SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011

Transcrição

SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011
Boropa SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011
Boropa
SpIELZEITMaGaZIn
2010/2011
www.Boropa.dE
Stadtwerke Bochum
anders [ agenten, bochum
Wir geben Ihnen die nötige Energie
Editorial
Liebes Publikum,
Titel: Paul Koek
ILLUSTRIERT VON
Philipp Lemm
jedes Theater hat seine eigene Geschichte. Oft ist sie verbunden mit Erinnerungen und Anekdoten oder einem Labyrinth eigenartiger Ecken und Winkel, Stiegen und Flure.
Die Geschichte des Schauspielhauses Bochum ist vor allem verbunden mit besonderen Menschen, die sich hier in
den letzten Jahrzehnten auf und vor der Bühne trafen und
die nicht selten Theatergeschichte geschrieben haben.
Wie kaum ein anderes Theater in Deutschland ist das
Schauspielhaus Bochum in der Stadt verwurzelt, die selbst
in schwierigen Zeiten alle Kraft in ihr Theater gibt, um den
Künstlern, die dort arbeiten, das Besondere zu ermöglichen. Und wie in kaum einer Stadt hat das Schauspielhaus
in guten Zeiten immer auch das Leben in der Stadt geprägt
und sie durch seine Arbeit zu etwas Besonderem gemacht.
Bochum und sein Theater gehören von jeher eng zusammen.
Nun gilt es, in dieser gemeinsamen Geschichte das
nächste Kapitel aufzuschlagen, aber auch den nächsten
Schritt zu wagen. In einer Gegend, die sich immer wieder
neu erfindet und die das Zusammenleben von Menschen
aus über 150 Nationen täglich neu regelt und gestaltet,
ist es notwendig, nicht nur in die Vergangenheit, sondern
auch in die Zukunft zu blicken, Visionen und Träume zu
entwerfen und vor allem Verbindungen herzustellen: zwischen den unterschiedlichen Menschen und Kulturen
dieser Region, aber auch zwischen dieser Region und dem
Rest der Welt. Die Frage, wie wir in Zukunft zusammenleben werden, lässt sich dabei weder regional noch national
beantworten. Wir brauchen Gespräche mit Menschen aus
vielen Ländern und Kulturen, brauchen den weiten Blick,
um über Zukunft nachdenken zu können.
Die Menschen, die wir zum Neustart des Schauspielhauses Bochum eingeladen haben, kommen deshalb nicht
nur aus dem Ruhrgebiet und aus ganz Deutschland, sondern auch aus Warschau und Istanbul, den Niederlanden,
Italien und der Schweiz, aus Tunis und der Elfenbeinküste.
Sie bringen ihre ganz eigenen Geschichten mit und ihren
besonderen Blick: auf die Zukunft, auf Deutschland und
auf das, was sie hier in der Region vorfinden. Gemeinsam
mit dem Ensemble des Schauspielhauses Bochum werden
sie von dem erzählen, was das Zusammenleben ausmacht.
In Bochum wie in Europa, gestern, heute und in Zukunft.
Das Schauspielhaus Bochum wird so zu einem Ort, an
dem unterschiedliche Künstler und Kulturen aus ganz
Europa und darüber hinaus aufeinander treffen, mitsamt
ihren verschiedenen Sprachen und bekannten und unbekannten Formen Theater zu spielen. Vor allem aber wird
es zu einem Ort der Verbindung von Bochum und Europa.
Boropa entsteht, ein neuer Ort, ein neues Land, mitten im
Ruhrgebiet, mitten im Zentrum der Stadt.
In der ersten Ausgabe unseres Magazins, das den Namen
dieses neuen Landes der Begegnungen und Utopien trägt,
möchten wir Ihnen die Menschen vorstellen, die uns im
kommenden Jahr begleiten werden und mit denen wir
gemeinsam das Theater, die Stadt und Boropa entdecken
wollen. Dazu gehören sowohl europäische und internationale Regisseure als auch deutschsprachige Regisseure wie
David Bösch oder Roger Vontobel, die sich fest an das Haus
binden werden. Außerdem die vielen neuen und so manche bekannte Gesichter des neuen Ensembles sowie eine
ganze Generation junger Autoren, die in ihren Stücken
und Auftragsarbeiten für das Schauspielhaus Bochum von
einem Land in Bewegung erzählen und die Zeit beschreiben, in der wir leben.
Etwas ganz Besonderes kann das Schauspielhaus Bochum
jedoch nur mit Ihnen, dem Publikum, werden. Ich lade Sie
herzlich ein, gemeinsam mit uns das Theater mit Leben
zu füllen und zusammen ein Stück Zukunft zu erfinden.
Herzlichst
Ihr Anselm Weber
INHAlT
INHAlT
6 Der Spielplan 2010/2011
36 Ich lebe in einem schizophrenen Land
Alle Stücke, alle Regisseure, alle Premierendaten auf
einen Blick.
8 Der Utopist
Fadhel Jaibi kommt aus Tunesien. Ein Gespräch über Mut,
den Präsidenten und einen Blick auf Deutschland.
44 Mittelmeerbewohner
Der algerische Philosoph und Professor für internationale
Beziehungen Mustapha Cherif über das komplizierte Verhältnis von Orient und Okzident.
48 Life Stream. Ein Brief von Dries Verhoeven
Der Regisseur und Musiker Paul Koek hat, wie sich das für
einen Niederländer gehört, eigentlich Gärtner gelernt.
Ein Besuch in Holland.
18 renegade in residence
Nachricht vom anderen Ende der Welt.
50 Schuld & Verantwortung
Renegade ist Tanztheater, das von der Straße kommt.
Und außerdem neuer Partner des Schauspielhauses.
24 Schwarzweiß total
Er ist seit über 40 Jahren in der Politik. Wer, wenn nicht er,
sollte wissen, wie es geht? Ein Gespräch mit Otto Schily.
56 NExt GENEratIoN
Monika Gintersdorfer war auf dem besten Weg, eine ganz
normale Theaterregisseurin zu werden. Gut, dass sie vorher noch einmal in die Elfenbeinküste gefahren ist.
30 David Bösch
Der zukünftige leitende Regisseur hat das Schauspielhaus
fotografiert. Ein persönliches Fotoalbum.
Die Zukunft des Ruhrgebiets liegt in den Händen seiner Bewohner von morgen. Eine Übersicht über das
Kulturhauptstadtprojekt und ein Ausblick von Nuran
David Calis.
62 Das neue Ensemble
Sie spielen für Sie. Abend für Abend. Hier sind ihre Namen
und ihre Gesichter. Das neue Ensemble des Schauspielhauses Bochum.
INHAlT
68 Wie kommt die Welt ins theater?
108 theater für alle
Theater braucht Autoren, die gute Stücke schreiben.
Fünf von ihnen schreiben für Bochum. Ein Treffen.
Das Programm des Jungen Schauspielhauses.
112 Bochum für fast umsonst
76 Phantomschmerz
lisa Nielebock inszeniert einen günstigen Tag in ihrer
lieblingsstadt.
114 Phönix aus der Kohle
Ranjit Hoskote ist Kulturkritiker für die Bombay Times.
Trotzdem fühlt er sich im Ruhrgebiet auf merkwürdige
Weise zu Hause.
116 In Bochum
Warum wir seit 100 Jahren um etwas trauern, das schon
immer fort war.
BÜHNE
82 Mephistanbul
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Faust ist der deutscheste allerReiStoffe.
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In Istanbul sieht man das möglicherweise
anders.
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Ein Gespräch mit dem Regisseur
Günsiray.
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92 Zeitreise
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Ein Spaziergang durch Venedig mit hder
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Regisseurin Katharina Thalbach.
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98 auf dem Weg nach amerika
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Orte mit besonderer Bedeutung. Mitten in
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Gesucht
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Linker Katholik, konservativer Rebell, klassikaffiner
Punk.
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Ein Porträt des polnischen Regisseurs Jan Klata.
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104 Spielregeln
Die türkische Regisseurin Sahika Tekand über den Unterschied von Kunst und leben und ihre eigene Methode Theater zu machen.
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124 Freunde
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des Schauspielhauses
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Verneigung
Das neue Jahrzehnt hat ohne zwei Ikonen des Bochumer
Theaters begonnen: Peter Zadek und Tana Schanzara. Beide
sind in den Erinnerungen des Bochumer Schauspielhauses und seiner Besucher tief verwurzelt, beide haben auf
ihre Weise ganze Generationen von Theaterschaffenden
geprägt. Und das nicht nur in Bochum. Zeit, dem Andenken an diese beiden Künstler einen angemessenen Raum
zu geben. Deshalb heißt das TuT ab sofort wieder, wie sein
Gründer Peter Zadek es ebenso schlicht wie anschaulich
genannt hat: „Theater unten“. Und die Speisekammer, das
gastronomische Herz des Hauses in den Kammerspielen,
heißt jetzt „Tanas“. Und soll in Zukunft noch lauter, fröhlicher und persönlicher schlagen.
4
FOTO: DIANA KüSTER
nachbarschaftshilfe
„Meine Erinnerung an das Ruhrgebiet ist ein Geruch. Hier roch es in
meiner Kindheit immer nach Erbsensuppe. Ich weiß nicht, ob das von
der Zeche oder vom Metzger kam.
