Bauteils waren vor allem die weltweit
immer strenger werdenden Abgasvorschriften. Pkw mit Dieselmotoren ab
der Euro 1-Abgasnorm verfügen über
ein System zur Abgasrückführung,
bei Autos ab Euro 3 ist sie Pflicht. Bei
Fahrzeugen der Abgasstufen Euro
4 werden zunehmend Systeme mit
gekühlter Abgasrückführung erforderlich, und bei Euro 6 kommt neben
hoch gekühlter AGR zusätzlich Niederdruck-Abgasrückführung dazu. Das
neuste Modell eines AGR-Ventils ist
eine besonders kompakte, gewichtssparende Variante und seit letztem
Jahr bei einem großen deutschen OEM
in Serie. Standortchef Javier Egurrola
freut sich über diesen Meilenstein:
„Auf diesen Produktionsrekord sind
wir stolz. Wir haben in der Geschichte des Abgasrückführventils immer
wieder auf die steigenden Qualitätsansprüche des Marktes reagiert und
sind mit den immer höheren Anforderungen an die Umweltrichtlinien regelrecht gewachsen.“
jpw Düssedorf/Stafford. Rheinmetall hat jetzt einen Millionenauftrag
von den US-Streitkräften erhalten.
Das US-Marineministerium gab bekannt, drei Rahmenverträge für moderne Infanterie- und Nebelmunition
im Gesamtwert von 127,8 Millionen
US-Dollar (95,7 Mio. €) an die American Rheinmetall Munitions, Inc. (ARM)
Großauftrag
zu vergeben; ARM ist eine Tochterfirma des Düsseldorfer Wehrtechnikunternehmens Rheinmetall Defence
mit Sitz in Stafford (US-Bundesstaat
Virginia). Die drei Rahmenverträge
unterteilen sich in einen für 40mmTag/Nacht-Übungsmunition und zwei
für 66mm-Granaten für fahrzeuggestützte Nebelmittelwurfanlagen. Bei
allen handelt es sich um fünfjährige
de wie Betrugs- und Wirtschaftsprüfungsdelikte, Korruption sowie Insidergeschäfte.
Auch im Rheinmetall-Konzern ist
das Hinweisgebersystem mittlerweile ein fester Bestandteil des internen
Compliance Management Systems
(CMS), wie Michael Salzmann, Chief
Compliance Officer der Rheinmetall
AG, erläutert: „Dieses System ist ein
wichtiger systematischer Ansatz zur
Aufdeckung von Korruption, Betrug,
Untreue oder kartellrechtlichen Verstößen innerhalb des Konzerns. Es ist
Teil unseres Risikomanagements und
erlaubt die frühzeitige Kenntnis von
Fehlverhalten sowie die konsequente
Einleitung und Umsetzung notwendiger Maßnahmen und Schritte zum
Schutz des Unternehmens. Der von
uns in diesem Kontext beauftragte Ombudsmann – der Frankfurter
Rechtsanwalt Dr. Rainer Buchert –
dient Rheinmetall-Mitarbeitern dabei
als unabhängiger Ansprechpartner.“
(Fortsetzung auf Seite 2)
Rahmenverträge, die Flexibilität in
Bezug auf Liefermengen und -zeiträume aufweisen und bis ins Haushaltsjahr 2019 laufen. Im Juni 2014
hatte die ARM im Vorgriff auf einen
der Rahmenverträge bereits Bestellungen im Wert von 26,2 Millionen
US-Dollar (19,1 Mio. €) erhalten. Weitere 6,8 Millionen US-Dollar (5,0 Mio.
€) Auftragswert entfallen nun auf
eine Bestellung von 66mm-Nebelgranaten, die vor kurzem erfolgt ist.
Damit beträgt der aktuelle Auftragseingang aus den Rahmenverträgen
33 Millionen US-Dollar (24,2 Mio.
EUR). Rheinmetall ist sowohl bei den
Nebelmitteln als auch bei der 40mmMunition einer der weltweit führenden Anbieter. In beiden Bereichen
deckt das Unternehmen das gesamte
Spektrum ab und beliefert Streit- und
Sicherheitskräfte weltweit mit Komponenten und Systemen.
oho Düsseldorf/Rom. Ein wichtiger
Schritt für die Sicherheit in der internationalen Luftfahrt: Das von Rheinmetall entwickelte Fremdkörperdetektionssystem DEB-RA kann nun im
Rahmen des Airport Improvement
Programs der US-Bundesluftfahrtbehörde FAA beschafft werden. Die FAA
hat kürzlich eine Sondergenehmigung
Genehmigt
„Klare Kante“: Mit der Berufung eines Ombudsmannes setzt Rheinmetall eindeutige Akzente
im Hinblick auf die Aufklärung und die Bekämpfung von Korruption im geschäftlichen Alltag.
Foto: PM Images
In zahlreichen international engagierten Unternehmen in Deutschland
gehört ein firmeninternes Hinweisgebersystem heute zum betrieblichen
Alltag (z.B. Daimler, BASF, Deutsche
Bank, Allianz, Volkswagen); diese so
genannten Whistleblowing-Systeme,
bei denen oftmals externe Rechtsanwälte als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, bieten Mitarbeitern
(und Geschäftspartnern) eine fachlich
kompetente und anonymisierte Möglichkeit, auf Unregelmäßigkeiten oder
Missstände im Unternehmen hinzuweisen. Der Begriff Whistleblowing
selbst wurde allgemein im Zusammenhang mit dem „Sarbanes-Oxley-Act“
bekannt; dieses US-Bundesgesetz
trat 2002 als Reaktion auf damalige
Bilanzskandale (Enron, Worldcom) in
Kraft. Es verpflichtet an der US-Börse
gelistete Unternehmen zur Einrichtung
eines internen Verfahrens, über das
Mitarbeiter Verstöße gegen Verhaltensvorschriften melden können; dazu
zählen zum Beispiel Straftatbestän-
zur Beschaffung des derzeit weltweit fortschrittlichsten Systems zur
Entdeckung von Fremdkörpern und
Trümmerteilen auf Flughafenanlagen
erteilt. Luigi Magliocchi, Geschäftsführer der Rheinmetall Defence Italia:
„Dies gibt uns die Möglichkeit, unser
weltweit führendes Fremdkörper-Detektionssystem jetzt auf dem großen
US-Markt anzubieten.“
rds Frankfurt am Main/Düsseldorf. Mit der zum 1. Januar 2015 erfolgten Bestellung des Frankfurter Rechtsanwaltes Dr. Rainer Buchert als Ombudsmann hat der Rheinmetall-Konzern einen unabhängigen und fachlich versierten Juristen gewonnen,
der sich seit rund anderthalb Jahrzehnten mit dieser äußerst sensiblen – und im Zweifelsfall nicht minder heiklen – Thematik
beschäftigt. Im Jahre 2000 wurde dem gebürtigen Mörfeldener von der Deutschen Bahn AG das erste große OmbudsmannMandat übertragen. Derzeit betreut Buchert (Foto am Fuß der Seite) mehr als 20 namhafte – auch international ausgerichtete – Unternehmen, darunter der Volkswagen-Konzern, die Deutsche Lufthansa AG inklusive deren Tochter Swiss, mehrere
Banken und Finanzdienstleister sowie eine Reihe mittelständischer Unternehmen (z.B. Ferrostaal/Essen). Der passionierte
Freizeitpilot war von 1977 bis 1991 in verschiedenen leitenden Funktionen im Bundeskriminalamt in Wiesbaden tätig, zuletzt
als Kriminaldirektor. 1991/92 erfolgte die Berufung zum Landeskriminaldirektor und Leiter der Kriminalpolizei des Landes
Sachsen-Anhalt; anschließend war er Polizeipräsident von Stadt und Kreis Offenbach. „Das Profil“ sprach mit Dr. Rainer
Buchert, der aktuell unter anderem auch als Dozent an der Frankfurt School of Finance & Management sowie korporatives
Mitglied bei Transparency International engagiert ist und dessen ethische Positionierung im hier zitierten Kontext eindeutig ist: „Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit und Transparenz sind wichtige Garanten für geschäftlichen Erfolg; dieser wiederum
beruht ganz wesentlich auf dem korrekten und ethisch einwandfreien Verhalten aller Mitarbeiter einer Unternehmung.“
Der Hinweisgeber wird geschützt
„Profil“-Interview mit Rheinmetall-Ombudsmann Dr. Rainer Buchert
Profil: Was genau ist ein Ombudsmann, und was sind seine Aufgaben?
Buchert: Der Ombudsmann ist ein
externer Rechtsanwalt, der Hinweise
auf einen Verdacht von Straftaten oder
ähnlich schweren Unregelmäßigkeiten vertraulich entgegennimmt. Durch
Weitergabe solcher Hinweise an den
Compliance Officer des Unternehmens
wird dieses in die Lage versetzt, Unregelmäßigkeiten nachzugehen, sie aufzudecken und zu sanktionieren.
Profil: Warum wird es immer wichtiger, dass ein Unternehmen einen
Ombudsmann zur Aufklärung bzw. Bekämpfung von Korruption hat?
Buchert: Hinweisgebersysteme wie
der Ombudsmann sind heute als wesentlicher Bestandteil eines funktionierenden Compliance-ManagementSystems „state of the art“. Damit wird
Profil: Der Name des Hinweisgebers
wird also auf keinen Fall genannt?
Buchert: Genau! Außerdem hat die
Rheinmetall AG vertraglich unwiderruflich auf die Herausgabe von Hinweisgeberdaten verzichtet.
Profil: Was sind Verstöße, die man
Ihnen melden kann?
Buchert: Es geht primär um Verdachtsfälle von Korruption, anderen
wirtschaftskriminellen
Handlungen
oder ähnlich schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten, durch die das Unternehmen geschädigt wird. Melden
kann man also zum Beispiel auch
Verdachtsfälle von Betrug, Untreue
oder Diebstahl. Der Ombudsmann ist
aber kein Schlichter für Streitfälle und
auch kein Kummerkasten; daher ist er
auch nicht der richtige Adressat für
Beschwerden.
Profil: Bewegt sich der Hinweisgeber bei Meldungen an Sie nicht immer
auch auf dem schmalen Grat zwischen
Zivilcourage und Denunzierung? Gibt
es Erfahrungen, dass das System auch
als Plattform für gezieltes Denunziantentum – sagen wir es vorsichtig
– „missbraucht“ wird? Öffnet man da
nicht „Tür und Tor“ an der falschen
Stelle?
Buchert: Nein, auf keinen Fall! Sicherlich gehört Zivilcourage auch
dazu, aber mit Denunzieren hat es
wirklich nichts zu tun, wenn auf einen
begründeten Verdacht von Korruption,
Betrug, Untreue oder andere Straftaten hingewiesen wird. Vielmehr liegt
es im Interesse des Unternehmens
und aller ehrlichen Mitarbeiter, dass
kriminelle Machenschaften Einzelner
unterbunden, aufgeklärt und Schäden
DER KONTA K T ZUM OMBUDSM A NN
An Dr. Rainer Buchert können sich Mitarbeiter, aber auch Außenstehende
(z.B. Geschäftspartner) mit vertraulichen Hinweisen auf mögliche wirtschaftskriminelle Handlungen bei der Rheinmetall AG wenden. Der Rheinmetall-Ombudsmann kann wie folgt kontaktiert werden:
Dr. Buchert & Partner Rechtsanwälte / Bleidenstraße 1 / D-60311 Frankfurt am
Main / Tel.: +49 (69) 71 03 33 30 oder +49 (6105) 92 13 55 / Fax: +49 (69) 71 03 44 44 /
E-Mail: [email protected] / Homepage: www.dr-buchert.de
Dr. Rainer Buchert wird von Rechtsanwältin Dr. Caroline Jacob aus der Kanzlei
Dr. Buchert & Partner vertreten.
(Fortsetzung von Seite 1)
Mit anderen Worten: Mit der Berufung eines Ombudsmannes markiert
der Düsseldorfer Konzern eindeutig
Position und zieht eine „klare Kante“
im Hinblick auf die Aufklärung und
die Bekämpfung von Korruption im
geschäftlichen Alltag.
Mit dem Hinweisgebersystem als
eine klassische Säule einer funktionierenden Compliance-Organisation
dokumentiert der Düsseldorfer Konzern gleichzeitig mehr als deutlich,
dass die stringente Einhaltung von
Recht und Gesetz bei allen geschäftlichen Aktivitäten weltweit absolute
Priorität hat. Vorstandschef Armin
Papperger: „Rheinmetall muss für
saubere Geschäfte stehen. Nicht gesetzes-konforme Geschäftspraktiken
können wir im Konzern keinesfalls
dulden, weder bei Defence noch bei
Automotive. Daher haben wir, nachdem es erste Hinweise auf unzulässige Zahlungen im Zusammenhang mit
der Geschäftstätigkeit in Griechenland gab, alles daran gesetzt, eine
zügige und lückenlose Aufklärung
Michael Salzmann: „Das Unternehmen hat die Compliance-Organisation sowohl auf Konzernebene als auch
in den Tochtergesellschaften beider
Sparten deutlich gestärkt und personell ausgebaut. Wir haben darüber
hinaus die Compliance-Intensität in
beiden Sparten des Konzerns erheblich verstärkt, unter anderem durch
ein striktes Regelwerk mit standardisierten Prozessen und Richtlinien
(z. B. zu den Themen Zuwendungen,
Kartellrecht,
Wettbewerbsschutz,
Umgang mit Beratern im In- und Ausland, Nutzung Social Media), durch
die Verschärfung von Berichts- und
Dokumentationspflichten, durch die
Einbeziehung des Compliance-Bereiches in die Angebotsabgabe, durch
strenge Vertragspartnerüberprüfungen sowie – last but not least – durch
gezielte ‚Awareness‘-Schulung von
Mitarbeitern, um sie für die vielfältigen Facetten und Konsequenzen der
Compliance-Thematik intensiv zu
sensibilisieren.“
Das anonymisierte Verfahren beim
Rheinmetall-Hinweisgebersystem –
Kompetenter Partner
für wertvolle Hinweise
Rheinmetall bestellt Rechtsanwalt als Ombudsmann
Mit dem Hinweisgebersystem zeigt Rheinmetall laut Chief Compliance
Officer Michael Salzmann „klare Kante“ in puncto Korrutionsbekämpfung.
der Möglichkeit Rechnung getragen,
frühzeitig vertrauliche Hinweise über
möglicherweise korruptes Verhalten
oder andere Straftaten zum Nachteil
des Unternehmens zu erlangen.
Profil: Wenn ein Mitarbeiter den
Verdacht hat, dass in seinem dienstlichen Umfeld verdächtige Vorgänge ablaufen, kann er sich doch auch an eine
Vertrauensperson bzw. vertrauliche
Instanz im eigenen Hause wenden.
Buchert: Natürlich gibt es weiterhin
diesen Weg. Viele Hinweisgeber haben
indes Angst vor Repressalien, wenn sie
sich zum Beispiel an Vorgesetzte oder
interne Stellen im eigenen Unternehmen wenden. Dann ist der Ombudsmann genau der richtige Ansprechpartner.
Profil: Als Rheinmetall-Ombudsmann
fungieren Sie auch für außenstehende
„Whistleblower“ als Ansprechpartner.
Buchert: Natürlich: Auch Außenstehende – zum Beispiel Geschäftspartner – können sich mit vertraulichen
Hinweisen auf mögliche wirtschaftskriminelle Handlungen bei Rheinmetall
an mich wenden.
Profil: Wie gewährleisten Sie Vertraulichkeit?
Buchert: Als Rechtsanwalt unterliege ich der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht und habe ein Zeugnisverweigerungsrecht. Dadurch kann
ich die Identität eines Hinweisgebers
zuverlässig schützen. Nur mit dessen
ausdrücklicher Zustimmung gebe ich
Hinweise an das Unternehmen weiter.
Dies geschieht regelmäßig durch anonymisierte Berichte.
Fotos: Ariane Gehlert/M. Kötter (Frankfurt a. M.)
abgewendet werden. Ich hatte in den
vergangenen Jahren im Übrigen noch
keinen einzigen Fall, bei dem ein Hinweis eindeutig denunziatorischer Art
war.
Profil: Rheinmetall ist international
tätig, von den gut 80 Unternehmensstandorten befindet sich der größere
Teil im Ausland. Greifen Sie auch Hinweise aus diesen internationalen Einheiten auf?
Buchert: Selbstverständlich! Man
kann sich auf allen Kommunikationswegen in Deutsch oder Englisch an
mich wenden. Die meisten Hinweise
aus dem Ausland erreichen mich per
E-Mail, also unter kanzlei@dr-buchert.
de.
Profil: Was sollten Hinweisgeber
aus dem Rheinmetall-Konzern noch
wissen?
Buchert: Wichtig erscheint mir
nochmals der Hinweis darauf, dass
der Ombudsmann die weiterhin bestehenden internen Meldewege – z. B.
zum Vorgesetzten, an den ComplianceVerantwortlichen, den Revisionsleiter
oder den Betriebsrat – nicht ersetzt,
sondern nur ergänzt. Auch sollte jeder
wissen, dass ihm keine Kosten entstehen, wenn er sich an den Ombudsmann wendet und auf verdächtige Indizien oder Umstände hinweist; diese
trägt das Unternehmen.
Profil: Wo kann man sich noch detaillierter informieren?
Buchert: Weitere Antworten auf
typische Fragen von Hinweisgebern
finden sich auf meiner homepage
www.dr-buchert.de.
herbeizuführen – und zwar in engster
Kooperation mit den Ermittlungsbehörden. Dieses unmissverständliche
Durchgreifen ermöglicht es uns, unseren Kunden im In- und Ausland klar
und eindeutig zu vermitteln, welch
hohen Stellenwert die Einhaltung von
Recht und Gesetz für unsere weltweit
rund 21 000 Mitarbeiter hat. Wir sind
auf das Vertrauen unserer Investoren
und Aktionäre ebenso angewiesen
wie auf das Vertrauen der Banken,
unserer Abnehmer und Zulieferer sowie natürlich auch unserer Ansprechpartner in Politik, Militär und Verwaltung. Es darf keinen Zweifel daran
geben, dass bei Rheinmetall sauber
gearbeitet wird.“
Um recht- bzw. gesetzlich unzulässiges Verhalten einzelner Mitarbeiter
in Zukunft möglichst auszuschließen,
hat Rheinmetall neben der Bestellung
des Ombudsmannes in jüngster Zeit
eine Reihe weiterer Maßnahmen umgesetzt, die die strikte Einhaltung
aller gesetzlichen Bestimmungen im
geschäftlichen Alltag unterstützen.
und damit die Möglichkeit für die Mitarbeiter, sich im Hinblick auf Person
und Persönlichkeit nicht im eigenen
Unternehmen offenbaren zu müssen
– stellt für den 45-jährigen Chief Compliance Officer von Rheinmetall einen
wichtigen Schritt dar, Verstöße gegen
Recht und Gesetz einerseits sowie
das konzerninterne Regelwerk andererseits festzustellen und sie disziplinarisch bzw. juristisch aufzuarbeiten.
Noch einmal Michael Salzmann: „Dr.
