- Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
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DOKUMENTATION 10. Werkstattgespräch IN DIE JAHRE GEKOMMEN?! ZUM UMGANG MIT KUNST AM BAU 10. Kunst am Bau ist seit 1950 integrale Bauherrenaufgabe des Bundes. Die seither in Deutschland und überall in der Welt entstandenen Kunstwerke bilden einen international einzigartigen Bestand an zeitgenössischer Kunst, der eine kulturelle Visitenkarte unseres Landes ist. Etliche dieser Kunst-am-Bau-Werke sind inzwischen ‚in die Jahre gekommen‘, anderen stehen durch Verkauf, Um- und Neunutzung der Liegenschaften Änderungen bevor. Was ist dabei im Hinblick auf die Kunst zu bedenken? Und was kann getan werden, um den in mehr als sechs Jahrzehnten entstandenen Bestand an Kunst am Bau langfristig zu erhalten? A pril 2012 Auch die nächsten Werkstattgespräche werden in dieser Reihe dokumentiert. Impressum Herausgeber: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Referat B 13 – Bauingenieurwesen, Nachhaltiges Bauen, Bauforschung Invalidenstraße 44 10115 Berlin Projektleitung: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) Referat A 2 – Projektentwicklung, Wettbewerbe, Zuwendungsmaßnahmen Dr. Ute Chibidziura Straße des 17. Juni 112 10623 Berlin Inhalt Konzept und Bearbeitung: Urbanizers Büro für städtische Konzepte, Berlin Dr. Gregor Langenbrinck, Stefanie Schult M.A. 1 Einführung Hans-Dieter Hegner 3 Zum Umgang mit Kunst am Bau bei Sanierungen, Umnutzungen und anderen Veränderungen im baulichen Umfeld Dr. Ute Chibidziura Gestaltung: re-do.de, Dessau Doreen Ritzau 8 ZERO am Bau. Eine Studie zur Erhaltung baugebundener Kunst Prof. Dr. Gunnar Heydenreich Druck und Verarbeitung: Dienstleistungszentrum Druck, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Bonn 14 Kunst am Bau – Auch die damit verbundenen Aufgaben nehmen wir ernst! Lutz Leide Nachdruck und Vervielfältigung: Alle Rechte vorbehalten 17 Gibt es auch eine Verantwortung der Künstlerinnen und Künstler bei Kunst am Bau? Werner Schaub Stand: April 2012 18 In die Jahre gekommen – Wer interessiert sich, wer kümmert sich, wer entscheidet dann? Susanne Titz 20 Erhalt, Veränderung, Translozierung und Zerstörung von Kunst: die Bedeutung im Urheberrecht Prof. Dr. Gerhard Pfennig 24 Zehn wichtige Fragen und Antworten zum Umgang mit Kunst am Bau 26 Podiumsdiskussion 38 „Nicht geerbt, sondern geliehen“ – Kriterien beim Erhalt von Kunst am Bau aus Sicht der Denkmalpflege Dr. Dorothee Boesler 40 Umgang mit der Kunst am Bau der DDR – Kriterien und Möglichkeiten: ein Bericht aus der Praxis Silke Wagler 44 Kirchen im freien Fall – Wohin mit der Kunst? Dr. Herbert Fendrich 48 Die Aktualisierung des „Leitfadens Kunst am Bau“, das „Virtuelle Museum der 1000 Orte“ und andere Projekte des Bundes Hans-Dieter Hegner und Dr. Ute Chibidziura Bestellungen: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, [email protected], Stichwort: Werkstattgespräche Eine Downloadversion der vorliegenden Broschüre sowie weitere Materialien und Informationen zu Kunst am Bau finden Sie auf der Internetseite www.kunst-am-bau-in-deutschland.de. Bildnachweis: S. 1, 3, 8, 14, 17,18, 26, 31, 37 Anja Schlamann, Köln/Leipzig // S. 3 unten BBR // S. 4 oben: Adelheid Freese, Foto: BBR // S. 4 unten: © VG Bild-Kunst, 2012, Foto: Staatliches Baumanagement Braunschweig // S. 5 oben: Eberhardt Linke, Foto: Staatliches Baumanagement Braunschweig // S. 5 unten: Bundesanstalt für Immobilienaufgaben // S. 6 BBR/Olaf Ignaszewski, 2011 // S. 7 BBR/Werner Huthmacher // S. 9-13 Fotos: Prof. Dr. Gunnar Heydenreich // S. 15 © VG Bild-Kunst, 2012, Fotos: BBR // S. 16 Ferdinand Kriwet, Foto: Anja Schlamann, Köln/Leipzig // S. 19 © VG Bild-Kunst, 2012, Foto: Anja Schlamann, Köln/ Leipzig // S. 20 Urbanizers // S. 23 Foto: Christoph Lison, Frankfurt // S. 28 Wolfgang Nestler, Foto: BBR/Werner Huthmacher // S. 32 © VG Bild-Kunst, 2012, Foto: Anja Schlamann, Köln/Leipzig // S. 35 Joachim Bandau, Foto: BBR/Werner Huthmacher // S. 37 oben: © VG Bild-Kunst, 2012, Foto: BBR/Werner Huthmacher // S. 38 LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur, Foto: Hedwig Nieland // S. 39 LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur, Foto: Universitätsarchiv Bochum/Alexandra Apfelbaum, 2010 // S. 40 Silke Wagler // S. 41 links: Archiv Kunstfonds // S. 41 rechts: Kunstfonds/Silke Wagler, 2007 // S. 42 links: © VG Bild-Kunst, 2012, Foto: Archiv Kunstfonds // S. 42 rechts: Kunstfonds/Sylvia Lemke, 2010 // S. 44 Bistum Essen // S. 45, 46 Fotos: Herbert Fendrich/Bistum Essen // S. 47 Egon Stratmann, Foto: Herbert Fendrich/ Bistum Essen Die Bearbeiter haben sich nach Kräften bemüht, alle Bildrechte zu ermitteln. Sollte dabei ein Fehler unterlaufen sein, wird um die Mitteilung an Urbanizers Büro für städtische Konzepte gebeten. Hans-Dieter Hegner Einführung Kunst am Bau ist als Element der Baukultur seit mehr als 60 Jahren fester Bestandteil der Bauherrenaufgabe des Bundes, und der Bund bekennt sich zu dieser baukulturellen Verantwortung. Denn die Bauten des Bundes werden täglich von Tausenden Menschen genutzt und wahrgenommen. Sie sind Identifikationsorte und erfüllen herausgehobene gesamtstaatliche Funktionen; in ihnen manifestieren sich Aufbau und Struktur unseres demokratisch verfassten Staates. Die Dienstgebäude des Bundes sollen daher nicht nur ästhetisch ansprechend und bauqualitativ hochwertig, sondern auch ressourcenschonend und nachhaltig geplant und ausgeführt werden. Einen besonderen Beitrag hierzu leistet Kunst am Bau, die die herausgehobene Bedeutung der Bauten unterstreicht und den Gebäuden eine zusätzliche sinnliche und intellektuelle Dimension verleiht. Baukultur bedeutet demzufolge mehr, als nur visuell zufriedenstellende Bauten zu schaffen. Der Begriff beschreibt und bewertet die Summe der Prozesse und Verfahren, die erforderlich sind, um Gebäude und bauliche Anlagen von höchster und vor allem dauerhafter Qualität zu errichten. Wettbewerbe sind hierbei von elementarer Bedeutung, zumal über sie frühzeitig Qualitäten und Anforderungen für die Realisierung von Bauwerken festgelegt werden können. Im Weiteren ist damit die positive Haltung zur gebauten Umwelt gemeint, die sich nicht zuletzt in der Art und Weise im Umgang mit dem vorhandenen Bau- und Kunstbestand ausdrückt: Die Qualitäten von städtebaulichen Ensembles, Bauten und Kunstwerken zurückliegender Zeiten zu erkennen, sie in Kenntnis ihrer spezifischen Eigenschaften und Besonderheiten zu pflegen und zu erhalten und – wo nötig – sie mit entsprechender Behutsamkeit zu sanieren, zu restaurieren und instand zu halten, ist daher ein weiterer wichtiger Aspekt von Baukultur. Ministerialrat Hans-Dieter Hegner ist Bauingenieur und leitet im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) das Referat „Bauingenieurwesen, Nachhaltiges Bauen, Bauforschung und baupolitische Ziele“, das auch für Kunst am Bau zuständig ist. Seit über sechs Jahrzehnten realisiert der Bund im Zusammenhang mit seinen Baumaßnahmen Kunst am Bau. Den Grundstock für dieses besondere baukulturelle Engagement legte der Deutsche Bundestag am 23.01.1950 mit dem Beschluss „bei allen Bauaufträgen (Neu- und Umbauten) des Bundes, … grundsätzlich einen Betrag von mindestens 1 % der Bauauftragssumme für Werke bildender Künstler vorzusehen“. Erste Aufträge für Kunst am Bau wurden bereits Anfang der 1950er-Jahre erteilt. Seit 1953 ist die Beteiligung bildender Künstler in den „Richtlinien für die Durchführung von Bundesbauten“ (RBBau) festgelegt, die 1957 verbindlich eingeführt wurden und bis heute gültig sind. Im für die Beteiligung bildender Künstler relevanten Abschnitt K 7 ist formuliert, dass bei Bauten 1 des Bundes – „soweit Zweck und Bedeutung der Baumaßnahmen dies rechtfertigen“ – Kunst am Bau umzusetzen und hierfür ein prozentualer Anteil der Baukosten vorzuhalten ist. Dies trifft regelmäßig auf Bauten für die Bundesregierung und die Verfassungsorgane sowie für Behörden und Institutionen von gesamtstaatlicher Bedeutung zu. Mehr als 8.000 Kunstwerke sind seit 1950 an Bundesbauten im Inund Ausland entstanden. Damit wurde eine weltweit einzigartige Sammlung zeitgenössischer Kunst geschaffen, die gerade wegen der unzähligen Standorte auch in der Fläche eine der wichtigsten kulturellen Visitenkarten unseres Landes ist. Auf die Aufforderung des Deutschen Bundestages 2003 (BT-Drs. 15/1092), die Kunst am Bau zu stärken, hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) mit der Einführung eines „Leitfadens Kunst am Bau“ 2005 reagiert, der in Zusammenarbeit mit dem Sachverständigenkreis Kunst am Bau entwickelt wurde. Der „Leitfaden Kunst am Bau“ konkretisiert den Anwendungsbereich des Abschnitts K7 der RBBau im Hinblick auf Kosten und Verfahren und bietet darüber hinaus auch sonst praktische Hilfestellung für den Umgang mit Kunst am Bau. Um die Kunst-am-Bau-Verfahren des Bundes zu evaluieren und weiter zu verbessern, hat das BMVBS seit 2006 eine Reihe von Forschungsaufträgen zu Kunst am Bau vergeben, die die Leistungen des Bundes in diesem Bereich dokumentieren und in den wissenschaftlichen Diskurs integrieren. Deren Ergebnisse sind in übergreifende Publikationen wie das Buch „Kunst am Bau. Projekte des Bundes 2000 – 2006“ und die Jubiläumsedition „60 x Kunst am Bau aus 60 Jahren“ eingeflossen. Ergänzend hierzu führt das BMVBS regelmäßig Werkstattgespräche zu Kunst am Bau durch. Sie widmen sich jeweils spezifischen Fragestellungen, die aus unterschiedlichen Perspektiven mit Künstlern, Architekten, Kunstwissenschaftlern und Nutzern beleuchtet werden. Die Werkstattgespräche werden dokumentiert und sind über die Homepage des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung abrufbar. Die verschiedenen Szenarien und Problemstellungen im Umgang mit dem auf unzählige Standorte verteilten Bestand an Kunst am Bau und mögliche Lösungsansätze dafür wurden Ende des Jahres 2011 in einem öffentlichen Werkstattgespräch sowie in einem nachfolgenden Expertengespräch mit dem Sachverständigenkreis Kunst am Bau intensiv diskutiert. Die vorliegende Publikation fasst die Ergebnisse zusammen und möchte als Orientierungshilfe und Handreiche dienen, den weltweit einzigartigen Bestand an herausragender Kunst am Bau zu erhalten, zu pflegen und zu unterhalten. Darüber hinaus werden wichtige Rechtsfragen im Umgang mit Kunst am Bau behandelt und konkrete Lösungswege vorgestellt, wenn die Kunst durch Umbau, Umnutzung oder Abbruch von Bauwerken nicht am ursprünglichen Ort verbleiben kann. Abgerundet wird das Heft durch zwei Beiträge, die einen Einblick in die Vorgehensweise anderer Institutionen bei vergleichbaren Problemstellungen vermitteln. Hans-Dieter Hegner Ministerialrat � Leiter des Referats Bauingenieurwesen, Nachhaltiges Bauen, Bauforschung � Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung � 2 Dr. Ute Chibidziura Zum Umgang mit Kunst am Bau bei Sanierungen, Umnutzungen und anderen Veränderungen im baulichen Umfeld Kunst am Bau wird seit dem hierfür grundsätzlichen Beschluss des Deutschen Bundestages von 1950 bei Neu- und Umbaumaßnahmen für Institutionen von gesamtstaatlicher Bedeutung umgesetzt. Dies gilt im Besonderen für die Verfassungsorgane des Bundes, zu denen der Bundespräsident, der Deutsche Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung (Bundeskanzleramt und Ministerien), die Bundesversammlung, der Gemeinsame Ausschuss und das Bundesverfassungsgericht zählen. Im Weiteren trifft dies für Botschaften, Gerichte, Zollanlagen und Kasernen sowie Bundesoberbehörden und Verwaltungen von Bundesinstituten und Forschungsanlagen zu. Demzufolge sind in den vergangenen sechs Jahrzehnten mehr als 8.000 Kunstwerke für unzählige Standorte in Deutschland und aller Welt beauftragt worden, die zusammengenommen eine international einzigartige Sammlung von Nachkriegskunst bilden. Dieser hervorragende Bestand an Kunst am Bau braucht wie die zugehörigen Bauwerke kontinuierliche Pflege und Unterhalt, zumal zahlreiche Kunstwerke inzwischen „in die Jahre gekommen sind“, sodass sie restauriert und instand gesetzt werden müssen. Aber auch organisatorische Neuausrichtungen in der Bundesverwaltung oder Änderungen in der Nutzung von Bauwerken haben Auswirkungen auf die Kunst. Welche Probleme sich dabei ergeben können und wie mit den Kunstwerken verfahren werden sollte, mögen einige aktuelle Beispiele veranschaulichen. Eines der ältesten Kunst-am-Bau-Werke der jungen Bundesrepublik ist das Kalksteinrelief im Eingangsbereich des Alten Abgeordnetenhauses in Bonn, das 1953 entstand. Auf die 1952 in mehreren Kunstzeitschriften veröffentlichte Ausschreibung gingen 333 Entwürfe ein, aus denen der von Hannes Schulz-Tattenpach (1905–1953) zur Realisierung ausgewählt wurde. Er schlug einen aus Flammen aufsteigenden Vogel vor, der als „Phönix aus der Asche“ gedeutet werden kann und symbolhaft den politischen und gesellschaftlichen Neuanfang der jungen Republik nach dem Zweiten Weltkrieg illustriert. Durch den Umzug der Bundesregierung nach Berlin wurde das Alte Abgeordnetenhaus in Bonn frei und den Vereinten Nationen übergeben. Für den neuen Nutzer wird das Gebäude zurzeit grundlegend hergerichtet. Im Zuge der Renovierungsarbeiten wird auch das für die Geschichte der Bundesrepublik wichtige Wandrelief von Tattenpach restauriert, sodass der „Phönix“ nach Abschluss der Bauarbeiten im Sommer 2012 wieder an seinen ursprünglichen Standort zurückkehren kann. Dr. Ute Chibidziura studierte an den Universitäten Graz und Köln Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie. Seit 2006 ist sie im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung für Grundsatzfragen der Kunst am Bau beim Bund verantwortlich. Hannes Schulz-Tattenpach, Phönix, Kalksteinrelief, 1953, Altes Abgeordnetenhaus in Bonn 3 Hedja Luckhardt-Freese, Wandmosaik, 1959, Deutsche Botschaft Tokio; links ursprünglicher Standort, rechts neuer Standort Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland entstand ab Mitte der 1950er-Jahre ein sich rasch verdichtendes Netzwerk von Auslandsvertretungen – und mit ihnen auch Kunst am Bau. Für die in den Jahren 1956 –1960 errichtete Deutsche Botschaft Tokio schuf die Berliner Künstlerin Hedja Luckhardt-Freese 1959 ein Wandmosaik, das in seiner elegant beschwingten Abstraktheit bis heute überzeugt. Als die Botschaft wegen mangelnder Erdbebensicherheit 2005 durch einen Neubau ersetzt werden musste, wurde das Mosaik gesichert und in den Neubau übertragen, wo es nun die Stirnwand des Veranstaltungsraums ziert. Strukturelle Veränderungen bei der Bundeswehr gibt es nicht erst seit der Abkehr von der Wehrpflicht. Schon seit der Wiedervereinigung wurden Aufgaben neu organisiert und Liegenschaften aufgegeben. Unter anderem betroffen waren die Heinrich-der-Löwe- und die Roselies-Kaserne in Braunschweig, die 1993 von der Bundeswehr geräumt wurden. Die Gebäude der Roselies-Kaserne mussten einer Einfamilienhaussiedlung weichen, gleichwohl konnte dank des Engagements des Staatlichen Baumanagements Braunschweig die von Karl-Henning Seemann für den Mannschafts-Speisesaal geschaffene große Wandarbeit vor dem Abbruch des Gebäudes gesichert und unter Einbeziehung des Künstlers in ein typenähnliches Gebäude in der Freiherr-vonBoeselager-Kaserne in Munster (Örtze) eingebaut werden. Begünstigt wurde die Weiterverwendung des 13 Meter breiten Metallreliefs durch den vergleichbaren Nutzungskontext, sodass das Kunstwerk auch im neuen Umfeld seine Wirkung entfalten kann. Deutlich schwieriger gestaltet sich die Weiternutzung eines Brunnenkunstwerks im Außenbereich der ehemaligen Heinrichder-Löwe-Kaserne von Eberhard Linke, das in eine großzügige Freiraumgestaltung eingebettet ist. Die derzeitigen Planungen für die Nachnutzung des Areals würden eine Zerstörung des Kunstwerks bedeuten; eine Umbettung des Kunstwerks wäre nur mit gehörigem finanziellen und organisatorischen Aufwand zu leisten. Auch wenn die Situation in derartigen Fällen aussichtslos Karl-Henning Seemann, Reiterschlacht, 1963, Mannschafts-Speisesaal Roselies-Kaserne Braunschweig 4 Eberhard Linke, Gespräch zwischen den Blöcken, 1981/82, ehemalige Heinrich-der-Löwe-Kaserne Braunschweig erscheint, sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die Kunst am Bau am ursprünglichen Ort zu erhalten. Denn die Kunstwerke haben nicht nur einen kulturellen und finanziellen Wert, sondern sie zeugen auch von der Geschichte dieser Orte und können als Erinnerungsobjekte auch neue Nutzungen aufwerten. Angesichts der Tatsache, dass sich die Zahl der Truppenstandorte in den nächsten Jahren weiter reduzieren soll, werden sich vermutlich auch an anderen Orten ähnliche Probleme mit der Kunst ergeben. Vor diesem Hintergrund ist es dringend erforderlich, bei Umnutzungen und Aufgaben von Liegenschaften bereits im Vorfeld geeignete Konzepte für den Umgang mit Kunst am Bau zu entwickeln. Großem Veränderungsdruck ist Kunst am Bau durch energetische Sanierungsmaßnahmen ausgesetzt, insbesondere dann, wenn es sich um baufeste Wandarbeiten oder Portale handelt. Im Rahmen der energetischen Sanierung der zunächst für den Bundesgrenzschutz errichteten Bauten in Fuldatal sollten die künstlerisch gestalteten Eingangsportale zum ehemaligen Leitungsbereich wie zur einstigen Lehrerunterkunft durch neue Türanlagen ersetzt werden. Schließlich konnte ein Weg gefunden werden, der sowohl die energetische Optimierung als auch den Erhalt der doppelflügeligen Aluminiumgusstüren ermöglichte: Die innere Blechverkleidung wurde ausgebaut und der Zwischenraum mit Dämmmatten ausgelegt, sodass das äußere Erscheinungsbild der Portale unverändert erhalten blieb. Unbekannter Künstler, Metalltüren, um 1963, Bundespolizeistandort „Dr.