Das war die perfekte

Transcrição

Das war die perfekte
Spitzingsee, kein Lüftchen, der
Friseur sitzt. Und macht das,
was ihm sonst schwerer fällt,
als Männerhaare zu schneiden:
schweigen wie der Wald
Das war die perfekte
Welle
Diesem Haargott vertrauten die
Gesellschaftsdamen. Denn er gab nicht nur
ihren Locken, sondern auch ihrem Leben
Spannkraft. Doch nun erlebt gerhard meir
selbst bad hair days. Oder Schlimmeres?
Ein Friseurbesuch
Text Felix hutt Fotos gerald klepka
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Gloria wird gepunkt, 1983
Falco dreht sich um
Ist es sich wert: Claudia
Schiffer
Er nimmt ein E
aus seinem
Nachnamen –
Meir klingt nicht
so gewöhnlich
wie Meier
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einem Blitzeinschlag ab; und als der
Schorsch Teenager ist, da hat seine Mut­
ter einen Schlaganfall, auch tot. Zurück
bleiben vier Brüder, heute sind es nur
noch drei, der älteste, Landwirt Josef,
verunglückt im Frühjahr 1999, auch er
bei einem Autounfall. „Irgendwie warte
ich immer ein bisschen darauf, dass Er
mich auch holt“, sagt Meir; „Er“ ist sein
Herrgott, mit dem er in Kontakt steht.
Der Junge will raus und kommt
bis München. Aus dem Schorsch wird
der Gerhard, seinem Nachnamen nimmt
er ein e; Meir hält er für weniger ge­
wöhnlich. Er hat zwei talentierte Hände,
arbeitet für Mara Cromer, die Frau vom
kürzlich verstorbenen MCM-Michi. Im
Salon in der Kurfürstenstraße stehen an
der Wand Apothekergläschen, in denen
Cromer jeweils die Locke eines Promi­
nenten ausstellt. Meir ist beeindruckt,
ihm gefällt die Schickeria. Die 70er
rocken, die 80er stehen vor der Tür, the
sky is the limit und Josefstal weit weg.
Gerhard Meir ist ein Mann, der
auch allein rauschen kann: Durch die
Tür des Vier Jahreszeiten, über die Treppe
in die Lobby, die Schritte gedämpft vom
roten Teppich – das ist sie, seine Welt.
Meir nickt Bedienungen und Gästen zu,
die antworten mit Stirnrunzeln. Er setzt
sich direkt vor den Eingang, an ihm
kommt keiner vorbei. Einen Gin Tonic,
bitte, dann weiter im Text: Bei der
Holler, da wohne er nur, weil die den
Selbstmord ihres Mannes allein nicht ver­
krafte. Und von Pleite könne keine Rede
sein, er wolle sich nur auf sein Stamm­
geschäft in München konzentrieren. Die
Pendelei, die habe ihn müde gemacht,
im Herzen sei er halt immer ein Münch­
ner gewesen, trotz der 16 Jahre Ham­
burg. Wenn Meir etwas wichtig ist, senkt
er den Kopf, seine Brille rutscht auf die
Nasenspitze, seine Augen sind weit auf­
gerissen, ein bisschen Jack Nicholson,
ein bisschen Missverstandener, ein biss­
chen irre, so gefällt sich der Meir ohne e.
Im nächsten Satz sagt er, er habe sich
noch nie so wohlgefühlt wie in seiner
Hamburger Wohnung. München, Hotel
Vier Jahreszeiten, der Widerspruch sitzt.
„Ich werde dich ausdrücken wie
eine Wanze“, sagt Michael Cromer zu
Meir, als der kündigt und 1978 seinen ei­
genen Laden aufmacht; Le Coup, in
einem Schwabinger Hinterhof, Adalbert­
straße 10. Von der Schwester seines Part­
ners Sigi Jortzik leiht er sich 50000 Mark,
zur Eröffnung kommen viele Journalis­
Fotos: BRIGITTE REINDL, PETER BISCHOFF, PRIVAT, SABINE BRAUER
GM wirft den Motor an, 1978
a
m Anfang will keiner
was von ihm wissen.
Wenn er es mit Bur­
schen treibe, sagt ihm
sein Bruder Josef,
brauche er seine Beine
nicht unter den Tisch
der Familie zu stellen. Da ist der Vater
schon tot, das Haus am Schliersee abge­
brannt, und die Mutter stirbt wenig
später. Und so zieht Karl Georg Meier,
der Schorsch aus Josefstal, hinaus in die
Welt, auf der Suche nach einem Tisch,
der seine Beine leiden mag.