Rainer Buchert ist externer Strafrechtsanwalt und steht unseren Mitarbeitern praktisch rund um die Uhr
als Ansprechpartner für Verdachtsfälle zur Verfügung: Im Bedarfsfall können sie sich vertraulich an ihn wenden
oder sich auch persönlich offenbaren. In jedem Fall wird der Hinweisgeber uns gegenüber anonym bleiben;
dafür steht die anwaltliche Schweigepflicht des Ombudsmannes.“
(Lesen Sie auch das Interview mit Rheinmetall-Ombudsmann Dr. Rainer Buchert auf dieser Seite sowie den Beitrag zu dieser Gesamtthematik „Trade Compliance Guideline setzt strikte Wegmarken“ mit KSPG-Expertin Anke
Schumm auf der gegenüberliegenden „Profil“-Seite 3.)
Drucktermin dieser Ausgabe: 25. Februar 2015
Nachdruck gestattet, Belegexemplar erbeten.
Herausgeber: Rheinmetall AG
Verantwortlich: Peter Rücker
Chefredaktion: Rolf D. Schneider
Anschrift: Redaktion „Das Profil“
Postfach 104261, 40033 Düsseldorf
[email protected]
Satz: Strack + Storch KG
Gladbacher Straße 15
40219 Düsseldorf
Druck:
Druck & Medienservice Schürfeld
Stolper Straße 8a, D-47269 Duisburg
IN T ER V IE W
Profil: Welche Aspekte beinhaltet der Bereich
Zoll und Außenwirtschaft?
Schumm: Zunächst einmal die Abwicklung des
Im- und Exports. Die Importanmeldung ist eine
Steuerklärung, während beim Export die Ausfuhrkontrolle im Mittelpunkt steht. Dabei geht es vor
allem um die „Dual-Use“-Verordnung der Europäischen Union (EU), die vorgibt, bei welchen technischen Parametern ein Genehmigungsvorbehalt
zu berücksichtigen ist. Außerdem gehören das
sogenannte Compliance Screening dazu, also die
Überprüfung unserer externen Partner anhand
der Anti-Terror-Verordnungen der Vereinten Nationen und der EU, sowie die Zertifizierung aller
KSPG-Gesellschaften als Authorized Economic
Operator (AEO), auf Deutsch: zugelassener Wirtschaftsbeteiligter.
Profil: Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Schumm: Diese international zunehmend anerkannte Zertifizierung ist künftig sozusagen der
Dreh- und Angelpunkt für die Im- und Exportabwicklung. Denn der Unionszollkodes (UZK),
der von Mai 2016 an greift, sieht vor, die bisher
praktizierten zollamtlichen Vereinfachungen und
Bewilligungen an den AEO-Status zu koppeln.
Für Unternehmen, die diesen Status dann nicht
haben, wird die Ein- und Ausfuhr von Waren aufwändiger, sprich: kostet Zeit und Geld.
Profil: Welche rechtlichen Hürden müssen
außerhalb der Europäischen Union genommen
werden?
Schumm: Viele Staaten haben die Vorschriften für den Im- und Export verschärft. Es gibt
besondere Meldepflichten, umfangreiche Prüfungen und spezielle Zertifizierungsanforderungen.
Ohne die entsprechenden Dokumente werden
die Warensendungen gar nicht erst abgefertigt
oder landen auf irgendeinem Zollamt und können
dort sogar beschlagnahmt werden. Dann warten
die Kunden erst einmal vergebens auf ihre Ware.
Aber auch unsere Produktionsstandorte können
davon betroffen sein, etwa wenn es sich bei der
Ware um Ersatzteile für Maschinen und Anlagen
handelt. Dann drohen unter Umständen Produktionsausfälle.
Profil: Spielen Zölle heute keine Rolle mehr?
Schumm: Doch, allerdings keine so große wie
früher. Dennoch lohnt es sich, genau hinzuschauen. Dazu ein Beispiel: KSPG liefert seit einiger Zeit
Komponenten für Pumpen an einen Partner in
Russland, der damit das Endprodukt herstellt. Bei
Einfuhr der Komponenten in Russland wäre normaler Drittlandszoll zu entrichten. Kommen die Pumpen dann zurück, fiele in Deutschland nicht nur Zoll
auf die Wertschöpfung an, sondern ebenso auf die
Komponenten. Zölle auf Komponenten lassen sich
grundsätzlich vermeiden, wenn in Deutschland
das Zollverfahren „Passive Veredelung“ und in
Russland „Aktive Veredelung“ beantragt wird.
Profil: Bestehen noch weitere Möglichkeiten,
die Produktion im Ausland – Stichwort Local Content – zolltariflich zu optimieren?
Schumm: Der Local Content, also der nationale
Wertschöpfungsanteil, ist vor allem bei Schwellenländern ein beliebtes Instrument der handelsbezogenen Investitionsauflage, obwohl das teilweise im Widerspruch zum Welthandelsrecht der
World Trade Organization (WTO) steht. Wird der
vorgeschriebene Local Content nicht eingehalten, fallen regelmäßig höhere Steuern im Inland
an, aber auch Importzölle. Die Herausforderung
ist, mit einer entsprechenden, ursprungsrechtlich
geprägten Produktionsplanung den Local Content zu erbringen, um Eingangszölle zu sparen.
Das Präferenzwesen mit der Präferenzkalkulation
kann dabei unterstützen.
Profil: Wie können Unternehmen vom Präferenzwesen profitieren?
Schumm: Präferenzabkommen sind laterale,
bilaterale oder multilaterale Abkommen wie etwa
TTIP, über das gerade die EU und die USA verhan-
Anke Schumm:
Die zoll-rechtlichen
Regelwerke sind
kein Buch mit
sieben Siegeln!
Trade
Compliance
Guideline
setzt strikte Wegmarken
KSPG mit außenhandelsrechtlich optimierter Wertschöpfungskette
Die KSPG AG, die Führungsgesellschaft des Rheinmetall-Unternehmensbereichs
Automotive, erwirtschaftet mehr als 75 Prozent des Umsatzes (2013: knapp 2,5 Mrd. €)
im Ausland. Dieser Anteil wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Denn
die Wachstumsmärkte liegen vor allem in Asien sowie in Nord- und Südamerika.
Obwohl das Schlagwort „Globalisierung“ in aller Munde sei, halte der internationale
Warenverkehr jedoch nach wie vor zahlreiche Fußangeln und Fallstricke bereit, die
schnell richtig Geld kosten können, so Anke Schumm, KSPG-Beauftragte für Zoll- und
Außenwirtschaft. Mittlerweile sind zwar rund 160 Staaten der Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization) beigetreten, aber dennoch läuft im weltweiten
Handel noch längst nicht alles rund. Denn an die Stelle der Zollbarrieren, die WTOMitglieder abbauen müssen, treten zunehmend andere Handelshemmnisse wie
technische Normen oder spezielle Zertifikate, mit denen die Staaten versuchen, die
heimische Industrie vor allzu viel internationalem Wettbewerb zu schützen. „Im Vergleich dazu mutet der beinahe schrankenlose Binnenmarkt der Europäischen Union
fast schon wie eine Insel der Glückseligen an“, sagt Schumm. Freihandelszonen mit
jeweils eigenen Regeln gibt es aber auch außerhalb Europas, etwa in Nord- und Mittelamerika (Nafta), Südamerika (Mercosur) oder Asien (Asean). „Außerdem stehen
bilaterale beziehungsweise multinationale Abkommen auf der Tagesordnung“, so
die 55-jährige Zoll- und Außenwirtschaftsexpertin. Ein brandaktuelles Beispiel dafür
ist die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP – Transatlantic
Trade and Investment Partnership), die gegenwärtig verhandelt wird und die Vorschriften und Regeln in der Wirtschaft Europas und der USA langfristig so gestalten
soll, dass sie besser zusammenpassen; bei diesen Verhandlungen geht es darum,
Zölle und andere Handelsbarrieren im transatlantischen Handel zwischen der EU
und den USA abzubauen. Schließlich sind international operierende Unternehmen
auch von dem weltweiten Kampf gegen Terrorismus und sogenannte Schurkenstaaten betroffen. „Eine nationale Exportkontrolle wacht streng darüber, dass weder
Güter, die zu militärischen Zwecken verwendet werden können, noch Geld – dazu
gehören übrigens auch Gehaltszahlungen – in die falschen Hände gelangen“, erläutert Anke Schumm. Als Beauftragte für Zoll- und Außenwirtschaft berät sie den
Vorstand von KSPG und die Geschäftsführungen der Tochtergesellschaften der drei
KSPG-Divisionen Hartparts, Mechatronic und Motorservice in allen Fragen rund um
dieses Thema, das die gesamte Wertschöpfungskette betrifft – vom Einkauf über die
Produktion bis hin zum Vertrieb. Wobei dieser Grundsatz uneingeschränkt gilt: Wenn
die Regeln beherrscht werden, lassen sich die Erträge optimieren, und niemand
läuft Gefahr, mit mehr als dem sprichwörtlich einen Bein im Gefängnis zu stehen…
Foto: Thomas Klink
Neckarsulm/Neuenstadt am Kocher. Rund um
die Welt haben Staaten komplexe Regelwerke
erdacht, die den Im- und Export von Waren und
Dienstleistungen steuern. Um sicherzustellen,
dass die KSPG AG die Klippen des Außenhandels
sicher umschifft, hat Personalvorstand PeterSebastian Krause Anfang 2014 eine so genannte
Trade Compliance Guideline in Kraft gesetzt. Darin werden die Tochtergesellschaften verpflichtet,
alle außenhandelsrechtlichen Bestimmungen zu
berücksichtigen und die dazu erforderlichen organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen.
Mit Anke Schumm steht ihm eine erfahrene Expertin zur Seite. Die Diplom-Verwaltungswissenschaftlerin leitet seit 2001 den Bereich Zoll- und
Außenwirtschaft der MS Motorservice International GmbH, die für das weltweite Ersatzteilgeschäft von KSPG zuständig ist. Nach und nach
wurden auch Schwestergesellschaften von ihr
beraten, und seit rund drei Jahren ist sie KSPGweit für das Thema verantwortlich. In einem Gespräch mit der Rheinmetall-Konzernzeitung „Das
Profil“ erläutert die gebürtige Düsseldorferin, die
auch in der Freizeit mit Hobbys wie Skifahren und
Mountainbiking ein hohes Tempo an den Tag legt,
wie die Marktposition des Unternehmens durch
ein professionelles Management des internationalen Warenverkehrs zusätzlich gestärkt wird.
03
deln. Mit diesen Abkommen werden gemeinsame
Wirtschaftsräume gebildet, in denen Zollfreiheit
herrscht oder die Zollsätze zumindest deutlich reduziert sind.
Profil: Ein konkretes Beispiel?
Schumm: Nehmen wir einmal an, dass im Zuge
einer Investitionsentscheidung Produktionskapazitäten von Mexiko in die USA verlagert werden
sollen. Dann zahlen beispielsweise brasilianische
Kunden Drittlandszoll, während Brasilien und
Mexiko sich gegenseitig Präferenz gewähren,
also für Lieferungen aus einem mexikanischen
Produktionswerk kein Einfuhrzoll erhoben wird.
Der Kunde wird die infolge der Belieferung aus
den USA durch Zölle gestiegenen Kosten sicherlich nicht übernehmen wollen, sondern sich über
den Preis zurückholen, was wiederum den Ertrag
des Lieferanten schmälert.
Profil: Welche Bedeutung haben außenhandelsrechtliche Aspekte für Investitionsentscheidungen?
Schumm: Diese Aspekte stehen sicherlich nicht
an erster Stelle. Aber sie sollten im Vorfeld gründlich untersucht werden, etwa wenn es um neue
Produktionsstandorte oder Lagerzentren geht.
Denn natürlich spielt es eine Rolle, welche Länder
ich von dort aus vergünstigt beliefern kann, welche einen unkritischen Status haben und in welche man, salopp gesagt, nur schwer reinkommt
oder gar nicht. Außerdem sollte berücksichtigt
werden, dass jedes Land eigene Vorschriften zu
Exportkontrolle, Steuern und Zollverfahren hat,
die eingehalten werden müssen. Die Organisation
der internen Abläufe, die dazu erforderlich sind,
können zusätzliche Kosten verursachen.
Profil: Die komplexen nationalen und internationalen Regelwerke erscheinen ja geradezu wie
ein Buch mit sieben Siegeln. Wie können Unternehmen wie KSPG da durchblicken?
Schumm: Das geht selbstverständlich nicht
von Deutschland aus, sondern nur durch einen
ständigen Austausch zwischen regionalen Zollund Außenwirtschaftsexperten. Denn nur vor Ort
lässt sich frühzeitig erkennen, welchen Kurs die
Regierungen in Sachen Im- und Exportabwicklung
sowie Exportkontrolle einschlagen, und wie Verstöße geahndet werden.
Profil: Gibt es dieses Expertenteam bereits?
Schumm: Wir bauen es im Zuge der Umsetzung
unserer „Trade Compliance Guideline“ gerade
auf. Zurzeit haben fünf Tochtergesellschaften von
KSPG einen Außenhandelsbeauftragten. Wie viele Beauftragte es künftig sein werden, steht noch
nicht endgültig fest. Aber ich gehe davon aus,
dass es zumindest an jedem Standort einen geben wird. Nach heutigem Stand wären das dann
insgesamt 14 Kollegen.
Profil: Worin bestehen, auf einen kurzen Nenner gebracht, Ihre Aufgaben als KSPG-Beauftragte für Zoll- und Außenwirtschaft?
Schumm: Zum einen unterstütze ich den Vorstand in allen Fragen, die dieses Thema betreffen,
zum anderen stehe ich den Tochtergesellschaften
mit Rat und Tat zur Seite. Darüber hinaus arbeite
ich mit den Geschäftsführungen dieser Gesellschaften zusammen, um die „Trade Compliance
Guideline“ mit Leben zu erfüllen. Denn dazu ist
weit mehr erforderlich, als lediglich einen Beauftragten zu benennen. Vielmehr geht es darum,
KSPG-weit eine Außenhandels-Organisation aufzubauen und dann kontinuierlich weiterzuentwickeln. Denn nur so können die vielfältigen nationalen Anforderungen berücksichtigt und alle
relevanten internen Prozesse so weit wie möglich
harmonisiert werden.
Profil: Im Bereich der Zoll- und Außenwirtschaft gibt es ja zahlreiche Fußangeln und Fallstricke. Worauf muss besonders geachtet werden?
Schumm: Dreh- und Angelpunkt ist die Wareneinreihung. Die wichtigste Regel lautet: Für
ein Produkt gibt es nur eine zutreffende Warentarifnummer. Aus dieser Nummer, die im Zweifel
bei den Zollbehörden mit einer sogenannten verbindlichen Zolltarifauskunft erfragt werden kann,
resultiert, was mit der jeweiligen Ware zu tun und
zu lassen ist. Das reicht von Zollabgaben über Exportbeschränkungen bis hin zu Umweltauflagen.
Profil: Welche Konsequenzen hat es, wenn
Waren nicht korrekt deklariert wurden?
Schumm: Das hängt von der Art des Verstoßes
ab. Bei der Importanmeldung kann eine falsche
Wareneinreihung beispielsweise zu niedrigeren
Zollsätzen führen. In diesem Fall liegt eine Steuerhinterziehung vor, die mit einer Nachforderung
der Eingangsabgaben und Bußgeldbescheiden
geahndet wird. Dagegen können Verstöße gegen
Ausfuhrbeschränkungen auch schon mal eine
Freiheitsstrafe nach sich ziehen.
Profil: Und wer haftet „im Fall des Falles“?
Schumm: Immer der sogenannte Handelnde.
Das heißt, nicht nur Führungskräfte können in
das Visier der Behörden geraten, sondern unter
bestimmten Voraussetzungen auch die Ebene der
Sachbearbeiter. Die Höhe der Strafe hängt von
der Qualifikation, der Berufserfahrung und dem
Einkommen ab. Stellt sich heraus, dass der Sachbearbeiter einen persönlichen Vorteil aus dem
Verstoß gezogen hat, kann eine Geldbuße von bis
zu 25.000 € fällig werden.
Dr. Thomas Oelschlägel
Auch neue Generation der Aida-Kreuzfahrtschiffe wird mit KSPG-Großkolben angetrieben
Varianten für
Diesel und
„Dual-Fuel“
Rostock/ Neckarsulm. Am 3. Mai 2014 öffneten sich für die „AIDAPrima“ die Schleusentore des Docks im japanischen Nagasaki. Gebaut wird das neue Flaggschiff der Kreuzfahrtflotte der Rostocker
Reederei Aida Cruises von Mitsubishi Heavy Industries Ltd. Mit 300 Metern Länge und gut 37 Metern Breite bietet das Schiff, das 124 000 Bruttoregistertonnen hat, Platz für rund 3300 Passagiere.
Luxuriöse Kabinen, zahlreiche Restaurants und ein vielfältiges Freizeitangebot versprechen Urlaubsfreuden pur. Modernste Technik sorgt dafür, dass die Umwelt soweit wie möglich geschont wird. So
hat „AIDAPrima“ als erstes Kreuzfahrtschiff überhaupt einen „Dual-Fuel“-Motor, der sowohl mit jedem herkömmlichen Treibstoff als auch mit nahezu emissionsfreiem Flüssiggas (LNG) betrieben werden kann. Die Kolben für diesen Motor kommen – wie auch die Kolben für die drei Dieselaggregate des Schiffes, das eine Spitzengeschwindigkeit von 21,5 Knoten (ca. 40 km/h) erreicht – von KSPG.
Seit Ende der 1940er-Jahre hat das Neckarsulmer Unternehmen weit über 500 000 Kolben für
den maritimen Einsatz gebaut. „Bei Kreuzfahrtschiffen sind wir weltweit die Nummer eins“,
sagt Großkolben-Chef Wolfgang Hartmann, und
fügt hinzu: „Das gilt ebenso für Schiffsmotoren
mit mehr als 5000 Kilowatt (ca. 7000 PS) Leistung.“ Auch eine Reihe der aktuellen Kreuzfahrtschiffe von Aida Cruises wie die „AIDAluna“,
„AIDAblu“ und „AIDAsol“ haben Motoren mit
Kolben aus Neckarsulm. „Mit ‚AIDAprima‘, der
ein baugleiches Schwesterschiff folgen wird,
sind wir jetzt auch in der neuen Generation der
Aida-Flotte mit von der Partie“, freut sich der
60-jährige Kolbenexperte.
Die neue Schiffsgeneration macht ihrem Namen alle Ehre – „Prima“ heißt „die Erste“. Denn
das Schiff setzt neue Maßstäbe beim Umweltschutz. Ein neuartiges Rumpfdesign steigert die
Energieeffizienz. MALS-Technologie (Mitsubishi
Air Lubrication System), die das Schiff auf einem
Fotos: Thomas Klink (2)/Aida Cruises (3)
Luftblasenteppich gleiten lässt, und sogenannte betrieben, während der vierte wahlweise auch
Pod-Antriebe, die unterhalb des Rumpfes in einer mit Flüssiggas gefahren werden kann. „Im Dieum 360 Grad drehbaren Gondel angebracht sind, selbetrieb sind die Kolben vor allem hohen Temreduzieren den Treibstoffverbrauch. Durch ein peraturen von bis zu 500 Grad Celsius ausgemehrstufiges Filtersystem wird der Ausstoß von setzt“, sagt Hartmann. Im Gasmodus kommt es
Rußpartikeln sowie Stick- und Schwefeloxiden dagegen vor allem auf hohe Klopffestigkeit an.
um 90 bis 99 Prozent gesenkt. Und mit dem neu „Das sogenannte Klopfen entsteht durch unkontentwickelten „Dual-Fuel“-Motor kann die „AIDA- rollierte Zündungen, die sich nie ganz vermeiden
prima“ im Hafen mit umweltfreundlichem Flüssig- lassen, da die Motoren immer so nah wie möglich an der Leistungsgrenze
gas betrieben werden, für das
gefahren werden“, erläutert
keine Abgasnachbehandlung
der Maschinenbauingenieur.
erforderlich ist.
