Zum aktuellen Stand der Geldpolitik
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Zum aktuellen Stand der Geldpolitik
1 Monatsbericht 04-2013 Zum aktuellen Stand der Geldpolitik In der Finanz- und Wirtschaftskrise haben die Europäische Zentralbank (EZB) und andere Zentralbanken zu unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen gegriffen. Dabei werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der geldpolitischen Tradition und Ausrichtung der Zentralbanken deutlich. Seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich die Geldpolitik erheblich gewandelt. Spätestens seit dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 wurden die internationa len Zentralbanken immer mehr zum Krisenmanager. EZB verringerte dabei ihren Leitzins von ursprünglich 4,25 Prozent auf 3,75 Prozent. Nach weiteren Zinsschnit ten lag der Leitzins ab Mai 2009 bei 1 Prozent. Abgese hen von einer kurzzeitigen Erhöhung im Sommer 2011 blieb der Leitzins seitdem auf diesem niedrigen Niveau. Seit Juli 2012 liegt er bei 0,75 Prozent. Unkonventionelle Geldpolitik der EZB Im Juni 2009 legte die EZB schließlich ein erstes Pro gramm zum Ankauf besicherter Schuldverschreibun gen in Höhe von 60 Milliarden Euro auf; im November 2011 folgte ein weiteres Ankaufprogramm in Höhe von 40 Milliarden Euro. Erste Phase 2007 bis 2010: Geldpolitik in der globalen Finanzkrise Bereits zu Beginn der Finanzmarktturbulenzen im Au gust 2007 stellte die EZB den Geschäftsbanken – über die regulären Offenmarktgeschäfte hinaus – Liquidität durch zwei zusätzliche langfristige Refinanzierungsge schäfte mit je drei Monaten Laufzeit zur Verfügung. Gleichwohl sank das gegenseitige Vertrauen der Ge schäftsbanken untereinander weiter. Nachdem im Oktober 2008 der Interbankenmarkt schließlich weitgehend zum Erliegen kam, entschied der EZB-Rat, Banken gegen entsprechende Sicherhei ten unbegrenzt Kredit zu gewähren. Im Rahmen der Vollzuteilung können Banken seitdem zu einem fest gelegten Zinssatz („Hauptrefinanzierungssatz“) die von ihnen gewünschte Menge an Mitteln in unbegrenzter Höhe bei der Zentralbank einstellen. Dabei stellte die EZB zunehmend auch Kredite in US-Dollar bereit, um die Versorgung der europäischen Banken mit der US-amerikanischen Währung sicherzustellen. Ebenfalls im Oktober 2008 weitete die EZB den Sicher heitenrahmen für EZB-Kredite aus. Sie akzeptierte fort an auch Sicherheiten ab einer Bonitätsnote von BBB-; bis dahin hatte die Mindest-Bonitätsnote A- betragen. Dadurch konnten sich Banken, deren Volumen an zen tralbankfähigen Wertpapieren durch Herabstufungen bzw. Preisrückgänge auf den Finanzmärkten gesunken war, auch weiterhin über die EZB finanzieren. Zudem senkten ab Oktober 2008 die EZB, die Federal Reserve, die Bank of England und weitere Zentralban ken in gegenseitiger Absprache ihre Leitzinsen. Die Zweite Phase seit 2010: Geldpolitik in der Staatsschuldenkrise Mit dem Einsetzen der Staatsschuldenkrise im Jahr 2010 weitete die EZB ihre unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen aus. →→ In einem ersten Ankaufprogramm für Staatsanleihen von Krisenländern des Euroraums („Securities Mar kets Programme [SMP]“) erwarb sie bis Frühjahr 2012 Anleihen