Wer „Rimini“ hört, denkt vorschnell an parzellierte Strände, an
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Wer „Rimini“ hört, denkt vorschnell an parzellierte Strände, an
emilia romagna Abenteuer Adria Wer „Rimini“ hört, denkt vorschnell an parzellierte Strände, an Speisekarten mit dem Vermerk „Man spricht deutsch“, an viel Volk auf wenig Raum. Im Frühjahr ist alles anders: Dann herrscht Ruhe an der Küste und Stille im Hinterland 128 T O U R 2/2000 T O U R 2/2000 129 emilia romagna Der Strand bleibt noch lange leer, wenn die ersten Radler an die Adriaküste kommen. Dem grauen Winter nördlich der Alpen setzt die Romagna erste Farbtupfer entgegen. Richtig voll ist es in den zahllosen Hügeln des Hinterlandes auch dann nicht, wenn am Meer die Liegestühle knapp werden A TE XT: JÖRG SPANIOL; FOTOS: DIRK DECKBAR chthundert Meter über dem Meer und zwei Stunden entfernt von seinem diskreten Plätschern. Es geht immer noch bergauf. Wie lange schon, wie lange noch? Das letzte Auto durchbrach die meditative Ruhe vor etwa einer Viertelstunde – oder waren es zwanzig Minuten? Egal. Es war jedenfalls zu der Zeit, als die Wolken sich nach kurzem Schauer auf die andere Seite des Apennin zurückgezogen hatten, um anstelle der Wade das Schienbein des „italienischen Stiefels“ zu begießen. Seitdem dampft die Straße, letzte Tropfen plitschen vom Laub der niederen Eichen, Buchen, Kastanien ins Unterholz. Bei ihrem Wiederaufstieg in 130 T O U R 2/2000 den Dauerdunst der romagnolischen Berge nehmen sie Geruchsstoffe mit sich, die in dieser Mischung kein Parfümeur im Rezeptbuch hat: Nasse Erde, Pilze, Weihrauch, und ein Hauch Gummiabrieb. Und noch immer verätzt kein frisches Autoabgas die Nasenschleimhäute. Die Adria belohnt den, der sich dann Zeit nimmt, wenn alle anderen noch auf den Sommerurlaub sparen. Im ohnehin ruhigen Hinterland der Provinz Emilia Romagna herrschen dann ideale Radbedingungen, und auch der strandnahe Stressgürtel aus Einbahnstraßen, Autobahnen und viel zu vielen mobilen Menschen lässt sich dann noch reibungsarm durchqueren. Der Blick auf die Straßenkarte „Italien-Nordwest“ deutet Fluch und Segen der Region an: Ungefähr da, wo die A 14, eine der längsten Zielgeraden Europas, aus Nordwesten kommend an der Küste einschlägt, liegt Rimini. Links davon ist Cesenatico, rechts davon Riccione. So sieht „gute Verkehrsanbindung“ aus. Eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den touristischen Erfolg. Auch Oberhausen ist leicht erreichbar, aber dadurch nicht automatisch Ziel einer Traumreise. Es gibt bessere Gründe für die massive Beliebtheit des Zielgebiets. Den Wunsch, an die italienische Adria zu gelangen, weckt bei Radsportlern diesseits der Alpen einmal mehr die Kombination aus südlicher Landschaft, kompletter touristischer Infrastruktur und mildem Klima. Rennradfahren an der Adria ist In- stant-Urlaub: Hinfahren, losradeln. Vor allem die zwei kleineren Badeorte Cesenatico und Riccione werben um Radsportler – die idealen Vorsaison-Gäste: Von Ende Februar bis in den April kurbeln Vereinsgruppen ihre Trainingskilometer herunter, bis Pfingsten vergrößert sich dann der Anteil der Genußradler, und danach ist ohnehin Badesaison. Den Paukenschlag zum Saisonabschluss der Rad-Touristen setzt der „Gran Fondo Nove Colli“, einer der großen Radmarathons in Europa. Über 7.000 Fahrer surren und schwitzen jährlich Ende Mai über die neun Gipfel des 200 Kilometer langen Rundkurses. Schon Tage, bevor sich die vielköpfige Tret-Prozession von Cesenatico aus ins Landesinnere kurbelt, beherrschen Radsportler aller Alters- und Gewichtsklassen das Straßenbild. Sie pilgern mit frisch rasierten Beinen längs der Hafenmauer, bewundern „Das erste Rennrad von Marco Pantani“ im Eiscafé, kaufen frische Pasta bei Familie Nirvana, wo, so