Bissendorfs bissige Panther

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Bissendorfs bissige Panther
Serie
SEITE 20 ∙ NEUE PRESSE
DONNERSTAG, 22. SEPTEMBER 2011 ∙ NR. 222
Bissendorfs bissige Panther
Diese Woche: Wedemark
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So entdeckten die
Mellendorferinnen
den Fußball
VON LAURA ZACHARIAS
A
ls man ihn im Jahr 1985 fragte,
ob er im Mellendorfer Turnverein (MTV) eine Damenmannschaft aufbauen wolle, musste Sigurd Sack nicht
lange überlegen. „Meine Tochter hat
damals auch schon Fußball gespielt,
deshalb habe ich zugesagt“, sagt der
heute 70-Jährige, „ich hatte damit kein
Problem.“ Sack, der jahrelang bei den
Mellendorfer Herren spielte, rekrutierte zu dem Dutzend Fußballerinnen,
das ihm zur Verfügung stand, weitere
Spielerinnen und begann mit dem Training – Pionierarbeit in einer absoluten
Nischensportart.
„Frauen- und Männerfußball, das
war ja ein Unterschied wie Tag und
Nacht“, sagt Sack, „man braucht ein
ganz anderes Fingerspitzengefühl, das
habe ich schnell gemerkt.“ Es scheint,
als hätte er davon genug gehabt, denn
schon bald konnte die Mannschaft erste
Erfolge verbuchen. Bereits im dritten
Jahr nach Gründung stiegen die Mellendorferinnen in die Bezirksklasse auf
und holten den Kreispokal. „Da wurde
es natürlich immer interessanter“, so
Sack. Fünf Jahre blieb er der Mannschaft als Trainer treu.
Auch heute verpasst der „Fußballverrückte“, wie er sich selbst bezeichnet, kein Spiel der Damen, die inzwischen sogar in der 2. Bundesliga spielen. Seit Mai 2011 kooperiert die Mädchen- und Frauenfußballsparte mit Hannover 96. Und auch über Nachwuchsprobleme kann sich der aktuelle Spartenleiter, Rainer Baude, nicht beklagen:
„Unsere Jüngsten sind gerade mal fünf
Jahre alt.“
Die Region ist Heimat für mehr
als 1,1 Millionen Menschen. Doch
mehr als mit einer abstrakten
Gebietskörperschaft identifizie-
ren sich die Bürger mit ihrem Ort,
ihrem Dorf, ihrer Nachbarschaft,
in der sie leben. In der großen
Serie „So lebt die Region“ stellt
die NP die 20 Städte und Gemeinden rund um Hannover vor und ist
immer freitags live vor Ort. Diese
Woche: Wedemark.
Sie gehören
zur Spitze im
Skaterhockey
VON SIMON LANGE
BISSENDORF. Ein Warnschild
wäre nicht schlecht: Vorsicht, hier
wird scharf geschossen! So in der
Art. Wer sich Dienstagabend in
der engen Bissendorfer Sporthalle das Inline-SkaterhockeyTraining der Panther anschauen
will, muss sich in Acht nehmen.
Klack, klack, klack, klong! Pfosten. Klack, klack, klack – autsch!
Wer nicht aufpasst, hat ganz
schnell die Hartgummikugel am
Knie. Schmerzhaft. Aber das nur
am Rande.
Das Spiel auf Rollen ist so
schnell wie das des großen Verwandten Eishockey. Der Ball fliegt
mit bis zu Tempo 122 durch die
Halle. Die Laufarbeit ist ebenso
intensiv. Kapitän Tim Lücker (31)
ist nach wenigen Minuten Vollgas
im Trainingsspielchen bedient.
„Gyros vorm Training ist auch
keine Lösung“, schnauft er, nimmt
einen Schluck aus der Wasserflasche und düst zurück aufs Feld,
gleich ran an den Gegenspieler.
Wie beim Eishockey gehts auch
hier mit vollem Körpereinsatz
zur Sache. Jeder Spieler dürfte
wegen der vielen Checks schon
nähere Bekanntschaft mit der
Hallenwand gemacht haben, die
als Spielfeldbegrenzung dient.
„Das ist kein Sport für Mädchen“, stellt Jürgen Köhn (48),
Chefcoach seit April 2000, klar.
Ein Frauen-Team gibts trotzdem
– die Pink Panther. Insgesamt
spielen acht Teams, inklusive der
Senior-Truppe Graue Panther.