im Wert von rund 220 Milliarden Euro. An fang März beträgt der Bestand an Wertpapieren aus diesem Programm 205,6 Milliarden Euro in der EZB- Bilanz. Dies entspricht rund 2,2 Prozent der Wirt schaftsleistung des Euroraums. Zum Vergleich: Die Federal Reserve Bank in den USA hält US-Staatsan leihen in Höhe von 10,47 Prozent der US-amerika nischen Wirtschaftsleistung. →→ Im Dezember 2011 und im Februar 2012 stellte die EZB zudem den Geschäftsbanken erstmals Liquidität mit einer Laufzeit von bis zu 36 Monaten zur Verfü gung („long term refinancing operations [LTROs]“). Die Liquiditätszufuhr an beiden Terminen betrug brutto insgesamt gut eine Milliarde Euro. Im Januar 2012 wurde ferner der Mindestreservesatz von 2 Prozent auf 1 Prozent gesenkt. Die Banken müssen für ihre Kundeneinlagen also nunmehr eine geringere Reserve bei der EZB hinterlegen und haben somit mehr 2 Monatsbericht 04-2013 Abbildung 1 09. Aug. 2007 Die Turbulenzen am Interbankenmarkt beginnen. 15. Sept. 2008 Lehman kündigt den Insolvenzantrag an. 23. Apr. 2010 Griechenland bittet EU und IWF offiziell um Hilfe. Okt. 2009 Griechenland korrigiert Defizit nach oben. 09. Mai 2010 Mai/Juni 2012 Der ECOFIN beschließt die Europäische Wahlen in Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF). Griechenland. 21. Nov. 2010 Irland bittet 08. Apr. 2011 um Hilfe. Portugal reicht Hilfsantrag ein. Ereignisse 25. Juni 2012 Spanien stellt Hilfsantrag an EFSF. Spread gegenüber zehnjährigen Bundesanleihen Entwicklung der Rendite ausgewählter zehnjähriger Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen 35 Frankreich Griechenland Spanien Italien Portugal Irland 30 25 20 15 10 5 0 Entwicklung der Spannungen am Interbankenmarkt, der Kreditvergabe und Einlagen der Zentralbank sowie der Inflation(serwartung) Mrd. Euro 10 Inflationserwartungen Einlagen der Banken bei der EZB (rechte Achse) Inflation Kreditvergabe Spannungen am Interbankenmarkt 9 8 7 6 900 700 500 5 4 300 3 2 100 1 0 -100 -1 Ausgewählte EZB-Instrumente Mrd. Euro 300 Mrd. Euro Langfristige Finanzierungsgeschäfte Gedeckte Schuldverschreibungen Securities Market Programme Sonstige Forderungen (inkl. ELA), rechte Achse, ab April 2012 1400 1200 1000 250 200 800 150 600 100 400 50 200 0 0 13 n. Ja 2 .1 kt O 12 li Ju 2 1 r. Ap 12 n. Ja 1 .1 kt O 11 li Ju 1 1 r. Ap 11 n. Ja 0 .1 kt O 10 li Ju 0 1 r. Ap 10 n. Ja 9 .0 kt O 09 li Ju 9 0 r. Ap 09 n. Ja 8 .0 kt O 08 li Ju 8 0 r. Ap 08 n. Ja 7 .0 kt O 07 li Ju 7 0 r. Ap 07 n. Ja 08. Okt. 2008 EZB senkt gemeinsam mit anderen großen Zentralbanken die Leitzinsen. 07. Mai 2009 EZB-Rat beschließt erstes Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen und längerfristiges Refinanzierungsgeschäft mit einjähriger Laufzeit. Quellen: EZB, Macrobond 10. Mai 2010 EZB-Rat beschließt Programm für Wertpapiermärkte (SMP). 06. Okt. 2011 EZB-Rat beschließt zweites Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen. 01. Jan. 2012 EZB senkt Mindestreservesatz von 2 % auf 1 %. 