Ernst Schermann - Institut für Werkzeugmaschinen
Transcrição
Ernst Schermann - Institut für Werkzeugmaschinen
Abschlussbericht zum IAS an der UW Madison Ernst Schermann Erfahrungsbericht zum Integrierten Auslandsstudium an der University of Wisconsin-Madison Von Ernst Schermann August 2003 - Mai 2004 1 Abschlussbericht zum IAS an der UW Madison Ernst Schermann Bewerbung und Abreisevorbereitungen: Ein Auslandsaufenthalt stand bei mir schon vor dem Studienbeginn auf dem Programm und dass ich nach USA wollte, war eigentlich auch fast sicher. Als ich mich ungefähr anderthalb Jahre vor der ins Auge gefassten Abreise nach Möglichkeiten eines Stipendiums umgeschaut habe, merkte ich, dass das Angebot relativ gross war. Von der Fulbright-Stiftung (mit einem sehr rigorosen Auswahlverfahren) über direkte DAAD Unterstützung bis zu den Landesprogrammen des Landes Baden-Württenberg war alles vorhanden. Jedoch haben die IAS-Programme (Integriertes Auslandsstudium) meine besondere Aufmerksamkeit erregt. Man bekommt ein DAAD-Stipendium für neun Monate und die Möglichkeit, alle Studienleistungen relativ problemlos in Stuttgart anerkennen zu lassen. Ich dachte mir, dass meine Chancen, bei irgendeinem Programm angenommen zu werden, besser sein würden, wenn ich mich bei mehreren Stellen bewerbe. Dies bedeutet kaum mehr Vorbereitungsaufwand, da die Unterlagen, die man zur Bewerbung braucht (Curriculum Vitae, Notenauszüge, Empfehlungsschreiben der Professoren etc.), fast überall die gleichen sind. Im nachhinein betrachtet erwiesen sich meine Befürchtungen, keinen Platz zu bekommen, als grundlos, da der Andrang auf die USA-Plätze doch nicht so gross war wie ich mir gedacht habe. Meiner Erfahrung nach bekommt jeder, der ernsthaft daran interessiert ist, in den USA eine Zeit lang zu studieren, einen Platz in einem oder anderen Programm. Ich habe auch rausgefunden, dass viele Institute IAS-Programme haben, bei denen sich erstaunlich wenige bewerben. Es lohnt sich also immer, eine Bewerbung hinzuschicken und mit dem zuständigen Professor zu reden. Ich habe mich fuer das IAS-Programm an der University of Wisconsin-Madison des Instituts für Werkzeugmaschinen entschieden, weil dies eine sehr gute Uni ist und alle ehemaligen Teilnehmer so begeistert von der Stadt und der Universität waren. Diese Begeisterung kann ich jetzt voll und ganz nachvollziehen und es wundert mich sehr, dass sich meiner Erfahrung nach jedes Jahr nur eine so geringe Anzahl an Bewerbern findet. Dies war jedoch gut für mich, sonst hätte ich diese tolle Uni vielleicht nie kennengelernt. Als ich in das Programm aufgenommen wurde, waren ein paar Vorbereitungen zu erledigen, die man besser früher als später in Angriff nimmt, um sich unnötigen Stress zu ersparen. Als erstes sind da die TOEFL und GRE Tests, die man machen muss. Als Vorbereitung auf den TOEFL empfiehlt es sich, drei oder vier Tests durchzumachen, um sich an das System zu gewöhnen und keine Überraschungen zu erleben. Ich empfand den TOEFL als einfach und normalerweise hat kaum jemand Probleme, durchzukommen. Der GRE ist da schon schwieriger. Es besteht aus zwei Teilen, einem sprachlichen und einem analytischen. Der analytische Teil ist sehr einfach, der sprachliche hat es aber in sich. Für den GRE (der für den Eintritt in die Graduate School nötig ist) bereiten sich die amerikanische Studenten wochenlang vor und das nicht ohne Grund. Für die deutschen Studenten ist eine hohe Punktzahl nicht so wichtig, sie sollte nur nicht ein bestimmtes Minimum nicht unterschreiten (wieviel genau, kann man im Auslandsamt erfahren). Eine extensive Vorbereitung auf den GRE macht wenig Sinn, die sprachlichen Nuancen wird man in ein paar Tagen nicht lernen können und der