Ende der Schiedsgerichtsbarkeit nach der

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Ende der Schiedsgerichtsbarkeit nach der
rund um die Jugendhilfe_jhr
Ende der Schiedsgerichtsbarkeit nach der
Fürsorgerechtsvereinbarung
In der Fachpresse ist seit der Mitte der
80-er Jahre in mehreren Beiträgen das
Für und Wider einer Fortführung der
Schiedsgerichtsbarkeit auf der Rechtsgrundlage der Fürsorgerechtsvereinbarung (FRV) behandelt worden.
Dies ist nun alles Vergangenheit: Die
Zentrale Spruchstelle hat in ihrer letzten Sitzung vom 16. bis 18.10.2002
in Berlin über die letzten bei ihr als
Berufungsinstanz anhängigen Streitfälle abschließend entschieden. Die
Schiedsgerichtsbarkeit mit 6 regionalen Spruchstellen als erstinstanzlichen
Schiedsgerichten und 1 Zentralen
Spruchstelle als Berufungs- und Beschwerdeinstanz ist damit beendet.
1. Die Anfänge der
Schiedsgerichtsbarkeit
Die Fürsorgerechtsvereinbarung
stammt vom 18. September 1947.
Nachdem von 1871 bis 1939 das Bundesamt für das Heimatwesen Streitigkeiten in Kostenerstattungs- und
Zuständigkeitsfragen zwischen Fürsorgeträgern entschieden hatte, wollte
nach dem Ende des 2. Weltkriegs eine
Arbeitsgemeinschaft der Fürsorgedezernenten der früheren britischen Besatzungszone unter dem Vorsitz des
Hamburger Senators Dr. Nevermann
durch eine von allen Trägern getragene Vereinbarung die Kostenerstattung
zwischen den Fürsorgeträgern und vor
allem die Schlichtung von Streitigkeiten in diesem Bereich durch ein besonderes Verfahrensrecht und die
Schaffung einer Schiedsstelle vereinfachen.
Dabei stand im Vordergrund, dass
in dieser Schiedsstelle – im Unterschied
zur ordentlichen Gerichtsbarkeit, einschl. der Verwaltungsgerichtsbarkeit –
sachkundige Personen von den örtlichen und überörtlichen Trägern mitwirken sollten, die sich in diesem
speziellen Sachgebiet auskennen, so
dass ihnen Alltagsprobleme bei Entscheidungen über eine Hilfegewährung und die sich daraus evtl. ergebenden Schwierigkeiten in der
Ermittlung der Voraussetzungen für
eine Kostenerstattung auf Grund ihrer
eigenen Berufserfahrungen nicht
fremd waren.
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Neben den Verfahrensregelungen
über die Schiedsgerichtsbarkeit enthielt die ursprüngliche FRV von 1949
auch materiellrechtliche Regelungen
über die Kostenerstattung. Als dann
das 1962 in Kraft getretene Bundessozialhilfegesetz (BSHG) die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung detailliert regelte, wurde die FRV unter
Federführung des Deutschen Städtetages reformiert und nunmehr im
Wesentlichen – abgesehen von der entsprechenden Anwendung des Kostenerstattungsrechts auf die Jugendhilfe
– auf das Verfahren der Schiedsgerichtsbarkeit beschränkt. Die neue Fassung wurde am 26.5.1965 unterzeichnet und trat mit Wirkung vom 1.
Januar 1966 in Kraft, nachdem alle örtlichen und überörtlichen Träger sowohl
der Sozialhilfe als auch nunmehr der
Jugendhilfe der Vereinbarung in der
neuen Fassung zugestimmt hatten.
Durch eine eigene Verfahrensordnung
vom 9.12.1965 wurde die FRV um
weitere Konkretisierungen und Verfahrensregelungen ergänzt.
So waren nun für das Gebiet der alten
Bundesrepublik 6 regionale Spruchstellen gebildet und zwar je 1 für
-- die Länder Freie und Hansestadt
Hamburg, Schleswig-Holstein und
Berlin (Spruchstelle Hamburg),
-- die Länder Hansestadt Bremen und
Niedersachsen (zuletzt Spruchstelle
Goslar),
-- das Land Nordrhein-Westfalen (im
Wechsel zwischen Köln und Münster, zuletzt Spruchstelle Münster),
-- die Länder Hessen, Rheinland-Pfalz
und Saarland (Spruchstelle Kassel),
-- das Land Baden-Württemberg
(Spruchstelle Stuttgart),
-- den Freistaat Bayern (Spruchstelle
München).
Für Entscheidungen über Beschwerde
oder Berufung gegen den Schiedsspruch einer regionalen Spruchstelle
wurde die Zentrale Spruchstelle gebildet, die gebildet wurde aus
-- den Vorsitzenden und je 1 weiteren
Mitglied der regionalen Spruchstellen,
-- dem für das Land Berlin bestellten
Mitglied der Spruchstelle Hamburg,
-- einem von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter
benannten Mitglied.
Während hinsichtlich des Vertreters
aus Berlin die besondere Situation von
West-Berlin im Kontext der Bundesrepublik zu berücksichtigen war, sollte
durch die ausdrückliche Hinzunahme
eines Vertreters der Landesjugendämter dem künftigen Gewicht der Streitigkeiten in der Jugendhilfe besonders
Rechnung getragen werden.
2. Einige wenige statistische
Zahlen aus der
Schiedsgerichtsbarkeit:
Die Spruchstelle Hamburg hat im Zeitraum von 1948 bis Ende 1996, wo
nach der Kündigung die letzten Streitverfahren anhängig gemacht werden
konnten, in 138 Sitzungen 2.028
Schiedsanträge behandelt.
Bei der Spruchstelle München waren
seit der ersten Sitzung am 13.6.1950
bis zum Ende in 150 Sitzungen 5.082
Schiedsanträge zu behandeln, von
denen 3.480 durch Schiedsspruch, die
weiteren 1.602 durch Beschlüsse beendet wurden.
Aus einer Statistik der Spruchstelle
Kassel zum 40-jährigen Bestehen geht
hervor, dass dort in der Zeit von 19501989 2383 Anträge eingegangen sind,
von denen 714 zu einer gütlichen Einigung führten und in ca. 1650 Fällen
ein Schiedsspruch erging; davon wurde in 347 (rd. 20 %) Verfahren Berufung eingelegt.
Die Zentrale Spruchstelle hat in 174
Sitzungen insgesamt 3.859 Schiedssprüche verabschiedet; hinzu kamen
138 Gutachten, mit deren Erstellung
sie anfänglich auch betraut war, und
zahlreiche Beschwerdeentscheidungen
über die Zulassung einer Berufung.
Vorsitzende der Zentralen Spruchstelle
waren:
1950-1955 Ltd. Reg. Dir. Birckholtz,
Hamburg
1955-1969 Landesrat Dr. Wagner,
Münster
1969-1971 Landesrat von Bergen,
Kassel
1971-1976 Präsident Kobus, Hannover
4/03
jhr_rund um die Jugendhilfe
1976-1992
1992-2002
Stadtdirektor Mergler,
Essen
Landesrat Saurbier, Köln.
3. Veröffentlichung der
Schiedssprüche in EuG und
ZfF
Schiedssprüche der beiden Instanzen
der Schiedsgerichtsbarkeit wurden in
den über 50 Jahresbänden der Sammlung Entscheidungen und Gutachten
(EuG), die zuletzt durch die Herren
Mergler und Zink herausgegeben wurden, sowie regelmäßig auch in der
Zeitschrift für das Fürsorgewesen (ZfF)
veröffentlicht, so dass die Praxis der
Jugend- und Sozialhilfe in der Lage war,
ihr Tun für eine mögliche Kostenerstattung durch andere Träger entsprechend einzustellen und die jeweils erforderlichen Entscheidungsgrundlagen
zu schaffen und sicherzustellen. Hierfür
war es naturgemäß sehr hilfreich, dass
alle Mitglieder der Spruchstellen über
eigene Erfahrungen in der Kostenerstattung verfügten und ihre Entscheidungsentwürfe daher so abfassen
konnten, dass nicht nur an der Praxis
orientierte Entscheidungen gefällt
wurden, sondern darüber hinaus die
Mitarbeiter der Jugend- und Sozialämter gute Hinweise für ihre tägliche Arbeit bekommen konnten.
4. Entwicklung der Kritik am
Verfahren der FRV
Gleichwohl kann nicht ausbleiben, dass
die Spruchpraxis einer Schiedsgerichtsbarkeit auch kritisiert wird; wer in einem Schiedsverfahren unterliegt, ist
häufig nicht bereit, der Rechtsauffassung der Schiedsrichter anschließend
den Vorzug vor seiner zwar überzeugt
vertretenen, aber eben nicht überzeugenden anderen Meinung zu geben.
Dabei kommt es dann häufig auch zum
Streit darüber, ob in dem eigenen Fall
tatbestandsmäßig eben andere Voraussetzungen bestanden haben als in einer früheren Entscheidung oder –
umgekehrt – dieser Fall haargenau so
zu bewerten sei wie ein bereits „richtig“ entschiedener anderer Fall. Es spielen dabei also sowohl vermeintliche
Unterschiede als auch behauptete
Übereinstimmungen in Sachverhalten
eine große Rolle, über die man sich
regelmäßig trefflich streiten kann.
Auch weitere Gesichtspunkte wurden ins Feld geführt, wenn es darum
ging, die Arbeit der Spruchstellen zu
4/03
bewerten: häufig gab es, von Spruchstelle zu Spruchstelle durchaus unterschiedlich, zu lange Bearbeitungszeiten, die den Fristen der Verwaltungsgerichtsbarkeit nahe kamen; von der
örtlichen Ebene wurde die Zusammensetzung der Spruchkörper insoweit
kritisiert, als dort die Mitarbeiter von
überörtlichen Trägern (üöT) in der
Überzahl waren. Einerseits lag das an
der geringeren Bereitschaft (und/oder
vielleicht geringeren zeitlichen Möglichkeit?) von Sachkundigen bei den
örtlichen Trägern, sich dieser zusätzlichen ehrenamtlichen Aufgabe zu stellen; andererseits sollte dabei berücksichtigt werden, dass die Mitarbeiter
der üöT in den Spruchstellen im Wesentlichen von kommunal strukturierten und finanzierten üöT kamen, so
dass das Argument eines Ungleichgewichts zwischen staatlichen und kommunalen Trägern und Finanzen und
damit der Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte deshalb nicht stechen konnte. Von Dezernenten kam
häufig die Klage, die Mitglieder der
Spruchstellen seien durch diese Tätigkeit zu oft vom Büro abwesend und
vernachlässigten ihren eigenen Arbeitsplatz; schließlich war erkennbar, dass
es hier auch „menschelte“: man behauptete bisweilen, Mitglieder könnten durch persönliche Abneigungen
gegen rivalisierende Kollegen bei bestimmten Verfahrensbeteiligten in ihrer Beurteilung von Sachverhalten beeinflusst sein und es wird sogar behauptet, in einem Einzelfall möge eine
Verärgerung über eine nicht zustande
gekommene Wahl in eine Spruchstelle
eine Rolle für die generelle Bewertung
der Schiedsgerichtsbarkeit gespielt
haben. So wurden auch Vorwürfe mangelnder „richterlicher Unabhängigkeit“ der Mitglieder der Spruchstellen hörbar.
