Soziales Lernen an Realschulen Beratung mit
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Soziales Lernen an Realschulen Beratung mit
Soziales Lernen an Realschulen Beratung mit System gefördert durch: Stifterverbund zur Förderung Sozialen Lern ens Vorwort Jungen Menschen soziale Lernerfahrungen zu ermöglichen, ist für eine zukunftsfähige und offene Gesellschaft sehr wichtig. Schülerinnen und Schüler müssen lernen, mit anderen rücksichtsvoll und verantwortungsbewusst umzugehen und für andere, insbesondere für Schwache einzutreten. Die Bedeutung von Sozialem Lernen haben wir herausgestellt, indem wir soziale Kompetenz in den 2004 eingeführten Bildungsplänen festgeschrieben haben. Prof. Dr. Marion Schick Seit einigen Jahren ist die Vermittlung von Sozialkompetenz ein wichtiges öffentliches Thema. Aus Sicht der Wirtschaft gibt es dafür mehrere Gründe. Im Zeitalter des globalen Wirtschaftens gerät die Beziehungsfähigkeit der Mitarbeitenden mehr und mehr in das Blickfeld. Wir sind heute darauf angewiesen, dass unsere Beschäftigten rasch in der Lage sind, mit Menschen aus unterschiedlichen Fachrichtungen, mit unterschiedlichem Bildungsniveau und aus unterschiedlichen Kulturkreisen gemeinsam gute Ergebnisse zu erzielen. Ministerin für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg Dr. Mathias Kammüller Geschäftsführer TRUMPF GmbH + Co. KG, Vorsitzender des Stifterverbunds zur Förderung Sozialen Lernens 1 Sozialkompetenz und Projektarbeit: neue Schwerpunkte für Realschulen im Bildungsplan 2004 Der Bildungsplan 2004 TOP SE Die Förderung von Sozialkompetenz wurde im Bildungsplan 2004 als fester Bestandteil des Unterrichts an Realschulen verankert. Sozialkompetenz ist nun eines von 4 Kompetenzzielen, das der Bildungsplan für Realschulen vorgibt (neben Fach-, Methoden- und Personalkompetenz). Im Rahmen von TOP SE setzen sich Schülerinnen und Schüler für andere Menschen ein - innerhalb der Schule oder außerhalb. Innerhalb der Schule können sie sich z. B. im Schulsanitätsdienst, in einem Streitschlichter-Team oder in der Hausaufgabenbetreuung engagieren; extern beispielsweise in einem Altenheim, im Kindergarten oder in einer Sonderschule. Die Jugendlichen planen ihr Projekt mit und setzen es möglichst selbständig um. Zum Abschluss dokumentieren und präsentieren sie es. Sozialkompetenz als fächerübegreifendes Bildungsziel Der Bildungsplan sieht im Wesentlichen zwei Wege zur Förderung von Sozialkompetenz vor: zum einen die „Themenorientierten Projekte“, zum anderen den Unterricht in den Fächern Deutsch, Ethik und Religion. Soziales Lernen im Fachunterricht In den Fächern Deutsch, Ethik und Religion ist der Erwerb von Sozialkompetenz im Bildungsplan 2004 für Realschulen als verbindliches Bildungsziel neben dem Erwerb von Fach- und Methodenkompetenz verankert worden. Die Themenorientierten Projekte Die „Themenorientierten Projekte“ (TOPe) sind eine neue und verbindliche Unterrichtskategorie, die mit dem Bildungsplan 2004 geschaffen wurde. Die Projekte stehen seitdem gleichberechtigt neben klassischen Fächern wie Mathematik oder Deutsch sowie den ebenfalls neu eingeführten Fächerverbünden (z. B. EWG, Erdkunde-Wirtschaft-Gemeinschaftskunde). Die Projektarbeit zielt auf die Stärkung sozialer Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit und Konfliktfähigkeit ab. Dies gilt in besonderem Maße für das „Themenorientierte Projekt Soziales Engagement“ (TOP SE). Kernziele von TOP SE sind: das Erkennen von eigenen Stärken und Schwächen, die Verbesserung der Teamarbeit und das Übernehmen von Verantwortung für andere Menschen. Bertelsmann-Preis 2007 Für TOP SE erhielt das Kultusministerium BadenWürttemberg im Jahr 2007 einen mit 50.000 Euro dotierten Sonderpreis der Carl Bertelsmann-Stiftung. Mit einem Teil des Preisgeldes ermöglichte das Kultusministerium ein Beratungsprojekt zur Förderung Sozialen Lernens an Realschulen. Zu gleichen Teilen kofinanziert wurde dieses Projekt von der Firma TRUMPF und dem Stifterverbund zur Förderung Sozialen Lernens. Die gemeinnützige Agentur mehrwert hat die Schulberatungen realisiert; in den Jahren 2008-2010 hat sie 35 Realschulen in BadenWürttemberg beraten. Die 4 Themenorientierten Projekte TOP Soziales Engagement (TOP SE) TOP Technisches Arbeiten (TOP TA) TOP Berufsorientierung in der Realschule (TOP BORS) TOP Wirtschaften, Verwalten und Recht (TOP WVR) 2 Soziales Lernen an Realschulen Beratung mit System durch die Agentur mehrwert I. Was ist Soziales Lernen? Unter Sozialem Lernen verstehen wir „das Lernen, mit sich selbst und anderen Menschen situationsangemessen umzugehen. Dies umfasst: die Aneignung sozialer Kompetenzen (Em- pathie, erfolgreiche Kommunikation, Kon- fliktregelung, Teamarbeit, Fairness etc.); die Bildung sozialer Einstellungen und Wert- haltungen sowie die Übernahme sozialer Rollen.