Automatisches Kleben von Wandfliesen auf
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Automatisches Kleben von Wandfliesen auf
Automatisches Kleben von Wandfliesen auf Mustertafeln Quelle: Das Magazin für Führungskräfte Ausgabe 6/7-2004 10 BETRIEBSTECHNIK Österreich Pionierarbeit Üblicherweise stellen Produzenten keramischer Wandfliesen ihre Mustertafeln zur Präsentation beim Händler manuell zusammen. Bei Engers Keramik übernimmt neuerdings ein Roboter diese Aufgabe. in eine Fertigungszelle integriert produziert er Mustertafeln in verschiedensten Varianten, und zwar acht Mal schneller als in Handarbeit Der Sechsachs-Roboter steuert den gesamten Prozess, daneben beinhaltet die Anlage Magazine für die Fliesen, eine Heißleim- und SilikonSpendeeinrichtung, ein Transportband und zwei Hub-und Senktische Die Mustertafeln sind präzise zu fertigen, da sie das Produktspektrum des Fliesenherstellers beim Händler präsentieren. Die Engers Keramik GmbH & Co. KG, Neuwied, stellt keramische Wandfliesen her und bedient sowohl Fachhandel als auch Baustoffmarkt. Das seit 1911 bestehende Unternehmen hat mittlerweile 145 Beschäftigte und sieht seine Konkurrenzsituation eher gelassen: „Wir bedienen Marktnischen, in denen wir sehr gut leben können", so Wilfried Ower, Mitglied der Geschäftsleitung. Im Gegensatz zu manchem Konkurrenten sind die Produkte des Anbieters nämlich stark designorientiert und finden so trotz schlechter Baukonjunktur gute Resonanz im Markt. Zur Präsentation des Produktspektrums beim Händler dienen Mustertafeln, das sind MDF-Platten, die in verschiedenen Designs mit den Fliesen beklebt sind. „Wir fertigen etwa 80.000 bis 90.000 solcher Tafeln in unterschiedlichen Größen im Jahr", so Ower. „Vor etwa zwei Jahren haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir die manuelle Fertigung dieser Mustertafeln automatisieren könnten. Auslöser war für mich ein Roboter, der bei Mercedes Benz Windschutzscheiben verklebt. Als ich diesen Roboter sah, kam ich auf die Idee, dass es auch möglich sein müsste, auf ähnliche Art und Weise Fliesen auf dafür vorgesehene Tafeln zu kleben." Damals klebten Arbeiter die Fliesen einzeln per Hand und mit Hilfe von Distanzstücken auf die Tafeln, was einerseits gängige Praxis bei Fliesenherstellern ist, andererseits aber sehr aufwändig ist. Die Mitarbeiter mussten die Tafeln dazu von Hand stapeln, an einem entsprechenden Arbeitsplatz entnehmen und positionieren, mit den Fliesen bestücken und wieder abtransportieren. „Ein geübter Mitarbeiter kann etwa 50 solcher Tafeln am Tag kleben, heute erledigt diese Aufgabe der Roboter in einer Stunde", so Ower, Autonomer Roboter Die Anlage besteht aus einem zentral angeordneten Industrieroboter, einer Peripherie aus sieben Magazinen sowie einer Heißleim- und Silikon-Spendeeinrichtung. Ein Transportband mit zwei Hub- und Senktischen dient zum Transport und zur Ablage der leeren und fertig beklebten Tafeln. Als Roboter kommt ein RX 130 L von Stäubli zum Einsatz. Der leistungsfähige Sechsachser ist einerseits von der Reichweite und der hohen Präzision her für die Anwendung geeignet, andererseits ermöglicht die voll verkleidete Ausführung einen sicheren Betrieb des Roboters. „Der Roboter steuert die gesamte Anlage", so Klaus Radke, Geschäftsführer der Klaus Radke Industrietechnik GmbH & Co. KG, Neuwied, und verantwortlich für Konzeption und Implementierung der Anlage. „Die steuerungstechnischen Möglichkeiten der Roboter waren ein Grund für die Entscheidung pro Stäubli. Die Roboter