Virtueller Begleiter – ViBe

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Virtueller Begleiter – ViBe
Mobility in an Ageing Society
Virtueller Begleiter – ViBe
Virtueller Begleiter – ViBe
Verbundprojekt im Rahmen der Bekanntmachung »Mobil bis ins hohe Alter –
nahtlose Mobilitätsketten zur Beseitigung, Umgehung und Überwindung
von Barrieren« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF)
Verbundkoordinator: Thomas Hecker, DResearch Digital Media Systems GmbH, Berlin
Ausgangspunkt der Bekanntmachung des BMBF
Jede Generation hat ganz eigene Mobilitätsbedürfnisse. Über alle Generationen hinweg aber gilt: Die
uneingeschränkte individuelle Mobilität ist entscheidend für gesellschaftlichen Austausch und soziale
Teilhabe. Auch ältere Menschen empfinden den Verlust von Mobilität als deutliche Einschränkung
ihrer Lebensqualität. Für ein selbstbestimmtes Leben im Alter ist daher die Unterstützung bei der
Bewältigung von Wegstrecken elementar. Diese Forderung bezieht sich auf das gesamte Spektrum
der Mobilität: Innerhalb von Wohnkomplexen und -quartieren bis hin zur Integration von öffentlichen Verkehrsmitteln, privaten Fahrdiensten und systemübergreifenden technischen Hilfsmitteln in
ganzheitliche Verkehrskonzepte.
Die Bekanntmachung [1] »Mobil bis ins hohe Alter – nahtlose Mobilitätsketten zur Beseitigung, Umgehung und Überwindung von Barrieren« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF)
erfolgte im September 2010 in Umsetzung der Hightech-Strategie der deutschen Bundesregierung
unter besonderer Beachtung und Einbindung sozial- und gesellschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse
und Forschung. Beabsichtigt war, neue Impulse für die direkte Umsetzung von Forschungsergebnissen in Produkte, Dienstleistungen und Verfahren sowie deren schnelle Verbreitung zu geben. Die
Zusammenarbeit von Wissenschaft, Wirtschaft und Dienstleistern sollte dabei auf wichtigen Innovationsfeldern intensiviert werden. Gefordert wurde in diesem Kontext eine Bewertung der Ergebnisse
sowohl aus Nutzerperspektive, als auch aus ökonomischer und regionalspezifischer Perspektive. Im
Rahmen der Bekanntmachung des BMBF wurden insgesamt 14 Projekte gefördert, darunter das Projekt »Virtueller Begleiter – ViBe« mit einem Projektvolumen von 2,3 Mio. € (64% Förderquote) [2].
Abbildung 1: Mobil bis ins hohe Alter durch den Virtuellen Begleiter
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Zielstellung des Projektes »Virtueller Begleiter – ViBe«
Mobilität im Alter ist gekennzeichnet von zunehmender Unsicherheit, insbesondere in unbekannter
Umgebung und bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, wenn zuvor die Pkw-Nutzung das Mobilitätsverhalten bestimmte. Ziel des ViBe-Projekts ist die Entwicklung und Erprobung einer Assistenz
für ältere Menschen zur Steigerung ihrer eigenständigen Mobilität in einem großstädtischen Umfeld.
Die Assistenz betrifft in erster Linie das Führen zu Zielen, die zu Fuß oder mit ÖPNV erreichbar sind.
In zweiter Linie wird in dem Projekt eine mögliche medizinische Assistenz adressiert. Die Entwicklungen im Projekt orientieren sich an dem Ziel, eine physisch anwesende Begleitperson, die einen älteren Menschen zu den unterschiedlichsten Zielen geleiten kann – so gut wie es die heutigen technischen und infrastrukturellen Möglichkeiten zulassen – zu ersetzen.
Der Virtuelle Begleiter als Unterstützungsdienst ist konzipiert als eine Kombination eines mobilen
elektronischen Endgerätes und eines im Hintergrund tätigen menschlichen Unterstützers. Ausgehend
von der im Fokus stehenden Nutzergruppe war die Entwicklung davon geleitet, die Interaktion extrem zu vereinfachen und Bedienfehler möglichst auszuschließen. Durch Einbeziehung eines geschulten menschlichen Unterstützers, der sprachlich-kommunikativ, aber auf Wunsch auch visuell, mit
dem älteren Menschen verbunden ist, können unvorhersehbare Ereignisse ebenso wie die nicht
vermeidbaren technischen Unzulänglichkeiten einer automatisierten Assistenz adäquat adressiert
werden. Durch die Einbeziehung eines realen Begleiters – auch wenn er nicht körperlich vor Ort ist –
werden aber auch hohes Vertrauen und eine damit verbundene hohe Akzeptanz geschaffen.
