SHG-Infobrief 2015-3 - Prostatakrebs-Selbsthilfe

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SHG-Infobrief 2015-3 - Prostatakrebs-Selbsthilfe
Selbsthilfegruppe Prostatakrebs Pforzheim
Mitglied im Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V.
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Dieter Voland, Bichlerstr. 19, 75173 Pforzheim
Tel.: (07231) 298612
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Pforzheim, den .1. Sept. 2015
Infobrief 3/2015 der SHG Prostatakrebs Pforzheim
Anbei einige Informationen, die für den Einen oder Anderen von Interesse sein können:
1. Enzalutamid (Xtandi®) jetzt auch vor einer Chemo zugelassen !
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 18. Juni 2015 beschlossen
Neu zugelassenes Anwendungsgebiet vom 28. November 2014:
Enzalutamid (Xtandi®) ist angezeigt zur Behandlung erwachsener Männer mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom mit asymptomatischem oder mild symptomatischem Verlauf nach Versagen der
Androgenentzugstherapie, bei denen eine Chemotherapie klinisch noch nicht indiziert ist.
2. Prostatakrebs: molekularer Nachweis von Lymphknotenmetastasen
Der Nachweis von Lymphknotenmetastasen bei einem Prostatakarzinom ist zum Zeitpunkt der operativen
Entfernung der Prostata ein wesentlicher Risikofaktor für ein Wiederauftreten der Erkrankung. Mit der
Entwicklung eines molekularen Nachweises selbst einzelner Prostatakarzinom-zellen in Lymphknoten hat
eine Forschungsgruppe am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München die
Ausdehnung von Lymphknotenmetastasen zum Operationszeitpunkt erfasst. Zukünftige Untersuchungen
richten sich nun auf die Vorhersage des Krankheitsverlaufs anhand der molekularen
Lymphknotenuntersuchung.
Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor und die dritthäufigste tumorbedingte Todesursache des Mannes in
Deutschland. Ausgehend von der Prostata streuen Prostatakarzinomzellen zunächst in Lymphknoten im Bereich
des Beckens, gefolgt von Knochenmetastasen im Spätstadium. Der Nachweis von Lymphknotenmetastasen gilt
als wesentlicher Risikofaktor für ein erneutes Auftreten der Tumorerkrankung und für die tumorbedingte
Sterblichkeit nach operativer Entfernung der Prostata. In der klinischen Routinediagnostik mittels Bildgebung
lassen sich Lymphknotenmetastasen erst dann sicher nachweisen, wenn der Tumor in den Lymphknoten eine
ausreichende Größe erreicht hat. Eine Stufenschnittdiagnostik bei der feingeweblichen pathologischen
Untersuchung ermöglicht zwar den Nachweis auch einzelner Tumorzellen, ist jedoch mit einem sehr hohen Zeitund Kostenaufwand verbunden und daher in der klinischen Routine nicht anwendbar.
Die Forschungsgruppe um Dr. Matthias Heck, Dr. Roman Nawroth und Prof. Dr. Margitta Retz der Urologischen
Klinik am Klinikum rechts der Isar der TU München arbeitet an molekularen Nachweismethoden, um selbst
einzelne Tumorzellen in Lymphknoten beim Prostatakarzinom aufzuspüren. Im Wesentlichen wird dabei das
Auftreten von Genen in Lymphknoten untersucht, die nur in Prostatazellen aktiv sind. In Voruntersuchungen
erwies sich die Methodik der Polymerase-Kettenreaktion als sehr sensitiv und ermöglichte den Nachweis von nur
einer Prostatakarzinomzelle in einer Million gesunder Zellen.