Auf jeden Fall ist für mich der Duft
von Erbsensuppe seitdem immer der
Geruch des Ruhrgebiets.“ Dies ist
eine der Erinnerungen, die die Regisseurin Mirjam Strunk aufgezeichnet
hat. Ein Jahr lang zieht sie mit einem
mobilen Archiv durch das Revier
und sucht „Das Gedächtnis des
Ruhrgebiets“. Die gesammelten Erinnerungen gibt es auf der Bühne des
Schauspielhauses am „Tag der Generationen“ am 19. November 2010 zu
sehen, zu hören – und gegebenenfalls
auch zu riechen.
Die Dokumentation ihrer Suche,
weitere Erinnerungen und die Möglichkeit zum Mitmachen unter:
www.gedaechtnis-des-ruhrgebiets.de
FOTO: HARALD HOFFMANN.cOM
Das ruhrgebiet
riecht nach
erbsensuppe
VERMIScHTES
Der Bochumer wohnt
mittendrin und hat fast
alles, was er braucht.
Und falls dann doch
mal was fehlt, ist es
nicht weit zum Nachbarn, der gerne mit
dem Vermissten aushilft.
Egal, ob man einen Liter Milch, einen Rasenmäher oder eine Karte
für die Oper braucht.
Denn ab sofort wird
eine besondere Form
der Nachbarschaftshilfe von zwei großen
Kulturinstitutionen des
Ruhrgebiets angeboten:
Das Schauspielhaus Bochum knüpft eine enge
Partnerschaft mit dem
Musiktheater im Revier
in Gelsenkirchen. Wem
in Bochum also die
Oper fehlt, bekommt
sie ab sofort unkompliziert beim Nachbarn
in Gelsenkirchen. Und
wenn die Gelsenkirchener ins Schauspiel
wollen, helfen die Bochumer gerne aus. Zum
Beispiel durch das neue
st ädt eüberg reifende
Rev i e r- A b o n n e m e n t
beider Häuser (Infos
siehe Seite 137). Weitere Nachbarschaftspflege
ist geplant.
Man muss nicht immer übers Meer
segeln, um neue Welten zu entdecken. Manchmal reicht der Weg ins
Theater. Und der wird leichter durch
„columbus“, das neue Besucherangebot des Jungen Schauspielhauses speziell für Schulklassen des 9.
und 10. Jahrgangs aus Bochum und
Umgebung: Wer mit „columbus“
gemeinsam mit seiner Schulklasse
zwei Jahre lang jeweils zweimal ins
Theater geht, bekommt zu seinem
Besuch noch eine Einführung vorher
oder eine Begegnung mit den Theatermachern im Anschluss dazu. Die
teilnehmenden Klassen müssen also
nur noch entscheiden, welche Stücke sie sehen wollen, den Rest erledigt das Theater.
gastgastgeber
OBJEKT: JURGEN BEy / FOTO: JANNES LINDERS
Mit
coluMbus
Die welt
entDecken
VERMIScHTES
Ein GastGastgeber ist einer, der als Gast kommt, um den Gastgebern zu helfen Gäste zu empfangen.
Praktisch für alle, dass er dafür sein eigenes Gasthaus gleich mitbringt. So kann er in der Fremde den
Fremden leichter aufnehmen. Im Falle des niederländischen Architekten und Aktionskünstlers Hans
Venhuizen heißt das, dass er im Jahr 2010 mit einer Sammlung von alten Wohnwagen, aufblasbaren
Zelten und gestrandeten Rettungsinseln hilfreich durchs Ruhrgebiet eilt. Das Besondere: Alle Objekte
sind von namhaften niederländischen Künstlern und Designern umgebaut und neu gestaltet. Und in
den meisten von ihnen kann man sogar wohnen. Kein Wunder, schließlich ist niemand so erfahren
mit mobilen Heimstätten wie die Holländer. Eine Kostprobe an Gastfreundlichkeit bieten die GastGastgeber im Oktober 2010 auf dem Platz vor dem Schauspielhaus.
achtung hollänDer!
Im Fußball sind sie unsere leidenschaftlichsten Gegner. Aber wenn wir schnell
ans Meer wollen, sind sie unser beliebtestes Reiseziel. Wir machen blöde Witze
über sie, nicht nur, weil sie angeblich nicht Auto fahren können. Dafür haben
sie eine Königin und die besten Pommes-Variationen der Welt. Ohne Frage, unser Verhältnis zu den Niederlanden ist ein widersprüchliches. Beruhigend, dass
das umgekehrt nicht anders ist. Und höchste Zeit, einmal genauer hinzuschauen, was aus unserem nächsten Nachbarland eigentlich alles an ausgezeichneter
Kunst kommt. Das Schauspielhaus Bochum ist Partner des Programms NLRUHR, das zum Kulturhauptstadtjahr viel Hochkarätiges in die Region bringt.
Theater kommt deshalb vor allem nach Bochum. Was genau, steht in diesem
Magazin und auf www.nl-ruhr.de.
5
jetzt wirDs
persönlich
Bei jedem Neueinzug kommen neue Gesichter ins Haus,
neue Namen müssen gelernt werden, neue Gewohnheiten
halten Einzug und vermischen sich mit dem Altbekannten und Liebgewonnenen. Das gegenseitige Kennenlernen
geht dabei nicht immer ohne Scheu und Fremdheitsgefühle einher. Damit die Neuen und die Alten, die auf der
Bühne, die hinter der Bühne und die im Zuschauerraum,
schneller persönlich miteinander bekannt werden, stellen
wir uns ab Herbst regelmäßig vor – im Tanas, der Speisekammer des Schauspielhauses. Wir spielen Musik von unseren Lieblingsplatten, singen die Lieder unseres Lebens,
lesen die spannendsten, traurigsten und lustigsten Stellen
der Bücher, die uns am meisten bedeuten, wir zeigen Dias
aus alten Tagen und schwärmen von dem Neuem, das wir
erst kürzlich in der Stadt entdeckt haben, so dass aus den
Fremden hoffentlich viele Freunde werden.
Spielplan 2010/2011
Candide oder
der optimiSmuS
medea
Premiere am 23. September 2010
im Schauspielhaus
Eine Koproduktion mit der Veenfabriek
Leiden, Niederlande
Premiere am 8. Oktober 2010
in den Kammerspielen
von Voltaire
Regie: Paul Koek
nouvelle pieCe
Renegade in Residence
Choreografie und Regie:
Malou Airaudo
Uraufführung am 24. September 2010
in den Kammerspielen
Eine gemeinsame Produktion von
Schauspielhaus Bochum und
Pottporus/Renegade, Herne
eleganz iSt kein
verbreChen
von Gintersdorfer/Klaßen
Regie: Monika Gintersdorfer
Uraufführung am 24. September 2010
im Theater unten
der Sturm
von William Shakespeare
Regie: David Bösch
Premiere am 25. September 2010
im Schauspielhaus
eiSenStein
von Christoph Nußbaumeder
Regie: Anselm Weber
Uraufführung am 26. September 2010
in den Kammerspielen
life Streaming
Eine Weltverbindung
von Dries Verhoeven
Premiere am 1. Oktober 2010 auf dem
Platz vor dem Schauspielhaus
Eine Produktion von Dries Verhoeven in
Koproduktion mit dem Schauspielhaus
Bochum, dem Festival a/d Werf, Utrecht und
LIFT, London
in einer Bearbeitung
von Jalila Baccar und Fadhel Jaibi
Regie: Fadhel Jaibi
die labdakiden
Eine Politsaga – Ödipus, Sieben
gegen Theben und Antigone
von Sophokles und Aischylos
Regie: Roger Vontobel
Premiere am 9. Oktober 2010
im Schauspielhaus
next generation
daS StuCk
von Nuran David Calis
und Jugendlichen aus dem
ganzen Ruhrgebiet
Regie: Nuran David Calis
Uraufführung am 28. Oktober 2010
in den Kammerspielen
Ein Projekt von Schauspielhaus Bochum, der
Bundeszentrale für politische Bildung und
der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010
Jim knopf und
lukaS der
lokomotivfuhrer
Kinder- und Familienstück
von Michael Ende
Regie: Katja Lauken
Premiere am 14. November 2010
im Schauspielhaus
hoChStapeln
von Jan Neumann
Regie: Jan Neumann
Uraufführung am 2. Dezember 2010
im Theater unten
oft iSt die natur
niCht einmal SChon
Ein romantisches Requiem von
Christoph Frick und Karsten Riedel
Regie: Christoph Frick
Musik: Karsten Riedel
Premiere am 3. Dezember 2010
in den Kammerspielen
fauSt
von Johann Wolfgang von Goethe
Regie: Mahir Günsiray
Premiere am 4. Dezember 2010
im Schauspielhaus
die ratten
von Gerhart Hauptmann
Regie: David Bösch
Premiere am 28. Januar 2011
in den Kammerspielen
Cyrano
de bergeraC
von Edmond Rostand
Regie: Katharina Thalbach
Premiere am 29. Januar 2011
im Schauspielhaus
In Zusammenarbeit mit der
Folkwang Universität
kaSimir und
karoline
von Ödön von Horváth
Regie: Lisa Nielebock
Premiere am 19. Februar 2011
im Schauspielhaus
Jimi bowatSki hat
kein SChamgefuhl
von Dirk Laucke
Regie: Heike M. Götze
Uraufführung am 25. März 2011
in den Kammerspielen
amerika
von Franz Kafka
Regie: Jan Klata
Premiere am 2. April 2011
im Schauspielhaus
der fall deS
robert k.
von Reto Finger
Regie: Anselm Weber
Uraufführung im Mai 2011
in den Kammerspielen
der aufhaltSame
aufStieg
deS arturo ui
von Bertolt Brecht
Regie: Sahika Tekand
Premiere am 28. Mai 2011
im Schauspielhaus
die Jungfrau von
orleanS
von Friedrich Schiller
Regie: Roger Vontobel
Premiere im Juni 2011
in den Kammerspielen
next generation
die zukunftShauSer
mit Jugendlichen aus Bochum,
Essen, Duisburg, Herne und dem
ganzen Ruhrgebiet
Bei X-Vision in Wattenscheid, in den
Ausbildungswerkstätten des Opel-Werks
Bochum, der Ruhr-Universität Bochum,
dem Medien-Bunker Marxloh in Duisburg,
in Essen-Altendorf, den Jugendhäusern
des Essener Nordens, der UNESCO-Schule
Essen, bei Pottporus in Herne und mit
einem Erinnerungsmobil zwischen Essen
und Bochum.