Ein Vorteil einer kombinierten technischen und real-menschlichen Assistenz liegt auch in der Skalierbarkeit bzw. der Möglichkeit, die Schwerpunkte einer Unterstützung je nach Art des Bedarfs zu verschieben. So kann man erwarten, dass Nutzer ohne Erfahrung mit dem System oder Nutzer mit höheren kognitiven Einschränkungen mehr der Unterstützung des realen Begleiters im Hintergrund bedürfen und erfahrene, technikaffine Nutzer oder Nutzer mit dem Wunsch nach hoher Selbstständigkeit
eher auf die rein technische Assistenz, verbunden mit einem hohen Sicherheitsgefühl für Notfälle,
bauen.
Ansätze für mögliche Geschäftsmodelle
Mögliche Geschäftsmodelle wurden im Rahmen des Projektes detailliert untersucht. Das Konsortium
ging bereits zum Start des Projektes im Februar 2012 davon aus, dass der Einsatzbereich von ViBe
sehr heterogen sein wird und auch unterschiedliche Geschäftsmodelle beinhalten wird. Als exemplarisch wurden die Use Cases »Seniorenstift«, »professionelle Unterstützungsdienste / persönliche
Assistenz«, »privates Umfeld / freiwillige soziale Dienste« sowie Verkehrsunternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs identifiziert.
Der Einsatz von ViBe in einem Seniorenstift kann beispielsweise eine vom Stift angebotene Unterstützungsleistung sein, welche die Attraktivität des Stiftes erhöht. Im Projekt wird dieses Szenario mit
dem Evangelischen Johannesstift verfeinert. Der menschliche Unterstützer im Hintergrund könnte
dann beispielsweise ein Mitglied des Pflegepersonals sein, das mehrere weiterhin in ihrer eigenen
Wohnung außerhalb des Stiftes wohnende Benutzer remote betreut.
Professionelle Unterstützungsdienste könnten ihr Portfolio des persönlichen Begleitdienstes für bestimmte Beeinträchtigungsgruppen erweitern. Beispielsweise könnten die bisher unmittelbar direkt
personengebundenen Berliner Mobilitätsdienste ihr Angebot erweitern und so eine direkte persönliche Assistenz nur im Bedarfs/Notfall bereitstellen. Auch hier würde der menschliche Unterstützer in
der Regel mehrere Personen gleichzeitigt betreuen.
Beim Einsatz im privaten Umfeld oder in Seniorenselbsthilfeorganisationen würde der menschliche
Unterstützer im Hintergrund z.B. ein Angehöriger oder Ehrenamtlicher Helfer und in der Regel nur für
einen Nutzer zuständig sein. Die beiden letztgenannten Szenarien wurden im Projekt zusammen dem
Paritätischen Wohlfahrtsverband, Berlin verfeinert.
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Verkehrsunternehmen (wie der VBB oder die BVG im Raum Berlin) haben ein großes Interesse daran,
die Mobilität ihrer älteren Kundschaft zu erhalten und zu unterstützen. Gleichzeitig sehen sie ein
Potenzial darin, Neukunden aus dem Kreis bisheriger Pkw-Nutzer zu generieren.
Verbundpartner und deren Projektbeiträge
Das Konsortium setzt sich zusammen aus drei kleineren, technologisch orientierten Unternehmen
sowie einer öffentlichen sowie zwei privaten Forschungseinrichtungen aus den Bereichen geriatrischgerontologische, soziologische und Usability-Forschung. Exemplarisch für ein großstädtisches Umfeld, dessen Infrastruktur und Akteure, hat das Konsortium für die Entwicklungs- und Erprobungsphase den Schwerpunkt auf den Raum Berlin gelegt.
Es sei an dieser Stelle hervorgehoben, dass sich die Zusammenarbeit mit der VDI/VDE Innovation+Technik GmbH als Projektträger des BMBF zu jeder Zeit sehr kooperativ gestaltete.