In einer klinischen Studie untersuchte die Münchner Forschungsgruppe die molekulare Methodik im Vergleich zur
feingeweblichen pathologischen Routineuntersuchung von Lymphknoten bei Patienten mit einem Prostatakarzinom, die mittels operativer Entfernung von Prostata und Lymphknoten im Bereich der Beckengefäße behandelt
wurden. Bei 23% der Patienten wurden mittels der pathologischen Untersuchung Lymphknotenmetastasen
nachgewiesen. Die molekulare Untersuchung bestätigte dieses Ergebnis und wies bei weiteren 29% Metastasen
nach. In der statistischen Auswertung war der Nachweis von Lymphknotenmetastasen in beiden Untersuchungsmethoden mit ähnlichen Risikofaktoren verbunden (erhöhter Serumwert des prostata-spezifischen Antigens (PSA)/
Gleason Score/ Prostatabiopsiedichte und pathologisches Tumorstadium). Dabei zeigten sich die höchsten Werte
bei Patienten mit pathologisch nachgewiesenen Lymphknotenmetastasen, gefolgt von Patienten mit ausschließlich
molekular nachgewiesenen Lymphknotenmetastasen und die niedrigsten Werte wurden bei Patienten mit
unauffälligem Befund in beiden Untersuchungsmethoden beobachtet. Dies könnte bedeuten, dass in der
Routineuntersuchung vor allem Metastasen nachgewiesen werden, die schon eine gewisse Größe erreicht haben
und damit auch auf eine fortgeschrittene Metastasierung hinweisen. Gerade Patienten mit einer Metastasierung im
Anfangsstadium werden jedoch nur durch die molekularen Methoden identifiziert.
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In der Studie konnte auch die anatomische Ausdehnung von Lymphknotenmetastasen bei Prostatakarzinompatienten beschrieben werden. Dabei zeigte sich eine ähnliche Verteilung von pathologisch nachgewiesenen
Lymphknotenmetastasen und Lymphknoten mit ausschließlich molekular auffälligem Untersuchungsbefund.
Während ca. zwei Drittel aller Metastasen im Standardfeld für die operative Lymphknotenentfernung liegen, ließ
sich ein Drittel der Metastasen außerhalb des Standardfeldes nachweisen. Damit liefert diese Studie ein Argument
für eine ausgedehnte Lymphknotenentfernung, um die bestmögliche Erfassung und Entfernung von
Lymphknotenmetastasen zu gewährleisten.
Inzwischen ist die Aufnahme neuer Patienten in die klinische Studie beendet und es wurden Lymphknoten von
über 100 Patienten mit Prostatakarzinom untersucht. Zukünftige Auswertungen richten sich darauf aus, ob der
molekulare Nachweis prostata-spezifischer Gene in Lymphknoten eine verbesserte Vorhersage für ein
Wiederauftreten des Prostatakarzinoms nach operativer Prostataentfernung ermöglicht, und welche Gene dabei
den größten Einfluss zeigen.
Quelle: Wilhelm Sander-Stiftung - 19.12.2014 JO
3. Marker AR-V7 im Blut für Resistenz
Ärztezeitung 10.11.2014
US-Onkologen haben im Blut von Männern mit metastasiertem Prostatakarzinom in Krebszellen einen
RNA-Marker identifiziert, der eng mit Resistenzen gegen Abirateron und Enzalutamid assoziiert ist.
BALTIMORE/USA. Es wird geschätzt, dass zwischen 20 und 40 Prozent der Männer mit kastrationsresistentem
Prostatakarzinom auf Abirateron oder Enzalutamid nicht ansprechen. Aufgrund einer primären Resistenz sinkt der
Spiegel des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) trotz der Behandlung nicht.
Und fast alle Patienten, die zunächst auf beide Präparate ansprechen, entwickeln dann im Laufe der Behandlung
eine sekundäre Resistenz.
Schon seit einigen Jahren vermuten Wissenschaftler, dass dies im Zusammenhang mit einer Variante des
Androgenrezeptors steht.
Dieser Variante fehlt jener Abschnitt, an den Androgene und Enzalutamid binden und dadurch normalerweise die
Signalkaskade in Krebszellen unterbrechen, die unter anderem Zellproliferation und PSA-Sekretion fördert.
Die Rezeptorvariante wird als AR-V7 bezeichnet. Im Blut taucht bei Männern mit dieser Variante die
entsprechende Boten-RNA (mRNA) auf.
Krebszellen untersucht
US-amerikanische Onkologen um Dr. Emmanuel S. Antonarakis und seine Kollegen von der Johns Hopkins
University School of Medicine in Baltimore haben den Zusammenhang nun bei 31 Patienten, die mit Enzalutamid
behandelt wurden, und bei ebenso vielen Patienten, die mit Abirateron therapiert wurden, überprüft (NEJM 2014;
371: 1028-1038).