In grauer Vorzeit, Mitte der
90er Jahre, fing alles an. Aus EIN TEAM MIT BISS: Die Bissendorfer Panther um Chefcoach Jürgen Köhn (rechts) und Co-Trainer Darian Abstoß (links).
Mangel an Eisflächen spielte
die Jugend in den warmen Monaten einfach
Die Regeln
Hockey auf der Straße,
auf Inline-Skates. In der
Wedemark „hatte jedes
Dorf seine Mannschaft“,
erzählt
Ober-Panther
nline-Skaterhockey wird mit
Köhn. Mehr als ein Duteinem 80 Gramm leichten
zendStraßenmannschafHartgummiball (kein Puck!)
ten duellierten sich Tag
gespielt. Die Spielfläche ist
für Tag auf Parkplätzen,
bis zu 30 Meter breit und bis
in Wohngebieten oder
60 Meter lang, begrenzt von
auf stillgelegten Firmeneiner Bande. Gespielt wird
arealen. „Das hat natürdreimal 20 Minuten mit fünf
lich Krach gemacht,
Bälle sind in Vorgärten
gelandet“, sagt Köhn.
Den Anwohnern wurde MIT VOLLEM EINSATZ: Liam Janotta (links) und SebasIN VOLLER MONTUR: Torwart Danny Sellmann ist ausdas wilde Treiben zu tian Steller jagen dem Ball hinterher.
gerüstet wie ein Eishockey-Goalie.
Der Verein
bunt. Mit Gemeindepolitikern forderten sie: „Sucht „jedes Jahr fragen 50 an, die nicht bei den Panthern. „Unsere gar nicht bissig? „Wir können
euch gefälligst einen Verein und bei uns spielen wollen. Wer hoch Spieler bekommen alle kein auch beißen“, versichert Köhn,
„wir verstehen viel Spaß, aber
spielen will, muss hierher.“ Das Geld“, betont Köhn.
eine Halle!“
Der Leistung tut das keinen verhauen lassen wir uns nicht.“
Der Turn-Club Bissendorf gilt im Übrigen auch für viele Eisie Panther gehören dem
Ziel ist das Play-off-Finale,
erklärte sich bereit, die ver- hockeyspieler. „Entweder unter- Abbruch. „Das ist schon irre, was
TC Bissendorf an. Etwa
scheuchten Hobbysportler aufzu- klassig Eishockey oder hoch- die Bauernbengels leisten“, lobt damit wäre die Europapokal200 Aktive spielen dort in
nehmen. Am 1. Dezember 1998 klassig hier, man muss sich ent- der Coach. Bis auf drei Jungs Qualifikation sicher. Beim Turacht Teams Inline-Skaterhowurde die Abteilung gegrün- scheiden“, sagt Routinier Markus aus der Stadt sind alle vom Dorf nier in der Schweiz 2008 wurden
ckey. Nachwuchsspieler solim ersten Team, das zurzeit die die Panther schon einmal Dritdet und damit die Basis geschaf- Köppl (31).
len sich außerhalb des PlatViele schulen um, schon wegen Bundesliga Nord anführt. Und ter. „Das waren Emotionen, die
fen für eine erfolgreiche Pantherzes sozial engagieren. Die
Zukunft mit bislang elf Meister- der Probleme der Vereine mit das nicht unverdient. „Wir spie- wollen wir wieder haben“, sagt
Spiele finden in der 450
teuren Eiszeiten. Und zu verdie- len technisch anspruchsvoll, sehr Köhn, und seine Augen leuchten
schaften der diversen Teams.
Zuschauer fassenden WedeRund um Hannover „gibt es nen gibts in der Bundesliga mitt- schnell, mit wenig Strafzeiten.“ – fast wie die eines echten Panmark-Sporthalle in Mellenknapp 1000 Spieler“, so Köhn, lerweile auch etwas. Allerdings Wie? Sind die Panther am Ende thers.
Fotos: Reinhardt
So geht Inline-Skaterhockey
I
Akteuren pro Team, einer
davon ist Torwart. Prinzipiell gelten ähnliche Regeln
wie beim Eishockey. Es gibt
aber kein Abseits. Und die
Zeit wird bei Spielunterbrechungen erst in den letzten
zwei Minuten gestoppt.
Das sind die Panther
D
dorf statt. Am Sonnabend
(17.30 Uhr) empfangen die
Panther die Rockets Essen.
