Das war die perfekte
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Das war die perfekte
Spitzingsee, kein Lüftchen, der Friseur sitzt. Und macht das, was ihm sonst schwerer fällt, als Männerhaare zu schneiden: schweigen wie der Wald Das war die perfekte Welle Diesem Haargott vertrauten die Gesellschaftsdamen. Denn er gab nicht nur ihren Locken, sondern auch ihrem Leben Spannkraft. Doch nun erlebt gerhard meir selbst bad hair days. Oder Schlimmeres? Ein Friseurbesuch Text Felix hutt Fotos gerald klepka 62 63 Gloria wird gepunkt, 1983 Falco dreht sich um Ist es sich wert: Claudia Schiffer Er nimmt ein E aus seinem Nachnamen – Meir klingt nicht so gewöhnlich wie Meier 64 einem Blitzeinschlag ab; und als der Schorsch Teenager ist, da hat seine Mut ter einen Schlaganfall, auch tot. Zurück bleiben vier Brüder, heute sind es nur noch drei, der älteste, Landwirt Josef, verunglückt im Frühjahr 1999, auch er bei einem Autounfall. „Irgendwie warte ich immer ein bisschen darauf, dass Er mich auch holt“, sagt Meir; „Er“ ist sein Herrgott, mit dem er in Kontakt steht. Der Junge will raus und kommt bis München. Aus dem Schorsch wird der Gerhard, seinem Nachnamen nimmt er ein e; Meir hält er für weniger ge wöhnlich. Er hat zwei talentierte Hände, arbeitet für Mara Cromer, die Frau vom kürzlich verstorbenen MCM-Michi. Im Salon in der Kurfürstenstraße stehen an der Wand Apothekergläschen, in denen Cromer jeweils die Locke eines Promi nenten ausstellt. Meir ist beeindruckt, ihm gefällt die Schickeria. Die 70er rocken, die 80er stehen vor der Tür, the sky is the limit und Josefstal weit weg. Gerhard Meir ist ein Mann, der auch allein rauschen kann: Durch die Tür des Vier Jahreszeiten, über die Treppe in die Lobby, die Schritte gedämpft vom roten Teppich – das ist sie, seine Welt. Meir nickt Bedienungen und Gästen zu, die antworten mit Stirnrunzeln. Er setzt sich direkt vor den Eingang, an ihm kommt keiner vorbei. Einen Gin Tonic, bitte, dann weiter im Text: Bei der Holler, da wohne er nur, weil die den Selbstmord ihres Mannes allein nicht ver krafte. Und von Pleite könne keine Rede sein, er wolle sich nur auf sein Stamm geschäft in München konzentrieren. Die Pendelei, die habe ihn müde gemacht, im Herzen sei er halt immer ein Münch ner gewesen, trotz der 16 Jahre Ham burg. Wenn Meir etwas wichtig ist, senkt er den Kopf, seine Brille rutscht auf die Nasenspitze, seine Augen sind weit auf gerissen, ein bisschen Jack Nicholson, ein bisschen Missverstandener, ein biss chen irre, so gefällt sich der Meir ohne e. Im nächsten Satz sagt er, er habe sich noch nie so wohlgefühlt wie in seiner Hamburger Wohnung. München, Hotel Vier Jahreszeiten, der Widerspruch sitzt. „Ich werde dich ausdrücken wie eine Wanze“, sagt Michael Cromer zu Meir, als der kündigt und 1978 seinen ei genen Laden aufmacht; Le Coup, in einem Schwabinger Hinterhof, Adalbert straße 10. Von der Schwester seines Part ners Sigi Jortzik leiht er sich 50000 Mark, zur Eröffnung kommen viele Journalis Fotos: BRIGITTE REINDL, PETER BISCHOFF, PRIVAT, SABINE BRAUER GM wirft den Motor an, 1978 a m Anfang will keiner was von ihm wissen. Wenn er es mit Bur schen treibe, sagt ihm sein Bruder Josef, brauche er seine Beine nicht unter den Tisch der Familie zu stellen. Da ist der Vater schon tot, das Haus