versichert der Inhaber, auch der große Marco seine Nudeln kauft, und radeln nervös um den Kreisverkehr, zwischen dessen Laternenmasten eine Pantani-Silhouette schwebt. Marco Pantani ist noch immer der berühmteste lebende Sohn des Ortes. Mit ihm werben alle, vom Makler bis zum Maler – nur eine nicht: seine Mutter. Die betreibt ohne großes Getue ihren Imbissstand, und lediglich die Fan-T-Shirts der Angestellten verraten, auf wessen Herd die Piadine, das typische gefüllte Fladenbrot der Region, gerade röstet. Ein weitere Attraktion der beiden Radlerorte: Dutzende von Hoteliers aller Preiskategorien haben sich zusammengeschlossen, um ihren sportlichen Gästen das Leben zu erleichtern. Sie garantieren ihnen sichere Abstellplätze für die Räder und ein reichliches Frühstück, eine Brotzeit für unterwegs und eine Zwischenmahlzeit direkt nach der Tour. Kommt dann noch, wie in manchen Hotels üblich, ein ortskundiger „Fremdenführer“ dazu, ist das „Rundum-Sorglos-Paket“ geschnürt. Wohin fahren? Die Fremdenverkehrsämter sind bestens auf Radsportler eingestellt und geben Tourenskizzen im Trikottaschenformat heraus. Die Konkurrenz von Mallorca, dem T O U R 2/2000 131 emilia romagna Locker bleiben. Wer im Radrevier lebt, sieht jedes Jahr Tausende von trainierenden Rennradlern. Und feuert sie an – wenn er gerade Zeit hat Die Küstenorte sind schmal, die Hotels daher meist Buchstäblicher Höhepunkt vieler Romagna-Runden sind die Burgen und befestigten Bergdörfer der nah am Strand. Wer nach dem Ritt über alle Berge Region. Die Straßen dorthin steigen zum Schluss oft gemein an: 15 Prozent sind „normale Härte“ noch mal schnell ins Meer springt, kann sich das Salz deshalb schnell vom Körper duschen. Und auf das Rad wartet in vielen Hotels ein Platz im Radkeller. Rennradler sind gern gesehene Vorsaison-Gäste deutschen Flugzeugträger im Mittelmeer, zwingt zu solchem Engagement. Sieben Stunden dauert die Autofahrt von München an die Adria. Ein Mallorca-Jet ist schneller. Acht Uhr früh in Riccione, Hochbetrieb am Frühstückbuffet. Die Radfahrer, im Kontrast zum Hemd und Weste tragenden Personal meist an farbenfroher Freizeitkleidung zu erkennen, laden sich die Teller voll. Denn das Hinterland, so wissen die Altgedienten, zieht einem mit seinen vielen Anstiegen leicht die Kraft aus den Beinen. Günter Löffl aus Germering und seine fünf Begleiter kommen aber gerade wegen der Hügel hierher: „In Cesenatico muss man jeden Tag erst 20 Kilometer flach fahren. Hier geht’s gleich in die Berge!“ Das sieht auch der Vereinsfahrer Andreas Schiwy aus München so – allerdings mit völlig anderer Konsequenz: „Für Trainingslager ist Cesenatico klar besser. Da kann man auch reichlich Flachstrecken fahren oder sich wenigstens einrollen, bevor es dann in die Hügel geht.“ Für welchen der beiden Standorte man sich entscheidet, ist also eine Frage der individuellen Vorlieben. Beide Orte erschließen im wesentlichen das gleiche Revier. 132 T O U R 2/2000 Und los geht’s. Von Riccione in die Berge. Die ersten Kilometer sind die schwierigsten. Das liegt nicht etwa an der Steigung, sondern am lebhaften Verkehr und den vielen Einbahnstraßen der geschäftigen Touristenstadt. Ein paar Tage später sind die Schleichwege gefunden und das Problem gelöst. Jenseits der Autobahn, die parallel zur Küste verläuft, ist es ohnehin so ruhig, als hätte jemand den Ton abgeschaltet. Hier, zwischen den touristischen Zentren und den teils dicht bewaldeten Bergen des Höhenzuges Monte Feltro, ist die Landschaft dicht besiedelt. Kleine Felder, Olivenbäume, alte Kirchen, viele neue Häuser. Navigation nach Sicht: Welche Straße sieht gut aus? Okay, die nehmen wir. Das Nebenstraßen-Netz liegt dicht geknüpft über den vielen Hügeln und läßt mü- helos immer neue Routen entstehen. Ständig geht es bergab oder bergauf, meistens kräftig, selten brutal. 