„Und mit dem Zeug soll ich tauchen!?“
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„Und mit dem Zeug soll ich tauchen!?“
Reportage & Service The Cave 1: „Und mit dem Zeug soll ich tauchen!?“ Hollywood, so sagt man, erzählt keine Geschichte sondern Geschichten. Das ist auch mit „The Cave“ nicht anders. Trotzdem: Der Plot hat einen realen Hintergrund und in Sachen Höhlentauchen schien blendend recherchiert worden zu sein. Sprechen wir also Werbedeutsch und präsentieren wir Ihnen The Making of The Cave. Von Heinz Käsinger Die Story ist ebenso einfach wie eingängig: Eine Gruppe von Wissenschaftlern erkundet eine Abtei aus dem 13. Jahrhundert in Rumänien. Die Forscher stellen fest, dass die Abtei über einem ausgedehnten Höhlensystem erbaut worden ist. Sie fordern ein Team von amerikanischen Höhlentauchern an. Das stellt fest, dass sich in einem abgeschlossenen Ökosystem Lebensformen aus der Urzeit erhalten haben. Und dann schlägt das Monster zu... Wahrer Hintergrund Der Film hat einen wahren Hintergrund. Ende der 80er Jahre plante die rumänische Regierung, ein Gezeitenkraftwerk am Schwarzen Meer. Dr. Christi Lasun hatte die Aufgabe vorab festzustellen, ob derUntergrund des Movila-Höhlen genann- 80 ATLANTIS 4-05 ten Geländes die Masse überhaupt tragen könnte. Dr. Lasun stieß in den Höhlen auf eine Thermalquelle mit schwefelhaltigem Wasser. Darin schwammen ihm völlig unbekannte Lebewesen. Lebewesen, die sich in diesem abgeschlossenen Ökosystem seit der Eiszeit erhalten hatten. Ähnliche Funde gab es in Jugoslawien. So die eine wahre Geschichte. Die andere: In Rumänien gibt es mehr als 12 000 kartographierte Höhlen, fast ein Viertel davon könn(t)en betaucht werden. Die tiefste davon sticht 17 Kilometer tief in die Erde hinein. Aus diesen beiden Tatsachen müsste sich eigentlich ein veritabler Thriller schreiben lassen, dachten sich die beiden Autoren Michael Steinberg und Tegan West – und stellten das fertige Skript dem Produzenten Andrew Mason vor. den Film den Spezialisten vor und fragt, was wo wann und wie nicht korrekt war. Diese Szenen werden dann nachgestellt. Das „The Cave“-Team ging umgekehrt vor. Zunächst befragte man die Spezialisten, worauf man achten müsse. Dann drehte man, dann korrigierten die Spezialisten noch ein Mal. Wissenschaftlich korrekt „Ich wusste sofort, dass das der Stoff für einen packenden Horrorthriller ist“, bestätigt Mason ATLANTIS. Mason wurde später Co-Produzent mit Gary Lucchesi. Zunächst engagierte man eine Gruppe renommierter US-amerikanischer Höhlentaucher, stellte ihnen das Skript vor, hörte ihren Rat. Lucchesi: „Ganz viele ihrer wirklich abenteuerlichen tatsächlichen Erlebnisse bauten wir zusätzlich ins Skript ein, um authentisch zu sein. Was uns dabei bedenklich stimmte ist die Tatsache, dass pro Jahr einer von 14 Höhlentauchern tödlich verunglückt.“ Die Hauptaufgabe der Höhlentaucher war aber, die Produzenten wirklich umfassend über die Gegebenheiten in einer Höhle zu informieren. Normal ist bei einem Dreh dabei folgende Verfahrensweise: Einer scheibt das Drehbuch, das Team dreht den Film ab. Später stellt man Richard Wright, wissenschaftlicher Berater: „Unser Bestreben war es, den trockenen Stoff populär umzusetzen – ohne dabei fehlerhaft zu werden. Selbst gestandene Höhlentaucher sollten später sagen: ‚Klasse. Da hat jemand seine Hausaufgaben gemacht und sauber recherchiert.