Das Brenner in den Maximilians­
höfen ist eines von Münchens schicken
Restaurants; das Entrecôte, sagt Gerhard
Meir, sei das Beste vom Grill. Seines bleibt
unangerührt, dafür geht der Chianti gut
hinunter. Pleite soll der Star-Friseur sein,
bei der reichen Witwe Karin Holler in
Bogenhausen wohnen, mietbefreit, und in
seinem Salon neben dem Bayerischen Hof,
da soll er färben, föhnen, legen wie ein
Wilder, weil ihm die Gläubiger im Nacken
sitzen. „Alles Schmarrn!“, sagt Meir. Ab­
gehetzt ist er ins Restaurant gekommen
an diesem Julimontag, aus Hamburg, weil
er dort seine Wohnung auflöst und seine
Stammkundinnen „da oben nicht im Stich
lassen kann“. Die wüssten gar nicht, wie
es ohne ihn weitergehe mit ihren Haaren,
also fliegt er jeden zweiten Samstag ein.
Seinen Salon am Mittelweg hat er am
23. September 2006 geschlossen, der in
Berlin ist auch dicht, und unter Meirs
Lizenzgeschäft in Heiligen­damm sind die
Rohre geplatzt, Umbau.
Meir, auch schon 52, überholt sich
beim Reden, das Nächste ist das Wichtigs­
te und das Vorige schon vergessen. Er be­
ginnt Sätze mit „Mei, wissen S’“, prüft
dann mit „Ge?“, ob man noch folgen kann,
raucht Kette, wischt sich oft und hektisch
mit der Zunge über die Lippen, belohnt
seine Monologe mit „Echt suppa, der
Wahnsinn“. Ob wir nicht rüber wollen ins
Vier Jahreszeiten, da sei es ruhiger.
Ruhe kennt Meir eigentlich nicht.
Geboren am 4. August 1955, wächst er
zwischen Schlier- und Spitzingsee auf,
wo die Luft rein ist, das Wasser klar und
die Kirche katholisch. Seine Kindheit
verkorkst zu nennen wäre untertrieben:
Mit zehn sitzt er auf dem Rücksitz, am
Steuer des Opel Kapitän sein Vater, auf
der Gegenfahrbahn zwei betrunkene
Holländer. Es knallt, der Kleine landet im
Schnee, der Vater stirbt auf der Straße.
Ein Jahr später brennt das Haus nach
ten, zum Meir muss man hin. Er sperrt
morgens um acht auf, macht die Kaffee­
maschine an, berserkert an Hunderten von
Damengesellschaftsköpfen, angetrieben von
seiner Profilneurose, einem Erbstück mit
unbegrenztem Haltbarkeits­datum. Denen
wird er es schon zeigen, den Brüdern, dem
Cromer und allen, die nicht glauben, dass
es der Schorsch schafft.
Angela Wepper (damals noch von
Hohenzollern), Michaela May und Gila
von Weitershausen verehren den Figaro
furioso für seine Leidenschaft, mit der er
sich um ihre Strähnchen und Problem­
chen kümmert. „Damals war noch nicht
so klar, ob der Gerhard auf Männer oder
Frauen steht, das haben einige unbedingt
herausfinden wollen“, sagt Prinzessin
Uschi zu Hohenlohe, auch sie eine Kun­
din der ersten Stunde.
Nach fünf Jahren kommt Gloria von
Thurn und Taxis und mit ihr Meirs Durch­
bruch. Ihre Schwester heiratet, und die
Fürstin wünscht „ein wenig Punk auf den
Kopf, mein lieber Gerhard!“ Nachdem
Meir mit ihr fertig ist, stehen ihre rot­
gefärbten Haare wie unter Schock. Wenig
später tritt sie damit in der NDR-Show
„Chic“ auf, Kostüm: Thierry Mugler,
Haare: Gerhard Meir. Frisur schlägt Kos­
tüm. Meir ist wer. Eine andere adlige Kun­
din, Christa von Preußen, weiß von einer
nobleren Immobilie, der Salon zieht 1985
in die Theatinerstraße. Falco kommt, Fer­
fried von Hohenzollern, Prinzessinnen,
Debütantinnen, Chefredakteurinnen. Meir
ist der Erste, der für sein Handwerk das
Attribut „Star“ verliehen bekommt. Ende
der 90er-Jahre wird es noch feiner, Le Coup
zieht an den Promenadeplatz, gleich ne­
ben den Bayerischen Hof.