Die Kolben bestehen aus
Im Bauch des Schiffes
Bis heute weit über
zwei Teilen, die mit vier Steharbeiten vier Antriebe des
bolzen verschraubt sind. Das
Kieler Herstellers Caterpillar
obere ist aus geschmiedetem
Motoren, die jeweils zwölf
Stahl und das untere aus
Zylinder in V-Anordnung haSphäroguss. „Dadurch halben. Jeder leistet rund 1000
ten die Kolben sowohl hohen
Kilowatt, zusammen also
Temperaturen als auch ho48 000 (ca. 65 000 PS). Drei
werden mit Dieselkraftstoff
für maritimen Einsatz hen Zünddrucken stand“, er-
500 000
Kolben
klärt der Großkolben-Chef. Die Varianten für die
Dieselaggregate haben einen Durchmesser von
430 Millimetern und wiegen 219 Kilogramm. Die
Kolben für den „Dual-Fuel“-Motor haben einen
um 30 Millimeter größeren Durchmesser. „Sonst
würde dieser Motor im Gasbetrieb nicht die gleiche Leistung erreichen wie die Dieselaggregate“,
erklärt Wolfgang Hartmann.
Die Jungfernfahrt der „AIDAprima“ führt im
Oktober 2015 von Yokohama nach Dubai in den
Vereinigten Arabischen Emiraten. Ab Frühjahr
2016 wird das Kreuzfahrtschiff von seinem Heimathafen Hamburg aus zu siebentägigen Rundreisen zu den Metropolen Westeuropas in See
stechen, und zwar das ganze Jahr hindurch. Auch
wenn das Wetter nicht mitspielt, können die Passagiere tropische Strandatmosphäre genießen.
Dafür sorgt ein ausfahrbares Foliendach, das
kaum wahrnehmbar ist und – ideal für schöne
Urlaubsbräune – UV-Licht durchlässt.
Dr. Thomas Oelschlägel
Wachstum durch
neues Werk in China
Großkolben von KSPG bei allen Herstellern schwerer Viertaktmotoren gefragt
tho Neckarsulm. Im Jahr 2013 hat der Geschäftsbereich „Großkolben“ von
KSPG einen Umsatz von 75 Millionen € erwirtschaftet. An der Spitze dieses
Bereichs steht seit sieben Jahren Wolfgang Hartmann. Das „Profil“ sprach mit
dem 60-Jährigen, der vor Beginn seiner beruflichen Laufbahn an der Universität
Karlsruhe Maschinenbau mit Schwerpunkt Verbrennungsmotoren studiert hat,
über die Marktentwicklung und die künftige Strategie des Geschäftsbereichs.
Profil: In welchen Branchen werden
die Großkolben von KSPG eingesetzt,
und was bedeutet eigentlich „groß“?
Hartmann: Das beginnt bei einem
Durchmesser von 160 Millimetern und
reicht bis zu 640. Diese „Jumbo“-Kolben bringen gut eine halbe Tonne auf
die Waage, während die kleinsten Varianten um die sieben Kilogramm schwer
sind – ein Pkw-Kolben wiegt im Schnitt
lediglich 200 Gramm. Eingesetzt werden unsere Großkolben, die übrigens
ausschließlich für Viertaktmotoren bestimmt sind, vor allem in Kraftwerken,
Schiffen und Lokomotiven.
Profil: Wer sind die wichtigsten Kunden?
Hartmann: Heute gibt es in der westlichen Welt im Grunde nur noch fünf
Hersteller von schweren Motoren. Das
sind Wärtsilä, Rolls Royce und MAN in
Europa und die beiden US-amerikanischen Unternehmen Caterpillar und
General Electric. Bei allen sind wir als
Lieferant gelistet und bei drei von ihnen mit Abstand die Nummer eins.
Profil: Dann laufen die Geschäfte des
„Großkolben“-Bereichs sehr gut, oder?
Hartmann: Diese Frage würde ich
gerne mit einem schlichten Ja beantworten. Aber ganz so einfach ist das
nicht. Denn letztlich sind wir von der
Entwicklung der Märkte abhängig. Im
Energiesektor ist die Situation zurzeit
sehr gut. So konnten wir im vergangenen Jahr für ein großes Projekt in Jordanien die Kolben liefern. Dabei handelt
es sich um ein Gasmotorenkraftwerk
mit insgesamt 500 Zylindern und einer
Leistung von 500 Megawatt. Dagegen
herrscht im Schiffsbau nach wie vor
Flaute, was wesentlich dazu beigetragen hat, dass unser Umsatz 2013 gegenüber dem Vorjahr um 15 Prozent
zurückgegangen ist. Aber wir sind auf
dem besten Weg, dies wieder wettzumachen.
Profil: Wie sieht die Strategie für die
mittlere Zukunft aus?
Hartmann: Eine zentrale Rolle spielt
unser neues Großkolben-Werk in China, das gerade in Kunshan, einem Vorort von Shanghai, errichtet wird. Mit
diesem Werk, das zu 100 Prozent KSPG
gehört, werden sich unsere Chancen
auf dem asiatischen Markt deutlich
verbessern. Denn auch unsere Kunden
produzieren ihre Motoren zunehmend
auf diesem Erdteil, wo mittlerweile
mehr als 80 Prozent aller Hochseeschiffe gebaut werden, und fordern dies
auch von ihren Lieferanten – Stichwort
„Local Content“. Die Investition in das
neue Werk hat sich für uns bereits gelohnt. Denn wir konnten zehn neue Projekte unter Dach und Fach bringen, die
wir sonst wohl nicht erhalten hätten.
tho Rostock. Hochseekreuzfahrten liegen nach wie vor im Trend. Laut einer aktuellen Studie konnte der deutsche
Markt 2013 um über neun Prozent auf insgesamt rund 1,7 Millionen Passagiere zulegen. Die Schattenseite des Kreuzfahrtbooms: Es werden auch mehr Emissionen in die Luft geblasen. Damit ist jetzt bei der neuen Schiffsgeneration der
Rostocker Reederei Aida Cruises Schluss. Denn die „AIDAprima“, die im Oktober 2015 mit Großkolben von KSPG „inside“
zu ihrer Jungfernfahrt auslaufen wird, sorgt mit modernster Antriebstechnologie dafür, dass die Passagiere ihren Urlaub
auch ruhigen Umwelt-Gewissens genießen können. Über die Innovationen, die dazu erforderlich waren, sprach „Das
Profil“ mit Jens Kohlmann (Foto links). Der 51-Jährige Ingenieur für Schiffsmaschinenbetrieb ist seit 1995 bei Aida Cruises.
Zunächst arbeitete er an Bord, wechselte dann in die Neubauabteilung und ist heute als Director Yards & Strategic
Projects unter anderem für die technologische Ausrüstung der Kreuzfahrtflotte der Rostocker Reederei verantwortlich.
Sauberer
Antrieb
AIDAprima setzt neue Maßstäbe beim Umweltschutz
Profil: Was wurde getan, um die
Schadstoffemission der „AIDAprima“
zu reduzieren?
Kohlmann: Zum einen besitzt sie
als erstes Kreuzfahrtschiff überhaupt
ein dreistufiges Filtersystem zur Abgasnachbehandlung, mit dem alle drei
Emissionsarten, also Rußpartikel, Stickoxide und Schwefeloxide, zwischen 90
und 99 Prozent reduziert werden. Zum
anderen haben wir die Energieeffizienz
nochmals deutlich gesteigert. Denn
das ist letztlich der effektivste Beitrag
zum Schutz der Umwelt – und senkt zudem die Betriebskosten.
Profil: Lässt sich die Energieeinsparung beziffern?
Kohlmann: Im Vergleich zu unserem
derzeit jüngsten Schiff „AIDAstella“
benötigt „AIDAprima“ rund 20 Prozent
weniger Treibstoff. Dies resultiert je
zur Hälfte aus einer Reduzierung des
Stromverbrauchs für den Hotelbetrieb –
beispielsweise durch Maßnahmen wie
bessere Isolierung, elektronisch geregelte Pumpen und LED-Lampen – sowie
einem innovativen Antriebskonzept.
Profil: Was beinhaltet dieses Konzept?
Kohlmann: Die „AIDAprima“ gleitet
auf einem Teppich aus Luftbläschen
durch das Wasser, wodurch der Reibungswiderstand erheblich verringert
wird. Möglich macht dies das neue Mitsubishi Air Lubrication System (MALS),
das in unserem neuen Flaggschiff erstmals eingesetzt wird. Außerdem verfügt es als weltweit erstes Kreuzfahrtschiff über einen „Dual-Fuel“-Motor,
der ebenso wie die drei anderen Motoren mit Diesel betrieben werden kann,
zur Energieerzeugung im Hafen wahl-
weise aber auch mit emissionsfreiem
Flüssiggas. Last but not least hat die
„AIDAprima“ zwei sogenannte PodAntriebe, die unter dem Rumpf in Gondeln angebracht sind, die sich um 360
Grad drehen lassen. Da somit weder
Antriebswellen noch eine Ruderanlage
erforderlich sind, konnte die Form des
Hecks optimiert und dadurch die Effizienz der Antriebe nochmals verbessert
werden.
Profil: Wird Aida Cruises seine gesamte Flotte mit modernster Umwelttechnologie à la „AIDAprima“ nachrüsten?
Kohlmann: Ja, das wird nach und
nach im Rahmen der regulären Werftzeiten geschehen. „AIDAluna“ beispielweise hat dieses Jahr bereits die
ersten Installationen des Filtersystems
erhalten.
06
A K T UEL L
Ansprache
Was macht eigentlich ein Zerspanungsmechaniker, welche handwerklichen Fertigkeiten kann ich lernen, und wie kann
ich mich weiterentwickeln? Diese Fragen
hat sich Lars Ringer vor Beginn seiner Ausbildung selbst gestellt. Heute kennt er die
Antworten und will Schülern, die kurz vor
ihrem Schulabschluss stehen, einen konkreten Einblick in seinen Ausbildungsberuf
geben: „Als mir mein Ausbildungsleiter,
Lars Ringer
Jörg Wagener, dieses Ehrenamt angeboten
hat, habe ich eine Chance gesehen, meine persönlichen, positiven Erfahrungen an
andere junge Menschen weiterzugeben“,
freut sich der 19-Jährige, der gemeinsam
mit Ausbildungsbotschaftern weiterer Unternehmen in Celle unterwegs war.
Für seinen ersten Einsatz hielt der engagierte Rheinmetall-Azubi vor jeweils rund
20 Schülern aus zwei Oberschulklassen
einen vorbereiteten Kurzvortrag – mit guter Resonanz: „Die Schüler haben interessiert zugehört und nachgefragt.“ Berichtet
hat er über seine vielfältigen Erfahrungen
des sehr prägenden ersten Ausbildungslehrjahres: „Ich habe den Schülern erzählt, welche manuellen Grundfertigkeiten
man erlernen kann, wie zum Beispiel das
konventionelle Fräsen, also das spanabhebende Bearbeiten von Metallen und
Kunststoffen mittels eines Fräswerkzeuges.“ Sein Anliegen war es, den Schülern die Scheu vor dem Start ins
Berufsleben zu nehmen:
Unterlüß/
„Bei uns sind die AzuLüneburg/Wolfsburg.
bis zu Beginn ihrer
Als eines der ersten UnternehA u s b i l d u n g s ze i t
men im Landkreis Celle engagiert sich
noch nicht in das
die Rheinmetall Waffe Munition GmbH in
tägliche ProdukUnterlüß für das Pilotprojekt „Ausbildungsbottionsgeschäft
schafter“, an dem sich rund 60 Unternehmen mit
eingebunden.
über
90 Ausbildungsbotschaftern in der Region beOhne Druck
teiligen.
Das EU-Projekt wurde von der Industrie- und
können wir
Handelskammer
(IHK) in Lüneburg-Wolfsburg initiiert, um
in der AusSchülern beim Übergang von der Schulzeit ins Berufslebildungsben berufliche Orientierung zu geben. Die Idee des Prowerkstatt an
jekts ist, dass Auszubildende, die sich bereits im zweiten
der Maschine
‚üben‘
oder dritten Lehrjahr befinden, Schülern an allgemeinund werden
und berufsbildenden Schulen ihren Ausbildungsberuf
dabei sehr gut
näherbringen. Lars Ringer ist der erste ausgewählte
von den MeisBotschafter des Unterlüßer Unternehmens, der
tern betreut.“
für den Ausbildungsberuf des ZerspanungsRinger, der sich
mechanikers unterwegs ist; Anfang Demittlerweile
im
zember 2014 hatte er seinen ersten
zweiten Lehrjahr beEinsatz bei einer Oberschufindet, hat den Schüle in Celle.
lern auch Fragen zur beruflichen
Weiterentwicklung
beantwortet. So lernen Auszubildende
bei Rheinmetall nicht nur handwerkliche
Fertigkeiten kennen, sondern im zweiten
Lehrjahr auch den Umgang mit computer-
auf
ann Unterlüß. Wer Auszubildende für sein Unternehmen
gewinnen will, muss mitunter
neue Wege bei der Rekrutierung des Nachwuchses gehen.
Im Rahmen des EU-Projektes
„Ausbildungsbotschafter“ der
Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg
wirbt die Rheinmetall Waffe
Munition GmbH in Unterlüß
frühzeitig für die im Hause angebotenen Ausbildungsberufe
und die Förderung betriebswirtschaftlichen Denkens. 15
Ausbildungsplätze in unterschiedlichsten Berufszweigen
wollen jedes Jahr mit engagiertem Nachwuchs neu besetzt
werden. „Die Sicherung des
Nachwuchses hat für unsere
Firma eine sehr hohe Priorität.
Der
Ausbildungsbotschafter
als wichtige positive Schnittstelle zwischen Schule und
Unternehmen spielt in diesem
Zusammenhang eine wichtige
Rolle“, sagt Werner Wegat (Foto
rechts), Leiter Human Resources bei der Rheinmetall Waffe
Munition GmbH in Unterlüß.
Die Kooperation mit Schulen
ist eine gute Möglichkeit, frühzeitig mit potenziellen Auszubildenden in Kontakt zu treten.
„Wir stellen fest, dass bisher
bewährte Kanäle, zum Beispiel
Stellenanzeigen und -börsen,
vor dem Hintergrund des zunehmenden
Fachkräfteman-
Augenhöhe
als Ausbildungsbotschafter unterwegs
gels nicht mehr ausreichen,
um qualifizierte Bewerber zu
gewinnen“, sagt Jörg Wagener,
Abteilungsleiter Personal für
den Defence-Geschäftsbereich
Weapon & Munition. Für den
48-Jährigen, der bereits seit 16
Jahren für die Firmengruppe
arbeitet, sind gerade Auszubildende in der zeitlichen Mitte ihrer Ausbildung als Botschafter
die idealen Ansprechpartner für
Schüler: „Die eigene Schulzeit
mit den seinerzeit vorhandenen Einstellungen und Werthaltungen liegt noch nicht so lange
zurück. Außerdem verfügen sie
bereits über eine ganze Palette an fachlichen und sozialen
Erfahrungen aus dem Berufsle-
Ausbildungsbotschafter
Lars Ringer und
Personalleiter
Jörg Wagener mit
dem Unterlüßer
Azubi-Team
und den beiden
Ausbildern
Petra Främke
(Hintergrund
rechts) und
Thomas Meyer.
ben und wissen damit bereits,
worüber sie reden.“
Das Pilotprojekt „Ausbildungsbotschafter“ ist auf
positive Resonanz gestoßen;
gesteuerten Maschinen, zum Beispiel
CNC-Fräsmaschinen, um kompliziertere
Werkstücke wie Konturen zu fräsen. Und
im dritten Lehrjahr werden hochwertige
Werkstücke bearbeitet, die für Waffenanlagen eingesetzt werden.
Damit die Schüler etwas zum „Anfassen“ bekommen, hat Ringer bei diesem
ersten Einsatz auch Werksteile mitgebracht, die er oder andere Azubis in der
Ausbildungswerkstatt gefertigt haben.
Wenn Lars Ringer das dritte Lehrjahr mit
einer Prüfung erfolgreich abgeschlossen
hat, will er das von der Firma angebotene
Duale Studium zum Maschinenbauingenieur in Anspruch nehmen: „Das ist ein
wirklich tolles Angebot, bei dem man im
Beruf arbeiten und gleichzeitig studieren
kann. Über diese Möglichkeit zur Weiterbildung und auch die Qualifizierung zum
Techniker oder Meister hat er den Schülern berichtet.“ Für ihn war Rheinmetall
in Unterlüß ein Glücksgriff: „Neben den
vielen Entwicklungschancen haben wir
ein super Betriebsklima. Man kann die
Meister alles fragen, und etliche der anderen Auszubildenden sind mittlerweile
meine Freunde geworden.“
Für den Einsatz als Ausbildungsbotschafter wurde Lars Ringer gut vorbereitet;
er hatte – wie auch andere Ausbildungsbotschafter – an einem ganztägigen Präsentationsseminar der IHK teilgenommen. Die im Seminar gelernten Techniken
der Moderation und Kommunikation waren für ihn ebenso hilfreich wie das ganz
konkrete Feedback zu seinem eigenen
Vortrag. „Mit dem Projekt wollen wir auch
dazu beitragen, dass Auszubildende ihre
soziale Kompetenz stärken“, erläutert
Kirsten Deising, Ausbildungsplatzkoordinatorin der IHK Lüneburg-Wolfsburg.
Im Anschluss an seinen Vortrag standen Lars Ringer und die anderen Ausbildungsbotschafter für persönliche
Gespräche mit den Schülern bereit: „Ein
Schüler ist auf mich zugekommen, weil
er sich in unserem Unternehmen bewerben möchte. Ich habe ihm konkrete Tipps
zur Bewerbung und zum Einstellungstest
gegeben.“ Der gebürtige Dannenberger
(Elbe) hat auch Fragen zu weiteren, von
der Firma angebotenen Ausbildungsberufen, wie zum Beispiel Industriemechaniker oder Technischer Produktdesigner,
beantwortet. „Es hat mir Spaß gemacht,
den Schülern Lust auf eine tolle Ausbildung zu machen, ihnen die Scheu vor
dem ersten Tag im Ausbildungsbetrieb
zu nehmen und sie dazu zu ermutigen,
sich bei unserem Unternehmen zu bewerben.“
Annette Neumann
Unternehmen hat bereits gute
Kontakte zu Schulen in Unterlüß und Suderburg geknüpft;
im Rahmen eines Projektes
„Jugend forscht“ bestand zum
Frühzeitig finden
und gezielt fördern
daher sollen die Einsätze des
Botschafters auf weitere Schulen im Landkreis Celle ausgedehnt werden. Das zum Rheinmetall-Konzern
gehörende
Beispiel eine Kooperation mit
dem Christian Gymnasium in
Hermannburg.