mathematische Teil dürfte keine Probleme bereiten. Ich empfehle jedoch sehr, ein paar Probeläufe zu machen, besonders um sich mit der Art der Fragen bekannt zu machen. Soweit ich mich erinnere, sind zwei 2 Abschlussbericht zum IAS an der UW Madison Ernst Schermann Tests auf der kostenlosen CD, die jedem Teilnehmer geschickt wird, dabei und es gibt Websites, die kostenlose Teiltests anbieten (einfach in Google suchen). Sowohl bei TOEFL als auch bei GRE kann es zu Engpässen in der Terminvergabe kommen, wenn der Semesteranfang naeherrückt, je früher man sie machen kann, desto besser. Als nächstes muss man sich um das Visum und den Flug kümmern. Um das Visum zu bekommen, kann man sowohl die Unterlagen (kann man von der Website der amerikanischen Botschaft runterladen) per Post einschicken als auch einen Termin zum „Vorbeikommen“ ausmachen. Das letztere hat den Vorteil, dass man es relativ kurzfristig erledigen kann, zwei bis drei Wochen vor dem Abflug, was ich auch gemacht habe. Den Termin selbst sollte man jedoch schon früher beantragen. Das Visum kam pünktlich eine Woche vor Abflug an. Beim Flug sollte man bedenken, dass August die Hauptreisezeit ist und günstige Flüge am besten frühzeitig gebucht werden sollten. Ich bin nach Chicago geflogen und von dort mit dem Bus nach Madison gefahren (ungefähr drei Stunden Fahrt), man kann aber auch einen Anschlussflug nach Madison buchen, was allerdings teuerer ist. Ich würde empfehlen, in der ersten Augustwoche anzureisen, zum einen um eine Wohnung zu finden, falls man noch keine hat, zum anderen um die Freizeit vor dem Semesterbeginn zu geniessen. August ist die beste Zeit in Madison und die Freizeitmöglichkeiten sind riesig. Dazu später mehr. Es ist auch empfehlenswert, fuer die ersten Tage eine Auslandskrankenversicherung abzuschliessen (gibt es bei vielen Banken, gültig bis zu vier Wochen), bis man von der Uni in Madison versichert wird. Auch ist zu bedenken, dass das erste Geld, das man in Madison bekommt, erst anfang Oktober auf dem Konto ist und am Anfang unter Umständen viele Anschaffungen nötig sind. Eine deutsche Kreditkarte ist oft sehr nützlich, auch eine gewisse Summe in bar oder American Express Schecks. Ich hatte 1500 Dollar mit, das hat kaum ausgereicht, besonders als die Miete für zwei Monate zu zahlen war. Auf jeden Fall sollte man so früh wie möglich Kontakt mit den Studenten aufnehmen, die gerade in Madison sind und auch mit denen, die vor kurzem zurückgekommen sind. Sie waren mir eine unschätzbare Informationsquelle und können einem Ratschläge geben, die man sonst nirgends bekommt. Ausserdem besteht die Möglichkeit, die Wohnung, ein Fahrrad oder ein Auto in Madison zu übernehmen. Erste Schritte: In Madison angekommen wurden wir von der Familie Dorl abgeholt und haben ein paar Tage in ihrem Haus verbracht, bis wir in unsere Wohnung einziehen konnten (die wir schon von Deutschland aus von ehemaligen Studenten übernommen haben). Die Dorls betreuen die Stuttgarter Austauschstudenten schon seit Jahren, sind unglaublich nett und hilfsbereit und wir unternahmen auch später regelmässig Segeltouren, Barbecues etc. zusammen. Madison ist eine relativ kleine Stadt mit etwas über 200.000 Einwohnern, von denen 40.000 Studenten sind. An drei Seen gelegen, ist sie die Hauptstadt von Wisconsin, was durch das Capitol im Zentrum verdeutlicht wird. Bevor man sich aber aufmacht, die Stadt zu erkunden, sind etliche organisatorische Sachen zu erledigen. Als erstes sollte man am ISS (International Student Services) Office im Red Gym vorbeigehen, dort kann man sich 3 Abschlussbericht zum IAS an der UW Madison Ernst Schermann informieren, was in den ersten Tagen an Bürokratischem alles erledigt werden muss (Informationen gibt