Eine Woche nach unserem ersten
Treffen sitzt Gerhard Meir auf dem Bo­
den seiner Hamburger Wohnung, einem
Altbautraum an der Außenalster. In we­
nigen Tagen ist Auszug, das letzte Foto­
shooting. Seine Melancholie unterlegt er
mit klassischer Musik aus dem Radio.
Gerhard Meir liebt Richard Strauss, ein
richtiger Opern-Junkie sei er, sein neuer
Freund habe ihn gerade zu einem vier­
tägigen Mahler-Zyklus eingeladen. An
den Wänden Werke von Masuyama und
Daniele Buetti, bei der Ausstattung sei­
ner Läden habe er immer besonderen
Wert auf die Kunst gelegt, jetzt müsse er
erst mal alles zwischenlagern, eine Woh­
nung in München habe er noch nicht.
Mit dem Taxi zum Hotel Atlantic,
zu seinem ersten Hamburger Laden.
München, Salon Le Coup, der
Friseur ist erschöpft von den
Strähnchen und Problemchen
seiner Kundinnen. Und in
Berlin grämt sich Udo Walz:
„Warum macht ihr keine
Geschichte über mich? Ich
habe doch auch drei Bücher
geschrieben!“ Ja, mei!
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Wehmut. Das Gold an der Treppe, das sei
noch von ihm. Es hätte gedauert, bis die
Frauen aus der Hamburger Gesellschaft
seine Fans wurden, Angelika Jahr, Edda
Darboven, Prinzessin Ingeborg zu Schles­
wig-Holstein. Unter den Intellektuellen
habe er viele Freunde, in Eppen­dorf beim
Italiener habe man sich getroffen, der Urs
Jenny und andere vom Spiegel, manch­
mal auch der Zadek, und er mittendrin,
bis in die Nacht sei das gegangen, das
Zechen und Philosophieren. Und wer
sich wundere, dass seine Freunde von
der Bild-Zeitung, der Kai (Diekmann)
und der Körzi (Norbert Körzdörfer),
Langhaarfrisuren tragen, der eine gegelt,
der andere im freien Fall, der müsse
wissen, dass ihr Friseur keine Ahnung
hat: „Als ich meine Lehrprüfung ge­
macht habe, musste ich mich entschei­
den: Männer oder Frauen. Ich kann
Frauen, Männer gar nicht. Ich habe den
Jungs immer gesagt: ‚Verlangt ja keinen
Übergang von mir!‘“ Dann lacht der
Meir so laut, dass er davon heiser wer­
den würde, aber er ist’s ja schon.
Auf nach Geltow am Schwielow­
see, bei Potsdam. Eine Jugendstil-Villa
mit Garten und Springbrunnen, innen
hohe Wände, Schränke voller Kunst­
bände, Warhol, Baselitz. Für Reimer
Claussen, blaues Hemd, Jeans, GucciLoafer, ist Gerhard Meir die Liebe seines
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Lebens – bis heute. Dass der ihn nach
zwölf Jahren für den jüngeren Steffen
Burkhardt verließ, ist eine Wunde, die
nicht verheilen will.
Als Meir Mitte der 80er ganz oben
ist, ist Claussen einer der jungen deut­
schen Modedesigner aus West-Berlin.
Sein Onkel war der Couturier Hans W.
Claussen. Für eine Show in München
engagiert Reimer Claussen den Meir.
