Die Suppe der Versöhnung

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Die Suppe der Versöhnung
Reisen
STROMERN
20. NOVEMBER 2011
Versöhnen Seite 85
Was ein Teller Suppe
bei Rigutto bewirkt hat
Verwöhnen Seite 86
Wie ein Hotel auf
Mauritius mit Natur
und Luxus überzeugt
Frönen Seite 87
Welch skurrile Aktivitäten
im Winter angesagt sind
WANDERN
Im aussergewöhnlichsten
Auto auf dem Markt
Im schneereichsten
Ort der Schweiz
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Das warme Herz Zagrebs
In der kroatischen Metropole kommt die Adventszeit noch unverfälscht, sinnlich und liebenswert daher
BRUNO SCHLATTER
(TEXT UND FOTOS)
Die Majoretten kämpfen vor dem
Auftritt gegen die Kälte. Sie tänzeln unruhig am Ort und reiben
sich die Hände. Sie sind auffallend
hübsch in ihren adretten Uniformen. Die Show auf dem Ban-Jelacic-Platz von Zagreb lässt keine
Wünsche offen – eine Augenweide. Welch ein optischer Kontrast
zu den Frauen aus den Chören der
umliegenden Dörfer, die in bunten Trachten als Nächste auf der
Bühne erscheinen. Stämmige,
meist ältere Sängerinnen schmettern ihre Lieder voller Inbrunst,
mal beschwingt, mal melancholisch. Auch wenn wir den Text
nicht verstehen, die Lieder gehen
ans Herz. Es wird immer stiller
und besinnlicher in der Runde.
Viele Augen schimmern feucht,
nicht wegen der Kälte.
Das ist Advent in der kroatischen Hauptstadt. Zagreb ver-
sucht, die in Osteuropa etwas in
Vergessenheit geratene Tradition
der Weihnachtsmärkte neu zu beleben. Das gelingt. Jedes Jahr erfreuen sich immer mehr Gäste der
Adventstage in der 900 000-Einwohner-Metropole mit sehr viel
Charme und Kultur, mit gastfreundlichen, offenen Menschen
und einem Advents-Programm
auf dem historischen Platz.
Sängerinnen winken uns heran
und bieten Hausmannskost an
Da darf auch das Weihnachtstram
nicht fehlen. Mütter mit Kindern
stürmen die Attraktion auf Schienen. Das Christkind an der Tür ist
überfordert, bekommt aber Hilfe
von zwei weiblichen Nikolausen
im roten Minikleidchen. Sie versuchen, unter ständigem Bimmeln
mit Glöckchen, die Scharen geordnet ins Tram zu lenken. Unterdessen verzehren die Dorffrauen vom
grossen Chor hinter dem Festzelt
das mitgebrachte Mittagessen.
Augenschmaus:
Adventsstimmung auf dem
Ban Jelacic,
Majorette und
freundliche
Samichläuse
Kleine gebackene Leckereien und
deftige Wurststücke. Wir schauen
ihnen etwas zu auffällig zu, und
schon winken uns die Sängerinnen heran und bieten uns Proben
kroatischer Hausmannskost an.
Eine der jüngeren Protagonistinnen spricht etwas Deutsch und
liefert die Erklärung dazu: «Vor
Jahren habe ich in Flims gearbeitet.» Stolz sagt sie: «Früher wurden unsere Männer, Väter und
Grossväter von der Partei auf diesen Platz gekarrt, heute kommen
wir Frauen und singen, während
unsere Männer im Dorf das Haus
hüten.» Sie lacht und reicht kleine
Schnapsgläser herum, bevor der
nächste Auftritt auf der Bühne
wartet. Die Landfrauen singen,
wie wir das noch selten gehört haben, so kräftig, so rein und so gefühlvoll. Ihr Engagement wird nur
noch übertroffen von den dick eingemummten Kindern, die auf dem
gut frequentierten Eisfeld mitten
im Weihnachtstrubel ihre Runden
drehen. Bei den meisten sieht
das noch etwas unbeholfen aus.
Es wird langsam dunkel in Zagreb. Schichtwechsel auf der Bühne. Die Rockband vertreibt die älteren Semester in die nahe gelegene Tkalci-Strasse. Sie war einst das
Viertel der Handwerker und gesäumt von Kneipen und Bordellen. Heute aber ist sie dank Boutiquen, Restaurants und Clubs ein
Treffpunkt für alle Generationen.