Insgesamt bei 39 Prozent der Männer in der Enzalutamidgruppe und bei 19 Prozent in der Abiraterongruppe ließ
sich AR-V7 mithilfe der Polymerasekettenreaktion (PCR) in zirkulierenden Krebszellen nachweisen.
Bei positiv getesteten Männern, die mit Enzalutamid behandelt wurden, konnte kein PSA-Ansprechen festgestellt
werden. Dieser primäre Endpunkt war definiert als Abnahme des PSA-Spiegels um mindestens 50 Prozent über
mindestens vier Wochen im Vergleich zu Studienbeginn.
In der Vergleichsgruppe der negativ getesteten Männer unter Enzalutamidtherapie lag die PSA-Reaktionsrate
dagegen bei 53 Prozent.
Außerdem lag das PSA-progressionsfreie Überleben bei Männern mit positivem PCR-Test mit 1,4 Monaten
deutlich niedriger als in der Gruppe mit negativem Testergebnis (median sechs Monate). Auch beim Parameter
Gesamtüberleben war der Unterschied zwischen den beiden Gruppen signifikant (median 5,5 Monate vs.
Endpunkt noch nicht erreicht).
AR-V7-Nachweis im PCR-Test
Ähnliche Ergebnisse wurden bei Patienten mit Abirateron-Behandlung und PCR-Test dokumentiert. Auch hier
hatten positiv getestete Männer kein PSA-Ansprechen im Vergleich zu einem Anteil von 68 Prozent in der
Gruppe der Männer ohne AR-V7-Marker im Blut. Auch beim PSA-progressionsfreien Überleben (median 1,3
versus noch nicht erreicht) und dem Gesamtüberleben (median 10,6 versus noch nicht erreicht) schnitten
Patienten mit positivem Testergebnis signifikant schlechter ab.
Die Onkologen weisen darauf hin, dass die Assoziation zwischen dem Nachweis der Rezeptorvariante und der
Therapieresistenz auch dann bestehen blieb, wenn bei der Auswertung Ergebnisse von Tests auf mRNA
unveränderter Androgenrezeptoren berücksichtigt wurden.
Sollte sich die Assoziation zwischen AR-V7-Nachweis und Therapieresistenz in künftigen Studien
bestätigen, könnte dieser Marker helfen, Resistenzentwicklungen vorherzusagen, und die Entscheidung für
alternative Therapiestrategien erleichtern, wie die Onkologen schreiben.
Allerdings hätten sie mit ihrer Studie keinen kausalen Zusammenhang belegt. Möglich sei auch, dass AR-V7
einen Marker etwa für eine weit fortgeschrittene Prostatakrebserkrankung darstelle. (ple)
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4. Das eigene Immunsystem als neue Waffe gegen Krebs
Am 3. Februar 2015 war Weltkrebstag. Aus diesem Anlass hat die Redakteurin Madeleine Bierlein einen Artikel
im „Mannheimer Morgen“ veröffentlicht, den wir hier in Auszügen widergeben möchten:
Im Kampf gegen die Volkskrankheit Krebs sind Wissenschaftler einen wichtigen Schritt vorangekommen. Immer
häufiger gelingt es, schwer kranke Patienten mit Hilfe einer Immuntherapie erfolgreich zu behandeln. Doch es
bleiben viele offene Fragen – und leider auch viele Patienten, die nicht auf die neuen Therapien ansprechen. In
aller Welt mehren sich die Berichte über Patienten, die im Endstadium einer Krebserkrankung von neuen
Immuntherapien profitieren. Je nach Substanz und nach Krebsart gibt es Ansprechraten von 20 bis 50 Prozent der
Teilnehmer auf die Behandlung; gewaltige Zahlen, wenn man bedenkt, dass nur austherapierte Patienten daran
teilnehmen – also Menschen, die nicht mehr lange zu leben haben. Das Fachmagazin Science kürte die Erfolge
der Immuntherapie sogar als wissenschaftliche Top Entdeckung des Jahres 2013. „Ein neues Kapitel der
Krebsforschung und -behandlung hat begonnen“, schrieb das Blatt damals. Mittlerweile hat die Aufregung auch
Europa erreicht. Der Ansatz, der den neuen Therapien zugrunde liegt, ist bestechend einfach: Das körpereigene
Immunsystem soll in die Lage versetzt werden, den Krebs zu zerstören. Inzwischen laufen in aller Welt Studien.