‘“ Nachdem die Entscheidung stand, den Film zu machen, die Finanzierung gesichert war, Story und Wissenschaft unter einen Hut gebracht, mussten die geeigneten Schauspieler gefunden werden. Mit Bruce Hunt hatte man vorher einen erfahrenen Regiseur engagiert. Der Hauptdarsteller, musste nicht nur ein guter Schauspieler sein sondern auch Führungsstärke ausstrahlen, physische wie psychische Kraft. Fündig wurde man in Cole Hauser. Starke Frauen Im Skript von Steinberg/West war ein Dreierteam von männlichen Tauchern vorgesehen, aber keine Frau. „Stellen Sie sich nur einen Film ohne weibliche Beteiligung vor“, jammert Regiseur Hunt. „Der Film wäre gänzlich ohne Sexappeal. Deshalb musste eine Rolle zwingend in eine Frauenrolle umgeschrieben werden.“ Nur: Ursprünglich war es eben eine Männerrolle und der Schauspieler musste im Film Aufgaben lösen, die im richtigen Leben eine Frau wegen der Körperkraft kaum lösen kann. Die Besetzung musste also eine richtig toughe Frau sein: Piper Perabo, die ebenfalls schon in etlichen Actionfi lmen mitgewirkt hatte. Perabo: „Das wirklich Schwierige war das Klettern. Ich begann damit ohne Anleitung an meinem Wohnort New York. Es war in einem Indoor-Sportcenter und der Verantwortliche hatte für mich nur den Rat übrig: ‚Halt dich gut fest, Sweetheart und schau nicht nach unten. Alles andere macht das Sicherungsseil.“ Perabo setzte das Training später konsequent in Los Angeles fort. Später sagte sie uns: „Tauchen? Das war dagegen kinderleicht.“ Alle Schauspieler waren schließlich gefunden. Doch keiner erfüllte die einfachen praktischen Voraussetzungen klettern oder tauchen zu können außer zwei Personen, die die Disziplinen rudimentär beherrschten. Bruce Hunt: „Wir hatten die Wahl. Entweder wir entscheiden uns von vorneherein für Schauspieler, die Kletterund Tauchkurse absolviert hatten oder wir besetzen die Rollen personell optimal und machen dafür Abstriche im sportlichen Bereich. Uns schien es schließlich wichtiger, gute Schauspieler zu haben.“ Diese wurden dann in einem neunwöchigen Training fit für die Herausfor- Hier entstand „The Cave“: ProTec Advanced Training Facility, Playa del Carmen ProTec besteht seit dem Jahr 2000 und befindet sich in Playa del Carmen auf der Yucatan-Halbinsel in der Mexikanischen Karibik, rund 60 Kilometer südlich vom internationalen Flughafen Cancun. Die Spezialitäten von ProTec sind Höhlentauchen, technisches Tauchen und das Tauchen mit halb geschlossenen SCR oder komplett geschlossenen CCR-Kreislaufgeräten für die Service angeboten oder auch Ausbildung bis hin zu Tauchlehrer-Scheinen gemacht wird. Selbstverständlich bietet man auch Sporttauchen und das Tauchen in den weltbekannten Cenotes an. Basisleiter und -besitzer sind Matt und Scott, unterstützt werden sie durch die Tauchlehrer Mike, Nando und Bernadette, der Sekretärin Rosalba sowie Techniker Carlos. Sprachen sind Deutsch, Spanisch und Englisch. Ausbildung: Padi, IANTD, Naui, NSSCDS und NACD und erkennen neben diesen die folgenden Brevets an: PATD, CMAS, VDST, VDTL, A-Tec und Protec. Info: [email protected] oder [email protected]; Webseite: www.protecdiving.com ATLANTIS 4-05 81 Reportage & Service derungen des Set gemacht. Drei Wochen klettern und sechs Wochen tauchen standen auf dem Trainingsplan. Dirk Ravanello, einer der Hauptdarsteller, hatte Wochen vor Trainingsbeginn zufällig einen Open Water Tauchkurs gemacht. Voller Selbstvertrauen kam er zum Tauchtraining. Als er aber die Rebreather sah, gewohnt an Pressluft, rief er verzweifelt aus: „Und mit dem Zeug soll ich tauchen!?