Bei einem Sieg wäre Platz
eins und damit die Pole-Position für die Bundesliga-Playoffs sicher.
www.bissendorfer
panther.de
Verein(t) in der Brelinger Mitte
Ein Dorf kauft ein Haus – und macht es zum Veranstaltungszentrum und Treffpunkt
Ein Eigentümerverein gründete
sich, der das marode Gasthaus kaufte.
BRELINGEN. Desimo, der trickreiche Dazu erwarben Vereinmitglieder 318
Moderator Detlef Simon aus der List, sogenannte Bausteine zum Stückpreis
verzauberte das Publikum. Die Wohn- von 500 Euro.
Das Geld stellten sie zinslos und
raumhelden (Poprock-Duo aus Hannover) zogen für einen musikalischen unbefristet zur Verfügung. Und taten
Abend ein. Deutsch-Rocker Heinz noch mehr: Arbeitsgruppen bildeteRudolf Kunze aus der Wedemark ist ten sich, das Gebäude wurde von den
Stammgast. Kürzlich fragte sogar eine Ehrenamtlichen – die sich auch über
zahlreiche MaterialBand aus New York
spenden freuten –
an – klarer Fall, der
saniert. „Es gibt einKulturverein Brelinitat
fach den Willen, dieger Mitte ist zu einer
sen Ort als Lebensgefragten Adresse
raum zu erhalten“,
geworden.
Es gibt einfach den
sagt Bettina Arasin
Und das kam so:
Willen, diesen Ort als
(58). Sie leitet den
2004 stand das unter
Lebensraum zu erhalKulturverein.
Der
Denkmalschutz stewurde 2006 gegrünhende
„Gasthaus
ten.
det, um die mittHemme“ in der Ortslerweile
liebevoll
mitte zum Verkauf.
Bettina Arasin (58)
sanierte
Brelinger
Im Anbau gab es
vom Kulturverein
Mitte zu einem kleiseit 25 Jahren einen
nen, aber feinen Verkleinen Supermarkt
anstaltungszentrum
mit
Postagentur.
Mit dem Gebäudeverkauf drohte die und Dorf-Treffpunkt zu machen. Mit
Schließung. Doch eine Gruppe enga- Erfolg!
Inzwischen sind im Obergeschoss
gierter Brelinger wollte das verhindern und lud zur Dorfversammlung – auch vier Büros saniert und vermietet
der Beginn einer nahezu beispiellosen worden. Der Umsatz des Lebensmittelmarktes habe sich stabilisiert. Eine
Rettungsaktion.
VON ANDREAS KÖRLIN
SIEGERLACHEN: Sigurd Sack (Mitte) mit CoTrainer Reini Berg und einigen MTV-Damen
im erfolgreichen Jahr 1987.
Z
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Poststelle öffnet täglich außer sonntags von zehn bis elf Uhr. Für private
Feiern werden die Veranstaltungsräume im Erdgeschoss auch vermietet. „Die Brelinger Mitte wird immer
mehr zur Mitte, zu einer Drehscheibe
für sozialen Austausch“, freut sich Bettina Arasin. Marion Lürig (56) vom Vereinsvorstand sieht das ähnlich: „Wir
sind sehr professionell geworden.“
Was sich unter anderem daran zeigt,
dass sich die Brelinger Mitte auch als
Herausgeber betätigt. Mit „Keks und
Kunst“ veröffentlichte der Verein ein
buntes Buch, in dem die außergewöhnliche Geschichte des Hauskaufs
erzählt wird. Dazu gibts viele leckere
Rezepte von Brelingern, die sich
immer zur Adventszeit an der Aktion
„Keks und Kunst“ beteiligen. Dann
wird die Brelinger Mitte zum Ausstellungsraum für Künstler und ist zugleich
Verkaufsfläche für süße Sachen.
Zurück zur Anfrage aus New York:
Für die Band aus den Staaten wurde
übrigens schnell ein Termin gefunden:
Am Sonnabend, 15. Oktober, rockt
Steve Waitt die Wedemark. Mögliches
Motto: Blues aus Brooklyn trifft Brelinger Mitte.
www.brelinger-mitte.de
VOR DER
PLAKATWAND:
Die Kulturvereinsvorsitzende Bettina
Arasin (rechts)
und Marion
Lürig vom Vorstand des Vereins.
HIER IST
DIE MITTE:
Das ehemalige Dorfgasthaus liegt an
der Brelinger Ortsdurchfahrt.
Fotos:
Heusel