“ Soziales Lernen ist ein wichtiger Teil der Sozialisation, des Hineinwachsens von jungen Menschen in die Gemeinschaft. Der Begriff wurde in den 70er-Jahren in der Schule als Gegenpol zum einseitigen kognitiven Wissenserwerb eingeführt. Ziel ist die Förderung von Handlungskompetenz und sozialem Problembewusstsein. Warum Soziales Lernen an Schulen fördern? In der Vergangenheit fand Soziales Lernen ganz selbstverständlich statt - in traditionellen Milieus wie Familie, Nachbarschaft, Kirche, Parteien und Vereinen. Diese Milieus verlieren an Bedeutung und zugleich wächst die berufliche, soziale und räumliche Mobilität der Menschen. Mit den traditionellen Milieus schwinden auch die Gelegenheiten, in denen sich Kinder und Jugendliche soziale Kompetenzen aneignen können. Daher ist es heute auch Aufgabe der Schulen, Soziales Lernen gezielt zu fördern. Die Bedeutung sozialer Kompetenzen Die Freiheit, das eigene Leben selbst zu gestalten, erfordert ein hohes Maß an sozialen und kommunikativen Kompetenzen. „Vieles, was früher im Laufe des Lebens sich mehr oder weniger von selbst ergab, wird jetzt als Entscheidung verlangt - und dies vor einem größeren Hintergrund von Auswahlmöglichkeiten“, so der Soziologe Niklas Luhmann. Soziale Kompetenzen sind gerade in der modernen Arbeitswelt unerlässlich: Der Dienstleistungsgedanke und der hohe Stellenwert von Teamarbeit haben Kommunikationsfähigkeit, Kooperations- und Konfliktfähigkeit zu Schlüsselqualifikationen gemacht. II. Schulberatung durch die Agentur mehrwert Aufbauend auf rund 10 Jahren Erfahrung in der Organisation sozialer Lernprojekte hat die gemeinnützige Agentur mehrwert zwischen 2008 und 2010 35 Realschulen in Baden-Württemberg bei ihren Bemühungen, Soziales Lernen zu fördern, unterstützt. Pädagogische Tage u. Beratung in Kleingruppen An den Realschulen hat die Agentur mehrwert Fortbildungen im Rahmen von Pädagogischen Tagen und Beratungen für Kleingruppen aus den Kollegien durchgeführt. In diesen Beratungen und Fortbildungen wurde den Lehrerinnen und Lehrern gezeigt, wie sie Soziales Lernen systematisch und nachhaltig fördern können. Vor allem zwei Dinge wurden vermittelt: 1. Wie man soziale Lernprojekte organisiert und umsetzt In einer Reihe von Fortbildungen vermittelte mehrwert den Lehrerinnen und Lehrern, worauf es bei der Planung und Umsetzung von Schülerpraktika in sozialen Einrichtungen ankommt. Dabei ging es u. a. um folgende Fragen: Wie gewinne ich soziale Einrichtungen? Wie motiviere ich Schülerinnen und Schüler? Wie überzeuge ich Kollegium, Schulleitung und Eltern? 2. Schulentwicklung und Förderung Sozialen Lernens Um Soziales Lernen systematisch zu fördern, hat die Agentur mehrwert Realschulen u. a. zu folgenden Themen beraten: Wie vernetzen wir bereits vorhandene Bausteine zum Sozialen Lernen? Wie verbinden wir die verschiedenen Themenorientierten Projekte miteinander? Wie entwickeln wir ein Sozialcurriculum? 3 Von der Agentur mehrwert im Rahmen von TOP SE beratene Realschulen 2008-2010 Albert-Schweitzer-Realschule Tübingen Birkenrealschule Stuttgart Dietrich-Bonhoeffer-Schule, Weinheim Erich-Kästner-Realschule Steinheim Freie Christliche Schule Freiburg Georg-Wagner-Realschule, Künzelsau Gertrud-Luckner Realschule, Rheinfelden Geschwister-Scholl-Realschule Konstanz Graf Soden Realschule Friedrichshafen Karl-Brachat-Realschule Villingen Karl-Spohn-Realschule Blaubeuren Lina-Hähnle-Realschule Sulz Linden-Realschule Stuttgart Marion-Dönhoff-Realschule Brühl Markgrafen-Realschule Emmendingen Max-Planck-Realschule Bretten Realschule Altensteig Realschule Althengstett Realschule am Goldberg, Sindelfingen Realschule Am Salinensee, Bad Dürrheim Realschule Bildungszentrum Bretzfeld Realschule Calw Realschule Donaueschingen Realschule Erolzheim Realschule Gaggenau Realschule im Kreuzerfeld, Rottenburg a. N. Realschule Lenningen Realschule Linkenheim Realschule Reichenbach a. d. Fils Realschule Schrozberg Riemenschneider Realschule, Tauberbischofs- heim Salier-Realschule, Waiblingen Schiller-Realschule Schwäbisch Gmünd Theodor-Frank-Realschule Teningen Tulla-Realschule Mannheim Finanzierungsmodell des TOP SE-Schulberatungsprojekts der Agentur mehrwert TOP SE-Beratungen durch die Agentur mehrwert 2008-2010 Kultusministerium BadenWürttemberg TRUMPF GmbH + Co.KG Stifterverbund zur Förderung Sozialen Lernens Bertelsmann-Preis 2007 für TOP SE 4 Sechs Jahre TOP SE - eine Zwischenbilanz Interview mit Dr. Johannes Bergner, Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Welche Veränderungen können Sie seit der verpflichtenden Einführung des Sozialen Lernens an Realschulen beobachten? Dr. Johannes Bergner ist Leiter des Referats Werkrealschulen und Hauptschulen, Realschulen, Medienpädagogik im baden-württembergischen Kultusministerium Wie kam es, dass Sozialkompetenz als Bildungsziel im Jahr 2004 in den neuen Bildungsplan für Realschulen aufgenommen wurde? In den 90er Jahren entstanden mehrere Projekte an Realschulen mit dem Ziel, Soziales Lernen bei Schülerinnen und Schülern zu fördern. Dazu wurden verstärkt externe Partner gewonnen. Diese sozialen Projekte entwickelten sich zu „Leuchttürmen“ und wirkten auf die Schulen in der Region. In