06. Sept. 2012 EZB gibt Bedingungen für OMT-Programme bekannt. EZB-Politik 3 Liquidität zur Verfügung. Im Februar 2012 erlaubte die EZB zudem sieben nationalen Zentralbanken, u. a. de nen in Irland, Spanien, Portugal und Frankreich, auf eigene Verantwortung bestimmte Kreditforderungen (z. B. aus Konsumentenkrediten) als Sicherheiten von Geschäftsbanken zu akzeptieren. Im August 2012 kündigte EZB-Präsident Draghi schließ lich an, dass die EZB im Rahmen ihres Mandats alles unternehmen werde, um den Euro zu erhalten. Dazu werde sich die EZB fortan die Option offenhalten, ge gen exzessive Risikoprämien für Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt zu intervenieren. Das Volumen der Stützungskäufe der EZB („Outright Monetary Transac tions [OMTs]“) sei nicht begrenzt und solle sich auf Anleihen mit einer (Rest)Laufzeit von einem bis drei Jahren konzentrieren. Derartige Stützungskäufe stehen jedoch unter zwei strengen Bedingungen: →→ Das betroffene Land verpflichtet sich zu einem makroökonomischen Anpassungsprogramm oder einem vorsorglichen Programm (so genannte „Enhanced Conditions Credit Line“) der Europäi schen Finanzstabilitätsfazilität bzw. des Europäi schen Stabilitätsmechanismus (EFSF/ESM). →→ Im Rahmen eines solchen Programms muss die Möglichkeit eines Eingreifens der EFSF bzw. des ESM am Primärmarkt bestehen. Die EZB sieht die einheitliche Wirkung der Geldpolitik im Euroraum im Fall stark auseinanderdriftender Staatsanleihenrenditen als gefährdet an. Ziel solcher Interventionen sei es daher, die Einheitlichkeit der Geldpolitik und die Funktionsfähigkeit der geldpoliti schen Transmission sicherzustellen. Dabei führt die EZB auch als Begründung an, dass die Entwicklungen auf den Staatsanleihenmärkten in engem Zusammenhang mit der Bankenfinanzierung stehen. Dies ist insoweit plausibel, als zum einen die Renditen von Staatsanlei hen eines Mitgliedstaates als Vergleichsgröße für die Renditen anderer Wertpapiere, wie zum Beispiel Bank anleihen, dienen. Damit stellen die Renditen der Staats anleihen eines Landes auch die Referenz für die Refi nanzierungskosten der dort ansässigen Banken am Kapitalmarkt dar. Zum anderen sind Staatsanleihen ein Monatsbericht 04-2013 nicht unwesentlicher Bestandteil des Anlageportfolios der Geschäftsbanken der jeweiligen Mitgliedstaaten. Ein abrupter Renditeanstieg bzw. Kursverfall bei Staats anleihen eines Mitgliedstaates kann die Vermögens position und damit die Finanzierungskosten der dort ansässigen Banken verschlechtern, und daher letztend lich das Angebot an Bankkrediten für die Realwirtschaft empfindlich treffen. Um die Auswirkungen der Staatsschuldenkrise auf den Bankensektor abzufedern, können die nationalen Zen tralbanken Kreditinstituten mit Liquiditätsproblemen zusätzlich „Liquiditätshilfe im Notfall“ („emergency liquidity assistance [ELA]“) gegen angemessene Sicher heiten und Zinszahlungen gewähren. Zwar werden Umfang und Konditionen der ELA-Kredite nicht veröf fentlicht, das Gesamtvolumen kann jedoch auf Basis der Bilanz des Eurosystems grob geschätzt werden. So beläuft sich der Posten „Sonstige Forderungen an Kre ditinstitute im Euro-Währungsraum“ in der Bilanz des Eurosystems, unter den auch die ELA-Kredite fallen, Anfang März 2013 auf 73 Milliarden Euro. Allerdings dürfte das Volumen der ELA-Kredite, die wohl vor allem von Banken in den Krisenländern in Anspruch genommen wurden, zuletzt erheblich zurückgegangen sein, da