es auch auf ihrer Website). Ein amerikanisches Bankkonto einzurichten ist das Nächste. Wir hatten ein Konto bei der First Federal Bank, was den Vorteil hatte, dass wir oft auch Bankautomaten anderer Banken umsonst benutzen durften und auch ein paar sehr nützliche Klappstühle als Geschenk bekommen haben. Das Gehalt, das man von Uni bekommt, kann man auf dieses Konto überweisen lassen. Ein Besuch bei Prof. Rutland (der Anfangsbetreuer der Stuttgarter im Mechanical Engineering Department) im Engineering Centers Building ermöglicht das Erstellen der Student ID, mit der man viele Vergünstigungen bekommt. Es ist auch empfehlenswert, einen Wisconsin Führerschein am Department of Transportation zu machen, da dies ein bequemes Dokument ist, sich in Bars auszuweisen. Für Deutsche ist das mit keinerlei Prüfungen verbunden und kostet 18 Dollar. Der Rest der unzähligen Papiere, Formulare etc. kann später erledigt werden und wird in den Einführungen für internationale Studenten noch vor Semesterbeginn vom ISS behandelt. Es ist jedoch von Vorteil, sich im Sekretariat des Mechanical Engineering Departments zu melden und zu fragen, was noch zu erledigen ist. Untypisch für die meisten amerikanischen Städte, braucht man in Madison nicht unbedingt ein Auto. Das öffentliche Busverkehrsnetz ist sehr gut und das Hauptverkehrsmittel ist sowieso das Fahrrad. Ein Fahrrad ist in Madison ein Muss, je früher desto besser. Für den Anfang kann man immer zum Budget Bicycle Center gehen und dort gegen ein Pfand von 60 Dollar ein kostenloses Fahrrad holen (Red Bike). Ein Auto ist fürs Einkaufen ganz praktisch und auch Ausfluege in die weitergelegene Umgebung werden damit möglich. Wir haben alle zusammengelegt und zu sechst einen alten Buick gekauft, der uns gute Dienste geleistet hat. Da wir unsere Wohnung schon sicher hatten, entfiel die Wohnungssuche bei uns, was sicherlich eine grosse Erleichterung war. Für diejenigen, die eine Wohnung suchen müssen, empfehle ich die Zeitungen Isthmus und Wisconsin State Journal, man kann auch um den Engineering Campus ein bisschen rumlaufen, an vielen Häussern gibt es Vermietungsanzeigen mit Telefonnummer. Für ein Zimmer sollte man 300 bis 400 Dollar veranschlagen. Stadt, Leute, Umgebung und Freizeit: Madison ist eine zwar kleine, aber sehr lebendige Stadt, was sicherlich zum grossen Teil auf die vielen Studenten zurückzuführen ist. Auf der State Street, der zentralen Strasse in der Innenstadt, sind die Bars und Restaurants fast immer mit Studenten voll. Hier kann man Essen und Getränke aus allen Herren Länder probieren, von Afghanistan über Russland bis Griechenland. Die State Street ist am Wochenende manchmal so voll, dass man kaum durchkommt. Was mich sehr gefreut hat, war das riesige Sportangebot speziell für Studenten. Als das Highlight kann ich da sicherlich die Hoofers Sportclubs aufführen und da speziell das Hoofers Sailing Club. Dieser Club bietet Studenten (und auch Nicht-Studenten für einen höheren Preis) die Möglichkeit, gegen eine niedrige Jahres- oder Semestergebuehr (200 Dollar im Jahr, 130 pro Sommersemester) die über 100 verschiedene Boote und viele Surfbretter auf dem grössten See in Madison, Mendota, zu benutzen. Auch werden 4 Abschlussbericht zum IAS an der UW Madison Ernst Schermann kostenlose Segelstunden angeboten, um mit den verschiedenen Bootstypen klarzukommen. Ich bin sofort nach der Ankunft beigetreten und habe es keinen Augenblick lang bereut. Da der Sommer in Madison meistens sehr warm und beständig ist, macht es sehr viel Spass, zu segeln und zu surfen und der See ist ziemlich gross. Der Hoofers Outing Club bietet Kayak- und Kanustunden an und auch viele verschiedene Trips in die Berge oder auf Flüssen. Es gibt drei