Darüber hinaus arbeitet
Rheinmetall in Unterlüß auch
mit dem Bildungswerk der
Niedersächsischen Wirtschaft
zusammen, um die Unternehmenspräsenz vor Ort zu
verstärken. Als Kooperationspartner von Schulen bietet
das Bildungswerk eine fünftägige PC-gestützte Unternehmenssimulation an, bei dem
die Schüler in die Rolle von
Führungskräften
schlüpfen
und auf betriebswirtschaftliche und unternehmerische
Fragestellungen vorbereitet
werden. Wagener: „Dabei
wird ein starker Praxisbezug
hergestellt, der als erste echte
Schnittstelle zwischen Schule
und Beruf betrachtet werden
kann.“
Fotos: Katja Knöfel (1)/Thomas Klink (5)
Werk in
progress
msc Neuss.
Rund 1400 Mitarbeiter mit ihren Partnern
sowie etliche prominente Gäste – darunter neben Bundesgesundheitsminister
Hermann Gröhe und Rheinmetall-Vorstandschef
Armin Papperger zahlreiche Vertreter der städtischen
Behörden, der am Bau beteiligten Gesellschaften und von Nachbarunternehmen auf der Hafenmole – feierten am 24. Oktober 2014
die Eröffnung des neuen Pierburg-Werks Niederrhein in Neuss („Das
Profil“ 1/2014). Auf das Get-Together in lockerer Atmosphäre und die
Möglichkeit eines Rundgangs durch die neuen Produktionsanlagen folgte
ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm, charmant präsentiert von Moderatorin Angela Julie Wadenpohl. KSPG-Vorstandschef Horst Binnig resümierte
in seiner Eröffnungsrede einmal mehr, dass das neue Werk ein deutliches Bekenntnis zum Standort Neuss sei. Der Komplex wurde in nur zwölf Monaten erbaut und bietet
auf 28 000 Quadratmetern Produktions-, Verwaltungs- und Lagerfläche Platz für über 700
hochmoderne Arbeitsplätze. Bereits im Frühjahr vergangenen Jahres konnte Pierburg mit dem Bezug beginnen; einem detaillierten Zeitplan folgend, wurden schrittweise Fertigungsanlagen aus den beiden Standorten Neuss und Nettetal in das Werk Niederrhein transportiert und dort aufgebaut. Bis Mitte
2015 sollen alle Nettetaler Mitarbeiter an den neuen Werksstandort gewechselt haben. Bereits in der Planung
des Bauvorhabens hatte der Neusser Automobilzulieferer großen Wert auf eine nachhaltige Bauausführung
gelegt und schon im Vorfeld erklärt, dass eine DGNB-Silberzertifizierung angestrebt werde. Dazu PierburgChef Olaf Hedden: „Wir sind als Automobilzulieferer spezialisiert auf Komponenten zur Schadstoffreduzierung und zur Verbrauchsminderung. Daher ist es für uns selbstverständlich, dass auch unser neues
Werk strengen Nachhaltigkeits-Kriterien entsprechen muss. Das Projekt Niederrhein wird zu einem Leitwerk in seinen Produktbereichen innerhalb der internationalen Standortstruktur von Pierburg werden.“
F otos:
R a l f G r o t h e (8 )/
M ic h
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(7
)
msc Hannover. Zum 65. Mal fand im
Frühherbst 2014 die IAA Nutzfahrzeuge
(Nfz) in Hannover statt; die Fachmesse
gilt als eine der weltweit wichtigsten
Messen rund um die Logistik und Mobilität der internationalen Nfz-Branche
und zeigte auf rund 265 000 Quadratmetern Fläche die gesamte Wertschöpfungskette dieses Fahrzeugsegments.
Die stärkste Ausstellergruppe stellten
einmal mehr die Zulieferer dar; von
ihnen stammten auch rund siebzig
Prozent der gezeigten Innovationen.
Insgesamt stieg die Zahl der Aussteller
um neun Prozent auf 2066. Mit dabei:
die KSPG AG, die sich erstmals auf einem neuen Standplatz in Halle 16 und
mit einem deutlich vergrößerten Messestand von rund 170 Quadratmetern
Fläche präsentierte. Neuentwicklungen und innovative Komponenten für
Nutzfahrzeugmotoren standen auf dem
Programm, darunter beispielsweise ein
Thermomanagementmodul für batterieelektrische Anwendungen. Durch die
Nutzung einer Wärmepumpenfunktion
kann der erforderliche Energiebedarf für
das Heizen deutlich reduziert werden,
was der Reichweite des Fahrzeugs zu­
gute kommt. Das Modul ist als wesentlicher Bestandteil des Klimatisierungssystems vorgesehen und klimatisiert
hauptsächlich den Fahrgastraum sowie
den Fahrerarbeitsplatz; vorhandene
Aggregate wie der Antriebsmotor und
der Generator werden dabei in einer
innovativen, bislang nicht bekannten
Weise als Wärmequellen in den Wärmehaushalt des Fahrzeugs eingebunden.
Die Pierburg GmbH – innerhalb KSPG
spezialisiert auf Schadstoffreduzierung
und Verbrauchsminderung – präsentierte mechatronische Komponenten
für Nutzfahrzeuge, darunter neue elektropneumatische Wandler und Ölventile sowie komplette Kühlermodule, die
durch die konsequente Systemintegra-
„on demand“ arbeiten und damit Kraftstoff sparen. Die KS Kolbenschmidt
GmbH hat momentan weltweit Stahlkolben mit Durchmessern von 95 bis
150 Millimetern für neue Nutzfahrzeugprogramme in der Entwicklung. Auf der
höhe und schafft in Kombination mit
einem verlängerten Pleuel eine Reduzierung der Reibkräfte. So werden maßgeschneiderte Lösungen für teilweise
konträre Forderungen präsentiert, die
den Kraftstoffverbrauch reduzieren. Ein
Highlights im Messejahr 2014
tion von Komponenten wie AGR-Ventil,
Abgasklappen, Drosselklappenstutzen
und AGR-Kühler die Reduzierung von
Entwicklungs- und Applikationskosten
ermöglichen. Außerdem wurden moderne Pumpenkonzepte vorgestellt, die
Messe in Hannover informierte der Hersteller unter anderem über zwei Konzepte aus diesem Bereich: Das erste optimiert die Kühlung und erreicht damit
eine Verringerung des Kühlölbedarfs;
das zweite setzt auf eine minimale Bau-
Frankfurt am Main. Eine zweite hochkarätige Messe
war die Automechanika in Frankfurt am Main (16. – 20.
September 2014). Die MS Motorservice International
GmbH präsentierte sich auf knapp 500 Quadratmetern
Fläche in Halle 5 auf einem Gemeinschaftsstand mit
den deutschen Tochtergesellschaften MS Motorservice
Deutschland GmbH und BF Germany GmbH. Anwesend
waren außerdem Vertreter der Tochtergesellschaften aus
Frankreich, Spanien, der Türkei, Brasilien und China. Eines der Messehighlights war der neue Onlineshop des
Ersatzteilspezialisten. Er verfügt über eine deutlich überarbeitete Oberfläche mit intuitiver Benutzerführung und
Features wie umfangreiche Suchmöglichkeiten, eine effiziente Bestellabwicklung und Verfolgung sowie Zusatzinformationen rund um die Produkte und Bestellungen.
Außerdem wurden KS Stahlkolben für Nutzfahrzeuge
und Industriemotoren gezeigt. Im Unterschied zu Pendelschaftkolben, die aus einem Oberteil aus Stahl und
einem über den Bolzen verbundenen Schaft aus Aluminium bestehen, sind bei Monomaterialkolben aus Stahl
neues Dreistofflager-Konzept KS R55Q
für Hauptlager in leichten und mittelschweren Lkw und Bussen stellte die
KS Gleitlager GmbH vor. Im Zusammenspiel der einzelnen Komponenten
erreicht das Stahl-Aluminium-Polymer-
höhere Kräfte, Temperaturen und Drücke realisierbar, so
dass strengere Abgasnormen erfüllt werden können. Als
einer der ersten wird Motorservice Stahlkolben künftig
auch im Aftermarket anbieten. Ein weiteres, auch visuell
deutlich erkennbares Thema war der neue Marktauftritt
der KSPG AG, für deren Aftermarket-Geschäft die Motorservice-Gruppe zuständig ist. Innerhalb des neuen Auftritts zeigt sich der Ersatzteilspezialist als eine der drei
Divisionen von KSPG und betont damit stärker als bisher
seine Kompetenz als Tochtergesellschaft eines OE-Zulieferers. Unter dem Gruppenslogan „Unser Herz schlägt
für ihren Antrieb“ definiert sich Motorservice als Servicepartner rund um den Motor mit einem breiten Portfolio an
Qualitätsprodukten und Dienstleistungen. Divisionschef
Hansjörg Rölle: „Die Automechanika war einmal mehr
ein Highlight im Jahresgeschehen, und unser Stand war
an allen Tagen außerordentlich gut besucht. Viele neue
internationale Kunden sind gekommen, bestehende
Kontakte wurden gepflegt und neue geknüpft. Wir sind
mit dem Messeergebnis rundherum zufrieden.“
msc
Fotos: Kornelia Danetzki (27)/EAC GmbH/Messe Frankfurt Exhibition Gmbh, Michael Zargarinejad
Lager ein B
­elastbarkeitsniveau, das
deutlich über der Leistungsfähigkeit
der existierenden Stahl-AluminiumZweistofflager liegt. Damit dringt es
auf eine Leistungsstufe vor, welche
bisher den wesentlich aufwändigeren
Galvanik-Gleitlagern auf Bronzebasis
vorbehalten war. Ein weiteres Messethema waren Stahl-Bronze-Kunststoff-Verbundgleitlager, die unter dem
Markennamen „Permaglide“ laufen.
Wartungsfrei oder wartungsarm werden sie überwiegend in automotiven
Anwendungen eingesetzt. Betrachtet
man den Aufbau eines Nutzfahrzeugs,
so müssen vielfältige Fahrzeugsysteme (z.B. Motor, Getriebe, Achsen oder
­Hydraulik) zusammenwirken. Für viele
von ihnen lässt sich die Lösung einer
speziellen Lageraufgabe durch eine
gezielte Kombination aus Werkstoff,
Oberfläche und Formgebung aus dem
Permaglide-Baukasten finden. KSPGVorstandschef Horst Binnig zeigte sich
zufrieden mit der Messepräsenz: „Der
Nutzfahrzeugmarkt gewinnt für uns –
nicht zuletzt aufgrund der immer strenger werdenden Abgasvorschriften – immer mehr an Bedeutung. Wir können
hier unsere langjährigen Erfahrungen
und Innovationskraft aus dem Pkw-Bereich einbringen und mit Produkten zur
Schadstoff- und ­Verbrauchsreduktion
punkten. Die IAA Nutzfahrzeuge war
in vielerlei Hinsicht ein voller Erfolg –
wir hatten zahlreiche interessante und
wichtige Kundenkontakte, qualitativ
gute Gespräche und haben mit unserem neuen Marktauftritt unsere umfassende Kompetenz am neuen Standplatz professionell präsentiert.“
Profil: Mit Motorservice kommen
Sie viel rum. Haben Sie noch einen
Überblick, welche Länder Sie in den
vergangenen Jahren bereist haben?
Szopa: Das ist wirklich schwierig.
In der Antarktis, da war ich auf jeden
Fall noch nicht (lacht). Aber davon abgesehen habe ich tatsächlich schon
sehr viel gesehen. Ich war auf jedem
Kontinent. In Australien und Neuseeland, Amerika, so gut wie jedem Land
in Europa und ganz Nordafrika mit Ausnahme von Libyen. Auch die restlichen
Länder Afrikas habe ich zu einem großen Teil gesehen. In Asien war ich natürlich in Japan und China, aber auch
in Korea. Vietnam ist eines der Länder,
das mir noch fehlt und das mich persönlich noch sehr reizen würde.
Profil: In welchem Land oder an
welchem Ort haben Sie etwas für Sie
ganz Besonderes erlebt? Was waren
Ihre persönlichen Highlights?
Szopa: Es ist wirklich schwer, etwas
aus der Vielzahl der tollen Begegnungen und Orte hervorzuheben. Zum Beispiel der Tee in Saudi Arabien mit guten
Geschäftspartnern aus Dubai, die man
inzwischen schon als Freunde bezeichnen kann. Inzwischen war ich auch
einige Male schon privat dort, zum
Urlaub machen. Aber auch die netten
Menschen in Sambia und Botswana
oder der Flug über den Kilimandscharo
sind mir noch in guter Erinnerung. Ein
Highlight, das mich schon sehr beeindruckt hat, war sicher Machu Picchu in
Peru. Der Himmel, das Blau – das ist
gigantisch. Du bist ja praktisch oberhalb der Wolkendecke. Absolut beeindruckend. Und seitdem kann ich aus
eigener Erfahrung bestätigen, wie sehr
man die Höhe tatsächlich spürt. Man
redet in Seminaren auf einmal Unsinn
oder wechselt in eine andere Sprache,
und alle Einheimischen lachen sich
schlapp. Oder man merkt nach ein
paar Treppenstufen, dass die Luft zum
Atmen fehlt. Aufgrund dieser Höhenlage bin ich mit einem ganzen Koffer
voll handgefertigter Teile, die ich den
Einheimischen abgekauft habe, nach
Hause gekommen. Unter normalen
Umständen hätte ich das wahrscheinlich nicht alles gekauft!
Profil: Bei den zahllosen Kontakten,
die Sie berufsbedingt pflegen, läuft Ihnen doch sicher auch ab und zu Prominenz über den Weg?
Szopa: Nun, ich hatte es schon hin
und wieder mit wichtigen Personen zu
tun, die in ihren Ländern prominent
sind. Bei einem Seminar in Ägypten
hatte ich zum Beispiel das Vergnügen,
den stellvertretenden Verteidigungsminister als einen unserer Gäste persönlich begrüßen zu dürfen.
Profil: Sie kommen ja in Gegenden,
die viele Menschen nie in ihrem Leben
sehen. Ist man da nicht manchmal
überfordert?
Szopa: Inzwischen hab’ ich so viel
gesehen, da haut mich nichts mehr
um. Man darf nicht pingelig sein. Man
weiß vorher nie, ob man in einem guten
Hotel unterkommt, oder eben in einem
Zimmer für neun US-Dollar. Manchmal
schläft man auch auf einen Fußboden
mit ein paar Anderen zusammen. Aber
das geht alles und ist definitiv eine Erfahrung.
„In der
Antarktis
war ich noch nicht!“
Johann Szopa ist für die KSPG-Division Motorservice seit zwölf Jahren weltweit unterwegs
Johann Szopa ist Globetrotter von Berufs wegen. Als Serviceingenieur hält der 57-Jährige für
die KSPG-Division Motorservice auf der ganzen Welt Vorträge über Motorenteile, deren Einbau und
deren Wartung. Deutlich mehr als 100 Tage im Jahr ist der gelernte Kfz-Handwerker auf Achse, gut
250 000 berufliche Reisekilometer kommen übers Jahr dabei im Schnitt zusammen. Von Russland
über China bis Südafrika und Australien – Szopa kennt die fünf Erdteile wie seine eigene Westentasche. Obwohl es auch für ihn noch weiße Flecken auf dem Globus gibt – zum Beispiel die
Antarktis oder in Südamerika. „Das Profil“ sprach mit dem gebürtigen Oberschlesier (Lambsdorf),
der seit Juli 2002 beim Neuenstädter Aftermarket-Spezialisten MS Motorservice International GmbH
arbeitet, der seinerseits geschäftliche Beziehungen in weit über 130 Ländern der Erde unterhält.
Profil: Kamen Sie schon einmal in
gefährliche Situationen?
Szopa: Ich war in Ägypten und Tunesien, kurz vor der Revolution dort,
oder in Syrien, eine Woche vor Kriegsausbruch – da hatte ich echt Glück mit
meinem Timing. Aber mir ist noch nie
etwas passiert. Manche sagen: „Du
bist ja verrückt, da überall hinzugehen!“ Nach Saudi Arabien beispielsweise oder auch in den Iran. Aber das
ist alles kein Problem. Das Schlimmste,
was mir jemals passiert ist, war eine
Reifenpanne nachts auf der Landstraße
in Sambia. Mit unseren Handys hatten
wir dort keinen Empfang. Aber selbst
das war am Ende ein tolles Erlebnis:
Ein Einheimischer, der zufällig vorbeikam, ist mit seinem Wagen einen Umweg von 50 Kilometern zu unserem
Hotel gefahren und hat dort Bescheid
gesagt, dass wir Hilfe brauchen. Und
dann kam tatsächlich Hilfe vom Hotel
angefahren. Ein Tipp für Afrika-Reisenden: Auf keinen Fall nachts fahren,
egal, wie die Straßen aussehen. Es gibt
wirklich unglaublich nette und freundliche Menschen, die man so auf Reisen
trifft.
Profil: Gehen Sie auch viel unter die
Menschen und versuchen, etwas von
deren Alltagsleben mitzubekommen?
Szopa: Meine Frau ist manchmal
neidisch, was ich alles für Orte kennenlerne. Aber manchmal sieht man
wirklich nur den Flughafen, das Hotel
und den Kunden und ist dann schon
wieder weg. Ich war schon zweimal in
Moskau, aber habe noch nie den Roten Platz oder den Kreml gesehen. Ich
war oft in China – aber die Chinesische
Mauer habe ich erst gesehen, als ich
2013 mit meiner Gattin Karin und meinem Sohn André dort Urlaub gemacht
habe. Bei einem einzelnen Aufenthalt
bekommt man sicher nicht viel mit,
aber wenn man immer wieder kommt
und auch die Menschen nach und nach
kennenlernt, erhält man auch tiefere
Einblicke. Oft war es so, dass ich durch
meine beruflichen Aufenthalte gemerkt
habe, dass mich ein Ort interessiert –
und dann bin ich privat noch einmal als
Urlauber dort hingefahren.
Profil: Was macht Ihnen bei Ihrer Arbeit am meisten Spaß?
Szopa: Neue Menschen und Kulturen kennenzulernen, das ist für mich
das Größte. Man sollte einfach keine
Angst oder Bedenken haben. Man
muss offen sein. Ich freu’ mich immer
auf ein neues Land, in dem ich bis dato
noch nie war. Auf neue Leute, neue Gesichter. Man passt sich dann einfach
den Gegebenheiten an. Wenn man zum
Beispiel in einem muslimischen Land
ist, in dem gerade Ramadan ist, dann
macht man eben mit. Das ist aber auch
kein großes Problem, daran kann man
sich gut gewöhnen. Einzig mit dem
Trinken muss man aufpassen. Vor allem in warmen Ländern verliert man
natürlich viel Flüssigkeit.
Profil: Was macht die KSPG-Division
Motorservice – bzw. Ihre Firma MSI –
Ihrer Meinung nach besonders? Was
können Sie einfach besser als andere?
Szopa: Ich denke, das Verhältnis zu
den Kunden ist schon wichtig. Das ist
manchmal wirklich freundschaftlich.