Ein Projekt von Schauspielhaus Bochum und
Schauspiel Essen, der Bundeszentrale für
politische Bildung und der Kulturhauptstadt
Europas RUHR.2010
Partner: Deutschlandradio Kultur
Weiter im Spielplan:
a tribute
to Johnny CaSh
Musikalische Leitung:
Torsten Kindermann und
Karsten Riedel
Regie: Arne Nobel
honigherz
Ein Stück für Kinder ab 2
von Cristina Gottfridsson
Regie: Martina van Boxen
Premiere am 3. Oktober 2010
im Melanchthonsaal
hikikomori
von Holger Schober
Regie: Martina van Boxen
Premiere am 26. November 2010
im Melanchthonsaal
Übernahmen
aus dem Repertoire des
Schauspiel Essen:
ubu
von Alfred Jarry/Simon Stephens
Regie: Sebastian Nübling
Eine Koproduktion mit
Toneelgroep Amsterdam
woyzeCk
von Georg Büchner
Regie: David Bösch
don CarloS
von Friedrich Schiller
Regie: Anselm Weber
parzival
peer gynt
Premiere am 18. Februar 2011
in den Kammerspielen
In Zusammenarbeit mit der
Folkwang Universität
tranSit
von Lukas Bärfuss
Regie: Martina van Boxen
Weiter im Spielplan:
die verwirrungen
deS zoglingS
torleSS
von Robert Musil
Regie: Martina van Boxen
von Henrik Ibsen
Regie: Roger Vontobel
nach dem Roman von
Anna Seghers in einer
Bearbeitung von Reto Finger
Regie: Anselm Weber
nathan der weiSe
von Gotthold Ephraim Lessing
Regie: Lisa Nielebock
effi brieSt
von Theodor Fontane
Regie: Cilli Drexel
und weitere Inszenierungen von
David Bösch, Carola Bühn und
Stephanie Sewella
P a u l K o e k i s t S c h l a g z e u ge r, K o mp o n i s t u n d T h e a t e r r e g i s s e u r. Vo r
seinem Musik studium in Den Haag hat er, wie fast alle in seiner
Familie, eine Lehre als Gär tner gemacht und in den Koek’schen
Gewächshäusern Schnittblumen für Europa gezüchtet.
8
Paul Koek — Der Utopist
DER UTOPIST
TExt: Olaf Kröck
FOtos: Mycha schekalla
9
Ein Stück Klischee-Holland mit Kühen und Schafen auf
grünen Wiesen und sogar Windmühlen drehen sich.
a b e r v o m To u r i s m u s w i r d d i e R e g i o n i g n o r i e r t .
10
„ a l s i c h d i e M u s i k vo n c a ge u n d Va r è s e z u m e r s t e n M a l ge h ö r t h a b e ,
war das für mich eine Offenbarung. Das klang wie das Zeug,
das ich selber ausprobiert hatte.“
11
Paul Koek — Der Utopist
ie ein endloser Trommelwirbel prasselt der Regen auf das Dach des Gewächshauses. Es regnet schon den
ganzen Tag und wird noch lange
nicht aufhören. Nass von oben und
unten, Holland eben. Umgeben von
dünnen Wassergräben steht das
Gewächshaus in einem Dorf in der
Nähe von Leiden auf einem der unzähligen Polder, mit denen die Niederländer nahezu die Hälfte ihres
Landes dem Meer abgerungen haben. Im Glashaus sind es tropische
29 Grad bei achtzigprozentiger Luftfeuchtigkeit. Draußen nähert sich
das Quecksilber dem Gefrierpunkt.
„Diese Temperatur mag ich sehr. Ich
habe viel an solchen Orten gearbeitet. Meine ganze Kindheit und Jugend
habe ich dort verbracht. In meiner
Familie sind fast alle Gärtner, nur
ich bin letztlich doch das schwarze
Schaf geworden“, sagt Paul Koek und
lacht, während er die beschlagenen
Gläser seiner Hornbrille am Fleecepullover säubert. „Ein friedlicher
Ort, nicht?“ Er lässt die Stille wirken, die nur durch ein Radio gestört
wird, das leise Popmusik spielt. „Ich
habe bei der Arbeit nie Musik gehört.
Ich habe die Stille genossen. Die ist
hier oft wie eine Meditation. Du
musst welke Blätter zupfen, fängst
vorne an und bewegst dich tagelang
ganz langsam von Pflanze zu Pflanze
durch den Raum.“ Er macht noch
eine Pause. Wieder rauscht nur der
Regen, und es könnte auch ein feiner Wasserstaub sein, der auf die
fleischigen Blätter der Topfpflanzen
gesprüht wird, die hier zu zehntausenden gezüchtet werden. Es ist die
Dieffenbachia, vor allem die beliebte
Sorte „Tropical Snow“, die in dieser
holländischen Dschungel-Hitze für
Millionen europäische Wohnzimmer wächst. Sein Schwager, dem das
Gewächshaus gehört, hat die Züchtungsrechte für ganz Europa an der
Zimmerpflanze mit ihrer giftigen
Milch, die aus dem brasilianischen
Regenwald kommt.
„Ich hatte ja auch gar keine Ahnung von Musik. Das kam ja alles
erst später. Heute höre ich viel Musik bei der Arbeit, vor allem wenn ich
mich vorbereite. Dann höre ich moderne Klassik des 20. Jahrhunderts,
Varèse, Cage, so was. Es war für mich
fast eine Offenbarung, als ich damals diese Musik kennen lernte. Ich
hatte ja jahrelang keinen Musikunterricht und habe mir alles selbst beigebracht. Und auf einmal waren da
diese Kompositionen, die so klangen
„Vielleicht bin ich hier
geblieben, weil ich das
Mädchen von nebenan
geheiratet habe.“
wie das Zeug, das ich selbst ausprobiert hatte.“
Während Paul Koek mir voraus
durch das Gewächshaus geht, stelle
ich ihn mir als jugendlichen Gärtner
vor, der umgeben von Tulpen und
Fresien bei der Arbeit mit Klängen
und Rhythmen experimentiert und
noch nicht weiß, dass er einmal ein
bedeutender europäischer Musiktheatermacher sein wird. Ein seltsam
schönes Bild.
Paul Koek – dessen Name man
übrigens „Kuck“ und nicht „Köck“
ausspricht – ist heute Musiker, Komponist und Theaterregisseur. Vor seinem Musikstudium hat er, wie fast
alle in seiner Familie, eine Lehre als
Gärtner gemacht und schließlich in
den Koek’schen Gewächshäusern
gearbeitet. Doch nebenher ging er
heimlich seiner größten Leidenschaft
nach – er spielte Schlagzeug.
Als er nach Abschluss seiner
Gärtnerlehre auf die Meisterschule
gehen sollte, radelte er an den Berufsschultagen in den Proberaum
und ließ die Gärtnerklasse ausfallen.
12
Dort spielte er stundenlang alleine
oder mit Band, hörte Musik der aktuellen Rockmusikgrößen wie Soft
Machine oder Pink Floyd und genoss
die Bewunderung der Mädchen aus
der Nachbarschaft. Bis eines Tages
die Tür aufflog und sein Vater im
Bandraum stand. Ein Schock für den
schulschwänzenden jungen Drummer, der gerade – umgeben von
Mädchen – Tee trank und Haschisch
rauchte. Der Vater fixierte den Sohn
streng im Kreis der erschrocken
verstummten Teenager. Dann verschwand er wieder, ohne wirklich
etwas gesagt zu haben.
Aus Angst vor dem bevorstehenden Familienkrach kam Paul erst
spät in der Nacht nach Hause. Drei
Tage sprachen Vater und Sohn kein
Wort miteinander. Erst am vierten
Morgen war es der Vater, der seinem Spross schnörkellos mitteilte,
dass er ihn an der Musikschule von
Leiden angemeldet habe. Und dann
ging alles recht schnell. Paul Koek
war schon zu diesem Zeitpunkt viel
zu gut für die Musikschule. Aber er
hatte sich alles selbst beigebracht
und keinerlei Technik gelernt. Sein
Schlagzeug-Lehrer, der auch am Königlichen Konservatorium von Den
Haag unterrichtete, nahm ihn mit
in die Musikhochschule und von
nun an studierte Koek dort. Früh
morgens und an den Wochenenden
arbeitete er weiterhin als Gärtner,
an den Wochentagen studierte er
Schlagzeug am Konservatorium. Bis
heute ist Paul Koek der renommierten Ausbildungsstätte verbunden.