An einigen ist auch das Heidelberger NCT beteiligt. „Was mich beeindruckt, sind nicht nur die Ansprechraten“,
sagt NCT-Chef Jäger über die ersten Ergebnisse. „Es ist das längere, vielleicht sogar dauerhafte Ansprechen. So
etwas kennen wir aus der Krebsmedizin nicht Doch auch wenn die neuen Medikamente und die Studien Anlass zu
Optimismus geben: Es sind noch viele Fragen offen – zum Beispiel die nach Nebenwirkungen. Die neuen
Substanzen befinden sich zum größten Teil in Phase-I-Studien, in denen zunächst ihre Verträglichkeit getestet
werden soll.
Und es gibt weitere Fragezeichen. Bis heute verstehen Wissenschaftler und Ärzte nur ansatzweise, warum die
Immuntherapie bei manchen Patienten sehr gut wirkt, bei anderen aber gar nicht. Laut DKFZ gibt es zum Beispiel
bei schwarzem Hautkrebs – der bisher als sehr schwer behandelbar galt – hervorragende Ergebnisse. NCT-Chef
Jäger spricht von einem „lang anhaltenden Überleben bei etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten. „Bei manchen
Patienten wirkt die Substanz nicht – und wir wissen noch nicht, warum das so ist.“
Quelle: Mannheimer Morgen vom 3.2.2015, Seite 3 „Welt und Wissen“
5. Protonen (PB) versus Intensitäts-modulierte Radiotherapie (IMRT u.a.)
Hintergrund: Die Protonenbestrahlung (PB) stellt eine neue Behandlungsoption des Prostatakarzinoms dar. In
dieser Studie wurden die Behandlungsmuster, Kosten sowie Frühtoxizität von Prostatakarzinom-Patienten
verglichen, die mittels PB oder Intensitäts-modulierter Radiotherapie (IMRT) behandelt worden waren.
Schlussfolgerung und Kommentar:
Obwohl die PB substantiell teurer als die IMRT ist, ließen sich zwölf Monate nach Abschluss der Behandlung
keine Unterschiede in den Toxizitätsraten zwischen den beiden Gruppen feststellen.
Theoretisch ist die PB eine attraktive Alternative zur IMRT, da es zu fast keinem Strahlungsverlust entlang des
Bestrahlungspfades gibt und somit die Bestrahlung sehr gut steuerbar ist. Allerdings existieren gegenwärtig
keinerlei Studien, die einen eindeutigen onkologischen Vorteil der PB gegen-über anderen Bestrahlungsformen
belegen. Weiterhin existieren keine prospektiven Studien, in denen die PB mit der chirurgisch operativen
Behandlung des Prostatakarzinoms verglichen wurde (Anmerkung: In Loma Linda, Kalifornien wurde eine solche
Studie gerade gestartet). Insgesamt sind gegenwärtig die Daten von ca. 2.000 Patienten publiziert worden, die zur
Behandlung des Prostatakarzinoms eine PB erhielten. Zusammenfassend sind die onkologischen Ergebnisse
sowie die Toxizitätsdaten mit anderen Formen der Bestrahlung weitestgehend vergleichbar. Es muss jedoch
generell betont werden, dass es keine Langzeitergebnisse aus prospektiven, randomisierten Studien gibt.
Allerdings muss hier auf eine Schwäche der aktuellen Studie verwiesen werden: Es wurde keine Aufteilung in
verschiedene Toxizitätsgrade vorgenommen, sondern das Auftreten der jeweiligen Toxizität lediglich als ja/nein
berichtet. Weiterhin sind keine genauen Daten bezüglich der verwendeten Bestrahlungsdosen sowie der
Bestrahlungsausdehnung vorhanden.