Dabei kann allerdings durchaus
auch nicht bestritten werden, dass
angesichts der großen Zahl der in 1
Sitzung anstehenden Streitfälle manche Entscheidung erkennbar „mit der
heißen Nadel genäht“ war und die
Spruchpraxis in einer späteren Überprüfung zu einer Änderung kam: auch
das ist menschlich erklärbar und soll
auch in der ordentlichen Gerichtsbarkeit passieren. Schließlich wurde geklagt, es sei angesichts der schlechten
Finanzierungsgrundlagen der Spruchstellen und der daraus folgenden
Unmöglichkeit, die Mitarbeiter der
Spruchstellen für ihre Tätigkeit über
den Unkostenersatz hinaus zu honorieren, schwer, für die Zukunft Mitglieder in ausreichender Zahl zu gewinnen. Als weiteres Argument gegen die
Schiedsgerichtsbarkeit wurde darauf
verwiesen, dass es in einer Reihe von
Fällen bei Zuständigkeitsstreitigkeiten
zu Verwaltungsgerichtsverfahren auf
Grund der §§ 91 a BSHG oder 97 KJHG
gekommen war, so dass insoweit 2
parallele Wege der Rechtsfindung mit
der Gefahr auseinander laufender Entscheidungen bestehen.
Dass ein Teil der Kritik in der Feststellung gipfelte, diese seiner Zeit ver-
Wer trägt die Kosten?
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rund um die Jugendhilfe_jhr
einbarte Schiedsgerichtsbarkeit nach
der FRV sei nun nicht mehr zeitgemäß,
musste allerdings sehr überraschen
angesichts der generellen Tendenz, so
weit wie möglich die Gerichte zu entlasten: zeitlich parallel zu stellenweise
abbröckelndem Interesse an einer Weiterführung der Schiedsgerichtsbarkeit
für die Behandlung der Kostenerstattungsstreitigkeiten war in Justiz und
Politik der genau gegenläufige Trend
erkennbar. Hier sollte m.E. der bisherige Text erhalten bleiben, da dies für
die Argumente der Landesjugendämter eine Bestätigung war!
5. Neue Perspektiven?
Im Hinblick auf angemeldeten Änderungsbedarf bei FRV und Verfahrensordnung (VerfO) bot die Geschäftsstelle der Zentralen Spruchstelle an, die
erforderliche Verwaltungsarbeit im
Zusammenhang mit einer Novellierung
der FRV und dem Einholen der Zustimmungen und neuer Beitrittserklärungen zu übernehmen, und bildete eine
gemeinsame Arbeitsgruppe mit Vertretern der Bundesarbeitsgemeinschaften
der üöT, in der Novellierungsbedarf
beraten und Änderungen formuliert
wurden, die jedoch nicht mehr ernsthaft diskutiert worden sind.
Da die Kritik im Sinne der geschilderten Beispiele -- zunächst schwerpunktmäßig in Bayern – dazu führte,
dass Kündigungen der FRV nicht nur
angekündigt sondern bis Ende 1990
in 3 Fällen in Bayern auch bereits vollzogen wurden, wobei nur für den Bereich der Kostenerstattung in der Sozialhilfe gekündigt wurde, drohte ein
unerträgliches Auseinanderbröckeln
der Mitgliedschaft in der FRV. Hinzu
kam die Tatsache, dass durch die Wiedervereinigung Deutschlands die große Zahl neuer Träger der Jugend- und
der Sozialhilfe für einen Beitritt hätten
gewonnen werden müssen, um zu einer flächendeckenden bundesweiten
Regelung in der Kostenerstattung zu
kommen, ein umständliches und zeitraubendes Verfahren, das dem als
Geschäftsstelle der AG der Sozialhilfeträger federführenden Deutschen
Städtetag noch in unangenehmer Erinnerung aus der Phase der 60-er Jahre war, als die Neufassung der FRV von
allen Trägern angenommen werden
musste. So wurde erklärt, der Städtetag sei personell nicht in der Lage, die
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für einen Beitritt aller Träger in den
neuen Ländern erforderliche Verwaltungsarbeit zu leisten. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass per Einzelschiedsvertrag etliche ö. und üöT.
in Streitverfahren einbezogen worden
sind und zwar sowohl als Antragsteller als auch als -gegner.
Der Gesetzgeber hatte ein grundsätzliches Interesse an einer Beibehaltung der Schiedsgerichtsbarkeit und
unternahm im Rahmen des Gesetzes
zur Umsetzung des Föderalen Konsolidisierungsprogramms (FKPG) vom
23.6.1993 den Versuch, sie durch eine
bundesgesetzliche Regelung abzusichern: in das BSHG wurde § 113a, in
das KJHG § 89h aufgenommen, jeweils
Vorschriften über das schiedsgerichtliche Verfahren, das durch eine Rechtsverordnung des Bundes mit Zustimmung der Länder im Detail geregelt
werden sollte. Im Zusammenhang mit
der Beratung solcher Verordnungsregelungen setzten sich dann aber im
Hinblick auf die Rechtsweggarantie des
Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzlich
eingeführte „Zwangsschiedsgerichtsbarkeit“ durch, so dass die genannten Vorschriften in beiden Gesetzen mit
Wirkung vom 1. 8. 1996 wieder aufgehoben wurden. Bei ernsthaftem Interesse an einer Beibehaltung der
Schiedsgerichtsbarkeit hätte man
lediglich die Bestimmungen dahingehend ändern müssen, dass sie nur ein
Vorverfahren einführen, also nicht die
Spruchstellen kraft Gesetzes an die
Stelle der Gerichte treten; zusätzlich
hätten bei entsprechendem Wollen aller Beteiligten die großen Trägerverbände der ö. und üöT einen Verzicht
auf anschließende gerichtliche Geltendmachung vereinbaren oder
mindestens eine solche Empfehlung
aussprechen können, womit die Bedenken zur Rechtsweggarantie gegenstandslos gewesen wären.
6. Kündigung der FRV zum
31.12.1996
Hierzu kam es jedoch nicht; trotz zahlreicher für die Beibehaltung der FRV
(in novellierter Form) eintretender
Stimmen, empfahlen die kommunalen
Spitzenverbände und die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen
Träger der Sozialhilfe ihren Mitgliedern, die FRV zum 31. 12. 1996 mit
der Maßgabe zu kündigen, dass
bereits laufende Verfahren noch zum
Abschluss gebracht werden sollten. Die
Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sprach sich hiergegen
aus und empfahl ausdrücklich eine
Weiterführung der Schiedsgerichtsbarkeit nach der FRV. Die große Zahl der
Träger kam schließlich der Empfehlung
der AG der Sozialhilfeträger nach, so
dass diese Vereinbarung damit bundesweit keine Grundlage für ein Verfahren mehr sein konnte.
7. Sonderweg in BadenWürttemberg
In Baden-Württemberg führte diese
Haltung dann auch zu einer neuen Vereinbarung; hier wurde mit Zustimmung aller Beteiligten eine am
1.1.1998 in Kraft getretene „BadenWürttembergische Vereinbarung über
die Anwendung der Fürsorgerechtsvereinbarung (FRVBW) abgeschlossen,
die für die Entscheidung über Kostenerstattungsstreitigkeiten zwischen den
Trägern in diesem Land weiterhin den
Weg zur Spruchstelle Stuttgart eröffnet, wobei per Einzelschiedsvertrag
(gem. § 12) auch alle anderen Träger
in Deutschland die Anrufung dieser
Spruchstelle vereinbaren dürfen, wovon auch Gebrauch gemacht wird. Bei
diesem Verfahren gibt es keine Berufungsinstanz mehr; die Entscheidungen
der Spruchstelle sind vielmehr abschließend und rechtskräftig. Die Vereinbarung war zunächst bis 31.12.
2000 befristet, ist inzwischen aber unbefristet verlängert worden.
8. Schlussbetrachtung
Wenn man nicht den Weg über das
(nur 1-instanzliche) Schiedsverfahren
in Stuttgart gehen will, bleibt heute
nur noch der Weg zum Verwaltungsgericht, wenn man Kostenerstattung
von einem anderen Träger verlangen
will. Dass die Vorbereitung einer Verwaltungsgerichtsklage einen höheren
Qualitätsaufwand erfordert als das
Anrufen einer Spruchstelle, liegt auf
der Hand. Bei den oben genannten
Diskussionen in den Gremien der kommunalen Spitzenverbände war erkennbar, dass diese gegenüber dem
Schiedsverfahren höhere Schwelle
durchaus erwünscht schien: Viele
drückten die Hoffnung aus, dass wegen des künftig höheren Personalauf4/03
jhr_rund um die Jugendhilfe
wands für eine Erstattungsklage die
Zahl der Kostenerstattungsverfahren
deutlich abnehmen werden; dieses
Ziel hätte man auch innerhalb der FRV
erreichen können, z.B. durch vereinbarte Regelungen für verkürzte Verfahren, höhere Schwellenwerte für eine
Berufung, Ausschlussfristen etc. Im
Übrigen hätte man, wenn es darum
geht, Kostenerstattungsmöglichkeiten
abzubauen, beim Gesetzgeber eine
Reduzierung der Erstattungsvoraussetzungen anzuregen. Die immer weiter
ausdifferenzierte Kostenerstattungsregelung, besonders im KJHG, führt zum
entgegengesetzten Ergebnis. Dass eine
Reduzierung der Erstattungsmöglichkeiten aber für viele Orte und Träger
auch existentielle Fragen aufwerfen
würde, braucht in dieser Zeitschrift
nicht extra betont zu werden.