Er ist Professor und leitet den gerade
von ihm und seinem Dramaturgen
Paul Slangen gegründeten Studiengang für Musiktheater.
„Mein Vater glaubte mir erst, dass
ich von der Musik leben kann, als er
mich in diesem riesigen Symphonieorchester im Frack sitzen sah. Und
was habe ich da gespielt? Triangel.
Nach zwei Tagen habe ich meine Orchesterkarriere für immer beendet“,
grinst er. Dann fügt er erklärend hinzu: „Die Mentalität dort war nicht
das, was ich von der Musik wollte.
Ich wollte keine Sicherheit, ich wollte Risiko.“
Wir verlassen die tropische Wärme. Paul zieht die Gewächshaustür
Paul Koek is t ein Idealis t. Er e xper imentier t immer. Er w ählt nie das
s i c h e r e Te r r a i n . U n d e r h a t e i n e S c h w ä c h e f ü r v i s i o n ä r e M e n s c h e n .
13
PaUL KOEK — DER UTOPIST
hinter sich fest ins Schloss, damit die
wertvolle Wärme nicht entweicht.
Sofort schlägt uns der eisige Regen
ins Gesicht. Wir flüchten in den Wagen, fahren ein Stück über das „Platte Land“, wie sie die Gegend hier
„als Meine Kinder noch
Klein waren, haben wir
einige Jahre in eineM gewächshaus gewohnt.“
nennen. Tatsächlich würde man bis
zum Horizont sehen können, wenn
der Regen nicht wäre. aber auch so
sieht man weit ins Land, sieht grüne
Wiesen, Kühe und Schafe auf den
Feldern und mehrere Windmühlen.
Eine von ihnen dreht sich sogar. Ein
Stück Klischee-Holland, das vom
Tourismus vollkommen ignoriert
wird. „Ich bin aus dieser Gegend eigentlich nie weg gekommen“, sagt
Koek, während er die Richtung weist.
„Obwohl ich hier natürlich nie mehr
gearbeitet habe und mit den Bands
und Theaterproduktionen auf der
ganzen Welt auf Tour war, habe ich
immer in dem Dorf gelebt, in dem
ich geboren wurde. Und das ist ein
echt hässliches Kaff. Vielleicht bin
ich hier geblieben, weil ich das Mädchen von nebenan geheiratet habe“,
sagt er und lacht schallend. Es ist
nicht zu erkennen, ob ihm vor Lachen die Tränen kommen oder ob
sich Regentropfen hinter die vom
Großvater geerbte Brille geschlichen
haben.
Wir kommen an einen See, den
man mit dem Meer verwechseln
könnte, so groß ist er. Und da passt es
doch, dass im Niederländischen das
„Meer“ heißt, was bei uns ein See ist,
und die „Zee“, gesprochen „See“, das
Meer meint. auf dem grauen Wasser
des Braassemermeers schwimmen
nur wenige Boote. Die großen Eisschollen am Ufer lassen ahnen, dass
man hier vor kurzem tatsächlich
noch Schlittschuh laufen konnte. Es
ist still und schön. Nur das Eis klingt
leise, wie zerbrechendes Glas.
Das kleine Backsteinhaus, das
Paul von seinem Onkel geerbt hat,
liegt direkt am Ufer. Dahinter rei-
hen sich wieder Gewächshäuser aneinander. „als meine Kinder noch
klein waren, haben wir einige Jahre
in einem Gewächshaus gewohnt. Ich
mochte die Wärme darin, auch im
Sommer. aber als sich dann durch
die feuchte Luft all meine Bücher
auflösten und wir tagelang die Seiten zusammenkleben mussten und
als die Felle meiner Trommeln Risse
bekamen, sind wir doch in das Haus
gezogen. Es ist natürlich viel kleiner,
aber letztlich war es besser.“ Vier
Kinder hat Koek. Sein Sohn ist auch
IN SEINEM HaUS aM SEE STEHT EIN aLTES
ScHLaGZEUG. DaS BENUTZT ER, WENN ER ES
NIcHT IN DEN PROBERaUM ScHaFFT.
Schlagzeuger. „Ich habe ihn nie unterrichtet“, stellt er entschieden fest.
„Er spielt viel besser als ich, hatte
eine eigene, erfolgreiche Popband,
aber trotzdem wird er in jedem Interview immer erstmal auf seinen Vater
angesprochen. Für ihn ist das kein
Problem, aber ich finde es schrecklich. Ich verstehe schon, was Pasolini
meinte, als er gesagt hat, dass jeder
Sohn erst einmal seinen Vater töten
muss.“ Und dann fragt er gleich im
anschluss: „Hunger?“ Die richtige
Frage zur rechten Zeit. Wir machen
uns auf den Weg, um unsere frierenden Leiber und knurrenden Mägen
mit einer landestypischen Spezialität
zu besänftigen – mit Pommes, oder
wie sie die Holländer nennen – „Patatjes“.
In der Frittenbude, die ein amerikanisches Diner mäßig gelungen
imitiert, bestellen wir Pommes Spezial, also mit Mayonnaise, Ketchup
und gehackten Zwiebeln. auf einem
übergroßen Flachbildfernseher berichtet derweil ein Nachrichten-Ka14
nal über die aktuelle Regierungskrise
im Land. Gleichzeitig laufen in der
unteren Bildzeile die Börsenwerte
globaler Großunternehmen. Koek
stöhnt und sagt mehr zu sich selbst,
dass das jetzt sehr schlimm für sein
Land werden kann. Nach dem Scheitern der Regierungs-Koalition haben
die Rechten enorme Wählerzuläufe.
Das Land, das so viele Jahre für seine Politik der Toleranz und Integration europaweit Standards gesetzt
hat, driftet nach zwei spektakulären,
politisch motivierten Morden nach
rechts. Vor allem die Ermordung
des umstrittenen Filmemachers
Theo van Gogh durch einen religiösen Fanatiker hat das Land unter
Schock gesetzt. In den Niederlanden,
wo selbst Königin Beatrix über viele
Jahrzehnte keinen aufwendigen Personenschutz benötigte, ist der Geist
der Toleranz aufs Meer hinausgeweht
und braune Wolken sind über dem
Land aufgezogen. Da wissen auch
die Intellektuellen und Künstler
kein Mittel gegen diese Entwicklung.
„Natürlich haben wir eine echte Kriminalitäts- und Gewaltproblematik
mit Zugewanderten, vor allem in
den Großstädten. aber die Rezepte,
die dagegen verkündet werden, sind
einfach absurd“, sagt Koek. Es sieht
„Jeder sohn Muss erst
einMal seinen Vater töten. das Verstehe ich.“
ganz danach aus, als könnten die
Niederlande das erste Land Europas
werden, das einen rechts-nationalen Ministerpräsidenten bekommt.
„aber gerade deswegen müssen wir
weiterhin das tun, was wir tun.“
Paul Koek ist kein agitator. Er ist
leise und bedächtig in seinen Äußerungen. auch in seinen Stücken
bringt er keine tagesaktuelle Politik
auf die Bühne. aber seine arbeit ist
nie frei von kritischer auseinandersetzung mit der Welt. Seit vielen Jahren setzt er sich mit den Menschen,
die die Welt verändern wollten, und
ihren Konzepten auseinander. Seine
Faszination gilt all jenen, die es gewagt haben, Utopien zu formulieren.
PaUL KOEK — DER UTOPIST
Es sind die manifestverfassenden
Künstlerinnen und Künstler, die Dadaisten und Futuristen, die ihn beschäftigen. So widmete er sich 2009
beispielsweise mit seiner Truppe, der
„Veenfabriek“, dem Gesellschaftstheoretiker charles Fourier. Der
Franzose, dessen Theorien aus dem
18. Jahrhundert heute nahezu vergessen sind, hat die Grundlagen
einer Gesellschaftsform gelegt, die
heute als „anarchismus“ eher berüchtigt als bekannt ist. In einem
Flugzeughangar, auf einem ehemaligen Militärflughafen nahe dem
Badeort Katwijk, hat Koek mit der
Veenfabriek das Leben Fouriers in
einer großen dadaistischen Musiktheater-aufführung nachgezeichnet.
Mit einem zwanzigköpfigen Orchester, mit tanzenden camping-Zelten
und dem von der Veenfabriek gegründeten ersten Sirenen-Orchester
der Welt. In der gigantischen Halle
– neben der Flugpiste, auf der die
Königin zuweilen landete, aber auch
Slobodan Milošević, als der dem Den
Haager Kriegsverbrechertribunal
überstellt wurde – übersetzte das Ensemble die Ideen dieses Utopisten in
visionäres Musiktheater.
Paul Koek ist ein Idealist. Er will
etwas mit seinem Theater. Er experimentiert immer. Er wählt nie das
sichere Terrain. Er forscht, kramt
vergessene Texte aus, baut verloren
gegangene Instrumente nach, wie
die Geräuschtrompeten der Futuristen, die Intonarumori. Die kombiniert er dann mit Instrumenten alter
Musik wie des Mittelalters und des
Barock. Dazu spielt er Instrumente, die man in Spielzeugabteilungen
von Kaufhäusern findet, und mischt
sie mit Sounds aus dem computer.