100 Kilometer adriatisches Hinterland enthalten leicht 1.500 Höhenmeter Aufstieg. Und irgendwie führen die Straßen meist mitten über die Hügel statt an ihnen vorbei. Ganz oben überblicken die spitzen Kirchtürme der vielen Dörfer die Gegend. Pittoreske Armut wie im sizilianischen Binnenland gibt es hier nicht zu bestaunen; die küstennahe Romagna ist wohlhabend, die Ortschaften belebt. Das macht es einfach, ohne peinliches Begaffen beiderseits vor irgendeinem Café Platz zu nehmen und die Beine auszustrecken. Radler kennt hier jeder, und viele fahren selbst. Die meisten Steigungen liegen im einstelligen Prozentbereich und sind daher auch für halbwegs trainierte Flachländer kein Problem. Sie sind zu lang, um sie einfach „wegzudrücken“, und kurz genug, um entspannt hinaufzukurbeln. Richtig gemein wird es allerdings, wenn eine der zahlreichen Burgen auf der Route liegt. Die thronen auf den höchsten, steilsten Hügeln und erwehren sich mit kontinuierlich zunehmendem Anstieg des Ansturms der Radler. Die absoluten Höhen sind dabei selten beeindruckend: Das gewaltige Kastell von San Leo, ein geografischer und touristischer Höhepunkt, liegt nur 640 Meter über Strandniveau. Wer 10.000 Lire und ein Schloss fürs Rad dabei hat, kann im Burgmuseum gepflegte Exponate bestaunen, ohne mit Souvenir-Kitsch gequält zu werden. Freunde von Kitsch und Kommerz werden im benachbarten Zwergstaat San Marino bestens abgefertigt. San Marino ist von weitem sehr dekorativ, aber wer gerade keine reflektierende Polycolor-Statue von Pharao Tutenchamun, der Muttergottes oder Bruce Lee braucht, belässt es sinnvollerweise beim Anblick aus der Ferne. Die härteste körperliche Prüfung für Tagesausflügler lauert nur wenige Kilometer südlich von San Leo und hört auf den Namen „Cippo“. Es ist der Anstieg auf den 1.400 Meter hohen Monte Carpegna. In Carpegna beginnt eine unscheinbare Asphaltstraße, die bald den Wunsch nach einem dritten Kettenblatt hervorruft. Auf einer Höhe von 1.000 Metern versperrt eine Schranke im Wald den wenigen Autofahrern endgültig den Weg und die eigentliche, die mörderische Steigung beginnt. Die nächsten 400 Höhenmeter ringt der einsame Gipfelaspirant mit einem besonders großen Exemplar der Gattung „Schweinehund, innerer“ gegen das Absteigen. Selbst Luigi Moretti, als Tourenführer mit 24.000 Jahreskilometern in den Beinen gewiss kein Weichei, muss hier alles geben: „Mehr als ein- oder zweimal im Jahr tue ich mir das nicht an“, grinst er unterm Schnurrbart hervor. Oben wartet anstelle eines Gipfelkreuzes eine Sendestation. Im Westen, im meist diffusen Licht oft nur zu ahnen, liegt der Hauptkamm des Apennin, der mit ähnlich hohen Gipfeln noch jede Menge Herausforderungen bereithält. Später im Frühjahr, wenn die Reihen der Sonnenschirme sich allmählich schließen, wenn die Strandlokale die Gitter hochziehen und die ersten Liegestühle an den Hotelpools stehen, könnten Freunde der Ruhe dennoch die Flucht nach hinten antreten wollen, ohne gleich in den Tiefen der Wälder zu verschwinden. Riccione gilt immerhin als Disco-Hauptstadt der Adria, und auch die Beschaulichkeit des Hafens von Cesenatico verträgt nicht endlos viele Besucher. Nach hinten, das heißt weg von der Küste und trotzdem noch in der gleichen Landschaft, im gleichen Tourengebiet. Am südlichen Ende der küstennahen Radreviere wartet das Kontrastprogramm. Es heißt Urbino und ist eine kleine Universitätsstadt, viel städtischer und erhabener als die bisweilen turbulenten Küstenorte. Strenge, herrschaftliche Steinfassaden bilden die Wände steiler Gassenschluchten, eine massige Mauer umfasst den hochgelegenen Stadtkern. Auch landschaftlich bietet Urbino genug, um wenigstens einen Tagesausflug von der Küste zu rechtfertigen. Manche Kartografen malen