am Schliersee abge brannt, und die Mutter stirbt wenig später. Und so zieht Karl Georg Meier, der Schorsch aus Josefstal, hinaus in die Welt, auf der Suche nach einem Tisch, der seine Beine leiden mag. Das Brenner in den Maximilians höfen ist eines von Münchens schicken Restaurants; das Entrecôte, sagt Gerhard Meir, sei das Beste vom Grill. Seines bleibt unangerührt, dafür geht der Chianti gut hinunter. Pleite soll der Star-Friseur sein, bei der reichen Witwe Karin Holler in Bogenhausen wohnen, mietbefreit, und in seinem Salon neben dem Bayerischen Hof, da soll er färben, föhnen, legen wie ein Wilder, weil ihm die Gläubiger im Nacken sitzen. „Alles Schmarrn!“, sagt Meir. Ab gehetzt ist er ins Restaurant gekommen an diesem Julimontag, aus Hamburg, weil er dort seine Wohnung auflöst und seine Stammkundinnen „da oben nicht im Stich lassen kann“. Die wüssten gar nicht, wie es ohne ihn weitergehe mit ihren Haaren, also fliegt er jeden zweiten Samstag ein. Seinen Salon am Mittelweg hat er am 23. September 2006 geschlossen, der in Berlin ist auch dicht, und unter Meirs Lizenzgeschäft in Heiligendamm sind die Rohre geplatzt, Umbau. Meir, auch schon 52, überholt sich beim Reden, das Nächste ist das Wichtigs te und das Vorige schon vergessen. Er be ginnt Sätze mit „Mei, wissen S’“, prüft dann mit „Ge?“, ob man noch folgen kann, raucht Kette, wischt sich oft und hektisch mit der Zunge über die Lippen, belohnt seine Monologe mit „Echt suppa, der Wahnsinn“. Ob wir nicht rüber wollen ins Vier Jahreszeiten, da sei es ruhiger. Ruhe kennt Meir eigentlich nicht. Geboren am 4. August 1955, wächst er zwischen Schlier- und Spitzingsee auf, wo die Luft rein ist, das Wasser klar und die Kirche katholisch. Seine Kindheit verkorkst zu nennen wäre untertrieben: Mit zehn sitzt er auf dem Rücksitz, am Steuer des Opel Kapitän sein Vater, auf der Gegenfahrbahn zwei betrunkene Holländer. Es knallt, der Kleine landet im Schnee, der Vater stirbt auf der Straße. Ein Jahr später brennt das Haus nach ten, zum Meir muss man hin. Er sperrt morgens um acht auf, macht die Kaffee maschine an, berserkert an Hunderten von Damengesellschaftsköpfen, angetrieben von seiner Profilneurose, einem Erbstück mit unbegrenztem Haltbarkeitsdatum. Denen wird er es schon zeigen, den Brüdern, dem Cromer und allen, die nicht glauben, dass es der Schorsch schafft. Angela Wepper (damals noch von Hohenzollern), Michaela May und Gila von Weitershausen verehren den Figaro furioso für seine Leidenschaft, mit der er sich um ihre Strähnchen und Problem chen kümmert. „Damals war noch nicht so klar, ob der Gerhard auf Männer oder Frauen steht, das haben einige unbedingt herausfinden wollen“, sagt Prinzessin Uschi zu Hohenlohe, auch sie eine Kun din der ersten Stunde. Nach fünf Jahren kommt Gloria von Thurn und Taxis und mit ihr Meirs Durch bruch. Ihre Schwester heiratet, und die Fürstin wünscht „ein wenig Punk auf den Kopf, mein lieber Gerhard!