-Konrad-Adenauer“, Fuldatal Mindestens ebenso massiv ist der Druck auf den Bundesimmobilienbestand, der durch den Strukturwandel und die demografische Entwicklung erzeugt wird: Durch die Konzentration von Aufgaben und Personal werden Standorte frei, sodass immer häufiger Liegenschaften verkauft oder zumindest umgenutzt werden. Hierfür wird der Baubestand angepasst, indem Neu- und Umbauten vorgenommen, aber auch nicht erforderliche Gebäude abgebrochen werden. Dies führt zu tief greifenden Veränderungen im Baubestand, aber auch im Bestand der Kunst am Bau, sodass sich vermehrt die Frage stellt, wie mit der Kunst am Bau bei Abbruch oder Umbau von Gebäuden umzugehen ist. Grundsätzlich sollte angestrebt werden, dass die Kunst am Bau auch bei einem Eigentümer- oder Nutzungswechsel an dem Ort verbleiben kann, für den sie ursprünglich geschaffen wurde. Potenzielle neue Eigentümer oder Nutzer sollten dementsprechend 5 bereits im Vorfeld über die Entstehungs- und Nutzungsgeschichte der Kunst informiert und mit relevanten Hinweisen zu Pflege und Unterhalt des Kunstwerks versorgt werden. Sollte sich im Zuge der Verkaufsverhandlungen herausstellen, dass ein Kunstwerk voraussichtlich nicht an seinem angestammten Ort verbleiben kann, muss in Abstimmung mit der Künstlerin oder dem Künstler ein neuer Standort für die Kunst gesucht werden – vorzugsweise auf einer bundeseigenen Liegenschaft. Wenn dies nicht möglich ist, kommen Institutionen der Länder oder Kommunen als Empfänger in Betracht, um die Kunstwerke langfristig in öffentlichem Besitz zu halten. Die Zerstörung von Kunstwerken ist nach Möglichkeit zu vermeiden; sie erfordert in jedem Fall die Zustimmung der Obersten Technischen Instanz. Vor einer Zerstörung von Kunstwerken sollte den Künstlern oder ihren Erben die Rücknahme des Kunstwerks angeboten werden. Ebenso müssen Künstler einbezogen werden, wenn bauliche Veränderungen im Umfeld ihrer Kunstwerke nötig sind, die sich auf die visuelle Integrität der Kunstwerke auswirken. Neben äußerlich bedingtem Handlungsdruck gibt es allerdings auch häufig die Situation, dass die Kunstwerke selbst in die Jahre gekommen sind und restaurierungsbedürftig werden. So hatten beispielsweise die einst für die Bundesbaudirektion in Berlin geschaffenen „Zeichen im Stadtraum“ von Otto Herbert Hajek im Lauf der Zeit stark an Farbigkeit verloren; zudem blätterte an zahlreichen Stellen der Lack ab und zeigten sich an Oberflächen und Kanten der Kunstwerke Korrosionsschäden. Drüber hinaus kamen Zweifel an der Standfestigkeit auf, sodass das 1980 aufgestellte Ensemble aus sieben Stahlplastiken einer Generalüberholung unterzogen werden sollte. Hierfür wurde im Vorfeld ein Restaurator mit der Voruntersuchung beauftragt, um die ursprüngliche Farbigkeit und das Ausmaß der Schäden festzustellen und entsprechende Vorschläge für die Restaurierungsmaßnahmen zu unterbreiten. Ebenso waren die Standsicherheit der Freiplastiken zu überprüfen und – soweit erforderlich – ein Maßnahmenkonzept für die Stabilisierung zu erarbeiten. Glücklicherweise konnte nach Demontage der Kunstwerke und Entrostung der oxidierten Verstrebungen Otto Herbert Hajek, Zeichen im Stadtraum, 1980, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Berlin, Zustand vor der Restaurierung 2011 6 Otto Herbert Hajek, Zeichen im Stadtraum, 1980, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Berlin, Zustand nach der Restaurierung Januar 2012 bezüglich der Standsicherheit Entwarnung gegeben werden: Lediglich an der Oberfläche der Innenkonstruktion hatte sich Rost gebildet, der jedoch die Stabilität nicht beeinträchtigte, sodass mit einer Zweikomponentenbeschichtung der Oberflächenschutz an der inneren Trägerkonstruktion wiederhergestellt werden konnte. An den äußeren Oberflächen konnten mithilfe von Farbtreppen jeweils mehrere Farbschichten in unterschiedlichen Rot- und Blautönen festgestellt werden und die anhand von Fotografien vermutete Ursprungsfarbigkeit in kräftigen Blau- und Rottönen der Plastiken wie auch die originär schwarze Lackierung der drei pfeilförmigen Elemente belegt werden. Gestützt auf die Auswertung von Fotos und Bestandsunterlagen sowie von Planunterlagen und Archivalien aus dem Hajek-Archiv wurde unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Voruntersuchung festgelegt, die sieben Plastiken wieder in ihrer ursprünglichen Farbigkeit neu zu fassen. Hierfür wurden die gestörten Lackschichten zunächst bis auf die Verzinkung abgenommen und die Oberflächen mit einer strapazierfähigen und lichtbeständigen ZweikomponentenHybridbeschichtung neu lackiert. Die Betonsockel wurden oberflächlich abgeschliffen und die Kunstwerke mit neuen Stahlankern versehen, die tief in die Sockel eingelassen und mit Beton verfüllt wurden. Durch die rekonstruierte kräftige Farbigkeit können die Hajek’schen Kunstwerke wieder als Stadtzeichen im Raum wirken und auch wieder die ihnen ursprünglich zugedachte Funktion erfüllen: als künstlerisches Leitsystem den Weg zum Eingang des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung am Standort Fasanenstraße zu weisen. 7 Prof. Dr. Gunnar Heydenreich ZERO am Bau. Eine Studie zur Erhaltung baugebundener Kunst1 Pflege und Erhaltung von Kunst am Bau stellen für Eigentümer wie Restauratoren eine besondere Herausforderung dar. Außerhalb einer privaten oder musealen Schutzzone sind diese Werke äußeren Einflüssen wie Tageslicht und Schwankungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit meist unmittelbarer ausgesetzt. Vorkehrungen zum Schutz vor mechanischer Beschädigung entsprechen vielfach nicht den musealen Standards. Regelmäßige Zustandskontrollen und präventive konservatorische Maßnahmen erfolgen nur in Ausnahmefällen. Nicht selten werden der Künstler oder ein Restaurator erst dann hinzugezogen, wenn ein Schaden unübersehbar ist. Prof. Dr. Gunnar Heydenreich, Professor für Restaurierung moderner und zeitgenössischer Kunst am Cologne Institute of Conservation Sciences der FH Köln und Leiter des Cranach Digital Archive am Museum Kunstpalast in Düsseldorf. Zuvor leitete er die Abteilung ‘Gemälde, moderne und zeitgenössische Kunst’ am Restaurierungszentrum der Landeshauptstadt Düsseldorf. Gunnar Heydenreich ist Mitbegründer des International Network for the Conservation of Contemporary Art (INCCA). Er arbeitete an mehreren internationalen Forschungsprojekten u. a. in London und Los Angeles und publizierte auf den Gebieten Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung. 8 Mehr als 60 Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinien zur Umsetzung von Kunst am Bau ist die längerfristige Bestandserhaltung noch kein integraler Bestandteil dieser Verpflichtung. Die Dokumentation des Werkbestandes ist vielfach nicht gewährleistet, und Zuständigkeiten bleiben angesichts des zunehmend häufigeren Wechsels der Gebäudenutzer vielfach ungeregelt. Die folgende Fallstudie dokumentiert exemplarisch die Geschichte und Restaurierung von drei Werken der ZERO-Künstler Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker, die 1961 als Kunst am Bau in Düsseldorf realisiert wurden. Die Aufgabenstellung verdeutlicht die Komplexität bei der Erhaltung von baugebundener Kunst in öffentlichen Gebäuden. Es werden Ansätze dargelegt, in welchen Schritten Kunst am Bau dokumentiert und erhalten werden kann. Innovative Kunst am Bau Die Gemeinschaftsgrundschule Rolandstraße in Düsseldorf ist ein außergewöhnliches Beispiel moderner und sozialer Architektur, in die zeitgenössische Kunst substanziell integriert wurde. Der Architekt Paul Schneider-Esleben, der die Schule entwarf und realisierte, beauftragte die jungen Künstler Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker im Jahr 1960 mit jeweils einem kinetischen Kunstwerk für die drei Eingangsbereiche. Die Arbeiten der Rolandschule stellen eine gelungene Symbiose von Architektur, Funktion und moderner Kunst dar. Mack formuliert den Anspruch im Projektkonzept für seine „Farborgel“ wie folgt: „Verneint wird eine (von Erwachsenen gemachte) ‚kindertümliche‘ Malerei oder eine symbolträchtige Figuration oder die übliche leere Dekoration.“2 Die Kinder sollen in ihrer Wahrnehmung und spielerischen Neugier aktiv mit einbezogen werden. Dies spiegelt moderne pädagogische Konzepte wider, die davon ausgehen, dass Kinder nicht repressiv erzogen, sondern Otto Piene, Lichtballett (Detail), 1961, gelochte Aluminiumplatten, Stahl und verschiedene Beleuchtungskörper, Grundschule Rolandstraße Düsseldorf, Zustand nach der Restaurierung 2011 ermutigt werden sollten, die Welt mit all ihren Sinnen zu erkunden. Die drei lichtkinetischen Kunstwerke gehören heute zu den wichtigsten ZERO-Rauminstallationen in Düsseldorf. Die Werke In den Arbeiten der ZERO-Kunst spielen Licht und Bewegung eine wesentliche Rolle. Im „Lichtballett“ von Otto Piene pulsieren Glühbirnen in einer programmierten Reihenfolge, und ihr Licht scheint dabei sphärisch durch gelochte Aluminiumplatten. Indem der Betrachter an den Werken entlangschreitet, verschieben sich scheinbar die Ebenen und intensivieren das Lichtspiel. Bei der „Farborgel“ von Heinz Mack können die Kinder in vielfältigen Farben bemalte Flügelräder durch ein Schwungrad in Bewegung setzen und die Farbkombination gesteuert und zufällig verändern. Die weißen Scheiben des „Schattenspiels“ von Günther Uecker, die wie Himmelskörper wirken, reflektieren Licht und projizieren gleichzeitig Schatten. Die Kinder können die Scheiben anstoßen und auf diese Weise das Lichtspiel variieren. Neben Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker, die zentrale Rollen in der internationalen Avantgarde der ZERO-Bewegung innehatten, war auch Joseph Beuys beauftragt worden, ein Werk zu gestalten. Er entschied sich für eine große hölzerne Spielpuppe für den Pausenhof, die jedoch im Jahr 1963 an den Künstler zurückgegeben wurde. Die verwendeten Hanfseile, die die Glieder der Puppe verbanden, waren morsch und zu einem vermeintlichen Sicherheitsproblem geworden. Von einer Reparatur sah man ab. In Teilen ging die Figur im 1970 von Beuys errichteten „Block Beuys“ im Hessischen Landesmuseum Darmstadt auf. 1 2 Der Text basiert in Teilen auf der von Dirk Pörschman und Tiziana Caianiello in Zusammenarbeit mit Gunnar Heydenreich verfassten Pressemitteilung anlässlich des Abschlusses des Restaurierungsprojektes im Juni 2011. Brief von Heinz Mack an Paul Schneider-Esleben, Düsseldorf, 01.04.1960. Vorlass Mack, ZERO foundation, Düsseldorf. 9 Die Stilllegung Bereits zwei Tage nach der Eröffnung der Schule ereignete sich ein Unfall, bei dem ein Mädchen in eine Glasscheibe lief und sich dabei an der Hand schwer verletzte. An den Kunstwerken selbst kam niemand zu Schaden, und dennoch wurden die Arbeiten von Mack und Uecker bei einer Sicherheitsüberprüfung der Schule als zu gefährlich eingestuft und daraufhin stillgelegt. So wurde etwa Macks „Farborgel“ von einem Gitter versperrt und durch die Demontage des Schwungrades außer Funktion gesetzt. Dass die Kunstwerke an der Rolandstraße aus einem Dornröschenschlaf erweckt wurden, war zunächst das Verdienst der Kunsterzieherin Ulrike Scheffler-Rother. 1989 setzte sie sich erfolgreich für die Instandsetzung und Vermittlung der in Vergessenheit geratenen ZERO-Arbeiten ein. In den folgenden zwei Jahrzehnten sollten die Kunstwerke allerdings für die Kinder nur begrenzt erfahrbar bleiben. Heinz Macks „Farborgel“ konnte mit der neuen Barriere von den Grundschulkindern weiterhin nicht in Betrieb genommen werden. Während Sanierungsarbeiten verschwand die Steuereinheit für das „Lichtballett“ von Otto Piene, und bei dem „Schattenspiel“ von Günther Uecker kamen alle Beleuchtungselemente abhanden. Das Restaurierungsprojekt Das Projekt zur Erhaltung und Vermittlung der ZERO-Werke in der Grundschule Rolandstraße wurde 2010 von der Stadt Düsseldorf, der ZERO foundation und dem Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft der Fachhochschule Köln gemeinsam entwickelt und 2011 zum 50-jährigen Bestehen der Schule abgeschlossen. Planung, Genehmigung und Durchführung des Vorhabens ließen die komplexen Zuständigkeiten bei der Restaurierung von Kunst am Bau erkennen: Das Restaurierungs- und Nutzungskonzept basiert auf der engen Zusammenarbeit der Projektorganisatoren mit der Schulleitung der Grundschule und dem zuständigen Amt für Immobilienmanagement der Landeshauptstadt Düsseldorf. Um alle eventuellen Gefahren für die Kinder bei der Inbetriebnahme zu berücksichtigen, wurde die Heinz Mack, Farborgel, 1961, Stahl, farbig gefasstes Sperrholz und Beleuchtungskörper, Grundschule Rolandstraße Düsseldorf, Zustand nach der Restaurierung 2011 10 Günther Uecker, Schattenspiel, 1961, beschichtete Tischlerplatten, Stahl und Beleuchtungskörper, Grundschule Rolandstraße Düsseldorf, Zustand nach der Restaurierung 2011 Gemeindeunfallversicherung (GUV) in die notwendige Gefährdungsbeurteilung und alle Maßnahmenplanungen einbezogen. Das Gebäude und damit auch die Kunst am Bau wurden bereits vor Jahren unter Denkmalschutz gestellt. Sämtliche Maßnahmen konnten somit nur nach Genehmigung durch das zuständige Amt für Denkmalpflege erfolgen. Zudem wurden alle Maßnahmen mit den drei Künstlern und einem Assistenten in mehreren persönlichen Treffen abgestimmt. Bei der Ausführung galt es schließlich, sechs externe Fachfirmen (Elektroinstallation, Glasbau, Schreinerei, Maler u. a.) mit dem laufenden Schulbetrieb zu koordinieren. Die Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen zielten darauf ab, die Werke möglichst authentisch zu präsentieren und sie für die Kinder wieder erfahrbar zu machen. Die Studierenden der Fachhochschule Köln entwickelten die Maßnahmenkonzepte und realisierten sie in Kooperation mit den Partnern und einem Aufwand von mehr als 600 Stunden. Bei Pienes „Lichtballett“ musste die Programmierung der Schaltfolge in Zusammenarbeit mit dem Künstler rekonstruiert werden. Aus Sicherheitsgründen wurden zudem Verkabelung und Beleuchtungskörper von 230 Volt auf 24 Volt umgestellt. Dabei galt es, die Form der Glühlampen, die originalen Fassungen und die Lichtleistung zu erhalten. Die Studierenden reinigten die stark verschmutzten Arbeiten von Mack und Uecker, festigten und ergänzten geschädigte Farbschichten und überprüften die Mechanik. Zudem wurden Macks „Farborgel“ und Ueckers „Schattenspiel“ mit neuen Barrieren ausgestattet, die einerseits Sicherheit garantieren und andererseits den Kindern die Nutzung der Werke ermöglichen sollen. Damit die Ästhetik der Werke so wenig wie möglich durch die Absperrungen gestört wird, wurde als Material Sicherheitsglas gewählt und die Form der Abgrenzung mit den Künstlern und der Gemeindeunfallversicherung abgestimmt. 50 Jahre nach Fertigstellung wird Ueckers „Schattenspiel“ damit erstmalig entsprechend seiner Intention präsentiert. Nicht zuletzt musste ein Konzept für die Inbetriebnahme der Beleuchtung unter Berücksichtigung von Schulbetrieb und Folgekosten entwickelt werden. Ein Vertrag zur regelmäßigen Wartung ist in Vorbereitung. 11 16 Grafiken zeitgenössischer Künstler, u. a. von Dubuffet, Léger, Piene, Hoehme und Miró, hatte der Architekt Schneider-Esleben ursprünglich für die dezentrale Präsentation im Schulgebäude vorgesehen. Da die Werke aufgrund von Sicherheitsbedenken und ungeeigneten Präsentationsbedingungen nicht mehr in der intendierten Form präsentiert werden konnten, wurden sie durch qualitativ hochwertige Ausstellungskopien ersetzt. Die Originale befinden sich heute im Museum Kunstpalast. Bebilderte Wandtexte, die in die Geschichte der Rolandschule und in die Kunstwerke inhaltlich einführen, sollen dazu beitragen, die Werke stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung zu rücken. Sie richten sich an die erwachsenen Besucher, die anders als die Kinder nicht den intuitiv spielerischen Zugang zu Kunstobjekten finden. Erhaltungsstrategien Im Vergleich mit Kunstwerken in musealen Sammlungen müssen bei der Erhaltung von Kunst am Bau aufgrund der besonderen Auftrags-, Präsentations- und Rezeptionsbedingungen meist komplexe Einflussfaktoren und Zuständigkeiten respektiert werden. Da viele Werke für einen spezifischen Ort entworfen wurden, können sich Veränderungen des Umfeldes erheblich auf ihre Wahrnehmung auswirken und das Urheberrecht berühren. Kunst am Bau ist für die dauerhafte Funktion und Präsentation konzipiert und damit höheren Belastungen ausgesetzt. Während Museen zahlreiche Werke im Depot aufbewahren und mit wechselnden Präsentationen auf den Zeitgeist reagieren können, ist Kunst am Bau mit den funktionalen und ästhetischen Qualitäten des Gebäudes dauerhaft verbunden und bei Umbau- und Renovierungsmaßnahmen besonders gefährdet. Unsachgemäße Reinigungen oder Instandsetzungen führen oftmals zu größeren Folgeschäden. Zudem können sich Eigentümerwechsel, Nutzungsänderungen, neue Sicherheitsbestimmungen oder Standortwechsel erheblich auf die Erhaltung auswirken. Erhaltungsstrategien werden von Restauratoren in interdisziplinärer Zusammenarbeit entwickelt. Dabei werden nicht nur künstlerische Intentionen, verwendete Materialien und Techniken sowie der Zustand berücksichtigt, sondern auch die Risiken und Konsequenzen verschiedener Möglichkeiten zur Erhaltung unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren wie Authentizität, Ästhetik, Funktionalität, Sicherheit und Nachhaltigkeit abgewogen. Faktoren, die die Erhaltung von Kunst am Bau beeinflussen Neue Materialien und Technologien Konzeptuelle Komponenten, räumliche Spezifikationen, Installationen Präsentationsbedingungen, Aufsicht und Interaktion Urheber- und Nutzungsrechte Dokumentation, Zuständigkeiten 12 Eigentümerwechsel, Nutzungsänderungen � Zusammenarbeit zwischen Eigentümern, Künstlern, Architekten, Restauratoren u. a. � Betreuung, fachgerechte Pflege, Risikomanagement Wertschätzung und Vermittlung Studierende des Instituts für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft … … der Fachhochschule Köln bei der Festigung, Reinigung und Ergänzung der Farbfassung. Angesichts des aktuellen Zustands vieler Kunstwerke, die