Lehrerfortbildungen und Tagungen flossen die Erfahrungen ein. Dies war eine Art „Schulentwicklung von unten“. Parallel dazu wurde 1997 das Projekt „Wirtschaften-Verwalten-Recht“ in den Realschulen eingeführt und Schülerinnen und Schüler wie Lehrkräfte kamen verstärkt mit Projektarbeit in Kontakt. Die Erfahrungen aus beiden Entwicklungen flossen in die Bildungsplanarbeit ein. Als „Themenorientiertes Projekt Soziales Engagement“ (TOP SE) ist die Förderung von Sozialkompetenz nun seit 2004 verbindlich für alle Realschulen. Wie waren die Reaktionen der Lehrer/innen und Eltern auf die verpflichtende Einführung von Projekten zum Sozialen Lernen an Realschulen? Auf der einen Seite stellte das TOP SE – wie die anderen drei TOPe auch – die Schulen vor organisatorische, zeitliche und personelle Herausforderungen. Dazu kommt, dass das Lernen in Projekten eine andere Form des Unterrichtens erforderte, mit allen Konsequenzen (Veränderung der Lehrerrolle, Förderung von Selbständigkeit und Eigeninitiative auf Schülerseite etc.). Von den Kooperationspartnern wurde Verständnis für Schulstrukturen erwartet. Dabei gab es durchaus Reibungen bei allen Beteiligten. Aber die Schule öffnete sich mehr und mehr nach außen. Jugendliche entwickelten Fähigkeiten und machten Erfahrungen mit sich und ihren Mitmenschen, die allein durch den „klassischen“ Unterricht nicht in diesem Maße möglich gewesen wären. Die Eltern begleiteten von Anfang an das Ansinnen des TOP SE positiv, regten mancherorts Verbesserungen an und begannen, selbst nach geeigneten Einsatzorten für die Sozialpraktika zu suchen. Schulen, die TOP SE ernst nehmen, haben sich verändert: Das Schulklima verbessert sich, die Bereitschaft zur Gestaltung des Schullebens auf Seiten von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Kollegien wächst. Innerschulische TOP SE-Aktionen (Beispiel: Schüler-Mentoren-Programme) leisten einen wichtigen Beitrag zur Schulentwicklung und zum Programm von Ganztagsschulen. Aus methodischer Sicht ist das TOP SE ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zur Realschulabschlussprüfung. Besonders die Reflexionskompetenz wird durch das Lernen im TOP SE geschult und kommt auch in den anderen Themenorientierten Projekten und den verschiedenen Prüfungsteilen zur Geltung. Die Erfahrungen aus den Projekten zum Sozialen Lernen stärken die Handlungskompetenz der Jugendlichen. Das trägt dazu bei, dass sie sich stärker einbringen - nicht nur an ihrer Schule, sondern auch in der Gesellschaft insgesamt. Aus Rückmeldungen von Schülern lässt sich schließen, dass sie die Erfahrungen, die im Themenorientierten Projekt „Soziales Engagement“ gemacht werden, als „Schule fürs Leben“ empfinden. Wo sehen Sie noch Herausforderungen im Bereich des Sozialen Lernens an Schulen? Was ist zu tun? Das TOP SE ist unstrittig mit einem organisatorischen Aufwand verbunden. Das bedeutet, dass es nicht „nebenbei“ in den schulischen und unterrichtlichen Rahmen integriert werden kann. Auch kann es problematisch werden, wenn eine Schule das TOP SE hauptsächlich mittels außerschulischer Sozialpraktika durchführt. Für ein Praktikum in sozialen Einrichtungen gibt es z. T. ein Kontingent an Praktikumsplätzen und die Anfragen der Schülerinnen und Schüler des TOP SE kollidieren mit den Anfragen der Jugendlichen, die sich um die Plätze für die Berufsorientierung bewerben. Deshalb kann es hilfreich sein, verstärkt die eigene Schule als Handlungsfeld für das TOP SE in den Blick zu nehmen. Schülermentoren, Hausaufgabenpaten, Schulsanitäter, Streitschlichter etc. fördern nicht nur das Soziale Lernen und die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung, sondern verstärken auch die Identifikation mit der eigenen Schule. Damit kann das TOP SE mit zur Schulentwicklung beitragen. Wie bewerten Sie die Arbeit der Agentur mehrwert? Die Agentur mehrwert war und ist ein wichtiger Partner bei der Implementierung und Multiplikation von TOP SE und allen verwandten Themen (z. B. Entwicklung eines Sozialcurriculums, Projektmanagement, Moderation von Schulentwicklungsprozessen). 5 Themen der TOP SE-Beratungen durch die Agentur mehrwert Ein schuleigenes Sozialcurriculum / Leit- bild entwickeln Das bestehende Sozialcurriculum weiter- entwickeln Themenorientierte Projekte verbinden Schüler auf Praktikum in einer sozialen Einrichtung vorbereiten Mit außerschulischen Partnern, insbes. sozialen Einrichtungen, kooperieren Erwartungen und Ziele der Schulen Impulse für die Umsetzung von TOP SE Hilfe bei der Festlegung von Zielen für TOP SE Hilfestellung bei der Entwicklung eines schuleigenen Sozialcurriculums Akzeptanz des Kollegiums für das be- stehende Sozialcurriculum bzw. für TOP SE stärken Tipps für die Kooperation mit sozialen Einrichtungen Anregungen für die Vorbereitung der Schüler auf Praktikum in einer sozialen Einrichtung Die Klasse als Team stärken Impulse zur Weiterentwicklung / Überar- beitung des bestehenden Sozialcurricu- lums Ergebnisse aus der Befragung der Teilnehmenden 6 Projektarbeit