DResearch Digital Media Systems GmbH, Berlin
Die DResearch Digital Media Systems GmbH betreut als Koordinator und Entwickler seit 1994 anspruchsvolle IT-Projekte im Kundenauftrag: Von mandantenfähigen E-Payment-Lösungen für Bund,
Länder und Kommunen sowie ERP-Systemlösungen für mittelständische Unternehmen, über videobasierte Sicherheitssysteme, Telefonie- und Kommunikationsplattformen oder Datenbanklösungen,
bis hin zu embedded Systemen für innovative Facility Management und Automotive-Lösungen.
Für das Kooperationsprojekt »Virtuelle Begleiter (ViBe)« übernahm DResearch als Konsortialführer
die Projektkoordination. Die Herausforderung dabei ist das Zusammenbringen der sehr unterschiedlichen technischen und sozialwissenschaftlichen Kompetenzen der Konsortialpartner, um Synergien
für die Gesamtlösung des Virtuellen Begleiters und Rückwirkungen in das spezifische Tätigkeitsumfeld der Partner sowie eine mögliche Weiterentwicklung und Kommerzialisierung nach dem Ende des
Projekts zu ermöglichen.
Der spezifische Projektbeitrag von DResearch für den Virtuellen Begleiter ist die Systementwicklung
für das mobile Endgerät und für den Assistentenarbeitsplatz. Dafür kommen insbesondere die langjährigen Erfahrungen des Unternehmens in den Bereichen der mobilen Video-Aufzeichnungs- und Übertragungssysteme, der embedded Systems sowie der Plattformen und Dienste für Telekommunikationsnetze und moderne, Web-basierte Lösungen zum Tragen, die im Rahmen des Projektes erstmalig in das Umfeld eines Systems zur Mobilitätsassistenz einfließen.
VIOM GmbH, Berlin
Die VIOM GmbH Berlin ist ein Softwarehaus im Bereich Optimierungssysteme und Geoinformatik mit
den Schwerpunkten Prozessoptimierung und Tourenplanung für die Logistik, Geografische Informationssysteme (GIS) sowie Kommunikationsanwendungen mit mobilen Endgeräten. VIOM arbeitet beispielsweise langjährig mit dem ADAC im Bereich der Verarbeitung von Verkehrslageinformationen
zusammen.
Der spezifische Projektbeitrag von VIOM für den Virtuellen Begleiter ist die Erarbeitung und Umsetzung technischer Konzepte zur Integration unterschiedlichster Datenquellen für ein intermodales und
automatisiertes Routingsystem (z.B.: Wegedaten durch Maps, ÖPNV-Fahrpläne mit Störungsmeldungen, Mobilitätsdaten für Ältere und Menschen mit Behinderung, Ortsangaben mit Relevanz zur Alltagsbewältigung). Diese Daten werden in einem Geo-Basissystem zur Verfügung gestellt und in einem Serversystem mit einer leistungsfähigen Struktur und zugehörigen Services (Adresssuchen, Umkreissuchen, ETA-Service, usf.) gehostet und sowohl dem Assistentenarbeitsplatz als auch den mobilen Endgeräten zugänglich gemacht.
Sympalog Voice Solutions GmbH, Erlangen
Die Sympalog Voice Solutions GmbH ist ein Anbieter von intelligenten Sprachdialogsystemen und
Spracherkennungslösungen. Seit dem Jahr 2000 sind die verschiedenen Softwaremodule von Sympalog am Markt erhältlich und in Informations-, Transaktions-, Vermittlungs- und Spezialanwendungen
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bei namhaften Kunden im Einsatz. Weiterhin verfügt Sympalog über langjährige Erfahrungen, ihre
Softwaremodule auf verschiedenen Soft- und Hardware-Plattformen zu integrieren und an die jeweiligen Umgebungsbedingungen optimal anzupassen.
Der spezifische Projektbeitrag von Sympalog für den Virtuellen Begleiter ist die Entwicklung der
Sprachsteuerung und die Integration des eigenen kommerziellen Spracherkenners auf die Zielhardware des mobilen Endgeräts. Dabei sind Spracherkennung und Dialogführung des Virtuellen Begleiters so zu gestalten, dass sie auf die Zielgruppe optimal ausgerichtet ist und sich an deren Bedürfnisse anpassen. Dazu werden eine Sprachdatensammlung durchgeführt sowie spezielle Spracherkennungs-Modelle trainiert, die optimal auf das Szenario, die Umwelt und die Benutzer zugeschnitten
sind und der mit diesen Daten optimierte Spracherkenner an die Systemsoftware des Endgeräts angebunden.