“ Nachdem Meir mit ihr fertig ist, stehen ihre rot gefärbten Haare wie unter Schock. Wenig später tritt sie damit in der NDR-Show „Chic“ auf, Kostüm: Thierry Mugler, Haare: Gerhard Meir. Frisur schlägt Kos tüm. Meir ist wer. Eine andere adlige Kun din, Christa von Preußen, weiß von einer nobleren Immobilie, der Salon zieht 1985 in die Theatinerstraße. Falco kommt, Fer fried von Hohenzollern, Prinzessinnen, Debütantinnen, Chefredakteurinnen. Meir ist der Erste, der für sein Handwerk das Attribut „Star“ verliehen bekommt. Ende der 90er-Jahre wird es noch feiner, Le Coup zieht an den Promenadeplatz, gleich ne ben den Bayerischen Hof. Eine Woche nach unserem ersten Treffen sitzt Gerhard Meir auf dem Bo den seiner Hamburger Wohnung, einem Altbautraum an der Außenalster. In we nigen Tagen ist Auszug, das letzte Foto shooting. Seine Melancholie unterlegt er mit klassischer Musik aus dem Radio. Gerhard Meir liebt Richard Strauss, ein richtiger Opern-Junkie sei er, sein neuer Freund habe ihn gerade zu einem vier tägigen Mahler-Zyklus eingeladen. An den Wänden Werke von Masuyama und Daniele Buetti, bei der Ausstattung sei ner Läden habe er immer besonderen Wert auf die Kunst gelegt, jetzt müsse er erst mal alles zwischenlagern, eine Woh nung in München habe er noch nicht. Mit dem Taxi zum Hotel Atlantic, zu seinem ersten Hamburger Laden. München, Salon Le Coup, der Friseur ist erschöpft von den Strähnchen und Problemchen seiner Kundinnen. Und in Berlin grämt sich Udo Walz: „Warum macht ihr keine Geschichte über mich? Ich habe doch auch drei Bücher geschrieben!“ Ja, mei! 65 Wehmut. Das Gold an der Treppe, das sei noch von ihm. Es hätte gedauert, bis die Frauen aus der Hamburger Gesellschaft seine Fans wurden, Angelika Jahr, Edda Darboven, Prinzessin Ingeborg zu Schles wig-Holstein. Unter den Intellektuellen habe er viele Freunde, in Eppendorf beim Italiener habe man sich getroffen, der Urs Jenny und andere vom Spiegel, manch mal auch der Zadek, und er mittendrin, bis in die Nacht sei das gegangen, das Zechen und Philosophieren. Und wer sich wundere, dass seine Freunde von der Bild-Zeitung, der Kai (Diekmann) und der Körzi (Norbert Körzdörfer), Langhaarfrisuren tragen, der eine gegelt, der andere im freien Fall, der müsse wissen, dass ihr Friseur keine Ahnung hat: „Als ich meine Lehrprüfung ge macht habe, musste ich mich entschei den: Männer oder Frauen. Ich kann Frauen, Männer gar nicht. Ich habe den Jungs immer gesagt: ‚Verlangt ja keinen Übergang von mir!‘“ Dann lacht der Meir so laut, dass er davon heiser wer den würde, aber er ist’s ja schon. Auf nach Geltow am Schwielow see, bei Potsdam. Eine Jugendstil-Villa mit Garten und Springbrunnen, innen hohe Wände, Schränke voller Kunst bände, Warhol, Baselitz. Für Reimer Claussen, blaues Hemd, Jeans, GucciLoafer, ist Gerhard Meir die Liebe seines 66 Lebens – bis heute. Dass der ihn nach zwölf Jahren für den jüngeren Steffen Burkhardt verließ, ist eine Wunde, die nicht verheilen will. Als Meir Mitte der 80er ganz oben ist, ist Claussen einer der jungen deut schen Modedesigner aus West-Berlin. Sein Onkel war der Couturier Hans W. Claussen. Für eine Show in München engagiert Reimer Claussen den Meir. Der Bayer und der Holsteiner beziehen 1989 eine teure Wohnung in der Fle mingstraße in München. Die folgenden Jahre werden ihre erfolgreichsten, sie veranstalten Partys auf Sylt, ihre Einla dungen sind Auszeichnungen. Wer wen befruchtet, ist unklar: „Ich habe Gerhard veredelt, ihm in Hamburg und Berlin die Türen geöffnet, seine besten Jahre hat er mit mir verbracht“, sagt Claussen, „und ich habe die treusorgende Haus frau gespielt, ihm meine Karriere geop fert, darauf geachtet, dass morgens ein sauberes Hemd dalag. Zum Dank hat er gesagt, ich würde mit Kokain handeln.