In jedem Fall hätte ein vereinbartes
und durch die Beteiligten ohne Gesetzgeber änderbares Schiedsverfahren
nach der (novellierten) FRV für die
Zukunft mehr Flexibilität und Möglichkeiten zugelassen als der jetzt gegebene starre Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten mit bis zu 3 Instanzen
und den bekannten Fristen dieser
Rechtszüge. Es kommt überdies hinzu, dass nach der FRV praktischerweise der Kostenerstattungsanspruch gegen mehrere in Betracht kommende
Träger in 1 Verfahren zusammengefasst
werden durfte, was dann zu einer abschließenden Entscheidung gegenüber allen in Betracht kommenden Trägern führte, was nach der VwGO so
nicht erreichbar ist.
Am Ende dieses langen, ergebnisund erfolgreichen Weges bleibt im
Wesentlichen nur noch der Rückblick
auf eine Tätigkeit, bei der insgesamt
als 5 Jahrzehnte lang engagierte Frauen und Männer für die Öffentlichkeit
weitestgehend im Verborgenen Verdienstvolles geleistet haben. Viele
Stunden über die Wochen- und Lebensarbeitszeit hinaus wurde an der
Streitschlichtung in einer Materie gearbeitet, bei der ein komplizierter
Sachverhalt aufzuklären und dabei ein
sehr detailliertes Netz von Vorschriften zu beachten und auszulegen war.
Diesen Personen gebührt Dank und
Anerkennung für ihren unermüdlichen
Einsatz, der in zahlreichen Fällen über
30 Jahre hinausging. Dank gebührt
auch dem Landschaftsverband Rheinland, der in den abgelaufenen 16 Jahren – abgesehen von einer Sachkostenpauschale aus den Gebühren und
Auslagen der Entscheidungen – trotz
der sehr schwierigen Haushaltslage die
Personal- und verbleibenden Sachkosten der Geschäftsstelle der Zentralen
Spruchstelle getragen hat.
Helmut Saurbier, Bergisch Gladbach,
[email protected]
Die vollständige Fassung dieses Artikels
ist in der Zeitschrift für das Fürsorgesystem (ZfF) 7/2003 erschienen.
Szenen einer Ausbildung
Coolness- und Deeskalationstraining
Eine kleine Gruppe von Menschen sitzt
dichtgedrängt auf dem Boden, Arme
und Beine sind ineinander verschlungen, Hände umfassen die Hand- und
Fußgelenke anderer, die Gesichter wirken entschlossen bis verbissen.
Als eine weitere Gruppe von Menschen grölend auf die Sitzenden einstürmt und beginnt die Gruppe auseinander zu zerren und einzelne
fortzureißen, beginnt die ineinander
verschlungene, heftig Widerstand leistende und erbittert um Zusammenhalt
kämpfende Masse lautstark zu singen.
Beide Seiten zerren, reißen, grölen,
beschimpfen, …
4/03
Aus der Menge ertönt ein „Stopp!“
– alle verharren für einen kurzen Augenblick, eine Person löst sich aus der
Gruppe, entfernt sich von dieser ...
und dann geht es weiter!
Bei dieser Momentaufnahme handelt es sich nicht – wie der Leser1 nun
vielleicht meinen könnte – um eine
Szene einer gewaltsam von der Polizei
aufgelösten Sitzblockade, sondern um
eine Übung im Rahmen der Ausbildung zum Anti-Gewalt-/ Coolness- und
Deeskalationstrainer, die das Landesjugendamt seit April diesen Jahres unter der Leitung von Helmut Kuhfuß
und Andreas Sandvoß ausrichtet.
In solchen und ähnlichen Übungen
begeben sich die Teilnehmer der Ausbildung in Situationen, in denen sie
Gefühle von Macht und Ohnmacht,
von Gruppenzugehörigkeit und Zusammenhalt, von Aggression und Provokation erfahren.
Situationen, in denen Pädagogen,
Sozialarbeiter, Lehrer – allesamt rücksichtsvolle, empathische und prosozial eingestellte Menschen – angestachelt
durch den (Übungs-) Auftrag, die
Gruppe, die Lautstärke, ... eigene
Grenzen überschreiten, um sich in der
anschließenden Reflexion mit genau
diesen – den eigenen Grenzen –
auseinander zusetzen und sich die eigenen aggressiven Gefühle mit den
damit einhergehenden Empfindungen
und körperlichen Begleiterscheinungen bewusst zu machen.
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rund um die Jugendhilfe_jhr
Aber nicht alle Inhalte und Übungen der Ausbildung zum Anti-Gewalt/ Coolness- und Deeskalationstrainer
gestalten sich derart laut und impulsiv.
Neben diesen ‚aggressionsspezifischen’ Inhalten werden zahlreiche
Übungen und Spiele zum Kennenlernen und Aktivieren von Gruppen, zur
Förderung der Selbst- und Fremdwahrnehmung, zur Kooperationsfähigkeit, Übungen aus dem erlebnis-pädagogischen Bereich sowie verschiedene
Entspannungsverfahren vorgestellt
und erprobt.
Selbstverständlich werden im Rahmen der Ausbildung auch theoretische
Grundlagen zum Anti-Gewalt- und
Coolness-Training sowie zu spezifischen
Themen wie z.B. Rechtsextremismus
oder Hooligans vermittelt.
Und auch die Erfahrung des sogenannten „Heißen Stuhls“, der ein zentrales Element innerhalb des Anti-Ge-
walt-Trainings mit gewalttätigen Jugendlichen darstellt, erlebt jeder Teilnehmer im Laufe der Ausbildung ‚am
eigenen Leib’.
operation mit der Universität zu Köln
wird die Ausbildung fachlich begleitet. Hier ist Jutta Pusch-Runge für alle
Beteiligten die zentrale Ansprechperson in Sachen Organisation. Darüber
hinaus ist sie mit hoher fachlicher Kompetenz eine ideale Ansprechpartnerin
für fachliche Fragen rund um den Einsatz zukünftiger Trainer im Kompetenzbereich des LVR.
Gundi Reinsch
1
Neben den Ausbildungseinheiten
Anti-Gewalt- / Coolnesstraining ist der
Bereich Deeskalation in gewaltbesetzten Situtionen zentraler Teilbereich der
Ausbildung. Die zukünftigen Trainer
werden befähigt zu vermitteln, einzugreifen und praktisch zu deeskalieren.
Hierbei ist das zentrale Anliegen, dass
die Teilnehmer ihr eigenes Deeskalationsprofil entwickeln.
All diese Inhalte und Übungen sind
eingebettet in einen steten Wechsel
von Ruhe und Aktivität, von Theorie
und Praxis, so dass die Teilnehmer nach
jedem Treffen auf´s Neue verblüfft
sind, wie kurzweilig ein solch langer
(Wochenend-) Seminartag verfliegen
kann.
Unter der Schirmherrschaft des LVR/
Landesjugendamtes Rheinland in Ko-
Zur besseren Lesbarkeit des Textes wurde
bei sämtlichen Personenbezeichnungen die
männliche Form gewählt. Selbstverständlich
sind darin jeweils beide Geschlechter eingeschlossen.
Andreas Sandvoß, Diplomsozialpädagoge beim Jugendamt Essen, und Helmut
Kuhfuß, Lehrer in Essen, sind seit einigen
Jahren zusätzlich als Anti-Gewalt- / Coolness- und Deeskalationstrainer tätig. Ihr
Tätigkeitsfeld erstreckt sich von der Arbeit
mit Straftätern in JVAs, über Trainings in
Jugendhäusern u.a., Multiplikatorenausund -fortbildung bis hin zur Unterrichtstätigkeit an der Universität zu Köln sowie der Lehrerfortbildung.
Weitere Informationen sind zu finden
unter: www.anti-gewalt-training.de,
Kontakt: [email protected]
Informationen auch bei Jutta PuschRunge, Landesjugendamt Rheinland ,
[email protected]
Grenzen setzen
Selbstbehauptungs- und Konflikttraining für Kinder und Jugendlichen
Der Mann hat den Schüler in der vollen Straßenbahn einfach angepöbelt.
Aufstehen wollte keiner bis Jan den
Platz doch freigab, weil der Typ immer
aufdringlicher und aggressiver wird.
Nachgeben kann gesünder sein. Seine
3 Freunde bleiben sitzen. Wortlos und
unsicher. Der Mann fordert sie flüsternd auf ihm was zu geben, Kleingeld
oder auch den Walkman. Sein Ton ist
scharf und angsteinflössend. Der Typ
hat was gefährliches und die Bedrohung ist spürbar. Wäre gut die Schüler kämen weg. Nur wie?
Eine Situation, die real wirkt und
Angst und Unsicherheit bei den Betroffenen auslöst.
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Eine Situation wie sie täglich live in
der Realität vorkommt und hier in einem Rollenspiel nach gestellt wird.
Die Situation wird gestoppt. Der
Mann steht auf , lächelt und die Schüler wissen, das Rollenspiel ist vorbei.
Jürgen Fais ist dieser angsteinflößende Typ, allerdings nur im Rollenspiel.
Im wirklichen Leben ist er Sozialpädagoge und Supervisor. Für die Schüler
Trainer, manchmal Kumpel und häufig ganz bewusst Vorbild.
An 4 Nachmittagen übt er mit den
Schülern in Rollenspielen effizientes
Verhalten bei Aggressions- und Gewaltsituationen. Alltägliches, immer an der
Praxis entlang: Abgezockt werden an
der Haltestelle, auf dem Nachhauseweg, die angedrohten Schläge auf
dem Schulweg, das Ansprechen auf
der Parkbank, die Fragen Fremder
aber auch vertrauter Menschen nach
Uhrzeit, kleinen Gefälligkeiten, Intimas
etc..
Das Selbstbehauptung- und Konflikttraining für Kinder und Jugendliche
ist ein Angebot von ParaVida, einer
Firma die bundesweit Kurse und Seminare, Workshops und Trainings in
Sachen Gewaltprävention und Sicherheitsschulungen anbietet. Dazu gehört
neben den präventiven Angeboten,
auch ein Begleittraining für Eltern, um
Kinderängste und (Vor-)Bilder besser
4/03
jhr_rund um die Jugendhilfe
zu verstehen und diese in ihrem Selbstwertgefühl stärken.