HFC Human-Factors-Consult GmbH, Berlin
Das private Forschungsunternehmen HFC Human-Factors-Consult GmbH beschäftigt sich in einem
interdisziplinären Team aus Psychologen, Ingenieuren und Informatikern mit Fragen der MenschTechnik-Interaktion in unterschiedlichen Domänen. Ein Schwerpunkt der Arbeit von HFC liegt in der
Gestaltung und Evaluation von Assistenzsystemen für die Automobilindustrie; Bahnindustrie und
Luftfahrt. Daneben werden auch Themen aus dem Bereich Medizintechnik, Straßenverkehr und Sicherheitstechnik bearbeitet. Neben der Auslegung von Dialogführung und Bedienoberflächen ist HFC
bei der Gestaltung von Schulungskonzepten tätig.
Im Rahmen des Kooperationsprojekts Virtueller Begleiter ist HFC insbesondere für die anwendergerechte Gestaltung der Nutzerführung und Bedienung des mobilen Gerätes und des Assistentenarbeitsplatzes verantwortlich. Ferner entwickelt HFC die Konzepte zur Schulung der Assistenten entwickeln, die nach dem Projekt als Teil einer möglichen Vermarktungskette integriert werden sollen.
nexus Institut GmbH, Berlin
Das nexus Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung GmbH wurde 1999
aus dem Zentrum Technik und Gesellschaft der Technischen Universität Berlin heraus gegründet.
Nexus arbeitet an der Schnittstelle zwischen Forschung und praktischem Einsatz von partizipativen,
kooperativen und evaluierenden Verfahren. Das Institut hat einen seiner Schwerpunkte im Bereich
Mobilitätsforschung und den Herausforderungen des demographischen Wandels für Raum, Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei bestand in vielen Projekten ein enger Bezug zur Lebenswelt älterer
Generationen. Oft steht hier die Entwicklung neuer Konzepte für Produkte und Dienstleistungen,
Nutzerbeteiligung sowie Mobilitätsverhalten im Vordergrund. Mit quantitativen, qualitativen und
experimentellen Forschungsansätzen werden dabei sowohl Grundsatzfragen als auch praktische Fragestellungen bearbeitet.
Nexus leitet als sozialwissenschaftlicher Partner des Konsortiums die Bedarfsanalyse im Rahmen des
Projektes Virtueller Begleiter, durch die die nutzerseitigen Anforderungen für die Systementwicklung
definiert werden, untersucht mögliche Geschäftsmodelle hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen und organisatorischen Anforderungen und entwickelt Konzepte zur deren Umsetzung. Weitere Aufgabe, in
der die Expertise der anwendungsorientierten gesellschaftswissenschaftlichen Forschung nutzbar
gemacht wird, ist der Feldtest, in dem Nexus die Federführung übernimmt.
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Forschungsgruppe Geriatrie, Berlin
Die Forschungsgruppe Geriatrie der Charité – Universitätsmedizin (CFGG) Berlin forscht seit 1990
erfolgreich in den Bereichen Geriatrie (Altersmedizin) und Stoffwechselkrankheiten. Im Zentrum des
Interesses ist die Entwicklung neuer Technologien für die Schaffung integrierter und intelligenter
Lebenswelten zur Erhaltung von Gesundheit und Selbstbestimmtheit. Im Vordergrund der gemeinsamen Arbeiten stehen Technologien zum Erhalt der Selbständigkeit, Gesundheit und Mobilität, sowie die Begleitung des Menschen im Prozess des Alterns. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Integration vorhandener und neuer Dienstleistungen in den Bereichen Prävention, Behandlung und Rehabilitation.
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Die CFGG bringt in das Projekt Virtueller Begleiter ihre geriatrisch-gerontologische Expertise ein, um
eine Dienstleistung zu schaffen, die speziell auf die Bedürfnisse einer älteren Zielgruppe mit kognitiven und körperlichen Beeinträchtigungen zugeschnitten ist. Insbesondere im großstädtischen Umfeld
führt der Mangel an Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, resultierend aus mit dem Alter eintretenden Defiziten, zu einem Rückzug der älteren Menschen in den Schutz der eigenen vier Wände. Mit
dem Rückgang an Mobilität sind dann auch Entbehrungen im Bereich der sozialen Kontakte, der gesellschaftlichen Aktivitäten und damit letztlich ein Verlust an Lebensqualität verbunden. Ziel sollte
jedoch ein möglichst selbstbestimmtes Leben sein.