“ Meir behauptet, Claussen konnte nur neben ihm glänzen, nach dem Aus zug habe er die Hälfte der Möbel mitge nommen, die ihm gehörten. Der Reimer könne froh sein, dass ihm sein Onkel die Villa vererbt habe. Eine gemeinsame Freundin sagt: „Der Reimer hat Ge schmack, aber neigt zu Hochmut, war dem Gerhard intellektuell überlegen, hat ihn oft vor anderen kleingemacht. Als er es sich wegen seiner hohen Ansprüche mit vielen Modefirmen verscherzt hatte, da hat er sich vom Gerhard aushalten las sen und war zutiefst gekränkt, als der ihn sitzen lassen hat.“ Meir/Claussen spielen das Glitzer paar, doch es brodelt in der Beziehung. Meir will gefallen, Claussen ist nicht so stromlinienförmig gebaut. Gegensätze ziehen sich an oder machen zu Feinden. „Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an Gerhard denke“, sagt Claussen. Er lobt Meirs Großzügigkeit, aber bemängelt dessen Geltungssucht. „Der Gerhard hat jeden Morgen die Abendzeitung zum Früh stück gelesen, und wehe, er stand nicht drin, dann war die Laune ruiniert.“ Das Telefon klingelt, Kai Diekmann ist dran. Claussens Kolumne sei heute aber etwas streng gewesen, in der Bild Berlin erschei nen freitags „Claussens Sticheleien“. Am 26. Juli feiert Hermès eine Modeparty auf Sylt, Gerhard Meir ist für das „Styling“ verantwortlich. Er reist mit seinem Freund an, dem Ungarn Peter Safarik, 38, der einen Salon im Münch ner Hotel Arabella hat. Bis sechs Uhr morgens tanzt Meir beim Herbert (Seck ler, Sansibar-Wirt). Er hat getrunken und von allem so kräftig genossen, dass die Meir’sche Fröhlichkeit anderen Gästen Fotos: SABINE BRAUER, FRENZEL/BRAUER PHOTOS Hamburg, blues hour, der Friseur ist wehmütig – erst musste er seinen Salon schließen, jetzt gibt er seine Altbauwohnung auf. Öffnet sich die Schere zwischen „in“ und „out“ ? zu viel wird. Was 1987 Rock ’n’ Roll war, ist 2007 nur noch Rock ’n’ Proll. Ge rümpfte Nasen stören ihn nicht. Wenn er feiere, dann feiere er richtig, sagt Meir. Anfang August, im Le Coup. Manchmal haben Frauen ein bisschen Haue gern, sagen die „Ärzte“; wer Meir bei der Arbeit zuschaut, singt mit. Er rupft, reißt und zieht an seinen Kundin nen, herrscht sie an, „Aufstehen, bücken, gerade, gerade!“ – von den Damen kein Murren. Wer schön sein will, muss wohl Masochismusfan sein. Im vorderen Teil des Ladens verkauft Meir Bücher, ein Reiseveranstalter ist Untermieter. Seit 20 Jahren vertraue sie nur dem Gerhard ihre Haare an, sagt eine, die bei der Bot schaft arbeitet. Stammkundin Uschi Bau er führt ihre neuen Lippen aus, man kennt sich. Uschi Prinzessin zu Hohen lohe geht schon länger nicht mehr zum Gerhard, weil das immer vier, fünf Stun den dauere, so viel Zeit habe sie gar nicht mehr. „In seinen Hochzeiten, da bin ich auch hin, wenn ich keinen Termin hatte, weil bei ihm was los war. Meir war Pflicht wie ein Besuch bei Dallmayr.“ Generös sei er, der Gerhard, oft habe er seine pro minenten Gäste umsonst geschnitten, sonst hätte sie sich das als junges Dirndl ja gar nicht leisten können. Wenn eine Krebs hatte, sei er ins Krankenhaus ge fahren, mit der passenden Perücke. 