Jürgen Fais und Marcus Rosin, Polizeibeamter, haben ParaVida 1995 ins
Leben berufen. Die Kurse für Kinder
und Jugendliche gehören seit 7 Jahren
zum Programm und resultieren aus
dem Wunsch vieler Eltern, ihre Kinder bestmöglich auf Aggressions- und
Gewaltsituationen vorzubereiten, auch
wenn vielen klar ist, dass es im Leben
immer wieder Situationen geben kann
wo Kind (natürliche auch Erwachsener)
machtlos ist.
Primäres Ziel ist Kinder und Jugendliche stark und selbstbewusst zu machen, damit sie weniger leicht zu
Opfern werden. Dazu gehört die Schulung und Förderung der Wahrnehmung („besser erkennen“), der Kommunikation („sich besser mitteilen“),
die Steigerung des Selbstwertgefühls
(„ich bin ein wichtiger Mensch“), so
wie das Informieren („Tipps und
Tricks“).
Die Kurse finden altershomogen
statt (max. 2 Jahre Differenz) und auch
ist die max. Gruppengröße auf 12 TeilnehmerInnen beschränkt Damit man
auf die geschlechtsspezifischen Beson-
derheiten und Konfliktsituationen besser eingehen kann, werden die Kurse
nach Geschlecht getrennt durchgeführt. Der Schwerpunkt der Mädchenarbeit liegt in der Prävention des sexuellen Missbrauchs.
Einer der Übungen ist das Malen in
ein vorgegebenes Körperschema. Mit
verschiedenen Farben sollen die Mädchen malen, wo sie Berührungen zulassen -- von sich selbst, Eltern, Freunden oder Fremden. Bei Fremden ist
die Sache klar – am besten gar nicht - bei Freunden oder auch bei Eltern,
wird es schon schwieriger. Hand geben, umarmen, über den Kopf streicheln, ist das noch ok. oder schon
unangenehm? Und darf man das? Bewusst werden die Mädchen ermutigt,
auch in der Familie Nein zu sagen,
wenn Knutschattacken von Tante
Knuddel oder Onkel Sabbelschmatz
unwillkommen sind.
Grenzverletzungen im körperlichen
Bereich sind um so schwerer zu erkennen, je näher die Person dem Kind
steht. In den meisten Fällen ist es eben
nicht der Fremde, sondern jemand
den das Kind kennt, vielleicht sogar
gerne hat. Ein Bekannter, ein Freund,
Verwandter, der sich nach und nach
das Vertrauen erwirbt, die Defizite
spürt und das Kind mit Aufmerksamkeit und Zuwendung ködert, bis es zu
ersten Grenzverletzungen kommt.
Nur ein vertrauensvolles Verhältnis,
insbesondere zu den Bezugspersonen,
schafft Raum, über Übergriffe , Ängste oder Unbehagen zu sprechen. Das
Training zeigt Wirkung. Jungen und
Mädchen lernen in diesem Kurs nicht
besser zu schlagen, selbst wenn sie am
Ende den Schienbeintritt als allerletzte Möglichkeit üben. Sie nutzen vielmehr ihre stärkste Waffe, die Eigenund Fremdwahrnehmung, so wie ein
resolutes selbstbewusstes Auftreten.
Die Kinder lernen im Kurs deshalb auch
zu unterscheiden zwischen guten und
schlechten Geheimnissen. Eltern wird
dabei geraten, zuzuhören und die Kinder ernst zu nehmen. Dies schafft
Selbstvertrauen und das ist am Ende
die beste Prävention.
Kontakt: www.paravida.de,
Jürgen Fais, Tel.: 0221/41 92 45,
[email protected],
Marcus Rosin, Tel. 0221/25 44 98,
[email protected]
Lernen durch Vergleich –
Erkennen durch Beobachtung
Landesweites Berichtswesen zu den Hilfen zur Erziehung in NRW zwischen
Dienstleistung für kommunale Jugendhilfeplanung und Sozialberichterstattung
Eine aktuelle bundesweite Studie des
Deutschen Jugendinstituts bescheinigt
unlängst der kommunalen Jugendhilfeplanung eine zunehmende Nutzung
datengestützter Verfahren.1 Gleichzeitig jedoch kommt die Untersuchung
auch zu dem Schluss, dass die Datengrundlage für Jugendhilfeplanung in
den Jugendämtern nach wie vor in vielen Fällen nicht ausreichend ist. Somit
ist zwar auf der einen Seite zu beobachten, dass bezogen auf die Implementation von Systemen der Datengenerierung die ersten Schritte
gemacht worden sind, doch bedürfen
diese insbesondere auch auf der kommunalen Ebene – so auch der Elfte Kinder- und Jugendbericht – einer weiteren Verbreitung sowie zusätzlicher
innovativer Impulse. 2 Dies schließt
4/03
auch mit ein, dass die AkteurInnen im
Jugendhilfealltag vor Ort das statistische Faktenwissen über den eigenen
Arbeitsbereich kontinuierlich erneuern
und aktualisieren. Umso mehr scheint
dies notwendig zu sein, wenn – wie
derzeit der Fall – in den sozialpolitischen Räumen auf kommunaler Ebene
aufgrund der bis auf das äußerste angespannten Lage der öffentlichen
Haushalte „harte“ empirische Fakten
bis hin zu Wirkungsnachweisen über
die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe eingefordert werden.
An dieser Stelle setzt das nunmehr
seit mehreren Jahren bestehende landesweite Berichtswesen zu den Hilfen
zur Erziehung in Nordrhein-Westfalen
an. Mittlerweile sind auf der Grundlage von Auswertungen und Analysen
der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik sowie ergänzenden Befragungen zu der Inanspruchnahme und
Gewährung von sog. flexiblen Hilfen
und Eingliederungshilfen für seelisch
behinderte junge Menschen in Zusammenarbeit mit den Landesjugendämtern, dem Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik sowie den
Jugendämtern in Nordrhein-Westfalen
seitens der Arbeitsstelle Kinder- und
Jugendhilfestatistik (AKJStat) drei HzE
Berichte erstellt worden.3 Auf dieser
Datengrundlage ist es zentrales Anliegen des quantitativen Berichtswesens,
sowohl für die überörtliche als auch
insbesondere für die örtliche Ebene
eine unterstützende Funktion für Planung und Politik auszufüllen. Es geht
darum, das interne Faktenwissen über
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rund um die Jugendhilfe_jhr
die Gewährung und Inanspruchnahme
von Leistungen der Hilfen zur Erziehung zu erhöhen und kontinuierlich
zu erneuern (1). Zudem soll für die
Jugendhilfeplanung der Blick über die
„eigene Kirchturmspitze“ hinaus geschärft werden (2).4
(1) Nutzen für kommunale
Jugendhilfeplanung
Um den Anspruch einlösen zu können,
für die örtliche aber auch für die überörtliche Jugendhilfeplanung externe
Vergleichs- und Orientierungsfolien zur
Einschätzung und Weiterentwicklung
der eigenen Jugendhilfesituation bereitzustellen, müssen im Rahmen des
Berichtswesens regionale Disparitäten
bei der Inanspruchnahme und Gewährung von Hilfen zur Erziehung herausgearbeitet werden. Diesbezüglich sind
verschiedene regionale Differenzierungsebenen vorgesehen, die für die
Jugendhilfeplanung bzw. -politik externe Vergleichsfolien darstellen. Berücksichtigt werden dabei Angaben für
das Land Nordrhein-Westfalen insgesamt, die Landesjugendamtsbezirke Rheinland und Westfalen-Lippe, statistisch ermittelte Jugendamtstypen
auf der Grundlage von Sozialindikatoren und strukturellen Bedingungen
sowie – zumindest bezogen auf ausgewählte Eckwerte – die einzelnen Jugendamtsbezirke. Ferner wird seitens
des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik in Nordrhein-Westfalen für jedes Jugendamt aus den
jährlichen Angaben der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik ein Da-
tenprofil zur Situation der Hilfen zur
Erziehung erstellt und regelmäßig an
alle Jugendämter verschickt.
Gleichwohl verbunden mit diesen
Service-Leistungen für die Jugendämter in Nordrhein-Westfalen ein Instrument zur Unterstützung der kommunalen Jugendhilfeplanung entwickelt
worden ist, so darf dies bezogen auf
die Nutzungspotenziale nicht überschätzt werden.
Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass mit dem Instrument des landesweiten Berichtswesens
keine offenen Fragen von Planung und
Politik abschließend beantwortet werden können. Vielmehr hilft es dabei,
diese zu formulieren bzw. einen Beitrag zu deren Beantwortung zu leisten. Hierfür ist es notwendig, zwischen
verschiedenen Faktoren zu unterscheiden, die jeweils einen – wenn auch
nach dem derzeitigen Erkenntnisstand
nur schwer zu quantifizierenden – Einfluss auf die Höhe des Fallzahlenvolumens sowie die Ausgestaltung des
Spektrums der Erziehungshilfen haben.
Dies sind beispielsweise die Angebotsstrukturen in der Kommune
insbesondere auch im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt oder
auch die Wahrnehmungs- und Definitionsprozesse der MitarbeiterInnen in
den Sozialen Diensten.
Ein Beispiel von zwei strukturell vergleichbaren Kommunen im Rheinland
zur Verdeutlichung der Anwendungsmöglichkeiten des landesweiten Berichtswesens: Während laut HzE -Bericht 2001 bzw. amtlicher Statistik
HzE-Bericht: Unterstützung der kommunalen Planung
28
Kommune A im Jahr 2001 insgesamt
knapp 83 erzieherische Hilfen pro
10.000 der unter 21-jährigen Bevölkerung durchgeführt wurden, waren
dies in Kommune B 388, d.h. mehr als
viermal so viele Maßnahmen. Auch
zeigt sich in den strukturell vergleichbaren Städten ein sehr unterschiedliches Verhältnis zwischen der Inanspruchnahme von ambulanten und
stationären Hilfen. So wurden in Kommune A sechsmal mehr stationäre als
ambulante Hilfen gewährt (11,6 ambulante zu 71 stationären Hilfen pro
10.000 der unter 21-jährigen Bevölkerung), wohingegen in Kommune B
auf eine stationäre Hilfe 1,5 ambulante Hilfen kamen (237,9 ambulante zu
149,7 stationären Hilfen pro 10.000
der altersentsprechenden Bevölkerung). Ausgeklammert werden kann
bei diesem Beispiel weitgehend, dass
die regionalen Disparitäten auf Unterschiede bei der Belastung der sozioökonomischen Lebenslagen zurückzuführen sind. Entsprechend müssen
angesichts der Ergebnisse andere Fragen formuliert werden:
– Welche Effekte bzw. welche Zielsetzungen sind mit der hohen quantitativen Bedeutung ambulanter Hilfen in Kommune B verbunden?