Assoziierte Partner
Für die Entwicklung und Erprobung von Geschäftsmodellen wurden der Paritätischen Wohlfahrtsverband e.V. und die Evangelisches Johannesstift Altenhilfe gGmbH gewonnen, der Verkehrsverbund
Berlin Brandenburg GmbH, die United Maps GmbH und die Albatros gGmbH stellen Fahrplan- und
Kartendaten bzw. Informationen zu Points of Interest und zur Barrierefreiheit zur Verfügung.
Gemeinsame Zielbestimmung und gemeinsame Begrifflichkeit
Was in interdisziplinären Projekten mitunter unterschätzt wird, ist das Finden eines gemeinsamen
Verständnisses zum Projektgegenstand und damit verbunden auch einer gemeinsamen Begrifflichkeit, was sich z.B. in der Unterscheidung von Kunden/Customer und Nutzer/User des (IT-)Services des
Virtuellen Begleiters plastisch widerspiegelt: Hierfür ist letztlich entscheidend, wer den Vertrag mit
dem Dienstanbieter/Service Provider hat (= Kunde/Customer) und wer die Dienstleistung über das
mobile Endgerät ständig oder temporär nutzt (= Nutzer/User). Beide Rollen können – je nach Use
Case – zusammenfallen.
Um das Finden eines gemeinsamen Verständnisses und einer gemeinsamen Begrifflichkeit zu unterstützen, erfolgte am Ende des ersten Drittels der Projektlaufzeit das Aufsetzen eines Glossars der im
Rahmen des Verbundprojektes verwendeten Begriffe. Da es sich beim ViBe-Service letztlich um einen
(IT-)Service handelt, setzt das Glossar für die etablierten Begriffe weitestgehend auf dem internationalen Standard des ITIL® Glossary [3] auf und definiert auch die ViBe-spezifischen Begriffe konsistent
zu diesem Standard. Wenn im Einzelfall (etwa: Beim Begriff Auslöser / Trigger) keine adäquate Abbildung auf Begriffe des ITIL® Glossary möglich war, wurde auf die etablierten Begriffe des PRINCE2®
Glossary für Projekt- und Portofoliomanagement [4] zurückgegriffen.
Zurzeit laufen in der internationalen Community Aktivitäten, die Begriffe des Projekt- und Portfoliomanagements (u.a. der PRINCE2®) und des IT-Servicemanagements (ITIL®) in einem »Best Management Practice Common Glossary« zu konsolidieren, das seit Oktober 2012 in einer ersten Version
vorliegt [5] – auch dies ist ein Hinweis darauf, welcher Stellenwert dem Finden einer gemeinsamen
Begrifflichkeit zugemessen werden sollte.
Interessanterweise ist der aus Verwertungssicht zentrale Begriff »Geschäftsmodell / Business Model«
im ITIL® Glossary und auch im PRINCE2® Glossary nicht definiert, und es gibt für diesen Begriff zurzeit
noch keine in Wissenschaft und Praxis allgemein anerkannte einheitliche Definition. Die eigentliche
Problematik der gängigen Begriffsdefinitionen ist, dass sie regelmäßig nur auf ein Unternehmen als
Leistungsanbieter abzielen, was gerade im ViBe-Kontext zu kurz greift. Es wurde deshalb in Anlehnung an ein aktuelles Whitepaper [6] als erste Annäherung eine breiter gefasste Definition in das
ViBe-Glossar aufgenommen, das die Zulieferer/Supplier in die Wertschöpfungslogiken einbezieht:
»ViBe-Geschäftsmodell: Business Model des ViBe-Services. Dieses beschreibt die Wertschöpfungslogiken des ViBe-Serviceproviders und der ViBe-Supplier unter dem Gesichtspunkt, wie
diese dazu beitragen, für die ViBe-Kunden Werte zu schöpfen und zu sichern.«
Detaillierte Untersuchungen zu ViBe-Geschäftsmodellen sind ein wesentliches Ziel des Projektes.