127 000 Euro kostet der Salon in München an Unterhalt, monatlich. Der in Hamburg kostete 70 000 Euro. Meir muss über Jahre knapp drei Millionen Euro jährlich ver dienen, allein um die Geschäftskosten zu decken. „Mei, Altlasten“, sagt er, der noch nie eine Bilanz gelesen hat, und Schulden hätten ja auch ihr Gutes, man könne sie beim Finanzamt geltend ma chen. Konsolidieren müsse er jetzt, das passiere in den größten Firmen, aber Hamburg, mei, das hätte er ein Jahr frü her zumachen sollen. Was aber nicht heißt, dass er den Unternehmer in ihm in den Ruhestand schickt: In Budapest, da habe er mit seinem Peter und wichtigen Leuten geredet, und jetzt gäbe es Pläne für eine Friseurkette in Luxushotels, aber das sei alles noch nicht spruchreif. „Blasius, wo ist der Blasius?“, schreit Meir durch den Salon, und als der Blasius dann angelaufen kommt, da hat der Figaro schon wieder vergessen, was er von ihm wollte. „Maria, warum ist das Spray schon wieder leer?“ Maria rennt, und dann rennt der Meir auch wieder, er steht nie still, und schwitzen tut er, und dann weiß er doch bei jeder, was er sagen und wo er zuhören muss, und – schnipp, schnapp! – hat er wieder was aufgeschnappt. Kempinski Plaza, Berlin. Noch ein Aufschnapper. Wer Meir sagt, muss auch Der Zopf ist ab: Was 1987 Rock ’n’ Roll war, gilt 2007 nur noch als Rock ’n’ Proll Altes Glück: Reimer Claussen Neues Glück: Peter Safarik 67 Der Lockenvogel: mit Klaus Wowereit … … mit Vicky Leandros und Hannelore Elsner … … Aenne Burda … … und la Blechschmidt 68 Walz fragen. Der Schwabe setzte sich auf die Lok, die Meir befeuerte, auch Udo Walz ist heute ein „Star-Friseur“. Vor sei nem Laden stehen Kartons mit Föhnen und Glätteisen, darauf sein Konterfei. Über der Rezeption hängt ein Bild von Walz mit Heidi Klum. Meir hatte eine StilKolumne im SZ-Magazin, Walz ist Stamm gast in der B. Z. und bei RTL. Konkurrenz? Walz lächelt, er hat fünf Salons in Berlin und Potsdam, sagt er, zwei auf Mallorca. Die Sabine (Christiansen), die Charlize Theron und auch die aus dem Kanzleramt seien seine Stammkundinnen. „Gerhard war der Pionier, der Erste, dass muss man ihm lassen“, sagt Walz. Man sei verschie den, aber nicht verfeindet, für Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll fühle er sich zu alt, ge nehmige sich mal ein Kilo Scampi im Grill Royal, das war’s. Walz gibt sich souverän, nur zum Abschied, da rutscht ihm dann doch noch die Frage raus, warum man über den Meir eine Geschichte mache und nicht über ihn, den Walz. Schließlich habe auch er drei Bücher geschrieben, und nächste Woche, da schneide er Eva Lon goria auf Mallorca. Hotel Adlon, Unter den Linden. „Ab 1997 hat Gerhard Meir seinen Laden hier gehabt“, sagt die Pressefrau, „im Juni 2005 musste er schließen.“ Danach sei gleich der Udo Walz gekommen, der habe es nicht mal auf ein Jahr gebracht. Jetzt vergrößern sie den Empfangsbe reich, und wer weiß, vielleicht komme ein neuer Friseur. Die Gäste seien immer sehr enttäuscht gewesen, weil sie ja aus ganz Deutschland angereist seien, um auf seinem Friseursesselbeichtstuhl zu sitzen, aber der Gerhard Meir war fast nie da. Ja, mei! Der Sommer mit Gerhard Meir geht dem Ende zu, der Herbst ist da. Wenn Lachse laichen, kehren sie dahin zurück, wo sie geboren wurden, ob sie wollen oder nicht; und vielleicht zeigt sich ja der Schorsch im Meir auf einer Fahrt zu sei nem Ursprung. Freund Peter