Die Isar - alpinjournal

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Die Isar - alpinjournal
sport & Fr
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Ihr Weg ist ihr Ziel
Foto: Michael Pröttel
Die Isar schuf auf ihrem Lauf von der Quelle bis zur Mündung eine
der schönsten Landschaften Oberbayerns.
Text: Michael Pröttel
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tItelstorY
„Aus dem Karwendelgebirg´, springt a gloana Bach.
Er is so wuid hinta Scharnitz, und weida geht´s zum Sylvenstein.
Da muaß er nei, Fall, Lenggries, Bad Tölz
und dann in der Pupplinger Au wird die Zeit angehalten,
in da Sommasonna auf dem weißen Kies, i sog eich, des is
des Isarflimmern mitten im Paradies!“
Zeit und Plätze, die Seele baumeln zu lassen,
gibt es entlang des Flusses zuhauf
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Sport & Freizeit
Besser als der Münchner Liedermacher und selbst ernannte „Isar-Indianer“ Willy Michl
kann man die magische Anziehungskraft der Isar einfach nicht in Worte fassen. Der Liebes­­
er­klärung der bayerischen Blues-Legende ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen – außer
dass es an der Isar noch viel, viel mehr zu entdecken gibt als sonnenverwöhnte Kiesbänke.
Aus den Tiefen des Karwendels
der Einmündung in die Donau endet. Ob
mit dem Auto, per Fahrrad oder auf einem
Schlauchboot – man muss sich einfach vom
wohl bayerischsten Fluss entführen lassen
und seinem weiß-blauen Wasser zu den
schönsten Plätzen Oberbayerns folgen.
Dank der Leutascher Ache, die zusätzliches Wasser aus dem gegenüberliegenden
Wettersteingebirge spendiert, strömt die
Isar bereits in Mittenwald als beachtlicher
Fluss an den hübschen Lüftlmalereien des
Geigenbauortes vorbei.
Die Geschichte der Flößer
Ab Mittenwald war die Isar mit Flößen
schiffbar, die schon in frühgeschichtlicher Zeit wertvolle Waren in Richtung
Donau transportierten. Das Holz der Flöße war von Beginn an ihr wichtigstes Gut.
Das Schiff war die Ladung – die Ladung
war das Schiff. Dreimal so schnell wie die
damaligen Fuhrwerke beförderten die
unverwüstlichen Stammgebinde Tiroler
Salz, Welschen Wein, Lenggrieser Kalk,
Tölzer Bier und Wolfratshauser Tuffstein. Sie lieferten das Holz fürs Dach
der Münchner Frauenkirche und für den
Wiener Stephansdom. Im Rekordjahr
1864 landeten 11000 Flöße in München
Foto: Tölzer Land Tourismus
Auf dem Floß flussabwärts: ein feucht-fröhliches Vergnügen mit Blick auf die Isarauen
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an. Fünf Isarflöße ergaben ein Donaufloß. Zuweilen trieben die Baumstämme
aus dem bayerischen Bergwald sogar bis
ins weit entfernte Schwarze Meer.
Heutzutage würden Mittenwalder
Flößer spätestens im benachbarten
Krün „sauber auf Grund laufen“, wie
der Bayer so sagt. Seit den 1920er-Jahren
wird dem Fluss dort der Großteil seiner
Wassermenge und somit den Flößern die
Arbeitsgrundlage entzogen. Die Ableitung zum Walchenseekraftwerk hatte zur
Folge, dass sich der Isarwinkel zwischen
Krün und Vorderriss über Jahrzehnte
hinweg nicht als sprudelnder Gebirgsfluss, sondern als ausgetrockneter Wadi
präsentierte. Einem Umweltbündnis
ist es zu verdanken, dass man seit 1990
wieder entlang eines Gebirgsflusses mit
glitzernden Seitenarmen weiter Richtung
Sylvenstein radeln kann. Die Isar ist also
gar nicht so reißend, wie es die lange Zeit
in Stein gemeißelte Namenserklärung
Isar (= die Reißende, von keltisch ys
= reißend und ura = Fluss) nahe legte. Heute wissen die Etymologen: Der
Name geht schlicht und ergreifend auf
die indogermanische Wurzel „is“ für
fließendes Wasser zurück.