Der Moment ist da, um sich in
einer der traditionellen Gaststätten einen Apéro zu gönnen. Aber
auch Kaffee, Tee und Kuchen haben hier Tradition. Gediegen, aber
durchaus auch vom einfachen
Volk besucht, ist der AfternoonTea im noblen Hotel Metropol,
das 1925 in Rekordzeit als Unterkunft für die Gäste des berühmten
Orient-Express gebaut wurde.
Schleckmäuler, die es unkomplizierter mögen, finden wenige
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KroatienReisen
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20. NOVEMBER 2011
R I G U T TO R E I S T
Die Suppe
der Versöhnung
Ich habe eine Phobie gegen Restaurants, die ihre
Speisekarte in Form von fotografierten Menüs
präsentieren. Es sind dies die stillosesten, schlimmsten Touristenabsteigen, die man sich nur vorstellen
kann. Ich müsste wirklich sehr nahe am Hungertod
sein, dass ich ein solches Lokal betreten würde.
Nicht nur sind diese Menüs grauenhaft schlecht fotografiert, sie sehen auch immer dermassen unappetitlich aus, dass man sich gar nicht vorstellen mag, wie
sie schmecken. Es ist einfach eine Frage des Stils.
Leute, die in solchen Restaurants Platz nehmen, für
die habe ich nichts als tiefstes Mitleid übrig. Jawohl!
Zeit für Geschäftigkeit und Einkehr: Fröhliche, singende Landfrauen in ihren Trachten, der Mirogoi-Friedhof, Schlemmen am Wurststand
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Das warme Herz
Zagrebs
Schritte vom Hauptplatz das Ivica und Marica. Das kroatische
Hänsel-und-Gretel-Café, ein
Knusperhäuschen mit toller Kuchenauswahl, überrascht mit
einem kostümierten Gretel als
Serviererin. Im Abendlicht wird
der Weihnachtsmarkt, er ist auch
ein Genussmarkt, immer romantischer. Herrliche Düfte von
Gebäck, aber auch die charakteristische Mischung aus Rauch
und Würsten, verlocken zum
Schlemmen.
Südländisches Flair und etwas
Wärme verheisst der Spaziergang
durch die elegante Oktagon-Geschäftspassage zum Blumenmarkt.
Auf dem Weg finden wir einen
Laden nur mit Krawatten – 2000
an der Zahl, alle handgemacht.
Schliesslich wurde die Krawatte in
Kroatien erfunden. Obwohl bit-
terkalt, verharren die Zagreber
draussen an Stehtischen im Wintermantel, oder sie sitzen in
Lounges unter Heizstrahlern.
Am nächsten Morgen finden
wir Zeit, den Rest der Stadt zu erkunden. Als Einstieg gerade richtig: der ganzjährig geöffnete Dolac-Markt im Herzen von Zagreb.
Obwohl es wieder eiskalt ist, ist
der Zagreber Bauch, wie der
Markt im Volksmund heisst, schon
am frühen Morgen gut besucht.
Auf den ersten Blick dominiert die
Farbe Orange. Es ist Mandarinenzeit, spottbillig werden sie angeboten, aber auch Gemüse, andere
Früchte, hausgemachter Käse und
Joghurt sind beliebte Einkäufe.
Traditionsgemäss bringen die
Bauern der Umgebung ihre Produkte täglich frisch auf den 1930
eröffneten Markt. Und Blumen,
überall Blumen.
Der Renner aber sind Weihnachtsgestecke. Was für die Zagreber normal erscheint, können
die ausländischen Touristen kaum
glauben. Für drei Euro erstehen
wir ein riesiges, wunderschön zu-
sammengestelltes Arrangement,
das knapp in die Handgepäckablage des Fliegers passen wird.
Es ruft eine weitere Attraktion
Zagrebs: der Markusplatz, zuoberst in der Altstadt, über Treppen leicht zu erreichen. Wäre da
nicht die Verlockung, die weltweit
kürzeste Drahtseilbahn im öffentlichen Verkehr zu nutzen. 1890
wurde das Unikum als Dampfbahn in Betrieb genommen, heute gleitet es fast lautlos die nur
