„Bitte hilf mir!“

Transcrição

„Bitte hilf mir!“
Bericht | Text und Foto: Katrin Moser
„Bitte hilf mir!“
Stiller Alarm im Taxi
Auf einer Landstraße kam ~-Autorin Katrin Moser kürzlich ein Taxi mit rot
blinkendem Schild entgegen. Nur durch
Zufall wusste sie, was dieses Signal
bedeutete. Und musste feststellen, dass
viele Leute überhaupt nicht wissen, was
es damit auf sich hat.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen an
einem warmen Sommerabend auf der
Promenade in Münster spazieren. Beim
Überqueren einer Straße begegnet Ihnen
ein Taxi. Die auf dem Dach montierte
Taxi-Leuchte blinkt. Vielleicht sehen Sie
auch rote LEDs im Schild in regelmäßigen
Abständen aufleuchten. Was machen Sie
als Nächstes?
Viele Menschen würden einfach weitergehen. Einige würden sich vielleicht
wundern, darüber, dass nun auch TaxiFahrer ihre Wagen mit Leuchteffekten
aufpimpen, wie man es von den großen
LKW kennt. Dabei handelt es sich bei den
roten LEDs oder dem blinkenden Schild
nicht um einen Werbeeffekt oder eine
nette Deko. Es ist ein Hilferuf.
Svenja Zdrzalek sitzt in einer kleinen
Taxizentrale im Ruhrpott. Vor zwei Jahren
hatte einer ihrer Taxifahrerinnen einen
Fahrgast, der während der Fahrt zunehmend verbal aggressiv und zudringlich
wurde. Jede Intervention der Fahrerin
führte zu weiteren Aggressionen. Die
Frau wagte nicht, über Funk die Zentrale
zu informieren und um Hilfe zu bitten
aus Angst, dass die Situation eskalieren
könnte. Alle Fahrzeuge sind mit einem
Alarm ausgestattet, der sofort eine Verbindung in die Zentrale herstellt. Aber
der lässt sich nicht aktivieren, ohne dass
der Fahrgast das bemerkt. Also wählte die
Fahrerin den sogenannten stillen Alarm,
der im Gegensatz zu dem herkömmlichen
Alarm keine Pflicht für Taxen ist. Und
so begann das Schild auf dem Dach zu
blinken. Die Taxi-Innung des Berliner
Taxigewerbes kritisiert, dass die Existenz
dieses stillen Alarms in der Bevölkerung
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so gut wie gar nicht vorhanden sei. Selbst
in Polizeikreisen geschehe es, dass man
nichts mit den roten LEDs im Taxi-Schild
anfangen könne. „In der Öffentlichkeit
herrscht immer noch immenser Aufklärungsbedarf vor und, wie die Praxis
nicht nur in Berlin und München gezeigt
hat, neben dem Erkennen der Notlage
des Taxifahrers besonders bezüglich der
einzuleitenden Schritte“, heißt es dort.
In der Taxizentrale bei Bochum erhielt
Svenja Zdrzalek irgendwann einen Anruf. Eines ihrer Taxen sei mit einem so
komisch blinkenden Schild unterwegs,
auf Lichthupe habe die Fahrerin nicht
reagiert. Der Anrufer vermutete einen
technischen Defekt. Svenja Zdrzalek
schaltete hingegen sofort und alarmierte
die Polizei. „Erfahrungsgemäß nehmen
die einen solchen stillen Alarm sehr ernst
und reagieren sofort“, erzählte sie. Auch
in diesem Fall. Nur wenige Minuten nach
dem Anruf in der Taxizentrale gelang es
der Polizei, das Taxi zu stoppen und die
Taxifahrerin von ihrem alkoholisierten
und aggressiven Fahrgast zu erlösen.
In dem Fall war also alles gut und
glimpflich abgelaufen. Aber wie Versuche
aus Berlin und München gezeigt haben,
fahren Taxen mit stillem Alarm auch
schon mal mehrere Stunden durch die
Stadt – und niemand reagiert! Ist der
Taxifahrer in einer echten Notlage, so
ist diese Unkenntnis fatal. Dabei ist das
Vorgehen eigentlich ganz einfach, vor
allem in Zeiten, in denen jeder ein Handy
besitzt. Am einfachsten ist ein Anruf bei
der Polizei über die 110. Am besten sollte
man sich – wenn das auf die Schnelle
möglich ist – Taxinummer und Kennzeichen merken. Konnte man diese nicht
erkennen, reicht es auch, der Polizei
mitzuteilen, wo man sich befindet und
in welche Richtung das Taxi gefahren ist.
Wenn man die Nummer der Taxizentrale
griffbereit hat, ist es auch möglich, dort
anzurufen und auf den stillen Alarm aufmerksam zu machen. Unbedingt vermieden werden sollte, den Taxifahrer durch
hektisches Winken oder Lichthupe darauf
aufmerksam zu machen, dass irgendwas
an seinem Taxi anders ist als sonst. Auch
wenn ein Taxifahrer scheinbar alleine im
Wagen sitzt, heißt das noch lange nicht,
dass kein Notfall vorliegt, erklärt Svenja
Zdrzalek. „Es gab schon Fälle, da saßen
Fahrgäste mit Waffen auf der Rückbank
und hatten sich so klein gemacht, dass
sie von außen nicht zu sehen waren“,
sagt sie. Es braucht wohl nur wenig Einfühlungsvermögen, um deutlich werden
zu lassen, wie belastend die Situation für
einen Fahrer werden kann, wenn er sich
in einer Notlage befindet und diese auch
anzeigt – aber niemand aus Unkenntnis
auf sein Notsignal reagiert. #