Vom Projektpartner nexus wurde ein Projektworkshop durchgeführt, bei dem typische Abläufe des
ViBe-Betriebs in drei Szenarien (Verkehrsunternehmen als Anbieter, Begleitung durch Seniorenheim
und durch Sozialstation mit ehrenamtlichen Kräften) analysiert wurden. Durch Interviews mit Betrei5
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bern von Begleitdiensten und Senioreneinrichtungen, die mit qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet
wurden, wurde ein Art Baukasten für die ViBe-Dienstleistung erarbeitet, dessen Elemente definiert
und damit die Grundlage für die weitere Modellentwicklung gelegt.
Für ein mögliches Geschäftsmodell telemedizinischer Dienstleistungen hat die CFGG bestehende
Konzepte zur Finanzierung von medizinischen, neuropsychologischen und therapeutischen Dienstleistungen sowie die rechtlichen und abrechnungsrelevanten Rahmenbedingungen analysiert und
daraus ein Dienstleistungsmodell für eine mögliche telemedizinische Betreuung mit dem »Virtuellen
Begleiter« abgeleitet. In diesem Zusammenhang wurden auch bereits bestehende Konzepte und auf
der Smartphone-Technologie basierende zusammengetragen, analysiert und in einem Bericht zusammengefasst.
Projektverlauf und erreichter Projektstand
Der Virtuelle Begleiter ist als multimandantenfähiges Client-Server-System mit folgender funktionaler
Aufgabenzuordnung konzipiert und umgesetzt:
Abbildung 2: Client-Server-Architektur des Virtuellen Begleiters
ViBe-Server
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Anlegen und Verwaltung von Kunden- und Nutzerprofilen
Anlegen und Verwalten von Assistentenarbeitsplätzen
Anlegen und Verwaltung des Gerätepools
Kommunikation mit dem VIOM-Routenserver und dem Sympalog-Spracherkennungsserver
Zusammenstellung von Routen unter Berücksichtigung des Nutzerprofils
ViBe-Assistent
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Registrierung der mobilen Endgeräte am ViBe-Server via QR-Code
Modellierung der Nutzerprofile
Kartengestütztes Begleiten der angemeldeten ViBe-Nutzer (bei vorliegender Zustimmung)
Verwalten eines Logbuchs der Aktivitäten
Kommunikation mit dem ViBe-Nutzer über Sprache oder Videotelefonie
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ViBe-Client
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Anmelden am ViBe-Server und Übernahme des Nutzer-Profils
Spracherkennung des Nutzers
Zuordnung erkannter Sprachbefehle zur aktuellen Route
»On Demand« Kommunikation zum ViBe-Assistenten via »PushToTalk«
Übernahme der aktuellen Routendaten
Bestimmung der aktuellen Routenposition und Begleiten der Route
Erkennung und Anzeige des aktuellen Gerätezustands (u.a.: Internet- und GPS-Verbindung)
Abbildung 3: Anzeige der Geräteposition am Arbeitsplatz des ViBe-Assistenten
Im Rahmen des Projektes wurde aus den prototypischen Nutzergruppen und Nutzungsabläufen eine
vollständige Bedienabfolge mit zugehörigen GUI-Entwürfen und deren Interaktion mit der Sprachausgabe erarbeitet und in mehreren Iterationszyklen verfeinert und umgesetzt.
Der Test des integrierten Bedienablaufes wurde von der HFC in Kooperation mit dem Projektpartner
NEXUS als Zweigruppenworkshop mit Vertretern der Senior Research Group durchgeführt. Die Arbeit
erfolgte in zwei Gruppen – einer Designergruppe und einer Gutachtergruppe. Beide Gruppen erhielten ein detailliertes Wegeszenario und bearbeiteten dieses parallel. Im Anschluss an die Gruppenarbeit stellen die Gruppen ihre Ergebnisse gegenseitig vor und diskutierten diese. Die Ergebnisse beider
Gruppen flossen in eine abschließende GUI-Überarbeitung ein.