verfügen über die benötigten Ressourcen und arbeiten völlig autonom, ohne dass wir übergeordnete, SPS oder Ähnliches zwischenschalten müssen. Und dabei hat der Roboter noch Kapazitäten frei beispielsweise für das Steuern zusätzlicher Achsen, das Einbinden von Vision-Systemen oder eine Erweiterung durch digitale Ein- und Ausgänge." Der Fertigungsprozess beginnt damit, dass ein Gabelhubwagen eine mit 100 leeren Mustertafeln bestückte Europalette auf einem der Anlage vorgeschalteten Hubtisch absetzt. Über Anschläge werden die Tafeln hier fixiert und zentriert. Als nächster Arbeitsschritt sind in die Magazine per Hand die verschiedenen Fliesen einzusortieren, die es zu kleben gilt. Die Magazine sind so bemessen, dass sich 50 Mustertafeln ohne Unterbrechung kleben lassen. Als nächster Schritt werden Heißleim- und Silikonanlage eingeschaltet. Alle Mustertafeln des Fliesenherstellers sind im Computer hinterlegt. Jede Tafel hat eine Artikelnummer, der in Tafelabmessungen sowie Fliesentypen und -abmessungen hinterlegt sind. „Wir haben allein insgesamt 20 verschiedene Fliesen und über 40 verschiedene Tafelgrößen", so Ower. Nachdem der Käfig geschlossen ist, die Sicherheitsvorkehrungen eingeschaltet sind und der Bediener über die Artikelnummer das entsprechende Programm aufgerufen hat, beginnt der Roboter zu arbeiten. Dazu entnimmt er eine Fliese aus dem Magazin und fährt mit ihr zu den Spendern, an denen über Düsen Silikon und Kleber aufgetragen werden. Danach dreht der StäubliSechsachser die Fliese, so dass sie mit der Unterseite nach unten zeigt, und drückt sie auf die Tafel auf. Ist der Arbeitsprozess für eine Tafel beendet, läuft diese über ein Transportband in eine Klammer. Ein zweiter, mit einer leeren Palette beladener Hubtisch fährt in Position und übernimmt die fertige Tafel. Nach 50 Tafeln bleibt der Roboter automatisch stehen, beide Hubtische senken sich ab in die Grundposition, der Bediener öffnet den Käfig und entnimmt die fertigen Tafeln. „Die Bedienung der Anlage ist einfach", so Ower, „und wird von angelernten Kräften übernommen, die früher die Fliesen von Hand geklebt haben." Dazu ermöglicht eine grafische Benutzeroberfläche den Bedienern die geführte Eingabe von Parametern über die Tastatur. „Die Mitarbeiter haben sich erstaunlich schnell in das einfache Programm eingearbeitet. Es sind keine besonderen PC-Kenntnisse erforderlich, um die Anlage zu bedienen", berichtet Ower. Unser Cover-Bild: Durch den Brennprozess ergeben sich Unterschiede in der Maßhaltigkeit der Fliesen; trotzdem erreicht die Anlage dank hoch präzisem Roboter beim verlegen eine Genauigkeit im Hundertstelmillimeterbereich An der Heißleim-und Silikon-Spendeeinrichtung Je nach Fliesentyp lassen sich über ein Schnellverschluss system nach Größe und Saugertyp unterschiedene Greifer einsetzen Unterschiede in der Maßhaltigkeit Zu den Besonderheiten des Mutaro - Mustertafelroboter -, so hat der Fliesenhersteller die Anlage getauft, zählt das speziell zugeschnittene Programm und die Greifer als Eigenentwicklungen des Neuwieder Ingenieurbüros. Die Fliesen sind zwar ein Massenprodukt,, durch das Brennen des Tons ergeben sich aber Unterschiede in der Maßhaltigkeit, das heißt, die Abmessungen der Fliesen sind nicht zu 100 Prozent reproduzierbar, sie variieren im Zehntelmillimeterbereich. Um ein sauberes Lagebild zu erreichen, muss der Bediener bei Drehwinkel und Anordnung der Fliesen in den Prozess eingreifen können. Dazu hat er die Möglichkeit, über eine Eingabemaske die Position jeder Fliese