Diese Musik spielt er zu den bildgewaltigen aktionen, den verschmitztkomischen Handlungen und spektakulären visuellen Effekten seiner
Stücke. Sein Musiktheater ist keine
verschreckende, anstrengende Experimentalkunst. Es sind schöne,
fremde, emotionale Tonwelten, die
seine Stücke bevölkern.
Zum Theater kam Paul Koek zunächst als Bühnenmusiker. Dann
begegnete er Mitte der 1980er Jahre
dem Regisseur Johan Simons. Die
beiden waren von Beginn an ein un-
zertrennliches Team, wie Brüder, die
alles voneinander wissen und sich
ohne Worte verstehen. „Wir waren
ständig zusammen unterwegs. Er
wohnte ja schon fast bei mir. Gemeinsam fuhren wir mit seinem cadillac durch die Gegend und redeten
pausenlos. Wir dachten uns neue
Projekte aus, suchten Orte, an denen
wir unser nächstes Stück entwickeln
konnten, sprachen über die Proben,
die vor oder hinter uns lagen. Einmal
fuhren wir an einem Schild vorbei,
auf dem stand, dass jemand Zirkus-
Bei Hollandia gründete Paul Koek,
der ab 1993 der künstlerische Koleiter des Theaters war, das „Veen Studio“. „Veen“, das holländische Wort
für Moor und Sumpf, spielt auf die
feuchte Landschaft an, aus der Koek
stammt. Im Veen Studio wurde mit
einem eigenen Ensemble zeitgenössisches elektronisches Musiktheater
erprobt. Der Musiker, Komponist
und Koregisseur von Hollandia begann so, das Verhältnis von Theater
und Musik zu untersuchen. auch im
Ruhrgebiet, in Bochum, hinterließen
Paul Koek und Johan Simons einen
bleibenden Eindruck mit ihrer Produktion „Sentimenti“. 2003 inszenierten sie für die Ruhrtriennale in
der Jahrhunderthalle diese Bühnenfassung nach dem Roman „Milch
und Kohle“ von Ralf Rothmann mit
Musik von Verdi. Diese arbeit ist bis
heute eine der Inszenierungen, die
für das Ruhrgebietsfestival stilbildend waren. Sie war zugleich die letzte arbeit der beiden unter dem Dach
von Hollandia.
Nach der Auflösung der Gruppe
2005 zögerte Paul Koek nicht lange,
DIE BRILLE HaT PaUL IN EINER KISTE SEINES
GROSSVaTERS GEFUNDEN UND NUR NEUE
GLÄSER EINSETZEN LaSSEN.
zelte verkaufe. Das war so was wie ein
Laden für Second-Hand-Zirkuszelte
irgendwo in Nord-Holland. Sofort
steuerte Johan den amerikanischen
Schlitten in die Seitenstraße und wir
verhandelten über eines der Zelte.
Wir kauften es tatsächlich und der
schräge alte Kerl erklärte uns, wie
wir es aufbauen mussten. So zogen
wir mit dem Zirkuszelt übers Land,
um in abgelegenen Gegenden unsere
Stücke zu spielen.“ Wer es nicht besser weiß, muss annehmen, dass Koek
und Simons eine Zirkustheatertruppe betrieben haben. Tatsächlich war
es aber die von Simons gegründete Gruppe „Hollandia“, die in den
1990er Jahren zum bedeutendsten
zeitgenössischen Theaterensemble
der Niederlande wurde und zu den
einflussreichsten Gruppen Europas
zählte. Sie tourten über den ganzen
Kontinent, zeigten ihre Produktionen
auf Festivals weltweit und wurden mit
diversen Preisen ausgezeichnet, so im
Jahr 2000 mit dem Europäischen
Preis für Innovation im Theater.
15
„so zogen wir Mit deM
zirKuszelt übers land,
uM in abgelegenen gegenden unsere stücKe
zu spielen.“
als ihm eine ehemalige Fabrikhalle im
Zentrum von Leiden angeboten wurde, nur wenige Kilometer von seinem
Haus am See entfernt, um dort seine
arbeit fortzusetzen. Zusammen mit
Ensemblemitgliedern von Hollandia,
allen voran dem Musiker Ton van der
Meer und dem Dramaturgen Paul
Slangen, gründete er die Veenfabriek.
Er ließ die ehemalige MilitärdeckenFabrik umbauen und machte sie
zum Stammsitz des Musiktheaterensembles. Heute beherbergt das
Gebäude ein Restaurant, eine Galerie, ateliers und vor allem die Büros,
Proben- und aufführungsräume der
Gruppe. Dennoch spielt die Veenfabriek nach niederländischer Theatertradition überall im Land. In den
großen Städten und in der Provinz.
Und wie schon bei Hollandia entwickeln die Musiker und Schauspieler
mit Koek auch weiterhin Stücke für
Orte, die kein Theater sind. Eine Produktion führten sie in verschiedenen
Kaufhäusern des größten Warenhauskonzerns des Landes auf. Das
Besondere dabei: das Kaufhaus war
während der Vorstellung geöffnet. So
gab es skurrile und tiefgründige Begegnungen von Theater und Leben,
von Kunst und Konsum. „Ein Künstler muss immer einen Bezug zur
Wirtschaft haben, sonst verliert er
den Kontakt zur Welt“, zitiert Koek
die amerikanische Musikerin Laurie
anderson. Paul Koek hat die Grande
Dame der elektronischen Popmusik
vor einigen Jahren eingeladen, um
sich das von der Veenfabriek gegründete Sirenen-Orchester anzuhören.
„Wir haben einen Weg gefunden,
wie man Sirenen, die man vom Feueralarm kennt, wie ein normales Instrument spielen kann. Wir haben
also mit den umgebauten Sirenen ein
Orchester gegründet und Songs von
Laurie anderson einstudiert. Ich habe
ihrem agenten geschrieben und sie
zu einem Privatkonzert eingeladen.
Ja, und dann habe ich ihn angerufen
und gefragt, ob sie schon geantwortet
hat. Jeden Tag habe ich angerufen.
Zwei Wochen lang.“ Wen wundert
es, dass die amerikanische Künstlerin tatsächlich zusagte und zwei Tage
bei der Veenfabriek verbrachte.
Mittlerweile stehen wir im Flugzeughangar, der weiterhin auf militärischem Sperrgebiet liegt. Nur gegen
Vorlage des ausweises kommt man
in die zweite arbeitsstätte der Veenfabriek. Wir gehen in einen kleinen,
beheizten Nebenraum und schauen
auf das Rollfeld, wo keine Flugzeuge
mehr landen. Es hat tatsächlich für
einen augenblick aufgehört zu regnen. Jetzt macht nur die Kaffeemaschine röchelnde Geräusche. „Im
Sommer ist es hier sehr schön. Dann
kann man die Hasen beobachten.
Man hat einen weiten Blick, fast bis
zum Meer. Seit der Flughafen nicht
mehr benutzt wird, sieht man, wie
sich die Natur das Gelände langsam
zurückerobert. Das gefällt mir.“ Da
steht er hinter der kleinen Theke in
der Kaffeeküche und trommelt einen
schnellen, komplizierten Rhythmus
mit den Händen auf den Tresen. Und
wieder lacht dieser fröhliche Mensch.
„aber das wird so nicht bleiben. Die
planen hier zwölftausend Wohnungen zu bauen. Verrückt. alles wird
abgerissen und umgepflügt und wir
müssen weg. Es bleibt kein Platz für
Künstler und ihre Visionen.“ Und
dann flammt gleich wieder eine Vision in seinen augen auf: „Vielleicht
sollte man mit den Baugeräten ein
riesiges Konzert der Maschinen veranstalten. Das wäre ein schöner abschluss, nicht?“
Er wünscht sich mehr Kontinuität
für die arbeit der nächsten Jahre und
will sich mit anderen verbünden. Daher hat er sich vorgenommen, in den
nächsten drei Jahren mit seinem Ensemble am Schauspielhaus Bochum
zu arbeiten. „Das wird großartig. Das
Theater ist so schön und es gibt hier
für uns viele Möglichkeiten.“
als Paul Koek zum abschied winkt,
beginnt der Regen auf einen Schlag
heftig auf den Wagen einzuschlagen. Nur mit der höchsten Stufe des
Scheibenwischers verschaffe ich mir
Durchblick durch die Windschutzscheibe. Und dann fahre ich weg aus
diesem nassen Land, 230 Kilometer
an einen Ort, an dem das Wetter
nicht besser ist, wo aber bald einer
sein wird, der etwas wagen will.
paul KoeK
wurde 1954 in Roelofarendsveen, einem Dorf in der Nähe von Leiden, in
den Niederlanden geboren. Er arbeitete
als Schlagzeuger mit Künstlern wie Peter Greenaway, Heiner Goebbels oder
Bob Wilson. 1987 schloss er sich der
Theatergruppe „Hollandia“ von Johan
Simons an, wo er 1993 künstlerischer
Koleiter wurde.