Süßes Picknick am Isarstrand
Foto: Michael Pröttel
A
m Fuße der Birkkarspitze, des mit
2749 Metern höchsten Karwendelgipfels, erblickt die junge Isar
das Licht der Welt. Tropfend und gurgelnd
quillt ihr Wasser aus 28 im Bergwald versteckten, moosbewachsenen Karstquellen
und sprudelt als glasklarer Gebirgsfluss
durchs ursprüngliche Hinterautal nach
Scharnitz hinab und somit der deutschösterreichischen Grenze entgegen. Hier
startet die Isar eine wunderschöne Bayerntour, die erst nach 263 Flusskilometern mit
Attraktionen am Wegesrand
Nachdem das Wasser durch die Fenster
und Türen des im Sylvenstein-Stausee versunkenen Bergdorfes Fall geströmt ist und
hinter der Staumauer wieder ungebändigt
ins Alpenvorland austritt, zeigt die Isar ihr
vielleicht schönstes Gesicht.
Ausgewiesene Wasserratten erkunden
die Flussschleifen und Kiesbänke des oberen Isartales natürlich mit dem Schlauchboot oder stürzen sich rund um Lenggries
beim Rafting ins feucht-fröhliche Vergnügen. Doch auch in Ufernähe hat der Fluss
viel zu bieten: Nostalgiker erwandern sich
im „Malerwinkel“ pittoreske Flussblicke,
und Sonnenanbeter genießen einfach ganz
faul das Isarflimmern auf den Kieseln der
Pupplinger Au.
Und wer gerne auf dem Rad unterwegs
ist, dem bietet der Isarradweg insgesamt
300 Kilometer einzigartiges Naturerlebnis
– von den Quelle bis zur Mündung in die
Donau lässt sich der Fluss bequem und eindrucksvoll erradeln. Wobei man unbedingt
auch genügend Zeit für die Attraktionen
unterwegs einplanen sollte, denn es gibt
einiges zu sehen. Vom Sylvenstein über
Lenggries und Bad Tölz mit seiner pittoresken Altstadt bis nach Wolfratshausen, wo
sie die Loisach aufnimmt, bietet die Isar alle
denkbaren Spielarten ihrer wunderschönen
Flusslandschaft nach Belieben zu erkunden.
Die Landeshauptstadt und ihr
Fluss
Ab Wolfratshausen wird es
zünftig
Aber die Isar hat keinesfalls nur für Naturliebhaber und Zivilisationsflüchtlinge ein
offenes Herz. Nicht wenige Zeitgenossen
zieht die Kombination aus schwankenden
Maßkrügen und spritzender Gischt in die
alte Flößerstadt Wolfratshausen. Auf den
legendären Floßfahrten nach München
werden Binnenschiffer mit Sicherheit von
innen und außen nass. Große Bierfässer,
wasserfeste Blaskapellen und sieben spektakuläre Floßrutschen, von denen eine sogar
die längste Europas ist, sorgen im Sommer
für vorgezogene Oktoberfeststimmung. An
der Thalkirchener Floßlände werden die
Flöße nach erfolgreicher Umschiffung des
berüchtigten Georgensteins zerlegt. Aber
nicht um die Stämme gewinnbringend zu
verkaufen, sondern um sie per Lkw wieder
nach Wolfratshausen zu bringen, wo sie
noch in der Nacht wieder zusammengebaut werden. Heutzutage ist nicht mehr
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die Ladung das Schiff. Es sind die Gäste.
Ob Besucher und Einheimische – alle Floßfans können sich in diesem Jahr auf ein
ganz besonderes Highlight freuen: Mit einem rauschenden Fest feiern die Lenggrieser Flößer am 30. August ihre Gefährte und
gewähren Einblicke in die Zunft, mit der
sich Lenggries nun auch offiziell schmücken darf: Seit kurzem gehört die größte
Gemeinde im Tölzer Land zum erlesenen
Zirkel der acht offiziellen Flößer-Dörfer
in Europa.