exakt anzugeben und zu korrigieren. Auch kann er den Klebe- und Silikonauftrag variieren. „Es gibt keinerlei Einschränkungen des Lagebildes", so Ower. „Bei Einlegeteilen kann der Bediener zum Beispiel über die Eingabemaske dem System mitteilen, wo genau sich die Ausschnitte in der Fliese befinden und wie die Einlegeteile zu positionieren sind." Der Abstand zwischen den Fliesen auf der Mustertafel beträgt in der Regel drei Millimeter bei einer Genauigkeit von etwa 4/100 mm. Wichtig ist, dass dieses Fugenbild genau eingehalten wird, da die Mustertafel dem Kunden im Baumarkt einen Eindruck davon vermittelt, wie die Fliesen später bei ihm auf der Wand aussehen. Der Greifer - ein Vakuumgreifer - besteht aus einer Vorrichtung mit verschiedenen Saugnäpfen, die die Fliesen aus den Magazinen aufnimmt, an den Klebeeinrichtungen vorbeitransportiert und auf die Mustertafeln drückt. Je nach Fliesentyp mit glatter oder strukturierter Oberfläche kommen nach Größe und Saugertyp unterschiedene Greifer zum Einsatz, die jeweils mit einem Schnellverschlusssystem ausgestattet sind. „Das Abstimmen der verschiedenen Sauger das Ingenieurbüro entschied sich für den Hersteller Schmalz - auf die unterschiedlichen Oberflächen der Fliesen war nicht ganz so einfach. Auch heute laufen noch Versuche bei uns, die hier Verbesserungen bringen sollen", so Ower. Besondere Herausforderungen „Ein Problem bei der Konzeption der Anlage hatten wir eingangs natürlich mit den nicht exakt reproduzierbaren Abmessungen der Fliesen", so Radke. Heute misst der Anlagenbediener bei einer neuen Charge die Maße mit der Schieblehre nach und stellt die Anlagenparameter entsprechend ein. Stabiler Prozess „Die erste zu klebende Mustertafel fahren wir vom Ablauf her zwar automatisch", berichtet Ower, „allerdings ohne Kleber, das heißt, wir verlegen sie trocken." Nach Begutachtung der Tafel und eventueller Korrektur des Programmablaufs folgt noch ein Trockenlauf. Erst wenn dieser fehlerfrei gewesen ist, beginnt die Produktion. Der Ausschuss geht dementsprechend gegen null. Wenn Ausschuss produziert wird, dann auf Grund einer Falscheingabe, zum Beispiel, wenn der Bediener ein falsches Maß eingibt. Dann kann es schon einmal vorkommen, dass Fliesen zum Beispiel übereinander liegen oder sich verschieben. Die meisten Bedienfehler fängt allerdings die Anlage auf. Zum Beispiel weiß der Roboter zu jeder Zeit, welcher Greifer gerade montiert ist. Sollte der Anlagenbediener eine nicht zum Greifer passende Fliese in den Programmablauf eingeben, beginnt der Roboter erst gar nicht mit der Produktion. Mittlerweile läuft die Anlage im Zweischichtbetrieb seit Jänner 2003 und soll sich innerhalb von zwei Jahren amortisiert haben. Auch an eine Erweiterung hat Ower schon gedacht: „Im Moment müssen wir die Etiketten noch von Hand auf die Mustertafeln kleben. Auch müssen wir die Tafeln in Ausnahmefällen noch zusätzlich manuell mit Einlegern bestücken. Wir stellen uns vor, dass diese Aufgaben in Zukunft ein kleinerer, zusätzlicher Industrieroboter übernimmt." Radke weiß um das Know-how, das in seiner Anlage steckt, und plant, diese in Serie zu produzieren. „Der Mutaro ist ein Prototyp mit Serienreife. Die Anlage lässt sich auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden anpassen und wäre durchaus auch für Hersteller von zum Beispiel Bodenfliesen interessant", so Radke. „Für die Zukunft haben wir auch angedacht, zum Beispiel für das Zurechtschneiden von Fliesen Wasserstrahl-Schneidanlagen in den Prozess zu integrieren."