dicke grüne Linien an die Straßen zwischen Adria und Apennin. Die Kartenlegende klärt auf: „Landschaftlich reizvolle Strecke“. Diese „Grünstreifen“ sind nicht von ungefähr in der Gegend um Urbino besonders häufig. Am Ende eines kurvenreichen Tages in der Romagna lauert regelmäßig das große Magenknurren. Gut, dass es einen in dieser Gegend heimsucht, denn Abhilfe gibt es reichlich. Das besondere an der romagnolischen Küche ist ihr Spektrum: Die bewaldeten Berge steuern T O U R 2/2000 133 Pilze, Wild und Kräuter bei, aus den Küstengewässern kommen reichlich Muscheln, Krebse und Fische – der Fischmarkt am Hafen von Cesenatico ist schon aus zoologischer Perspektive sehenswert. Nur unterwegs ist die Versorgung mit Leckereien manchmal schwierig, denn gerade dann, wenn es den Radler zur Mittagspause drängt, Bodenständig: Die Mutter von Marco Pantani, dem berühmtesten lebenden Sohn Cesenaticos, betreibt im Ort einen Imbiss-Stand – immerhin den geschieht den Einheimischen dasselbe: Trattorien und Läden im Inland sind häufig zwischen 12 und 17 Uhr geschlossen. Angesichts der oft verheißungsvollen Speisekarten ist das umso betrüblicher. Aber irgendwie ist das auch gut so: Wäre im Inland alles so perfekt organisiert wie an der Küste, hätte also der bequeme Instant-Urlaub die gesamte Romagna erobert – dann wäre der ganz eigene Kontrast zwischen Hügeln und Meer dahin. Und mit ihm der Charme eines Ziels, das zum puren Kilometerfressen im Trainingslager eigentlich viel zu schade ist. größten von allen INFO & ROUTEN emilia romagna Bei den „Riccione Bike Hotels“ (Fax: 0039/0541/642004; E-mail: bikehote [email protected]) gehören Werkstatt, Rad-Depot, Trikotwäscherei, Sportverpflegung und Brotzeit sowie ausgearbeitete Tourenvorschläge zum Service. Ähnliche Dienste bieten auch die Bike & Beach Club Hotels in Cesenatico, Telefon 0039/0547/80019, Fax 0039/0547/672452, E-mail: [email protected] Die Stadt Urbino, 30 Kilometer Luftlinie südlich von Riccione, hat ebenfalls etliche Hotels und Pensionen. Deutschsprachige Informationen versendet das IAT Urbino, Telefon 0039/0722/2788, E-mail: urbino. [email protected] Den größten Radler-Ansturm erlebt Cesenatico im Frühjahr: 7.000 starteten im vergangenen Jahr Essen & Trinken beim „Gran Fondo Nove Colli“. Auf über 200 Kilometern Streckenlänge gibt es Höhenmeter satt Die Region Emilia Romagna ist Ursprungsgebiet so bekannter Export-Spezialitäten wie Parmesankäse, Parmaschinken oder Balsamico-Essig, sowie der Weinsorten Sangiovese und Trebbiano. Im Zielgebiet selbst mischen sich die Einflüsse der ländlichen Küche (Polenta, Pilze und Fleisch sind übliche Zutaten) mit der vielfältigen Ernte des Meeres. Viele Restaurants servieren hausgemachte Nudeln, die häufig in Kombination mit frischen Meeresfrüchten serviert werden. Zur Orientierung Der Begriff „Emilia Romagna“ bezeichnet eine Region, die sich in die Landschaften Emiglia und die Romagna – unser Zielgebiet – teilt. Die nördliche Grenze bildet der Fluss Po, die östliche die Adriaküste. Unsere beiden Standorte, Cesenatico und Riccione, sind die kleineren Nachbarorte von Rimini. Beste Reisezeit Im Februar beginnt die Saison für Hartgesottene mit Temperaturen, die keineswegs zu kurzen Hosen verleiten. Zu dieser Zeit sind hauptsächlich Rennteams unterwegs, die im ebenen Terrain längs der PoEbene Kilometer machen. Das hügelige Hinterland lockt erst später: Genußradler bevorzugen die angenehm temperierten Monate April und Mai. Etwa ab Pfingsten ziehen Temperaturen und Hotelpreise deutlich an. Mit Beginn der eigentlichen Badesaison ist die Hauptsaison der Radsportler beendet. Von September bis Mitte Oktober herrschen dann noch einmal günstige Radbedingungen. Tourencharakteristik Sehr abwechslungsreiches Gelände. Die Po-Ebene und die Küste bieten