im Rahmen von „Kunst am Bau“ entstanden sind, erscheint es unabdingbar, in den nächsten Jahren der Bestands- und Zustandserfassung unbedingte Priorität einzuräumen, um in dieser Weise eine Grundlage für die Planung notwendiger Maßnahmen für den langfristigen Erhalt zu legen. Dabei sind die Erfassung äußerer Einflussfaktoren, eine Gefahrenbewertung und präventive Konservierungsmaßnahmen in das Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, um den Bestand vorrangig zu sichern. In einem weiteren Schritt können dann notwendige aktive Konservierungs- und gegebenenfalls Restaurierungsmaßnahmen an den Objekten vorbereitet werden. Dabei gilt es, nicht nur die Nutzer und das technische Personal, sondern auch die breite Öffentlichkeit einzubeziehen, um das Bewusstsein für die Kunstwerke zu befördern. Ohne angemessene Präsentationsbedingungen, kontinuierliche Pflege (Wartungsverträge) und die Wertschätzung durch Eigentümer, Nutzer und Öffentlichkeit können aufwendige Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen allzu leicht die beabsichtigte Wirkung verfehlen. Bei der Entwicklung von Erhaltungsstrategien zu berücksichtigende Faktoren Verwendete Materialien und Techniken Zustand und Geschichte des Werks Künstlerische Intention und Kontext Funktionalität Historizität Authentizität Ästhetik Bedeutung des Werks Rechtliche und finanzielle Aspekte Sicherheit Nachhaltigkeit Dank: Ich danke allen Projektbeteiligten für die produktive Zusammenarbeit, insbesondere: Anna Bannach, Tiziana Caianiello, Walter Dohmen, Jörg Heimeshoff, Maria Issel, Natalie Klein, Heinz Mack, Volker Maiworm, Senta Meiners, Jenny Nieberle, Otto Piene, Dirk Pörschmann, Torsten Proske, Carmela Savoia, Günther Thorn, Jenny Trautwein, Günther Uecker, Christiane Varchmin, Tijs Visser 13 Lutz Leide Kunst am Bau – Auch die damit verbundenen Aufgaben nehmen wir ernst! Mit dem Vollzug des Gesetzes über die BImA vom 09.12.2004 (BImAG) und dem bis 2012 resultierenden schrittweisen Eigentumsübergang nahezu aller inländischen Dienstliegenschaften der Bundesressorts auf die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ging auch die Verantwortung für die vorhandene und noch entstehende Kunst am Bau von den bisherigen Nutzern auf uns über. Hierzu gehören sowohl die Kunstwerke im Innen- als auch die im Außenbereich. Damit ist die BImA mit geschätzten 8.000 bis 10.000 Kunstwerken „im und am Bau“ nicht nur eine der größten Immobilienbesitzerinnen, sondern auch verantwortlich für einen bedeutenden Kunstbestand. Lutz Leide ist Leiter der Sparte Facility Management bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Neben den Hauptaufgaben Verwaltung, Bewirtschaftung und Bauen gehört auch die Kunst am Bau zu diesem Geschäftsbereich. Alles begann im Jahr 1952 mit der Auslobung des bundesweit ersten Kunstwettbewerbes zur künstlerischen Ausstattung des Erweiterungsneubaus (ehemaliges Altes Abgeordnetenhochhaus) für den Deutschen Bundestag in Bonn. Zur Ausführung kam damals ein Keramikrelief von Hannes Schulz-Tattenpach. Dieses Kunstwerk wird zurzeit im Auftrag der BImA im Rahmen der Sanierung und Herrichtung des Alten Abgeordnetenhochhauses für die Zwecke der Vereinten Nationen aufwendig restauriert. Parallel zu den derzeitigen Baumaßnahmen im und am Gebäude wurde in Anlehnung an den „Leitfaden Kunst am Bau“ vom BMVBS auch ein Kunst-am-BauWettbewerb ausgelobt. Für die Außenfassade und die Stirnwand des Treppenhauses fiel die Entscheidung dabei auf einen Entwurf von Michael Sailstorfer, der ein großes, kreisförmiges Außenthermometer vorgeschlagen hat. Dieses Thermometer soll später „wie ein Stempel“ zwischen dem fünften und sechsten Stockwerk angebracht werden. Somit wird im ehemaligen Alten Abgeordnetenhochhaus beispielhaft die Entwicklung der 60-jährigen Tradition von Kunst am Bau erlebbar sein. Sosehr die Kunst am Bau aber auch als Teil der Bauaufgabe berücksichtigt wurde und auch wird, sosehr ist sie auch mit zunehmendem Alter der Gebäude und dem Wechsel von Nutzern stellenweise in Vergessenheit geraten. Die Ursachen hierfür waren durchaus unterschiedlich, hatten in der Regel aber organisatorische und nicht zuletzt finanzielle Hintergründe. Seit Langem schon ist Kunst am Bau ein integraler Bestandteil von Neubauten des Bundes. So sind, entsprechend den Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau, Abschnitt K 7), sowohl bei Neubaumaßnahmen als auch bei 14 Emil Schumacher, o. T., 1970, Pappmaschee bemalt (links), Günther Uecker, o. T., um 1970, Nagelscheibe mit Beleuchtung und Elektromotor (rechts), Supraporten im ehemaligen Abgeordnetenhaus des Deutschen Bundestages in Bonn Maßnahmen im Bestand Mittel für die Kunst am Bau zu veranschlagen, wenn Zweck und Bedeutung der Baumaßnahme dies rechtfertigen. Je nach Bauwerkssumme wird hierzu ein Anteil von 0,5 bis 1,5 % der Bauauftragssumme berücksichtigt. Mit der Durchführung von weiteren Baumaßnahmen erhöht sich der Bestand an Kunstwerken somit permanent. Die große Herausforderung stellt für die BImA allerdings nicht der Wettbewerb oder die Installation neuer Kunst als Bauherr dar, sondern der fachgerechte Umgang als Eigentümer mit vorhandenen Kunstwerken. Nicht wenige Kunstwerke stehen zwischenzeitlich nicht mehr im Fokus der Betrachtung, werden nicht unterhalten oder sind ganz in Vergessenheit geraten. Sei es, dass sie im Außenbereich verwittern oder in einer Kellerecke „verschwunden“ sind. Als wesentlicher Schritt ist deshalb zuerst einmal eine einheitliche und durchgängige Katalogisierung und nicht zuletzt Identifikation aller Kunstwerke notwendig, um so auch einen vollständigen Überblick über Umfang, Art und vor allem Zustand der Kunstwerke zu gewinnen. Anschließend ist ein Plan für die Erhaltung und Instandsetzung aufzustellen. Nur so kann sichergestellt werden, dass erhaltenswerte Kunstwerke, die dringend saniert oder restauriert werden müssen, nicht verfallen und im schlimmsten Fall sogar für die nachfolgenden Generationen verloren gehen. Bei aller Wertschätzung für die Kunst darf aber nicht vergessen werden, dass Verwaltung und Unterhalt von Kunst auch mit Kosten verbunden sind, die bisher nicht bzw. kaum berücksichtigt wurden. Als Eigentümer soll die BImA Werken aller Kunstgattungen (Baukunst, Bildhauerei, Malerei, Grafik sowie Kunstgewerbe) und ihrer kunsthistorischen Bedeutung gerecht werden. Gleichzeitig ist die BImA aber auch ein wirtschaftlich handelnder Dienstleister des Bundes. Der Schwerpunkt dieser vielfältigen und spannenden Aufgabe liegt dabei in der wert- und kostenoptimierten Verwaltung von dienstlich genutzten Liegenschaften. Zukünftig muss die BImA darüber entscheiden, welche Kunstwerke zu welchem Zeitpunkt und mit welchem finanziellen Einsatz erhalten und instand gesetzt werden. Ebenso ist im Einzelfall der Umgang mit den Kunstwerken zu klären, die als nicht erhaltenswert eingestuft worden sind. Sei es, dass sie an den Künstler zurückgegeben oder in Absprache mit diesem anderweitig verwertet werden. Um den Fragen rund um das Thema „Kunst am Bau“ gerecht zu werden, ist deshalb ein enger Dialog zwischen BImA, dem 15 Ferdinand Kriwet, Lesewald, 1989, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) sowie den Bauverwaltungen der Länder, den Nutzern der Liegenschaften, Künstlern und Kunstsachverständigen erforderlich. Die BImA ist sich der Bedeutung, die mit dem Erhalt und der Förderung der Kunst am Bau zusammenhängt, sehr wohl bewusst. Sie wird die Kunstwerke angemessen und der künstlerischen Idee entsprechend betrachten, behandeln und dabei mit Rücksicht vorgehen. Im Umgang mit Kunst am Bau werden wir selbstverständlich auch die entsprechenden gesetzlichen Regelungen beachten, denn wie alle Kunstwerke unterliegt auch Kunst am Bau dem Urhebergesetz. Denkmalschutzrechtliche Auflagen sind ebenso zu berücksichtigen wie Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit. In diesem Zusammenhang muss die BImA zu hohen Erwartungen aber entgegentreten. Die BImA kann und wird nicht die Lösung für alle Fragen und Probleme im Umgang mit der Kunst am Bau bieten, die in der Vergangenheit aufgetreten sind bzw. nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgt wurden. So kann der vorhandene „Unterhaltsstau“ aus den letzten sechs Jahrzehnten nicht von heute auf morgen behoben werden. Auch wird sich zukünftig verstärkt die Frage nach der Kostenübernahme stellen, insbesondere für unterhaltsaufwendige Kunstwerke. Wobei es sich durchaus empfiehlt, dass sich zukünftig Entscheider und Künstler gleichermaßen bereits bei der Planung bzw. vor der Entstehung auch über die Folgekosten bzw. deren Deckung noch mehr Gedanken machen, als dies in Teilen in der Vergangenheit der Fall war. So wäre es beispielhaft denkbar, dass mit der Installation von Kunstwerken Paten gesucht und gefunden werden, die sich zur Übernahme von Unterhaltsmaßnahmen bereit erklären. Die BImA ist sich der ihr übertragenen verantwortungsvollen Aufgabe sehr bewusst. Deshalb nehmen wir diese Herausforderung gerne an und sind uns sicher, dass wir diesen Aufgaben in der Weise gerecht werden, dass der Bedeutung des Themas „Kunst am Bau“ ausreichend Rechnung getragen wird. 16 Werner Schaub Gibt es auch eine Verantwortung der Künstlerinnen und Künstler bei Kunst am Bau? Dass demokratisch verfasste Staaten ihre öffentlichen Bauten mit zeitgenössischer Kunst ausstatten, entspricht ihrem kulturellen Selbstverständnis. Und die Praxis der letzten Jahre bei Kunst am Bau belegt eine erstaunliche Vielfalt künstlerischer Lösungen. Dennoch kann der Bereich Kunst am Bau die jeweilige zeitgenössische Kunstszene nicht 1 : 1 abbilden. Denn die Mittel für solcherart Kunst sind gekoppelt an das finanzielle Volumen für die Erstellung eines Gebäudes, was besondere Bedingungen generiert. Der Bauherr kann erwarten, dass die hierfür zu schaffenden Kunstwerke nachhaltig angelegt, also hinreichend „robust“ angefertigt und dauerhaft funktionsfähig sind, ein Maßstab, der schließlich auch an das Gebäude selbst angelegt wird. Temporäre Werke etwa scheiden deshalb selbstredend aus. Hierin eine Einschränkung künstlerischer Freiheit zu sehen, ist verfehlt. Öffentliche Verwaltungsgebäude haben schließlich eine andere Funktion als Museen, Kunsthallen oder Kunstvereine, wo sich die künstlerischen Ideen ohne bauseitige Bedingtheiten frei entfalten können – sofern die jeweilige Chefetage dies programmatisch verfolgt. Und schließlich gibt es in Deutschland zahlreiche andere Fördermöglichkeiten wie etwa die Bundeskulturstiftung, die Stiftung Kunstfonds und viele andere Stiftungen, um auch solche künstlerischen Projekte zu unterstützen, die für Kunst am Bau nicht geeignet sind. Werner Schaub ist Künstler und Kunstpädagoge und Mitglied des Sachverständigenkreises Kunst am Bau beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Er ist Vorsitzender und Sprecher des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK), Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Bildende Kunst (IGBK) sowie Vorstandsmitglied der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst. Trotz der geforderten Nachhaltigkeit für Kunstwerke an Bauten hat der Eigentümer, die öffentliche Hand, pfleglich mit diesen umzugehen. Das ist nicht immer einfach, da es in der Regel an entsprechendem Fachpersonal in diesen öffentlichen Gebäuden mangelt. Es wäre sinnvoll, bei notwendigen Wartungsarbeiten oder gar Reparaturen die Künstlerinnen und Künstler damit zu beauftragen. Da hierfür oft keine Mittel im laufenden Haushalt zur Verfügung stehen, wäre es denkbar, die Urheber der Werke schon mit der Auftragsvergabe dazu zu verpflichten. Allerdings ist dies nur denkbar, wenn dafür ein gesondertes Honorar ausgewiesen wird. In jedem Fall aber ist es sinnvoll, wenn die Künstlerinnen und Künstler verpflichtet werden, bei der offiziellen Abnahme ihres Werks entsprechende Angaben über das Material, dessen Verarbeitung und die Konstruktion mitzuliefern, ebenso aber auch entsprechende Informationen über die „Bedienung“, z. B. bei Videoinstallationen, sowie Angaben über die Möglichkeit der Beschaffung von Ersatzteilen. Solche Informationen wären auch dann hilfreich, wenn bei erheblichen baulichen Veränderungen Werke anders oder neu platziert werden müssen und die Autoren der Werke, die in solchen Fällen stets zu befragen sind, nicht mehr zur Verfügung stehen. 17 Susanne Titz In die Jahre gekommen – Wer interessiert sich, wer kümmert sich, wer entscheidet dann? Kunst am Bau ist ein Zeichen für die Bedeutung, die die Kunst in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, im Aufschwung des Wirtschaftswunders und dem Umbruch der Gesellschaft in den vergangenen 60 Jahren gewonnen hat: Die bildende Kunst der Gegenwart, oft abstrakt und anspruchsvoll, manchmal schön, doch häufiger spröde und kühl, ist nicht mehr ein Antipode oder Outcast der Gesellschaft, sondern sie ist ein Teil derselben geworden. Sie repräsentiert und kommuniziert deren ästhetische und ethischkulturelle Ideale. Die großen Programme in den 1960er- und -70er-Jahren sind die eindrücklichsten Belege: als öffentliche Kunstförderung und bürgerliche Sinnstiftung, die sich in den öffentlichen Repräsentationsgebäuden, in Schulen und Ämtern abbildete. Susanne Titz ist Kunsthistorikerin und seit 2004 Direktorin des Museums Abteiberg in Mönchengladbach. Sie konzentriert sich auf eine Neubetrachtung der besonderen Ideengeschichte und Identität dieses Hauses, das als ein programmatisches Museum für Gegenwartskunst gebaut wurde und als erstes Museum der Postmoderne gilt. Zuvor war sie künstlerische Leiterin des Neuen Aachener Kunstvereins (1997–2004), realisierte viele Einzelausstellungen, retrospektive Projekte und interdisziplinäre Ausstellungskonzepte. Sie ist Mitglied des Sachverständigenkreises Kunst am Bau beim BMVBS. Die Organe der öffentlichen Hand (in der früheren Bundesrepublik Deutschland, der früheren DDR, in den 20 Jahren danach) haben mit ihren Aufträgen für Kunst am Bau eines der wohl größten vorstellbaren Museen geschaffen. Ein Bestand aus unzähligen Werken ist entstanden, anders als in Museen kaum erfasst, selten inventarisiert, eingelagert in kommunale, Landes- oder Bundesverantwortung, die jedoch im Grunde, qua Amt, gar nicht definiert worden ist: Es gibt keine Kuratoren, keine Direktoren, keine Restauratoren, lediglich Hausmeister, Gebäudetechniker, Anstreicher oder Gärtner, die mit ihnen befasst sind, oft ohne Wissen darüber, worum sie sich kümmern. Falls es keine Plaketten oder sonstigen Hinweise am Objekt gibt, weiß unter Umständen niemand mehr vor Ort, um was es sich handelt. Es gibt oft nur die Bauakten, und diese liegen fern in Archiven, häufig gewandert von Landes- zu Kommunalbauamt, je nach Werdegang und Nutzungsänderung der betreffenden Gebäude. Wir sind konfrontiert mit einer erneuten Entscheidung über den Wert jedes einzelnen Objekts von Kunst am Bau, das irgendwann im Verlauf der vergangenen 60 Jahre als wertvoll erachtet und angekauft wurde: Wir müssen entscheiden über Erhalt oder Zerstörung – dann, wenn eine Restaurierung notwendig wird oder wenn das Gebäude, in oder an dem sich das Kunstobjekt befindet, abgerissen wird. Ein Gebäude, das nicht unter Denkmalschutz steht, kann abgerissen und ersetzt werden durch ein neues Gebäude. Die Kunst darin indessen wird, obgleich sowohl urheberrechtlich als auch eigentumsrechtlich genau das Gleiche gilt, zu einem gesonderten Thema. Sie wird – so zeigen die Erfahrungen in der eigenen Stadt und jene von anderen Kollegen – zu einem ethischen, die Öffentlichkeit rührenden Problem: Wird man die Kunst am Bau gemeinsam mit dem Bau, für den sie erdacht, gemacht und bezahlt wurde, nun heute zerstören oder wird man sie (anders als das Gebäude drumherum) vor der Vernichtung retten? 18 Ansgar Nierhoff, o. T., 1989, Stelen im Garten des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn Es entsteht eine Situation, in der den lokal ansässigen Kunstmuseen eine große Bürde auferlegt wird. Wir, die Leute vom Fach, werden gefragt und können uns eigentlich nur falsch verhalten: Entweder stellen wir klar, dass Folgekosten der Kunst am Bau ein unabwendbares Schicksal sind und fordern für deren Erhaltung, Konservierung und verstärkte Außendarstellung ein neues Budget (denn aus den eigenen Museumsbudgets ist dieser Aufwand nicht zu leisten, anderenfalls riskieren wir die Bewältigung unserer Kernaufgaben). Das heißt Mehrbedarf, obwohl alle öffentlichen Hände der Schuldenbremse unterliegen. Oder wir beweisen Pragmatismus und bekennen damit, dass wir das Erbe der modernen Avantgarde mit Füßen treten. Wir reißen ab, unterlassen Konservierung und Restaurierung von wesentlichen Aspekten unserer modernen Vision von Kultur. Die Alternative unseres eigenen Handelns ist ebenso gemein wie real: Wird die öffentliche Hand Kostenträger oder Grabträger? Es muss zu Gremien kommen, in denen solche Fragen erörtert werden und das Risiko beider Extreme bekannt ist. Diese Gremien, Kunst- und Gestaltungsbeiräte, wie sie auch für den Erwerb von Kunst am Bau bzw. im öffentlichen Raum existieren, müssen ihre Argumente aus der Kunstgeschichte ziehen, nirgendwo anders her. Nur so können sie der Gefahr von Individualentscheidungen und Gefälligkeiten entgehen, können auch Härte in beide Richtungen demonstrieren. Indem sie fundierte Entscheidungskriterien für die Restaurierung bzw. auch Translozierung darlegen, kunsthistorische Werte erklären und in Relation setzen. Und indem sie das Dilemma öffentlich machen, Diskussionen provozieren, die produktiv für die gesellschaftliche Entscheidung werden. Auf dieser Ebene können dann auch lokale und sentimentale Kriterien hinzutreten, Bedürfnisse nach Konservierung und Erhalt, die sich als Bedürfnisse von gesellschaftlicher Verantwortung artikulieren und vielleicht auch neue Budgets herstellen. Der Wert von Kunst am Bau wird neu erkannt, dabei können interessante neue Existenzen entstehen, restaurierte, translozierte, privatisierte oder ebenso auch bewusst beendete, die durch starke Nachbilder leben. 