griechische Staatsanleihen seit Dezember wie der für die üblichen Refinanzierungsgeschäfte bei der EZB akzeptiert wurden und die irische Abwicklungsge sellschaft aufgelöst wurde. Maßnahmen der EZB im internationalen Vergleich Im Zuge der Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise senkten alle großen Zentralbanken schrittweise die Leitzinsen. Die Zentralbanken begründeten den welt weit konzertierten Zinsschnitt vom Oktober 2008 damit, dass im Angesicht sinkenden Inflationsdrucks und einer Verschärfung der Finanzkrise „eine gewisse Lockerung der weltweiten monetären Bedingungen“ angebracht sei. Die EZB reduzierte den Leitzins jedoch in geringerem Maße als die Bank of England und die Federal Reserve und unterschritt erst im Juni 2012 die 1-Prozent-Schwelle. Auch in der Entwicklung der Zentralbankbilanzen zei gen sich Parallelen: Zwar hat sich der Umfang der EZB- 4 Monatsbericht 04-2013 Abbildung 2: Entwicklung der Leitzinsen und Wachstum der Aktiva der großen Zentralbanken (2007 = 100) Wachstum Zentralbankaktiva seit Januar 2007 Leitzins 7% 400% 6% 350% 300% 5% 250% 4% 200% 3% 150% 2% 100% 1% 50% 0% 0% -1% -50% 13 n. Ja 12 t. Ok 2 li 1 Ju 12 r. Ap 12 n. Ja 11 t. Ok 1 li 1 Ju 1 1 r. Ap 11 n. Ja 10 t. Ok 0 li 1 Ju 10 r. Ap 10 n. Ja 09 t. Ok 9 li 0 Ju 09 r. Ap 09 n. Ja 08 t. Ok 8 li 0 Ju 08 r. Ap 08 n. Ja 07 t. Ok 7 li 0 07 Ju r. n. Ap Ja 07 EZB Zins BoE Zins Fed Zins BoJ Zins EZB Aktiva BoE Aktiva Fed Aktiva BoJ Aktiva Quellen: EZB, Federal Reserve, Bank of England, Bank of Japan, Macrobond Bilanz seit Anfang 2007 verdoppelt, seit Ende 2012 sinkt er aber wieder. Die Bilanz der Bank of England hat sich dagegen im Lauf der Krise mehr als verdreifacht, und die Aktiva der Federal Reserve sind um gut 250 Prozent gewachsen. Die Bilanz der Bank of Japan ist um weni ger als 50 Prozent gewachsen. Allerdings unterliegen einige Bestandteile der Zentralbankbilanzen wie Goldund Währungsbestände Wertänderungen, die die Zent ralbankbilanz aufblähen können, ohne in Beziehung zu geldpolitischen Maßnahmen zu stehen. Ein direkter Vergleich der Bilanzvolumina ist daher nur einge schränkt möglich. Die Dynamik der Ausweitung der Zentralbankbilanzen verlief jedoch ähnlich, auch wenn diese Faktoren berücksichtigt werden. Der massiven Ausweitung der Zentralbankbilanzen zu Zeiten des Lehman-Bankrotts 2008 folgte ein Absinken bzw. eine leichte Stabilisierung. Ab dem Jahr 2010 war wiederum erst in den USA, dann im Euroraum und Großbritanni en eine neuerliche Expansion zu beobachten. Unterschiede bestehen bei der Zusammensetzung der von den Zentralbanken angehäuften Aktiva. So hat die Federal Reserve ihren Bestand an US-Staatsanleihen seit Anfang 2008 fast verdreifacht und zudem hypothe karisch besicherte Wertpapiere im Wert von 1.000 Mil liarden US-Dollar erworben. Die Bank of Japan weitete 2009 das Volumen ihres Ankaufprogramms japanischer Staatsanleihen aus und begann zudem mit dem Ankauf von Unternehmensanleihen und Commercial Papers. Im Herbst 2010 legte sie ein weiteres Ankaufprogramm auf, das neben den oben genannten zusätzlich noch in passiv gemanagte Fonds (ETFs) und Immobilieninvest mentfonds (REITs) investiert. Von Dezember 2010 bis Ende 2012 sind die japanischen