Da hat man einen viel direkteren Draht
zueinander, das prägt MSI. Jahrelange
Beziehungen insgesamt. Es wird sehr
honoriert, dass wir einen persönlichen
Kontakt zu den Kunden pflegen und
wirklich auch in entlegene Ecken eines
Landes kommen, in die sich niemals
ein Tourist verirren würde. Das ist für
die Menschen eine Ehre, dass jemand
aus Deutschland zu ihnen kommt und
sich um sie kümmert und ihnen Motorkenntnisse vermittelt. Viele Mitarbeiter
von Kfz-Werkstätten sind ja einfach
Schrauber, Tüftler ohne jegliche Ausbildung, die sich all ihr Wissen selbst
angeeignet haben. Die haben ja auch
nie die Gelegenheit, über die Materie
zu diskutieren, es sei denn, mit ihren
Kollegen, die oft auch nicht mehr wissen. Da kommt man sich manchmal vor
wie ein Lehrer. Aber meine Gastgeber
hören gut zu, sind wissbegierig und
wollen wirklich intensiv dazulernen.
Profil: Was ist den Kunden besonders wichtig? Gibt es da vielleicht Unterschiede je nach Land und Leuten?
Szopa: Das Teil muss ein „Original“
sein. Das ist für die meisten der Hauptpunkt. Vor allem, weil natürlich viele
Fälschungen im Umlauf sind. Da hilft
es auch, dass wir den Menschen zeigen, wie sie Originalteile von Fälschungen unterscheiden können. Wichtig ist
natürlich immer der Preis, aber zunehmend auch die Qualität. Die Kunden
wissen, dass sie mit uns sehr gute Qualität zu einem fairen Preis bekommen.
Profil: Welches Feedback erhalten
Sie von den Kunden bezüglich Ihrer
Produkte?
Szopa: Je weiter entfernt Sie von
Europa und den Industrienationen
sind, desto mehr konzentriert sich die
Kundennachfrage auf KolbenschmidtProdukte. Für viele Kunden, gerade
auch in arabischen Ländern, die ganz
andere Schriftzeichen benutzen, ist vor
allem das KS-Logo ein Zeichen, das sie
sofort wiedererkennen. Bei Pierburg ist
dieser Effekt weniger häufig, weil es
vielerorts (noch) keine Emissionsgesetze oder Abgasnormen gibt, und der
Bedarf an schadstoffreduzierenden
Teilen dementsprechend geringer ist.
In Israel ist Pierburg aber zum Beispiel
sehr bekannt und gefragt; dort haben
wir sogar einen Vortrag vor Vertretern
des Umweltministeriums gehalten.
Das Seminar hat, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, dazu beigetragen, strengere Emissionsgesetze in
Israel zu verabschieden.
Profil: Wofür schlägt denn Ihr Herz,
abgesehen von der Arbeit?
Szopa: Durch meinen Beruf ist das
Reisen nach wie vor meine große Leidenschaft. Ansonsten schlägt mein
Herz für Fußball und für meinen Garten. Ich habe riesige Bananenstauden,
auf die ich sehr stolz bin. Die Gartenarbeit entspannt. Das brauche ich,
immer ein bisschen zu schnipseln und
mich um meine Pflanzen zu kümmern.
Soweit es die Zeit zulässt, bin ich auch
noch als Fußballschiedsrichter aktiv.
Das
1
Spürfuchs
ABC
Der Fuchs ist schlau und schnell. Beide Attribute des legendären
Reineke treffen auch auf den vielseitigen und bewährten Transportpanzer gleichen Namens zu. Sein schlaues Konzept erlaubt zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten, und mit seinem leistungsfähigen
Fahrwerk (Antriebsformel 6x6) ist er nicht nur bis zu 100 Kilometer
pro Stunde schnell, sondern auch in schwerem Gelände äußerst
mobil. Bereits in den 1970er Jahren eingeführt, zählt der Radpanzer
Fuchs noch heute zu den zuverlässigsten „Arbeitstieren“ der Bundeswehr. Rund 900 Fahrzeuge in mehr als 30 verschiedenen Varianten (davon 16 Varianten 1A8) werden die deutschen Streitkräfte
weiter nutzen – ein großer Teil davon auf dem derzeit modernsten
Konstruktionsstand Fuchs 1A8. In dessen Design – unten zu sehen –
flossen die Erfahrungen aus den zahlreichen Auslandseinsätzen ein.
Dies äußert sich durch verstärktes Fahrgestell und Antriebsstrang,
höheres Schutzniveau, neues Staukastenkonzept sowie Integration
einer fernlenkbaren Waffenstation. Das alles steigert das Gewicht
zwar auf rund 20 Tonnen, aber an Agilität geht nichts verloren. Weltweit erlangte vor allem eine besondere Variante des Fuchses Berühmtheit: der zur Aufklärung atomarer, biologischer und chemischer
Kampfstoffe ausgelegte „ABC-Spürfuchs.“ 102 befinden sich im Bestand der deutschen ABC-Abwehrtruppe, davon bislang acht in der
1A8-Version. Großbritannien hat derzeit elf Spürfüchse im Bestand,
Norwegen nutzt sechs, ebenso die Niederlande, Saudi-Arabien zehn
und die Vereinigten Arabischen Emirate 32. Von Rheinmetall stammt
nicht nur das Trägerfahrzeug; vor allem für die umfassende Integration und Vernetzung der an Bord befindlichen Vielzahl unterschiedlichster Einzelsensoren zeichnet das wehrtechnische Systemhaus
verantwortlich. Einen Ausschnitt dessen, was alles dazugehören
kann, zeigt die Schnitt-Grafik auf der rechten Seite. Vier Mann bedienen in der Regel das System: Fahrer, Kommandant, Spürer 1 und
Spürer 2. Von Rheinmetalls Kompetenz im Bereich der ABC-Abwehr
(oder wie es heute neudeutsch heißt) CBRNE-Defence (Chemical, Biological, Radiological, Nuclear, Explosives) profitieren aber auch zivile
Einsatzkräfte. So setzt beispielsweise die Feuerwehr in NordrheinWestfalen zivile ABC-Spürfahrzeuge mit Rheinmetall-Technologie
ein. Der produktive „Fuchsbau“ befindet sich in Kassel: In den ehemaligen Henschel-Werken unterhält Rheinmetall MAN Military Vehicles bis heute alle notwendigen Voraussetzungen für Instandsetzung, Modernisierung – und Neufertigung von integrierten Systemen
inkl. der zugehörigen Trägerfahrzeuge! So konnte durch den Auftrag
der Vereinigten Arabischen Emirate aus dem Jahr 2005 zur Lieferung
von 32 modernen, vollintegrierten ABC-Spürsystemen das neue Trägerfahrzeug Fuchs 2 entwickelt werden. Der weitere Erfolg dieses
Produkts ist ein eindrucksvoller Beweis für die Richtigkeit dieser
Strategie. So laufen aktuell in der documenta-Stadt die ersten Exemplare für Algerien von den Bändern; das nordafrikanische Land wird
freilich demnächst die Endmontage seiner Fahrzeuge in eigens dafür
eingerichteten heimischen Produktionsstätten vornehmen.
jpw
2
3
4
5
6
7
1|
Doppelradspürgerät – zwei silikonummantelte Räder zur lückenlosen,
automatischen Erkennung sesshafter Kampf- und Gefahrstoffe am
Boden während der Fahrt
2|
Standoff-Infrarot-Detektor – er erkennt flüchtige chemische Gefahrstoffe in der Luft auf Entfernung
3|
„ABC-Heck“ mit u.a. Röhrenmagazin zum Probentransport,
Markerschleuse, Handschuhausgriff und Zange zur Probennahme
4|
Massenspektrometer (hinter dem
Bedienerplatz) zur chemischen
Analyse der gesammelten Proben
5|
Bedienerplatz mit der Rheinmetall-Software „NBC-Inspector“ –
das Herzstück des ABC-Rüstsatzes
6|
Zentrales Computersystem
7|
Fernbedienbare Waffenstation
FLW 200 – unter Schutz bedienbar, zur Selbstverteidigung
7
2
6
3
1
4
5
Auftritt zum
Jubiläum
viele
setzte
Akzente
Rheinmetall Defence auf der Eurosatory 2014 in Paris
jpw Paris. Geburtstag zweier Institutionen: Sowohl
der Eiffelturm als auch Rheinmetall feierten 2014 ihr
125-jähriges Jubiläum. Kein Wunder also, dass die Eurosatory 2014 als bedeutendste europäische Wehrtechnikmesse für Landsysteme zu einem Höhepunkt wurde.
1504 Aussteller aus 58 Staaten, 707 akkreditierte Journalisten, 55 770 Besucher, 172 offizielle Delegationen
aus 88 Staaten und von drei internationalen Organisationen – die internationale Fachmesse in Paris gehörte
2014 wieder einmal zu den Spitzenevents der Branche.
Rheinmetall setzte dabei alleine schon mit seinem
neuen Messestand Akzente: Über 1800 Quadratmeter
Grundfläche und zwei durch eine Brücke verbundene
zweigeschossige Pavillons boten viel Ausstellungsfläche; darüber hinaus sorgten sieben Besprechungsräume für einen repräsentativen Rahmen, um die vielen
Gäste aus aller Welt empfangen zu können. „Mehr als
130 Delegationen aus 54 Staaten hatten sich bereits im
Vorfeld angemeldet. Dazu kamen noch weitere überraschende Gäste, die wir ebenso gerne empfangen haben“, so Dr. Daniel Berger, der mit seinem Team in bewährter Professionalität die Standleitung wahrnahm.
Den Messebesuchern bot sich am Rheinmetall-Stand
ein Überblick über das umfangreiche Produktportfolio,
das die gesamte Wirkungskette „vom Sensor bis zum
Effektor“ abdeckte. Unter den dreizehn Großgeräten
auf dem Außengelände gab es gleich drei Premieren:
das geschützte Fahrzeug „Survivor R“, das Flugabwehrgeschütz „Oerlikon Revolver Gun Mk2“ sowie das
automatisierte Mörsersystem „Vingpos Mortar Weapon
Station“. Die besondere Stärke des Düsseldorfer Traditionsunternehmens ist es darüber hinaus, neue und bereits bewährte Produkte und Systeme zu schlagkräftigen
Gefechtsverbunden zu vernetzen. Dabei kann Rheinmetall sehr flexibel auf Kundenwünsche eingehen. Genau
dies zeigte das Unternehmen auf der Eurosatory unter
anderem am Beispiel von Soldatensystemen. Neben der
umfangreichen Produktpräsentation trug aber nicht
zuletzt die Leistung des Eurosatory-Teams aus allen
Rheinmetall-Bereichen zum Gelingen der Messe
bei. „Es ist immer wieder eine Freude, diesen ‚Rheinmetall-Teamgeist‘ zu sehen“, so
Dr. Berger zufrieden. Nicht zuletzt deshalb gehörte der Eurosatory-Auftritt
zu den Höhepunkten im Jubiläumsjahr von Rheinmetall.
Unter den 1504 Eurosatory-Ausstellern aus 58 Staaten war traditionell auch Rheinmetall-Defence. Zu den auf dem Pariser
Messegelände ausgestellten Großgeräten zählten der MBT Evolution, der Bergepanzer 3 Büffel und der Pionierpanzer Kodiak.
Fotos: Angela Blattner (25)/© scaliger – Fotolia.com
Weit über 130 hochrangige Delegationen aus aller Welt besuchten Rheinmetall an seinem repräsentativ gestalteten, mehr als 1800
Quadratmeter großen Messestand, der sich u.a. durch zwei mittels einer Brücke verbundene, zweigeschossige Pavillons auszeichnete.
Die „Hardware“ aus dem gesamten Defence-Bereich von Rheinmetall wurde zudem durch moderne interaktive Präsentationstechnik ergänzt – und natürlich standen die Mitarbeiter jederzeit bereit, dem Fachpublikum Rede und Antwort zu stehen.
Deutsches Reich
hält die Mehrheit N
1925 verliert Krupp seinen Einfluss auf Rheinmetall
Illustrationen: Dirk Oberländer
ach dem Ende des Ersten Weltkrieges hatten die Siegermächte, vor allem die Briten und die Franzosen, im Versailler
Vertrag festgelegt, dass deutsche Unternehmen nur noch
eine eng begrenzte Anzahl von Rüstungsgütern fertigten durften.
Interessanterweise wurden als Fertigungsstätten meist solche
ausgesucht, die in den Jahren bis 1918 die „Nummer 2“ bei ihren
jeweiligen Produkten gewesen waren. So erhielten z. B. auf dem
Gebiet der Handfeuerwaffen nicht die Mauser-Werke in Oberndorf
das „permit“, die Erlaubnis zur Fertigung, sondern deren kleinerer
Konkurrent, die Simson-Werke in Suhl. Und für den Bau der wenigen dem Reich erlaubten Geschütze wurde nicht der Essener
Krupp-Konzern zugelassen, sondern Rheinmetall in Düsseldorf.
Leben konnte das Düsseldorfer Unternehmen davon allerdings
nicht, genausowenig wie von dem verlustträchtigen Fertigungszweig Lokomotivbau, der anstelle der militärischen Produktion
aufgenommen worden war. Unruhen und Streiks, Auftragsannullierungen, weitreichende Zerstörungen von Einrichtungen durch
die Franzosen und Belgier, die zu Beginn der 1920er Jahre Teile
des Rheinlands und des Ruhrgebietes besetzt hielten, oder die
Hyperinflation hatten Rheinmetall bis 1925 an den Rand des Ruins
geführt. Nur durch Kapitalerhöhungen und die Ausgabe von An­
leihen konnte das Unternehmen aufrechterhalten werden – und
durch ein hohes Darlehen des Deutschen Reiches. Über dessen
Umwandlung in Gesellschafterkapital wurde von 1925 an, vor
nunmehr 90 Jahren, das Deutsche Reich Großaktionär bei
Rheinmetall. Seit 1928 besaß die reichseigene VIAG AG sogar
die Kapitalmehrheit. Warum stieg das Reich in dieser Zeit bei
Rheinmetall als Aktionär ein? Der Grund ist darin zu suchen, dass das Militär während der Weimarer
Republik mit teils schweigender, teils offener
Zustimmung der Regierung hinter dem Rücken der Alliierten Kontrollkommission eine
in Teilen illegale Aufrüstung plante. Nun
besaß Krupp allerdings seit 1909 die Mehrheit an Rheinmetall und damit weitreichenden Einfluss auf das Unternehmen, den
das Reich nunmehr selbst ausüben wollte.
Mit der Folge, dass Krupp herausgedrängt
wurde: Der Essener Konzern, mittlerweile
selbst wieder ein wichtiger Produzent von
Rüstungsgütern, zog sich nach und nach bei
Rheinmetall zurück. Die Reichsbeteiligung –
samt ihren unheilvollen Auswirkungen auf die
nachmalige Rheinmetall-Borsig AG während
des Dritten Reiches – blieb bis 1956 erhalten.
Die junge Bundesrepublik Deutschland ging
nach 1956 den umgekehrten Weg: Die Unternehmen, die zur Ausstattung des Bundeswehr
herangezogen wurden, sollten nicht im Besitz
des Bundes sein. So wechselte Rheinmetall
für fast ein halbes Jahrhundert in den mehr­
heitlichen Besitz der Röchling-Familie.
lb
Nitrochemie wird zivil
Mit dem ersten Konzept zur
„Herstellung ziviler Feinchemikalien“ wird 1965 die
Grundlage zur Herstellung
chemischer Zwischenprodukte bei der Nitrochemie
GmbH in Aschau gelegt.
1965
Geld auf’s Konto
1965 führt Rheinmetall
die bargeldlose Gehaltszahlung ein.
Tod von Alfred Pierburg
Der Pierburg-Gründer in
Neuss, Alfred Pierburg,
stirbt am 3. April 1975,
wenige Tage vor der Vollendung des 72. Lebensjahres.
1975
1905
1915
1935
Erste Gleitlager
Bei der Karl Schmidt GmbH
werden 1935 die ersten
Aluminium-Gleitlager hergestellt.
1985
Geschützproduktion startete vor 115 Jahren
Neue Hauptverwaltung
An der Ulmenstraße in
Düsseldorf lässt Rhein­
metall ein neues Haupt­
verwaltungsgebäude
­errichten.
Trennung von WMF
Rheinmetall trennt sich
nach einem erfolglos
durchgeführten Kartellverfahren von der Beteiligung
an der WMF AG.
Start für den „Wiesel“
Die Krupp MaK-Maschinenbau GmbH liefert 1990 den
ersten lufttransportfähigen, gepanzerten Waffenträger „Wiesel 1“ in den
Versionen TOW und MK20
an die Bundeswehr aus.
Neue Kolben für
Nutzfahrzeuge
Kolbenschmidt stellt 1985
einen neu entwickelten
Pendelschaftkolben, der
durch den Einsatz von
Eisenwerkstoffen mit entsprechend höherer Festigkeit eine Alternative zum
Aluminiumkolben darstellt,
für die Serieneinführung
in Nkw-Motoren zur Ver­
fügung.
1985
hielt nicht viel
von Rheinmetall
Frankreich als auch Großbritannien
über das Rohrrücklaufgeschütz verfügten, musste das Deutsche Reich
nachziehen. Und so kam es im Jahre
1904 zum ersten reichsdeutschen Geschützauftrag an Rheinmetall: die Umrüstung des starren Feldgeschützes
C/96 in ein Rohrrücklaufgeschütz, das
anschließend unter der Bezeichnung
C/96 n. A. (= neuere Art) im Heer eingeführt wurde.
In den folgenden Jahren wurde
Rheinmetall zu einem ernsthaften
Konkurrenten Krupps auf dem
Geschützsektor. Ob Flugabwehrkanonen, Feld- und Gebirgsgeschütze, Mörser, Festungs- oder
Belagerungsgeschütze – an der
Aufrüstung des Deutschen Reiches vor dem Ersten Weltkrieg war
Rheinmetall maßgeblich beteiligt.
Das führte soweit, dass Krupp glaubte
wissen zu müssen, was der Nachbar in
Düsseldorf machte. Über die Börse
kaufte Krupp heimlich RheinmetallAktien auf und erwarb dadurch bis
1909 die Mehrheit am Unternehmen. So gelang es den Krupp-Ingenieuren, Einblick in technische
Unterlagen zu erhalten. Das
Reich war nach 1918 nicht
glücklich über den Einfluss, den Krupp auf
Rheinmetall hatte –
und das führt uns
zur nächsten Geschichte auf
dieser
Seite.
lb
1990
B
edeutende Meilensteine in der
Unternehmensgeschichte Rheinmetalls waren gegen Ende des 19.
Jahrhunderts die Patente Heinrich Ehrhardts zur Herstellung nahtloser Rohre
für Patronen und Geschützrohre sowie
seine Beteiligung an der Entwicklung
des Rohrrücklaufgeschützes. Das
Deutsche Reich nutzte allerdings die
Technologie des langen Rohrrücklaufes nicht, denn bei der Heeres- und der
Marinetechnik war Kaiser Wilhelm II.
allzu sehr auf den Essener KruppKonzern und dessen starre Geschütze fixiert.
Deswegen lud Rheinmetall
ausländische Gäste aus Europa, den USA und sogar aus
China nach Unterlüß ein und
überzeugte einige von ihnen, z. B. die Militärs
aus Großbritannien,
Norwegen oder
den USA, von
der Qualität der
Geschütze. Auf
dieser Basis begann der Erfolg
von Rheinmetall:
Im Jahre 1900, vor
nunmehr 115 Jahren,
begann die Produktion von Geschützen einschließlich
der Geschützrohre.
Schließlich konnte
sich selbst der Kaiser der neuen Technik nicht verschließen. Angesichts der
Problematik, dass sowohl
Wilhelm II.
Beginn der Produktion
in Unterlüß
In Unterlüß wird die
Fabrikation von Geschützpatronen aufgenommen.