Der Bayer und der Holsteiner beziehen
1989 eine teure Wohnung in der Fle­
mingstraße in München. Die folgenden
Jahre werden ihre erfolgreichsten, sie
veranstalten Partys auf Sylt, ihre Einla­
dungen sind Auszeichnungen. Wer wen
befruchtet, ist unklar: „Ich habe Gerhard
veredelt, ihm in Hamburg und Berlin
die Türen geöffnet, seine besten Jahre hat
er mit mir verbracht“, sagt Claussen,
„und ich habe die treusorgende Haus­
frau gespielt, ihm meine Karriere geop­
fert, darauf geachtet, dass morgens ein
sauberes Hemd dalag. Zum Dank hat er
gesagt, ich würde mit Kokain handeln.“
Meir behauptet, Claussen konnte
nur neben ihm glänzen, nach dem Aus­
zug habe er die Hälfte der Möbel mitge­
nommen, die ihm gehörten. Der Reimer
könne froh sein, dass ihm sein Onkel die
Villa vererbt habe. Eine gemeinsame
Freundin sagt: „Der Reimer hat Ge­
schmack, aber neigt zu Hochmut, war
dem Gerhard intellektuell überlegen, hat
ihn oft vor anderen kleingemacht. Als er
es sich wegen seiner hohen Ansprüche
mit vielen Modefirmen verscherzt hatte,
da hat er sich vom Gerhard aushalten las­
sen und war zutiefst gekränkt, als der ihn
sitzen lassen hat.“
Meir/Claussen spielen das Glitzer­
paar, doch es brodelt in der Beziehung.
Meir will gefallen, Claussen ist nicht so
stromlinienförmig gebaut. Gegensätze
ziehen sich an oder machen zu Feinden.
„Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an
Gerhard denke“, sagt Claussen. Er lobt
Meirs Großzügigkeit, aber bemängelt
dessen Geltungssucht. „Der Gerhard hat
jeden Morgen die Abendzeitung zum Früh­
stück gelesen, und wehe, er stand nicht
drin, dann war die Laune ruiniert.“ Das
Telefon klingelt, Kai Diekmann ist dran.
Claussens Kolumne sei heute aber etwas
streng gewesen, in der Bild Berlin erschei­
nen freitags „Claussens Sticheleien“.
Am 26. Juli feiert Hermès eine
Modeparty auf Sylt, Gerhard Meir ist für
das „Styling“ verantwortlich. Er reist mit
seinem Freund an, dem Ungarn Peter
Safarik, 38, der einen Salon im Münch­
ner Hotel Arabella hat. Bis sechs Uhr
morgens tanzt Meir beim Herbert (Seck­
ler, Sansibar-Wirt). Er hat getrunken und
von allem so kräftig genossen, dass die
Meir’sche Fröhlichkeit anderen Gästen
Fotos: SABINE BRAUER, FRENZEL/BRAUER PHOTOS
Hamburg, blues hour,
der Friseur ist wehmütig –
erst musste er seinen
Salon schließen, jetzt gibt
er seine Altbauwohnung
auf. Öffnet sich die Schere
zwischen „in“ und „out“ ?
zu viel wird. Was 1987 Rock ’n’ Roll war,
ist 2007 nur noch Rock ’n’ Proll. Ge­
rümpfte Nasen stören ihn nicht. Wenn
er feiere, dann feiere er richtig, sagt Meir.
Anfang August, im Le Coup.
Manchmal haben Frauen ein bisschen
Haue gern, sagen die „Ärzte“; wer Meir
bei der Arbeit zuschaut, singt mit. Er
rupft, reißt und zieht an seinen Kundin­
nen, herrscht sie an, „Aufstehen, bücken,
gerade, gerade!“ – von den Damen kein
Murren. Wer schön sein will, muss wohl
Masochismusfan sein. Im vorderen Teil
des Ladens verkauft Meir Bücher, ein
Reise­veranstalter ist Untermieter. Seit
20 Jahren vertraue sie nur dem Gerhard
ihre Haare an, sagt eine, die bei der Bot­
schaft arbeitet. Stammkundin Uschi Bau­
er führt ihre neuen Lippen aus, man
kennt sich. Uschi Prinzessin zu Hohen­
lohe geht schon länger nicht mehr zum
Gerhard, weil das immer vier, fünf Stun­
den dauere, so viel Zeit habe sie gar nicht
mehr. „In seinen Hochzeiten, da bin ich
auch hin, wenn ich keinen Termin hatte,
weil bei ihm was los war. Meir war Pflicht
wie ein Besuch bei Dallmayr.“ Generös
sei er, der Gerhard, oft habe er seine pro­
minenten Gäste umsonst geschnitten,
sonst hätte sie sich das als junges Dirndl
ja gar nicht leisten können. Wenn eine
Krebs hatte, sei er ins Krankenhaus ge­
fahren, mit der passenden Perücke.