19 Prof. Dr. Gerhard Pfennig Erhalt, Veränderung, Translozierung und Zerstörung von Kunst: die Bedeutung im Urheberrecht Man kann sich mit der Zerstörung von Kunst, um es direkt zu sagen, eigentlich nur beschäftigen, wenn man auch weiß, wie das Gesetz den Umgang mit der Kunst im Normalfall regelt. Nach dem Urheberrecht (UrhG) wird jedes Werk als ein untrennbarer Bestandteil der Persönlichkeit seines Urhebers begriffen. Es schützt den Urheber als Schöpfer eines „Werks“ und behandelt ihn als Träger von Rechten, die in der Regel auch nach dem Verkauf desselben bei ihm verbleiben. Voraussetzung für den Schutz der Werke ist allerdings, dass diese eine „eigene geistige Schöpfung“ darstellen. Das Urheberrecht untergliedert sich in die zwei großen Bereiche der Urheberpersönlichkeitsrechte und der Verwertungsrechte. Prof. Dr. Gerhard Pfennig ist Rechtsanwalt und Vorstand der Stiftung � Kunstfonds. Bis Dezember 2011 war � er geschäftsführendes Vorstands- mitglied der VG Bild-Kunst, der deutschen Verwertungsgesellschaft für bildende Kunst, Fotografie, Grafikdesign und Film. Er ist im Bereich der Entwicklung des Urheberrechts, insbesondere der Entwicklung der Verwertungsgesellschaften für bildende Kunst, Fotografie und Film � international tätig und Mitglied einschlägiger Fachgremien. Die Urheberpersönlichkeitsrechte Die Persönlichkeitsrechte als der erste großer Komplex des Urheberrechts regeln sozusagen den Mutter-Kind- oder Vater-Kind-Teil der Rechte. Sie sind nicht übertragbar, und ihre Ausübung steht demnach ausschließlich dem Urheber zu. Als erstes Persönlichkeitsrecht ist das Veröffentlichungsrecht zu nennen, das die Entscheidung darüber den Urhebern zuweist, wann ein Werk ein Werk ist, wann das Manuskript aus der Schreibstube des Autors wirklich als ein von ihm geschaffenes Werk der Literatur, der Sprachkunst, wie es das Gesetz sagt, in die Welt entlassen wird. � Die Anerkennung der Urheberschaft ist ein weiterer Aspekt der Persönlichkeitsrechte. � Künstlerinnen und Künstler können verlangen, dass, sofern ihr Werk irgendwo verwendet wird, ihr Name genannt wird. Gerade bei der Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum zeigt sich häufig das Problem, dass zwar ausgewiesen ist, wer sie gestiftet oder welche Behörde sie errichtet hat. Von welchem Künstler das Werk geschaffen wurde, steht jedoch oft nicht dabei. Das ist meist ein Versäumnis der Künstler, das dann dazu führt, dass Kunstwerke auf diese Weise anonymisiert werden, die Urheber in Vergessenheit geraten und später Schwierigkeiten im Umgang mit und der Pflege von Kunstwerken entstehen. Das Nennungsrecht dürfen und sollten Künstler (unbedingt) durchsetzen. Die Urheberpersönlichkeitsrechte schützen schließlich die Erhaltung der Integrität ihrer Werke, sie sichert den Künstlerinnen und Künstlern den Schutz vor verschiedenen Arten von Eingriffen in ihre Werke zu. Nach § 14 UrhG können z. B. Künstlerinnen und Künstler die Entstellung oder eine andere Art der Beeinträchtigung ihrer Werke verbieten, die geeignet ist, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. Ein Beispiel für die Entstellung von Kunstwerken ist das aus der DDR-Zeit stammende Relief am Kulturpalast in Dresden. Nach der Wende hat man an der Fassade vor das Relief ein grünes Netz gespannt. Dieses stellt urheberrechtlich gesehen 20 insofern einen Eingriff in das vorhandene Werk dar, als man dieses nicht mehr richtig erkennen kann. Der Künstler oder seine Erben könnten gegen die Stadt oder den Eigentümer des Kulturpalastes vorgehen und verlangen, dass dieser Eingriff zurückgenommen wird. Ein anderes Beispiel der Entstellung ist eine Stahlplastik mit dem Titel „Keilstück“ des Bildhauers Wilfried Hagebölling. Für einen Teil der Bevölkerung von Paderborn stellte die Plastik eine ziemliche Beeinträchtigung des optischen Eindrucks des Doms dar. Ein Bürgermeisterkandidat versprach vor einigen Jahren, dieses Objekt nach der gewonnenen Wahl entfernen zu lassen. Er wurde gewählt und ließ tatsächlich diese große Plastik vom Domplatz entfernen und auf einem Bauhof zwischen Schrott, Abfall und Baumaschinen einlagern. Der Künstler ging dagegen gerichtlich vor und klagte gegen die Stadt wegen Entstellung seines Kunstwerks, da es an einem das Persönlichkeitsrecht des Künstlers, sozusagen seine Ehre beschädigenden Ort aufbewahrt wurde. Er setzte seinen Anspruch durch und die Rechtsverletzung musste rückgängig gemacht werden. Unter den Begriff der Entstellung kann auch die unterlassene Pflege eines Kunstwerks durch den Bauherrn/Eigentümer fallen. Jeder Künstler/jede Künstlerin hat einen Anspruch auf die Wiederherstellung, sofern bei der Übergabe des Kunstwerks dieses tadellos funktionierte und vom Auftraggeber abgenommen wurde. Wenn dann ein Konstruktionsfehler vorliegt, gilt die übliche Gewährleistungsfrist von drei Jahren, sofern es sich um bewegliche Kunstwerke handelt. Sind sie fest mit dem Bau verbunden, beträgt die Frist fünf Jahre. Wenn der Bauherr jedoch die Frist verstreichen lässt, ist er selbst für die Betriebsfähigkeit des Werks verantwortlich. Eine weitere Art des Eingriffs stellt die Änderung eines Kunstwerks dar. Dies ereignet sich häufig bei architektonischen Werken, die im Urheberrecht als „Werke der Baukunst“ bezeichnet werden. Werkveränderungen können natürlich auch beim Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum auftreten, sofern in irgendeiner Form Anpassungen an besondere Bedürfnisse des Eigentümers vorgenommen werden müssen, an die zum Zeitpunkt des Kunsterwerbs nicht gedacht worden war. Sofern sich ein Bauherr von vornherein das Bearbeitungsrecht vorbehält, ist dieses im Vertrag mit dem Architekten festzuschreiben. Nach § 39 UrhG sind Änderungen von Kunstwerken nur dann zulässig, wenn sie vom Künstler bzw. Urheber nach Treu und Glauben nicht verweigert werden können. Restauratorische Arbeiten können im Normalfall nicht als Bearbeitung oder Änderung eines Werks bezeichnet werden, da sie nicht in die künstlerische Gestaltung, in das Werk selbst, in seine Substanz eingreifen. Der Restaurator wird ja beauftragt, eine zerstörte oder teilweise zerstörte Werksicht oder Werkschicht ganz wieder herzustellen. Dabei darf er allerdings nur das ursprüngliche Material verwenden. Wenn z. B. wie bei einem Werk von Joseph Beuys im Museum Schloss Moyland anstelle der Schokolade Pappe, die wie Schokolade aussieht, verwendet wird, dann liegt eine eindeutige Urheberrechtsverletzung durch einen Restaurator vor. Wenn schon die Entstellung eines Kunstwerks verboten ist, sollte es die Zerstörung erst recht sein. Die totale Zerstörung wird jedoch vom Gesetz nicht ausgeschlossen und stellt derzeit sozusagen die Umkehrung einer Entstellung dar. Sofern eine Entstellung nicht zurückgebaut und 21 das Kunstwerk in seinem ursprünglichen Zustand wiederhergestellt werden kann – so die Rechtsprechung – sind die Folgen (und damit das entstellte Werk) komplett zu beseitigen. In diesem Fall können Künstlerinnen und Künstler jedoch u. U. Persönlichkeitsrechte geltend machen, wenn die Beseitigung in diskriminierender Weise erfolgte. Die Zerstörung als Beseitigung der Entstellung eines Kunstwerks betraf eine Arbeit von Katharina Grosse, die sich als große Wandmalerei im Gebäude der Europäischen Zentralbank befand. Im Zuge einer Erweiterung dieses Gebäudes ließ die Versicherung, der das Gebäude gehört, eine Wand aufschneiden. Der an dieser Stelle befindliche Teil des Kunstwerks von Katharina Grosse wurde ausgeschnitten, auf eine Leinwand aufgezogen und im Gang, der sich dahinter öffnete, als Bild an die Wand gehängt. Inmitten der ursprünglichen Arbeit befand sich nach dem Eingriff eine Tür, durch die man hindurchgehen konnte. Auf unsere Anfragen zur Rechtmäßigkeit dieses Eingriffes in das Kunstwerk reagierte die Versicherung zunächst mit Unverständnis. Im Ergebnis jedoch musste die verbliebene Arbeit inklusive des herausgeschnittenen Bildes zerstört werden. Urhebernutzungs- und -verwertungsrechte Den zweiten großen Komplex des Urheberrechts bilden die Nutzungs- und Verwertungsrechte. Künstlerinnen und Künstler können als Urheber/innen eines Kunstwerks anderen das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten bezogen exklusiv oder in einem bestimmten Einzelfall zu nutzen. Auch Erben oder eine Verwertungsgesellschaft, sofern der Urheber/die Urheberin diesen seine/ihre Rechte zur Wahrnehmung anvertraut hat, können Nutzungsgenehmigungen übertragen. Die wichtigsten Verwertungsrechte sind das Reproduktions- bzw. Abbildungsrecht sowie das Verbreitungsrecht. Alle Nutzungsrechte verbleiben auch nach dem Verkauf von Werken oder bei der Erfüllung eines Auftrags im Falle der Kunst im Zusammenhang mit Gebäuden immer zunächst beim Urheber bzw. der Urheberin – sofern keine ausdrücklich anderen vertraglichen Vereinbarungen getroffen wurden. Lediglich das Ausstellen eines erworbenen Werks durch den neuen Eigentümer wird vom Gesetz gestattet. Es ist also nicht so, dass jemand, der ein Gemälde kauft, auch das Recht erwirbt, dieses Gemälde zu reproduzieren. Neben einem umfassenden Schutz des Urhebers sieht das UrhG in einigen Fällen im öffentlichen Interesse zur Förderung von Bildung, Information und Kultur einen erleichterten Zugang von Nutzern zu geschützten Werken vor. Hierbei ist die Nutzung in einigen Fällen kostenlos möglich, während in den meisten Fällen eine „angemessene Vergütung in pauschaler Form“ über Verwertungsgesellschaften an die Urheber fließt. Zu ersterem Komplex zählen die Nutzung zur wissenschaftlichen Arbeit und zur Presseberichterstattung. Auch die Reproduktion von Kunstwerken ist, sofern sie bleibend an öffentlichen Wegen, Plätzen und Straßen aufgestellt sind, durch jedermann auch zu gewerblichen Zwecken, allerdings nur unverändert, ohne Entrichtung von Gebühren möglich. Bleibend heißt sozusagen fest verankert. Von einem öffentlichen Raum spricht man, wenn das Kunstwerk für jeden frei zugänglich bzw. einzusehen ist. Die Abbildung von Innenräumen fällt hingegen unter das Urheberrecht des Architekten und bedarf zusätzlich einer gesonderten Regelung. Vervielfältigungen zum privaten und wissenschaftlichen oder Schulgebrauch sind meist gegen Pauschalgebühr, aber ebenfalls ohne gesonderte Zustimmung der Urheber gestattet. 22 Katharina Grosse, o. T., Acryl auf Wand, Eurotower, Frankfurt am Main, 1997 (Kunstwerk vor dem Eingriff und der Zerstörung) Das heutzutage wichtigste Verwertungsrecht ist das Recht der digitalen Werkübermittlung im Internet, juristisch „öffentliche Zugänglichmachung“ genannt. Dieses stellt gegenüber dem Print-Publikationsrecht eine eigene rechtliche Regelung dar. Es sichert den Urhebern das Recht zu, über die Einstellung eines Werks in das Internet oder Intranet zu entscheiden. Das „InsInternet-Stellen“ von Kunstwerken ist die eine Komponente dieser digitalen Werkübermittlung. Das Ansehen und Herunterladen durch den Nutzer ist die zweite. Die Verbreitung von Kunstwerken über das Internet, auch wenn sie im öffentlichen Raum stehen, ist demnach genauso an einen Rechtserwerb gekoppelt wie die simple Reproduktion auf Papier und bedarf der vertraglichen Regelung mit den Künstlerinnen und Künstlern. Zusammenfassung Jegliche angestrebten Formen des Umgangs mit und der Verwendung von Kunstwerken berühren, wie geschildert, die Regelungen des Urheberrechts und sind nicht ohne die Konsultation/Zustimmung der Künstlerinnen und Künstler vorzunehmen. Die klare Botschaft lautet: Das Urheberrecht bildet eine Klammer zwischen dem schöpferischen Menschen und seinem Werk und ist, wenn man so will, ein scharfes Schwert der Künstler. Die Urheberpersönlichkeits- und -verwertungsrechte können zu Lebzeiten der Urheber von diesen, nach ihrem Tod von ihren Erben durchgesetzt werden. Erst 70 Jahre nach dem Ableben des Urhebers bzw. der Urheberin erlöschen diese Rechte. Danach kann jedermann Werke nutzen, auch kommerziell. Bei Fragen des Erhalts, der Veränderung, Translozierung und Zerstörung von Kunst ist es demnach unbedingt ratsam, die Künstler mit einzubeziehen. Die im „Leitfaden“ zusammengefassten Vorschläge zum Umgang mit der Kunst stellen meines Erachtens diesbezüglich eine gute Handreichung dar, auf die ich Personen bzw. Ministerien nur verweisen kann, wenn sie Änderungen, Umsetzungen oder die Abgabe von Kunstwerken, die im Rahmen der Kunst-am-Bau-Wettbewerbe oder direkt erworben wurden, in Erwägung ziehen. 23 Zehn wichtige Fragen und Antworten zum Umgang mit Kunst am Bau 1. Was ist Kunst am Bau? Mit Kunst am Bau werden Kunstwerke bezeichnet, die im Rahmen einer Baumaßnahme für Institutionen von gesamtstaatlicher Bedeutung beauftragt und aus dem Bauetat bezahlt werden. Sie werden speziell für den jeweiligen Ort geschaffen und weisen einen besonderen Bezug zur Architektur oder zur Nutzung auf. Die Kunstwerke stammen von renommierten Künstlerinnen und Künstlern, deren Entwürfe in der Regel in einem Wettbewerbsverfahren von einer Fachjury ausgewählt wurden. 2. Wer ist zuständig für Kunst am Bau? Wichtiger Ansprechpartner bei allen Fragen rund um Kunst am Bau ist die Bauverwaltung, die für alle Bauwerke fachlich zuständig ist. Der Nutzer des Bauwerks sowie der Eigentümer der Kunst am Bau sind in der Pflicht, die Kunstwerke würdig zu präsentieren, sie angemessen zu pflegen und zu unterhalten. Die Bauverwaltung koordiniert und berät. Etwaige Schäden an der Kunst können im Rahmen der regelmäßig vorzunehmenden Baubegehung frühzeitig festgestellt und fachgerecht behoben werden. Die Finanzierung der nötigen Maßnahmen kann über den Bauunterhalt bzw. den Baubedarfsnachweis erfolgen. 3. Wie steht es um Kunst am Bau in Ihrem Bereich? Wenn sich auf Ihrem Grundstück oder in Ihrem Gebäude großformatige Kunst befindet, handelt es sich wahrscheinlich um Kunst am Bau. Entsprechende Hinweise (Beschriftung, Erläuterungen) finden sich oft am Kunstwerk selbst; weitere Unterlagen könnten in Ihrem Haus vorliegen, da in der Regel die Leitung der Institution in den Kunst-am-Bau-Wettbewerb eingebunden war. Wenn nicht, fertigen Sie bitte nach Möglichkeit ein Foto und eine kurze Beschreibung des Kunstwerks mit Angaben zu Art, Material, Größe, Signatur, Standort im Gebäude und etwaigen Schadensbildern an und kontaktieren Sie die Bauverwaltung bzw. das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, bei dem die Kunst-am-Bau-Zentraldatei geführt wird. 4. Wie ist Kunst am Bau zu pflegen und zu unterhalten? Bei der Übergabe von Kunst am Bau an die nutzende Institution werden von der Bauverwaltung in der Regel Übergabeprotokolle angefertigt, die Informationen wie etwa Erläuterungen zum Kunstwerk, Angaben zu Lebensdauer und Verschleißteilen, Pflegehinweise etc. zu den Kunst-am-Bau-Werken enthalten. Falls kein Übergabeprotokoll vorliegt, fragen Sie bitte bei der zuständigen Bauverwaltung entsprechend nach bzw. erkundigen Sie sich, welche Maßnahmen erforderlich sind und von wem diese durchgeführt werden können. Als Nutzer werden Sie gebeten, die Kunst am Bau auch unabhängig von den Baubegehungen regelmäßig zu kontrollieren und etwaige Zustandsveränderungen schriftlich und fotografisch festzuhalten. 5. Was ist zu tun, wenn die Kunst am Bau beschädigt ist? Für Kunst am Bau besteht vonseiten der Künstler eine Gewährleistungsfrist von üblicherweise drei bis fünf Jahren. Bei produktionsbedingten Unzulänglichkeiten oder Nichtfunktionieren technischer Elemente des Kunstwerks wenden Sie sich bitte an die zuständige Bauverwaltung, um gemeinsam mit dem Eigentümer des Kunstwerks und der Künstlerin oder dem Künstler eine Lösung zu finden. Altersbedingte Schäden von Kunst am Bau erfordern eine sachgemäße Restaurierung oder Instandsetzung mit dem Ziel, das Kunstwerk in seinem Bestand und seiner Funktion zu erhalten, ohne seine Erscheinung oder Materialien zu verändern. Für die Durchführung der Maßnahmen sind Restauratoren die richtigen Ansprechpartner. 24 6. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für Kunst am Bau? Kunstwerke sind wie alle schöpferischen Leistungen urheberrechtlich geschützt, um sie vor unzulässigen Eingriffen und Entstellungen zu bewahren. Dies bedeutet, dass grundsätzlich keine Veränderung an Gestalt und Material des Kunstwerks vorgenommen werden darf und alles unterlassen werden sollte, was die visuelle Integrität des Kunstwerks beeinträchtigen kann. 7. Was ist bei Verkauf, Umnutzung oder Umbau im Hinblick auf Kunst am Bau zu berücksichtigen? Verkauf oder Umnutzung haben keine urheberrechtlichen Auswirkungen auf die Kunst am Bau, solange sich das räumliche Umfeld nicht verändert; die neuen Nutzer oder Eigentümer sollten freilich über das Vorhandensein von Kunst am Bau und deren Pflege und Unterhalt informiert werden. Nutzungswechsel erfordern oft Sanierungs- oder Umbaumaßnahmen, die Auswirkungen auf die Kunst haben können. Hierbei gilt es nicht nur, eine direkte Beschädigung des Kunstwerks durch die Bauarbeiten zu vermeiden, sondern auch urheberrechtliche Fragen zu berücksichtigen, wenn beispielsweise die unmittelbare Umgebung des Kunstwerks maßgeblich verändert oder infolge von Abbrucharbeiten gar die Umsetzung der Kunst am Bau erwogen wird. Nehmen Sie in diesen Fällen bitte dringend mit der Bauverwaltung Kontakt auf, um die Künstlerin oder den Künstler in die Umgestaltung einzubinden. 8. Was ist zu tun, wenn Kunst am Bau heimatlos wird? Kunst am Bau lebt entscheidend vom baulichen und institutionellen Kontext, sodass sie so lange wie möglich am ursprünglichen Ort verbleiben soll. Wenn dies nicht möglich ist, sollten Sie mit der Bauverwaltung alle Varianten prüfen, um die Zerstörung eines Kunstwerks zu vermeiden. Anzustreben ist die Versetzung des Kunstwerks an einen anderen bundeseigenen Standort – idealerweise mit vergleichbarem Nutzungskontext. Alternativ ist die Weitergabe an öffentliche Institutionen wie Länder, Kommunen oder Museen zu erwägen, um die Kunst in öffentlichem Besitz zu halten. Auch hierzu ist eine Abstimmung mit der Künstlerin oder dem Künstler ratsam, um mögliche Konflikte zu vermeiden. Wenn die Aufgabe der Kunst trotz aller Bemühungen unabwendbar ist, sollte der Künstlerin oder dem Künstler das Kunstwerk zur Rücknahme angeboten werden. 