steigt in der Maximilianstraße zu. Die beiden wohnen jetzt zusammen, Frau Holler muss allein klarkommen. Zum Geburtstag schenkte der Ungar seinem Gerhard Teufelsgeiger. Die Gürtelschnalle vom Meir ist das sil berne H, bei Peter das goldene, dazu eine Louis-Vuitton-Tasche und eine Flasche Volvic, falls der Gerhard Durst kriegt. „Wenn ich verliebt bin, dann schneide ich die linke Seite immer etwas kürzer“, sagt Meir; wenn man beobachtet, wie sie sich auf dem Rücksitz die Oberschenkel streicheln, dann stehen der Kundschaft asymmetrische Zeiten bevor. Über die Landstraße an den Tegern see, Meir moderiert: „Da wohnt der Willy (Bogner), dort bauen die Oppenheims.“ Links zum Schliersee. Von dort den Berg hoch, Spitzingsee, Naturidylle. Das Wan dern ist des Meirs Lust. Sein Freund sieht sich hier nicht, er kommt sich vor wie „Paris Hilton in der Pampa“. Der Reimer habe das auch nicht gemocht, Natur und so, sagt Meir, im Trachtenjan ker, aber er sei oft hier, wenn er Zweifel habe oder Depressionen. Meir setzt sich auf einen Steg, Füße ins Wasser, Zigaret te an, und für einen Moment entspannen sich seine Gesichtszüge, er lacht nicht, er lächelt. Das muss er sein, der Schorsch im Meir, der nie raus darf, weil er nicht schick genug ist für München und das große Kino. Punkt zwölf Einkehr bei der Alten Wurzhütte. Meir trinkt Weißbier und einen Hüttenzauber, flambierten Schnaps, ihm wird warm. Zeit für eine Anekdotensprechstunde. Dazu Schwei nebraten mit Krautsalat, Extrasoße, noch ein Weißbier, noch einen Schnaps. Als die Wirtsleute nach Foto und Auto gramm verlangen, sind Umsatzzahlen und Feierabend ganz weit weg. Nach dem Schweinebraten wird es sakral, es geht zur Birkensteinkapelle, einem Marienwallfahrtsort. Die Fahrt bringt Meir in Fahrt, der Papst sei, so leid ihm das tue, ein Depp, wie könne der behaupten, die Protestanten seien keine Kirche. Schatz Peter schweigt. Oben ist es ruhig, ganz kurz auch Meir. Zwei Non nen schmücken den Altar, französische Pilger beten in der Kapelle. Meir stellt sich zu ihnen, dann kauft er Weihwasser, mit dem besprüht er sein Bett. Beim Ab stieg beginnt er zu schluchzen: Seine El tern und seinen Bruder habe er hier zu Grabe getragen, der Ort sei schön und so schrecklich. „Da verehre ich ihn so, mei nen Gott, und dann nimmt Er mir meine halbe Familie. Das ist der Zwiespalt in meinem Leben, Heiligkeit und Schein heiligkeit. Damit komme ich bis heute nicht klar.“ Peter legt den Arm um Ger hard. So viel Passion schlägt auf den Ma gen. Unten im Café Seidl, da gebe es, Gott sei Dank, den besten hausgemachten Kuchen Oberbayerns, sagt Meir und be stellt Schwarzwälder Kirschtorte. Wenn er nicht isst, redet oder raucht, blickt er durch das kleine Fenster, hinauf, wo sei ne Toten liegen. Und nichts mehr von ihm wissen können. Wallfahrtsort Birkenstein, der Friseur wandert wie ein junger Bursche, obwohl er Kettenraucher ist. Freund Peter hingegen fühlt sich wie „Paris Hilton in der Pampa“. In der Kapelle zapft sich Meir ein Fläschchen frisches Weihwasser, mit dem er daheim sein Bett besprüht. Fürs leibliche Wohl gibt’s in der Alten Wurzhütte Weißbier und Schnaps Fotos: ADOLPH PRESS/REETZ (2), M.NEUGEBAUER/S.BRAUER PHOTOS, PRIVAT Nach dem Schweinebraten schluchzt er: „Heiligkeit und Scheinheiligkeit, damit komme ich nicht klar“