fördert die Selbständigkeit der Schüler Interview mit Anne-Katrin Herbring, freie Mitarbeiterin der Agentur mehrwert Anne-Katrin Herbring ist Diplom-Sozialarbeiterin, selbständige Beraterin und Trainerin. Im Auftrag der Agentur mehrwert hat sie Realschulen in Baden-Württemberg zum Thema Soziales Lernen beraten. Aus welchem Interesse heraus haben sich Schulen dazu entschieden, im Rahmen von TOP SE mit der Agentur mehrwert zusammenzuarbeiten? Ganz häufig war die Fragestellung: Wie kann man TOP SE mit den anderen Lehrplaninhalten und mit den anderen drei themenorientierten Projekten besser verzahnen? Eine weitere Fragestellung, die speziell zu TOP SE immer wieder auftauchte, war: Wie verbreiten wir das Thema Soziales Lernen stärker im Kollegium? Viele Lehrer kamen sich mit dem Thema an ihrer Schule isoliert vor, weil ihm im Verhältnis zu fachlichen Themen wenig Beachtung geschenkt wurde. Waren das einzelne Lehrer, die sich für das Thema „Soziales Lernen“ an ihrer Schule stark machten? Ja, das waren eher einzelne Lehrer oder kleine Teams, die sich oft schon seit Jahren mit dem Thema „Soziales Lernen“ beschäftigen. Zum Teil hatte ich es auch mit neu gebildeten Arbeitsgruppen zu tun, die sagten: „Wir wollen dieses Thema jetzt anpacken!“ Welche Themen haben die Lehrerinnen und Lehrer besonders häufig angesprochen? Eine Schwierigkeit, die immer wieder auftauchte, war die Frage: „Wie gehen wir mit Wissen um, das einzelne Lehrer haben? Wie geben wir das Wissen an andere Lehrer weiter?“ und „Wie schaffen wir uns Zeit, um uns als Team zusammensetzen“? Was auch häufiger vorkommt, ist, dass Lehrer äußern, dass sie nicht nur Projektmanager sein möchten. In diesem Fall sage ich den Lehrern, dass ihre Rolle bei der Betreuung der Projekte wichtig ist, und die Projektarbeit sehr sinnvoll. Denn sie gibt den Schülern die Möglichkeit, selbständig zu lernen und ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Mitstreiter im Kollegium gewinnen will und dem Sozialen Lernen in der Schule durchgängig einen hohen Stellenwert geben möchte, dann geht das nur mit der Schulleitung. Welche positiven Erfahrungen haben Sie im Laufe eines Beratungsprozesses gemacht? Ich bin durchweg auf lernwillige und interessierte, offene Lehrer getroffen. Ich habe sehr Schüler-zentrierte Lehrer getroffen, das hat mir wirklich Spaß gemacht. Auch zu merken, dass der Begriff „Soziales Lernen“ nicht nur im Zusammenhang mit TOP SE benützt wird, hat mich sehr gefreut. Der Begriff wird viel häufiger verwendet als früher – das zeigt, dass das Thema auf einem guten Weg ist. Was war ein überraschendes Ergebnis? Erstaunlich war, dass Schulen oft bei der Beratung gemerkt haben: Wir haben schon viel, wir machen schon einiges im Bereich Soziales Lernen und es ist entsprechendes Wissen vorhanden – wir müssen es nur systematisch nutzen und weitergeben. Was bringt die Beratung? Ich glaube, die Beteiligten empfinden es als große Wertschätzung, dass jemand von außen kommt und sich mit ihnen um dieses Thema kümmert. Und dass es dabei nicht nur um die Frage geht: „Wie erfüllen wir das Kompetenzraster des Landes?“, sondern auch um die Frage: „Wo stehen wir als Schule und wo wollen wir hin?“ Für die Schulen ist es gut, dass sie im Rahmen der Beratung relativ frei und ohne Druck an jenen Themen arbeiten können, die für sie wichtig sind. Inwiefern nützt Schulen der Blick von außen ? Die Beratung durch Externe ist ein erster Schritt zu einer weiteren Öffnung der Schule. Externe Berater sind für Schulen vor allem deshalb gut, weil die Lehrer vor ihnen weniger Scheu haben als vor internen Beratern aus der Schulverwaltung. Den internen Beratern treten die Lehrer oft mit Misstrauen entgegen; sie haben Angst, etwas falsch zu machen, Angst vor einer Bewertung – weil eben der ganze Schulkontext so bewertungsorientiert ist. Wir externen Berater hingegen sagen ganz klar: „Wir machen hier eine Prozessberatung, es geht uns darum, dass die Beratung Sie weiterbringt und es ist keine Prüfung.“ Welche Faktoren können eine Weiterentwicklung der Schule hemmen? Ein ganz wichtiger Faktor für ein Gelingen ist, dass die Schulleitung dahinter steht. Wenn man mehr 7 Ziele für Soziales Lernen gemeinsam entwickeln Interview mit Sabine Müller, freie Mitarbeiterin der Agentur mehrwert Sabine Müller ist Diplom-Sozialpädagogin, Trainerin, Coach sowie Führungskraft in einer sozialen Einrichtung. Sie hat im Auftrag der Agentur mehrwert eine Reihe von Realschulen in BadenWürttemberg zum Thema Soziales Lernen beraten. TOP SE gibt es nun seit sechs Jahren. Steht Soziales Lernen an Realschulen heute gleichberechtigt neben der Vermittlung von Fachwissen? Die Notwendigkeit der Vermittlung Sozialen Lernens an Schulen ist vielen Lehrerinnen und Lehrern bewusst. Sie wissen, dass Schülerinnen und Schüler durch die Veränderung unserer Gesellschaft zunehmend soziale Kompetenzen (z. B. Mobilität, Flexibilität) brauchen, die nicht zwangsläufig durch das Elternhaus und das soziale Umfeld vermittelt werden. Die zunehmenden