Wenn man schon einen Wildfluss vor der
Haustüre hat, dann muss man diesen einfach in die Stadt holen! Das dachten sich
die ebenso schlauen Münchner und entwickelten in den 1990er-Jahren den sogenannten „Isarplan“. Auf sechs Kilometern
Länge wurde die Isar im Stadtgebiet aus
einem engen Beton- und Dammkorsett befreit, wodurch man zwei Fliegen mit einer
Klappe schlug: Wie von den Wasserbauingenieuren erhofft, erwies sich die naturnahe Flussgestaltung als perfekter Hochwasserschutz. Das Jahrhunderthochwasser
2005 hinterließ im Renaturierungsbereich
gerade einmal Minimalschäden. Vor allem
aber schenkte man der bayerischen Landeshauptstadt ein weiteres Schmankerl für
ihre ohnehin beneidenswerte „Lebenswertliste“. In welcher Binnen-Millionenstadt
kann man im Sommer schon Badenachmittage auf idyllischen Kiesbänken und mit
bester Wasserqualität genießen?
18.11.2009
15:39 Uhr
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Nur etwas für Mutige: die
Erlebnis-Rutsche am Isar-Horn
Foto: Mittenwald, Stefan Adam
„Klein Kairo“ darf dabei auf keinen Fall
fehlen. Seit 1997 hat der Landart-Künstler
Karl-Heinz Fett auf einer Kiesbank südlich
von Bad Tölz sage und schreibe 80 Steinpyramiden errichtet, die er hartnäckig gegen jedes Frühjahrhochwasser verteidigt.
Die Kalksteinkegel machten Fett nicht nur
zur lokalen Berühmtheit, sondern verhalfen
dem ehemals Obdachlosen sogar zu einem
warmen Bett. Als einige Tageszeitungsartikel auf seine Situation aufmerksam
machten, wurde wie durch ein Wunder
plötzlich ein Platz in einem Altersheim frei.
Foto: Michael Pröttel
„Klein Kairo“: 80 Steinpyramiden
auf einer Kiesbank bei Bad Tölz
Überhaupt ist München ohne die Isar
gar nicht vorstellbar, denn erst mit einer
Brücke über sie begann im 12. Jahrhundert die offizielle Siedlungsgeschichte:
Im benachbarten Föhring unterhielt das
mächtige Bistum Freising einst eine einträgliche Wegezollbrücke. Heinrich der
Löwe dachte nicht im Traum daran, Mautgebühren zu bezahlen, ließ die Brücke 1158
niederbrennen und eine neue auf Höhe
der heutigen Ludwigsbrücke bauen. Den
Salzhändlern blieb nichts anderes übrig,
als einen Umweg zu machen und ihren
Wegzoll fortan an den resoluten Welfen
abzutreten … was so manchen Freisinger
angeblich bis heute wurmt.
Artenvielfalt im Norden
Die Freisinger Biber lässt der uralte Mautstreit freilich kalt. Sie müssen in den Auwäldern der traditionsreichen Bischofsstadt so oder so keine Abgaben zahlen.
Nicht nur für monogame Nager ist die
Aulandschaft ein unbezahlbarer Lebensraum. Seltene Vögel wie Waldohreule,
Schwarzspecht oder Eisvogel treffen an
den Wald- und Wasserflächen auf Molch,
Laubfrosch und Gelbbauchunke. Mit etwas Glück kann dem Tierbeobachter sogar
Rotwild vor die Linse springen: In der Au
zwischen München und Freising leben an
die 300 Rothirsche. Mit der Artenvielfalt ist
in Freising keinesfalls Schluss: Kurz bevor
die Isar Oberbayern Lebewohl sagt, kann
man sich nördlich von Moosburg davon
überzeugen, dass menschliche Eingriffe
auch ihre guten Seiten haben können. Die
als Nebenprodukt des Mittleren Isarkanals
entstandenen Isarstauseen zählen zu den
wertvollsten Vogelschutzgebieten Bayerns
und sind ein international sehr bedeutender Rastplatz für Zugvögel.
Am Ende der Reise?
Nach vier Tagesetappen endet bei Moosburg der oberbayerische Teil des Isarradwegs. So richtig in Tritt gekommen, sei allen Pedalrittern empfohlen, noch die zwei
weiteren Teilstrecken bis zur Mündung in
die Donau anzuhängen. Wobei man sich
allerdings keinen falschen Illusionen hingeben darf: Die Gebirgswassertropfen, mit
denen zusammen man in Mittenwald gestartet ist, wird man nicht mehr einholen.
