Sparen ohne Spa\337: Wir wollen mehr Zinsen!

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Sparen ohne Spaß: Wir wollen mehr Zinsen!
Sparen ohne Spaß
Wir wollen mehr Zinsen!
Weniger als ein Prozent für Tagesgeld, 1,3 Prozent für Bundesanleihen: So
langsam reicht es. Wenn alles gutgeht, könnten nächstes Jahr die Zinsen
steigen.
28.06.2014,
von CHRISTIAN SIEDENBIEDEL
© GETTY IMAGES/NPINE
So spannend wie ein Fußballspiel ohne Tore: Die EZB wird die Zinsen wohl noch zwei Jahre bei 0,15
Prozent belassen
F
ür Sparer gab es in der vergangenen Woche eine weitere deprimierende Nachricht:
Auch die Direktbank ING-Diba, die mit ihrem Tagesgeldkonto für so manchen
verzweifelten Sparkassen- und Volksbankkunden zur letzten Zuflucht geworden ist,
senkt zum 1. Juli die Zinsen unter ein Prozent. Mickrige 0,8 Prozent bekommen
Privatanleger dort künftig noch für ihr Erspartes – bei einer Inflation von rund einem
Prozent ein Verlustgeschäft.
Wann ist die Zeit dieser extremen
Niedrigzinsen endlich vorbei? Mario Draghi,
der Präsident der Europäischen
Zentralbank, macht Sparern da wenig
Folgen:
Hoffnung. In einem Interview mit der
niederländischen Zeitung „de Telegraaf“ ließ er vor rund einer Woche durchblicken: Die
Notenbank will die Zinsen bis Ende 2016 auf dem historischen Tiefstand von 0,15
Prozent belassen. Das wären weitere zweieinhalb Jahre, in denen Sparen ungefähr so
viel Spaß macht wie ein Fußballspiel ohne Tore.
Autor: Christian Siedenbiedel, Jahrgang
1969, Redakteur in der Wirtschaft der
Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung.
Das einzig Tröstliche: Es liegt keinesfalls allein in Draghis Macht, wann die Zinsen
steigen. Und zwar aus zwei Gründen: Zum einen zeigt die Erfahrung, dass Notenbanken
auf ihre eigenen Ankündigungen keinerlei Rücksicht nehmen können, wenn die
Konjunktur anzieht. „Wie schnell der Wind sich drehen kann, lässt sich im Augenblick
schön bei der Bank of England beobachten“, sagt Andreas Rees, Volkswirt der Bank
Unicredit. Lange verkündete die englische Notenbank, sie werde erst 2015 oder 2016
die Zinsen anheben. Jetzt zieht die Wirtschaft an – und die Angst vor einer
Immobilienblase geht um. „Nun dürfte die erste Leitzinsanhebung bereits im
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November erfolgen“, meint Rees.
Zum anderen kann die Europäischen Zentralbank ohnehin nur den Leitzins und damit
die kurzfristigen Zinsen halbwegs zuverlässig beeinflussen. Die langfristigen Zinsen,
also etwa für zehnjährige Bundesanleihen oder Festgeld mit längerer Laufzeit, hat sie
nur sehr begrenzt unter Kontrolle. Die Folge: Wenn in Amerika im Herbst die Käufe der
Staatsanleihen enden und im nächsten Frühsommer die Leitzinsen angehoben werden,
wie viele Experten erwarten, dürfte das Auswirkungen auf Deutschland haben.
Vergangene Woche sorgte James Bullard, ein Mitglied der amerikanischen Notenbank,
für Spekulationen, dieser Schritt könnte sogar vorgezogen werden. „Wenn die Fed die
Leitzinsen erhöht, werden auch bei uns die Kapitalmarktzinsen für längere Laufzeiten
steigen“, sagt Andrew Bosomworth, Deutschland-Chef des weltgrößten
Anleiheinvestors Pimco.
Dabei gibt es eine Faustregel: Ein Prozentpunkt mehr in Amerika bedeutet 0,5
Prozentpunkte mehr in Europa. So war es zumindest bei früheren Zinserhöhungen. Der
Mechanismus funktioniert so: Wenn in Amerika die Zinsen steigen, erhöht sich der
Anreiz für institutionelle Investoren, ihr Geld in Amerika anzulegen, und nicht in
Europa. Ist der Zinsabstand groß genug, nehmen sie das Währungsrisiko in Kauf und
verlagern große Summen. Auf diese Weise kann beispielsweise der deutsche
Finanzminister unter Druck geraten, auch etwas mehr Zinsen zahlen zu müssen. In der
Folge steigen die Kapitalmarktzinsen dann auch in Europa: Amerika läuft vor – und wir
folgen.
Jürgen Fitschen, Ko-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, wagt eine Prognose,
wie das ausgeht. „Die EZB hat deutlich gemacht, dass wohl kaum vor Ende 2016 mit
einer vorsichtigen Anhebung der Leitzinsen gerechnet werden kann“, sagt Fitschen.