66 Meter lange Strecke hinauf.
Blumengestecke, Markusplatz
und Grossvaters Traum
Der Markusplatz entpuppt sich
als Oase in der Grossstadt, mit
dem Parlament, dem Museum für
naive Kunst und Grossvaters
Traum, wie die urige Kneipe
Didov San in der Übersetzung
heisst. Sehr touristisch ist sie, aber
keine Touristenfalle, beliebt auch
bei den Einheimischen. Man sollte hier den Psut, den schmackhaften Rohschinken, probieren, dazu die typischen im Öl gebackenen Teigkugeln mit Fetakäse
Tipps und Infos: Flüge und ein Arrangement am zentralen Platz
Mirigoi-Friedhof
ZAGREB
Zagreb
Tkalci-Strasse
Markusplatz
Radic-Strasse
Ivica und Marica
KROATIEN
Didov San
Kaptol
Katarinenplatz
Dolac-Markt
A LT S TA DT
Ilica-Strasse
Oktagon-Passage
Kathedrale
Ban-Jelacic-Platz
Hotel Dubrovnik
Regent Esplanade Hotel
Bahnhof
200 m
Anreise Flug mit Croatia Airlines,
zweimal täglich von Zürich nach
Zagreb, www.croatiaairlines.com
Hotel The Regent Esplanade,
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Arrangement 3 Tage/2 Nächte
in Zagreb, Hotel Dubrovnik****
am zentralen Ban-Jelacic-Platz,
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Tel 044 268 24 70,
www.uniquetravel.ch
Weihnachtsmarkt 27. November
bis 18. Dezember 2011,
www.adventzagreb.com
Allg. Infos Kroatische
Zentrale für Tourismus,
Tel 043 336 20 30,
www.kroatien-tourismus.ch
www.zagreb-touristinfo.hr
gefüllt. In der Übersetzung heisst
das Gericht Donuts-Fritter.
Später fahren wir bei zartem
Sonnenschein mit dem öffentlichen Bus zum Mirogoi-Friedhof,
er gilt als einer der schönsten
Europas. Hier finden Menschen
aller Religionen und jeden Standes ihre letzte Ruhe. Die Anlage
vereint Friedhof, Park und Kunst.
Auch bei Regenwetter ein lohnendes Ziel, lädt doch die kilometerlange Arkade zum Flanieren ein,
vorbei an kunstvollen, imposanten Grabstätten. Mirogoi bietet
aber auch einen Einblick in das
Familienleben der Zagreber, die
ihren Friedhof gerne besuchen,
um innezuhalten in der Hektik
der Hauptstadt. Wo die Einheimischen den Abend verbringen,
ist klar: auf dem Ban-JelacicPlatz, dort, wo Weihnachten stattfindet. Fröhlich, besinnlich, kulinarisch vielfältig und etwas turbulent: einfach Advent für alle.
Die Reise wurde unterstützt
von der Kroatischen Zentrale
für Tourismus
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So dachte ich, bis ich nach Tokio reiste. Wir wohnten
in Akasaka-Mitsuke, einem schönen Viertel mit vielen hübschen Restaurants. Keines der Lokale in unmittelbarer Nähe hatte eine Speisekarte auf Englisch.
Nur auf Japanisch. Und die
«Nach dem Angestellten lächelten nur
ersten Löffel verlegen, wenn man sie auf
Suppe blieb Englisch ansprach. Ich war
überrascht: Tokio, Weltstadt,
der plötzliche kein Englisch? Es hätte eine
Stilsündentod Menge Restaurants gegeben,
aus» die ihr Menü mit Bildern präsentierten. Aber – das wissen
Sie ja bereits – in die wollte ich partout nicht. «Da
wird es ja wohl irgendwo ein normales Lokal geben»,
meinte ich wichtigtuerisch und stapfte los. Doch die
Suche blieb, ja, erfolglos. Und der Magen knurrte immer mieser gelaunt. Irgendwann wurde klar: Wir
haben die Wahl zwischen McDonald’s und einem
Restaurant mit Foto-Menü.
Und so zeigten wir – wer hätte gedacht, dass dieser
Tag mal kommen würde! – auf eine Schale Nudelsuppe, dann auf eine Asahi-Bierflasche (vorsorglich,
als Trostspender). Ein Glas kalter Tee kam unaufgefordert auf den Tisch, er schien im Menü inbegriffen.
Voller Skepsis schlürfte ich den ersten Löffel Suppe –
der plötzliche Stilsündentod blieb überraschend aus.
Dann kam der zweite Löffel in den Mund, unmittelbar gefolgt vom dritten – oh ja, die Suppe schmeckte
hervorragend. Heaven! Es reichte diese eine Suppe,
um uns mit den fotografierten Menüs zu versöhnen.
Aber nur – NUR – in Tokio.
Ähnliches erlebt? Schreiben Sie unserer Reise-Redaktorin
Stefanie Rigutto auf [email protected]
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Ziel des vorweihnachtlichen Trips erst im Laufe des
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