Staatsanleihen im Port folio der Bank of Japan von 77 auf 114 Billionen Yen (100 Yen = 0,80 Euro) gestiegen. Das Portfolio der Unter nehmensanleihen stieg im selben Zeitraum von 102 Milliarden auf knapp 3 Billionen Yen. Staatsanleihen machen daher den Großteil des Anstiegs der Aktiva der 5 Federal Reserve, der Bank of England und in geringe rem Maße der Bank of Japan aus. Das Anwachsen der EZB-Bilanz beruht dagegen weniger auf der Zunahme an Staatsanleihen, sondern vor allem auf der großzügi gen Liquiditätsvergabe, also der Vollzuteilung, der Er weiterung des Sicherheitenrahmens und den LTROs. Die Folge dieser unkonventionellen Maßnahmen ist ein deutlicher Anstieg der durchschnittlichen Rest laufzeit der Aktiva so gut wie aller Zentralbanken. In den USA hat dazu insbesondere die „Operation Twist“ beigetragen. In deren Rahmen kündigte die Federal Reserve an, kürzer laufende US-Staatsanleihen (unter drei Jahre) im Wert von 400 Milliarden US-Dollar zu verkaufen und vom entsprechenden Erlös länger lau fende Staatsanleihen aufzukaufen. Die Ausdehnung der Laufzeiten zeigt sich im Portfolio der Federal Re serve deutlich bei den Aktiva mit einer Restlaufzeit von zehn oder mehr Jahren: Im März 2007 betrug das Volu men der US-Staatsanleihen mit zehn oder mehr Jahren Laufzeit 82,5 Milliarden US-Dollar, im März 2013 lag dieser Wert bei 446,8 Milliarden US-Dollar. Zusätzlich hat die Federal Reserve hypothekenbesicherte Kredit verbriefungen mit Restlaufzeit von zehn oder mehr Jahren im Wert von 1.013,4 Milliarden US-Dollar in ihr Portfolio aufgenommen. Monatsbericht 04-2013 Unterschiedliche Mandate und unterschiedliche Mittel So ähnlich diese Bestandsaufnahme bei allen genannten Zentralbanken auch wirken mag: Es bestehen erhebliche Unterschiede in ihren Mandaten und den Herausfor derungen, denen sich die Zentralbanken gegenüber sehen. Primärziel der EZB ist laut Artikel 2 der Satzung des euro päischen Systems der Zentralbanken und der Europäi schen Zentralbank der Erhalt der Geldwertstabilität. Gemäß des Bank of Japan Act ist auch die japanische Zentralbank dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet und soll zur Stabilität des Finanzsystems beitragen. Im Gegen satz dazu ist die Federal Reserve Bank laut Section 2A ihres Mandats zusätzlich verpflichtet, mit ihren Entschei dungen effektiv das Ziel maximaler Beschäftigung sowie das Ziel moderater langfristiger Zinsen zu fördern. Auch die Rahmenbedingungen für die Geldpolitik im Finanzsektor unterscheiden sich: Im Euroraum spielen die Geschäftsbanken bei der Finanzierung nichtfinanzi eller Kapitalgesellschaften mit über 70 Prozent eine un gleich größere Rolle als z. B. in den USA (unter 40 Prozent). Die Zentralbanken wählten unterschiedliche Maßnah men und Instrumente: In der Krise setzten die Bank of 6 Monatsbericht 04-2013 England und die Federal Reserve sowohl die Zinspoli tik als auch die Instrumente der unkonventionellen Geldpolitik anders ein als die EZB. Beide Zentralban ken reduzierten ihre Leitzinsen von einem höheren Niveau aus schneller als die EZB. In den USA liegt die Federal Funds Target Rate seit Dezember 2008 bei 0,25 Prozent. In Großbritannien liegt die bank rate seit März 2009 