„Trotzdem könnten die Renditen am langen Ende in Folge der von uns erwarteten
Zinswende in Amerika gegen Jahresende leicht in Richtung zwei Prozent ansteigen.“
Renditen am langen Ende – das ist zum Beispiel die Verzinsung von zehnjährige
Bundesanleihen. Sie liegt im Augenblick bei 1,26 Prozent – ein Anstieg in Richtung zwei
Prozent wäre also ein erster Schritt weg von den Rekord-Niedrigzinsen. Ein Anfang
zumindest.
F.A.Z.-Tagesgeld-Vergleich
Mehr zum Thema
F.A.Z.-Festgeld-Vergleich
F.A.Z.-Hypotheken-Vergleich
Doch wann werden die Zinsen deutlich steigen? Kenneth Rogoff, Wirtschaftsprofessor
an der amerikanischen Harvard University, nennt drei tiefere Gründe, warum die
Zinsen so niedrig sind – und macht daran fest, wann sich das ändern wird.
Der erste Grund ist die globale Sparflut. In vielen Ländern wird viel gespart. In
Deutschland etwa, trotz der neuen Konsumlust – weil die alternde Bevölkerung für den
Ruhestand vorsorgt. In China, weil das Land mit Devisenreserven den Wechselkurs
stabilisiert. Die Folge: Die weltweiten Ersparnisse übersteigen die
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Investitionsmöglichkeiten, das drückt den Zins. Rogoff sieht die Chance, dass sich das
auf der Investitionsseite ändert: „Die langfristigen Zinsen dürften maßvoll steigen,
wenn die Investitionen sich weltweit beleben.“
Der zweite Grund für die niedrigen Zinsen ist die Angst der Investoren vor einer neuen
Krise. Sie sind immer noch auf der Hut vor dem Risiko eines globalen
Zusammenbruchs der Finanzmärkte. Auch wenn diese Angst seit der Finanzkrise
nachgelassen hat, sind vermeintlich sichere Anlagen wie deutsche Staatsanleihen
immer noch begehrt. Das drückt die Zinsen, die der deutsche Finanzminister dafür
zahlen muss. „In dem Maß, in dem diese Angst vor einer Krise weiter zurückgeht,
werden auch die langfristigen Zinsen wieder steigen“, sagt Rogoff.
Der dritte Grund schließlich sind die außerordentlichen Schritte der Notenbanken zur
Krisenbekämpfung. Hier gibt es Unterschiede zwischen Amerika und Europa: In
Amerika kämpft die Fed vor allem gegen die Folgen der Finanzkrise. Dort scheint ein
Ende absehbar. In Europa hingegen sind die Probleme der südeuropäischen Staaten
der wichtigste Grund, warum die Notenbank die Zinsen niedrig hält. Wie lange die Lage
dort schwierig bleibt, weiß man nicht. „Deshalb wird es keinen Gleichlauf geben – und
die Zinsen in Amerika marschieren voran“, sagt Rogoff.
Mit Festgeld und Bundesanleihen steht man besser da
Was aber bedeutet das alles nun für Tagesgeldzinsen, Festgeld und HypothekenDarlehen? Im Augenblick liegen die Tagesgeldzinsen laut FMH-Finanzberatung im
Durchschnitt bei 0,65 Prozent, für Festgeld (zwölf Monate) bei 0,6 Prozent und für
Hypothekendarlehen mit 15 Jahren Laufzeit bei 2,73 Prozent. Wo diese Zinsen in einem
Jahr liegen, ist nicht vorherzusagen: Die Zeiten, in denen die Zinskurve einem Muster
folgte, seien vorbei, sagen die Zinsexperten. Zumindest ist jetzt viel Luft nach oben:
Wenn die Hypothekenzinsen über kurz oder lang auf das Niveau vor der Finanzkrise
zurückkehren sollten, würde das immerhin eine Verdoppelung der heutigen Zinssätze
bedeuten.
Tendenziell gilt: Spareinlagen mit kürzerer Laufzeit werden stärker vom Leitzins
beeinflusst. Bis sie steigen, muss man womöglich auf Draghis Zinserhöhung warten.
Viel besser sieht es für Festgeld und Bundesanleihen aus. Da könnte sich schon im
nächsten Jahr was tun. Allerdings können auch die Hypothekenzinsen steigen: Sie
orientieren sich stärker am Kapitalmarkt – auf sie könnte deshalb die Zinsentwicklung
in Amerika Einfluss haben. Reinhard Klein, Chef der Bausparkasse Schwäbisch Hall, ist
überzeugt: Zwar werde es in den nächsten zwölf Monaten noch keine wesentliche
Änderung der Bauzinsen geben. Danach aber schon – wenn sich „die Deflationsorgen
erledigt“ und die Amerikaner die Zinswende eingeleitet hätten.
Quelle: F.A.S.
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