“ Marathondreh Endlich konnten die Dreharbeiten beginnen. Das bedeutete zunächst, zehn Tonnen Gepäck von Amerika nach Rumänien zu schaffen, um dann in den gigantischen, bereits vorbereiteten Pool zu steigen. Wegen der Versicherung mussten auch in diesem relativ einfachen Umfeld jede Menge Sicherungstaucher wachen. Wirklich schwierige Szenen wurden gedoubelt, darauf bestand die Versicherung. Trotzdem geriet die Phase der Unterwasser-Dreharbeiten zum Horrorszenario der Schauspieler. Bis zu zwölf Stunden täglich wurde gedreht, wobei die Schauspieler nahezu die komplette Zeit in ihren Nasstauchanzügen im Wasser waren. Pinkelpausen blieben ausgeschlossen, man urinierte aus Zeitgünden einfach ins Wasser. Das wiederum rief Ekzeme und Hautreizungen hervor. Der Unapetittlichkeit nicht genug, musste auch im Wasser gegessen werden. Mit der Dauer der Dreharbeiten wurde das klare Wasser immer schmutziger. Trotz dieser Umstände gelang es der Crew, die Dreharbeiten ohne Unfall abzu- 82 ATLANTIS 4-05 The Cave 2: Informationen zum Film Produktion: Touchstone Pictures Gesamtbudget: 29 Millionen Dollar Produzenten: Gerry Lucchese, Andrew Mason Das Unterwasser-Filmteam Wes Skiles, Brian Kakuk, Jil Heinerth, Paul Heinerth, Woody Jasper, Tom Morris, Nathan Skiles, Noel Tower, Mark Meadows, Jidka Hyniova, Jakub Rehacek, Chris stanton, Kenny Broad, Mark Long, Bil Phillips, Len Bucko, Steve Bogaerts, Scott Carnahan, Chuk Stevens, Antony S. Lenso, Imanol Zubizarreta, Martin Gallo Argerich und Andreas W. Matthes (gleichzeitig Autor dieses Beitrags) Regie: Bruce Hunt Darsteller (Auszug): Cole Hauser, Eddie Cibrian, Morris Chestnut, Piper Perabo, Daniel Dae Kim, Rick Ravanello, Marcel Lures, Lena Headley Drehzeit Unterwaser-Szenen: 2 Monate schließen. Die richtigen Höhlenszenen in Yukatan, Mexiko, würden unter Wasser ausschließlich gedoubelt werden. Bleibt noch, die Kreatur, die den Horror überhaupt auslöst, etwas näher zu beschreiben. Wissenschaftler meinen, es könnte durchaus solche unentdeckten Monster geben. Nun, entdeckt wurde bislang keines. Sicher ist eins: Das aus „The Cave“ wurde aus Latex gefertigt, paart Aggressivität mit Intelligenz und ist damit durchaus menschlich charakterisiert. „The Cave“ ist am 26. August 2005 in den amerikanischen Kinos angelaufen. Wann der Streifen nach Europa kommt, steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Impressionen vom Set: Basteleien an der Technik, Regietafel, pyrotechnische Effekte, Kameracheck, Dschungeltrip (vordere Seite). Latexmonster, Höhlenkulisse, Kameramann Wes Skiles, im Tank (unten) 500 Jahre Erfahrung in einer Höhle versammelt Der Plot des Horrorthrillers „The Cave“ spielt in Unterwasserhöhlen. Das verlangte dem Drehteam Höchstleistungen ab. Von Andreas W. Matthes Höhlentauchen in Rumänien wird einem nicht alle Tage angeboten. Deshalb sagte ich sofort ja, als mein Freund Wes Skiles, mich eines Tages fragte: „Hey, Matt, hast Du nicht Lust auf eine kleine Exkursion nach Rumänien?“ Ehrlich gesagt hatte ich bis dahin keine Ahnung davon gehabt, dass es in Rumänien betauchbare Höhlen gibt. Aber wenn man etwas Neues machen kann, Erfahrungen sammeln, soll man ja nicht nein sagen. Naja, Wes hatte mir etwas entscheidendes verschwiegen. Nämlich dass die von uns zu erforschende Höhle in einem Filmstudio stand, ein rund vier Millionen Liter fassender, sechs Meter tiefer Tank war und innen mit vielen echten Felsen und noch mehr unechten aus Styropor, dekoriert war. Wes hatte mich einfach zur Mithilfe an den Dreharbeiten zu einem Actionfilm überredet. Modernste Ausrüstung Der Tank stand in den Mediapro-Studios in Buftea, etwas außerhalb von Bucarest. Seine Wände waren schwarz gestrichen, den Einstieg deckte eine dicke, dunkle Plane ab. Neben dem Tank hatten die Kulissenbauer weitere Höhlenszenarien aufgebaut, trocken liegene Überwasserhöhlen, Gänge, Durchlässe. In einem Film muss alles perfekt sein, alles stimmen. Und so mussten die Schauspieler natürlich auch im einfach zu betauchenden Tank die volle Höhlenausrüstung tragen. Deshalb flogen wir aus Amerika zu den vier Wochen dauernden Dreharbeiten in Rumänien das ganze Equipment-Programm ein: Tauchanzüge, starke