bei 0,5 Prozent. Die Bank of England und die Federal Reserve starteten ungefähr mit Erreichen der Nullzinsgrenze im großen Umfang unkonventionelle geldpolitische Eingriffe am Primär- und Sekundärmarkt für Staatsanleihen, Unter nehmensanleihen und (besicherte) Wertpapiere. Die Bank of England nahm im März 2009 den Ankauf bri tischer Staatsanleihen im Rahmen der „Asset Purchase Facility“ mit einem Volumen von 50 Milliarden Pfund auf. Die Deckelung des Volumens wurde in mehreren Schritten erhöht, zuletzt im Februar 2012 auf 325 Milli arden Pfund. In den USA hatte die Fed bereits seit Mitte September 2008 mit verschiedenen Programmen den Bankensektor durch Ankäufe von (besicherten) Wert papieren gestützt. Im März 2009 startete sie das erste Ankaufprogramm langfristiger Staatsanleihen in Höhe von 300 Milliarden US-Dollar. Weitere, noch umfang reichere Programme folgten. Die Ausweitung der Refi nanzierungsgeschäfte spielte nur zu Beginn der Krise eine Rolle und flaute dann deutlich ab. Die EZB wurde zwar ebenfalls bereits 2009 im Rahmen des oben beschriebenen Ankaufprogramms für Schuld verschreibungen direkt am Markt tätig. Allerdings war das Volumen der Transaktionen der beiden Programme für besicherte Schuldverschreibungen und des Securi ties-Market-Programms insgesamt deutlich geringer als die Programme der Federal Reserve und der Bank of England. Auswirkungen der Maßnahmen auf Banken und Finanzmärkte Ziel der unkonventionellen geldpolitischen Maßnah men weltweit war es, in der ersten Phase der Krise die Liquiditätsversorgung der Banken („enhanced credit support“) zu sichern und in der zweiten Phase die Aus wirkungen der Staatsschuldenkrise auf die Kreditver gabe des Bankensektors abzumildern. Neben den Ver besserungen etwa in der Liquiditätsversorgung der Banken wirken diese Maßnahmen sich auch auf das Vertrauen an den Märkten aus. Die Differenz zwischen 3-Monats-EURIBOR und EONIA-Swap wird üblicher weise als Indikator für die Spannung am Interbanken markt herangezogen. Er spiegelt den Zinsunterschied zwischen besicherten und unbesicherten Übernacht kontrakten wider. Nachdem der Indikator zu Zeiten der Lehman-Insolvenz ein Rekordhoch erreicht hatte, sank er im Rahmen der ersten Phase der EZB-Maßnah men langsam wieder ab. Bis zum Sommer 2011 beweg te sich der Zinsunterschied seitwärts, allerdings auf einem höheren Niveau als vor der Krise. Ab Spätsom mer 2011 spitzte sich die Staatsschuldenkrise im Euro raum zu. Die Unsicherheiten in Bezug auf Griechen land und mögliche Ansteckungseffekte im Hinblick auf Italien und Spanien spiegeln sich in der Differenz zwischen EURIBOR und EONIA-Swap wider. Erst mit den zwei langfristigen Refinanzierungsgeschäften (LTROs) und der Ankündigung des OMT-Programms durch die EZB fassten die Märkte wieder Vertrauen. Die Target2-Salden, die Forderungen und Verbindlich keiten der Zentralbanken gegenüber dem Eurosystem messen, bewegten sich mit dem Ausbruch der Krise auseinander. Seit September 2012 sinkt der positive Saldo der deutschen Bundesbank leicht ab. Die negati ven Salden der spanischen und der italienischen Zen tralbanken schmelzen im Gegenzug ebenso. Die Einla gen der Geschäftsbanken bei der EZB gingen Ende 2012 