grosse Hallen mit allen erdenklichen Fitnesseinrichtungen und Schwimmbädern. Der Eintritt ist für Studenten frei. Es gibt auch eine Tennishalle mit sage und schreibe zwölf Indoor-Tennisplätzen, die für Studenten 4 Dollar pro Platz und Stunde kosten. Die Aussenanlagen beinhalten viele Beachvolleyball-, Fussball- und Tennisplätze und Leichtathletikanlagen. Besonders zu erwähnen ist das Camp Randall Stadium für 70000 Zuschauer, das in diesem Jahr renoviert wurde und in dem das College Football Team spielt und Konzerte stattfinden. Wenn das Football Team spielt, steht die Stadt kopf. Die Athmosphäre im Stadion ist unbeschreiblich, besonders die Student Section macht Stimmung. Karten für ein Spiel sind nur schwer zu bekommen, aber manchmal kann man sie jemand abkaufen. Ausser den fast professionellen Teams wie das Football Team, gibt es sogenannte Intramural Teams in fast jeder Sportart, denen man beitreten kann. Diese trainieren ein oder zwei Mal die Woche und nehmen and Wettberben mit anderen Intramural Teams teil. Ich bin etwas ähnlichem beigetreten, dem Badger Ballroom Dancing Team und wir sind zu Turnieren nach Minnesota und Ohio gefahren. Wenn man keine Lust hat, Sport zu treiben, der kann sich auch einfach auf die Memorial Terrace setzen, die Sonne geniessen und ein Bier trinken. Die Sonnenauf- und untergaenge sind spektakulär. Gleich daneben ist die Memorial Union, wo es oft Theateraufführungen und Konzerte gibt. Wisconsin ist ein Agrarstaat, das für seine Milchprodukte bekannt ist. Dies bedeutet unter anderem, dass um Madison rum viele Farmen gibt und wenig Sehenswürdiges. Doch gibt es viele State Parks in der Nähe, wie das Devils Lake, und wer Natur mag, wird auf seine Kosten kommen. Ausserdem ist Chicago nur zwei Autostunden weit entfernt. Man sollte auch versuchen, nicht die gesamte Zeit hinter dem Computermonitor zu verbringen, schliesslich ist man auch da, um Land und Leute kennenzulernen. Die Semesterferien oder auch die verlängerten Wochenenden an einem der amerikanischen Feiertage eignen sich sehr gut, um auf Reisen zu gehen. Ich war in den Winterferien in Florida und habe im Sommer etliche National Parks besucht, was ich nie vergessen werde. Neue Leute kennenzulernen ist kein Problem. Besonders mit internationalen Studenten kommt man schnell in Kontakt. Die vielen Veranstaltungen des ISS (insbesondere das internationale Picknick am Anfang des Herbstsemesters) bringen die neuen Studenten schnell näher. Auch die Treffen im White Horse jeden Montag abend, wo sich viele amerikanische und internationale Studenten treffen, waren immer lustig. Parties gab es immer genug, man musste sich nur entscheiden, wohin man gehen wollte und mit Semesterbeginn wurde die Zeit auch knapp. Studium: Dass das Studium an einer amerikanischen Universitaet mit einer grösseren Arbeitsbelastung verbunden ist, haben schon viele berichtet und ich kann dem nur 5 Abschlussbericht zum IAS an der UW Madison Ernst Schermann beipflichten. Sicherlich auch sehr von der Kurswahl abhängig, fällt sie nie gering aus. Es ist sehr wichtig, den Arbeitsaufwand der Kurse vorher einschätzen zu können, um seine Vorlesungen so zusammenzulegen, dass der Vorbereitungsaufwand noch zu schaffen ist. Diese Einschätzung kann eigentlich nur von den Studenten kommen, die diesen Kurs schon besucht haben, also auf jeden Fall sollte man sie finden und fragen. Wenn man Vorlesungen in den USA mit denen in Deutschland vergleicht, fällt einem auf, dass der theoretische Anspruch hier oft geringer ist. Die behandelten Themen werden aber sehr viel stärker durch Hausaufgaben, Projekte und ähnlichem unterstützt, was wie ich festgestellt habe, den Lerneffekt stark erhöht, aber zu einer grossen Arbeitsbelastung führt. Mir