Täglich werden 2000 –
3000 Patronen gefertigt.
Kolbenschmidt in den USA
1990 gründet Kolbenschmidt in den USA mit der
Atsugi-Unisia Corp. ein
Gemeinschaftsunternehmen für Kolben. Im Oktober
startet im Werk Marinette
die Produktion.
GTK
Für das deutsch/französische Projekt „Gepanzerte
Transportfahrzeuge“ gründet Rheinmetall 1995 ein
Konsortium zwischen den
Firmen MaK System Gesellschaft mbH, Rheinmetall
Industrie GmbH, Wegmann
& Co. GmbH und KraussMaffai AG.
1995
geschichte(N ) 2 01 5
PzH 2000
Die Erprobung der Panzerhaubitze 2000 wird mit der
Erteilung der Einführungsgenehmigung 1995 erfolgreich abgeschlossen.
Protective Shield
Rheinmetall präsentiert im
Erprobungszentrum Unterlüß erstmals das Schutzsystem Protective Shield.
2005
14
Stiche
inklusive
Mit dem Bienen-Truck durch die USA
Trucker-Romantik mit einem kleinen Stachel: Richard Kussmaul
transportiert mit seiner Spedition „Busy Bee Transport“
Bienen quer durch Amerika. Stiche gehören zum Berufsalltag.
KSPG-Marketingexperte Paul Klapproth aus Auburn Hills
in Michigan hat den leidenschaftlichen Truckfahrer getroffen.
Ungefähr
vier Monate im
Jahr ist Rich im
Durchschnitt unterwegs.
Mehr als 100 000
Meilen
legt er dabei zurück, quer durchs Land,
von seinem Heimatort in der Nähe von
Ypsilanti, Michigan, geht es nach Wisconsin, Georgia oder Maine und bis nach
Kalifornien. „Zum Glück übernimmt Jayce
viele der Strecken für mich“, sagt der
Spediteur, der zwei Lkw besitzt. Die vielbeschworene Trucker-Romantik auf Amerikas Highways – für Rich ist sie immer noch
lebendig. Auch wenn die Fahrer mit immer
strengeren Vorschriften konfrontiert werden: mehr Papierkram, höhere Anforderungen an die Buchführung, Bilanzprüfungen, Fahrzeuginspektionen, Ruhezeiten,
Drogentests auf der Strecke. Allerdings
sind durch neue Technologien die Zeiten
auch sicherer und gemütlicher geworden:
Sitzheizung, Servolenkung, Klimaanlage
ßen wir nehmen
können, und wo der Verkehr gering sein wird“, erläutert Rich.
„Unterwegs benutzen wir ein spezielles
Radio, um immer auf dem neuesten Stand
der Verkehrsinformationen zu sein. Wenn
es einen Stau oder eine Baustelle gibt, suchen wir uns eine alternative Route, damit
wir zügig weiterfahren können.“ Regelmäßig inspiziert Rich seinen Lkw, um sicherzustellen, dass dieser in gutem Zustand
ist. Mit dieser wichtigen Vorsichtsmaßnahme minimiert er Ausfallzeiten. Für den
Ernstfall haben Vater und Sohn immer einen Vorrat an Gurten und Schläuchen dabei, um den Lkw selbst warten zu können.
Und sie informieren sich vor der Fahrt, wo
sich auf ihrer Strecke Service-Standpunkte befinden. Immer mit an Bord: eine Notfallausrüstung aus Feuerlöscher, ErsteHilfe-Kasten, Warndreieck, Warnwesten
und einen sogenannten EpiPen – ein Autoinjektor, der Adrenalin enthält und bei
einer Bienenstichallergie hilft.
Illustrationen: Dirk Meissner (2)/Fotos: Dwight Cendrowski (2)/shutterstock (1)
Auburn Hills. Richard Kussmaul hat einen Stich, manchmal sogar auch fünf oder
noch mehr. Der 51-jährige Amerikaner –
von Familie und Freunden schlicht Rich
genannt – vereinbart zwei Leidenschaften
zu einem ungewöhnlichen Beruf: Er transportiert Bienen mit dem Lkw. Regelmäßig holt Rich mit seiner Spedition „Busy
Bee Transport“ hunderte Bienenstöcke
ab. Er fährt sie zu Farmen oder Obstgärten – überall dorthin, wo Blüten bestäubt
werden sollen. Für den Trucker ist das keine große Sache. Seit mehr als 25 Jahren
macht er das schon. Unzählige Male wurde er bereits gestochen. „Ich habe schon
mehr Stiche abbekommen, als ich mich
erinnern kann“, erzählt der Bienenmann
lachend. „Erst neulich kam es während
des Verladens zu einem Unfall, 36 Stiche
waren die Folge.“ Rich nimmt es gelassen.
Normalerweise trägt er keinen Schutzanzug, wenn er mit den kleinen Tieren arbeitet. Die Bienen, die sich auf seine Arme
und Beine, sein Gesicht oder seinen Bart
setzen, wischt er lässig weg.
Rich liebt seinen Job: „Ich finde es großartig, auf diese Art den Lebensunterhalt
für mich und meine Familie zu verdienen.“
Gerne erinnert er sich an seine erste Zeit
im Bienenbusiness zurück. Richs Vater
war Imker. Bereits als Zwölfjähriger half
er ihm bei der Arbeit. „Ich bekam zehn
Dollar pro Stunde – damals viel Geld für
einen Jungen in meinem Alter!“, sagt Rich.
„In meiner Jugend habe ich mich zwar anund bequeme Schlafmöglichkeiten gederen Dingen zugewandt. Doch als mein
hören heute zur Grundausstattung. Sind
Vater im Jahr 1986 pensioniert wurde, trat Vater und Sohn gemeinsam unterwegs,
ich in seine Fußstapfen.“ Er kaufte sich
wechseln sie sich mit dem Fahren ab. In
einen Semi-Traktor mit Anhänger
ihrem Lkw ist ein Doppelbett einund half einem Freund, Biegebaut, auf dem sie sich
nen zu transportieren.
ausruhen können.
Die als
Dabei packte ihn die
Die richtige Plabesonders zuverlässig
Leidenschaft –
nung ist ausgeltenden Fahrzeuge des im Jahdie Firma „Busy
schlaggebend
re 1900 gegründeten US-Unternehmens
Bee
Transbeim BienenMack Trucks Inc. tragen eine Bulldogge als Emport“ war getranspor t.
blem. Angeblich rührt dies aus einem für ihre chaboren. Die
Bekommt
rakteristische Mack-Silhouette vergebenen SpitznaZulassung,
Rich einen
men her. Fakt ist jedenfalls, dass besonders die Medien
schwere
n e u e n
Trucks der Marke Mack lieben. Die Langstrecken-SchwerG ü t e r
Auf trag,
gewichtler der
fahren
muss er
amerikanischen
und verden AbHi g h ways haladen zu
lauf der
ben sich
zu Leindürfen,
Reise dewandhelden entwickelt und sind vielen Menschen nicht
hatte er
taillier t
zuletzt aus dem Kult-Film „Convoy“ in Erinnerung.
zuvor beim
festlegen
Mack gehört heute zu Volvo Truck und nutzt deren
US Marine
– den Tag
Motorenplattformen. Unter der formschönen
Corps erworder Abreise,
Mack-Haube vertrauen die Entwickler bei alben. Heute ist
die Uhrzeit der
len Euro 4- bis Euro 6-Motoren auf medas
Geschäft
Abholung
der
chanische variable Wasserpumpen
mit den Bienen ein
Bienen und die
sowie auf Ölpumpen „made
Familienbetrieb: SeiZeit, die er benötigt,
by Pierburg“.
ne Frau Patrice kümmert
um zum Bestimmungsort
sich um Planung und Buchfühzu gelangen. Bienen gelten als
rung, sein 23-jähriger Sohn Jayce begleitet
lebende Fracht; der Lkw muss die ganze
ihn bei den Transporten. „Selbst unser Jack Zeit fahren – sonst besteht die Gefahr,
Russel Terrier Cheyenne leistet uns bei den
dass sie sich überhitzen oder ersticken.
Fahrten Gesellschaft“, erzählt Rich.
„Wir überlegen vorher genau, welche Stra-
Mack Trucks
Sind Rich und Jayce am Abholort der
Bienen angekommen, dauert es mehrere
Stunden, bis der Lkw vollständig beladen
und alles mit Netzen befestigt ist. „Für
gewöhnlich befördern wir je 400 bis 500
palettierte Bienenstöcke zu einer Farm.
In jedem Stock befinden sich zwischen
30 000 und 60 000 Bienen – wir transportieren also ungefähr 20 Millionen
Bienen auf einmal“, zählt Rich auf. Wenn
die beiden ihr Ziel erreicht haben, kann
das Entladen ebenfalls mehrere Stunden
in Anspruch nehmen. Bienentransporte
sind das Hauptgeschäft der Kussmauls,
aber sie befördern nicht ausschließlich
die gelb-schwarz gestreiften Insekten:
Auf der Fahrt nach Hause holen sie häufig
noch Waren ab, die sie auf ihrer Route mittransportieren können. Zwischendurch
waschen die beiden ihren Lkw immer mal
wieder ausgiebig. „Ein sauberer, frisch
gewaschener Lkw hat bessere Chancen,
durch Wiegestationen und Inspektionen
zu kommen als ein schmutziger“, sagt
Rich. „Zum Glück nehmen sich Inspekteure nur widerwillig ein Fahrzeug vor, in welchem Millionen von Bienen transportiert werden.“ Was für Rich wohl der
schönste Teil seiner Arbeit ist? „Das
Land zu sehen! Es gibt
keinen besseren Blick,
als den durch das Fenster
eines Trucks“, sagt der amerikanische Bienenmann.
Fotos: Ariane Gehlert (14)/CADMANN
Das
Unternehmerstadt-Puzzle ist
perfekt: Mit dem Delta-D-Immobilienprojekt
wird derzeit die letzte Baulücke auf dem ehemaligen Rheinmetall-Areal im Norden der nordrheinwestfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf
geschlossen. Die Bauarbeiten im Stadtteil Derendorf starteten im März vergangenen Jahres; mittlerweile sind Grundsteinlegung und …..??? erfolgt, und das
rund 60 Millionen € teure Immobilienprojekt, in das die neue
Konzernzentrale der Rheinmetall AG integriert sein wird, nimmt
auch sicht- und greifbar Form an. Der Gebäudekomplex mit seinen beiden deltaförmigen Neubauten und dem als architektonisches Bindeglied fungierenden, rund 100 Jahre alten
und original wieder aufgebauten Backsteingebäude stellt eine spannende
Mischung aus alter und moderner Architektur dar – Tradition und Moderne in konstruktivem Mix. „Profil“-Fotografin Ariane Gehlert hat
den Baufortschritt von DeltaD in den zurückliegenden zwölf
Monaten mit der Kamera begleitet; ihre effektvoll inszenierten, immer wieder gezielt mit (Gegen)Licht spielenden Aufnahmen spiegeln eine emotional
ansprechende Ästhetik wider. Und zeigen
ganz nebenbei, wie – mit kreativen
Augen gesehen – aus einer „einfachen“ Baustelle ein durchaus künstlerisch gestaltetes Objekt werden kann.
rds
DELTA
D
Düsseldorf/Neuss/Neckarsulm. Etwa ein Zehntel aller Beschäftigten in Deutschland – vom
Geschäftsführer bis zum Mitarbeiter in der Fertigung – konsumieren regelmäßig Alkohol am
Arbeitsplatz. Mindestens fünf Prozent gelten als alkoholabhängig, weitere zehn Prozent sind –
so das Ergebnis einer Expertenbefragung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen – alkoholgefährdet. Auch die Zahl derjenigen, die von Medikamenten wie etwa Schmerz-, Schlafund Beruhigungsmitteln abhängig sind, hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Menschen, die suchtabhängig sind, sind oftmals häufiger krank als ihre Kollegen und
erbringen nur 75 Prozent ihrer durchschnittlichen Arbeitsleistung. Die KSPG-Firmengruppe,
der Unternehmensbereich Defence und die Holdinggesellschaft des Düsseldorfer RheinmetallKonzerns nehmen ihre Fürsorgepflicht als Arbeitgeber ernst. Im Jahr 2000 führte KSPG die
Betriebsvereinbarung „Sucht“ ein, um gesundheitsbewusstes Verhalten zu fördern und den
betroffenen Mitarbeitern Hilfe anzubieten. Im Mai 2014 hat der Unternehmensbereich Defence
eine Rahmenvereinbarung zum Gesundheitsmanagement abgeschlossen, die auch das Thema
Sucht-und Sozialberatung beinhaltet. Welche Tragweite sich hinter dieser Thematik verbirgt,
und wie Betroffenen zum Beispiel konkret geholfen werden kann, das und vieles mehr stellt
das „Profil“-Redaktionsteam auf dieser und den drei folgenden Seiten ausführlich vor.
Helfen statt
pflicht
nachkommen.
„Es ist von
entscheidender
Bedeutung, dass
die Führungskräfte wissen, wie man
auf die Verhaltensauffälligkeiten von Suchtkranken richtig reagiert.
Falsch verstandene RückAngebote für suchtgefährdete Mitarbeiter
sichtnahme ist an dieser
Stelle fatal, weil sie dem Betroffenen erlaubt, dem Problem
auszuweichen“, bekräftigt KSPGPersonalvorstand Peter-Sebastian
Krause, in Personalunion Generalbevollmächtigter der Rheinmetall AG.
Die Betriebsvereinbarung „Sucht“, die
die KSPG-Firmengruppe im Jahr 2000 eingeführt hat, regelt den Umgang mit der Problematik „Sucht am Arbeitsplatz“ und bestimmt das
Vorgehen mit Suchterkrankungsfällen: Unter anderem sind darin die Aufklärungsverantwortung
der Suchtkommission, Schulungsmaßnahmen
Mit
und Hilfsangebote aufgeführt. „Hilfe anzubiedem Griff
ten unter absoluter Schweigepflicht und mit der
zur Flasche
Sicherheit des Arbeitsplatzes ist unsere Kernoder zu Medikabotschaft an die betroffenen Mitarbeiter. Denn
menten versuchen
wir wollen die Gesundheit unserer Arbeitnehmer
Menschen, Probleme zu
nachhaltig erhalten“, skizziert Wolfgang Tretlösen. Nach Einnahme ist die
bar, Vorsitzender des Konzernbetriebsrates der
Welt scheinbar wieder in Ordnung.
Rheinmetall AG. „Mittelfristig sollte eine entspreDrogenkonsum verschafft eine zeitweichende Betriebsvereinbarung für die jeweiligen
se Leistungserhöhung, Angst- und SchmerzDefence-Geschäftsbereiche eingeführt werden:
freiheit, Entspannung oder seelische und körEine ‚Aufklärungsinitiative‘ ist sicherlich erforderperliche Grenzerfahrungen. Außerdem verhelfen
lich, um auch die Vorgesetzten ‚mitzunehmen‘.
Suchtmittel zu einer zeitweisen Flucht aus drüDenn die Umsetzung einer solchen Vereinbarung
ckender Realität. Greifen Frauen eher nach Mesteht und fällt mit den handelnden Personen.“
dikamenten in Erwartung einer entlastenden AbDie Suchtprävention ist im Rahmen des bei
grenzung gegenüber familiären Anforderungen
Rheinmetall europaweit geltenden betrieblichen
und um Trauer- und Angstgefühle zu dämpfen,
Gesundheitsmanagements eine der vier tragenneigen Männer eher zu einem übermäßigen Alden Säulen, die das System gemeinsam mit den
koholkonsum, um berufliche Belastungen und
Säulen Arbeits- und Gesundheitsschutz, BeSpannungen zu reduzieren. „Im Verhältnis sind
triebliches Eingliederungsmanagement und Gezwei Drittel unserer männlichen Patienten alkosundheitsförderung trägt. Die Idee, die dahinter
hol- und rund ein Drittel der Frauen medikamensteckt, ist, dass die einzelnen Säulen miteinantenabhängig. Die Medikamentensucht nimmt
der vernetzt sind. Krause: „So ist zum Beispiel
allerdings auch bei Männern zu“, stellt zum Beidas betriebliche Eingliederungsmanagement
spiel Dr. med. Peter Subkowski, Ärztedirektor
auch für Suchtkranke da, um sie nach Ausfallder Paracelsus-Berghofklinik in Bad Essen, fest.
phasen zu unterstützen.“
Für den Facharzt für psychosomatische Medizin
Suchtprävention bedeutet auch, frühzeitig
sind an der Entstehung einer Abhängigkeit von
Belastungen der Mitarbeiter zu erkennen. Sonja
einem Suchtstoff viele Faktoren beteiligt: „NeGronauer, Personalleiterin der Pierburg GmbH
ben einer genetischen Vorbelastung, sozialen
im Werk Niederrhein in Neuss, liegt der Erhalt
Beziehungen und biochemischen Auswirkungen
der Gesundheit der Betroffenen besonders am
der Droge ist die Suchtmittelabhängigkeit vor
Herzen: „An unserem Standort werden alle Mitallem auf die seelische Persönlichkeitsstruktur
arbeiter regelmäßig geschult. Dadurch werden
eines Menschen zurückzuführen.“ Unternehmen
insbesondere Führungskräfte in die Lage vertun sich häufig schwer im Umgang mit suchtmitsetzt, offen mit dem Thema umzugehen und
telgefährdeten Mitarbeitern. Vorgesetzte, Personicht zu tabuisieren.“ Zum Suchtpräventionsnalfachleute und Betriebsräte reagieren mitunter
programm zählt auch die vierwöchige berufsunsicher auf Mitarbeiter, die sich am Arbeitsplatz
begleitende Ausbildung der internen Sucht-und
auffällig im Zusammenhang mit Alkohol oder
Sozialberater, die seit dem Jahr 2000 nach und
Tabletten verhalten, krankheitsbedingt ausfalnach eingeführt wurde.
len und verminderte Arbeitsleistungen zeigen.
Für die Betroffenen sind die empathischen
Die natürliche Reaktion der Betroffenen ist, dass
Berater eine wichtige Vertrauensperson: Sie
sie ihre Probleme verleugnen und alles dafür tun,
begleiten die Mitarbeiter zu verschiedenen Anihren Suchtmittelmissbrauch zu verheimlichen.
laufstellen wie Suchtkliniken und Diakonien,
Dadurch wird das Problem verschleppt, der Bebieten moralische Unterstützung und betreuen
troffene bekommt die benötigte Hilfe nicht oder
Betroffene bei der Wiedereingliederung: „Hat
zu spät, und dem Unternehmen entstehen mitder Betroffene nach einer Therapie Schwierigunter hohe betriebswirtschaftliche Kosten.
keiten am Arbeitsplatz, versuchen wir ihn hier
Kollegen und Vorgesetzte sind keine Therapeuzu unterstützen und nach Lösungen zu suchen“,
ten, die eine Diagnose stellen können, ob ein Mitsagt Sabine Ziegler, die seit 2000 als Sucht- und
arbeiter ein Suchtmittelproblem hat. Sie können
Sozialberaterin bei der KSPG AG in Neckarsulm
den Betroffenen aber auf auffälliges Verhalten
arbeitet.
Annette Neumann
ansprechen und auf diese Weise ihrer Fürsorge-
kündigen
Konzernweite
Illustrationen: Dirk Oberländer
„Gesund führen
gilt als
erfolgreiche
Strategie.“
Profil: Und wie steht es mit der Arbeit der Sucht- und Sozialberater?
