Insolvenz und Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion
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Insolvenz und Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion
Insolvenz und Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion sind rechtlich jederzeit möglich (23. 09. 2011) Prof. Dr. Norbert Horn, Institut für Bankrecht Die erneute Zuspitzung der Schuldenkrise Griechenlands fördert die Erkenntnis, dass eine Rettung Griechenlands nur durch Insolvenz plus Umschuldung und ein (ggf. temporäres) Ausscheiden aus der Europäischen Währungsunion (EWU) zu erreichen ist. Für Fachleute ist das nicht neu. Noch verharrt die Politik in Ablehnung. Dabei werden auch rechtliche Hindernisse behauptet; es heißt, zuerst brauche man dafür ein „geordnetes Verfahren“. Das ist unzutreffend. Eine Staatsinsolvenz ist kein Geschöpf des Rechts. Sie ist ein Naturereignis. Sie tritt ein, wenn ein Staat seinen internationalen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommt und niemand mehr da ist, der für ihn zahlt („bail out“). In den letzten hundert Jahren gab es zahlreiche solcher internationalen Verschuldungskrisen. Es stimmt auch nicht, dass es kein „geordnetes Verfahren“ für diese Fälle gibt. Zwar fehlt ein ausgereiftes internationales Staatsinsolvenzrecht, und dabei wird es wohl bleiben. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hat sich bisher vergeblich darum bemüht. Aber seit langem gibt es eine bewährte internationale Praxis von Umschuldungen insolventer Staaten unter Federführung des IWF im Zusammenwirken mit den Gläubigerstaaten (Paris Club) und den Privatgläubigern. Das Verfahren beginnt mit einem vom Schuldnerstaat erklärten Moratorium, tunlichst in Absprache mit dem IWF, der für die Zeit der Umschuldungsverhandlungen eine „Brückenfinanzierung“ stellen soll, um die weitere Teilnahme des Schuldnerstaats am internationalen Zahlungsverkehr zu ermöglichen. Die Umschuldung endet mit einem Teilverzicht der Altgläubiger. Die mussten dabei nach bisherigen Erfahrungen im Durchschnitt 50 % ihrer Forderungen aufgeben. Diese Teilverzichte werden neuerdings durch spezielle Anpassungsklauseln in den Anleihebedingungen erleichtert, die verbindliche Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger vorsehen (collective action clauses). Solche Klauseln sollen künftig auch in Anleihen der EWU-Staaten jahrzehntelang Verwendung wurden finden, Umschuldungen freilich erst erfolgreich ab auch 2013. ohne Aber solche Klauseln durchgeführt. Es ist daher unrichtig, im Hinblick auf die EWU zu behaupten, ohne die Klauseln könne es keine Umschuldungen geben. 2 Auch die Insolvenz Griechenlands ist nach den genannten Grundsätzen zu behandeln. Denn der Vertrag von Lissabon enthält keine eigene Regelung. Allerdings macht die Einbindung Griechenlands in die EWU besondere Maßnahmen erforderlich. Die ESFS hätte mit der EZB und dem IWF die Brückenfinanzierung zu koordinieren und die Umschuldung. Bei letzterer ist zu beachten, dass die erste Griechenlandhilfe noch nach klassischem Muster aus bilateralen Krediten der einzelnen Mitgliedstaaten besteht. Das zweite Griechenlandhilfspaket wäre neu zu verhandeln. Es verdankt seine kaum durchschaubare Komplexität dem Wunsch, die Privatgläubiger nur milde zu beteiligen und zugleich den Insolvenzfall formal zu vermeiden. Diese Geschäftsgrundlage ist entfallen, sobald die Insolvenz eingetreten ist. Auch wäre die Teilnahme der griechischen Zentralbank an der einheitlichen und dezentralen Durchführung der Geldpolitik der Kontrolle der EZB zu unterstellen, sofern nicht das sofortige Ausscheiden aus der EWU erfolgt. Auch ein Ausscheiden Griechenlands aus der EWU ist rechtlich jederzeit möglich. Im Völkerrecht