MKL_2014_09_13_Kubas Oldtimer.indd

Transcrição

MKL_2014_09_13_Kubas Oldtimer.indd
XXXXXXXXXXXXXXX FAHRBERICHT
Tage mit Humberto
Text & Fotos Michael Schröder
Motor Klassik 9/2014
ion Oldtimer
S e i t 19 8 4
Youngtimer
58
t
ina
und
30 Jahre Fasz
Zwei
US-Klassiker beherrschen noch immer das Bild auf Kubas Straßen –
Humbertos Chevrolet dürfte jedoch zu den auffälligsten Modellen
auf der Karibik-Insel gehören. Wir waren mit ihm unterwegs.
Motor Klassik 9/2014
59
REPORTAGE US-KL ASSIKER AUF KUBA
Der Malecón,
Havannas sieben
Kilometer lange
Uferpromenade am
Golf von Mexiko
Der Verkehr in Havanna
– wie eingefroren im
Jahr 1959. Im Hintergrund das Capitolio
Nacional
Kuba, sagt Humberto, sei wie eines dieser alten
Autos: nur durch Geduld, Einfallsreichtum und
Willenskraft noch in Bewegung gehalten
Humbertos Chevy ist
sein ganzes Kapital.
Originalität darf man
auf Kuba allerdings
nicht erwarten
60
Motor Klassik 9/2014
Schöner Schein. Viele
der Autos tragen
längst fremde Technik
unter ihren Hauben
FAHRBERICHT
REPORTAGE
US-KL
XXXXXXXXXXXXXXX
ASSIKER AUF KUBA
Die „Elefantenbuckel“
im Westen Kubas –
eine Tagesreise für „La
Pantera Rosa“
A
uf dem Weg ins Zentrum Havannas erklärt mir Humberto das
Geheimnis seines Erfolgs: „Die
Farbe Rosa.“ Seitdem er seinen
Chevrolet Bel Air, Jahrgang 54,
vor vier Jahren so lackiert habe, liefen die Geschäfte als Taxifahrer spürbar besser. „Vor allem Frauen steigen viel lieber in ein buntes
als in ein dunkles Auto ein“, erklärt der
61-jährige Kubaner und meint dabei hauptsächlich die vielen Touristinnen aus den USA
und Europa, die für seine Chauffeurdienste
schon mal ein dickes Trinkgeld in US-Dollar
oder Euro spendieren. Einen Namen habe er
für sein Auto selbstverständlich auch gefunden. „La Pantera Rosa“ – der rosarote Panther.
Auffallen um jeden Preis. Humberto
Fundora Cordovez, mein Fahrer für eine
zweitägige Klassiker-Rundfahrt durch Havanna und den Westen Kubas, kennt die
Spielregeln, um in einem heruntergewirtschafteten Land irgendwie über die Runden
zu kommen. Sein bunter Chevy zählt zu den
Zigtausenden Autos, die von den US-Amerikanern zurückgelassen wurden, als die
„Barbudos“, die Bärtigen, unter der Führung
von Fidel Castro und Che Guevara die Revolution am 1. Januar 1959 für vollzogen
­erklärten. Weil Neuwagen, zumeist aus russischer und chinesischer Produktion, seit
dem Umsturz ausschließlich Regierungsmitgliedern, ranghohen Militärs und
vereinzelt auch Ärzten oder bekannten
­
Sportlern vorbehalten waren, musste sich
Humberto wie die meisten seiner Landsleute irgendwie mit dem automobilen Nachlass
aus der Zeit vor der Revolution arrangieren.
Kuba, erklärt Humberto, sei wie eines
dieser alten Autos: nur durch Geduld, Einfallsreichtum und Willenskraft noch in Bewegung gehalten. „Seit Januar 2014 dürfen
Privatleute zwar erstmals auch einen Neuwagen erstehen, aber leisten kann sich das
62
Motor Klassik 9/2014
Che Guevara gilt noch immer als Popstar der
Revolution. Ihm entgeht niemand auf Kuba
niemand.“ Ein Peugeot 508 koste umgerechnet 190 000 Euro. „Die staat­lichen Autohäuser sind die einzigen Geschäfte des Landes, vor denen sich keine ­Warteschlangen
bilden“, scherzt mein Fahrer angesichts dieser absurden Preispolitik des Castro-Regimes in einem Land, in dem das Durchschnittsgehalt umgerechnet (nominal) 15
Euro beträgt. Pro Monat. „Unsere US-Schlitten werden vermutlich weitere 50 Jahre
durch Havanna kriechen.“ Humbertos
Wunschauto? „Ein Porsche 911.“ Ein Bild
des Sportwagens klebt seit vielen Jahren auf
dem Armaturenbrett seiner „Pantera Rosa“.