flache, aber häufig stärker befahrene Straßen. Das hier beschriebene Hügelland des Vor-Apennins überschreitet selten die Höhe von etwa 700 Meter über dem Meer, die einzelnen Steigungen umfassen nur wenige hundert Höhenmeter und sind meist weniger als zehn Prozent steil. Die 134 T O U R 2/2000 attraktiven, befestigten Ortschaften auf den Kuppen haben jedoch auf den letzten Metern oft grimmige Steigungen, bei denen auch Trainierte froh um ein 26er oder 28er Ritzel sind. Ebene Strecken sind rar und in den Flusstälern des Hügellandes meist stärker befahren, während auf Nebenstrecken der Autoverkehr kaum ein Thema ist. Die Abfahrten fordern wegen gelegentlicher Schäden der Teerdecke volle Konzentration. Trotz der allgemein guten Straßenverhältnisse sind daher 23 Millimeter Reifenbreite nicht übertrieben. Anreise Mit der Bahn: Grenzüberschreitende Züge mit Fahrradbeförderung von Deutschland nach Italien gibt es. Die Internet-Recherche (www.bahn.hafas.de) ergab jedoch indiskutable Reisezeiten: Für die Strecke München - Rimini sind zwischen 18 und 28(!) Stunden zu veranschlagen. Aus der Schweiz ist das Angebot deutlich besser. Aktuelle Informationen gibt es im Internet auf der Seite www.sbb.ch. Mit dem Auto: Von München bis Rimini auf der Autobahn über Innsbruck, Brennerpass, Bozen, Verona, Modena, Bologna in sieben bis neun Stunden (etwa 600 Kilometer). Unterkunft Sowohl in Riccione als auch in Cesenatico haben sich Hoteliers zusammengeschlossen, deren Angebot besonders auf Rad-sportler ausgerichtet ist. Dort gibt es reichhaltiges, auch deutschsprachiges Informationsmaterial. Karten & Literatur Sowohl die Hoteliersvereinigung von Riccione als auch das Tourismus-Assessorat der Provinz Forli-Cesena (in Cesenatico: Viale Roma 12) geben komplette, auf deutsch beschriebene Tourenskizzen für Rennradler im Trikottaschen-Format heraus. Qualitativ sind die zuletzt genannten deutlich überlegen, da sie neben einer guten Skizze noch genaue Wegbeschreibungen enthalten und daher auch ohne Landkarte zur Orientierung genügen. Die Landkarten der Gegend erfordern Kompromisse: Die Eurocart Provincia Rimini In Städtchen wie Urbino sind die Gassen eng. Kein Pflaster für Großraumlimousinen (ISBN 88-7775-287-4) im Maßstab 1:100.000 zeigt ein vollständiges Bild des Straßennetzes, aber nur wenige Höhenund Kilometerangaben und keinerlei Schummerung, die Hinweise auf das Höhenprofil gibt. Aufschlussreicher und zudem mit Steigungspfeilen und sinnvollen Hinweisen auf attraktive Landschaften versehen, ist die Karte Emilia Romagna von Kümmerly und Frey (ISBN 3-25901226-5). Der Maßstab 1 : 200.000 ist jedoch angesichts des dichten Wegenetzes sehr grob. Fast Food auf romagnolisch: Frische Piadine Fahrradläden mit Frischkäse, Rucola und Parmaschinken Radläden sind an der Küste reichlich, im Inland aber kaum zu finden. Viele Radhotels haben eine eigene Werkstatt. Bei größeren Problemen: Einer der Inhaber des Shops „Migani + Masini“ in der Via Adriatica 145 am südlichen Ortsausgang von Riccione spricht recht gut deutsch. sind eine echte Leckerei Eine regionale Spezialität sind die auf der heißen Herdplatte gebackenen Piadine, einfache Mehlfladen, die besonders mit Frischkäse und Rucola oder auch Parmaschinken eine wahre Delikatesse sein können. Besonders gut schmeckten uns die frisch zubereiteten Fladen an der Imbissbude neben der Einmündung der Straße von Ponte di Verucchio in die Straße 258 bei Verucchio. Hier gibt es Piadine, Kaffee und sonst nichts – aber das in bester Qualität und in freundlicher Gesellschaft einheimischer Handwerker und Geschäftsreisender. DIE ROUTEN 1 KÜSTENSLALOM Startort: Riccione Gesamtlänge: etwa 75 Kilometer Tourencharakter: viele Kurven und Wellen, sehr abwechslungsreich Die hier beschriebene Route ist eine der wenigen