9. Was kann getan werden, um das Wissen über Kunst am Bau zu fördern? Kunst am Bau kann durch ihren Orts- und Objektbezug dazu beitragen, die Akzeptanz und Identifikation von Nutzern und Öffentlichkeit mit ihren Institutionen zu stärken. Daher ist es wichtig, das Wissen über Kunst am Bau zu verbreiten. Dazu können Sie aktiv beitragen, indem Sie im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit die Kunst am Bau Ihren Kollegen, Mitarbeitern und Gästen vorstellen. Nutzen Sie die Möglichkeit, die Künstler zu einer Präsentation einzuladen, oder den Tag der offenen Tür, um über Ihre Kunst am Bau zu informieren. Auch Jahresberichte oder der Internetauftritt Ihres Hauses sind geeignete Medien zur Vermittlung. 10. Was sind die Grundlagen für Kunst am Bau? Kunst am Bau wird seit 1950 bei Baumaßnahmen des Bundes im In- und Ausland realisiert. Grundlage hierfür ist der Abschnitt K 7 der „Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes“ (RBBau), den Sie auf den Internetseiten des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (www.bbr.bund.de, Rubrik „Baufachlicher Service“) finden. Als ergänzende Handreiche dazu hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung den „Leitfaden Kunst am Bau“ entwickelt, den Sie ebenfalls dort abrufen können. Eine aktualisierte Neuausgabe des „Leitfadens Kunst am Bau“ ist in Vorbereitung. 25 v.l.n.r.: Dr. Gregor Langenbrinck (Moderation), Prof. Dr. Gunnar Heydenreich, Lutz Leide, Susanne Titz, Dr. Ute Chibidziura, Werner Schaub Podiumsdiskussion Dr. Gregor Langenbrinck Am 01.01.2012 übernimmt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) schrittweise das Eigentum an nahezu allen inländischen zivilen und militärischen Dienstliegenschaften der Bundesressorts. Herr Leide, über wie viele Gebäude sprechen wir da eigentlich? Lutz Leide Zunächst ist es nicht so, dass die Liegenschaften erst Anfang nächsten Jahres (Anm. d. Red.: 2012) zu uns kommen, sondern wir sind bereits heute für einen Großteil dieser vielen Objekte zuständig. Die Dimensionen sind dabei beachtlich: Derzeit verwalten wir ca. 50.000 Liegenschaften und sind verantwortlich für eine Fläche von rund 15 Mio. Quadratmeter Geschossfläche, die sich bis 2013 noch auf rund 37 Mio. Quadratmeter erhöhen wird. Die damit verbundenen Aufgaben machen es uns verständlicherweise nicht ganz einfach, das Thema „Kunst am Bau“ von heute auf morgen vollumfänglich zu berücksichtigen. Dr. Gregor Langenbrinck Viele Verantwortliche der Liegenschaften wissen nicht genau, welcher Abteilung sie Kunst am Bau zuordnen sollen. Wie wollen Sie das Thema „Kunst am Bau“ anpacken? Lutz Leide Die Dimension der zukünftigen Aufgaben im Umgang mit Kunst am Bau ist erst nach intensiven Gesprächen mit Frau Dr. Chibidziura vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) deutlich geworden. Meine erste Frage war damals: Was kommt da eigentlich auf uns zu? Denn 26 durch den einen oder anderen Nutzerwechsel sind Dokumentation, Unterhalt und Instandhaltung von Kunst am Bau in der Vergangenheit stellenweise in Vergessenheit geraten bzw. nur stiefmütterlich behandelt worden. Dies mussten wir bei der einen oder anderen Übernahme von Liegenschaften leider feststellen. Soweit noch nicht vorhanden und erkennbar bzw. angesprochen, wurde bei den bereits übernommenen Liegenschaften von unseren Mitarbeitern die Kunst am Bau aber wenigstens schon einmal erfasst. Fragen zu Erhalt und Unterhalt der Kunstwerke konnten wir flächendeckend bisher allerdings noch nicht angehen. Wir stellen uns dieser Aufgabe jetzt gerne, aber nicht, ohne das Thema der Finanzierung auch intensiv zu hinterfragen. Dr. Gregor Langenbrinck Für Unterhalt und Restaurierung werden Mittel zur Finanzierung benötigt? Lutz Leide Genau! Dies ist sicher auch ein Grund mit dafür, dass das eine oder andere Kunstwerk in der Vergangenheit vernachlässigt wurde. Weder in der Vergangenheit noch heute gab bzw. gibt es in den Bauunterhaltsbudgets eine eigene Position für den Unterhalt und die Instandsetzung von Kunstwerken. Grundsätzlich ändert sich mit dem vollzogenen Eigentümerwechsel deshalb erst einmal nichts. Dr. Gregor Langenbrinck Frau Chibidziura, wie stellt sich die Situation aus Sicht der Nutzer der Liegenschaften dar? Das BBR ist ja selbst solch ein Nutzer. Dr. Ute Chibidziura Die Nutzer sind ja sehr unterschiedlich, denn der Bund hat seit 1950 nicht nur bei Baumaßnahmen für die Obersten Bundesbehörden Kunst am Bau umgesetzt, sondern auch bei Bauten für zahlreiche Institutionen, die gesamtstaatliche Aufgaben übernehmen. Dementsprechend reicht die Bandbreite der Nutzer von Ministerien und Botschaften über Bundesämter, Gerichte, Forschungs- und Kulturinstitute bis hin zu Bundespolizei und Bundeswehr. Umgekehrt kann man die Kunst am Bau an den Bauten des Bundes als riesige Sammlung zeitgenössischer Kunst verstehen, die allerdings auf unzählige Orte im In- und Ausland verteilt ist. Mit der Übertragung der Bundesliegenschaften an die BImA sind die Bauten – und die damit verbundene Kunst am Bau – ins Eigentum der BImA übergegangen, sodass die BImA heute faktisch die größte Kunstbesitzerin Deutschlands ist. Mit der Abgabe der Liegenschaften an die BImA haben die bisherigen Nutzer der Liegenschaften ihren sogenannten Bautitel verloren, also das Geld, das zum Unterhalt der Gebäude und damit auch der Kunst-am-Bau-Werke bislang zur Verfügung stand, da sie ja nicht mehr Eigentümer ihrer Liegenschaften, sondern nur noch Mieter sind. Für die Nutzung der Liegenschaften führen sie ortsübliche Mietpreise an die BImA ab und erwarten daher auch, dass die BImA als Eigentümerin und Vermieterin die Gebäude und die Kunst am Bau entsprechend unterhält und auch eine ggf. notwendige Restaurierung durchführt. 27 Wolfgang Nestler, o. T., 1989, sechsteilige Raumarbeit für Foyer und geschossübergreifende Erschließungsbereiche, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Bonn Dr. Gregor Langenbrinck Demzufolge müsste also eigentlich Geld da sein. Wenden wir uns der Herausforderung „Restaurierung“ direkt zu. Herr Heydenreich, wie kann diese angepackt werden? Prof. Dr. Gunnar Heydenreich Für uns besteht die erste Herausforderung darin, den Bestand zu erfassen. Damit verbunden ist eine Kategorisierung und das Bewerten des Zustandes der Kunst-am-Bau-Werke durch uns Restauratoren. Die Auswertung der Bestandsaufnahme erlaubt Rückschlüsse, ob das Werk im jetzigen Zustand z. B. von äußeren Einflüssen akut bedroht ist. So kann man erste Schlussfolgerungen ziehen, ob und, wenn ja, welcher Restaurierungsbedarf besteht. Vielleicht ist dieser ja wesentlich geringer als vermutet. Dr. Gregor Langenbrinck Vielleicht ist er aber auch so hoch, dass man sich fragen kann, ob ein Kunstwerk überhaupt zu erhalten ist. Prof. Dr. Gunnar Heydenreich Auch das. Es bleibt zu hinterfragen, inwieweit sich ein sehr hoher Restaurierungsaufwand rechtfertigen lässt, vor allem dann, wenn – überspitzt gesagt – dadurch zehn andere Werke gar nicht erhalten werden können. Da entsteht eine spannende Diskussion, an der Fachleute aus unterschiedlichen Disziplinen beteiligt werden sollten. Ziel ist es sicherlich, Kunstwerke nicht zu schnell und zu leichtfertig aufzugeben, die dann unwiderruflich verloren sind. 28 Werner Schaub Ich denke, Sie haben recht: Wir müssen stärker abwägen; die Frage ist eher, wie wir das machen. Ich könnte mir vorstellen, dass zum einen die Kunst-am-Bau-Jurys schon bei den eingereichten Entwürfen auf den Erhaltungsaufwand eingehen und auch einmal die Empfehlung aussprechen, ein Kunstwerk nicht zu realisieren. Im Hinblick auf Erhaltung und Restaurierung wäre es zudem eine Überlegung, dass Gremien eingerichtet werden, die darüber entscheiden, was im Hinblick auf den Aufwand erhaltenswert ist und was nicht. Dr. Gregor Langenbrinck Um Aufwand und Nutzen besser einschätzen zu können und vielleicht auch um konkret mit Know-how zu unterstützen, könnten Museen und andere lokal ansässige Institutionen eingebunden werden. Frau Titz, als Direktorin des Städtischen Museums Abteiberg in Möchengladbach: Haben Sie diesbezüglich bereits Erfahrungen gemacht? Susanne Titz Das haben wir. In vielerlei Hinsicht ist so eine Unterstützung jedoch nicht so einfach herstellbar. Wenn man die gesamte Kunst am Bau in Deutschland zusammen betrachtet – und ich glaube, das muss man – handelt es sich um eines der größten Museen, die es überhaupt gibt. Nur hat dieses Museum weder Direktoren noch Kuratoren. Aus Sicht der Nutzer von Liegenschaften ist es daher natürlich sinnvoll, vor Ort Fachleute zu befragen. Tatsächlich – und ich glaube, ich kann diesbezüglich auch für viele Kollegen sprechen – werden in den vergangenen Jahren zunehmend entsprechende Anfragen an uns gestellt. Letztlich können wir uns aber Kunst am Bau oder auch Kunst im öffentlichen Raum nicht so widmen, wie es vermutlich notwendig wäre. Denn das hieße, neben der Versorgung der eigenen Sammlung eine weitere Arbeitsebene mit vielen Außenterminen einzurichten. Dr. Gregor Langenbrinck Gibt es weitere Punkte, die für eine solche Unterstützung berücksichtigt werden müssten? Susanne Titz Erschwerend erweist sich sicherlich auch der bereits von Herrn Heydenreich benannte Punkt, dass viele Werke der Kunst am Bau kaum oder gar nicht dokumentiert sind. Sie sind richtige Mysteriosa. Dem Grunde nach wäre es notwendig, sie zunächst einmal wissenschaftlich-konservatorisch zu erfassen. Doch das ist extrem arbeitsintensiv. Und das passt zudem zu keiner Stellenbeschreibung. Damit im Zusammenhang steht ein weiterer Punkt: das Budget. Wer zahlt wofür? Das hat einen gesellschaftlichen Bezug: Welchen Wert messen wir als Gesellschaft diesem Kunst-am-Bau-Museum bei? Und wie gehen wir damit um, dass wir uns um diesen Wert und auch um den Werterhalt kümmern müssen? Da stellt sich für mich die Frage, ob die BImA mit einem Budget operieren kann, und ob sie für die Instandhaltung Geld einkalkuliert. 29 Dr. Gregor Langenbrinck Geld und Zeit als Herausforderungen – Herr Leide, das, was Frau Titz dargestellt hat, deutet doch die Möglichkeit einer Art Kooperation zwischen BImA und Museen bzw. weiteren geeigneten Institutionen an? Lutz Leide Sicherlich sind Kooperationen eine sinnvolle Überlegung. Ich möchte aber festhalten, dass eine Reihe der Bedenken, die momentan an die BImA herangetragen werden, so nicht berechtigt sind. Der oftmals schlechte Zustand von Bestandsimmobilien ist nicht zuletzt dadurch begründet, dass die für die Instandhaltung zur Verfügung stehenden Mittel entweder nicht ausgereicht haben oder andere Prioritäten gesetzt wurden. Und dass der Kunstunterhalt nicht die oberste Priorität hatte, ist wohl nachvollziehbar. Uns ist durchaus bewusst, dass sich die BImA jetzt auch mit dem Thema „Kunst“ auseinandersetzen muss. Und im Hinblick auf das Erfassen arbeiten wir bereits daran – das hatte ich schon erwähnt. Allerdings kann es auch nicht sein, dass die BImA plötzlich all das leisten und kompensieren soll, was in der Vergangenheit vernachlässigt wurde bzw. überhaupt nicht stattgefunden hat. Dr. Ute Chibidziura In der Tat hat eine übergreifende Erfassung und Darstellung bzw. Beschäftigung mit Kunst am Bau bislang nicht in der Form stattgefunden, wie es hätte sein sollen. Das liegt zum einen am breit aufgestellten öffentlichen Bauwesen der Bundesrepublik Deutschland. Denn die Bauten des Bundes werden sowohl vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) als auch von den verschiedenen Landesbauämtern geplant und ausgeführt, die jedoch seit 1950 infolge politischer und gesellschaftlicher Veränderungen z. T. sehr grundlegend umstrukturiert worden sind. Zum anderen liegt es an der besonderen Bindung der Kunst am Bau ans jeweilige Bauwerk, die auch den rechtlichen Rahmen vorgibt. So sind z. B. die Berichts- und Aufbewahrungspflichten von Unterlagen an Gewährleistungsfristen orientiert, nach deren Ablauf die Unterlagen entsorgt werden können. Dies nur, um die Komplexität der Aufgabe anzudeuten, eine Gesamterfassung rückwirkend zu leisten. Die seit 2005 an Bauten des Bundes umgesetzte Kunst am Bau ist sehr gut dokumentiert; in Teilen haben wir auch den älteren Bestand bereits detailliert erfasst; gleichwohl gibt es noch große Lücken, an denen wir arbeiten und die wir sukzessive schließen. Wenn ich mir die durchschnittliche Bestückung mit Kunst am Bau vor Augen führe, reden wir insgesamt über 8.000 bis 10.000 Kunstwerke, die im Auftrag des Bundes seit 1950 entstanden sind. Diese alle zu erfassen ist eine große Aufgabe, die wir nur gemeinsam schaffen können. Werner Schaub Ich möchte für das BBR und insbesondere für Frau Dr. Chibidziura eine Lanze brechen. Sie haben ja bereits mit einer Bestandsaufnahme begonnen. Die Zahlen zeigen uns: Das ist eine Mammutaufgabe, die nur mit hohem Personalaufwand zu leisten ist. Der von Frau Titz als größtes Museum Deutschlands bezeichneten Kunst-am-Bau-Sammlung fehlen nicht nur Direktoren und Kuratoren, 30 sie hat zusätzlich auch noch Tausende von Standorten. BBR und BImA müssten bei dieser Dimension ja ein ganzes Team an Leuten haben, das zusammenarbeitet. Meine Frage an Herrn Leide wäre, ob denn so etwas vorgesehen ist? Lutz Leide Für ein Team, das sich ausschließlich mit Kunst am Bau beschäftigen kann, fehlt uns – zumindest im Moment – einfach die finanzielle Ausstattung. Frau Dr. Chibidziura hat ausgeführt, dass die Kosten für Instandsetzung und Unterhalt von Kunst am Bau aus dem Bauunterhalt gedeckt werden sollten. Durch die Überführung der Liegenschaften an die BImA schaffen wir diesbezüglich erst einmal keine neuen Verhältnisse. Die strukturellen Veränderungen im Umgang mit den Bundesliegenschaften erfolgten vor dem Hintergrund, dienstlich genutzte Liegenschaften des Bundes wert- und kostenoptimiert zu verwalten. Das beinhaltet selbstverständlich auch, dass alle Ausgaben kritisch hinterfragt werden und primär Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten standhalten müssen. Und hierzu zählt nun mal auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Ausgaben für Instandhaltung und Unterhalt von Kunst am Bau. Dr. Gregor Langenbrinck Stellen wir die Finanzierungsfrage einen Moment zur Seite. Könnte ein Anfang nicht sein, dass auf den jährlich stattfindenden Rundgängen durch die Liegenschaften en passant die Objekte integriert werden, sie kurz auf ihren Zustand hin betrachtet und so falls nötig auch erfasst werden? Lutz Leide Das ist sicher ein Weg, über den man nachdenken sollte. Ich möchte aber insgesamt nicht den Eindruck erwecken, dass wir das Thema „Kunst am Bau“ um des Sparens willen außer Acht lassen wollen. Ich wäre nicht hier, wenn wir diesen Weg nicht unterstützen, dem Thema keine Bedeutung zumessen würden. Wir wissen um dessen gesellschaftspolitische Bedeutung. Mir ging es darum, die finanziellen Rahmenbedingungen ein klein wenig anzureißen, auch um einen Horizont möglicher Entwicklungen zu geben. Alf Lechner und Leo Kornbrust, o. T., 1983 –1989, Platzgestaltung aus Basalt, Backstein, Granit und Stahl sowie Akazien, Linden und Kastanien, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bzw. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in Bonn 31 Otto Herbert Hajek, Farbwege durchdringen den Raum, 1989, Öl auf Leinwand, Bildreliefwand im Foyer, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Bonn Prof. Dr. Gunnar Heydenreich Das sich wandelnde gesellschaftliche Bewusstsein für Kunst ist ein zentraler Punkt. Ich möchte an Frau Titz anschließen: In der Vergangenheit ging man davon aus, dass Kunst in der Regel etwas Dauerhaftes, in Bronze Gegossenes, in Stein Gemeißeltes oder mit Ölfarben Gemaltes ist – und sehr lange hält. Der Aufwand, diese Kunst zu erhalten, ist vergleichsweise gering. Die moderne und zeitgenössische Kunst folgt diesem Paradigma der Dauerhaftigkeit nur noch selten. Heute werden auch Werke produziert und angekauft, die aus instabilen Materialien bestehen und viel Technik beinhalten. Und diese Technik generiert Herausforderungen: Überlegen Sie nur, in welch kurzen Zyklen z. B. Datenträger entstehen und verschwinden. Da kommt ein großer Kostenfaktor auf uns zu, wenn multimediale Werke längerfristig erhalten werden wollen. Dieser Aspekt wird auch bei Kunst am Bau oftmals nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt. Meines Erachtens sollte bereits beim Ankauf von Kunst am Bau mehr auf die Folgekosten geachtet werden und vor allem darauf, dass diese mit budgetiert werden. Dann kommt im Nachhinein auch nicht die Frage auf, wo das Geld für die Pflege und die Restaurierung herkommen soll. Damit würde die Entscheidung für den Ankauf eines Kunstwerks aus instabilen Materialien oder teuren technischen Komponenten bewusster getroffen. Selbstverständlich können auch Kunstwerke angekauft werden, die nach zehn Jahren nicht mehr zu unterhalten sind. Unseren Auftrag als Restauratoren sehe ich nicht darin, zu verhindern, aber doch bei Entscheidungsfindungen zu unterstützen und auf bestimmte Risiken hinzuweisen. Ich denke, das Bewusstsein für diese Zusammenhänge zu schärfen, ist essenziell. Susanne Titz Um das Bewusstsein zu schärfen, ist sicherlich auch eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit nötig. Herr Leide, Sie sprachen von der Finanzierung. Dabei geht es heute auch um Controlling und das Gebot des Sparens. Das gleiche Problem des Unterhalts haben ja parallel auch die 32 Kommunen. Politische Interessen und Nöte der Haushaltssicherung sind zu berücksichtigen. Ich denke jedoch, dass die Frage der Sicherung von Kunst am Bau auch eng mit der Frage verbunden ist, was für einen Wert wir dem kulturellen Erbe beimessen. Es bedarf einer umfassenden Wertschätzungsdiskussion. Denn es hat sich ein ganz bizarrer Prozess ereignet: Seit den 1960er- und 1970er-Jahren haben wir verstärkt öffentlichen Kunstbesitz angesammelt, haben Künstler dazu veranlasst, zu produzieren, haben unsere Umwelt verstärkt mit Kunst in eine bessere und auch sensiblere Umwelt verwandeln wollen. Als Effekt dieses ganzen, ja auch emanzipatorischen, aufklärerischen Unternehmens sind wir jedoch in eine Situation geraten, in der all diejenigen, die diese Lektion gelernt haben, nun sagen: „Jetzt sparen wir, wir können uns darum nicht mehr kümmern.