2005 gründete er sein eigenes Musiktheaterensemble, die „Veenfabriek“
in Leiden. Seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet. Im Jahre 2009 erhielt Paul Koek die höchste Kulturauszeichnung der Niederlande, den Prinz
Bernhard Kulturfond Theaterpreis.
Seine gemeinsam mit Johan Simons
erarbeitete Inszenierung von Horváths
„Kasimir und Karoline“ ist zum Berliner Theatertreffen 2010 eingeladen.
16
Candide oder
der optimismus
von Voltaire
Premiere am 23. September 2010 im Schauspielhaus
Ist das hier schon alles oder wartet die beste aller möglichen Welten noch irgendwo auf uns? Das ist die zentrale
Frage, der Voltaires Roman von 1759 mit bösem Spott auf
die weltverbesserlichen ansichten seiner Zeit nachgeht.
In seinem Roman erzählt er das Leben des unbelehrbaren
Optimisten candide, der am Hofe Westfalens vom Meister
Pangloss unterrichtet wird. Der sagt, dass diese Welt die
beste aller möglichen Welten sei. Doch candide muss diese Behauptung am eigenen Leib schmerzlich überprüfen:
Unsanft wird er mit einem Tritt in den allerwertesten aus
seinem herzöglichen Paradies verjagt. Trotzdem versucht
er, sich die Worte des Lehrers weiterhin zu Eigen zu machen
und in allem nur das Gute zu sehen – selbst als er in den
Krieg gerät, einen Inquisitionsprozess, das große Erdbeben
von Lissabon, Piratenangriffe und Schiffsuntergänge nur
knapp überlebt. candide irrt in einer aberwitzigen Reise, die
von den unwahrscheinlichsten Zufällen und verblüffendsten auferstehungen Totgeglaubter geprägt ist, über Meere
und Kontinente. Er ist getrieben von der Hoffnung, seine
geliebte Kunigunde und vor allem die beste aller Welten zu
finden. Paul Koek bearbeitet mit dem Bochumer Ensemble
und seiner Musiktheatergruppe diese große philosophische
Erzählung zur Saisoneröffnung für das Schauspielhaus.
Regie: Paul Koek
Bühne und Licht: Theun Mosk
Kostüme: Dorothee Curio
Film: David Lammers
Komposition: Anke Brouwer
Sounddesign: Will-Jan Pielage
Dramaturgie: Olaf Kröck, Paul Slangen
Mit: Reinout Bussemaker, Therese Dörr, Joep van der Geest,
Jürgen Hartmann, Raiko Küster, andreas Maier, Veronika
Nickl, Roland Riebeling, yonina Spijker, Jutta Wachowiak,
anke Zillich; Musiker: Lieke arts, Hans van der Meer, Ton
van der Meer, John van Oostrum, antonis Pratsinakis, Katya Woloshin
Eine Koproduktion mit der
Veenfabriek in Leiden, Niederlande
Gefördert im Fonds Wanderlust der
Kulturstiftung des Bundes
sowie dem Theaterinstitut der Niederlande
im Rahmen von NL-RUHR.2010
Sauber: Die Metropole Ruhr ist
Kulturhauptstadt Europas!
Wo das geht, geht alles.
www.usb-bochum.de
Umweltservice
Bochum
GmbH
Entsorgung
Verwertung
Reinigung
Gewerbeservice
Bürgerservice
Beteiligungen
RENEGADE IN RESIDENCE
['renigeid|in|'rezid ns]
Air•chAir [e |t∫e ]
Der Tänzer steht waagerecht auf
einer Hand oder beiden Händen
(Double Air Chair). Der Ellbogen der
Standhand befindet sich dabei am
Rücken. Wegen des hohen Grades an
Gelenkigkeit einer der schwierigsten
und ästhetischsten Freezes zum Abschluss eines Sets.
IlluSTRATIoNEN: ANNIkA kEp
18
RENEGADE IN RESIDENCE
Air•freeze [e |fr z]
Der Air Freeze ist im prinzip ein
Handstand auf einem Arm. Die körperlage kann dabei variieren. Beispielsweise kann der Rücken zum Boden zeigen, aber auch, wie in diesem
Fall, die Seite. Beim Air Freeze gibt es
viele Möglichkeiten für Variationen,
da die Beine und ein Arm vollkommen frei sind.
19
RENEGADE IN RESIDENCE
Six•Step [siks|step]
Basis-Schritt, bestehend aus sechs
Schritten für Footworks und damit
wesentliches Element für jedes Style
Set. Footworks sind Tanzschritte am
Boden, Styles sind kombinationen
aus Footworks und Freezes. Wichtig
bei einem Style sind vor allem die
originalität des Sets und des Stils,
mit dem dieser getanzt wird.
20
RENEGADE IN RESIDENCE
flAt•LINER [flæt|'lain ]
Das Fahren auf einem Fahrrad ist
kein traditionelles Stilmittel des Tanzes, auch nicht des HipHop oder
Breakdance. Doch richtig gebraucht,
ist auch das BMX-Rad als Teil eines
guten Sets einsetzbar. ob auf einem
Rad oder auf zwei, ob vorwärts oder
rückwärts oder sogar als Teil eines
klassischen pas de deux.
21
RENEGADE IN RESIDENCE
KicK•dowN [kik|da n]
Der kick Down wird benutzt, um
beim Breakdance einen Sixstep oder
einen Ebenenwechsel flüssig einzuleiten. Dabei wird ein Fuß in die
kniekehle des anderen gestreckten
Beines geführt. Dann erfolgen das
Einknicken im kniegelenk und die
landung auf der Fußsohle des anderen Fußes, der fest am kniegelenk
bleibt.
22
renegade.
Neues
tanztheater
in Bochum
Es treffen sich drei B-Boys – Breakdancer – aus Duisburg und Herne, die
zur Musik Bewegungen machen können, die sich ein normaler Mensch
nicht einmal vorstellen kann, deren
Bühne aber bisher ausschließlich die
Straße war. Eine klassische Tänzerin aus Rom, die sonst auf den internationalen Ballettbühnen Europas zu Hause ist. Ein junger Modern
Dancer, der direkt von der Folkwang
universität in Essen kommt. und ein
Flatliner – BMX-Radfahrer – mitsamt
seinem Bike aus köln.
Sechs Tänzer, die unterschiedlicher kaum sein könnten und die
eigentlich, so sollte man meinen,
nicht zusammengehören. In der
Tanztheaterproduktion „Schwarze
katze“ standen sie vor zwei Jahren
trotzdem gemeinsam auf der Bühne
in der Bochumer Jahrhunderthalle
und zeigten zu einem gewagten Musikmix quer durch alle Stilrichtungen
eine neue Form von Tanztheater, die
es so vorher in der Ruhrregion nicht
gegeben hatte. Choreografin des
Abends war Malou Airaudo, langjährige Solotänzerin in der Compagnie
von pina Bausch. Verantwortlich für
die Mischung und dafür, dass diese
Begegnung überhaupt zustande kam,
war eine Truppe, die unter dem Namen „Renegade“ seit einigen Jahren
von einem unscheinbaren gemeindezentrumsähnlichen Haus in Herne
aus die Tanz- und Streetart-Szene der
Region aufmischt.
Die „Abtrünnigen“ (so die wörtliche Übersetzung) kommen von der
Straße, aber sie durchqueren in ihrer
Arbeit die ganze Stadt. Sie haben es
geschafft, aus den traditionellen
Straßenkünsten wie HipHop, Breakdance und Graffiti in Verbindung
mit klassischem Tanz und modernem Tanztheater eine Ästhetik
zu entwickeln, die sich eindeutig
draußen auf der Straße verortet,
aber niemals im Vorstadt-Ghetto gefangen bleibt. Auf den vielfältigen
Ebenen ihrer künstlerischen Arbeit
verbinden sie immer wieder widersprüchliche kräfte und Strategien.
Sie mixen Tanz, Musik, Schauspiel
und bildende kunst zu einer neuen,
hochaktuellen Ausdrucksform: ausgebildete Tänzer arbeiten mit den
besten Streetart-künstlern des Ruhrgebiets, Deutschlands und Europas.
So verbinden sich nicht nur soziale Milieus und kulturen, sondern
auch künstlerische Techniken und
Ausdrucksformen, die jenseits einer
Trennlinie von Sub- und Hochkultur
funktionieren. Nicht mehr Bühne
gegen Straße, nicht Migranten-Battle
gegen deutsche leitkultur, nicht
drinnen gegen draußen, sondern
eine neue kreative Mischung führt
zu einer spannungsgeladenen eigenständigen Ästhetik.
Das Schauspielhaus Bochum erhält
wieder einen Tanzpartner: Mit Beginn der neuen Intendanz startet
„Renegade in Residence“. Renegade nutzt die Räume des Schauspielhauses in Bochum, Choreografen
und Tänzer werden Teil des Hauses
und arbeiten immer wieder auch in
den „klassischen“ produktionen des
Hauses. und einmal im Jahr entsteht
unter der künstlerischen leitung von
Renegade eine gemeinsame produktion – mit den Tänzern, mit vielen
künstlern aus Europa wie auch mit
dem Ensemble des Schauspielhauses. Die erste gleich am Eröffnungswochenende der neuen Saison im
Herbst.
Die neue Zusammenarbeit ist zugleich Fortsetzung und Weiterentwicklung einer bereits erprobten
Verbindung: Regisseurin und Choreografin des neuen Stückes ist Malou Airaudo.