hat auch sehr gefallen, dass die Bewertung der Leistungen über das gesamte Semester verteilt war und dass Projekte eine grosse Rolle gespielt haben, so dass nicht alles von einer Prüfung am Semesterende abhing. Auf das Arbeiten mit Computern wird in Madison viel Wert gelegt. Die meisten Computerlabs sind mit den letzten Dell-Modellen ausgestattet und haben jede erdenkliche Software installiert. In jedem Gebäude gibt es mindestens ein Lab, meistens mehrere und sie werden auch fleissig genutzt. In allen meinen Vorlesungen war die Nutzung von Computern unumgänglich, sei es zum Programmieren, Diagramme zeichnen oder Reports schreiben. Die Professoren waren sowohl direkt nach der Vorlesung oder auch fast immer ausserhalb der Vorlesung immer bereit und begeistert, Fragen zu beantworten oder bei Problemen zu helfen. Man fühlte, dass die Distanz zwischen Professor und Student viel geringer ist, als in Deutschland, obwohl es sowohl in den USA als auch in Deutschland einige Ausnahmen gibt. Besonders in den höheren Kursen merkte man deutlich, wie viele internationale Studenten in Madison studieren. Es ist erstaunlich, dass über 50 Prozent der Teilnehmer immer internationale Studenten waren. Ich habe von Anfang an vorgehabt, den Masterabschluss in Madison zu machen, so dass meine Zeitplanung etwas anders ausfiel als bei den meisten Stuttgartern, die mit mir kamen. Ich habe in den beiden Semestern des ISA-Programms hauptsächlich Vorlesungen besucht, um auf die notwendige Creditanzahl zu kommen, die für einen Master notwendig sind. Erst vor kurzem habe ich angefangen, an einem Projekt für die Master Thesis zu arbeiten. Nachfolgend beschreibe ich die Kurse, die ich in Madison besucht habe. ME/ECE 746 Dynamics of Controlled Systems 3 credits Dieser Kurs wird von Prof. Lorenz unterrichtet und beschäftigt sich mit der Regelung von MIMO-Systemen (multiple input, multiple output), die auch nicht-linear sein konnten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Praktibilität der Regelungskonzepte, komplexe mathematische Modelle werden vermieden. Prof. Lorenz legt sehr viel Wert auf das physikalische Verständniss der entworfenen Regelungen und der damit geregelten Systeme. Viele Konzepte werden denjenigen, die Regelungstechnik I und II, Robust Control oder ähnliches gehört haben, nicht besonders neu vorkommen, doch gerade das tiefgehende Verständniss der unterlegenden Prinzipien und der kleinen Details hat mir in dieser Vorlesung sehr viel gebracht. Man hatte insgesamt sechs Projekte zu bearbeiten, 6 Abschlussbericht zum IAS an der UW Madison Ernst Schermann jedes davon bestand aus einem regelungstechnischen Problem, das man mit den in der Vorlesung vorgestellten Methoden mit MATLAB lösen musste. Das Entscheidende war nicht, auf die absolut richtige Lösung zu kommen (es gab viele Lösungen), sondern im Report das schon erwähnte physikalische Verständniss zu demonstrieren. Diese Vorlesung bedeutete sehr viel Arbeit und es war keine Seltenheit, dass man vor Abgabe eines Projektreports die ganze Nacht vor dem Computer verbracht hat. Ich kann sie aber jedem empfehlen, der an praktischer Regelungstechnik interessiert ist. ME/ECE 439 Introduction to Robotics 3 credits Da ich besonders an der Robotic interessiert bin und in Stuttgart nicht viele Kurse zu diesem Thema gibt, habe ich diese Vorlesung von Prof. Ferrier besucht. Hier werden die Grundlagen der Robotertechnik behandelt, angefangen von den Raumtransformationen, Kinematik und etwas Dynamik bis zu Sensoren. In keinem Einzelgebiet wird besonders in die Tiefe gegangen, was aber bei einem Einführungskurs absolut nicht nötig ist. Vieles war mir schon aus HM oder TM Vorlesungen bekannt, war aber eine gute Wiederholung und