“ Wenn das Gebäude dann abgerissen wird, ja dann wird eben die Kunst auch mit abgerissen. Werteverfall und Wertebewusstsein stehen konträr zueinander. Ich habe die Notwendigkeit einer Öffentlichkeitsarbeit auch deshalb betont, weil es um mehr geht als nur darum, Aspekte des Grund- bzw. Immobilienbesitzes zu betrachten. Wir brauchen in den Kommunen Menschen, die für den Erhalt von Kunst am Bau kämpfen und dafür sorgen, dass wir uns ihr widmen können. Lippenbekenntnisse reichen nicht, uns fehlt die Infrastruktur, das Personal- und Materialbudget für die Restaurierung. Dr. Ute Chibidziura Gesellschaftliche und politische Verantwortung sind natürlich ganz entscheidende Punkte. Zu dem, was Frau Titz ausgeführt hat, kommt noch, dass Kunst am Bau von Anfang an ohne das flankierende schützende Umfeld und die didaktische Begleitung eines Museums auskommen muss. Sie steht für sich und muss sich aus sich selbst heraus vermitteln. Sie ist aber auch eine Kunst, die eine gewisse Robustheit hat und diese auch ausstrahlt. Das hat mitunter zu der Fehleinschätzung geführt, dass sie nicht kontinuierlich unterhalten werden müsste. Deshalb sind es oft die in den späten 1960erund 1970er-Jahren entstandenen Kunstwerke, die heute etwas mehr Pflege benötigen, da sie sonst langsam kaputtgehen. Aber das ist ja auch ein völlig normaler Vorgang, dass Dinge nach 30 bis 40 Jahren Nutzung einer grundlegenderen Überholung und Restaurierung bedürfen. Dr. Gregor Langenbrinck Ähnlich wie Herr Heydenreich und Herr Schaub es dargestellt haben, lässt dies den Schluss zu, Konsequenzen z. B. für die Kunst-am-Bau-Wettbewerbe daraus zu ziehen. Dr. Ute Chibidziura Das tun wir bereits, indem wir schon bei der Auslobung von Wettbewerben den Lebenszeitgedanken einbringen und als ein Kriterium im Preisgericht verhandeln. Wir gehen aber noch weiter, indem wir ein Übergabeprotokoll entwickelt haben, in dem zumindest festgehalten werden soll, was Verschleißprodukte sind und wie man diese austauschen bzw. wo man sie nachkaufen kann. Damit wird auch klar, ab welchem Punkt eine restauratorische Begleitung erforderlich ist und die Künstler eingebunden werden müssen. Wir sind dabei, die Schnittstellen deutlich zu verbessern. Da sehe ich auch ein großes Potenzial für die Zusammenarbeit mit der BImA. 33 Dr. Gregor Langenbrinck Übergabeprotokolle, in denen Verschleißprodukte festgehalten werden, sind sicher ein wichtiger Schritt. Allerdings ist bei manchen Kunst-am-Bau-Werken die technische Funktion grundsätzlich nicht gegeben. Herr Heydenreich, Sie haben auf die Bedeutung von Technik und Technologie schon hingewiesen. Kann man Kunstwerke, die nicht richtig oder gar nicht funktionieren, als Restaurator nicht einfach nacharbeiten und beispielsweise mit besserer Technik versehen? Prof. Dr. Gunnar Heydenreich Nachbessern im eigentlichen Wortsinn geht nur zusammen mit den Künstlern. Jede Veränderung betrifft das Urheberrecht. Es muss sichergestellt sein, dass durch einen Eingriff die künstlerische Intention erhalten bleibt. Bei dem stillgelegten Werk von Heinz Mack, das wir auf dem Rundgang gesehen haben, ist derzeit die Intention nicht mehr ablesbar. Zweifellos ist es ein großes Unterfangen, dieses Werk zu demontieren und zu restaurieren. Und natürlich stellt sich dabei sofort die Frage, ob es durch die Verwendung neuer Materialien stabilisiert oder verfälscht wird. Es gibt Werke, bei denen wir tatsächlich über alternative Lösungen des Erhalts – auch als Fragment – nachdenken müssen, da man sich eine Restaurierung nicht leisten kann oder will. Es ist ein ständiges Abwägen zwischen der Bedeutung des Materials, der Funktionalität und der künstlerischen Intention, Faktoren, die wir zusammen mit Künstlern, Eigentümern, Nutzern und natürlich auch den Geldgebern ausbalancieren müssen. Ich möchte noch etwas zu dem Bewusstseinswandel der Nutzer sagen. In den Jahren meiner Tätigkeit im Museum wurde von Politikern häufiger der Wunsch geäußert, Kunstwerke auszuleihen, um sie in den eigenen Räumen zu präsentieren. Mit der Rückgabe dieser Werke verband sich dann oft das Problem, dass diese verschmutzt oder gar beschädigt waren. Keiner der Leihnehmer wollte für die Reinigung und Instandsetzung zahlen. Schnell hieß es, dies sei Aufgabe des Museums. Für uns wurden Risiko und Aufwand irgendwann so groß, dass wir dazu übergingen, mit den Nutzern einen Vertrag abzuschließen, der nicht nur die Ausleihbedingungen klar benennt, sondern auch festhält, wer die Kosten für eventuelle Pflegemaßnahmen übernimmt. Mit dem Vertrag verfügten wir außerdem eine jährliche Überprüfung, die bereits frühzeitig Hinweise auf entstehende Probleme geben kann. Mit dieser Lösung ging nicht nur die Anzahl dieser Leihanfragen zurück, auch der Zustand der Werke hat sich wesentlich verbessert, da die Leihnehmer offenbar ahnen, dass bei mangelnder Pflege erhebliche Kosten auf sie zukommen könnten. Susanne Titz Ich möchte noch einmal auf die Öffentlichkeit zurückkommen. Sie wird vermutlich nicht immer verstehen, dass man von nun an mehr Geld für den Erhalt von Kunst am Bau ausgeben muss. Sie wird auf der anderen Seite aber fordern, bestimmte Werke zu retten. Das erfordert gegebenenfalls eine große Summe an Geld. Wenn dann z. B. vonseiten der Kommune gesagt wird, das können wir nicht retten, jedoch der Künstler oder dessen Erben noch leben, entstehen gleich mehrere Probleme. 34 Joachim Bandau, o. T., 1989, WandRaum-Gestaltung aus Kupfer- und Zinkblech, Kantine, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Bonn Dr. Gregor Langenbrinck Was ist dann nötig? Susanne Titz Genauso wie für die Auswahl und Beauftragung von Kunst am Bau eine Kommission benötigt wird, braucht man auch für die Fragen zum Umgang mit Werterhalt und Restaurierung etwas Ähnliches, eine Kommission. Jedenfalls darf der Umgang nicht in Gefälligkeiten oder schnelle Individualentscheidungen münden. Durch Einzelentscheidungen werden Präzedenzfälle geschaffen. Das ist problematisch. Dr. Gregor Langenbrinck Herr Schaub, sollten Künstler, die sich zukünftig an Kunst-am-Bau-Wettbewerben beteiligen, besonders „robust“ denken, oder wäre das ein zu starker Eingriff in die künstlerische Freiheit? Und weiter: Haben die Künstler ihre Kunst-am-Bau-Werke nach der Realisierung eigentlich noch im Blick? Werner Schaub Fakt ist, dass in der Kunst am Bau ein völlig anderer Wind als bei anderer Kunst weht. Wir konnten auf dem Rundgang gut sehen, was passiert, wenn Künstler nicht in der Kategorie Robustheit denken. Das Beispiel der Wasserwand von Heinz Mack zeigt das anschaulich. Rückwand und Boden sind undicht. Das Objekt funktioniert nicht. Zu Ihrer zweiten Frage: Dass ein Künstler sagt, er wolle mit seinem Werk nichts mehr zu tun haben, ist eher selten. In der Regel fragen die Künstler jedoch erst nach, wenn ein Gebäude abgerissen werden soll. Denn dann kommt das Urheberrecht ins Spiel. Der andere Aspekt betrifft die neu entstehende Kunst am Bau. Meiner Meinung nach sollten Jurymitglieder der Kunst-am-Bau-Wettbewerbe die Lebensdauer der Werke als Standardkriterium beachten. Anders gesagt: Es sollte in der Ausschreibung direkt festgelegt werden, ob temporäre Kunst zugelassen wird oder nicht. 35 Dr. Gregor Langenbrinck Meine Damen und Herren, ich möchte die Diskussion an dieser Stelle auch für das Publikum öffnen. Publikumsbeitrag Mit dem Blick auf die Zukunft möchte ich doch noch einmal nachfragen, wie stark wir am Begriff der Dauerhaftigkeit im Rahmen von Kunst am Bau festhalten wollen. Tatsache ist doch, dass zurzeit Kunstwerke sehr oft prozesshaft konzipiert sind und in diesem Feld oft die vitalsten Werke entstehen. Wollen wir dieses Kunstverständnis für Kunst am Bau weitgehend ignorieren und die Auswahlkriterien wirklich so stark einschränken? Susanne Titz Danke. Sie verweisen, wenn ich Sie recht verstehe, zu Recht darauf, dass viele Beobachter bezüglich zeitgenössischer Kunst voreingenommen sind und die Meinung vertreten, diese sei für öffentliche Aufträge zu fragil und damit nicht geeignet. Mit einer solchen tendenziell konservativen Haltung fördern wir einen Kunstbegriff, der bestimmte Charakteristika hat und einem Pragmatismus huldigt. Das ist insofern problematisch, als es auch bei zukünftigen Wettbewerben weiterhin um einen zeitgenössischen Kunstbegriff bzw. dessen Wandel gehen muss. Wir müssen, denke ich, aufpassen, dass Erhalt und Unterhalt nicht zu Ausschlusskriterien werden, sondern dass Kunst in der Gesamtheit ihrer herausfordernden, neuen Erscheinungsformen Eingang finden kann. Ansonsten sehe ich für die Zukunft die Gefahr einer einseitigen, ja konservativen Ausrichtung der künftigen Kunst am Bau. Prof. Dr. Heydenreich Restauratoren geht es darum, das Bewusstsein zu schärfen: Zahlreiche junge Kunstwerke können aufgrund ihrer materiellen und technischen Beschaffenheit nicht oder nur mit sehr hohen Folgekosten erhalten werden. Oft zeigt sich bei den Entscheidungsträgern und selbst bei den Künstlern ein fehlendes Bewusstsein für diese materiellen und technischen Erfordernisse. Dr. Ute Chibidziura Für den Bund ist die Sache sehr klar: Die Kunst kommt mit dem Bau und sie geht mit dem Bau, Kunst am Bau ist also grundsätzlich auf die Lebensdauer des Gebäudes ausgerichtet. Abweichungen davon bestätigen die Regel. Publikumsbeitrag Ich bin selbst Künstler und auch bei uns in Köln steht das Thema immer wieder auf dem Programm. Was ich zu bedenken geben möchte, ist Folgendes: Etwa 17 % der Kosten werden bei öffentlichen Gebäuden für den Bau eines Gebäudes verwendet. Die übrigen 83 % müssen für den Erhalt des Gebäudes während der Nutzung aufgewendet werden. Wie wäre es denn, wenn man festschreiben würde, dass von diesen 83 % der Instandhaltungssumme eben auch immer die Kosten für den Erhalt der Kunst am Bau oder für die Restaurierung bei öffentlichen Gebäuden bereitzustellen ist? 36 Otto Herbert Hajek, o. T., 1989 Impala-Granit, Wandrelief im Foyer, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Bonn Dr. Gregor Langenbrinck Wir kommen zum Ende unserer Diskussion. Ich möchte zum Schluss zunächst Hans-Dieter Hegner, der vonseiten des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zuständig für Kunst am Bau ist, das Wort geben und danach noch einmal Lutz Leide. Hans-Dieter Hegner Mit Blick auf Sicherung und Erhalt von Kunst am Bau gilt es zunächst, das hat die Diskussion deutlich gezeigt, sich mit dem Bestand auseinanderzusetzen. Es zeigt sich, dass nicht nur wir, sondern auch die BImA und viele andere sich mit diesem Thema intensiv beschäftigen müssen. Deutlich geworden ist auch, welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit denkbar sind. Ich kann nur unterstreichen, dass wir für jede Form einer diesbezüglichen Zusammenarbeit offen sind. Vielleicht sollte man an ersten gemeinsamen Pilotprojekten etablieren, wie eine vernünftige Herangehensweise aussehen kann, und festlegen, was erhaltenswert ist und in welchen Kategorien man dabei denken kann und sollte. Ich glaube, das wird die Hauptaufgabe sein, der wir uns intensiv widmen werden. Lutz Leide Zunächst möchte ich noch einmal zum Thema „Rückzug der Bundeswehr“ festhalten, dass wir nach einer Übergabe an uns die Liegenschaften ja nicht sich selbst überlassen, sondern auch hier die Kunst am Bau im Blick behalten. Zum anderen will ich zum Vorschlag bezüglich der anteiligen Nutzung der Bausumme für die Erhaltung von Kunst am Bau sagen, dass ich den Hinweis grundsätzlich zwar gut finde, er allerdings nur schwer umsetzbar ist. Denn es ist ja nicht nur ein Thema, das die Kunst betrifft, sondern den gesamten Bauunterhalt und die Bewirtschaftung der Gebäude, die einen Großteil der Errichtungskosten ausmachen. Die Diskussion heute mit Ihnen und den Kollegen vom BMVBS und BBR hat gezeigt, dass Kunst am Bau nicht losgelöst vom Gebäude betrachtet werden kann, und wie wichtig es ist, dass wir das Thema auf die Tagesordnung nehmen, um so positiv und konstruktiv wie bisher miteinander weiterarbeiten zu können. Ansonsten kann ich nur noch einmal betonen, dass Kunst wirklich verbindet. 37 Dr. Dorothee Boesler „Nicht geerbt, sondern geliehen“ – Kriterien beim Erhalt von Kunst am Bau aus Sicht der Denkmalpflege Warum eigentlich Denkmalschutz und Denkmalpflege? Dr. Dorothee Boesler ist Leiterin des Referats Restaurierung und Dokumentation bei der LWL – Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur. Sie studierte Kunstgeschichte, Städtebau sowie Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten in Mainz, Bonn und Köln. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die flächenbezogene Denkmalpflege sowie der Umgang mit künstlerisch wertvoller Ausstattung von Denkmälern. Sie ist Sprecherin der 2009 gegründeten Arbeitsgruppe Denkmalinformationssysteme, die den Austausch der Denkmalämter zu den Themen Datenbanken und andere digitale (Geo-) Informationssysteme bezweckt. Die unverzichtbaren Voraussetzungen für die Erhaltung und Pflege von Kulturdenkmälern sind die mit ihnen verbundenen Werte und Wertvorstellungen. Dazu gehört zum einen der Denkmalwert des einzelnen Objekts, der das Denkmal aus der Masse des Gebauten bzw. der durch Menschen geschaffenen Artefakte heraushebt. Zum anderen ist der Wert, den sie für die Gesellschaft haben, zu nennen. Hierzu zählen aus meiner Sicht zuerst der Erinnerungswert sowie der Kunstwert. Der Erinnerungswert kann mit einem Zitat von Georg Mörsch1 umschrieben werden: „In der Erkenntnis der geschichtlichen Spuren im Artefakt, das dadurch zum Denkmal wird, begreift der Mensch seine Existenz in Dimensionen, die seine Gegenwart erweitern um das Bewusstsein von Vergangenheit und die Möglichkeit von Zukunft.“ Der Kunstwert referiert darauf, dass Denkmäler häufig Zeugnisse für die Kunst der Vergangenheit sind. Durch ihren kommunikativen Charakter ist Kunst ein unabdingbarer Beitrag zur Gesellschaftsbildung. Ohne die Kommunikation von und über Kunst ist keine stabile Gesellschaft denkbar. Somit kann jedes Denkmal, dem künstlerische Qualitäten innewohnen, wie es im Fall von Kunst am Bau regelmäßig der Fall ist, Teil dieses Prozesses und damit Teil eines gesellschaftlichen, gesellschaftsbildenden Diskurses werden. Ermitteln des Gegenstandes: Fast alles kann Denkmal sein Nicht nur Kunstwerke von respektheischendem Alter und überregionaler Bedeutung sind zu schützen, sondern auch Objekte, die regionale oder örtliche Aussagekraft für historische Entwicklungen haben. Denkmäler müssen (auch) nicht schön sein. Es geht also nicht nur um altehrwürdige Kirchen, Burgen und Schlösser und um stattliche Bürgerhäuser. Gestaltete Landschaftsteile und historische Ausstattungsstücke, ebenso Zeugnisse der bäuerlichen und technischen Kultur und Entwicklung sowie Hinterlassenschaften des städtischen Lebens und Alltags als Einzelobjekte, aber auch geplante oder gewachsene Anlagen bis zum Stadtgrundriss können nach den Denkmalschutzgesetzen Gegenstände von Denkmalschutz und Denkmalpflege sein. Das nordrhein-westfälische Denkmalschutzgesetz definiert Denkmäler folgendermaßen: Denkmäler sind Sachen, Mehrheiten von Sachen oder Teile von Sachen, an deren Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Ein öffentliches Erhaltungsinteresse besteht, wenn die Sachen bedeutend sind für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse und wenn für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen. Dabei reicht es aus, wenn jeweils eine Bedeutung und ein Grund vorliegen. Ähnlich wie ein Archivar mit Archivgut umgehen muss, gewichten, sortieren und nicht zuletzt auch klassifizieren, muss der Denkmalpfleger gewichten und bewerten, um das Durchschnittliche vom Überdurchschnittlichen und damit das Gewichtige vom Unwichtigeren zu trennen. 38 1 Vgl. Mörsch, Georg, Denkmalwerte. In: Mörsch, Georg; Strobel, Richard (Hg.), Die Denkmalpflege als Plage und Frage, München 1989, S. 133-142, S. 134. Substanzerhalt ist oberstes Ziel Wenn der Denkmalpfleger ein Denkmal erkannt hat, denkt er sofort daran, wie er dieses Zeugnis der Nachwelt überliefern kann. Neben den Kenntnissen über das Objekt selbst und seine Geschichte ist es wichtig, bei geplanten Maßnahmen die einzusetzenden Materialien oder die anzuwendenden Techniken auf ihre Verträglichkeit mit der historischen Substanz zu überprüfen, die in der Regel Träger der Denkmalbedeutung ist. Alles Handeln muss zunächst also darauf ausgerichtet sein, diese Substanz zu erhalten. Je mehr nämlich an einem Baudenkmal erneuert wird, desto mehr verliert es die Altersspuren seiner wechselvollen Lebensgeschichte und damit an Zeugniswert, etwa in Bezug auf künstlerische oder historische Handwerkstechniken. Erst wenn nach eingehender Prüfung festgestellt werden muss, dass eine Erhaltung durch Instandsetzung oder Reparatur nicht möglich ist, kann ein Austausch oder Ersatz infrage kommen. Das Ziel heißt: „So viel wie notwendig, so wenig wie möglich.