Autos, die wie in Zeitlupe fahren
Zigarren sind der größte Exportschlager der
Karibik-Insel – Raucher schwören auf Cohibas
Wenn auf dem Land Früchte angeboten
werden, muss man zugreifen. Alltag auf Kuba
„Du willst möglichst viele Oldtimer sehen?
Dann schau dich jetzt mal um!“ Wir sind bereits auf den Prado abgebogen, Havannas
berühmteste Flaniermeile. Restaurierte Kolonialbauten neben brüchigem Mauerwerk,
morbider Charme neben fotogener Hoffnungslosigkeit und dazwischen das pralle
Leben, selbst jetzt im Hochsommer bei 38
Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit. Einzig
der Verkehr schleicht wie in Zeitlupe über
den breiten Boulevard. Buicks, Pontiacs,
Fords oder Chevrolets, keiner jünger als die
Revolution und viele durch ständiges Flicken
und Reparieren gegen das Handelsembargo
gerade noch fahrbereit erhalten. Das automobile Leben einer Stadt, die einst Vergnügungspark für Hollywood-Stars und MafiaPaten war – eingefroren im Jahr 1959. Jenseits
aller Tragik eine großartige Szenerie.
„Wer kann“, erklärt Humberto, „bietet
Rundfahrten für Touristen an.“ Nach Zigarren und Rum die dritte große Attraktion, die
sein Land zu bieten habe. Vor dem prächtigen Capitolio Nacional, einer Kopie des USamerikanischen Regierungssitzes, seien die
Parkplätze der ersten Reihe für die Stars der
Oldtimer-Taxi-Szene reserviert. Wir fahren
an flügelbewehrten Cabrios aus den 50er-
FAHRBERICHT
REPORTAGE
US-KL
XXXXXXXXXXXXXXX
ASSIKER AUF KUBA
BMW Classic
bmw-classic.de
Irgendwo in einer
Seitenstraße. Trotz
aller Tragik eine
großartige Szenerie
Jahren vorbei, an einem roten Oldsmobile
Super 88 und gleich an zwei auf Hochglanz
polierten Ford Fairlane. „Diese Modelle gelten besonders bei US-Amerikanern als erste
Wahl für eine Runde durch die Stadt“, erklärt Humberto. So ein Auto sei in Havanna
wie eine Lizenz zum Gelddrucken.
Nur eine Ecke weiter, am Park der Brüderlichkeit, quasi die zweite Garde. Zu Dutzenden stehen sie dort im Schatten uralter
Bäume. Kaum noch fahrbereit wirkende
US-Kreuzer mit blätterndem Lack und riesigen Rostlöchern. Autos, an denen an Ort
und Stelle repariert wird und unter deren
Hauben inzwischen längst Motoren von
Lada, Peugeot oder SsangYong stecken, weil
passende Ersatzteile für die alten V8-Aggregate einfach nicht zu beschaffen waren.
Oder sind. Den Touristen, glaubt mein Fahrer, sei die Motorisierung egal, den Einheimischen sowieso. Humberto weiß, dass der
Zustand der meisten Autos katastrophal ist.
Aber auf Kuba kämen selbst die abgetakeltsten Fuhren durch die regelmäßige
technische Untersuchung. Die Zulassung
für den Straßenverkehr sei nur eine Frage
des Geldes, weil viele Beamte korrupt seien.
Wir zuckeln weiter durch Havanna. Hinunter zum Hafen, vorbei an der inzwischen
prächtig restaurierten Altstadt, schließlich
der Malecón, jene rund sieben Kilometer
lange Uferpromenade am Golf von Mexiko,
auf dem sich jeden Abend die halbe Stadt
trifft und an der sich auch die wohl berühmteste Herberge der Stadt befindet, das „Hotel Nacional“. „Errol Flynn, Marlene Dietrich oder Ernest Hemingway waren hier regelmäßig zu Gast, und für die Paten der USMafia wurden gleich mehrere Etagen frei
gehalten“, erklärt Humberto.