Anforderungen zur Vorbereitung auf die Arbeitswelt machen sich auch im schulischen Alltag bemerkbar. Es gibt Gruppen von Lehrern und Lehrerinnen, die sich sehr engagiert für ein breiteres Forum Sozialen Lernens an Schulen einsetzen. Doch die vielen Anforderungen des Alltags machen es ihnen nicht leicht. Soziales Lernen steht oft erst nach den fachlichen Themen. Für die bewusste Verankerung Sozialen Lernens im Fachunterricht gibt es nach wie vor Bedarf. Wie kann noch größere Akzpetanz für das Thema Soziales Lernen geschaffen werden? Zum Beispiel durch die gemeinsame Entwicklung eines Sozialcurriculums. Hierbei ist es wichtig, alle Beteiligten – also Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, Eltern und Schulsozialarbeiter/ innen – mit einzubeziehen. Die Zusammenhänge eines gemeinsamen Konsenses, also gemeinsamer Ziele Sozialen Lernens, und die Auswirkungen auf den Schulalltag müssen immer wieder thematisiert werden. Durch eine gemeinsame transparente Vorgehensweise wird ein guter Grundstein für Soziales Lernen gelegt. Damit fördere ich die Gemeinschaft und das soziale Miteinander in der Klasse und im Schulleben. Das Sozialcurriculum als Gesamtkonzept ist hierbei sehr hilfreich. chen werden, die von allen umgesetzt werden. Diese bedürfen wieder einer gemeinsamen Reflexion und Überprüfung, eventuell auch Veränderungen, um langfristig und nachhaltig zu wirken. Einige Schulen haben in der Beratung Anregungen für die Vorbereitung der Schüler/innen auf ihr Sozialpraktikum gesucht. Welche Hilfestellung können Sie geben? Wir Beraterinnen können Impulse von außen geben, eine andere Sichtweise und Methoden anbieten. Wir haben Einblicke in die Praxis der sozialen Arbeit bzw. kommen aus dem Feld der sozialen Arbeit. Wir können daher zwischen beiden Bereichen – Schule und soziale Einrichtungen – vermitteln. Da wir näher an der Praxis der sozialen Arbeit dran sind, wissen wir zum einen, was soziale Einrichtungen wünschen und welche Anforderungen sie an Praktikant/innen haben. Zum anderen wissen wir, in welche Situationen die Schüler/innen kommen können, die schwierig für sie sein können. Mithilfe dieses Wissens können wir die Schulen methodisch unterstützen. Wir können ihnen Übungen mit an die Hand geben zum Beispiel für das Einnehmen eines Perspektivenwechsels, um sich in die Situation anderer hinein zu versetzen. In Rollenspielen kann beispielsweise durchgespielt werden, wie sich Schüler/innen verhalten können, wenn eine Person im Altenheim sie bittet, ihr Alkohol zu besorgen. Welche besonders positive Erfahrung im Laufe einer Beratung haben Sie gemacht? Beeindruckend finde ich immer wieder das Engagement und die Offenheit einiger Lehrer, trotz der Alltagsbelastung. Prozesse in Bewegung zu setzen, Ideen weiter zu entwickeln und Mehrheiten im Kollegium dafür zu gewinnen, ist nicht immer leicht. Einige Schulen sind seit mehreren Jahren bewusst und konsequent dabei, Soziales Lernen in Ihrer Schule genauso zu fördern wie fachliches Wissen. In welchen Bereichen brauchen die Schulen noch mehr Unterstützung, um Soziales Lernen zu fördern? Ich denke, dass der Bedarf in den Bereichen, in welchen wir sie bisher unterstützen, an vielen Schulen nach wie vor da ist. Und ich fände es gut, wenn Schulen nicht nur punktuell die Möglichkeit hätten, externe Berater hinzuziehen. Sinnvoll wäre es, Schulen über einen längeren Zeitraum in der Schulentwicklung zu begleiten. Nach der Entwicklung eines Sozialcurriculums müssen konkrete Schritte für den Alltag bespro- 8 Effekte der TOP SE-Beratungen: Was Schulen danach anders machen wollen Themenbereich: Schüler-Eltern-Lehrer Themenbereich: Konzeptuelle Arbeit Die Schülerinnen und Schüler auf ihr Sozialpraktikum nicht nur durch reine Information vorbereiten, sondern auch durch praktische Anleitung Erarbeitetes Leitbild umsetzen Vereinfachung des bestehenden Sozialcurriculums Diskussion im Kollegium über wichtige Aspekte und Maßnahmen zur Förde- rung des Sozialen Lernens Konkrete Formulierung von Zielen für TOP SE sowie von Indikatoren für Evaluation Aktive Beteiligung von Kollegen an TOP SE stärken Überarbeitung des Streitschlichterkonzepts Kleine Schritte zur Verbesserung des Schulklimas unternehmen SMV-Arbeit konzeptionell und inhaltlich ausrichten Bedeutung des sozialen Engagements für die Persönlichkeitsentwicklung und die Verankerung im Schulprofil schulintern und öffentlich darstellen und leben Eine „Schul-Start-Spirale“ zur Nachhaltig- keit unserer pädagogischen Arbeit entwi- ckeln Bemühung um die Finanzierung einer Sozialarbeiterstelle durch den Förder- verein der Schule Schüler und Eltern stärker einbinden FDass sich die Schüler regelmäßig ihre Stärken bewusst machen und sich gegen- seitig bestärken Ergebnisse aus der Befragung der Teilnehmenden 9 Der Klassenrat stärkt die Konfliktfähigkeit der Schüler Interview mit Diether Neumann, Schulleiter der Markgrafen-Realschule Emmendingen Die Markgrafen-Realschule Emmendingen arbeitet seit knapp drei Jahren mit der Agentur mehrwert