“ Victor Vasarely, o. T., Keramikwand, 1971, Ruhr-Universität Bochum, Hörsaalzentrum Ost Nicht nur erhalten, sondern auch sinnvoll nutzen Die Weiterführung der angestammten Nutzung ist in aller Regel die denkmalverträglichste. Sollten dennoch Nutzungsänderungen notwendig sein, wie etwa die Umnutzung einer ehemaligen Kaserne zu Wohnzwecken, führt dies zu Eingriffen in den denkmalwerten Bestand – davon ist auch die Kunst am Bau betroffen. In diesem Falle ist vorher genau zu bewerten, worin die primäre Denkmalbedeutung liegt und auf welche Teile des Denkmals am ehesten verzichtet werden kann. In aller Regel lassen sich so Lösungen finden, die sowohl der Erhaltung der Wesensmerkmale des Denkmals als auch den neuen Nutzungsanforderungen dienlich sind. Im Falle eines Abbruchs der Gebäudehülle als allerletztes Mittel stellen sich Fragen nach Abnahme, Auslagerung, Einlagerung, Translozierung. Diese können in ihrer politischen Dimension nicht allein von den Fachbehörden beantwortet werden, aber für die technische Seite halten die Denkmalbehörden die Fachkompetenz vor. Abnahme und Einlagerung können wichtige Zwischenschritte sein, oft findet sich nach Jahren wieder eine Nutzung für das Denkmal. Sei es, dass es transloziert und wieder aufgebaut wird, sei es, dass das Kunstwerk in dieselben oder andere Räume integriert wird. Was ist bei der Erhaltung der Kunst am Bau wichtig? Kunst-am-Bau-Werke sind sehr verschieden. Sie unterscheiden sich hinsichtlich des Grades der Verbindung mit dem Gebäude, des Materials sowie des Erhaltungszustandes. Aber sie haben den Vorteil, dass es sich hinsichtlich ihrer Qualität fast immer um herausragende Teile der Gebäude handelt. In der Regel kann man davon ausgehen, dass sie zum Entstehungszeitpunkt besondere Aufmerksamkeit genossen und auch heute gerade an Bundesimmobilien noch über eine besondere Qualität verfügen, die sie potenziell Denkmal werden lassen. Die Verantwortung für die Erhaltung und Pflege der Kulturdenkmäler liegt in erster Linie bei den Eigentümern. Das ist für alle Denkmaleigentümer eine anspruchsvolle Aufgabe. Der öffentliche Eigentümer hat zusätzlich eine Vorbildfunktion und die Verpflichtung, alle Belange der Gesellschaft – und dazu gehört eben auch der Erhalt der kulturellen Ressourcen – bei seinen Entscheidungen zu berücksichtigen und das nicht zuletzt durch die Denkmalschutzgesetze gesellschaftlich vereinbarte Ziel des Denkmalerhaltes zu erfüllen. Dabei stehen die (öffentlichen) Eigentümer nicht allein. Die Denkmalbehörden verstehen sich weniger als Genehmigungsbehörden einer Eingriffsverwaltung, sondern als Partner und Unterstützer der Eigentümer bei dem häufig schwierigen Erhalt der Denkmäler. Bei ihnen können Beratung und Unterstützung auch bei der Erhaltung der Kunst-am-Bau-Denkmäler unkompliziert und kostenlos nachgefragt werden. 39 Silke Wagler Umgang mit der Kunst am Bau der DDR – Kriterien und Möglichkeiten: ein Bericht aus der Praxis Silke Wagler ist Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin. Als Leiterin des Kunstfonds des Freistaates Sachsen, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, verantwortet sie die konservatorische und wissenschaftliche Betreuung der Sammlungsbestände des Kunstfonds, konzipiert und organisiert sie Ausstellungen und Publikationen und betreut sie die jährlichen Förderankäufe des Freistaates Sachsen. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Kunst aus der DDR und die zeitgenössische Kunst. Eine der wichtigsten Grundlagen für die Beantwortung der Frage, welche Kunst am Bau und im öffentlichen Raum in Dresden aus den Zeiten der DDR zu sichern und zu sanieren ist, ist die Erschließung eben dieser Bestände baugebundener Kunst des ehemaligen Büros für architekturbezogene Kunst. Dies ist notwendig, um überhaupt wissen zu können, wofür wir zuständig sind und um dementsprechend Verantwortung geltend machen zu können. Das gestaltete sich von Anfang an ebenso kompliziert wie aufwendig, waren doch alle Akten und der gesamte diesbezügliche Schriftverkehr ans Hauptstaatsarchiv übergeben worden. Wir verfügen weder über ein Inventarbuch noch über eine verbindliche Liste der betroffenen Kunstwerke. Lediglich eine Kiste mit losen Karteikarten und Fotos, die nicht miteinander verknüpft waren, diente als Ausgangspunkt. Ein erster Schritt bestand darin, dieses Material zu sortieren, ein zweiter, eine Konkordanz mit den Archivmaterialien herzustellen. Dies gelang nur mühsam, da der Kunstfonds gemessen am Umfang seiner Aufgaben personell unterbesetzt ist und diese Tätigkeit zunächst nur durch Praktikanten geleistet werden konnte. Für einen begrenzten Zeitraum hatten wir dann im Rahmen des zentralen Erfassungs- und Inventurprojekts bei den SKD eine Kollegin, die nur mit diesen Beständen befasst war. Mit ihrer Unterstützung war es möglich, einen wesentlichen Teil der Werke in unserer Zuständigkeit zu identifizieren und teilweise auch den zweiten Schritt schon zu machen, nämlich vor Ort den Verbleib und Zustand dieser Werke zu prüfen. Das Ganze stand und steht natürlich unter einem enormen Zeitdruck, da sich das Stadtgebiet von Dresden seit 1990 rasant verändert hat und noch immer verändert, sodass man sich eigentlich wie im Dauerlauf fühlt. Mit etlichen Werken aus dem Konvolut haben wir uns aus verschiedenen Gründen bereits beschäftigt. Bevor ich auf einzelne Beispiele eingehe, möchte ich ein Spezifikum der Kunst am Bau aus der DDR hervorheben: Sie ist nicht unbedingt und notwendigerweise fest mit Architektur verbunden, weswegen es legitim ist, hier auch den weiter gefassten Begriff der Kunst im öffentlichen Raum zu benutzen. Wir sehen uns in Bezug auf baugebundene Kunstbestände mit verschiedenen Situationen konfrontiert. Am einfachsten ist es, wenn es sich um mobile Werke handelt, die ins Depot verlagert oder in anderen Schutzräumen sichergestellt werden können. Ein Beispiel dafür sind die beiden Großbildtafeln „Fastnacht“ und „Aschermittwoch/Aufrecht“ von Wolfgang Petrovsky und Frank Voigt. Sie entstanden in den 1980er-Jahren als Auftragsarbeiten für das ehemalige Haus der Presse in Dresden zum Thema der Wirkung der 40 Massenmedien und der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert. Noch im Jahr des Mauerfalls 1989 wurden die Bilder abgehängt und eingelagert, aber hin und wieder auch in Ausstellungen gezeigt. Ein weiteres Beispiel für die Einlagerung eines Objektes, das dann jedoch am Altstandort wieder aufgestellt werden konnte, ist die Plastik „Völkerfreundschaft“ von Wolf-Eike Kuntsche in der Prager Straße in Dresden. Diese wurde nach der Flut 2002 wegen der Sanierung der Straßenanlage geborgen. Um die Rückkehr der Plastik an ihren ursprünglichen Standort wurde gestritten. Fakt ist, dass sich die Dresdner mit der markanten Plastik in hohem Maße identifizieren und der öffentliche Druck sowie ein breites Engagement auch vonseiten der Stadtverwaltung schließlich zur Wiederaufstellung der Plastik führten. Sie steht nun etwas mehr in der Mitte der Straße und bildet wieder einen ungewöhnlichen Blickfang. Wolf-Eike Kuntsche, Völkerfreundschaft, 1976 – 1986, Edelstahl, Prager Straße Dresden; am ursprünglichen Standort (links), nach der Wiederaufstellung (rechts) In einem anderen Fall wurde ein Objekt des konstruktivistischen Dresdner Malers und Bildhauers Hermann Glöckner umgesetzt. Das „Räumlich gebrochene Band“ entstand Mitte der 1980er-Jahre nach einem Entwurf von 1967 für das Foyer des von japanischen Architekten errichteten sog. Devisenhotels „Bellevue“, wo der Stahlplastik eine bedeutende ästhetische Wirkung zukam. 1999 wünschte der neue Eigentümer eine Umsetzung; das Objekt mit seinen raumgreifenden scharfen Ecken und Kanten wurde nun als wenig willkommen heißend betrachtet. Im Einvernehmen mit den Nachlassverwaltern wurde die Plastik in den Außenraum umgesetzt. Auf der elbwärts gelegenen Rasenfläche tritt es nun in einen reizvollen Dialog zum Panorama der historischen Altstadt: eine Lösung mit deutlichem Zugewinn für die Öffentlichkeit. Wenngleich die Abrissproblematik für uns kein allzu großes Thema darstellt, haben wir es dort, wo die Kunst doch untrennbar mit der Architektur verbunden ist, eher mit Umbaumaßnahmen zu tun, vor allem mit Sanierungs- und Wärmedämmungstätigkeiten. Im Zuge dessen sind vor allem Wandbilder betroffen, die im besten Fall unter Verkleidungen verschwinden. Ein Beispiel findet sich in Dresden-Prohlis, einem 1976 bis 1985 entstanden Neubaugebiet, in dem die Stirnseiten der langen Wohnbauten bildkünstlerisch gestaltet wurden. In Zusammenarbeit mit einem der Künstler, Herando León, hat man hier im Zuge der Sanierung eine Erinnerung an sein Wandbild montiert. Es war ein Kompromiss, der auch verschiedene Zeitschichten sichtbar erhält. Wie im Fall von Prohlis wurden in der DDR bei allen großen Neubauvorhaben in der Regel komplexe künstlerische Stadtraumund Wohngebietsgestaltungen vorgenommen. Eine der grundsätzlichen Schwierigkeiten seit 1990 für die Verwaltung der damals entstandenen baugebundenen Kunst stellen die (Re-)Privatisierungen dar. Standorte öffentlicher Kunstbestände befinden sich inzwischen häufig nicht mehr auf oder an öffentlichem Besitz. 41 Hermann Glöckner, Räumlich gebrochenes Band (auch: Faltung), 1985/86; am ursprünglichen Standort im Foyer des Hotel Bellevue (links), nach der Neuaufstellung 1999 im Garten des Hotels „The Westin Bellevue“ (rechts) Auch Dresden-Gorbitz, ein weiteres ab Anfang der 1980er-Jahre errichtetes Neubaugebiet, wurde mit einem Komplex aus Brunnen, Wandgestaltungen und Freiplastiken versehen. Entlang der Höhenpromenade waren zwischen den Wohnhochhäusern Pavillons eingereiht, die als Funktionsbauten (Gaststätten, Kaufhallen, Kindergärten etc.) dienten. Diese Pavillons besaßen Wandgestaltungen, wie z. B. die von Gerhard Bondzin erhaltene mit dem Titel „Der Fuchs und die Trauben“. Ein anderer Pavillon wurde im Zuge größerer Umbauten abgerissen. Zu diesem haben wir eine Fotodokumentation angefertigt und mit dem Bauträger erfolgreich ausgehandelt, dass einzelne Fliesen der Wandgestaltung gesichert werden und wir somit über Fragmente des Werks zur exemplarischen Illustration der bautechnischen Seite (Crinitzer Keramikplatten) verfügen können. Darüber hinaus haben wir es mit Verlusten (z. B. durch Diebstahl) und „natürlichen“ Schadensbildern zu tun. Im Fall von Verwitterung und Abnutzung ist, abgesehen von konservatorischen Maßnahmen, relativ wenig zu machen, es sei denn, man lagert die Objekte ein. Beispielsweise bei den vier Reliefs mit Motiven zur Stadtgeschichte in einer Unterführung am Neustädter Markt in Dresden ist dies aber nicht so einfach möglich. Die Kunstwerke weisen starke Verwitterungsspuren auf. Gegenwärtig werden Überlegungen zu konservatorischen Maßnahmen angestellt. Der Austausch mit den Künstlern ist dabei wichtig, das gilt weiterführend vor allem dann, wenn es um die technische Ertüchtigung von Objekten geht. Es gibt natürlich ärgerlicherweise auch Beschädigungen, die eher zufällig passieren, gerade bei Baumaßnahmen. Oft wissen die Bauverantwortlichen nicht, dass sich im Umfeld öffentlicher Kunstbesitz befindet, und dieser ist unzureichend abgesichert. Um diesem Zustand zu begegnen, gehen wir – mit wachsendem Erfolg – weiter ganz bewusst in die Öffentlichkeit, damit die Verantwortlichen, aber auch die Bürger wissen, an wen sie sich wenden können. Das ist auch im Hinblick auf die Liegenschaftsverwaltungen von Stadt und Land dringend notwendig, damit ihnen bekannt ist, auf welchen ihrer Grundstücke sich öffentlicher Kunstbesitz befindet und in einem Veräußerungsfall entsprechende Regelungen getroffen werden können. Ein aktuelles Beispiel für diese Dringlichkeit ist das „Lapidarium“, eine neunteilige Sandstein-Skulpturengruppe des bekannten Dresdner Bildhauers Peter Makolies. Das Werk steht auf einem Schulgelände, das von der Stadt veräußert wurde. Nachdem uns diese Nachricht erreichte, sind wir sofort an die neuen Besitzer herangetreten und haben darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei der Figurengruppe um freistaatlichen Kunstbesitz handelt. Gleichzeitig erfolgte die Nachfrage bei der als Verkäufer agierenden Behörde, welche Vereinbarungen in Bezug auf die Figurengruppe getroffen wurden. Dabei stellte sich heraus, dass diesbezüglich keine Regelungen erfolgt waren. Der neue Eigentümer wiegelte jegliche Ansprüche unsererseits ab. 42 Zusammen mit der Wohnungsgenossenschaft vor Ort wurden für das „Lapidarium“ bereits alternative Standorte im Stadtteil eruiert, Sponsoren für die Umsetzung stehen auch in Aussicht. Es bleibt also abzuwarten, wie sich der Fall weiterentwickelt. Dabei haben sich zwei Dinge gezeigt: Erstens die zwingende Notwendigkeit, die kommunalen und staatlichen Liegenschaftsämter zeitnah mit Listen zu in öffentlichen Bereichen befindlichem Kunstbesitz zu versorgen, damit vergleichbare Situationen zukünftig im Vorfeld ausgeschlossen werden können. Zweitens, Initiativen der Wohnungsbaugenossenschaften wie in diesem Fall sind exemplarisch, betrachten diese doch die vorhandenen Kunstwerke als eine Aufwertung des Wohnumfeldes und sind sehr daran interessiert, diese zu pflegen und zu erhalten. Damit sind sie wertvolle Partner, die meistens auch Sponsoren vermitteln. Auch die Eigeninitiative von Nutzern ist wichtig. Zum Beispiel erweisen sich Bildungseinrichtungen als aufmerksam und sind erpicht darauf, ihre Kunstobjekte zu erhalten, mit denen vielfach ein hohes lokales Identifikationspotenzial verbunden ist. So wurden z. B. der Prozess der Sanierung einer Spielplastik von Dieter Graupner und ihre Wiederaufstellung von den Kindern eines Dresdner Kindergartens aktiv begleitet. Diese führten ein Interview mit dem Künstler und schrieben eine Art Tagebuch. Ein weiteres Beispiel ist eine Säule mit dem Titel „Sozialistische Persönlichkeit“ von Johannes Peschel, die das klassische Thema der Lebensalter darstellt. Im Zuge des Umbaus und der Sanierung der Schule wurde die Plastik mit aufgearbeitet. Die Vermittlung und Beratung bei Fragen, die Architektur und bildende Kunst betreffen, ist ein ganz wesentlicher Punkt unserer Arbeit. Wenn wir von einem Fall hören, nehmen wir zuallererst den Kontakt auf und suchen den Dialog, was sich in der Vergangenheit bewährt hat. Manchmal reicht schon der Fingerzeig „Achtung, da ist etwas, das hat ein wichtiger Dresdner Künstler geschaffen“, um Ehrgeiz und Engagement zu erzeugen. Wir verstehen uns auch als Berater, wenn sich Personen und Einrichtungen, die plötzlich mit Kunst zu tun haben, überfordert fühlen. Zentral ist es, mit anderen Akteuren aus Architektur, Denkmalpflege, Kunstwissenschaft etc. auf kurzem Wege kollegial zusammenzukommen, um sich schnell abstimmen zu können. Muss zügig reagiert werden, kann in unserem Fall eine Plastik oft auch erst einmal über das Kulturamt der Stadt Dresden eingelagert werden. Für die kurzen Wege und ein rasches lösungsorientiertes Agieren in der Zusammenarbeit bin ich dankbar; sie sind sicher nicht selbstverständlich. Hinzu kommt, dass gerade in Dresden viele Bürger für „ihre“ Kunst sensibilisiert sind: Oft erhalten wir Hinweise oder auch Anfragen, wo etwas hingekommen ist. Und dann sind wir sofort am Agieren, um zu sehen, was da tatsächlich los ist. Bei der von uns derzeit hauptsächlich geleisteten Arbeit handelt es sich im Grunde also noch um den Schritt vor der denkmalpflegerischen und wissenschaftlichen Beurteilungen des Erhaltungswertes. Kriterien dafür müssen entwickelt werden, die aus Abstand und Erfahrung heraus wachsen, für die der Zeitlauf jedoch kaum Raum lässt. Der Kunstfonds des Freistaates Sachsen, seit 2004 Teil der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), verfügt über eine Sammlung von mehr als 25.000 Kunstwerken aus der Zeit nach 1945 bis in die aktuelle Gegenwart. Diese Bestände haben ganz unterschiedliche Provenienzen und werden als nicht musealer, d. h. nicht an Museen gebundener Kunstbesitz beschrieben. Darunter befindet sich auch Kunst am Bau und im öffentlichen Raum, die durch das bis Ende 1991 abgewickelte Büro für architekturgebundene Kunst in Dresden initiiert bzw. finanziert wurde. Aus den mehr als 700 registrierten Vorgängen sind für den öffentlichen Raum in und um Dresden ca. 350 Kunstwerke beziehungsweise komplexere Innen- und Außenraumgestaltungen hervorgegangen. Deren Entstehung, Geschichte und weiteres Schicksal sind ein Arbeits- und Forschungsfeld des Kunstfonds. 43 Dr. Herbert Fendrich Kirchen im freien Fall – Wohin mit der Kunst? Im April 2009 veröffentlichte das „Zeitmagazin“ eine Deutschlandkarte zum Thema „Kirchensterben“. Während die Karte südlich des Mains spärlich Einzelfälle verzeichnete, verdichtete sich das Bild nach Norden hin schon eindrucksvoll. Für das Bistum Essen aber musste der Grafiker dann ein Lupensystem einführen, damit er das Ausmaß des Verhängnisses überhaupt darstellen konnte. Zugegebenermaßen liegt die Frage nahe: Was ist da los? Dr. Herbert Fendrich, Theologe und Kunsthistoriker, ist als Bischöflicher Beauftragter für Kirche und Kunst im Bistum Essen verantwortlich für die Kunstwerke der Kirche. Er berät und moderiert Entscheidungsprozesse bei Neuanschaffungen, Umgestaltungen, Renovierungen und Restaurierungen, wirkt bei der kirchenaufsichtlichen Genehmigung mit und begleitet die Ausschreibung und Durchführung von künstlerischen Wettbewerben. Das Bistum Essen, das die Ruhrgebietsstädte von Duisburg bis Bochum, dazu kleinere Teile des Sauerlandes und des Bergischen Landes umfasst, gehört zu den jüngsten Diözesen in Deutschland. Es wurde 1958 mit der Absicht gegründet, den besonderen Anforderungen der Seelsorge in einem von Bergbau und Schwerindustrie geprägten Ballungsgebiet gerecht zu werden. Jedoch begann im Augenblick der Gründung dieser Grund mit der etwa zeitgleich einsetzenden Kohle- und Stahlkrise wegzufallen. Und heute bekommt das Bistum Essen die Auswirkungen des wirtschaftlichen Strukturwandels, aber auch des demografischen Wandels zu spüren wie kaum ein anderes Bistum in Deutschland. Ab ihrem Höhepunkt 1962 sank die Zahl der Katholiken von 1.489.596 kontinuierlich auf rund 850.000. Spätestens 2020 wird sich die ursprüngliche Mitgliederzahl halbiert haben. Der Anteil der Gottesdienstteilnehmer an der Gesamtkatholikenzahl lag 2010 bei etwa 85.000 im Vergleich zu rund 514.000 bei Bistumsgründung. Diese Entwicklung konnte für den Umgang mit den Kirchengebäuden nicht folgenlos bleiben. Insbesondere auch deswegen nicht, weil das junge Bistum Essen den Erhalt der Kirchen nahezu ausschließlich aus Kirchensteuermitteln finanzieren muss. Der Weg ist also richtig: Kirchenschließungen – und leider nicht wenige. Wir müssen das tun, unter anderem auch, damit wir 250 Kirchen für die Zukunft erhalten und nutzen können. 