23
Nouvelle
Piece
Renegade in Residence
Uraufführung am 24. September 2010
in den Kammerspielen
Die erste neue Tanztheaterarbeit von Renegade am Schauspielhaus Bochum entsteht in der Regie und Choreografie
von Malou Airaudo. Auf der Bühne stehen acht Tänzer, die
teils aus dem professionellen Tanz- und HipHop-Bereich,
teils aus dem regionalen und europäischen Streetart-Kontext stammen.
Das Thema entwickeln Renegade und Schauspielhaus
Bochum gemeinsam. Es wird um Momente des „Dazwischen“ gehen, in denen Neues entsteht oder Altes vergeht:
Ein Bergsteiger im Moment des Absturzes, das Durchqueren eines Tunnels, Transiterfahrungen, der Augenblick
zwischen Leben und Tod. Momente, in denen das Leben
stillsteht und gleichzeitig an einem vorüberrast, in denen
alles denkbar ist und zugleich alles im nächsten Augenblick
zu Ende sein könnte. Momente, die sich anfüllen mit Erinnerungen, mit Visionen, mit ungeahnten Möglichkeiten
und Vorstellungen. Momente, in denen sich Bekanntes
mit Unbekanntem verbindet und daraus etwas Explosives
entsteht. Die Tänzer dieser ersten gemeinsamen Produktion stammen aus Herne und Berlin, aus Duisburg und der
Schweiz, aus Celle und Italien. Sie sind Pantomimen und
B-Boys, klassische Tänzer und Modernisten.
Regie und Choreografie: Malou Airaudo
Eine gemeinsame Produktion von
Schauspielhaus Bochum und Pottporus/Renegade
Gefördert vom Ministerpräsidenten
des Landes Nordrhein-Westfalen
MAlou AirAudo
wurde 1948 geboren und begann früh ihre Tanzausbildung.
Schon im Alter von acht Jahren lernte sie an der Schule der
Opéra de Marseille und tanzte dort unter der Leitung von
Joseph Lazzini im Ensemble. Über Monte Carlo und Amiens
gelangte sie 1970 nach New York, wo sie nicht nur mit Manuel Alum arbeitete, sondern auch Pina Bausch traf. So kam
sie 1973 nach Nordrhein-Westfalen in die Compagnie des neu
gegründeten Tanztheaters in Wuppertal und wurde dort eine
der prägenden Solistinnen. Ihr Solo „Le Sacre du Printemps“
ist sicher die berühmteste Arbeit, die aus der Zusammenarbeit
dieser beiden Tanztheater-Ikonen entstand. Später arbeitete
sie in Paris, Lorraine und Genf, pflegt aber seit langem eine
Verbindung zum Ruhrgebiet: Seit 1984 ist sie Professorin für
Zeitgenössischen Tanz an der Folkwang Universität. So kommt
sie nicht als Fremde, sondern als Freundin in die Region, wenn
sie mit Renegade am Schauspielhaus Bochum arbeitet.
Monika Gintersdorfer & Gadoukou La star — schwarzweiss totaL
schwarzweiß
total
text: arnd weseMann
fotos: christian roLfes
25
Monika Gintersdorfer & Gadoukou la Star — SchwarzweiSS total
ie Elfenbeinküste in Westafrika wird
von zwei Präsidenten regiert. Vom
echten und einem Schattenpräsidenten, der in der Opposition jederzeit mit Bürgerkrieg drohen kann.
Darum ist der echte Präsident sehr
vorsichtig, und das ist gut so. Nicht
nur der Präsident, auch der Papst hat
einen Gegenpapst, den Schwarzen
Papst. Den hält er im Keller des Vatikan gefangen wie einen Anti-Christ.
Sowas erzählt man in Abidjan, einer
Stadt aus zehn eigenständigen Städten, die von der Lagune am atlantischen Ozean wie eine Krabbenschere
ins Land greifen. Regiert wird das
Land nicht von hier aus, sondern aus
der Gegenhauptstadt Yamoussoukro.
Dort steht die Basilika Notre-Dame
de Paix, die aussieht wie der Petersdom in Rom. Nur ist sie sehr viel
größer, das größte Christengebäude
der Welt. Auch das ist gut so, denn
ob der Islam oder das Christentum
an der Elfenbeinküste zahlenmäßig
stärker ist, ist nicht erwiesen. So liegt
hier alles auf einer fein austarierten
Waage. Es gibt nicht das Gute ohne
das Böse, den Papst nicht ohne Gegenpapst, das Christentum nicht
ohne Islam.
Und man hörte ja schon vom
Bürgerkrieg an der Elfenbeinküste,
der trotz offiziellem Friedensvertrag
noch nie ganz beendet wurde, weil
Frieden ohne Krieg nicht existieren
kann. In Abidjan gab es noch einen
dritten Präsidenten, der Le prési-
dent Douk Saga hieß. Zu Beginn des
Bürgerkriegs hielt sich Le président
Douk Saga in Paris auf, um dann wie
mit einem kulturellen Staatsstreich
von Paris aus mitten in den Bürgerkrieg hinein in der Elfenbeinküste
zu einem Präsidenten der Freude
zu werden. Franck Edmond Yao alias Gadoukou la Star zog mit dem
Präsidenten Douk Saga und seinen
Freunden, dem selbsternannten ivorischen Jet Set, durch die Nachtclubs
von Paris als Choreograf und Supertänzer. Gadoukou la Star ist ein sehr
schöner, sehr kräftiger Mann mit viel
Blingbling. Unter den Fanfaren eines
DJs bewegt er sich cool, weich im Antritt, als würde er mit unglaublicher
Beschleunigung aus sich selbst hinausspringen können. Gadoukou la
Star kann das Land verlassen, um jederzeit im Triumphzug immer wieder
einzuwandern. Ein Auswanderer, der
ständig einwandert, ist kein Flüchtling, sondern ein personifizierter Privatjet zwischen Europa und Afrika,
den man einen „Bengisten” nennt –
der Botschafter eines Lebensstils, der
in Abidjan, in Paris und längst auch
in Deutschland „Couper Décaler”
genannt wird.
Gadoukou la Star ist
ein sehr schöner, sehr
kräftiger Mann mit viel
Blingbling.
„Couper” bedeutet abhauen, einen
Schnitt machen, „Décaler” heißt
umfallen, im Sinn von sich durchs
Leben schlagen ohne die Balance
zu verlieren. Den guten Stil wahren
heißt, präsidialen Glamour zu zeigen
und selber ein Label zu sein durch
hauteng getragene Edelmarken –
so liegen Ruch und Ruhm immer
schön dicht beieinander. Die „fouka fouka”-Geste, ein hämmernder
Oberarm, signalisiert Kraft durch
Form. Der DJ des „Couper Décaler”
betreibt das Sampling der Unterschicht mit dem der oberen Zehntausend. Es wirkt wie das lautstarke
Verhöhnen der Armut und zugleich
als vollkommene Karikatur des westlichen Lebensstils. Es ist perfekt in27
szenierter starkult, der aus nichts
als eigenwerbung besteht. niemand
will hier nur bescheidene fünfzehn
Minuten berühmt sein. wenigstens
so bekannt wie nivea-creme muss
man sein, so unverwechselbar wie
ein Päckchen Marlboro.
So Bekannt Wie niveacreMe MuSS Man Sein,
unverWechSelBar Wie
MarlBoro.
in bestem fummel auf einem sofa
lümmelnd zählt Gadoukou la star
geduldig seine investitionen für die
perfekte ivorische inszenierung auf:
Musik komponieren, ein studio mieten, die Musik „piratisieren” lassen,
sie also umsonst ins internet stellen,
die dJs „bestechen”, damit sie in
den Grand Maquis die titel spielen,
überall für sich spendable reklame
machen und das Glück haben, im
fernsehen aufzutreten, damit endlich ein großes Konzert stattfinden
kann, das einen teil der unkosten
wieder reinbringt. es ist vor allem
der ruhm, der abfällt, der all das
aufwiegt, worauf europa seine Langeweile begründet: ausgeglichene
haushalte, unauffällige Gleichheit,
Bürgerruhe, traditionelles Ballett,
zeitgenössische tanzverweigerung.
Ganz abidjan dagegen, so scheint es
mitten in der nacht in den heißen
Vierteln von Yopougon, ist ein gewaltiger tanzwettbewerb, eine große
feier des ich, ein narzisstisches spiel
wie vor den spiegeln in den Maquis
der rue Princesse. kein einziges Mal
trennen sich dort die tanzenden
Mädchen von ihrer eigenen schönheit. „spiegel”, sagt franck, „dienen
bei euch zur kontrolle, uns beweisen
sie, dass wir stolz sein können.”
Längst hat Gadoukou la star eine
doppelkarriere als schauspieler in
deutschland, wo er franck edmond
Yao heißt. Monika Gintersdorfer,
die Regisseurin, filmte ihn bei einem
Gastauftritt in einem hamburger
nachtclub. sie kennt die szene in
abidjan wie ihre westentasche. dabei wäre sie fast eine ganz normale
regisseurin am deutschen stadtthe-
ater geworden, lauter erstaufführungen junger autoren bis hin zu den
salzburger festspielen, die statt zum
höhepunkt zur endstation dieser
Literatur-inszenierungen wurden.
zum Glück. es folgte ein Jahr mit
hundert aktionen, die den gesicherten rahmen verließen. in einer aktion namens „ausziehen” zerschmetterte sie in hamburg eine wohnung,
lernte beim Brunnengraben an der
alster den bildenden künstler knut
klaßen kennen und verliebte sich an
die elfenbeinküste. seitdem ist sie
Übersetzerin, von theater in tanz,
von afrika in europa, von wahrheit
in wirklichkeit.
