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Kulturnachrichten aus der MZ
Vokale Glanzpunkte
05.10.2007 16:33 Uhr
Meldung vom 05.10.2007
Hilliard Ensemble und Singer Pur begeisterten
Von Gerhard Heldt, MZ
REGENSBURG. Wenn zwei der profiliertesten
Vokalensembles, das Hilliard Ensemble und
Singer Pur, gemeinsam ein Konzert gestalten, sind
Glanzpunkte vokaler Ensemblekunst angesagt.
Werke des 16. und des 20.Jahrhunderts in
derartiger Perfektion einander gegenübergestellt,
das ist selbst in der Chorstadt Regensburg ein
außergewöhnliches Ereignis.
Andrea Gabrielis „Del gran Tuonante“:
Zehnstimmige venezianische Mehrchörigkeit in
der Tradition frankoflämischer Vokalpolyphonie,
klanglich perfekt ausbalanciert, eröffnete den
Abend. Im Kontrast dazu Wolfgang Rihms
Fassung der Ereignisse nach dem Kreuzestod
Jesu, die das Zerreißen des Vorhangs im Tempel
und das Beben der Erde in dicht gestaffelten,
kurzen dissonanten Pianissimo-Akkorden
nachzeichnet. Zu den Rufen des Schächers, dem
Bericht der Spaltung der Felsen und der
Totenerhebung wechselt Rihm in theatrale
Expressivität, von Singer Pur traumwandlerisch
sicher intoniert und mit höchster Intensität
gesungen.
Das achtstimmige „Lugebat David Absalon“ von
Nicolas Gombert nahmen beide Ensembles
schlicht, stellten die melodischen Linien der
imitatorisch gebauten Motette klar heraus. Dem
Hilliard Ensemble war das vierstimmige
„Remember me“ eines Anonymus des 16.
Jahrhunderts übertragen; die vier Herren
differenzierten die Bitte dynamisch subtil aus.
Hans Schanderl vertonte Gertrud Kolmars Gedicht
„Einmal wandelt Läuten durch mich hin“. Es
beginnt mit Lautmalerei, die den schwingenden
Ton eines Geläuts imitiert; Todesgedanken
unterstreicht Schanderl mit dem Zitat des Chores
„Ruht wohl“ aus Bachs Johannes-Passion.
Orlando di Lassos Motette „Dixit Martha“ erklang
in bezwingender Klangdichte und betörender
Schönheit.
Die Musik des estnischen Komponisten Arvo Pärt
orientiert sich an der des Mittelalters, sie ruht in
sich. Seine Musikalisierung der biblischen
Geschichte der Sünderin Maria Magdalena folgt
syllabisch dem Dialog zwischen Jesus und dem
Pharisäer, wobei die Worte Jesu dem Bariton
zugewiesen sind, die des Gesprächspartners dem
Countertenor der Hilliards.
Die Uraufführung des für beide Ensembles vom
britischen Komponisten Ivan Moody
geschriebenen „Anástasis“ (Auferstehung) enthält
Gesten und Klänge orthodoxer Gesänge, gemischt
mit gregorianisch anmutendem Psalmodieren,
unterbrochen von Clustern, die sich jeweils in
archaische Quint-Quart-Harmonik auflösen.
In Orazio Vecchis „Beati omnes“ und Andrea
Gabrielis „Exsultate iusti“ konnten wieder alle
Tugenden perfekt gemischten Ensembleklangs
präsentiert werden. „Il nome del bel fior“ aus dem
23. Gesang von Dantes „Paradiso“ stellt die
Verehrung der Gottesmutter dar; die
Amerikanerin Joanne Metcalf erfindet in ihrer für
beide Ensembles geschriebenen Komposition
(1998) breit angelegte Vokalisen über den Namen
„Maria“, deren Vortrag vom Sologesang nach und
nach auf zehn Stimmen erweitert wird,
unterbrochen von Dantes Texten in ständigem
mehrstimmigem Fluss. Ein unvergesslich großer
Abend!
Freitag, 05.10.2007
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