Entscheidend für das Konzept der extremen Interaktionsvereinfachung ist, dass die Bedienung der
ViBe-Applikation auf dem Endgerät sprachgesteuert erfolgen kann. Dafür wurden zum einen Dialoge
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definiert, die der ViBe-Core abhängig vom jeweiligen Zustand des Gerätes und der Umgebung, in der
sich das Gerät befindet, dem Nutzer zur Verfügung stellt, sodass eine möglichst effiziente Bedienung
des Gerätes erfolgen kann:
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Ja/Nein-Dialog zur Beantwortung von Ja/Nein Fragen
Auswahl-Dialoge zur Auswahl verschiedener Ansichten und Steuerungen
Dialog Route abrufen/planen
Foto-Dialog zur Ansicht von Bildern der Umstiegspunkte
Routenplaner-Dialog zur intuitiven, sprachgesteuerten Routenplanung auf dem Gerät
Begleit-Dialog zur Behandlung von Anfragen zur aktuellen Situation bei der Routenführung
Globale Dialoge: Begleiter, Abbruch und Hilfsfunktionen die immer aktiv sind
Zur Optimierung des Spracherkenners wurden die gesammelten und annotierten Daten (u.a. zum
Namen von Haltestellen und Straßen in Berlin) in das Trainingskorpus des Spracherkenners aufgenommen und ein kombiniertes Neutraining vorgenommen. Es wurden insgesamt 3.475 Äußerungen
mit einer Dauer von 3 Stunden und 50 Minuten Sprachdaten gesammelt, jeweils in einem Mix weiblicher und männlicher sowie jüngerer und älterer Sprecher.
Abbildung 4: Typischer Ablauf der Begleitung der Route auf dem ViBe-Endgerät
Ein zentraler Ansatz des Virtuellen Begleiters ist die Berücksichtigung von spezifischen Mobilitätseinschränkungen der Nutzer. Die personenbezogenen Mobilitätscharakteristiken werden von den ViBeAssistenten in den Nutzerprofilen erfasst und gepflegt. Diese dienen als Grundlage einer entsprechenden Routing-Anfrage an das VIOM-System, welches ein auf den Nutzer hin optimiertes Routingergebnis liefert.
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Auch »Störungen« (Baustellen, Nichtnutzbarkeit von Umsteigepunkten bei bestimmten Mobilitätseinschränkungen z.B. infolge eines der Ausfall von Fahrstühlen), können im System verfahrenstechnisch ausgewertet werden. Leider bieten die im konkreten Fall vom VBB Verkehrsverbund Berlin
Brandenburg zur Verfügung gestellten diesbezüglichen Daten nicht, wie erhofft, die Möglichkeit einer
automatisierten Aktualisierung, da diese Störungen nicht als Schnittstellenservice zur Verfügung gestellt werden. Hier sehen die Projektpartner dringenden Handlungsbedarf aufseiten des VBB. Dasselbe betrifft die offene und kostenfreie Zurverfügungstellung jeweils aktueller und konsistenter Fahrplandaten in einer für darauf aufsetzende Applikationen nutzbaren Form. Im Projekt wurde die Problematik der unzureichenden Datenqualität dahingehend adressiert, dass über den ViBeNetzwerkeditor die Möglichkeit der nachträglichen Erweiterung des Netzwerkes um detaillierte Wege, Beschreibungen, Treppen, Fahrstühle, Rolltreppen, Rampen, Türen und die detaillierte Erfassung
aller Ein- und Ausstiegspunkte von und zu den verschiedenen Verkehrsmitteln geschaffen wurde. Ein
späterer Systembetreiber kann damit das Netzwerk um zielgruppenrelevante Informationen ergänzen und die Qualität der nutzerspezifischen Routinginformation signifikant erhöhen. Weiterhin wurde vom VIOM im Zuge des Zukunftskongresses 2013 und des Mobility-Workshops im Rahmen des
AAL-Kongresses Kontakt zu diversen Akteuren aufgenommen, da sich herausstellte, dass fast alle
Projekte mit den gleichen Schwierigkeiten der mangelhaften Verfügbarkeit, Standardisierung und
Qualität der Daten und demzufolge einem unzureichend einschätzbaren Arbeitsaufwand zur Erzeugung einer marktfähigen/validen Lösung umgehen müssen.
Für den Projektverlauf entscheidend war, dass bereits in der Konzeptionsphase des Projektes im
Rahmen der Definition der Systemfunktionalität und Schnittstellen neue Erkenntnisse gewonnen
wurden, die unmittelbar in das Projekt eingeflossen sind: Aufgrund der rasanten Entwicklung im Bereich der Smartphones in den Jahren 2011/2012 wurde die bereits im Projektantrag gestellte Alternative zur ursprünglich beabsichtigten Eigenentwicklung der Hardware des Virtuellen Begleiters erneut aufgeworfen und im Konsortium die Entscheidung getroffen, verfügbare und angekündigte
Smartphones erneut kritisch auf ihre Eignung für das Projekt zu untersuchen.