Lampen, Reels, zehn Megalodon-Rebreater, Dive Rite Unterwasser-Scooter, Schlitten. Meine Aufgabe war die eines Sicherungstauchers und in manchen Situationen musste ich einen der Schauspieler doubeln. Den Schauspielern half ich auch beim An- und Ausziehen, beim Handling der Geräte. Half, die insgesamt 300 Meter langen Kabel zu führen und zu legen, reparierte Ausrüstung. Die Kamera war über ein fiberoptisches Kabel mit einem Monitor an einem über Wasser liegenden Arbeitsplatz verbunden, wo der Regiseur die Unterwasserszenen verfolgte und bei Bedarf eingriff. Damit dies alles nicht indirekt und über Handzeichen geschehen musste, waren wir alle an ein hochmodernes Unterwasser-Kommunikationssystem angeschlossen. Allzumenschliches Zu Anfang war das Wasser klar und rein wie in einem Bergsee. Doch je länger die Dreharbeiten im Pool dauerten, um so süßlicher roch es rund um den Tank und am Wasser. Man kann sich vorstellen, dass keiner den Drehort verließ, um sich einen kurzen Toilettenaufenthalt zu gönnen. Auch machten wir die Essenspausen im Wasser. Nach wenigen Minuten Pause ging die Arbeit schon wieder weiter. Während jeder unter Wasser zu drehenden Szene waren um die 24 Taucher im Wasser. Die Schauspieler, die Kameraleute und die Beleuchter. Dazu wir Sicherungstaucher und die Assistenten. Obwohl der Tank vergleichsweise einfach zu betauchen war, mussten schwierigere Taucher-Szenen von uns alten Höhlenhasen gedoubelt werden. Das war wegen der Versicherung nötig. Überhaupt hatte die eine Menge Bedenken. Kommando zurück Vier Wochen dauerte der Dreh in Rumänien, dann ging es zurück nach Amerika. Genauer gesagt, nach Mexiko, wo die richtigen Höhlenszenen in den Cenoten Orchedia und Tak Be Ha gedreht wurden. Es war uns von Anfang an klar gewesen, dass wir zwar die Action-Szenen und die generelle Handlung im Tank drehen können würden, wir jedoch auf jeden Fall auch Panorama-Aufnahmen für die Wirkung einer Unterwasserhöhle auf den Zuschauer bräuchten. Das Kulissenteam hatte im mexikanischen Dschungel nahe bei Buddy Quattelbaums Hidden World Dive Center ein komplettes Rumänisches Dorf aufgebaut. Daneben war eine kleine Zeltstadt entstanden, Andreas W. Matthes wo wir wohnten und aßen, geschminkt wurden. Hier lief auch fast pausenlos der Kompressor, der unsere Atemtanks füllte, die gewaltigen Generatoren, die die Lichtanlagen speisten. Als wir uns zu einer ersten Besprechung zusammen setzten, waren zwei Dinge schon klar: Absoluten Vorrang vor allem anderem würde die Sicherheit der Menschen haben. Und als nächstes die Erhaltung der unvergleichlichen Unterwasserwelt der Cenoten. Letzteres erforderte den Einsatz einer Menge erfahrener Taucher, die darauf achten mussten, dass sich die Verkabelung nicht verhederte, Schlamm aufwirbelte oder gar vorhandene fragile Kalksteinstrukturen zerstören würde. 2000 Stunden Videomaterial Als die Dreharbeiten abgeschlossen waren, hatten wir alleine 2000 Stunden Unterwassermaterial zusammengefilmt. Das bedeutet, dass rund 40 000 Mann-Stunden unter Wasser zusammen gekommen waren – ohne einen einzigen Unfall. Als ich die Zusage gab, an diesem Projekt mit zu arbeiten, erwartete ich nur zwei Dinge. Neue nette Leute kennen zu lernen und neue Erfahrungen zu machen. Ich wurde in keiner Hinsicht enttäuscht! Manchmal, wenn ich einen kleinen Durchhänger hatte, schaute ich um mich. Wow, dachte ich angesichts der vielen Taucher in Tank oder Höhle. Hier sind 500 Jahre Höhlenerfahrung versammelt – und ich bin ein Teil davon! Jedenfalls werde ich mich an die Dreharbeiten zu „The Cave“ immer erinnern. Und ich bin froh, dass ich Wes Skiles mit seinem „Höhlentauchen in Rumänien“ auf den Leim gegangen bin. ATLANTIS 4-05 83