Krause: Vor allem die engagierte
Arbeit der internen Sucht- und Sozialberater hat viel Positives bewirkt: Diese haben über die Jahre hinweg eine
große Anzahl von Gesprächen geführt
und Hilfe geleistet. Wir konnten bisher
elf Sucht- und Sozialberater ausbilden,
weitere 15 befinden sich in der Ausbildung. Wir sind überzeugt, dass es
Sinn macht, das bei KSPG praktizierte
Suchtpräventions-Modell oder ein vergleichbares Modell für die Mitarbeiter
im gesamten Konzern zur Verfügung zu
stellen.
Profil: Wann soll die Übertragung
auf die Defence-Sparte und die Düsseldorfer Holding erfolgen?
Krause: Für die erfolgreiche Implementierung dieses Modells ist die
Akzeptanz durch Führungskräfte, Mitarbeiter und Arbeitnehmervertreter
von entscheidender Bedeutung. Wir
bereiten uns derzeit darauf vor, die
Gespräche mit allen Beteiligten aufzunehmen.
troffenen eine wichtige Rolle im Krankheitsverlauf und bei der Wiedereingliederung nach Ausfallphasen zu?
Krause: Im richtigen Umgang mit
dem Problem Sucht am Arbeitsplatz
hat der Vorgesetzte eine entscheidende Rolle. Typischerweise nimmt die
Führungskraft zuerst Verhaltensauffälligkeiten im Zusammenhang mit Sucht
wahr, auf die es richtig zu reagieren
gilt. Falsch verstandene Rücksichtnahme ist an dieser Stelle fatal, weil sie
dem Betroffenen erlaubt, dem Problem
auszuweichen. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Führungskräfte wissen, wie man auf die
Verhaltensauffälligkeiten von Suchtkranken richtig reagiert.
Profil: Die KSPG AG bietet bereits
Seminare für Führungskräfte zum Thema „Sucht“ an – wie ist die Resonanz?
Krause: KSPG-weit wurden alle Führungskräfte geschult. Die Sensibilisierung für dieses Thema konnten wir
damit weiter fördern. Besonders gut
kam an, das Thema nicht auf „Suchterkrankung“ zu beschränken, sondern
feld gestaltet sein, damit Sucht und
weitere gesundheitliche Schäden erst
gar nicht entstehen beziehungsweise
das Risiko dafür gemindert wird?
Krause: Aus unserer Erfahrung
entstehen die wenigsten Suchterkrankungen durch einen Faktor allein.
Deshalb ist es nicht realistisch zu glauben, über die Gestaltung des Arbeitsumfeldes jegliche Suchterkrankung
ausschließen oder ihr vorbeugen zu
können. Viele schwierige Lebenssituationen entstehen außerhalb der Firma
und des Arbeitsplatzes im privaten
Umfeld, werden aber von den Betroffenen mitgebracht. Wenn dann das
Arbeitsumfeld zusätzlich als belastend
empfunden wird, kann dies eine an
sich schon schwierige Situation weiter
verschärfen.
Profil: Wie setzen Sie an dieser
Stelle an?
Krause: Mit einem positiven Arbeitsklima, das unter anderem auch einen
offenen, respekt- und vertrauensvollen
Umgang miteinander voraussetzt. Ein
solches Arbeitsklima verursacht nicht
„Suchtprävention
ist ein
Gemeinschaftswerk“
„Profil“-Interview mit Peter-Sebastian Krause
Profil: Warum fördert Ihr Unternehmen die Gesundheit der Mitarbeiter?
Krause: Gesundheit ist nicht nur
ein hoher individueller Wert, sondern
auch von erheblicher Bedeutung für
den unternehmerischen Erfolg. Als Unternehmen brauchen wir Mitarbeiter,
die gesund und engagiert sind. Gleichzeitig sind die Anforderungen des
beruflichen und privaten Alltags gestiegen. Unsere Initiativen im Rahmen
des Gesundheitsmanagements sind
darauf ausgerichtet, gesundheitlichen
Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz
vorzubeugen und Anregungen für eine
gesunde Lebensführung zu geben.
Profil: Welche Bedeutung hat die
Suchtprävention in diesem Kontext?
Krause:
Die
Suchtprävention
ist eine der vier tragenden Säulen unseres „Hauses des Gesundheitsmanagements“. Arbeits- und
Gesundheitsschutz,
Betriebliches
Eingliederungsmanagement
(BEM)
und Gesundheitsförderung sind die
drei anderen Säulen, von denen das
System getragen wird. Die Basis für
das System bilden die Mitarbeiter,
und das Dach des Hauses ist der Lenkungskreis, der gemeinsam mit dem
Gesundheitskoordinator die systematische Umsetzung aller Maßnahmen
steuert und kontrolliert.
Profil: Sind die Säulen miteinander
verbunden?
Krause: Ja! Kein Haus kann nur auf
einer Säule stehen. Daher ist es wichtig, dass alle Säulen untereinander
verbunden beziehungsweise vernetzt
sind. So kann einerseits zum Beispiel
über Gesundheitsmaßnahmen Stress
reduziert und einer Sucht vorgebeugt
werden; andererseits ist das betriebliche Eingliederungsmanagement auch
für Suchtkranke da, um sie bei ihrer
Wiedereingliederung zu unterstützen.
Profil: Vor rund 15 Jahren führte
die KSPG AG bereits die betriebliche
Suchtprävention ein. Das sind rund
eineinhalb Jahrzehnte Praxiserfahrung – was hat diese Investition aus
Ihrer Sicht gebracht?
Krause: Anlass bei der KSPG AG war
eine aus persönlicher Erfahrung getriebene Initiative von Arbeitnehmern,
Personalverantwortlichen und Vertretern der Betriebskrankenkasse. Die
gemachten Erfahrungen haben unsere
Erwartungen positiv übertroffen.
Profil: Etwas konkreter bitte.
Krause: Mit dieser Investition haben wir glaubhaft machen können,
dass gerade beim Thema Sucht Maßnahmen realisiert werden können, die
dem betriebswirtschaftlichen Interesse an geringen krankheitsbedingten
ann Düsseldorf. Fragt man Peter-Sebastian Krause nach der Bedeutung der im betrieblichen
Gesundheitsmanagement verankerten Suchtprävention, wird seine Grundhaltung schnell
deutlich: „Menschen vor einer Suchterkrankung zu bewahren, sie in der Sucht zu begleiten
und bei der Reintegration in die Arbeitswelt zu unterstützen, ist eine wichtige betriebliche
Gesundheitsaufgabe.“ Die Rheinmetall AG nimmt ihre Fürsorgepflicht als Arbeitgeber von
weltweit rund 21.000 Mitarbeitern sehr ernst. Das zeigt unter anderem die seit Mitte 2012 sukzessive umgesetzte, europaweit geltende Rahmenvereinbarung zum Gesundheitsmanagement
des Konzerns: Mit Aktivitäten auf vier Gestaltungsfeldern – Arbeits-und Gesundheitsschutz,
Gesundheitsförderung, Suchtprävention und Re-Integration – soll die Gesundheit der Mitarbeiter erhalten und gefördert, die Arbeitszufriedenheit erhöht und ein gesundheitsgerechtes
Betriebsklima geschaffen werden. Die zum ganzheitlichen Gesundheitssystem gehörende
Suchtprävention, die sich bei der KSPG-Firmengruppe sehr bewährt hat, soll auf die DefenceSparte und die Konzern-Holding übertragen werden – vorausgesetzt, dies findet Unterstützung
und Akzeptanz bei den Arbeitnehmervertretungen und bei den Führungskräften. Zentrale
Fragen in diesem Gesamtkontext sind zum Beispiel: Was können der Einzelne und der Betrieb
zur Gesunderhaltung leisten, warum ist die Sucht-und Sozialarbeit ein wichtiger Erfolgsfaktor
bei der Vorbeugung und der Bewältigung einer Suchterkrankung, und inwiefern kommt den
Führungskräften eine Schlüsselrolle zu? „Das Profil“ sprach darüber mit Peter-Sebastian Krause,
der seit Jahresbeginn 2014 Generalbevollmächtigter der Rheinmetall AG und Mitglied des
Bereichsvorstands Defence mit der Zuständigkeit für Human Resources ist sowie seit Juli 2007
als Personalvorstand der in Neckarsulm ansässigen KSPG AG arbeitet. Der 1960 im schleswigholsteinischen Rendsburg geborene Jurist ist begeisterter Läufer und fährt sehr gerne Ski.
Ausfallkosten Rechnung tragen und
die gleichzeitig von den Betroffenen
als echte Hilfestellung wahrgenommen
werden. Nach meinem Eindruck rechnen es uns die Mitarbeiter und Führungskräfte hoch an, dass wir in Zeiten,
in denen das Thema Kostensenkung
höchste Priorität hat, in der Lage sind,
ein solches Angebot zu machen.
Sucht
kennt keine
sozialen
Schichten
Profil: Was verbinden Sie mit dieser
Philosophie?
Krause: Das Ziel, unsere Mitarbeiter positiv für unsere Unternehmung
einzunehmen und dabei gleichzeitig
einen wirkungsvollen Beitrag zur Reduzierung der negativen Effekte von
Sucht im Betrieb zu leisten. Wir sind sicher, dass der Krankenstand nicht zuletzt auch durch diese Maßnahme über
die zurückliegende Dekade nachhaltig
reduziert werden konnte.
Profil: Welche Rolle spielt die Suchtund Sozialarbeit bei der Suchtbewältigung?
Krause: Eine bedeutende Rolle! Ein
direkt Betroffener hat durch das Aufsuchen eines unserer Sucht- und Sozialberater die Chance, einen Ausstieg aus
einer als ausweglos empfundenen Situation zu finden, anstatt in der Suchterkrankung eine vermeintliche Lösung
zu suchen. Unsere internen Berater
sind aber nicht nur für den Suchtkranken oder -gefährdeten oftmals erste
und einzige Anlaufstelle, sondern stehen auch allen Mitarbeitern zur Verfügung, die Sucht – ob Alkoholabhängigkeit, Drogen- oder Spielsucht – in ihrem
persönlichen Umfeld, beispielsweise
bei Angehörigen, erleben müssen.
Profil: Wie können interne Suchtund Sozialberater gezielt unterstützen?
Krause: Betroffenen Menschen erscheint ihre eigene Situation zunächst
ausweglos. Oft reicht in dieser Situation schon, dass der Kontakt zu Institutionen eröffnet wird, die kompetent helfen können. Hier setzt unser Sucht- und
Sozialberatermodell an: Die Sucht- und
Sozialberater arbeiten auch im Betrieb,
das heißt beide Seiten kennen sich und
haben bereits Vertrauen gefasst. Außerdem macht das direkte persönliche Umfeld es für die Betroffenen viel einfacher,
sich bei Bedarf schnelle Hilfe zu holen.
Profil: Warum kommt aus Ihrer
Sicht dem Vorgesetzten des Be-
um die Felder „Umgang mit Konflikten“, „Work-Life-Balance“ und „Burnout“ zu erweitern. Darüber hinaus hat
die Schulung unseren Führungskräften
auch erlaubt, eine Einschätzung der sie
selbst treffenden Gesundheitsrisiken
vorzunehmen.
Profil: Gesund führen gilt als eine
erfolgreiche Strategie. Wie fördern Sie
diese Führungskompetenz?
Krause: Wir haben zum Beispiel
das Seminar „Gesundheitsorientiertes
Führen“ in unseren konzernweiten Entwicklungsprogrammen für Führungskräfte, wie beispielsweise dem „Executive Development program“ (EDP)
und dem „Young Manager program“
(YMP), als festen Bestandteil integriert.
Darüber hinaus bieten wir es auch im
Rheinmetall-Kolleg als Training für
alle interessierten Führungskräfte an. Wie man Belastungen
der Mitarbeiter erkennt und
damit umgeht, wie man
Gespräche führt und die
Leistungs- und Widerstandskraft (Resilienz)
der Mitarbeiter erhöhen kann, sind zum
Beispiel Themen.
Profil: Wie
muss aus Ihrer
Sicht das Um-
nur keinen weiteren negativen Stress,
sondern kann, wenn die Arbeit und
Leistung Spaß machen, sogar als entlastend empfunden werden. Wenn in
einer solchen Atmosphäre dann auch
das Angebot zur Hilfe – durch unsere
Sucht- und Sozialberater – angenommen wird, haben wir für die Betroffenen viel erreicht.
Profil: Wie lassen sich suchtpräventive Angebote mit bereits existierenden Programmen der betrieblichen
Gesundheitsförderung kombinieren?
Krause: Die betriebliche Gesundheitsförderung besteht unter anderem
aus Elementen wie gesunde Ernährung, Umgang mit Stress, RauchfreiSeminaren, Sportangeboten und einer
angestrebten Work-Life-Balance. Wir
sind der Überzeugung, dass unsere
Mitarbeiter – wenn sie sich in diesen
Feldern engagieren und auf ihre eigene physische und psychische Gesundheit achten – deutlich weniger Gefahr
laufen, in eine Suchterkrankung zu geraten.
„Die Sucht- und
Sozialarbeit spielt
bei der Bewältigung
der Krankheit eine
tragende Rolle.“
ann Bad Essen/Düsseldorf. Unter dem Motto
„Leben ohne Sucht“ therapiert die ParacelsusBerghofklinik Bad Essen – sie ist eine von rund
90 Einrichtungen dieser Art in Deutschland – seit
1977 alkohol-, medikamenten- und cannabisabhängige Männer und Frauen mit Hilfe einer so genannten Entwöhnungsbehandlung. Diese dauert
zwischen acht bis 15 Wochen. Der Entwöhnungsbehandlung geht in der Regel eine fünf-bis zehntägige Entgiftung voraus, die auf Einweisung des
Hausarztes im Krankenhaus stattfindet und ausschließlich der Linderung körperlicher Entzugserscheinungen, wie zum Beispiel Zittern oder
Schwitzen, dient.
Leben ohne
Sucht
Ziel der Entwöhnungsbehandlung, die immer in
Rehabilitationskliniken angeboten wird, ist es, die Betroffenen wieder fit für das
Arbeitsleben zu machen.
„Nach einer beruflich, familiär und persönlich konflikthaften Zeit können Patienten hier zunächst zur
Ruhe kommen und mit Hilfe
der intensiven Therapien
die Linien für das bevorstehende suchtmittelfreie
Leben legen“, sagt Dr. med.
Peter Subkowski, Ärztedirektor in der ParacelsusBerghofklinik in Bad Essen.
Neben den psychischen
Wirkungen und Schädigungen durch das jeweilige
Suchtmittel befasst man
sich in der Klinik auch mit den Entstehungsbedingungen, dem Verlauf und den Folgen der
Suchterkrankung. Subkowski: „Die meisten Patienten fragen sich, warum sie zu viel trinken oder
Medikamente nehmen. In der Therapie gehen die
Therapeuten dieser Frage nach. Frühe Lebensprägungen, Persönlichkeitsmerkmale, spätere
Lebenserfahrungen, aber auch die aktuelle Lebens-, Arbeits- und Beziehungssituation spielen
eine Rolle und können Auslöser für den Beginn einer Abhängigkeit sein.“
Der Wunsch, unangenehme Gefühle und schlechte Stimmung zu verändern, lässt Menschen zu Alkohol, Medikamenten oder Drogen greifen. Damit
geht es ihnen kurzfristig besser, hat
aber langfristig viele negative Folgen. In
der Therapie geht es darum, diese Entwicklungen bewusst zu machen. Neue
Erfahrungen ohne das Suchtmittel sollen
dadurch erlebt und eingeübt werden (le-
sen Sie dazu auch „Wir packen das Suchtproblem an
der Wurzel an“).
Ein erfahrenes Therapeutenteam kümmert sich
in Bad Essen um jeden
einzelnen Patienten: „Wir
stimmen das
Therapiekonzept
auf die jeweiligen Bedarfe
ab. Gruppentherapie, Einzelgespräche, Ergo- und
Kunsttherapie sowie Arbeits- und Sporttherapie
sind grundlegende Therapiefelder, die gute Voraussetzungen für den gewünschten Neustart in ein
suchtmittelfreies
Leben
bieten“, sagt Diplom-Pädagogin Anne Weikert, die für
Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist und zuvor viele Jahre als Therapeutin
gearbeitet hat.
Auch können indikative Zusatzangebote, wie
zum Beispiel Rückfallprophylaxe,
Umgang mit Angst oder soziales
Kompetenztraining die Betroffenen
dabei unterstützen, künftig mit Konflikten und Problemen auch am Arbeitsplatz konstruktiv umzugehen.
Angebote aus dem Bereich Ernährung, Bewegung und Entspannung
können eine suchtmittelfreie, gesunde Lebensweise unterstützen.
Weikert: „Hier findet also jeder
Patient nach individueller Therapieplanung das Richtige.“ Zusammengehalten wird das Ganze durch den
jeweiligen Bezugstherapeuten, der
als Ansprechpartner begleitet, unterstützt und manchmal auch konfrontiert: „Therapie läuft ja nicht im-
mer reibungslos. Die Auseinandersetzung mit der
Vergangenheit kann wehtun. Wenn Suchtdruck
entsteht, der Lebenspartner sich trennen will, finanzielle Probleme drücken oder die Kündigung
ins Haus flattert, können Patienten in Krisen
geraten“, weiß die 59-jährige, die seit 22 Jahren
in der Klinik arbeitet. Hier kann der Bezugstherapeut helfen, indem er da ist, zuhört und Hinweise und Hilfestellungen zum Umgang mit den
Problemen gibt. Er arbeitet mit den Therapeuten
der anderen Bereiche, zum Beispiel Ergo- und
Sporttherapeuten, eng zusammen. Regelmäßig
finden Besprechungen und Supervisionen statt.
Hier werden Eindrücke, Entwicklungen und der
jeweilige Stand der Therapie des einzelnen Patienten zusammengetragen und Therapieziele
modifiziert.
Gegen Ende der Entwöhnungsbehandlung
geht es darum, auf die Zeit danach vorzubereiten. Besuch der Arbeitsstelle während einer
Heimfahrt, Gespräche mit Vorgesetzten oder Kollegen sowie die Anbindung an die Betriebliche
Sozialberatung, die Nachsorge in der Suchtberatungsstelle und der Selbsthilfegruppenbesuch
bilden wichtige Bausteine zur Stabilisierung der
Abstinenz.
Hamm.