Welche Synergieeffekte werden von
dem Ausbau dieses Hilfesegments
auf den Bereich der stationären Hilfen erwartet?
– Gibt es angesichts der hohen Zahl
an Heimunterbringungen in Kommune B möglicherweise ein Überangebot an Plätzen in Einrichtungen
und – wenn dies der Fall ist – welcher jugendhilfepolitische Druck
wird aufgrund dieser Tatsache im
kommunalen Raum erzeugt?
– Bestehen in den genannten Kommunen festgelegte Standards bei der
Hilfegewährung und wie gestalten
sich diese insbesondere auch dann,
wenn es um den Einsatz familienersetzender Maßnahmen geht?
Dies sind nur drei beispielhafte Fragestellungen. Darüber hinaus sind
weitere Konkretisierungen möglich,
ohne die hier im Einzelnen ausführen
zu wollen. So ist beispielsweise – um
nur zwei potenzielle Differenzierungsebenen zu nennen – eine Analyse von
altersspezifischen Inanspruchnahmedaten genauso wie eine präzisere Bestimmung des Leistungsspektrums nach
4/03
jhr_rund um die Jugendhilfe
Hilfearten möglich. Insgesamt kann es
aus Sicht der Jugendämter bei der
Nutzung der Ergebnisse des Berichtswesens nur darum gehen, aus den festgestellten interkommunalen Differenzen Anregungen und Impulse für die
Weiterentwicklung und Gestaltung
der eigenen Situation zum Spektrum
der Hilfen zur Erziehung zu erhalten.
(2) Unterstützung für
überörtliche
Jugendhilfeplanung
Die Aufbereitung und Analyse der vorliegenden statistischen Daten zu den
Hilfen zur Erziehung bietet nicht nur
für Jugendämter die Möglichkeit, die
eigene Situation mit der anderer Jugendamtsbezirke zu vergleichen.
Darüber hinaus hat das Berichtswesen
auch für die überörtliche Ebene eine
Erkenntnisfunktion. So lassen sich
beispielsweise sowohl auf der Grundlage der bislang ausgewerteten Daten
zu den Leistungen der Hilfen zur Erziehung als auch der landesweiten
Angaben zu den Ausgaben Strukturprobleme identifizieren, die genauso
wie für die AkteurInnen vor Ort eine
Herausforderung für Jugendhilfepolitik und -planung im Rheinland sowie
insgesamt in Nordrhein-Westfalen darstellen. Hierzu nur zwei Beispiele aus
den HzE Berichten:
– Spätestens mit Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes hat
bundesweit genauso wie in Nordrhein-Westfalen und speziell im
Rheinland eine Ausweitung des Fallzahlenvolumens der Hilfen zur Erziehung begonnen. Motor dieses
Anstiegs ist nach wie vor die Entwicklung bei den familienunterstützenden und -ergänzenden Hilfen,
während hingegen die familienersetzenden Maßnahmen nahezu stagnieren. Mit dieser Fallzahlenentwicklung ist auf Landesebene
gleichermaßen ein Anstieg der Ausgaben für Erziehungshilfeleistungen
zu konstatieren. Angesichts dieser
Entwicklungen stellt sich vor dem
Hintergrund der bereits seit mehreren Jahren äußerst angespannten
Haushaltslage der Kommunen die
Frage, wie lange Jugendhilfe noch
den offensichtlich steigenden Bedarfslagen junger Menschen und
deren Familien mit dem konventionellen Hilfeinstrumentarium gerecht
4/03
werden kann. Die Dringlichkeit dieser Fragestellung verdeutlicht sich
zumindest darin, dass auf der einen
Seite bei Fallzahlen- und Ausgabenentwicklung erste Anzeichen für
zumindest eine Verlangsamung der
Leistungszunahme zu beobachten
ist, während beispielsweise auf der
anderen Seite keine Indikatoren
dafür sprechen, dass sich die Lebenslagen der jungen Menschen
und deren Familien nachhaltig verbessern. Hinzu kommt, dass – hierauf
weist nicht zuletzt auch der Elfte Kinder- und Jugendbericht hin – in
Nordrhein-Westfalen genauso wie in
anderen westlichen Bundesländern
im Rahmen der demografischen Entwicklung die Altersgruppe der 12bis unter 18-Jährigen als Hauptklientel der Hilfen zur Erziehung zunehmen wird.
– Angesichts des zu beobachtenden
Wachstums der ambulanten Leistungen stellt sich die Frage, mit welcher Zielrichtung dieses Leistungssegment gestärkt wird. Es ist zu
klären, inwiefern möglicherweise der
Ausbau der ambulanten Hilfen einseitig auf eine Reduzierung bzw.
Begrenzung von insbesondere stationären Fremdunterbringungsmaßnahmen zielt. Möglicherweise muss
sich im Rahmen der kommunalen
Jugendhilfeplanung gefragt werden,
inwiefern die Strategie des Ausbaus
ambulanter Leistungen auf vagen,
sich letztlich als unhaltbar erweisenden Vermutungen basiert. In jedem
Fall muss wohl Abstand von der Annahme eines Automatismus bezogen
auf den Ausbau des ambulanten Sektors zur Reduzierung von Fremdunterbringungen genommen werden.
Diese Form des Umbaus muss gestaltet werden. Dies wird allerdings
durch die Tatsache erschwert – und
an dieser Stelle bleibt auch die Jugendhilfeforschung zumindest
bislang eine Antwort weitgehend
schuldig –, dass mögliche Auswirkungen einer Infrastruktur ambulanter Leistungen bezogen auf eine Reduzierung von stationären Hilfen
bisher weder systematisch aufgearbeitet noch ausreichend empirisch
belegt sind.
Es wäre ein fatales Missverständnis,
würde man davon ausgehen, dass die
hier exemplarisch benannten, gleich-
wohl zentralen, Strukturprobleme für
die Hilfen zur Erziehung seitens der
Jugendhilfe nur ertragen werden müssen. Vielmehr ist es u.a. auf der Grundlage von Beobachtungs- und Analyseinstrumenten notwendig – und darin
liegt die Stärke eines quantitativen
Berichtswesens auf Landesebene –
Schlüsselstellen zu markieren, um auch
seitens einer überörtlichen Jugendhilfepolitik das Feld der familienunterstützenden, -ergänzenden und -ersetzenden Hilfen aktiv auf der Grundlage
empirischer Daten mitzugestalten.
(3) Ausblick
Mit der Einführung eines landesweiten Berichtswesens zu den Leistungen
der Hilfen zur Erziehung gehört Nordrhein-Westfalen zu den ersten Bundesländern, die ein entsprechendes
Informationssystem flächendeckend
installieren. Derzeit ist ein ähnliches
System lediglich für den Landesjugendamtsbezirk Württemberg-Hohenzollern bekannt. Andere Länder
werden jedoch folgen. So ist ein entsprechendes Projekt in den letzten
Monaten in Rheinland-Pfalz gestartet,
in Sachsen-Anhalt in Vorbereitung oder
auch in Niedersachsen in Planung. Der
weitere Erfolg des Berichtswesens für
Nordrhein-Westfalen wird im Wesentlichen mit davon abhängen, wie dieses Instrument zukünftig seitens der
örtlichen aber auch der überörtlichen
Ebene genutzt wird. Hier wird es darauf ankommen, im Rahmen der jährlichen Fortschreibung des Berichtswesens unter Berücksichtigung der
vielfältigen Auswertungsdimensionen
auch zumindest einige der jeweils
drängenden Fragestellungen von Planung und Politik aufzugreifen. Wenn
dieses gelingt, kann das landesweite
Berichtswesen einen entscheidenden
Beitrag für die Jugendhilfe in Nordrhein-Westfalen leisten, das empirische
Faktenwissen zu erhöhen sowie die Orientierungs- und Vergleichsmöglichkeiten für Jugendämter zur kritischen Reflexion der eigenen Situation zu
erweitern.
1
2
Vgl. van Santen, E. u.a.: Kinder- und Jugendhilfe in Bewegung – Aktion oder Reaktion?,
München 2003.
Vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.): Bericht
über die Lebenssituation junger Menschen
und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland – Elfter Kinder- und Ju-
29
rund um die Jugendhilfe_jhr
3
gendbericht – mit der Stellungnahme der
Bundesregierung. Drucksache 14/8181, Berlin 2002.
Die Berichte sind in Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe entstanden, die sich aus
den benannten Institutionen zusammensetzt. Die Arbeitsgruppe ist in die Erstellung
des Berichtes mit einbezogen, um Anregungen und kritische Stellungnahmen aus Sicht
der Praxis mit zu berücksichtigen. Die letzten beiden HzE Berichte sind auf den Internetseiten des Landesjugendamtes bei der
Fachberatung Jugendhilfeplanung kostenlos
verfügbar (www.lvr.de/FachDez/Jugend/
Fachthemen/Jugendhilfeplanung/).
4
Bislang erfolgten zumeist positive Bewertungen der HzE Berichte, wobei insbesondere
der Umstand hervorgehoben worden ist,
dass nicht nur bloße Fakten und Datenreihen dargestellt, sondern diese fachlich kommentiert und inhaltlich diskutiert werden
sowie – darauf aufbauend – Empfehlungen
für die Weiterentwicklung der kommunalen
Jugendhilfeplanung formuliert werden. Die
Akzeptanz lässt sich auch daran ablesen,
dass das landesweite Berichtswesen nicht nur
seitens der Jugendhilfeplanung genutzt
wird, sondern auch bei den MitarbeiterInnen des ASD zumindest zur Kenntnis genommen wird.