es wurden Konzepte, die speziell fuer die Robotik sind, vorgestellt, wie zum Beispiel die Denavit-Hartenberg Beschreibung. Manipulatoren waren der Schwerpunkt der Vorlesung und viel Zeit wurde auch in Bildverarbeitung, das Spezialgebiet von Prof. Ferrier, investiert. Es gab vier Labs und vier Homework Assignments, der Arbeitsaufwand hielt sich aber sehr in Grenzen (bis auf das Final Project). Die Homeworks waren einfach und die Labs haben viel Spass gemacht, man hat mit einem Roboterbaukasten „spielen“ dürfen. Es gab ein Final Project, das mich sehr viel Zeit gekostet, aber so viel Spass gemacht hat, dass ich dabei andere Vorlesungen vielleicht etwas vernachlässigt habe. Wir haben einen Manipulator gebaut, der „Mensch ärgere dich nicht“ gespielt hat. Diese Vorlesung ist besonders für diejenigen zu empfehlen, die ME 739 ‚Advanced Automation and Robotics’ in Betracht ziehen, da hier sehr viele Grundlagen für diese weiterführende Vorlesung gelegt werden. Prof. Ferriers Unterrichtsstil ist manchmal ziemlich chaotisch, ich hatte von Zeit zu Zeit Schwierigkeiten, den roten Faden in der Vorlesung zu entdecken, aber sie ist immer bereit, bei Fragen oder Problemen zu helfen. ME/ECE 539 Introduction to Artificial Neural Networks and Fuzzy Systems 3 credits Immer wieder hört man von erstaunlichen Dingen, die mit Hilfe der neuronalen Netzwerke vollbracht wurden, und ich wollte endlich lernen, was das eigentlich genau ist. Prof. Hu’s Vorlesung gibt eine sehr breite Einführung in die vielen verschiedenen Arten von neuronalen Netzwerken, angefangen von den Multi Layer Perceptrons bis zu den Radial Basis Networks. Nicht nur neuronale Netzwerke wurden hier behandelt, sondern auch Expertensysteme, genetische Algorithmen, Fuzzy Sets und vieles mehr. Diese Fülle war manchmal etwas zu viel des Guten, von Tiefe konnte da keine Rede sein. Aber es war ein guter Überblick über Techniken, die zur Anwendung kommen koennen, wenn die zu untersuchende oder zu regelnde Systeme kompliziert und stark nicht-linear werden. Prof. Hu’s Vorlesungsstil hat dazu geführt, dass der am Anfang voller Vorlesungssaal sich zum Ende des Semesters bis auf ein paar Mutige geleert hatte (es war langweilig). 7 Abschlussbericht zum IAS an der UW Madison Ernst Schermann Aber die Homeworks waren für das Verständniss der Sachverhalte sehr gut. Für fast alle musste man sowohl rechnen als auch programmieren. Es gab ein Final Project, das 40% der Note ausmachte, der Rest machte die Homeworks aus. Es empfiehlt sich sehr, mit dem Projekt früh anzufangen (mindestens einen Monat vor Semesterende), ansonsten könnte meine Erfahrung wiederholt werden. Ich habe mein Projekt aus Zeitmangel in zwei Tagen machen müssen, was sich sehr negativ auf der Note ausgewirkt hat. Der Zeitaufwand für die Homeworks war moderat (etwa 10 Stunden pro Homework mit Report). Wer noch nichts mit neuronalen Netzwerken zu tun hatte und dabei auch eine gute Einführung in andere Klassifizierungs- und Regelungsproblemlösungen will, dem sei diese Vorlesung zu empfehlen. ME/ECE 739 Advanced Automation and Robotics 3 credits Dieser Kurs kann als eine weiterführende Vorlesung zum ME 439 “Introduction to Robotics” betrachtet werden und wird auch von Prof. Ferrier unterrichtet. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Dynamik und Regelung von Manipulatoren und wieder der Bildverabeitung und Bilderkennung speziell für die Regelung. Es ist eine Philosophie von Prof. Ferrier, dass man in Robotik Konzepte nur dann lernt, wenn man sie anwendet. Dementsprechend sind die vier Homework Assignments Programmieraufgaben, in denen man bestimmte Regelungs- oder Bildverarbeitungtechniken anwenden, vergleichen und auswerten soll. Dafür wurde während des Semesters eine Robotic Tool Box als Arbeitswerkzeug entwickelt. Es ist einem freigestellt, welche Programmiersprache man dabei verwendet, die Notwendigkeit, seine Ergebnisse grafisch darzustellen, führt die meisten dazu, MATLAB zu verwenden. Den Lerneffekt dieser Methode schätze ich sehr hoch ein. Am Ende des Semesters stand wieder ein Final Project auf dem Programm, ich habe mit einem Kommilitonen einen im Lab vorhandenen Manipulator mit einer Kamera ausgestattet und programmiert, einem roten Objekt im Raum zu folgen. Diese Vorlesung ist theoretisch und vom Zeitaufwand her deutlich schwieriger als der Einführungskurs, macht aber auch mehr Spass. Der Vortragungsstil von Prof. Ferrier besserte sich deutlich, man merkt, dass ihr dieser Kurs auch mehr Spass macht. Ohne jeden Zweifel die beste Vorlesung, die ich in Madison bis jetzt gehört habe, obwohl nicht die einfachste. ME/ECE 577 Automatic Controls Laboratory 4 credits Dies war eine Praktikumsvorlesung, die mit Praktikas in Stuttgart jedoch wenig gemeinsam hatte. Formal besteht sie aus einer Vorlesung und einer sechsstündigen Versuchsdurchführung pro Woche. In der Praxis bedeutet jeder Versuch 10-15 Stunden Ergebnissauswertung und Report (am Anfang deutlich mehr, bevor man sich gewisse Fertigkeiten anarbeitet). Dieses Lab wird von Prof. Lorenz angeboten, er macht jede Woche die Vorlesung und die Versuchsbetreuung übernimmt dann ein Doktorand. Hauptsächlich werden hier anhand einer Motorregelung Konzepte aus Prof. Lorenz’s Vorlesungen ME 746 „Dynamic of Controlled Systems“ und ME 547 „Design of Computer Control Systems“ in die Praxis umgesetzt. Die ersten acht Wochen werden den Grundlagen und der analogen Regelungstechnik gewidmet, der Rest der digitalen Regelung. Wie in allen seinen Vorlesungen, legt Prof. Lorenz auch hier den Schwerpunkt auf physikalisches Verständniss der beobachteten Phänomene und auftretender 8 Abschlussbericht zum IAS an der UW Madison Ernst Schermann Schwierigkeiten. Man baut eine Motorregelung von null auf, optimiert sie, und integriert verschiedene Beobachter. Dieser Kurs ist wegen seines gewaltigen Zeitaufwandes berüchtigt und dies zurecht. Andererseits hat man ausserhalb der Industrie nirgends sonst die Möglichkeit, Regelungstechnik so praxisnah zu erleben. Ein Lab, das auch in theoretischer Hinsicht schwierig sein kann, wenn man die oben genannten Vorlesungen nicht besucht hat. Als ich diese Vorlesung besucht habe, war man dabei, die gesamten Versuche auf moderne Mikrocontroller umzustellen, deswegen hatten wir von Zeit zu Zeit Probleme mit der Software. Jetzt ist die Umstellung abgeschlossen und alles läuft reibungslos, wie ich gehört habe. Auch hier gibt es ein Final Project, das ungemein viel Zeit kostet, riesigen Spass macht (es sei denn, man muss sich nachts damit rumschlagen) und einen Lernerfolg mit sich bringt, der unbezahlbar ist. Jedem, der erleben will, wie Regelungstechnik in der Praxis funktioniert, ist dieses Lab sehr zu empfehlen. Spanish 101 4 credits Die Möglichkeit, Sprachkurse zu besuchen, habe ich erst im zweiten Semester wahrgenommen. Dies ist die erste Spanischvorlesung für absolute Anfänger. Wer Sprachkurse am Sprachenzentrum besucht hat, wird hier aber deutliche Unterschiede spüren. Die Vorlesung findet jeden Tag statt, 50 Minuten, jeden Tag werden Hausaufgaben aufgegeben (nicht besonders viel, für eine Stunde Arbeit reicht es aber immer). Man muss schon im Anfängerkurs zwei Presentationen halten, sechs bis zehn Kurzaufsätze anfertigen und jede zweite Woche einen Test schreiben. Viel Wert wird auch auf Konversationen im Unterricht gelegt. Die vier Credits, wie diese Vorlesung gewertet wird, sind also vollkommen gerechtfertigt. Diese ständige „Spanischbombardierung“ hat aber einen ausgezeichnten Effekt auf die Sprachentwicklung. Noch nie hatte ich das Gefühl, eine Sprache so schnell zu lernen. Die Unterlagen, die man kaufen muss, schlagen zwar mit ungefähr 90 Dollar (gebraucht weniger) schon spürbar auf den Geldbeutel, sind aber auch ausgezeichnet und können auch am Schluss für die Hälfte des Preises wiederverkauft werden. Diese Vorlesungen sind begehrt und sehr schnell voll (im Gegensatz zu vielen Ingenieurvorlesungen lassen die Verantwortlichen nicht mit sich reden, wenn man unangemeldet ihre Vorlesung besuchen will), deswegen ist eine frühe Registrierung wichtig. An diesen Kurs schliesst sich eine weiterführende Vorlesung „Spanish 102“, die ich derzeit besuche. CS 766 Computer Vision 3 credits Ich kann über diese Vorlesung noch nicht viel berichten, da ich sie nur ein paar Mal besucht habe. Sie wird von Prof. Dyer vom Computer Science Department gehalten und beinhaltet sowohl low-level Methoden der Bildverarbeitung als auch Objekterkennungstechniken. Verschiedene Kameramodelle, Stereovision, Szenenrekonstruktion mit Hilfe von Schatten etc. sollen behandelt werden. Dieser Kurs soll einen Überblick über moderne und gängige Verfahren in der Bildverarbeitung geben, ohne besonders tief in Teilgebiete zu gehen. Mehrere Homeworks und ein Final Project sind vorgesehen. 9 Abschlussbericht zum IAS an der UW Madison Ernst Schermann Master Thesis: In meinem Projekt arbeite ich im Robotics Lab des WCSAR (Wisconsin Center for Space Automation and Robotics). Hier wird derzeit ein System entwickelt, das die Pflanzenzuchtmodule in der Simulationsanlage einer Mond- oder Planetenstation bedient. Das System besteht aus einem Robotermanipulator und einem XY-Tisch, auf dem der Manipulator montiert ist. Meine Aufgabe ist es, die kollisionsfreie Routenplanung dieses Systems zu entwickeln. Prof. Duffie ist mein Advisor und ich plane, die Arbeit im AprilMai 2005 fertigzustellen. Wertung des Aufenthalts: Obwohl ich immernoch in Madison bin, steht für mich jetzt schon fest, dass dieser Aufenthalt hier bis jetzt wahrscheinlich die beste Zeit in meinem Leben war. Es war eine Zeit harter Arbeit und manchmal schlafloser Naechte, aber auch eine Zeit rauschender Feste und vieler Reisen. Ich habe meterhohen Schnee erlebt, klirrende Kälte und Wind, der einen umreissen konnte und auch wunderschöne Sommer mit viel Sonne, Wasser und Natur. Ich bin Schlittshuh auf einem riesigen See gelaufen und bei tosendem Wind gesegelt und gesurft. Ich habe Menschen aus so vielen Ländern getroffen, dass ich sie wahrscheinlich gar nicht mehr zählen kann und habe mit ihnen unzählige Stunden gelacht. Es war nicht immer einfach im Studium, aber zurückblickend kann ich sagen, dass selbst die schlimmsten Momente mir viel gebracht haben. Ich habe Madison in mein Herz geschlossen und es wird mir schwer fallen, von hier wegzugehen. Ich möchte all denjenigen danken, die mir diesen Aufenthalt möglich gemacht haben. Ich danke dem DAAD, ohne dessen finanzielle Unterstützung dieses Programm nicht geben würde. Ich danke Prof. Zeitz, der das Madison-Programm mit aller Kraft und Begeisterung unterstützt und promotet und Prof. Heisel, der mir die Teilnahme ermöglicht hat. Ich danke Frau Krug vom ISW für ihre Mühe bei der Unterlagenvorbereitung und dafür, dass sie für Fragen und Probleme immer da war. Ich danke Frau Schwalb für ihre Unterstützung bei allen organisatorischen Fragen. Schliesslich bedanke ich mich bei allen Professoren und Mitarbeitern der UW Madison, die mir immer mit Tat und Rat geholfen haben. Ich hoffe, es gibt diesen Austausch noch viele Jahre, sodass andere Stuttgarter Studenten die Chance bekommen, diese grossartige Stadt und Universität zu besuchen. 10