zusammen. Bei einer ersten Beratung ging es um die Frage: Wie integrieren wir TOP SE in den Schulunterricht? Bei einem Pädagogischen Tag im September 2010 hat Sabine Müller, freie Mitarbeiterin der Agentur mehrwert, mit dem gesamten Kollegium an der Entwicklung eines Leitbilds gearbeitet. Seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Thema „Soziales Lernen“ und was hat Sie dazu motiviert? Das Thema „Soziales Lernen“ ist schon sehr lange in den Schulen aktuell – wenn ich zurück denke, mindestens seit 1990. Damals haben wir in den Schulen gemerkt, dass die Strukturen in den Familien auch Auswirkungen haben auf den Umgang der Schüler miteinander. Seitdem mache ich in den Schulen soziale Trainings. Was meinen Sie genau mit den Strukturen in den Familien und deren Auswirkungen? Die Tatsache, dass sich die Familienstrukturen gewandelt haben: Heute überwiegen die kleinen Familien mit nur einem oder zwei Kindern, viele sind alleinerziehend. Und man merkt das noch viel stärker, aber schon um 1990 war für uns zu sehen, dass wir etwas tun müssen. Ich sehe es als Auswirkung dieses Wandels der Familienstrukturen, dass die Schüler Defizite im Umgang miteinander haben. Wenn wir zum Beispiel versucht haben, Gruppenarbeit zu machen, war das oft nicht erfolgreich. Die Schüler hatten Schwierigkeiten, miteinander an einer Aufgabe zu arbeiten. Zum Teil haben Eltern das auch unterstützt, indem sie ihren Kindern sagten, dass es darauf ankommt, gute Noten zu bekommen. Dass ihr Kind sich gegenüber den Mitschülern sozial verhält, das war für manche Eltern kein wichtiges Thema. Die Defizite vieler Schüler waren also der Grund, warum ich an der Schule mit sozialen Trainings begonnen habe. Und dann kam 1994 ein neuer Bildungsplan, in dem neben der Fachlichkeit auch die Schlüsselqualifikationen gefragt waren, da war die Sozialkompetenz eine der Schlüsselqualifikationen. Und der neue Bildungsplan aus dem Jahr 2004 hat ja eine ganz klare Kompetenzorientierung. Da ist soziale Kompetenz neben Fachkompetenzen, Personal- und Methodenkompetenz genauso wichtig. Und der Bildungsplan formuliert ganz klar die Aufgabe, in der Schule diese Kompetenzen zu trainieren. Welche Bedeutung geben Sie dem Thema Soziales Lernen neben dem fachlichen Stoff? Das kann man nicht trennen. Ohne das eine ist das andere nicht möglich. Das kommt auch in der fächerübergreifenden Kompetenzprüfung als wichtiger Bestandteil der Abschlussprüfung an Realschulen zum Ausdruck. Darin sind alle vier Dimensionen gefragt. Schüler müssen für die Kompetenzprüfung selbständig mit anderen in der Gruppe ein Thema finden und bearbeiten (dabei stehen ihnen Lehrer/ innen beratend zur Seite). Dabei kommt es darauf an, dass jeder Schüler in der Gruppe von dem Thema der Gruppe Grundkenntnisse hat und gleichzeitig hat jeder in der Gruppe seinen eigenen Schwerpunkt. Und das Ganze muss die Gruppe gemeinsam präsentieren, und zwar so, dass sie eine Einheit bildet. Der neue Bildungsplan verlangt auch, dass in den Fächern diese Kompetenzen mitbewertet werden. In Englisch zum Beispiel wird in der EUROKOM, auch Bestandteil der Abschlussprüfung, nicht nur die Sprachkompetenz geprüft, sondern auch die Methodenkompetenz. Die fächerübergreifende Kompetenzprüfung wird in den Themenorientierten Projekten vorbereitet. Das wiederum zwingt auch die Schulen, dass die Kollegen zusammenarbeiten, auch sie müssen also soziale Kompetenz zeigen. Was hat sich an Ihrer Schule durch die Beratung verändert? Es gibt auf jeden Fall eine Bewusstseinsveränderung im Kollegium und die Bereitschaft, im Bereich des Sozialen Lernens mehr zu tun. Wir haben zum Beispiel in den Klassen 5 bis 7 die Methode des Klassenrates eingeführt und in der Gesamtlehrerkonferenz als verbindlich beschlossen. Der Klassenrat ist eine Methode, die angewendet wird, wenn es Konflikte gibt. Jeder Klassenlehrer hat die Aufgabe, ein Mal in der Woche kleine Probleme des Schulalltags oder Konflikte im Umgang miteinander zu bearbeiten. In dieser Schulstunde wird alles, was sich angehäuft hat, besprochen. Das führt auch dazu, dass die Zeit in den anderen Schulstunden effektiver genutzt wird. Im Klassenrat werden die Konflikte so bearbeitet, dass es 10 keine Verlierer oder Gewinner gibt. Die Probleme werden im Klassenrat im Sinne eines positiven Miteinanders gelöst. Das dient auch dazu, Demokratie einzuüben. Seit der Einführung des Klassenrates kann ich tatsächlich eine Veränderung feststellen: Die jetzige 7. Klasse arbeitet seit der 5. Klasse mit der Methode des Klassenrates. Diese Schüler können Probleme sehr gut ohne Anleitung angehen. Die Schüler der höheren Klassen haben im Vergleich zu den unteren Stufen deutliche Defizite in der Konfliktbearbeitung. Das führe ich auch darauf zurück, dass die Schüler der höheren Klassen vor der Einführung des Klassenrates in die Unterstufe gingen und somit nicht entsprechend trainiert sind. Wenn man mit Ihrem Kamerateam an die Schule käme und filmen würde, was würde man sehen? Wenn ich in einer 9. Klasse drin bin, kann