Jens Pothmann/Ruth Overmann,
Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik, Universität Dortmund, Fachbereich 12, CDI-Gebäude/Forschungsverbund, Vogelpothsweg 78, 44227
Dortmund, Tel.: 0231/755-5420,
E-Mail: [email protected]
Die ungekürzte Fassung des Textes
finden Sie unter www.lvr.de, Jugend,
Jugendhilfeplanung
Drehscheibe – Kooperation Jugendhilfe und Schule
Die Drehscheibe ist ein Kooperationsmodell zwischen Schulen, der Jugendhilfe und verschiedenen Arbeitsgruppen der freien Jugendhilfe. Die
Drehscheibe beschäftigt jugendliche
Schulschwänzer aus verschiedenen
Schulformen. Eine kleine Übersicht bietet folgende Übersicht:
Klaus ist seit zwei Jahren Schulschwänzer.
Mario besucht unregelmäßig die
Schule und wenn er doch mal
anwesend ist, schafft er es
immer wieder der Schule
verwiesen zu werden.
Kevin besucht zwar hin und wieder
die Schule, aber nur um seine
Geschäft zu machen und
Anzeigen zu kassieren.
Jülmann hat zuviel Kraft und prügelt
sich bei jeder sich bietenden
Gelegenheit herum. Bisher 20
Schulverweise und jede
Menge Fehlzeiten.
Patrik war zwei Jahre auf Kreta und
begreift einfach nicht, dass er
wieder zur Schule gehen muss.
30
Domenik versucht eine Karriere als
Kleinkrimineller und hat einen
ausgefüllten Terminkalender in
dem das Wort Schule selten
seinen Eintrag findet.
Sie alle kommen zu einem Angebot
der Schule für Erziehungshilfe in Kooperation mit dem Arbeitskreis Schulschwänzer der Stadt Geldern, mit dem
treffenden Namen „Drehscheibe“. Im
Vorlauf fand eine Art Bewerbungs- und
Eignungsprüfung statt. Wesentliches
Qualitätsmerkmal war ein besonders
ausgeprägter „Schulschwänzer“ oder
„Schulverweigerer“ zu sein. Es durften
auch kleinkriminelle Erfahrungen vorhanden sein. Besonders waren Jugendliche geeignet, die aggressive Verhaltensmuster einsetzten, um ihre
Vorstellungen durchzusetzen. Alles in
allem Schüler mit einem ausgeprägtem Energiepotential und mit guten
Gründen schulische Angebote zu verweigern.
Morgens 7:30 Uhr beginnt Jülmann
seine Arbeit. Auf dem Hof wartet ein
Laster mit einem Fahrer (spricht fast
nur russisch) einem Beifahrer (Asylbewerber mit arabischem Dialekt) und
einem Routenplan für die Abfuhr von
Altmetall. Der Arbeitsanleiter hat die
Tour festgelegt und Jülmann steigt mit
in den Laster um irgendwann am Nachmittag wieder zurückzukommen.
Patrik fährt bei einer anderen Kolonne mit. Alles Mitarbeiter in grünen
Arbeitanzügen und eine Menge Gerätschaften auf dem Laster. Das sind
die Grünen (Garten- und Landschaftsbau) die heute Baumschnitte machen
und diese sofort häckseln. Insgesamt
zählt die Truppe zusammen mit Patrik
5 Personen. Gemeinsame Amtssprache
sind vereinbarte Zeichen. Der Grund
hierfür ist die große Geräuschkulisse
und die unterschiedlichen Nationalitäten.
Klaus, Mario, Kevin und Domenik
werden in verschiedene Werkbereiche
aufgeteilt (Holz, Metall, Pulverbeschichtung, Kunststoffbau). Auf dem
Programm stehen Produktionen für die
USA (besondere Hängeregale), ein
Thekenbau für Saturn und der Guss
einer 5m hohen Freiheitsstatue als Dekoelement irgendeiner „Dinerkette“.
Arbeit und Schule
Die Schüler wissen, dass ihre bisherigen Erfahrungen hier besonders
gefragt sind. Sie müssen kreativ am
Arbeitsprozess teilnehmen. Die Arbeitsteams erstellen ein Produkt und jede
Hilfestellung führt zum Erfolg. Die
Mitarbeiter verlassen sich aufeinander.
Fehler werden besprochen und korrigiert. Die Terminvorgabe bestimmt
4/03
jhr_rund um die Jugendhilfe
den Arbeitsablauf. Einzelne Handhabungen von Maschinen und Arbeitvorgängen werden gezeigt und geprobt.
Die erstellten Produkte werden ausgeliefert und der Kunde beurteilt die Leistung. Ein Teil dieser Kette bildet ein
Schüler bzw. ein Mitarbeiter aus dem
Projekt Drehscheibe.
Kevin bekommt bei der Arbeit Probleme. Seine Vorarbeit zur Pulverbeschichtung (entfetten der Metallteile)
war nicht gründlich genug und die
Beschichtung hat nicht gehalten. Die
Beschichterin ist sauer und stellte Kevin zur Rede. Früher ist Kevin bei Ärger abgehauen und hat schwächere
Mitschüler verprügelt. Heute lässt er
sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Nachdem sich seine Kollegin abreagiert hat, stellen beide fest, dass
die Flüssigkeit in der Entfettungsanlage zu alt war. Beide zusammen wechseln die Entfettung und der Schaden
besteht darin, die vermurksten Teile
abzustrahlen und neu zu Beschichten.
Solche und weitere Probleme werden zusammen mit dem vor Ort anwesenden Schulsozialarbeiter geklärt
bzw. eine sofortige Regelung getroffen. An drei Tagen in der Woche findet dieses Angebot für die oben genannten Schüler statt. An zwei Tagen
bekommen die Schüler Unterricht in
dem hiesigen Jugendzentrum „checkpoint“. Ein Lehrer der Schule für Er-
ziehungshilfe organisiert ein Unterrichtangebot in Anlehnung an die jeweilige Arbeitspraxis der Jugendlichen.
Das Jugendzentrum ist der Dreh- und
Angelpunkt der „Drehscheibe“. Hier
fallen alle Entscheidungen und Praxisangebote der Teilnehmer. Ob die Arbeit im Betrieb oder die Mitwirkung
Kooperation im Jugendzentrum
im Schülerkaffee vor Ort. Alles wird
zusammen mit den Schülern besprochen und organisiert. Auch sind vor
Ort in den Betrieben noch andere Teilnehmer der Drehscheibe aus anderen
Schulformen aber mit der gleichen
Qualifikation. Wichtigstes Element der
Qualifikation ist, Energie zu haben, um
sich gegen etwas zu stellen. Der qualifizierte Teilnehmer hat eine Entscheidung getroffen. Erst gegen die Schule, dann für das Projekt. Schule ist
somit nicht Pflichterfüllung sondern
Anerkennung, Verantwortung und das
Gefühl gebraucht zu werden.
Im Resultat, aus der Sicht der Schule für Erziehungshilfe, haben die Mitarbeiter des Projektes derzeit zwei Jahre
dort verbracht. Die Mitarbeiter aus
dem Vorläufermodell befinden sich
schon in beruflichen Zusammenhängen und Qualifikationsmaßnahmen.
Die Teilnahme ist regelmäßig und die
ungewöhnlichste Erkenntnis ist die,
dass die zwei Tage Schule im Jugendzentrum nie verpasst werden. Fast alle
zeigten hier Schulleistungen, die schon
seit Jahren nicht mehr erbracht worden sind. Das Selbstverständnis und
die Rolle von Lehrer und Sozialarbeiter hat sich gewandelt. Probleme haben einen realen Zusammenhang und
konkrete Vorstellungen beim Mitarbeiter (Schüler).
Für die Zukunft stellen wir uns die
Fortführung des Angebotes vor. Da wir
eine Kreisschule sind und an diesem
örtliche Angebot partizipieren, würden
wir gerne das Konzept auf eine andere Ebene heben. Für den bestehenden
konzeptionelle Rahmen ist die Stadt
Geldern verantwortlich und wir danken für die Bereitschaft uns daran teilhaben zu lassen.
Erich Böckenhüser, Schulsozialarbeiter,
Schule für Erziehungshilfe Kevelaer,
[email protected]
Sexualerziehung im Kindergarten
„Nase, Bauch und Po“ ist das Motto
einer bundesweiten Initiative der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zur Sexualerziehung im
Kindergarten in Zusammenarbeit mit
dem Bundesfamilienministerium.
Neben dem Bühnenstück „Das Märchen von Nase, Bauch und Po“ startet
die bundesweite Kinderliedertour der
BZgA, die mit Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend entstanden ist. Mit
auf Tour gehen die Kindergartenbox
„Entdecken, schauen, fühlen!“, das
erste umfassende Medienpaket zur
frühkindlichen Sexualerziehung sowie
begleitende Fortbildungsseminare für
pädagogisch Tätige. Diese drei Elemente sind die Bestandteile einer um-
4/03
fassenden Initiative zur Sexualerziehung im Kindergarten.
Schon im Kindergartenalter konfrontieren Kinder Erwachsene mit Fragen zu Geschlechtsunterschieden, Liebe, Schwangerschaft oder Geburt. Vielen Eltern, Erzieherinnen und Erziehern
fällt es nicht leicht, mit den Kindern
über diese Themen zu reden. So stehen auch Kindertageseinrichtungen
vor der Aufgabe, eine die Erziehungsarbeit der Familien ergänzende Funktion zu übernehmen und das Grundwissen des Kindes und seine körperliche Entfaltung zu fördern.
Sexualerziehung im Kindesalter ist
in nur wenigen Kindertagesstättengesetzen der Bundesländer verankert.
Umfassende Konzepte und Materialien
zur vorschulischen Sexualerziehung
fehlen und in der erzieherischen Ausund Fortbildung wird das Thema häufig ausgespart. Vor diesem Hintergrund
füllt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit der heute beginnenden Kinderliedertour eine Lücke.
Drei kommunikative und lebendige Elemente werden dabei in der Kinderliedertour vereint: Hierzu gehört
das Musikmärchen „Das Märchen von
Nase, Bauch und Po“, das auf unterhaltsame Weise die Fragen und Erfahrungen der Kinder zu Freundschaft, Liebe und Berührung behandelt. Mit der
Kindergartenbox „Entdecken, schauen,
fühlen“ können Erzieherinnen und Erzieher mehr Sicherheit im Umgang mit
31
rund um die Jugendhilfe_jhr
dem „heißen Eisen“ Sexualerziehung
gewinnen. Die Puppen „Lutz und Linda“, Kinderlieder, ein Hörspiel, über
100 Spielideen und viele weitere kreative Medien bieten die Möglichkeit,
das Thema altersgerecht und lebendig in die pädagogische Arbeit im Kindergarten einzubetten. In begleitenden
Fortbildungen erhalten pädagogisch
Tätige fachliche Informationen und
konkrete Anregungen zur Sexualerziehung im Kindergarten.