besteht immer die Möglichkeit, bei schweren Vertragsverletzungen oder Krisen einen Vertrag zu ändern oder zu beenden (sog. „clausula rebus sic stantibus“). Griechenland ist in Anbetracht der Vorgeschichte seines Beitritts und des Ausmaßes der Verschuldung ein solcher Fall. Der EU-Vertrag regelt den Ausschluss nicht, sieht aber den freiwilligen Austritt vor. Der Austritt aus dem engeren Verbund der EWU ist ungeregelt, aber zumindest in der Weise möglich, dass Griechenland sich dafür entscheidet. Der Austritt besteht darin, dass das betreffende EWULand auf den Status eines „Mitglieds mit Ausnahmeregelung“ i. S. Art. 139 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU zurückkehrt, den viele EU-Länder ohnedies seit jeher innehaben (Großbritannien, Schweden). Diese Entscheidung Griechenlands wäre bei Umschuldungsverhandlungen als Bedingung („Konditionalität“) für die Umschuldung und weitere Hilfe durchzusetzen. Notfalls kann das Land aber auch, wenn sein Verbleiben die EWU gefährdet oder ihr nachhaltig schadet, gegen seinen Willen nach dem völkerrechtlichen Grundsatz der clausula rebus sic stantibus zurückgestuft werden, weil es die elementaren Vertragsvoraussetzungen missachtet. Das Gegenargument, allgemeines das Gemeinschaftsrecht Völkerrecht verdrängt, verbiete überzeugt dies nicht. und Denn habe das Gemeinschaftsrecht schweigt. Die clausula rebus sic stantibus gilt allgemein 3 als Grenze der Vertragsbindung und ist Teil auch des ungeschriebenen Gemeinschaftsrechts. Das Instrument bleibt ultima ratio und seine leichtfertige Anwendung ist durch die politische Praxis der EWU ohnehin ausgeschlossen. Diese Praxis wird bisher durch eine stillschweigende Allianz der Schuldnerländer geprägt, die insgeheim eine Transferunion bevorzugen, ohne das Zerstörerische dieses Konzepts einzusehen. Offiziell werden gegen Insolvenz und Ausscheiden Griechenlands aus der EWU noch drei politische Argumente vorgebracht. Erstens würden viele Banken als Gläubiger Griechenlands aus Krediten und Anleihen in Mitleidenschaft gezogen, obendrein die EZB aufgrund ihrer Ankäufe griechischer Anleihen. Auch die neueren Staatskredite des ersten Griechenlandpakets würden zur Kürzung anstehen. Aber die hier auftretenden Verluste sind relativ leichter auszugleichen als die weitere Stützung der Staatschulden durch gigantische Rettungsschirme einschließlich des zweiten Hilfspakets vom Juli 2011. Zweitens befürchtet man den Dominoeffekt: andere Problemländer könnten bald folgen, weil auch ihre Staatsanleihen keine Abnehmer mehr fänden. Dagegen spricht, dass Griechenland ein Extremfall ist. Der Markt hat schon bisher Unterschiede in den Risikoaufschlägen gemacht, und die Insolvenz Griechenlands wird inzwischen schon eingerechnet. Bei den anderen Schuldnerstaaten wird der Markt seriöse Stabilitätsbemühungen honorieren. Drittens wird das Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion als Auslöser einer globalen Krise des Euro an die Wand gemalt. Dafür spricht nichts, wenn man die Größe des Währungsraums bedenkt. Noch steckt der Euro als Währung nicht in der Krise. Die Aufregung wäre heftig, aber nur kurz. Die technischen Probleme des Ausscheidens aus der EWU sind schwierig, aber lösbar. Nicht zu unterschätzen ist andererseits die erzieherische Wirkung einer Umschuldung Griechenlands für die anderen Mitglieder, ihre Sparbemühungen künftig unter dem Druck der Märkte nachhaltig zu gestalten und dadurch neue Kreditwürdigkeit zu gewinnen. Für Griechenland wäre die Insolvenz, Umschuldung und Herauslösung aus der EWU die Chance zur Befreiung aus der Schuldenfalle und zu einem Neubeginn, für die EWU die Chance, das erschütterte Vertrauen in den Vertrag von Lissabon zurückzugewinnen.