127 000 Euro kostet der Salon in München
an Unterhalt, monatlich. Der in Hamburg
kostete 70 000 Euro. Meir muss über Jahre
knapp drei Millionen Euro jährlich ver­
dienen, allein um die Geschäftskosten zu
decken. „Mei, Altlasten“, sagt er, der
noch nie eine Bilanz gelesen hat, und
Schulden hätten ja auch ihr Gutes, man
könne sie beim Finanzamt geltend ma­
chen. Konsolidieren müsse er jetzt, das
passiere in den größten Firmen, aber
Hamburg, mei, das hätte er ein Jahr frü­
her zumachen sollen. Was aber nicht
heißt, dass er den Unternehmer in ihm in
den Ruhestand schickt: In Budapest, da
habe er mit seinem Peter und wichtigen
Leuten geredet, und jetzt gäbe es Pläne
für eine Friseurkette in Luxushotels, aber
das sei alles noch nicht spruchreif.
„Blasius, wo ist der Blasius?“,
schreit Meir durch den Salon, und als
der Blasius dann angelaufen kommt, da
hat der Figaro schon wieder vergessen,
was er von ihm wollte. „Maria, warum
ist das Spray schon wieder leer?“ Maria
rennt, und dann rennt der Meir auch
wieder, er steht nie still, und schwitzen
tut er, und dann weiß er doch bei jeder,
was er sagen und wo er zuhören muss,
und – schnipp, schnapp! – hat er wieder
was aufgeschnappt.
Kempinski Plaza, Berlin. Noch ein
Aufschnapper. Wer Meir sagt, muss auch
Der Zopf ist ab:
Was 1987
Rock ’n’ Roll
war, gilt 2007
nur noch als
Rock ’n’ Proll
Altes Glück: Reimer Claussen
Neues Glück: Peter Safarik
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Der Lockenvogel: mit Klaus
Wowereit …
… mit Vicky Leandros und
Hannelore Elsner …
… Aenne Burda …
… und la Blechschmidt
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Walz fragen. Der Schwabe setzte sich auf
die Lok, die Meir befeuerte, auch Udo
Walz ist heute ein „Star-Friseur“. Vor sei­
nem Laden stehen Kartons mit Föhnen
und Glätteisen, darauf sein Konterfei.
Über der Rezeption hängt ein Bild von
Walz mit Heidi Klum. Meir hatte eine StilKolumne im SZ-Magazin, Walz ist Stamm­
gast in der B. Z. und bei RTL. Konkurrenz?
Walz lächelt, er hat fünf Salons in Berlin
und Potsdam, sagt er, zwei auf Mallorca.
Die Sabine (Christiansen), die Charlize
Theron und auch die aus dem Kanzleramt
seien seine Stammkundinnen. „Gerhard
war der Pionier, der Erste, dass muss man
ihm lassen“, sagt Walz. Man sei verschie­
den, aber nicht verfeindet, für Sex, Drugs
und Rock ’n’ Roll fühle er sich zu alt, ge­
nehmige sich mal ein Kilo Scampi im Grill
Royal, das war’s. Walz gibt sich souverän,
nur zum Abschied, da rutscht ihm dann
doch noch die Frage raus, warum man
über den Meir eine Geschichte mache und
nicht über ihn, den Walz. Schließlich habe
auch er drei Bücher geschrieben, und
nächste Woche, da schneide er Eva Lon­
goria auf Mallorca.
Hotel Adlon, Unter den Linden.
„Ab 1997 hat Gerhard Meir seinen Laden
hier gehabt“, sagt die Pressefrau, „im
Juni 2005 musste er schließen.“ Danach
sei gleich der Udo Walz gekommen, der
habe es nicht mal auf ein Jahr gebracht.
Jetzt vergrößern sie den Empfangsbe­
reich, und wer weiß, vielleicht komme
ein neuer Friseur. Die Gäste seien immer
sehr enttäuscht gewesen, weil sie ja aus
ganz Deutschland angereist seien, um
auf seinem Friseursesselbeichtstuhl zu
sitzen, aber der Gerhard Meir war fast
nie da. Ja, mei!
Der Sommer mit Gerhard Meir geht
dem Ende zu, der Herbst ist da. Wenn
Lachse laichen, kehren sie dahin zurück,
wo sie geboren wurden, ob sie wollen
oder nicht; und vielleicht zeigt sich ja der
Schorsch im Meir auf einer Fahrt zu sei­
nem Ursprung. Freund Peter steigt in der
Maximilianstraße zu. Die beiden wohnen
jetzt zusammen, Frau Holler muss allein
klarkommen. Zum Geburtstag schenk­te
der Ungar seinem Gerhard Teufelsgeiger.