Der Startschuss der Kinderliedertour
der BZgA war am 14. Oktober 2003
in Köln. Die nächsten Stationen der
Kinderliedertour in 2003 sind Essen,
Halle, Gotha und Leipzig. Weitere Informationen unter www.kinderlieder
tour.de. Dort stehen auch Fotos von
der Kinderliedertour und der Kindergartenboy zum Downloaden bereit.
Die Kindergartenbox kann gegen eine
Schutzgebühr von 80 € unter folgender
Adresse bestellt werden: Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung,
51101 Köln, E-Mail: [email protected]
… Entdecken, Schauen, Fühlen …
Auslandspraktikum in England
für Fachkräfte
Zehn Tage lang tauschten 24 BerufsberaterInnen, PädagogInnen und SozialarbeiterInnen ihren Job in Nordrhein-Westfalen gegen einen ähnlichen
Arbeitsplatz in Leeds oder Manchester.
Das Auslandspraktikum ist einer von
14 Bausteinen eines Zertifikatkurses,
der im Rahmen des Projektes „Der Vielfalt eine Chance“ des Xenos -Programmes angeboten wird. Ziel dieses Programms ist es, Jugendliche für den
Übergang in den Arbeitsmarkt fit zu
machen und ihre Widerstandsfähigkeit
gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu stärken.
Der Zertifikatskurs ist ein Kooperationsprojekt der Hauptstelle der RAA,
des Diakonischen Werkes Rheinland
und der Fachhochschule Düsseldorf.
Alle teilnehmenden Frauen und
Männer erhielten die Chance, Einblicke über die Eingliederungsprozesse
unterschiedlicher ethnischer Gruppen
in das Berufsleben zu bekommen sowie den Umgang mit interkulturellen
Problematiken und ethnischen Vorurteilen zu erleben. Besonders lobten die
TeilnehmerInnen die Bildungssysteme
in England, die flexibler seien, um die
verschiedenen Lebenssituationen in
unterschiedlichen Lebensabschnitten
zu berücksichtigen. Die Verbindung
von Berufsberatung und Sozialamt in
32
England zeigt, dass direkte Beratung
und Unterstützung möglich sind. Viele vernetzte Angebote an einem einzigen Ort ersparen Umwege
Weitere Informationen bei: Daniela
Pierella, Hauptstelle RAA, Tiegelstr. 27,
45141 Essen,
Tel.: 0201/8328 305, E-Mail:
daniela.pierella@ raa.essen.de
Neuer Jugendamtsleiter in
Mülheim/Ruhr
und des Jugendamtes zusammen geführt. Jedoch wurden die Bereiche des
Kommunalen Sozialen Dienstes, der
wirtschaftlichen Jugendhilfe und der
Amtsvormundschaften/Beistandsschaften dem Sozialamt zugeordnet. Leiter
des neuen Amtes und Jugendamtsleiter (auch für die dem Sozialamt zugeordneten Aufgabenbereiche) ist Dieter Schweers, der zuvor Leiter des
Schulverwaltungsamtes und von 19871990 stellvertr. Leiter des Jugendamtes Mülheim/Ruhr war.
E-Mail: [email protected]
Mädchen sind zunehmend
bildungsprivilegiert
Die Stadt Mülheim/Ruhr hat zum
1.8.2003 das neue Amt für Kinder, Jugend und Schule gebildet. Mit dem
Ziel der engen Verknüpfung von Jugendhilfe und Schule wurden die Aufgaben des Schulverwaltungsamtes
Nach Angaben des Landesamtes für
Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen hatten über ein Viertel (25,9 %) der etwa 190.400 Schülerinnen und Schüler des Landes, die
im Sommer 2002 von den allgemein
bildenden Schulen (ohne zweiten Bildungsweg) in NRW abgingen, das
Abitur in der Tasche. Während bei den
jungen Männern aber nur 22,4 % zum
Abitur gelangten, waren es bei den
jungen Frauen 29,5 %, 42,3 % der
Schülerinnen, aber nur 39,6 % der
Schüler schafften die Fachoberschulreife. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei
dem Schulabschluss mit Fachhochschulreife: 3,5 % der jungen Frauen,
aber nur 2,9 % der jungen Männer
4/03
jhr_rund um die Jugendhilfe
verließen die Schulen mit diesem Abschluss. Anders sieht es bei den weniger qualifizierten Abschlüssen aus. Mit
dem Hauptschulabschluss verließen
26,2 % der Schüler, aber nur 19,2 %
der Mädchen die Schule. Ohne Hauptschulabschluss gingen 5,5 % der Schülerinnen, aber 8,9 % der Schüler von
der Schule ab.
aus: deutsche jugend,
51. Jg. 2003, H. 6
Nur noch 16 % der Jugendlichen
können nicht auf einen
Computer zugreifen
Eine Repräsentativbefragung „Jugendliche und Internet – Daten, Fakten,
Trends“ des Instituts für Jugendforschung (IJF) unter 13- bis 24-Jährigen
hat ergeben, dass in der Zwischenzeit
drei Viertel aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen im eigenen Haushalt
auf einen Computer zugreifen können.
Fast die Hälfte besitzt einen eigenen
Computer; mehr als ein Viertel benutzt
den Computer zusammen mit anderen Haushaltsmitgliedern. Nur noch
16 % der 13- bis 24-Jährigen haben
weder privat noch am Arbeitsplatz die
Möglichkeit, einen PC zu nutzen. „Damit ist nach kurzer Stagnation im Vorjahr wieder ein deutlicher Anstieg bei
den PC-Zugriffsmöglichkeiten und
dem Besitz eines eigenen PCs zu verzeichnen“, stellte das IJF fest. Fast alle
Jugendlichen, die einen eigenen Computer nutzen können, haben gleichzeitig einen Internetzugang. Nur noch
13 % von ihnen bleibt das Internet versperrt. Die Nutzung des World Wide
Web ist weit verbreitet: Fast ein Viertel der Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit PC geht jeden oder
fast jeden Tag ins Internet. So genannte
„Heavy User“, die sechs und mehr
Stunden in der Woche im Netz sind,
machen dabei einen Anteil von 27 %
aus. Die beiden Geschlechter nutzen
den Computer weiterhin sehr unterschiedlich. Zwar haben männliche und
weibliche Jugendliche inzwischen im
gleichen Maß Zugriff auf einen PC,
jedoch besitzen männliche Jugendliche
häufiger ein eigenes Gerät als weibliche und zählen fast doppelt so häufig
zur Extremgruppe der „Heavy User“
(34 % zu 18 %). Wenn sie im Internet
sind, stehen für Jugendliche nach wie
4/03
vor das Versenden von E-Mails und die
gezielte Informationssuche an erster
Stelle. Deutlich zugenommen haben
auch das Musikhören bzw. Downloaden von Musik und Videos sowie Recherchen für Hausaufgaben.
aus: deutsche jugend,
51. Jg. 2003, H. 6
Projekt zur Berufswelt:
„Was machen meine Eltern
eigentlich, wenn ich in der Kita
bin?“
meisten Freude bereiteten den Kindern
die Exkursionen zu den Arbeitsstätten
ihrer Eltern. Dank der Bereitschaft der
Arbeitgeber konnten Arbeitsabläufe in
einer Kfz-Werkstatt, auf einem Golfplatz, in einer Sparkasse und in einem
Reitstall erkundet werden.
Im Atelierbereich des Menschenkinderkulturkunsthauses entstanden
schließlich die „Berufsschuh-Kunstobjekte“ die sogar in der örtlichen Sparkasse ausgestellt wurden, darunter die
Berufsschuhe der Berufe Tierpfleger,
Bäcker, Apothekenhelferin, Küchenhilfe, Sängerin, Golflehrer, Kfz-Mechaniker, Maler, Bankkauffrau und Friseurin.
Diese Frage war Ausgangspunkt für
eine intensive Beschäftigung mit dem
Thema Erwerbsarbeit in einem mehrwöchigen Projekt. Die
Kinder der DRK-Kindertagesstätte Das Menschenkinderkulturkunsthaus in
Nettetal-Lobberich erforschten die Arbeitswelt
ihrer Eltern, vertieften
ihre Kenntnisse und betrieben Feldstudien vor
Ort. Zunächst wurden
die Eltern befragt welche
Berufe sie haben und
welche Tätigkeiten sie
während der Arbeit ausüben. Innerhalb der Projektarbeit hatten die Kinder die Gelegenheit ihre Berufs-Schuhe
Erfahrungen im Rollenspiel zu verarbeiten, entwickelten ein Andreas Zorn, Tel. 02153-2519,
Berufe-Memory und Berufe-Quiz. Am E-Mail: [email protected]
Sie wissen, wo ihre Eltern arbeiten!
33
rund um die Jugendhilfe_jhr
Empirische Ergebnisse aus der
katholischen Offenen Kinderund Jugendarbeit in NRW
Die Landesarbeitsgemeinschaft Katholische Offene Kinder- und Jugendarbeit
NRW (LAG kath. OKJA) hat die wichtigsten Ergebnisse aus der jährlichen
Befragung der katholischen Offenen
Kinder- und Jugendarbeit NRW veröffentlicht. Die Ergebnisdarstellung
2001/2002 wurde im Rahmen der Mitwirkung an der Vorbereitungsgruppe
zum landesweiten Wirksamkeitsdialog
(eine standardisierte Befragung aller
172 Kommunen NRWs) ergänzt. Eine
Anzahl der eigenen Fragestellungen
wurde im Wirksamkeitsdialog aufgegriffen und umgekehrt wurden in
einigen entscheidenden Punkten Fragestellungen der empirischen Untersuchung der LAG an die Fragestellung
des Wirksamkeitsdialoges angepasst,
um Vergleiche und Ergebnisergänzungen zu ermöglichen.
Die Veröffentlichung können Sie
unter der angegebenen Adresse für 2
Euro plus Porto bestellen.