Möglichkeiten, verkehrsarm mit Meeresblick zu trainieren. Die Straße schlängelt sich am oberen Rand der Steilküste entlang. Sie eignet sich aufgrund der nur kurzen Steigungen und der relativ geringen Gesamtlänge gut als Einstiegstour. Vom Hafen in Riccione geht es etwa 5,5 Kilometer parallel zum Strand bis zum Hafen von Misano. Nach weiteren 1,7 Kilometern in dieser Richtung folgt eine kurze Rechts-Links-Kombination der Straße, doch die Generalrichtung bleibt die gleiche, bis man nach etwa 9,2 Kilometern Gesamtstrecke am Ortsende von Cattolica/ Gabicce Mare auf die N 16 mündet. Nach wenigen hundert Metern beginnt scharf links der Einstieg in die Panoramastraße. Sie windet sich hoch nach Gabicce Monte. Ab hier ist ein Verfahren kaum mehr möglich: Die Straße bleibt während der nächsten 20 Kilometer am Rande der bisweilen sehr steilen Küste, bevor sie oberhalb von Pesaro in Serpentinen nach unten schießt. An der Panoramastraße liegen mehrere Ausflugsgaststätten. Nach einer Hafenrunde in Pesaro geht es zurück nach Riccione. Aufgrund der hohen Verkehrsdichte der küstenparallel laufenden N 16 empfiehlt es sich, die selbe Strecke auch rückwärts zu benutzen. In verkehrsarmen Zeiten ist die N 16 jedoch eine kürzere und leichter zu fahrende Alternative für den Rückweg bis Cattolica. KURZ UND HART Startort: Riccione Gesamtlänge: 78 Kilometer Tourencharakter: Schwere Tour mit vielen Höhenmetern 2 Der Marathon „Nove Colli“ Die diesjährige Auflage des Marathonklassikers findet am 21. Mai statt. Veranstalter ist der Radclub „Fausto Coppi“ in Cesenatico. Telefon 0039/0547/672156, Fax 0039/0547/672186, E-mail: [email protected] Verschiedene Streckenlängen stehen zur Wahl, die längste hat 205 Kilometer. Man sollte es nicht unterschätzen: Knapp 80 Kilometer können eine tagesfüllende Aufgabe sein. Aus der Distanz dieser Runde sieht San Marino wirklich hübsch aus. Vom Hafen von Riccione der Via Parini unter der Bahnlinie hindurch folgen. Dahinter gleich rechts in die Viale Rimini. Dieser Straße etwa 1,4 Kilometer folgen. An der Kreuzung auf Höhe der Bahnunterführung T O U R 2/2000 135 emilia romagna in die Viale Emilia links abbiegen Richtung N 16. Dort (Kilometer 2,6) links und nach 300 verkehrsumtosten Metern wieder rechts (Viale Veneto), über die Autobahn und knapp zwei Kilometer nach Überquerung der Autobahn (Kilometer 5,6) am Straßen-T nach rechts, über den Fluss Marano. Wenig später links nach Ospedaletto halten. Ab hier wird die Orientierung einfacher, denn die nächsten 12 Kilometer bis Santa Maria del Piano (Kilometer 22) folgt man der eingeschlagenen Straße – mit einem kräftigen Anstieg bei Montescudo, das auf einer Höhe von 380 Metern liegt. Drei Kilometer weiter scheiden sich die Geister: Ehrgeizige biegen rechts ab Richtung Sassofeltrio, durchfahren den Ort, um nach einer Abfahrt mit Gegenanstieg Montelicciano zu erreichen. Dort scharf links Richtung Mercatino Conca. Wer diesen Abstecher auslässt, spart mindestens 400 Höhenmeter und bleibt einfach bis Mercatino im Conca-Tal. In der Ortsmitte überspannt eine Brücke den Fluss. Dort hinüber und in zunächst steter Kletterei durch Monte Altavellio hindurch, zehn Kilometer auf dem Höhenrücken bleiben. Gut 2 Kilometer nach Überwindung des höchsten Punktes (Monte Osteriaccia, 635 Meter) zweigt links die Straße nach San Giovanni und Tavoleto ab. Den Ort rechts liegenlassen und der Hauptstraße auf dem Höhenrücken weitere 6,5 Kilometer bis San Felice (etwa Kilometer 57) folgen. An der Kreuzung in der Ortsmitte halblinks Richtung Morciano di Romagna abwärts fahren (scharf links zweigt die Straße nach Montefiore Am Hafen von Cesenatico gehen erst spät die Lichter aus. Die touristische Infrastruktur spricht vor allem außerhalb der Hauptsaison für einen Standort an der Küste ab). Am Straßen-T bei