Für suchtkranke Menschen
steht ein bedarfsgerechtes Angebot
an Therapieplätzen zur Verfügung. Rund 90
Kliniken in Deutschland haben sich auf Suchtkrankann Bad Essen/Düsseldorf. Arbeit und Alkohol passen nicht zusammen. Leistungsabfall, Fehler in der Produktion,
heiten spezialisiert und bieten medizinische und psychoZoff unter Kollegen und hohe Fehlzeiten kosten viel Geld. Daher kann es sich für Unternehmen lohnen, im Rahmen
logische Betreuung für die Akutsituation und die Rehabilitation
des Gesundheitsmanagements in die innerbetriebliche Beratung zu investieren. Das ist auch im Sinne der Rentenveran. Das Angebot der Suchtkliniken wird durch bundesweit aktive
sicherungsträger: Sie übernehmen die Kosten für die Entwöhnungsbehandlung und beauftragen die Kliniken mit der
Einrichtungen und Dienste ergänzt, die zur persönlichen, sozialen
Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit. Um diese Ziele zu erreichen, arbeiten die betrieblichen Sucht- und Sozialbeund beruflichen Stabilisierung und Wiedereingliederung beitragen könrater des Rheinmetall-Konzerns unter anderem eng mit den Therapeuten der Paracelsus-Berghofklinik zusammen. So
nen. Die Interessen dieser Einrichtungen werden von der im westfälischen
ist im Laufe der Jahre ein Kompetenznetzwerk entstanden, auf das die Sucht- und Sozialberater, aber auch die FühHamm ansässigen Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) gebündelt.
rungskräfte bei Rheinmetall in Form von Schulungen und Einzelfallberatungen zurückgreifen können. Den kranken
Ihr
Hauptanliegen ist es, sich
Betroffenen kommt das zugute. Nach dem Motto „Gewusst wie“ kann ihnen so direkter und schneller geholfen werder Behandlung,
Versorgung und
den. Ob ein Mensch suchtabhängig wird, kann verschiedene Ursachen haben. Neben einer genetischen Vorbelastung
Beratung
suchtkranker Menschen
zu widmen. In der
E inr icht ung s da spielen Umweltfaktoren und die chemische Wirkung eines Rauschmittels eine Rolle. Für Dr. med. Peter Subkowski,
tenbank der DHS
(w w w.dhs.de)
Ärztedirektor der Paracelsus-Berghofklinik in Bad Essen, ist die Abhängigkeit von einem Suchtstoff wie Alkohol oder
fi
nden
Betroffene
Informationen zu
Medikamenten primär auf die seelische Persönlichkeitsstruktur eines Menschen zurückzuführen. „Das Profil“ sprach
den ambulanten
und stationären
mit dem 58-jährigen Facharzt für psychosomatische Medizin über die Entstehung der Sucht, die EntwöhnungsbeSuchthilfeeinrichtungen. Wer sich in seiner Region zu bestimmten Fragen im
handlung zur Aufarbeitung von Belastungen und Therapieangebote zur beruflichen Wiedereingliederung.
Bereich Sucht beraten lassen möchte, findet auf der Homepage Adressen
der Mitgliedsverbände mit Ansprechpartnern. Psychologen, Pädagogen
oder Mediziner können im Rehabilitationsprozess helfen, soziale ProbErwachsenenalter für
leme zu bewältigen, zum Beispiel die Reintegration am Arbeitsplatz,
Sucht anfällig werden;
Beziehungs- oder Schuldenprobleme. Eine gute Möglichkeit,
er
das Suchtmittel wird in
Rückfällen vorzubeugen und sich mit anderen Betroffenen
solchen Fällen auch als Beauszutauschen, bieten Selbsthilfegruppen. Links zu
z u m
lohnung eingesetzt.
den Anonymen Alkoholikern oder dem BlauBeispiel
Profil: Was hilft, um das
en Kreuz finden sich ebenfalls auf
reflektieren
Suchtproblem in den Griff zu beder Homepage der DHS.
sollte, wie er
kommen?
seine Arbeit anders
Subkowski: Ein Schwerpunkt unseres
strukturieren und wie es
Behandlungsansatzes ist die Entwöhnungsbeihm gelingen kann, Aufgaben besser zu delegiehandlung. Wir verfolgen hier einen psychotheraren und Verantwortung abzugeben. Im Einzelgepeutischen Ansatz: Unsere Therapeuten arbeiten
spräch kann der Betroffene gemeinsam mit dem
ganz gezielt mit dem Patienten nicht nur aktuelle
Therapeuten über solche Lösungsstrategien spreProbleme, sondern insbesondere länger zurückchen. Unser Anliegen ist es, den Patienten darin
liegende Belastungen auf. Es geht darum, sich
zu unterstützen, sich psychisch weiterzuentwidas eigene Suchtverhalten bewusst zu machen
und zu erkennen, welche Funktion das SuchtmitÄrztedirektor Dr. med. Peter Subkowski von der Paracelsus-Berghofklinik tel hat, also ob es zum Beispiel als Mittel einge- ckeln.
Profil: Was bringt die Gruppenpsychotherapie?
setzt wird, um Konflikte auszuhalten oder ÜberSubkowski: Zunächst teilen wir den Patienten
lastungen auszugleichen.
Profil: Wie entsteht Sucht?
einer Bezugsgruppe zu, die von seiner psychiProfil: Warum ist diese Bewusstmachung der
Subkowski: Eine stoffliche Suchterkrankung
schen Struktur und seinem beruflichen Umfeld zu
Sucht wichtig?
wird von vielfältigen Ursachen bestimmt. Hierbei
den jeweils anderen Patienten passt. Wir haben
Subkowski: Nur so kann der Patient andere
verflechten und beeinflussen sich unter anderem
zum Beispiel eine Bezugsgruppe für Polizisten
Bewältigungsmechanismen für seine Probleme
die individuelle Persönlichkeitsstruktur, geneund Rettungskräfte, die häufig traumatische Erfinden. Im Fall der Überbelastung heißt das, dass
tische Vorbelastungen, aktuelle und vergangefahrungen gemacht haben. Unter Anleitung eines
ne soziale Beziehungen sowie biochemische
Gruppentherapeuten kann sich die Gruppe über
Auswirkungen der Droge gegenseitig. Auch Entihre Erfahrungen austauschen, gemeinsam Belaswicklungs- und Reifungsprozesse in der Kindheit
tungen aufarbeiten und schließlich verarbeiten.
spielen eine wichtige Rolle in Bezug darauf, wie
Profil: Wie unterstützen Sie bei der (beruflijemand als Erwachsener Probleme bewältigen
chen) Reintegration?
kann.
Subkowski: In der letzten Phase der EntProfil: Können Sie dafür ein Beispiel geben?
wöhnungsbehandlung wird der Patient von uns
Subkowski: Ist ein Kind zum Beispiel ohne bemotiviert, eine Suchtberatungsstelle zwecks
ziehungsweise mit einer häufig abwesenden MutNachsorge aufzusuchen und Kontakt zu einer
Die
Störung
der
ter oder Vater aufgewachsen, fehlt eine Identifiwohnortnahen Selbsthilfegruppe aufzubauen.
kationsfigur beziehungsweise ein Vorbild, wie
Persönlichkeit Um einen Rückfall in die Sucht zu vermeiden und
man mit Belastungen umgeht. Die Bewältidauerhaft abstinent zu bleiben, sind neben der
ist der Boden, Anpassung der Lebens- und Arbeitsgewohnheigung von Problemen ist jedoch ein wichtiger Bestandteil für gelungene psychiim Bedarfsfall auch anschließende ambulante
auf dem Sucht ten
sche Reifungsprozesse. Auch eine harte,
Psychotherapien, zum Beispiel Paar- oder Famikalte Kindheit kann süchtiges Verhalten
lientherapien, ratsam. Denn auch im näheren
wächst.
begünstigen. Wer als Kind wenig BeUmfeld des Patienten hat die Sucht Spuren hinstätigung und Liebe bekommt, kann im
terlassen.
Angebote für
Suchtkranke
„Wir packen das
Suchtproblem
an der Wurzel an“
Profil: Herr Trierweiler, wie verstehen Sie Ihre Rolle als Sucht- und Sozialberater?
Trierweiler: Ich sehe mich als Begleiter im gesamten Prozess und als
Vertrauensperson, denn als Suchtund Sozialberater unterliegen wir der
Schweigepflicht. Wir wollen und können den Betroffenen umfangreiche Hilfestellungen geben. Das fängt mit motivierenden Gesprächen an, mit dem
Ziel, dass der
Betrof fene
Einsicht
für sein
Pro-
für den Betroffenen und dessen Angehörige.
Profil: Wie sollten sich Ihrer Meinung nach Vorgesetzte und Kollegen
bestenfalls verhalten?
Trierweiler: Wichtig ist, dass der
Verdacht auf eine Suchterkrankung in
einem möglichst frühen Stadium angesprochen wird. Weggucken verschärft
das Problem. Wenn man wissentlich
den Alkoholkonsum des Mitarbeiters
toleriert und seine Fürsorgepflicht
bewusst oder unbewusst zur Seite
schiebt, spricht man auch von Co-Abhängigkeit.
Profil: Wie lässt sich Co-Abhängigkeit verhindern?
Trierweiler: Wir haben bisher rund
300 Mitarbeiter und zirka 150 bis 180
Vorgesetzte in so genannten Lernstätten zum Thema Prävention und CoAbhängigkeit geschult. Das bedeutet,
dass wir sie darüber aufgeklärt ha-
dass die Angelegenheit vertraulich
behandelt wird. Das Gespräch sollte
möglichst kollegial ablaufen, das heißt,
der Vorgesetzte sollte seinen Mitarbeiter nicht anschuldigen, sondern
möglichst offen kommunizieren, dass
er sich Sorgen macht, und gleichzeitig
betonen, dass er ihn wertschätzt und
nicht verlieren möchte.
Profil: Was passiert, wenn nach
dem ersten Gespräch nicht der gewünschte Erfolg eintritt?
Trierweiler: In diesem Fall gibt es ein
weiteres Gespräch zwischen Mitarbeiter
und Vorgesetztem sowie möglichst einer Vertrauensperson, zum Beispiel einem Sucht- und Sozialberater des Konzerns. In diesem Gespräch bieten wir
konkret Hilfe an und informieren zum
Beispiel über Selbsthilfegruppen, Fachärzte oder Therapiekliniken. In diesem
Gespräch klären wir auch über mögliche Konsequenzen, also den Arbeits-
Profil: Worauf führen Sie dieses
gute Ergebnis zurück?
Trierweiler: Wir kümmern uns darum, dass der Betroffene nach einer
Therapie eine vernünftige Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag erhält.
Entsprechend des Empfehlungsschreibens der jeweiligen Therapieklinik legt
die Personalabteilung in Abstimmung
mit dem Werksarzt fest, wie viele Stunden der Betroffene täglich arbeiten
soll. Wichtig ist, dass er noch nicht voll
belastet wird, also zum Beispiel zunächst „nur“ halbe Tage arbeitet. Der
Vorgesetzte sollte als Ansprechpartner
für den Betroffenen und die Kollegen
zur Verfügung stehen und möglichst
normal mit dem Mitarbeiter umgehen;
schließlich will er keinen Sonderstatus
haben.
Profil: Welche Pläne haben Sie für
die Zukunft?
Trierweiler: Wir wollen vor allem
Weggucken
verschärft das
Problem
Interview mit Sucht- und Sozialberater Josef Trierweiler
Gut ein Viertel der
bundesdeutschen
Bevölkerung steht
an der Schwelle zum
Alkoholismus oder
ist alkoholkrank.
ann Neuss. Josef Trierweiler arbeitet seit dem Jahr 2000 als Sucht- und Sozialberater
bei der Pierburg GmbH in Neuss. Der 60-Jährige (2.10.1954) ausgebildete Kfz-Mechaniker
ist seit 40 Jahren für das Unternehmen tätig. Er betreut und begleitet Suchtkranke und
Mitarbeiter mit psychischen Erkrankungen, zum Beispiel Burn Out. Außerdem schult er Vorgesetzte, Mitarbeiter und darunter insbesondere Auszubildende flächendeckend an allen Automotive-Standorten des Rheinmetall-Konzerns zum Thema Prävention und Sensibilisierung für Suchterkrankungen. Für Josef Trierweiler ist seine Tätigkeit nicht nur ein Job, sondern eine Lebensaufgabe.
blem zeigt und sein Verhalten ändern will. Auf Wunsch stellen wir den
Kontakt zu Kliniken her. Weil wir gute
Kontakte zu den dortigen Ansprechpartnern haben, gelingt es uns in vielen Fällen, schon in wenigen Wochen
einen Therapieplatz zu vereinbaren.
Im Normalfall beträgt die Wartezeit für
eine Therapie ungefähr sechs Monate.
Profil: Wie gehen die Beteiligten
mit der Suchterkrankung um?
Trierweiler: Meine Erfahrung ist,
dass die Mitarbeiter, die im Zusammenhang mit Suchtmitteln auffallen,
ihre Probleme zunächst verleugnen
und alles dafür tun, den Suchtmittelmissbrauch zu verheimlichen. Den Vorgesetzten fällt es schwer, das Problem
anzusprechen, und die Kollegen haben
häufig Mitleid. Dieses Mitleid ist kontraproduktiv, es verlängert nur die Qual
ann Werl. Nach erfolgreicher stationärer Therapie haben suchtkranke Menschen einen großen Schritt zur dauerhaften Abstinenz geleistet.
Gestärkt und motiviert streben sie nun notwendige Veränderungen im privaten und beruflichen
Umfeld an. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass
gerade in den ersten Monaten nach einer Behandlung die Gefahr eines Rückfalls besonders
hoch ist. Der Nachsorge und dem Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten kommt daher eine
wichtige Bedeutung zu.
Im Laufe der Therapie hat sich der Betroffene
intensiv mit seinem eigenen Verhalten auseinandergesetzt und viele Anregungen bekommen,
wie er sein Verhalten zugunsten eines stressfreieren und glücklicheren Lebens verändern kann.
Was theoretisch erlernt wurde, gilt es nun in der
Praxis einzuüben. „Genau hier setzen wir an und
unterstützen den Betroffenen dabei, angestrebte
Ziele schrittweise umzusetzen“, sagt Suchtberater Rolf Biermann von der Diakonie Ruhr-Hellweg
e.V. in Werl, die sich – beispielhaft für zahlreiche
Einrichtungen dieser Art in Deutschland – als
eine auf Suchtfragen spezialisierte Institution für
die persönliche, soziale und berufliche Stabilisierung und Wiedereingliederung von Suchtkranken
engagiert.
Der 59-jährige Diplom-Sozialarbeiter weiß aus
langjähriger Erfahrung, dass die Umstellung von
der zuvor erlebten „ich-bezogenen“ Zeit in das
„alte“ Umfeld nicht konfliktfrei abläuft: „Viele,
die zu uns kommen, sind in dieser Phase voller
Tatendrang und wollen alles, was sie neu gelernt haben, sofort umsetzen. Das funktioniert
ben, wie sie im Falle eines Verdachtes
auf Abhängigkeit mit dem Betroffenen umgehen sollen, welche Schritte
eingeleitet werden müssen, um dem
Betroffenen aus seiner abhängigen
Situation herauszuhelfen. Im Idealfall
sprechen wir auch mit den Partnern
oder Freunden; dieses Gespräch ist
häufig für alle Beteiligten sehr wertvoll
und nachhaltig.
Profil: Ein sensibles Thema zu kommunizieren, fällt Führungskräften oft
schwer. Wie bereiten Sie auf solche
Konfliktgespräche vor?
Trierweiler: Wichtig ist, dass der
Vorgesetzte unmittelbar dann, wenn
er das Problem erkennt, auf seinen
Mitarbeiter zugeht und ihn auf das
Suchtverhalten anspricht. Wichtig bei
diesem ersten Gespräch unter vier Augen ist das Signal an den Mitarbeiter,
Stark
für
andere
in der Realität jedoch selten und kann zu weiteren Belastungen führen. Auch kann dieses
Verhalten Probleme mit Bezugspersonen nach
sich ziehen; viele Partner wissen nicht, wie sie
mit dieser ‚neuen Persönlichkeit‘ umgehen sollen.“ In Einzel- und Paargesprächen reflektieren
die Suchtberater der Diakonie gemeinsam mit
ihren Klienten, welche Veränderungen Priorität
haben, welche nachstehenden Ziele in welchen
Zeitabständen angegangen werden sollten, und
wie der Partner und weitere Familienangehörige
unterstützen können.
Wurden psychische Belastungen zum Beispiel
im beruflichen Umfeld erlebt, sollte der Betroffene nun anstreben, Barrieren zu überwinden und
Probleme anzusprechen: „War er zum Beispiel
mit dem Arbeitsvolumen überfordert, geht es darum, mit dem Vorgesetzten offen über die Über-
platzverlust, auf. Meine Erfahrung zeigt,
dass die Mitarbeiter spätestens jetzt der
Realität ins Auge sehen und bereit sind,
ernsthaft an ihrer Krankheit zu arbeiten
und die Hilfsangebote anzunehmen.
Profil: Wie geht das Verfahren dann
weiter?
Trierweiler: In diesen Fällen können
wir dem Mitarbeiter durch unsere Angebote, wie z.B. der Vermittlung eines
Therapieplatzes, helfen, und es kommt
zu keinen weiteren Verhaltensauffälligkeiten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass
in rund 80 bis 90 Prozent aller Fälle die
Kündigung nicht angedroht werden
muss. Und dass ein Mitarbeiter das
Problem überhaupt nicht in den Griff
bekommen hat und das Unternehmen
verlassen musste, ist zum Glück in unserem Unternehmen bisher noch nie
vorgekommen.
forderung zu sprechen und sich dafür einzusetzen, dass Aufgaben anders verteilt werden. Wir
führen im Bedarfsfall auch Gespräche mit Vorgesetzten und stellen dabei fest, dass sich manche
der enormen Belastungen ihres Mitarbeiters zu
wenig bewusst und dankbar für unsere Anregungen sind“, sagt Biermann. Der Sozialarbeiter
wünscht sich einen noch stärkeren Austausch
mit Vorgesetzten in Unternehmen, um die positive Entwicklung des Betroffenen weiter zu
stabilisieren und Rückfällen vorzubeugen.
Die Diakonie arbeitet wie viele andere
Einrichtungen auch mit so genannten Suchtselbsthilfegruppen zusammen, die von
Selbstbetroffenen in Eigenregie ohne anwesende Mitarbeiter der Diakonie geleitet werden.
Für die Betroffenen ist der regelmäßige Austausch in der Gruppe ein wichtiger Bestandteil der Nachsorge: „In der Gruppe
kann jeder etwas beitragen;
unabhängig davon, ob
jemand seit 25 Jahren
‚trocken‘ ist oder
erst seit ein
paar Wochen
nicht mehr
trinkt. Es
geht vor
allem darum, von
den Erfahrungen
der anderen zu ler-
Jugendliche in der Ausbildung für das
Thema „Sucht“ sensibilisieren. Mit
den Azubis des 1. Lehrjahres absolvieren wir heute schon ein zweitägiges
Präventionsseminar, zu dem auch der
Besuch einer Klinik für suchtkranke Jugendliche gehört. Im Übrigen finde ich
es gut, dass grundsätzlich alle neuen
Mitarbeiter (in der Fertigung am Standort Neuss) zu den Themen „Co-Abhängigkeit“ und „Umgang mit Alkohol am
Arbeitsplatz“ geschult werden.
Profil: Was bedeutet Ihnen Ihre Arbeit?
Trierweiler: Für mich ist es nicht einfach nur ein Job, sondern eine Lebensaufgabe. Auch wenn ich gelegentlich
an meine Grenzen komme, empfinde
ich es als großes Privileg, Kolleginnen
und Kollegen, die ein Problem haben,
im Namen der Firma helfen zu können.
nen und sich gegenseitig in der Abstinenz zu unterstützen“, sagt der Suchtberater und ergänzt:
„Obwohl Alkoholismus eine vom Gesetz her anerkannte Krankheit ist, ist sie für die Betroffenen
oftmals mit Scham besetzt. Wenn wir als Prozessbegleiter zur dauerhaften
Abstinenz unserer Klienten beitragen können,
haben wir unser Ziel
erreicht. Überwindet der Einzelne
die Sucht, ist das
vor allem sein Erfolg.“