Autoren: Yu et al., Yale University, Abteilung für Strahlentherapie, Journal of the National Cancer Institute Januar 2013
Literatur des Monats Januar 2013 der Martini-Klinik Hamburg
Anmerkung D.Voland: Im Rinecker-ProtonenTherapie Centrum München (RPTC) darf lt. Aussage eines Arztes
der Klinik anlässlich seines Vortrages bei der SHG Stuttgart aufgrund der Sondergenehmigung nur mit 68 Gy
(Gray) bestrahlt werden! Damit ist der onkologische Vorteil einer Dosiseskalation bis 78 Gy leider nicht möglich.
Eine solche Dosiseskalation ist besonders bei hohen GleasonScores hilfreich und bei IMRT u.a. möglich.
6. Rauchen wirkt sich nachteilig auf Prostatakrebs aus
Dass Rauchen grundsätzlich gesundheitsschädlich ist, ist eigentlich nichts Neues. Dass es
bei Männern mit Prostatakrebs noch zusätzlich negative Effekte mit sich bringt, hat nun
eine Studie aus den USA gezeigt. Demnach haben rauchende Prostatakrebs-patienten
häufiger Nebenwirkungen, Rückfälle und eine höhere Mortalität.
Insgesamt wurden Daten von 2.358 Patienten ausgewertet, die zwischen 1988 und 2005 mit einer
Strahlentherapie gegen Prostatakrebs behandelt wurden. 2.156 davon waren entweder früher Raucher gewesen
oder waren es immer noch.
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In einem Beobachtungszeitraum von acht Jahren zeigte sich, dass Männer, die immer noch rauchten, im
Vergleich zu jenen, die noch nie geraucht hatten, ein um 40 Prozent höheres Rückfallrisiko aufwiesen. Zusätzlich
waren die Gefahr der Ausbreitung des Krebses und die Sterblichkeit doppelt so hoch. Außerdem litten sowohl
aktuelle als auch frühere Raucher häufiger an Nebenwirkungen der Behandlung wie etwa Harn-Toxizität.
"Die schlechtere Tumorkontrolle unter Rauchern könnte eventuell dadurch zustande kommen, dass die
Sauerstoffkonzentration in den Tumoren behandelter Raucher kleiner ist, was dazu führt, dass die Zellen weniger
anfällig sind, sich von Strahlentherapien zerstören zu lassen", sagte Studienleiter Michael Zelefsky. Die
Ergebnisse würden aber einmal mehr unterstreichen, wie wichtig es sei, dass Ärzte ihre Patienten über die
schädlichen Auswirkungen des Rauchens aufklären (Quelle: Univadis).
7. Kiefernekrosen verhindern
Spezialsprechstunde für onkologische Patienten unter Bisphosphonat-Therapie
Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen sind nicht nur Humanmediziner, sondern auch approbierte Zahnärzte.
Mit dieser Doppelqualifikation sind sie geradezu prädestiniert, eine Nebenwirkung bestimmter
Krebsmedikamente zu behandeln, die im Mund auftreten kann: die Kiefernekrose.
Patienten, die an einer Krebserkrankung mit Knochenmetastasen leiden, erhalten häufig Medikamente, um den
Knochenabbau zu hemmen und die damit verbundenen Schmerzen zu lindern. Einmal monatlich bekommen sie
eine Infusion mit einem so genannten Bisphosphonat.
Eine typische Nebenwirkung dieser Medikamente ist allerdings die Entstehung von Knochennekrosen im Kiefer:
Der Kieferknochen stirbt ab und infiziert sich; es kommt zu Entzündungen.
Die bisphosphonatbedingte Kiefernekrose tritt bei bis zu 30 Prozent der Patienten auf, die die Wirkstoffe
regelmäßig erhalten. Keime aus der Mundhöhle befallen den angegriffenen Knochen und lösen Entzündungen
aus. Die genaue Entstehung ist bisher noch unklar. Ursache sind in erster Linie Zahnprobleme: Die Betroffenen
bekommen eine Parodontitis, eine Entzündung von Zahnfleisch und Kieferknochen, oder ein Zahn stirbt ab. In
der Folge entsteht eine Kiefernekrose. Oft löst auch das Ziehen eines Zahns den Entzündungsprozess aus, weil
durch die Wunde Bakterien in den Kiefer eindringen. Die Patienten leiden unter starken Schmerzen, der
abgestorbene Kieferteil muss operativ entfernt werden. Das Risiko, dass erneut eine Nekrose entsteht, ist hoch.