ich ein ganz anderes Miteinander beobachten als in der 6. oder 7. Klasse. Die jüngeren Schüler sind sozial kompetenter und in den Klassenzimmern der unteren Klassen ist es merklich sauberer. Vielleicht spielt da noch die Pubertät eine Rolle, aber ich denke schon, dass es auch am sozialen Lerntraining liegt. Hat sich sonst noch etwas verändert? Unsere Schule hatte immer einen relativ schlechten Ruf. Das hat sich jetzt verändert. Das kann man z. B. daran sehen, dass wir in den letzten Jahren immer mehr Schüler bekommen als in den Jahren davor. Wir haben jetzt immer vier Klassen und jedes Jahr mehr als hundert Anmeldungen. Außerdem haben sehr viele unserer Schüler Gymnasialempfehlungen – zwischen 20 und 25 % Prozent eines Eingangsjahrgangs. Sie möchten die Zusammenarbeit mit der Agentur mehrwert fortsetzen. Welche Ziele verfolgen Sie damit? Wir versprechen uns, dass das Auswirkungen auf die SMV hat. Wir stellen fest, dass der Schülerrat sich verändert, dadurch dass sich die Schüler viel mehr einbringen als früher. Wir hatten letztes Jahr zum Beispiel einen Schülersprecher aus der achten Klasse. Sonst machen das eher die Neunt- oder Zehntklässler. Und wir wollen an der Weiterentwicklung unseres Leitbilds arbeiten. Soziale Kompetenz ist ein wichtiger Punkt, den wir im Leitbild festhalten wollen. Welche Bedeutung hat es, dass jemand von außen kommt? Das ist eine ganz einfache Sache: Wenn ich im Prozess selbst drin bin, bin ich immer einseitig orientiert und selbst Teil des Prozesses. Von außen ist es viel leichter, einen Überblick zu bekommen und natürlich dann auch die entsprechenden Steuerungsinstrumente einzusetzen. Hat sich auch die Zusammenarbeit im Kollegium verbessert? Ja, die meisten Kollegen arbeiten sehr, sehr selbständig an der Planung und Vorbereitung der TOP-Projektwochen. Ich denke, das liegt auch daran, dass sich in den letzten Jahren eine deutliche Verjüngung unseres Lehrerkollegiums vollzogen hat. Das macht viel aus, da ist die Bereitschaft viel höher, miteinander zu arbeiten, vor allem weil das gängige Praxis ist. Früher war der Lehrer mehr der Einzelkämpfer. Welchen Stellenwert hat Soziales Lernen in der Lehrerausbildung? Für meine Begriffe wird alles, was in den letzten Jahren an den Realschulen an Veränderung gelaufen ist, in der ersten Phase der Lehrerausbildung sehr vernachlässigt. Ob es die Themenorientierten Projekte sind oder das Soziale Lernen – wenn überhaupt etwas angeboten wird, dann zu wenig. Die Möglichkeit zur Teilnahme für alle Lehramtsstudierenden ist nicht gegeben. Ich bin auch Prüfungsvorsitzender, prüfe Lehramtsstudierende, und stelle da fest, dass Soziales Lernen im Studium zu kurz kommt: Ich habe noch keine einzige Prüfung mit dem Thema Soziales Lernen erlebt. In der zweiten Phase der Lehrerausbildung in den Staatlichen Seminaren sieht es eindeutig besser aus. Da wir immer sehr viele Referendare an unserer Schule ausbilden, wissen wir, dass gerade diese Themen dort eingehend in den eineinhalb Jahren Ausbildungszeit bearbeitet werden. Die wenigen Fortbildungen für Lehrer, die in diesem Bereich angeboten werden, reichen allerdings nicht aus, um Soziales Lernen flächendeckend zu integrieren. Ebenso ist es schwierig die Kolleginnen und Kollegen über einen oder mehrere längere Zeiträume aus dem Schulbetrieb herauszunehmen und sie fortbilden zu lassen. Soziales Lernen an der Markgrafen-Realschule - eine Auswahl der Projekte: Kooperation mit einer Sonderschule: Im Rahmen von TOP SE gemeinsame Veranstaltungen und ein Aufenthalt in einer Hütte im Schwarzwald Kontakte zu fast allen sozialen Einrichtungen am Ort, um Praktikumsplätze für die Schülerin- nen und Schüler zur Verfügung zu stellen Box-Projekt gemeinsam mit anderen Schulen Einzelaktionen der Schulsozialarbeit zum sozia- len Miteinander Klassenratstunde in den Klassen 5 – 7 als fester Bestandteil der Kontingentstundentafel 11 Welche weitere Unterstützung Schulen wünschen Eine Fortsetzung der Veranstaltung Begleitung während des Projekts; erneute Arbeit am Thema (ca. 6 Monate nach der ersten Beratung) und ggf. Überarbeitung des Konzepts Nach einer Phase der Umsetzung der Vorhaben: gemeinsames Treffen zur Evaluation bzw. Bestandsaufnahme des Erreichten (z. B. nach einem Jahr) Für die Evaluation des Sozialcurriculums zum Vergleich Beispiele (Vorgehenswei- sen) aus anderen Schulen Moderation und Begleitung des Evalua- tionsprozesses Weitere Anregungen für Kooperations- spiele Ergebnisse aus der Befragung der Teilnehmenden 12 Was Schulen hilft „Bloß kein neues Projekt mehr“, dieser Stoßseufzer eines Schulleiters verdeutlicht anschaulich, was an Schulen derzeit los ist. Galten Schulen lange Jahre als veränderungsresistent, hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Vielfalt an Lernformen und außerschulischen Projekten Einzug gehalten. Soziales Lernen ist zum Markenzeichen geworden und in den Bildungsplänen fest verankert. BadenWürttemberg ist dabei bundesweit zum Vorreiter geworden. Also alles bestens? Nein. Denn häufig