Morciano (Kilometer 62,5) den Ort links umfahren und nach einem weiteren Kilometer die Conca-Brücke überqueren. Direkt hinter der Brücke rechts abbiegen, nach einem Kilometer wieder rechts. Hier beginnt das lange und verdiente Ausrollen: Vier Kilometer zieht sich die Straße schnurgerade und flach durch San Andrea bis Casale, knickt dort 136 T O U R 2/2000 UM DIE STEILE STADT Startort: Urbino Gesamtlänge: 66 Kilometer Tourencharakter: Mittelschwer und aussichtsreich Auch wenn sich am Apennin dicke Wolken stauen, scheint an der Küste oft die Sonne kaum merklich nach links ab (Kreuzung überqueren) und langt nach weiteren vier Kilometern und der Überquerung der Autobahn an der extrem befahrenen Küstenstraße N 16 bei Riccione an. 3 VOM HAFEN ZUR BURG Startort: Cesenatico Gesamtlänge: 108 Kilometer Tourencharakter: Schwere Tour mit vielen Höhenmetern Die ersten und letzten 30 Kilometer sind „geschenkt“, doch dazwischen geht es bisweilen steil zur Sache; fast achthundert Meter über dem Startplatz liegt Madonna di Pugliano, der Kulminationspunkt der Tour. Der Weg dorthin ist zuletzt 17 Prozent steil! Kurz davor passiert man mit der Festung von San Leo eine der eindrucksvollsten und aussichtsreichsten Burgen der Region. Am hinteren Ende des Hafenkanals von Cesenatico geht es (diesseits der Bahnlinie) links. Erst einen guten Kilometer weiter unterquert man nach rechts zuerst die Bahn, dann die Autobahn. Die Straße führt nach Sala, wo die Hektik des Küstenstreifens bereits vorbei ist. Dort, bei Kilometer 6, folgt man halblinks der Straße nach Savignano. In Savignano (Kilometer 13) an der Ampel die Via Emilia (N 9) überqueren. 100 Meter weiter, bei der nächsten Ampel, links abbiegen und dann nach einem Kilome- ter rechts in die Via della Pace Richtung Canonica einbiegen. An der Kreuzung (Kilometer 18,5) zunächst rechts, nach etwa 350 Metern wieder links abbiegen (Richtung Verucchio). Die Provinzstraße 88 überqueren und bei Kilometer 22 rechts weiter. Bei Ponte Verucchio den Fluss Marecchia überqueren und nach rechts auf die N 258 einbiegen. An der Einmündung ist ein Imbiss mit leckeren Piadine – für den Rückweg merken! Nach sechs Kilometern auf der Hauptstraße geht es bei Bivio San Leo links in die zunehmend steilen Berge. Nach fast zehn Kilometern immer heftigeren Kurbelns ist San Leo erreicht. Eine Pause tut hier gut, denn noch weitere 200 Höhenmeter sind bis Madonna die Pugliano zu erstrampeln. Dort angekommen – der Tacho zeigt jetzt etwa 49 Kilometer – geht es nach rechts und heftigst bergab. Nach 600 Metern Höhenverlust trifft die Straße bei Ponte Baffoni wieder auf die N 258: rechts abbiegen und die nächsten 19 Kilometer der breiten Straße folgen. Hinter dem bereits erwähnten Imbiss (Kilometer 78) wieder nach links über die Marecchia queren und der Straße bis Santarcangelo (Kilometer 89) folgen. Nach der Ortsmitte links auf die N 9, die man nach zwei Kilometern wieder Richtung Bellaria nach rechts verlässt. Bei Villa Torlone (Kilometer 95,5) lauert eine Links-Rechts-Kombination: Zunächst links abbiegen, nach 100 Metern wieder rechts Richtung Bellaria. Nach der Unterquerung der Küstenautobahn (Kilometer 100,5) links halten und parallel zur Autobahn die letzten acht Kilometer zurück nach Cesenatico rollen. 