Kontakt: Landesarbeitsgemeinschaft
Katholische Offene Kinder- und Jugendarbeit NRW, (LAG kath. OKJA), Hohe
Str. 148, 50667 Köln, Tel.: 0221/
16051-3, Fax: 0221/16051-44,
E-Mail: [email protected]
Neues Jugendschutzgesetz
In dem neuen Jugendschutzgesetz sind
die beiden bis März 2003 gültigen
Gesetze, nämlich das Gesetz zum
Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG) und das Gesetz über die
Verbreitung jugendgefährdender
Schriften und Medieninhalte (GJS), mit
Änderungen zusammengefasst worden. Ziel des neuen Jugendschutzgesetzes (JuSchG) ist es vor allem, den
Jugendmedienschutz zu verbessern.
Wesentliche Änderungen im neuen Jugendschutzrecht
1. Neuer Begriff der „erziehungsbeauftragten Person“ (etwa: volljähriger Bruder; fraglich: auch der
volljährige Freund?), z.B. als Begleiter bei Gaststätten-, Diskothekenoder Kinobesuchen.
2. Parental-Guidance-Regelung: Kinder ab sechs Jahren dürfen in Begleitung einer personenberechtigten Person (i.d.R.: ein Elternteil) in
Filme ab 12 Jahren.
34
3. Computerspiele werden verbindlich altersklassifiziert. Zuständig für
die Freigabe ist die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) zusammen mit einem ständigen Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden.
4. Tabakabgabeverbot gegenüber
Kindern und Jugendlichen bis 16
Jahren (Alterskontrolle an Zigarettenautomaten ab 2007); begleitet
durch ein Kino-Werbeverbot für Tabakwaren und Alkoholika bis 18.00
Uhr.
5. Die Bundesprüfstelle darf jetzt auch
auf „Anregung“ z.B. von anerkannten Trägern der Jugendhilfe tätig
werden. Der Index für jugendgefährdende Medien enthält jetzt
auch einen nicht öffentlichen Teil,
in dem insbesondere indizierte Internet-Angebote geführt werden.
6. Neu sind vor allem die Tatbestände der gegen die Menschenwürde
verstoßende Darstellungen und unnatürlich geschlechtsbetonte Darstellungen Minderjähriger: Sie werden indizierten Schriften gleichgestellt.
7. Der Versandhandel mit indizierten
bzw. nicht oder mit „keine Jugendfreigabe“ gekennzeichneten Trägermedien ist erlaubt, wenn der Anbieter Minderjährige sicher ausschließt.
8. Neu ist die für Internet und Rundfunk zuständige Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) in Erfurt:
Bewertung von Internet- und Rundfunkinhalten, Anerkennung von
Selbstkontrolleinrichtungen und
von Jugendschutzsoftware; Entscheidung über Ordnungswidrigkeiten nach dem Jugendmedienschutzvertrag (JMStV).
9. Neuregelung der Zuständigkeiten
im Bereich des Jugendmedienschutzes zwischen der Bundesprüfstelle
Impressum
Jugendhilfe-Report
Informationen aus dem Landesjugendamt Rheinland
Der Jugendhilfe-Report ist ein Informationsforum der Jugendhilfe im Rheinland. Er bietet Wiedergabe und
redaktionelle Zusammenfassung von Gesetzeserneuerungen, Verwaltungsvorschriften, Runderlassen,
Richtlinien, Rechtsprechung; fachliche Beiträge aus allen Bereichen der Jugendhilfe sowie aktuelle
Hinweise auf Termine. Öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe wird Gelegenheit gegeben,
Ausschnitte ihrer Arbeit selbst darzustellen.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.
Der Jugendhilfe-Report ist kostenlos und für den fachlichen Gebrauch von Trägern und Verantwortlichen
der Jugendhilfe im Rheinland bestimmt. Er erscheint vier Mal jährlich.
Herausgeber:
Landschaftsverband Rheinland, Dez. 4/Landesjugendamt
Verantwortlich: Markus Schnapka
Internet:
www.lvr.de
Redaktion:
Christoph Gilles (cg, verantwortlich), Tel: 0221/809-6253,
E-Mail: [email protected], Hartmut Braun (hb)
Koordination:
Hartmut Braun, E-Mail: [email protected],
Tel: 0221/809-6222, Fax: -6252
Senden Sie Texte, Manuskripte etc. an:
Landesjugendamt Rheinland
Jugendhilfe-Report
Christoph Gilles
50663 Köln
Gestaltung:
Alexander Schaefer, Köln, E-Mail: [email protected]
Titelfoto:
Volker Priesmann, Montage: Alexander Schaefer
Luftbild:
© LubiKo: Genehmigung der Stadt Köln v. 04.11.2003, AGB-Nr.: 4292/2003
Umschlagdruck:
Warlich-Verlag, Meckenheim
Druck und
Verarbeitung:
Hausdruckerei des Landschaftsverbandes Rheinland
Textverarbeitung:
Manuela Scholz
Anzeigenwerbung:
Zentrale Anzeigenleitung für die Zeitschriften des Landschaftsverbandes
Rheinland: Warlich-Verlag, Friedhelm Todtenhöfer, Tel: 02225/92 16 -31,
Fax: 02225/92 16-55
Gedruckt auf 100 % Recycling-Papier
4/03
jhr_rund um die Jugendhilfe
für jugendgefährdende Medien
(BPjM) (u.a. Indizierung von Internetinhalten) und jugendschutz.net
– Unterstützung der Kommission
für Jugendmedienschutz (KJM) und
der obersten Landesjugendbehörden; Überprüfung des Internets; Beratung/Schulung; Information über
Verstöße an Anbieter, Selbstkontrolle und Kommission für Jugendmedienschutz.
Kontakt: Arbeitsgemeinschaft Kinderund Jugendschutz (AJS) Landesstelle
NRW e.V., Dieter Spürck, Poststr. 15-23,
50676 Köln, Tel.: 0221/92139216, EMail: [email protected]
Ein Kummerkasten geht
auf Sendung
Wenn Kinder und Jugendliche Kummer
haben, wissen sie allein oft nicht weiter. Die kostenfreie Telefonnummer
0800-1110333 der BundesArbeitsGe-
Fortbildungsprogramm des Landesjugendamtes Rheinland -Die aktuellen Veranstaltungen 2004 …
Januar
21.-23.01. Führungsseminar für Jugendamtsleitungen
Motivation und Konflikte in Veränderungsprozessen des
Jugendamtes
Februar
02.-04.02. Moderation
11.02.
JHP in the City
Jugendhilfeplanung der Großstädte
11.02.
Bildung für jedes Kind von Anfang an
05.-06.02. Fachkräftekonferenz der Jugendsozialarbeit
März
01.-02.03.
01.-03.03.
03.03.
08.-09.03.
08.-12.03.
16.03.
16.-17.03.
18.03.
22.-23.03.
24.-26.03.
25.03.
25.-26.03.
meinschaft (BAG) Kinder- und Jugendtelefon e.V. ist für viele ein erster Anlaufpunkt in der Not. Mehr als 800.000
Gespräche führten die 2.500 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen der Nummer gegen Kummer® allein im vergangenen Jahr – Tendenz weiter steigend.
Am 22. Oktober 2003 startete die BAG
daher gemeinsam mit KI.KA, dem Kinderkanal von ARD und ZDF, die erste
Live-Beratungssendung für Kinder in
Deutschland. Den KI.KA-Kummerkasten gibt es immer mittwochs 16.05
Uhr im Live-Treffpunkt Kikania. Der
Ki.Ka-Kummerkasten und die OnlineBeratung per E-Mail sind die neuen
Anker der BAG für Kinder in Not.
Rund 2.500 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter engagieren sich in ihrer
Freizeit bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendtelefon e.V.
Häufig sind sie der erste Rettungsanker in Not. 89 Prozent der Kinder und
4/03
29.-30.03.
Streiten, vermitteln, bearbeitenMediationstraining
Strukturen der Jugendhilfeplanung
Fallbesprechung internationaler Adoptionen
Moderation
Von der Arbeit mit Jungen zur Jungenarbeit
Ein praxisbegleitendes Qualifizierungsangebot für
männliche Fachkräfte
Informationsveranstaltung zum Aufbau und zur Begleitung
von integrativen Gruppen in Kindertagesstätten
Arbeitstagung für Leiter/innen der Jugendämter in NRW
Demografischer Wandel -- Chancen und Konsequenzen für
die Jugendhilfe
Arbeitstagung für kommunale Fachberater/innen in
Kindertagesstätten
Alternative Handlungsstrategien im pädagogischen Wirken
Sozialpädagogische Handlungsformen/Konzepte in
rheinischen Jugendwohngemeinschaften
Individuelle Lernwege in der Gruppe
Arbeitstagungen für regionale Arbeitskreise der
Jugendhilfeplanung
Adoption des Stiefkindes
Informationen und Anmeldung bei Gabriele Weier und Michael Christians
unter 0221/ 809-6249, www.lvr.de im Bereich Jugend
Jugendlichen, welche die „Nummer
gegen Kummer“ anrufen, sind zwischen 10 und 17 Jahre alt, den Schwerpunkt bilden die 12- bis 15-Jährigen.
„Beim Übergang vom Noch-Kindsein
zum Erwachsenwerden haben junge
Menschen die meisten Probleme. Sie
lösen sich allmählich von zu Hause,
wollen ihren eigenen Weg gehen und
fühlen sich dabei oft nicht verstanden“, analysiert Beate Friese, Referentin für das Kinder- und Jugendtelefon
bei der BAG.
Die Nummer gegen Kummer® ist
von montags bis freitags in der Zeit
von 15.00 bis 19.00 Uhr unter der
bundesweit kostenlosen Rufnummer
0800-1110333 zu erreichen. Nähere
Information gibt es auch unter
www.kinderundjugendtelefon.de im Internet.
Wer sich ehrenamtlich als Berater/in
für das Kinder- und Jugendtelefon engagieren will, kann sich unter der Telefonnummer 0202/259059 oder per
E-Mail unter info@kinderundjugend
telefon.de umfassend dazu informieren.
Voraussetzung für die Tätigkeit ist in
jedem Fall die Teilnahme an einer fachlichen Schulung vor Ort. Die Ausbildung an den einzelnen Standorten
umfasst ca. 80 Stunden und findet
überwiegen an den Wochenenden
oder abends statt.
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