Sie dümpeln bereits nach drei Tagesreisen
im Schwarzen Meer.
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Foto: Eva Prockl und Richard Roth
sport & FreIzeIt
Malerische Aussichten im Englischen
Garten in München
I n F o r m at I o n e n
AktiVitÄten rund uM die isAr
1. isarradweg
Der knapp 300 Kilometer lange, von der Quelle bis
zur Mündung führende Isarradweg berührt nur selten
Straßen und führt meist durch Naturschutzgebiete.
Von Mittenwald bis Moosburg sind vier, von Mittenwald bis zur Mündung sechs Tage einzuplanen. Infos
unter www.isarradweg.de.
2. Hochseilgarten am isarhorn
Nördlich von Mittenwald kann man neben dem
Campingplatz Isarhorn auf einem Flying Fox über die
sprudelnde Isar rutschen oder seine Schwindelfreiheit am Hochseilgarten und am Kletterturm auf die
Probe stellen.
3. kieselstein-lehrpfad krün
Der Weg beginnt an der Isarbrücke hinter dem Sägewerk in Krün und geht ca. 1 km flussaufwärts. Mehrere Gesteinspyramiden entlang der Isar ermöglichen
einen Vergleich der selbst gefundenen Steine mit den
Exponaten auf den Pyramiden. Die Steinpyramiden
sind von April bis Ende Oktober zugänglich.
4. isar-rafting
Vom kurzen Einstiegstrip bis zur ganztägigen,
naturkundlich begleiteten Schlauchboottour findet
man bei der Lenggrieser Agentur www.snowandraft.
de ein weites Spektrum an Schlauchbootangeboten
im Isarabschnitt zwischen Fleck und Bad Tölz.
5. natur- und erlebnispfad lenggries
Von der Lenggrieser Isarbrücke 1,5 km lang auf dem
Isarwanderweg flussaufwärts. Auf dem Weg und auf
Abstechern in die Au sind Informationstafeln angebracht mit verschiedenen Themen rund um die Isar.
6. isarwanderung bei Bad tölz
Wunderschöner Weg entlang des Westufers südlich
von Bad Tölz beliebig weit in Richtung Lenggries.
Highlights sind die Steinkegel von „Klein Kairo“.
7. isar-floßfahrten ab wolfratshausen
Bier, Blasmusik und Bademöglichkeit auf der
Floßfahrt von Wolfratshausen nach München. In der
Regel für Gruppen oder Firmen, bei rechtzeitiger
Anfrage auch an Individualtouristen. Infos unter
www.isarflossfahrten.de
8. isar-wanderung zum kloster schäftlarn
Von der S-Bahn-Haltestelle Baierbrunn an den Felswänden von Buchenhain vorbei zur Isar und entlang
abgelegener Seitenarme zum Kloster Schäftlarn.
Nach der Einkehr zur unweit gelegenen S-BahnHaltestelle Ebenhausen.
9. Burg grünwald
Das ehemalige Jagdschloss der Wittelsbacher
ist heute ein Zweigmuseum der archäologischen
Staatssammlung in München – und ein beliebtes
Ausflugsziel für Einheimische und Gäste.
weitere inforMAtionen:
tourist-information Mittenwald
Dammkarstr. 3, 82481 Mittenwald
Tel. 08823/339 81
[email protected]
www.alpenwelt-karwendel.de
fremdenverkehrsamt lenggries
Marktstr. 1, 83661 Lenggries
Tel. 08042/50 08 20
www.lenggries.de
tourist-information Bad tölz
Max-Höfler-Platz 1, 83646 Bad Tölz
Tel. 08041/78 67-0
[email protected]
www.bad-toelz.de
tourist-info im rathaus wolfratshausen
Bürgerbüro
Marienplatz 1, 82515 Wolfratshausen
Tel. 08171/214-0
[email protected]
www.wolfratshausen.de
tourismusamt München
Sendlinger Str. 1, 80331 München
Tel. 089/23 39 65 00
[email protected]
www.muenchen-tourist.de
Die Isar begleiten.
Historisches und Interessantes,
Kurioses und Köstliches von
der Quelle bis zur Mündung
entdecken.
ISBN: 978-3-7658-4211-7
€ 14,95
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