Wesentliches Ergebnis dieser Untersuchungen in der Konzeptionsphase war, dass die Entwicklung
der Smartphones bereits so weit gediehen war, dass diese für die Hardware der Endgeräte des Virtuellen Begleiters im Rahmen des Projektes zum Einsatz kommen konnten.
Dies hatte aus Sicht der Projektpartner den entscheidenden Vorteil, dass somit die Aufnahme der
Samples zur Spracherkennung bereits mit der Zielhardware vorgenommen werden konnte und dass
die erforderliche Freigabe der Ethikkommission der Charité für die Tests mit der Zielgruppe leichter
erreicht werden kann, da für die Smartphones bereits zum Zeitpunkt des Antrages bei der Ethikkommission die CE-Zertifizierung vorlag.
Mit Zurückgreifen auf Smartphones (je nach Situation mit oder ohne Headset) anstelle einer Eigenentwicklung der Hardware der Endgeräte des Virtuellen Begleiters haben sich auch die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten des Projektes verbessert, da Hardware, Betriebssystem und systemnahe Tools
für den Virtuellen Begleiter somit investitionssicher verfügbar sind.
Publikationen und Präsentationen (Auswahl)
Das Projekt wurde vom Projektkoordinator auf den AAL-Kongressen 2012 und 2013 vorgestellt, die
Studie der Forschungsgruppe Geriatrie zur Messung der Veränderung des Mobilitätsverhaltens durch
die Nutzung des »Virtuellen Begleiters« wurde in einer Poster-Session auf dem AAL-Kongress 2014
präsentiert. Für den 120. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden, wurde
ein Poster »Aktuelle Technik-Projekte in der geriatrischen Forschung« präsentiert.
Auf der Jahrestagung der Sektion III: Sozial- und verhaltenswissenschaftliche Gerontologie und der
Sektion IV: Soziale Gerontologie und Altenarbeit der DGGG in Ulm wurden von der Forschungsgruppe
Geriatrie Ergebnisse der Bedarfs- und Anforderungsanalyse für ein Mobilitäts-Assistenzsystems und
der Einfluss von unterstützenden Angehörigen auf die Akzeptanz von Assistenzsystemen im höheren
Lebensalter vorgestellt.
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Darüber hinaus wurde das Projektkonsortium im Rahmen der GANI_MED-Studie von der ErnstMoritz-Arndt-Universität Greifswald zur Nachhaltigkeit interdisziplinärer Forschungskooperationen
befragt.
Referenzen
[1] Bekanntmachung »Mobil bis ins hohe Alter – nahtlose Mobilitätsketten zur Beseitigung, Umgehung und Überwindung von Barrieren«, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bonn,
21.09.2010,
http://www.bmbf.de/foerderungen/15268.php
[2] »Mobil bis ins hohe Alter«, Steckbriefe der ausgewählten Projekte der BMBF-Fördermaßnahme,
Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bonn, 31.01.2012,
http://www.bmbf.de/pubRD/Mobi-Steckbriefe-komplett.pdf
[3] ITIL® Glossar und Abkürzungen, Englisch-Deutsch, v1.1b, 01.05.2012,
www.itil-officialsite.com/InternationalActivities/TranslatedGlossaries.aspx
[4] PRINCE2®: 2009 Glossar, Englisch-Deutsch, v1.1, 04.05.2012,
www.prince-officialsite.com/InternationalActivities/Translated_Glossaries_2.aspx
[5] Best Management Practice portfolio: common glossary of terms and definitions, Version 1,
01.10.2012
http://www.axelos.com/gempdf/Axelos_Common_Glossary_2013.pdf
[6] Business Service Management, Vol. 3 – Understanding Business Models, Erwin Fielt, Queensland
University of Technology, Australia, 31.03.2011,
http://eprints.qut.edu.au/41609/1/Business_Service_Management_Volume_3_Mar2011_Under
standing_Business_Models_Final.pdf
Für den vorliegenden Beitrag wurden Passagen aus dem Projektantrag und den Zwischenberichten
des Projektes in aktualisierter und teilweise veränderter Form genutzt.
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