4 Eindrucksvoller Ausflug: Diese Route ist die geeignete Ergänzung zu einem Bummel durch Urbino, das der Reiseführer als „eine der schönsten Städte Italiens“ lobt. Wer unterwegs einkehren will, findet in der Nähe der Festung von Sassocorvaro mehrere Trattorien. In Urbino vor der Stadtmauer parken. Von hier rechts bergab und auf die Nationalstraße „73 bis“ in Richtung Urbania einbiegen. Dieser gut ausgebauten Straße mit geringen Höhenunterschieden bis etwa Kilometer 16 folgen: Kurz vor Urbania, nach einer zügigen Abfahrt, biegt rechts die Straße nach Peglio ab. Es geht bald steil aufwärts. An Peglio vorbei folgt man der Straße weiter nach Sassocorvaro, immer auf dem Höhenzug entlang. Steil bergab nach Sassocorvaro mit Seeblick. Am nördlichen Seeende rechts abbiegen und während der nächsten 15 Kilometer das steigungsarme Geländeprofil des Foglia-Tales genießen. Hinter den Häusern von Gallo (Kilometer 51) geht die Kletterei wieder los: Rechts über den Fluss abbiegen und an Schieti vorbei der Hauptstraße folgen. Kurvenreich und mit etwas Höhengewinn geht es zurück zur hohen Stadtmauer von Urbino. 5 KÖNIGSETAPPE: NOVE COLLI Startort: Cesenatico Gesamtlänge: 205 Kilometer Tourencharakteristik: Extreme Runde, die von Solisten außerordentlichen Durchhaltewillen verlangt. Die Strecke des berühmten Marathons ist vor allem im ersten Teil stark befahren und wird für die Veranstaltung gesperrt. Von Cesenatico folgt man der N 304 bis Cesena und fährt nach der Eisenbahnunterführung rechts in die Stadt. An der Ampel nach rechts und der stark befahrenen N 9 über den Fluss Sávio bis vor Forlimpopoli folgen. Hier, bei Kilometer 24, die Hauptstraße nach links bergauf Richtung Bertinoro verlassen. Im Ort Richtung Cesena halten, nach zwei Kilometern in dieser Richtung rechts und nach weitern 2,5 Kilometern weiter rechts, steil bergauf nach Polenta (Kilometer 35), dem ersten der neun Gipfel. Rasante Abfahrt nach Fratta Terme, dort links Richtung Méldola. Kurz vor Méldola (Kilometer 45) links abbiegen (Schild: Borello). Abzweig nach fünf Kilometern ignorieren, 14 Kilometer weiterklettern nach Pieve di Rivoschio (Kilometer 64). Auf 470 Metern Höhe ist dies der zweite „Gipfel“. An der Einmündung links und steil hinab nach San Romano. Hinter dem Ort im Flusstal rechts abbiegen und schon nach einem Kilometer, vor Linaro, wieder links. Die folgenden Kilometer 70 bis 84 gipfeln in Ciola – Gipfel Nummer drei! – und stürzen vierhundert Meter weit hinunter nach Mercato Saraceno. Den Ort nach rechts durchqueren, am Ortsende links über den Fluss und die Kraftfahrstraße. Die folgende Auffahrt nach Barbotto (Kilometer 91), dem vierten Höhepunkt des Nove Colli, ist mit bis zu 18 Prozent eine der besonderen Gemeinheiten der Marathonrunde. Oben angekommen, führt die Runde mit einer noch größeren Steigung links weiter nach Sogliano. Noch vor dem Zentrum der Ortschaft geht es bei Kilometerstand 105 wieder rechts hinab nach Ponte dell Uso. Dort erneut rechts halten und über Pietra dell Uso aufwärts zum Montetiffi, der fünften und in Sachen absoluter Höhe eher unspektakulären Erhebung. Dem Verlauf der Straße in Richtung Per- ticara folgen, wo bei Kilometer 126 der sechste Gipfel wartet. Mit 655 Metern ist er der zweithöchste der Runde. Links und oft steil hinab nach Novafeltria (Kilometer 132). Rechts auf die N 258 einbiegen und bei Ponte Baffoni links mit bis zu 17 Prozent Steigung 300 Höhenmeter nach Serra di Maiolo. Immer noch 200 Höhenmeter sind es zum Dach der Tour, Pugliano auf 780 Metern (Kilometer 144). Abfahrt bis San Leo. Hinter der Ortschaft sofort links, weiter abwärts Richtung Secchiano. Im Marecchia-Tal Einmündung nach rechts auf die Straße 258, nach gut einem Kilometer ( bei Kilometer 154) steil links auffahren zum achten Gipfel, dem Passo delle Siepi. Acht Kilometer hinab bis Ponte del Uso. Weitere acht Kilometer geht es rechts abwärts im Flusstal, dann auf kleinem Sträßchen links aufwärts nach Gorolo und Richtung San Giovanni. Bei 13 bis 17 Prozent Steigung sind hier die letzten Reserven gefragt. Auf dem höchsten Punkt (und damit auf dem letzten der neun Hügel angelangt) fährt man rechts nach Borghi (Kilometer 184) und Savignano. Die Ebene ist erreicht und die letzten zehn Kilometer über Gatteo und Sala verlaufen flach bis zum Ausgangspunkt. T O U R 2/2000 137