langsam zurück. Die Kreditvergabe an nichtfinanzielle Unternehmen, der wohl wichtigste Indikator, hat sich 2012 zwar nicht mehr deutlich verschlechtert, aber ebenso wenig wieder an Fahrt gewonnen. Aus dieser Beobachtung lässt sich allerdings nicht schließen, dass es den Geschäftsbanken an Liquidität mangelt. Es kann auch Zeichen mangelnder Kreditnachfrage sein, da Un ternehmen – möglicherweise aus Mangel an Vertrauen in die Stabilität der Wirtschaftsentwicklung – Investiti onen in die Zukunft verschoben haben. Rahmenbedingungen für den Ausstieg aus den unkonventionellen Maßnahmen Mittelfristig besteht die Herausforderung für die globa le Geldpolitik darin, die Überschussliquidität rechtzei tig und angemessen aus dem Markt zu nehmen, wenn 7 die Finanz- und Realwirtschaft sich angemessen stabili siert hat. Die Voraussetzungen für den Ausstieg aus den unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen wer den von vielen Marktbeobachtern für die EZB günsti ger eingeschätzt als für andere Zentralbanken, da ein Großteil ihrer unkonventionellen geldpolitischen Ein griffe als Refinanzierungsgeschäft angelegt ist. Damit muss die Liquidität spätestens mit Ablauf der Transak tionsperiode gegen die gegebene Sicherheit zurückge tauscht werden. Die Abwicklung direkter Ankäufe (etwa von Schuldver schreibungen, Kreditverschreibungen und vor allem von Staatsanleihen) kann dagegen nicht über einen derartigen eingebauten Mechanismus erfolgen. Im Falle der EZB wurden über diese Maßnahmen insge samt geringere Mengen an Liquidität zur Verfügung gestellt. Zudem kann die EZB die Zinspolitik theore tisch unterstützend beim Rückzug aus den unkonven tionellen geldpolitischen Maßnahmen einsetzen. So ist z. B. der Refinanzierungssatz der beiden lang laufenden Monatsbericht 04-2013 Refinanzierungsgeschäfte (LTROs) an die Entwicklung des Hauptrefinanzierungssatzes gekoppelt. Fazit: Haushaltskonsolidierungen und Strukturreformen unabdingbar Letztlich zeigt die Erfahrung, dass nur eine auf Preissta bilität ausgerichtete Geldpolitik Garant für eine stabile volkswirtschaftliche Entwicklung ist. Um diesem Auf trag gerecht zu werden, muss die Geldpolitik über Glaub würdigkeit verfügen, Glaubwürdigkeit dafür, dass sie das Ziel der Preisstabilität durch entsprechende Maß nahmen auch im Konflikt mit anderen wirtschafts- und finanzpolitischen Zielen durchsetzen wird. Wird die Geldpolitik etwa genötigt, sich an den Erfordernissen der Finanzpolitik auszurichten („fiskalische Dominanz“), gerät ihre Glaubwürdigkeit in Gefahr. Im Rahmen der globalen Finanzkrise und der Staatsschuldenkrise in Europa hat die EZB, wie auch die anderen Zentralban ken, mit ihren Maßnahmen beträchtlich zur Entspan Monatsbericht 04-2013 nung der Finanzmärkte beigetragen. Die europäischen Staaten haben einen neuen Ordnungsrahmen und ge meinsame Spielregeln beschlossen, um die strukturel len Probleme, die diese Krisen ausgelöst haben, zu lösen. Es ist nun an der Wirtschafts- und Finanzpolitik, die neuen Verfahren konsequent umzusetzen, so dass die EZB wieder zum geldpolitischen Normalmodus zu rückkehren kann. Kontakt: Dr. Pia Rattenhuber (Referat Internationale und europäische Wirtschafts- und Währungsfragen) 8