ist das Engagement von einzelnen engagierten Lehrerinnen und Lehrern abhängig. Wechseln diese die Schule oder übernehmen andere Aufgaben, enden die Aktivitäten meist. Oft ist auch zu beobachten, dass Schulen zwar von der Notwendigkeit überzeugt sind, sich im Gemeinwesen zu vernetzen, sich dazu aber nicht in der Lage sehen. Durchaus nachvollziehbar. Stellt man in Rechnung, dass Schulen einem gewaltigen Erwartungsdruck ausgesetzt sind, sind manche Abwehrmechanismen verständlich. Doch soziales Lernen ist zu wichtig, als dass es mit halber Kraft angepackt werden sollte. Schulen als Netzwerke Schulen sind traditionell über hierarchische Systeme gesteuerte Organisationen. Der einzelne Lehrer orientiert sich für seinen Fachunterricht an Bildungsplänen und agiert zumeist als Einzelkämpfer. Schulleitungen sind ausgerichtet auf Vorgaben „von oben“. Teamorientierte Arbeitsformen wie Lehrerkonferenzen dienen in erster Linie dazu, die Leistungen von Schülerinnen und Schülern zu besprechen. Dies hat die schulische Organisationskultur über lange Zeit geprägt und systematisches Zusammenarbeiten verhindert. Um außerschulische Lernformen effektiv und nachhaltig einzuführen, ist aber eine andere Organisationsform notwendig. Wie könnte die aussehen? Weg vom Einzelkämpfertum hin zum Teamplayer: Lehrerinnen und Lehrer tauschen in Gruppen Ideen und Erfahrungen aus, sie entwickeln Projekte gemeinsam und stellen den Kollegen ihr Wissen zur Verfügung. Materialien, Projektpläne etc. werden im Intranet gespeichert und sind so für alle zugänglich. Dasselbe gilt für externe Beziehungen. Werden Kontakte und Erfahrungen zentral gespeichert, können sie bei einem Personalwechsel leicht übernommen werden. Werden Kontakte systematisch gepflegt, entstehen daraus neue Ideen und Projekte, die umso einfacher zu verwirklichen sind, je besser man sich kennt. So spart man Zeit und Frust. Soziales Lernen aus einem Guss – vom Einzelprojekt zum Curriculum Manche Schulen sind dazu übergegangen, die zahlreichen Einzelmaßnahmen in ein Gesamtkonzept Sozialcurriculum zu gießen. Dies macht deshalb Sinn, weil so aufeinander aufgebaut werden kann. Es ist auch klar, dass Soziales Lernen altersgerecht entwickelt werden muss. Das Engagement etwa in einem Altenheim oder bei Menschen mit Behinderungen hat sich ab der Klassenstufe 8 bewährt. Ein Gesamtcurriculum Soziales Lernen bewirkt auch, dass alle erleben können: „Wir ziehen an einem Strang“. Sozialverhalten und Sozialkompetenz wird nicht an den Religionsunterricht delegiert, sondern als Lernziel von allen Lehrerinnen und Lehrern verinnerlicht. Soziales Lernen fängt bei den Lehrern an „Können Sie uns eine Fortbildung zum Thema Feedback anbieten?“ Diese Anfrage erreichte uns von einer Schule, die wir zuvor bei der Entwicklung eines Sozialcurriculums über einen längeren Zeitraum beraten hatten. „Sehen Sie da einen Zusammenhang zum Sozialen Lernen?“ so fragten wir zurück, da wir nicht als Fortbildungsagentur auf dem Markt sind. Die Nachfrage löste Ratlosigkeit aus. Nun, wir sehen schon einen Zusammenhang. Wir sind überzeugt, dass die Art und Weise, wie Lehrerinnen und Lehrer miteinander umgehen, auch wenn dies hinter der verschlossenen Tür des Lehrerzimmers geschieht, direkt auf die Schülerinnen und Schüler abstrahlt. Gibt es schwelende, ungelöste Konflikte, kann ich mir kaum vorstellen, dass die beteiligten Lehrkräfte soziales Verhalten überzeugend vermitteln können. Keine Frage, niemand ist unfehlbar. Gibt es aber ein aufrichtiges Bemühen, fair miteinander umzugehen, dann ist das schon der Beginn eines effektiven Sozialcurriculums. Gabriele Bartsch Agentur mehrwert 13 Materialien zum Sozialen Lernen an Schulen Soziales Lernen in der Schule. Praxisanleitung für innovative Projekte. http://www.agentur-mehrwert.de/pdf/Mehrwert_SchulFlyer_V4.pdf Lernziel Sozialkompetenz. Wie Schulen soziales Lernen systematisch fördern können. http://www.agentur-mehrwert.de/pdf/Fachartikel_Lernziel_Sozialkompetenz.pdf In 3 Schritten zu einem Sozialcurriculum: Wie Schulen bestehende Bausteine sozialen Lernens vernetzen können. http://www.agentur-mehrwert.de/pdf/Fachartikel_Sozialcurriculum_entwickeln.pdf Projekte erfolgreich managen - am Beispiel „TOP SE“ an Realschulen http://www.agentur-mehrwert.de/pdf/Fachartikel_Projekte_erfolgreich_managen.pdf Effektive Kooperation: Wie Schule, Wirtschaft und sozialer Sektor voneinander profitieren. http://www.agentur-mehrwert.de/pdf/Fachartikel_Effektive_Kooperation.pdf Key - Schlüsselerfahrungen für Schülerinnen und Schüler. Frequently asked questions. http://3484.is6.ntz.de/pdf/FAQ_Key_Schueler.pdf Praxisbeispiele http://www.agentur-mehrwert.de/Schule/Praxisbeispiele.html 14 Ansprechpartnerin Schulberatung: Gabriele Bartsch mehrwert - Agentur für Soziales Lernen gGmbH Fritz-Elsas-Str. 40 70174 Stuttgart Tel.: 0711/ 123 757-37 E-Mail: [email protected] Fax: 0711/ 672 477 90 www.agentur-mehrwert.de Impressum Text + Layout: Valerie Gaedicke, Agentur mehrwert Bilder: Wolfram Keppler, Agentur mehrwert