Fünf Stunden dauert unsere erste Runde
mit „La Pantera Rosa“, und wir zählen zu
den wenigen, die mit geschlossenen Fens64
Anreise
Mit Condor gelangt man ab Frankfurt
dreimal pro Woche (Montag, Mittwoch und
Freitag) nach Havanna und zurück. Der
Nonstop-Flug dauert rund zehn Stunden
und ist ab etwa 1100 Euro pro Person
erhältlich. Alternativ kann man mit Condor
auch nach Varadero fliegen (Donnerstag,
Samstag) und sich von dort per Taxi nach
Havanna bringen lassen. Preis: ab rund 900
Euro pro Person. Infos und Buchung: www.
condor.com
Organisierte Reisen
Der Reiseveranstalter Cuba Real Tours
mit Hauptsitz in Zürich hat sich seit Jahren
auf Kuba spezialisiert und bietet u. a. ausgewählte Unterkünfte und maßgeschneiderte Touren an. Infos: Tel. 00 41/4 45 00 10 60
(Zürich) oder in Deutschland (Auf der
Platte 22/1, 88284 Wolpertswende) Tel.
0 08 00 05 00 10 60. www.cubarealtours.eu
Empfehlenswertes Hotel in Havannas
Altstadt: das „Conde de Villanueva“
La Pantera Rosa
Humberto und sein 54er Chevrolet Bel Air
können entweder über Cuba Real Tours
oder auch ganz individuell für Rundfahrten
durch Havanna gebucht werden. Möglich
sind auch mehrtägige Touren über Land.
Spanischkenntnisse sind von Vorteil.
Kontakt: [email protected]
tern durch die Stadt fahren. Die Klimaanlage ist Humbertos ganzer Stolz, sie stamme
wie die elektrischen Fensterheber von
einem ­Hyundai, während er die Bremsen
von einem Nissan und Teile des Fahrwerks
von einem Lada übernommen habe. „Für
unsere Mechaniker sind solche Arbeiten
längst Routine“, erklärt Humberto.
Der beste Tabak der Welt
Tag zwei. Wir sind bereits seit sieben Uhr unterwegs. Mit Tempo 60 oder 80 über die
breite Autobahn in Richtung Pinar del Rio,
aber so genau lässt sich die Geschwindigkeit
nicht schätzen, weil die Tachonadel von „La
Pantera Rosa“ wie wild zwischen null und
100 umherzuckt. Immerhin, wir zählen zu
den Schnellsten, überholen Lastwagenkolonnen, Ladas, Wolgas, bulgarische Busse.
Dort im Westen, hatte Humberto erzählt,
werde der beste Tabak der Welt angebaut.
Drei bis vier Stunden Fahrt für 150 Kilometer,
aber es lohne sich. Extra für diesen Trip hat
sich Humberto mit Musik eingedeckt. Der
CD-Spieler unter dem Armaturenbrett –
Ehrensache. So wie der Sound: SchmuseSalsa von Marc Anthony, Humbertos Lieblingsmusiker, obwohl der Sänger kein Kubaner, sondern ein Puerto Ricaner sei.
Irgendwann biegen wir auf eine schmale
Straße ab, die kilometerweit an Tabakfeldern und unzähligen Trockenhäusern vorbeiführt. „Vuelta Abajo, der berühmteste Tabakgarten der Welt“, schwärmt Humberto,
und selbstverständlich gönnen wir uns zur
Feier des Tages eine Cohiba, die Königin unter den kubanischen Zigarren. Humberto ist
zufrieden, auch weil „La Pantera Rosa“ ohne
Murren durchgehalten hat und draußen auf
dem Parkplatz, eingeklemmt zwischen unzähligen Mietwagen und Kleinbussen, zum
Fotostar mutiert. Mal wieder. Die Farbe,
weiß Humberto. Es ist diese Farbe.
◾
lost & found.
Der BMW 507 von Elvis Presley ist nach 60 Jahren an seinen Produktionsort zurückgekehrt!
BMW Classic restauriert das Kultfahrzeug des King of Rock und sorgt dafür, dass auch Ihre Fahrfreude nie endet.
Mit dem Premiumservice, Original-Ersatzteilen und einem Team, das das Schönste mit Ihnen teilt:
die Freude für zeitlos schöne BMW Klassiker.
Mehr unter bmw-classic.de
Motor Klassik 9/2014
Ansicht!
freude am fahren

Documentos relacionados