Frühe Behandlung verhindert Absterben des Kieferknochens
Eine Zahnuntersuchung und -behandlung vor der ersten Bisphosphonat-Gabe sowie regelmäßige
Prophylaxemaßnahmen können die gefürchtete Nekrose verhindern.
Für die Versorgung der schwerkranken Patienten sind jedoch Spezialisten gefragt, vielen niedergelassenen
Zahnärzten fehlt das Wissen über die richtige Behandlung. Hier bringen Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen mit ihrer
Doppelqualifikation die Voraussetzungen mit, um die Patienten an der Schnittstelle zwischen onkologischen und
zahnärztlichen Anforderungen bestmöglich zu versorgen.
Priv.-Doz. Dr. Dr. Thomas Mücke aus der Klinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (Direktor: Prof. KlausDietrich Wolff) bietet seit 2008 eine Bisphosphonat-Spezialsprechstunde an, in der die betroffenen Patienten
engmaschig zahnärztlich betreut werden: Alle drei Monate überprüfen Dr. Mücke und sein Team die
Zahngesundheit der Patienten und führen alle notwendigen Behandlungen durch.
Der Schwerpunkt liegt auf konservativer Therapie, um die Kiefer nicht zu gefährden. Die Patienten erhalten eine
Beratung zur richtigen Zahnpflege, eine Zahnreinigung und bei Bedarf alle weiteren konservierenden
Behandlungen.
Psychologische Betreuung inklusive
Im Team arbeiten ein Mund-Kiefer-Gesichtschirurg, ein Oralchirurg, eine Zahnärztin mit dem Schwerpunkt
Endodontologie, eine Fachärztin für Allgemeinmedizin mit schmerztherapeutischem und psychoonkologischem
Schwerpunkt, ein Psychoonkologe und eine Zahnarzthelferin zusammen. Ziel ist es, die Patienten rechtzeitig so
zu behandeln, dass keine Nekrosen entstehen. Auch die psychologische Betreuung ist für die Patienten mit einer
fortgeschrittenen Krebserkrankung sehr wichtig.
Damit die betroffenen Patienten frühzeitig über das Angebot informiert werden, kooperieren die MKG-Chirurgen
unter anderem mit der Urologischen Klinik. Deren Patienten mit metastasiertem Prostatakrebs erhalten einen
Termin in der Spezialsprechstunde, ehe sie erstmalig mit Bisphosphonaten behandelt werden. Die Ärzte können
so notwendige Zahnbehandlungen durchführen, bevor die Wirkung der Medikamente einsetzt.
Erfolgreiche Vorsorge
Die Regelmäßigkeit zahlt sich aus: Von den 100 Patienten, die die Ärzte seit 2008 in ihr Screening-Programm
aufgenommen haben, entwickelten nur zwei eine Nekrose. In einer Vergleichsgruppe waren es 23 Prozent.
Die Versorgung ist im geleisteten Umfang nicht im Leistungskatalog der Krankenkassen enthalten. Da das Team
den Patienten zudem eine angenehme Atmosphäre außerhalb der Stoßzeiten der Klinik bieten will, findet die
Sprechstunde samstags in der Freizeit der Mitarbeiter statt.
Für ihr Engagement erhalten die Beteiligten viel Anerkennung:
Die Patienten sind sehr dankbar für die langfristige gute Betreuung. Außerdem erhielt Dr. Mücke im Jahr 2012
den Wrigley-Prophylaxepreis für seine Studie zur Verhinderung der bisphosphonatbedingten Nekrose.
Klinikum rechts der Isar der TU München, Unternehmenskommunikation, Tel. 089 4140–2046 oder 2042
Sprechstunde für Bisphosphonat induzierte Kiefernekrose am Katharinenhospital Stuttgart; Tel. 0711-278-33368
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