96 Kirchen – die Qual der Wahl Im Januar 2006 brachte das Bistum Essen nach einem umfangreichen Konsultations- und Votenprozess eine Neustrukturierung der Pfarreien- und Gemeindelandschaft auf den Weg. 96 Kirchen (von 340) sollten ihre Funktion als gottesdienstliches Zentrum für eine Gemeinde verlieren. Jedoch liefert nicht nur die hohe Zahl den Stoff, aus dem die Probleme erwachsen. 80 % der betroffenen Kirchen sind erst nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet worden, die meisten in den 1950er- und 1960er-Jahren. Die Liste ihrer Architekten, u. a. Gottfried Böhm, Emil Stefann, Hans Schilling, Fritz Schaller, Rudolf Schwarz – liest sich wie ein Gotha der modernen Kirchenbaukunst. Wir haben auch ein Qualitätsproblem: Die Frage liegt nahe, warum die Entscheidungen zur Aufgabe von Kirchenstandorten so wenig auf die architektonischen Qualitäten eines Gebäudes Rücksicht nahmen. Das Bistum Essen hat mit seiner Neustrukturierung primär eine pastorale Zukunftsfähigkeit angestrebt und unter pastoralen Gesichtspunkten auf die Größe einer Gemeinde, ihre Mitglieder- und Besucherzahlen, wohl auch auf die Lage und Erreichbarkeit geschaut. 44 Unter den sog. „weiteren Kirchen“ befinden sich auch solch städtebaulich prägende Kirchenbauten wie die neuromanische Basilika St. Georg in Gelsenkirchen. Die 1908 eingeweihte Kirche zählt zudem zu den größten Kirchen im Bistum Essen. Was wird aus den „überflüssigen“ Kirchen? Zur Strategie des freien Falls Im Vorgriff auf die zu erwartenden Probleme hat noch Bischof Dr. Hubert Luthe im Jahr 2001 „Leitlinien“ in Kraft gesetzt, die im Falle einer notwendigen Aufgabe eines Kirchenraumes eine Hierarchie von verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten auflisten. Diese Leitlinien sind eine wichtige Orientierung, auf die alle Entscheidungsebenen verpflichtet sind. Der oberste Grundsatz lautet: Sinnvolle und finanzierbare Weiternutzung des Kirchengebäudes ist einem Abriss – als in vielen Fällen „ökonomischste“ Lösung – vorzuziehen. An erster Stelle steht die alternative Eigennutzung durch die Pfarrei oder andere kirchliche oder kirchennahe Einrichtungen. Nutzungspartnerschaften oder Teilumnutzungen sind zu erwägen. Besonders sinnvoll könnten ökumenische Partnerschaften mit evangelischen Kirchengemeinden, freikirchlichen Gruppierungen, aber auch orthodoxen Kirchen sein. Mit der Ausstrahlung und Symbolsprache eines Kirchengebäudes sind auch alle Nutzungen gut vereinbar, die einem sozialen Zweck dienen. Als Träger können – müssen aber nicht – kirchliche und kirchennahe Einrichtungen aller Konfessionen infrage kommen. Kulturelle Nutzungen sind ebenfalls denkbar und zu befürworten. Ihre Realisierung und nachhaltige Absicherung sind aber fast immer auf öffentliche Mittel und Unterstützung angewiesen, die in den überschuldeten Kommunen des Ruhrgebietes kaum zu erwarten sind. Schließlich sind auch kommerzielle Nutzungen denkbar. Hier kommt es aber auf eine vertragliche Absicherung einer mit dem Ansehen der Kirche zu vereinbarenden „würdigen“ Nutzung an. Kunst im freien Fall – Was wird aus dem Inventar aufgegebener Kirchen? Ich bilanziere vorweg: Unser Hauptproblem ist nicht die Kunst im Bau oder am Bau, sondern die Bauwerke selbst sind Kunst und absolut erhaltenswert. Dennoch haben wir mit dem Inventar als vergleichsweise jungem Erbe sorgfältig umzugehen. Zum Umgang mit dem Inventar, das zum Vermögen der Kirchengemeinden gehört (und damit in deren Entscheidungszuständigkeit liegt), erging vom Bistum die Empfehlung, sich möglichst um eine Weiternutzung zu bemühen. Nach dem Motto: Liturgie, 45 Der Taufbrunnen der Hermann-Josef-Kirche in Essen wird in der St.-Paulus-Kirche wieder als Taufort genutzt. Für die wirkungsvolle Platzierung in der Mitte des Kirchenraumes wurden die starren Bankreihen eingekürzt. Gottesdienst und lebendiger Kirchenraum gehen vor musealer Lagerung. Da es im Bistum Essen keine Inventarisierung des Kunstguts gab und gibt, haben wir zunächst eine Art „Notinventarisierung“ zur Erfassung der liturgischen und künstlerischen Ausstattung der Kirchen veranlasst. In der Erfassung und Dokumentation aller Glasfenster wurden wir durch die „Stiftung Forschungsstelle Glasmalerei“ in Mönchengladbach unterstützt. Die erhobenen Daten wurden zur wichtigen Grundlage des weiteren Verfahrens, zu dem ein Denken in konzentrischen Kreisen, sozusagen von innen nach außen, gehörte. Bedeutende Elemente der liturgischen Ausstattung oder Kunstwerke, die für eine Gemeinde, die ihre gottesdienstliche Heimat verlor, sehr wichtig waren, fanden nach Möglichkeit Platz in den nächsten Kirchen. Dort – oder auch an anderen geeigneten Stellen – wurden Orte der Erinnerung geschaffen oder neu inszeniert. Erst wenn diese „Binnenperspektive“ bearbeitet war, konnte an eine Vergabe in größere Entfernung, innerhalb und außerhalb des Bistums, innerhalb und außerhalb Deutschlands gedacht werden. Im Bischöflichen Generalvikariat füllten sich mehrere Ordner mit Anfragen aus aller Welt nach kirchlichem Inventar. Dieses Verfahren hat sich erstaunlicherweise nahezu lückenlos bewährt. Es war bis heute nicht nötig, ein Depot zur Lagerung – oder Zwischenlagerung – von Kunstgut einzurichten, obwohl wir dies prophylaktisch angeboten haben. Weiternutzung des Inventars: Kirche St. Hermann Joseph in Essen-Dellwig Das Kirchengelände mit Pfarrhaus, Pfarrheim und Kindergarten ist an die städtische Wohnungsgesellschaft ALLBAU verkauft und soll nach Abriss der aufstehenden Gebäude – mit Ausnahme des Kindergartens – mit Mietwohnungen neu bebaut werden. Die Kirche ist vollständig geräumt. Die Christen von St. Hermann Joseph gehören nun zur Gemeinde St. Paulus in der Pfarrei St. Josef. Was aber passierte mit dem Inventar? Einige Beispiele: Auferstehungsbild und Kreuzweg des Malers Egon Stratmann sowie der Taufbrunnen wurden in der Kirche St. Paulus platziert. Eine Marienstatue fand in einem kleinen Marienhäuschen auf dem Gebiet der ehemaligen Gemeinde ein neues Zuhause. Die Fenster aus der Krypta und die Apostelleuchter schmücken demnächst eine neue Kapelle im Altenheim Papst-Leo-Haus. Kirchenbänke, Sedilien, Kirchenlampen, Ambo, Altar, Beichtstuhl und Orgel wanderten in Partnergemeinden nach Bosnien und Polen. Überantwortung von Tabernakel, ewigem Licht, des Grundsteins mit den dazugehörigen Urkunden sowie Ziborium, Monstranz, Kelch, Hostienschale an das „Haus der Geschichte“ in Bonn zur musealen Nutzung. Vorläufige Bilanz und offene Probleme Nach sechs Jahren Arbeit an diesem „work in progress“ sind ein Seniorenzentrum, eine Krankenpflegeschule, drei Caritaszentren, ein Kolumbarium, die Stiftung „Brennender Dornbusch“, fünf orthodoxe Gemeinden, ein Solarbetrieb, zwei Veranstaltungs- und Begegnungszentren, die Oberhausener Tafel, eine Schul- und Sozialkirche, das Bistumsarchiv, ein Behindertenwohnheim, das 46 Neuinszenierung des Auferstehungsbildes aus der St.-Hermann-Joseph-Kirche von Egon Stratmann als Raumzentrum der Krypta der St.-Paulus-Kirche Haus der Chöre sowie „weiche Übergänge“ an 15 Stellen realisiert worden. Ein Abriss erfolgte bislang an sechs Stellen. Zukunftsszenarien zu entwerfen scheint mir heutzutage – gerade auch im kirchlichen Kontext – ein vergebliches und häufig auch anfechtbares Unterfangen. Was die Frage der Schließung und Umfunktionierung von Kirchen angeht, möchte ich dennoch eine Prognose wagen: Dieses Thema, das uns im „christlichen Abendland“ über Jahrhunderte hinweg eher singulär, temporär und punktuell beschäftigt hat, wird uns wohl – zumindest im Falle des Bistums Essen – in den nächsten Jahrzehnten nicht loslassen. Drei Gründe: An vielen Standorten haben wir nur zeitlich beschränkte Lösungen erreicht. Die Mietverträge mit den kleineren Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die Nutzung durch soziale Initiativen (wie die „Oberhausener Tafel“), die „weichen Übergänge“: All das kann sehr rasch enden. Und dann heißt es wieder: Was wird jetzt aus Sankt ... und Heilig ...? Der Schrumpfungsprozess geht weiter. Seit 2005 hat das Bistum Essen weitere 75.000 Katholiken verloren. Das ist in etwa die Mitgliederzahl von drei bis vier der ohnehin nur noch 43 Pfarreien. Wir werden weitere „Spielorte“ aufgeben müssen. In zwei, drei Jahren werden wir die rund 100 Kirchen im Rahmen des Machbaren bearbeitet haben. Aber dann werden noch etwa zehn weitere „besondere“ Kirchen ohne Lösung, ohne Zukunftsperspektive dastehen. Und zwar, weil sie architektonisch-ästhetisch besonders qualitätsvoll, städtebaulich bedeutsam und gegenüber Eingriffen in das innenräumliche Konzept oder das äußere Erscheinungsbild sensibel sind. Was machen wir dann? Kleiner Überblick zu den zu schließenden Kirchen im Bistum Essen Sieben Kirchen aus der Zeit vor 1918 wurden ausgewählt, die älteste Kirche ist St. Mariä Himmelfahrt in Gelsenkirchen (1896). Die geringe Zahl ist ihrer zumeist zentralen Lage in den Stadtteilen und ihrer historischen Bedeutsamkeit als „Mutterkirchen“ der später gegründeten Pfarreien geschuldet. Unter rein ökonomischen Gesichtspunkten ist die Entscheidung für die großen neogotischen und neoromanischen Kirchen kaum zu vertreten. Zu bedenken ist, dass diese Kirchen das Erscheinungsbild von „Kirche“ in unserer Region auch in der Zukunft bestimmen werden. Aus der Zeit zwischen den Kriegen stehen zwölf Kirchen zur Disposition (z. B. Heilig Kreuz in Gelsenkirchen-Ückendorf von Josef Franke, St. Engelbert in Essen von Dominikus Böhm als bedeutende Bauten der frühen Moderne). Von den nach 1945 bis zur Gründung des Bistums wieder aufgebauten, aber auch neu gebauten Kirchen stehen 18 auf der Liste (u. a. Heilig Kreuz in Bottrop von Rudolf Schwarz). Aus der Zeit nach der Gründung des Bistums 1958 wurden insgesamt 56 Kirchen ausgewählt. Diese jüngsten Kirchen sind nicht nur z. T. wirkliche „Schätze“ in hervorragendem Erhaltungszustand, sie sind auch für Liturgie und Gottesdienst heute in höherem Maße geeignet als die meisten älteren Kirchen. 47 Hans-Dieter Hegner und Dr. Ute Chibidziura Die Aktualisierung des „Leitfadens Kunst am Bau“, das „Virtuelle Museum der 1000 Orte“ und andere Projekte des Bundes Angesichts der großen Herausforderungen im Umgang mit dem herausragenden Kunstbestand des Bundes wird der „Leitfaden Kunst am Bau“ zurzeit überarbeitet und weiterentwickelt. Der beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung angesiedelte Sachverständigenkreis Kunst am Bau hat sich bei der Aktualisierung aktiv eingebracht und konstruktive Hinweise geliefert. Die aktuellen Anpassungen im „Leitfaden Kunst am Bau“ reagieren zum einen auf die grundlegenden Veränderungen in der Bundesimmobilienverwaltung und zum anderen auf neue Urteile in der Rechtsprechung. Im Weiteren haben die umfassend diskutierten Ziele und Lösungsansätze für einen angemessenen Umgang mit dem Bestand an Kunst am Bau sowie dessen Unterhalt und notwendige Pflege Eingang in die Handlungsempfehlungen für die Kunst-am-Bau-Praxis des Bundes gefunden. In den nächsten Wochen soll der aktualisierte „Leitfaden“ ressortübergreifend abgestimmt und danach per Erlass eingeführt werden. Um die Kunst-am-Bau-Praxis des Bundes zu evaluieren und weiter zu verbessern, werden wie schon in den vergangenen Jahren auch im laufenden Jahr die Werkstattgespräche fortgeführt. Als nächste thematische Schwerpunkte sind Kunst am Bau und Denkmalpflege sowie Kunst am Bau bei überregionalen Verkehrsträgern avisiert. Die Werkstattgespräche werden in bewährter Form dokumentiert und die Veranstaltungsbeiträge im Internet zur Nachlese bereitgestellt. Als neues Format zur Vermittlung von Kunst am Bau ist eine Kunst-am-Bau-Tour durch Berlin geplant, die im Herbst stattfinden soll. Seit vergangenem Jahr wird die seit Gründung der Bundesrepublik im In- und Ausland beauftragte Kunst am Bau systematisch erfasst und wissenschaftlich aufgearbeitet. Für das laufende Jahr sind hierzu weitere Forschungsaufträge geplant, die ergänzende Informationen für die beim Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) geführte Zentraldatenbank zu Kunst am Bau liefern sollen. In Ergänzung dazu arbeiten wir mit dem BBR an einem weiteren Großprojekt: dem Aufbau eines „Virtuellen Museums der 1000 Orte“, das mittelfristig alle seit 1950 für Bundesbauten beauftragten Kunst-am-Bau-Projekte umfassen und in Bild und Text präsentieren wird. Die Gesamtdokumentation soll die Bandbreite der künstlerischen Aufgaben und Lösungen in ihrem baulichen Kontext darstellen und dabei sowohl die für entlegene Orte konzipierte Kunst am Bau als auch inzwischen abgängige Kunstwerke berücksichtigen und via Internet zugänglich machen. 48 Impressum Herausgeber: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Referat B 13 – Bauingenieurwesen, Nachhaltiges Bauen, Bauforschung Invalidenstraße 44 10115 Berlin Projektleitung: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) Referat A 2 – Projektentwicklung, Wettbewerbe, Zuwendungsmaßnahmen Dr. Ute Chibidziura Straße des 17. Juni 112 10623 Berlin Inhalt Konzept und Bearbeitung: Urbanizers Büro für städtische Konzepte, Berlin Dr. Gregor Langenbrinck, Stefanie Schult M.A. 1 Einführung Hans-Dieter Hegner 3 Zum Umgang mit Kunst am Bau bei Sanierungen, Umnutzungen und anderen Veränderungen im baulichen Umfeld Dr. Ute Chibidziura Gestaltung: re-do.de, Dessau Doreen Ritzau 8 ZERO am Bau. Eine Studie zur Erhaltung baugebundener Kunst Prof. Dr. Gunnar Heydenreich Druck und Verarbeitung: Dienstleistungszentrum Druck, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Bonn 14 Kunst am Bau – Auch die damit verbundenen Aufgaben nehmen wir ernst! Lutz Leide Nachdruck und Vervielfältigung: Alle Rechte vorbehalten 17 Gibt es auch eine Verantwortung der Künstlerinnen und Künstler bei Kunst am Bau? Werner Schaub Stand: April 2012 18 In die Jahre gekommen – Wer interessiert sich, wer kümmert sich, wer entscheidet dann? Susanne Titz 20 Erhalt, Veränderung, Translozierung und Zerstörung von Kunst: die Bedeutung im Urheberrecht Prof. Dr. Gerhard Pfennig 24 Zehn wichtige Fragen und Antworten zum Umgang mit Kunst am Bau 26 Podiumsdiskussion 38 „Nicht geerbt, sondern geliehen“ – Kriterien beim Erhalt von Kunst am Bau aus Sicht der Denkmalpflege Dr. Dorothee Boesler 40 Umgang mit der Kunst am Bau der DDR – Kriterien und Möglichkeiten: ein Bericht aus der Praxis Silke Wagler 44 Kirchen im freien Fall – Wohin mit der Kunst? Dr. Herbert Fendrich 48 Die Aktualisierung des „Leitfadens Kunst am Bau“, das „Virtuelle Museum der 1000 Orte“ und andere Projekte des Bundes Hans-Dieter Hegner und Dr. Ute Chibidziura Bestellungen: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, [email protected], Stichwort: Werkstattgespräche Eine Downloadversion der vorliegenden Broschüre sowie weitere Materialien und Informationen zu Kunst am Bau finden Sie auf der Internetseite www.kunst-am-bau-in-deutschland.de. Bildnachweis: S. 1, 3, 8, 14, 17,18, 26, 31, 37 Anja Schlamann, Köln/Leipzig // S. 3 unten BBR // S. 4 oben: Adelheid Freese, Foto: BBR // S. 4 unten: © VG Bild-Kunst, 2012, Foto: Staatliches Baumanagement Braunschweig // S. 5 oben: Eberhardt Linke, Foto: Staatliches Baumanagement Braunschweig // S. 5 unten: Bundesanstalt für Immobilienaufgaben // S. 6 BBR/Olaf Ignaszewski, 2011 // S. 7 BBR/Werner Huthmacher // S. 9-13 Fotos: Prof. Dr. Gunnar Heydenreich // S. 15 © VG Bild-Kunst, 2012, Fotos: BBR // S. 16 Ferdinand Kriwet, Foto: Anja Schlamann, Köln/Leipzig // S. 19 © VG Bild-Kunst, 2012, Foto: Anja Schlamann, Köln/ Leipzig // S. 20 Urbanizers // S. 23 Foto: Christoph Lison, Frankfurt // S. 28 Wolfgang Nestler, Foto: BBR/Werner Huthmacher // S. 32 © VG Bild-Kunst, 2012, Foto: Anja Schlamann, Köln/Leipzig // S. 35 Joachim Bandau, Foto: BBR/Werner Huthmacher // S. 37 oben: © VG Bild-Kunst, 2012, Foto: BBR/Werner Huthmacher // S. 38 LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur, Foto: Hedwig Nieland // S. 39 LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur, Foto: Universitätsarchiv Bochum/Alexandra Apfelbaum, 2010 // S. 40 Silke Wagler // S. 41 links: Archiv Kunstfonds // S. 41 rechts: Kunstfonds/Silke Wagler, 2007 // S. 42 links: © VG Bild-Kunst, 2012, Foto: Archiv Kunstfonds // S. 42 rechts: Kunstfonds/Sylvia Lemke, 2010 // S. 44 Bistum Essen // S. 45, 46 Fotos: Herbert Fendrich/Bistum Essen // S. 47 Egon Stratmann, Foto: Herbert Fendrich/ Bistum Essen Die Bearbeiter haben sich nach Kräften bemüht, alle Bildrechte zu ermitteln. Sollte dabei ein Fehler unterlaufen sein, wird um die Mitteilung an Urbanizers Büro für städtische Konzepte gebeten. DOKUMENTATION 10. Werkst attgespräch IN DIE JAHRE GEKOMMEN?! ZUM UMGANG MIT KUNST AM BAU 10. Kunst am Bau ist seit 1950 integrale Bauherrenaufgabe des Bundes. Die seither in Deutschland und überall in der Welt entstandenen Kunstwerke bilden einen international einzigartigen Bestand an zeitgenössischer Kunst, der eine kulturelle Visitenkarte unseres Landes ist. Etliche dieser Kunst-am-Bau-Werke sind inzwischen ‚in die Jahre gekommen‘, anderen stehen durch Verkauf, Um- und Neunutzung der Liegenschaften Änderungen bevor. Was ist dabei im Hinblick auf die Kunst zu bedenken? Und was kann getan werden, um den in mehr als sechs Jahrzehnten entstandenen Bestand an Kunst am Bau langfristig zu erhalten? April 2012 Auch die nächsten Werkstattgespräche werden in dieser Reihe dokumentiert.