Die Gürtelschnalle vom Meir ist das sil­
berne H, bei Peter das goldene, dazu eine
Louis-Vuitton-Tasche und eine Flasche
Volvic, falls der Gerhard Durst kriegt.
„Wenn ich verliebt bin, dann schneide
ich die linke Seite immer etwas kürzer“,
sagt Meir; wenn man beobachtet, wie sie
sich auf dem Rücksitz die Oberschenkel
streicheln, dann stehen der Kundschaft
asymmetrische Zeiten bevor.
Über die Landstraße an den Tegern­
see, Meir moderiert: „Da wohnt der Willy
(Bogner), dort bauen die Oppenheims.“
Links zum Schliersee. Von dort den Berg
hoch, Spitzingsee, Naturidylle. Das Wan­
dern ist des Meirs Lust. Sein Freund
sieht sich hier nicht, er kommt sich vor
wie „Paris Hilton in der Pampa“. Der
Reimer habe das auch nicht gemocht,
Natur und so, sagt Meir, im Trachtenjan­
ker, aber er sei oft hier, wenn er Zweifel
habe oder Depressionen. Meir setzt sich
auf einen Steg, Füße ins Wasser, Zigaret­
te an, und für einen Moment entspannen
sich seine Gesichtszüge, er lacht nicht, er
lächelt. Das muss er sein, der Schorsch
im Meir, der nie raus darf, weil er nicht
schick genug ist für München und das
große Kino. Punkt zwölf Einkehr bei der
Alten Wurzhütte. Meir trinkt Weißbier
und einen Hüttenzauber, flambierten
Schnaps, ihm wird warm. Zeit für eine
Anekdotensprechstunde. Dazu Schwei­
nebraten mit Krautsalat, Extrasoße, noch
ein Weißbier, noch einen Schnaps. Als
die Wirtsleute nach Foto und Auto­
gramm verlangen, sind Umsatzzahlen
und Feierabend ganz weit weg.
Nach dem Schweinebraten wird es
sakral, es geht zur Birkensteinkapelle,
einem Marienwallfahrtsort. Die Fahrt
bringt Meir in Fahrt, der Papst sei, so leid
ihm das tue, ein Depp, wie könne der
behaupten, die Protestanten seien keine
Kirche. Schatz Peter schweigt. Oben ist es
ruhig, ganz kurz auch Meir. Zwei Non­
nen schmücken den Altar, französische
Pilger beten in der Kapelle. Meir stellt
sich zu ihnen, dann kauft er Weihwasser,
mit dem besprüht er sein Bett. Beim Ab­
stieg beginnt er zu schluchzen: Seine El­
tern und seinen Bruder habe er hier zu
Grabe getragen, der Ort sei schön und so
schrecklich. „Da verehre ich ihn so, mei­
nen Gott, und dann nimmt Er mir meine
halbe Familie. Das ist der Zwiespalt in
meinem Leben, Heiligkeit und Schein­
heiligkeit. Damit komme ich bis heute
nicht klar.“ Peter legt den Arm um Ger­
hard. So viel Passion schlägt auf den Ma­
gen. Unten im Café Seidl, da gebe es, Gott
sei Dank, den besten hausgemachten
Kuchen Oberbayerns, sagt Meir und be­
stellt Schwarzwälder Kirschtorte. Wenn
er nicht isst, redet oder raucht, blickt er
durch das kleine Fenster, hinauf, wo sei­
ne Toten liegen. Und nichts mehr von
ihm wissen können.
Wallfahrtsort Birkenstein, der Friseur
wandert wie ein junger
Bursche, obwohl er
Kettenraucher ist.
Freund Peter hingegen
fühlt sich wie „Paris
Hilton in der Pampa“.
In der Kapelle zapft sich
Meir ein Fläschchen
frisches Weihwasser, mit
dem er daheim sein Bett
besprüht. Fürs leibliche Wohl gibt’s in der
Alten Wurzhütte
Weißbier und Schnaps
Fotos: ADOLPH PRESS/REETZ (2), M.NEUGEBAUER/S.BRAUER PHOTOS, PRIVAT
Nach dem
Schweinebraten
schluchzt er:
„Heiligkeit und
Scheinheiligkeit,
damit komme ich
nicht klar“

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