Übersetzen heißt: sich einem
wettbewerb stellen, sich von einem
vollkommen trainierten körper, der
überquillt von tanzlust, Bewegungsschärfe, Variantenwitz, nicht abhängen zu lassen. und es als europäer
auch mal aushalten zu können, dass
unsere todsünden, eitelkeit, neid,
Gier, sämtlich afrikanische tugenden sind. Übersetzerin zu sein ist
für Monika Gintersdorfer nicht das
erklären einer afrikanischen kultur,
die mit tanz redet. es gibt stattdessen
in ihrer bekannten serie „Logobi”
eine völlig angstlose konfrontation
der ivorischen tänzer Gotta depri
und franck edmond Yao mit je einem
deutschen Übersetzer, einem schauspieler, tänzer oder choreografen.
diese Pas de deux werden auf augenhöhe übersetzt, ohne gleich Gleichheit zu fordern. es werden schritte
erklärt, ohne Pädagogik. es werden
fremde welten geöffnet, ohne sie
zu besetzen. Übersetzen heißt nicht:
aneignen. sondern im fremden die
Freiheit der eigenen Sprache zu finden. die der ivorer. und auch die der
deutschen.
arnd WeSeMann ist redakteur
der zeitschrift „tanz”.
ElEganz ist
kEin VErbrEchEn
von Gintersdorfer/Klaßen
Premiere am 24. september 2010 im theater unten
dies ist die perfekte show! dieses theater ist reich, ist international, ist glamourös, virtuos und elegant. das ivorischdeutsche ensemble entwickelt mit seiner sprache, seinem
Gesang und seinen tanzenden körpern einen funkelnden
abend. hier geht es nicht um die perfekte Länge oder die
perfekte dramaturgie. die schauspieler und tänzer aus
Bochum in deutschland in europa und aus abidjan an
der elfenbeinküste in afrika zeigen, welche texte, welche
themen eine „perfekte show“ braucht. es geht in diesem
abend nicht um illusionen, nicht um Parodien oder Verstellungen, es geht um schillernde Behauptungen und eine
spekulative wirklichkeit. die show wird zu einer Verständigung zwischen kulturen jenseits der plattgetrampelten
Pfade politischer korrektheit, die uns in unsere eigenen
widersprüche verwickelt, indem sie mit Vorurteilen aufräumt und sie gleichzeitig zementiert.
Regie: Monika Gintersdorfer
Bühne und Kostüme: Knut Klaßen
Dramaturgie: Olaf Kröck
Mit: friederike Becht, Jean claude dagbo alias dJ Meko,
hauke heumann, franck edmond Yao alias Gadoukou la
star
Monika Gintersdorfer
wurde 1967 geboren. Sie studierte Germanistik und Theater-,
Film- und Fernsehwissenschaft in Köln und Regie in Hamburg. 2000 bis 2004 inszenierte sie am Hamburger Schauspielhaus, an den Münchner Kammerspielen und bei den
Salzburger Festspielen. 2002 erhielt sie für ihre Inszenierung
„Bedbound“ von Enda Walsh den Gertrud-Eysold-Preis. Seit
2005 arbeitet sie regelmäßig mit dem ivorischen Choreografen
und Tänzer Franck Edmond Yao und dem bildenden Künstler
Knut Klaßen. Ihre Produktion „Othello, c’est qui“ wurde mit
dem Jury-Preis des Impulse Festivals 2009 ausgezeichnet. Im
April 2010 veranstaltete sie unter dem Titel „Rue Princesse“
ein ivorisch-deutsches Festival in Abidjan.
franck edMond Yao
aliaS Gadoukou la Star
wurde in Abidjan in der Elfenbeinküste geboren. Dort studierte er Tanz und Schauspiel. Von 2003 an gewann er in vier
aufeinander folgenden Jahren den African Award als bester
afrikanischer Tänzer in Paris. Seit 2005 arbeitet Franck Edmond Yao mit Gintersdorfer/Klaßen. 2008 veröffentlichte er
sein Debüt-Album „Couper Décaler“ als Gadoukou la Star
und wurde damit zum Shootingstar der ivorischen Popmusik.
Franck Edmond Yao lebt in Paris und Abidjan.
28
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David Bösch — Ein Fotoalbum
David Bösch wird leitender Regisseur am Schauspielhaus Bochum. In
Bochum hatte er mit acht Jahren sein erstes Theatererlebnis, allerdings nicht im Schauspielhaus, sondern bei „Starlight Express“. Am
Schauspielhaus hat er dann seine erste große Inszenierung gemacht,
„zum ersten Mal richtig Theater, in einer Guckkastenbühne mit
allem, was dazu gehört“: Romeo und Julia. Das war vor sechs Jahren.
Inzwischen hat er in Essen, Hamburg, Zürich, Wien und Berlin gearbeitet. Jetzt freut er sich darauf, zurückzukehren und richtig anzufangen an diesem Haus. Erstmal hat er es fotografiert, von innen, in den
Ecken, die man als Zuschauer sonst nicht zu Gesicht bekommt.
Fotos und Text: David Bösch
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David Bösch — Ein Fotoalbum
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David Bösch — Ein Fotoalbum
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David Bösch — Ein Fotoalbum
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David Bösch — Ein Fotoalbum
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Der
Sturm
von William Shakespeare
Die
ratten
von Gerhart Hauptmann
Premiere am 25. september 2010 im schauspielhaus
Premiere am 28. Januar 2011 in den Kammerspielen
er muss für ordnung sorgen. das ist sein Ziel und dafür ist
er bereit alles zu tun, was in seiner Macht steht. Jahrzehnte
verbringt er auf einer einsamen insel, gemeinsam mit seiner t
tochter Miranda und zwei wilden Kreaturen, die er nur
mühsam zu bändigen vermag. er schmiedet Pläne und verteidigt Moral und Gesetz in einer feindlichen Welt. dann
kommt der t
tag, an dem sein Plan in erfüllung gehen wird.
es beginnt mit einem mächtigen sturm und noch weiß niemand, wen dieser sturm am ende hinwegfegen wird. als
eine kleine Gruppe Gestrandeter plötzlich hilflos über die
insel irrt, ändert das alles. ihr erscheinen bringt die sensible ordnung in Prosperos kleiner Welt ins schwanken.
Selber vollkommen hilflos und orientierungslos setzen die
schiffbrüchigen in der hermetischen inselgesellschaft neue
sehnsüchte und Gefühle frei. die beiden wilden Geister,
ariel und caliban, spüren, dass der Moment gekommen
ist, sich zu befreien. Miranda, aufgewachsen an der seite
der beiden Wilden, entdeckt den sanften Ferdinand. es ist
für alle der Moment der Wahrheit, der Regeln außer Kraft
setzt. dass sie spielbälle sind in Prosperos Plan, interessiert
am ende niemanden mehr. Prospero muss sich eingestehen, dass er die Kontrolle verloren hat. nicht er nimmt
Rache für widerfahrenes unrecht, es sind die anderen, die
sich rächen an ihm und einer ordnung, die die Welt beherrschen wollte. doch die Welt ist anders, als er dachte.
dieses grausame Märchen von shakespeare, sein letztes
Werk, inszeniert david Bösch zu Beginn der spielzeit in
Bochum.
nichts wünschen sich Frau John und ihr Mann sehnlicher
als ein Kind, seit ihr albertchen drei Monate nach der Geburt gestorben ist. als Frau John mit der Zeit klar wird, dass
ihre hoffnungen umsonst sind, lässt sie sich auf ein zweifelhaftes Geschäft ein: sie nutzt die lange abwesenheit ihres Mannes und kauft sich ein Baby. v
von der verzweifelten
hochschwangeren Pauline Piperkarcka, die drauf und dran
war, sich in die spree zu stürzen. so scheint erstmal allen
geholfen. stolz präsentiert Frau John ihrem Mann und der
nachbarschaft das Kind. doch Pauline bekommt Gewissensbisse und verlangt ihren sohn zurück. da Frau John
das Kind jedoch freiwillig nicht hergeben will, vertauscht
es Pauline heimlich mit dem todkranken Kind der nachbarin. die tragische Geschichte der verzweifelten Mütter
entwickelt sich zur v
verwechslungskomödie, in der schließlich niemand mehr weiß, wer was vor wem geheim hält und
welches Kind zu wem gehört.
eine „Berliner t
tragikomödie“ nennt Gerhart hauptmann sein stück, das er 1909 am höhepunkt seines Ruhmes fast zwanzig Jahre nach seinem skandaldebüt „vor
v
vor
sonnenaufgang“ schrieb. hier ist versammelt, was unter
dem titel naturalismus am ende des 19. Jahrhunderts die
theatermittel radikal erneuerte: in einer verkommenen
Mietskaserne, auf deren dachboden der arbeitslose theaterdirektor hassenreuther seinen Kostümfundus untergebracht hat, tummeln sich die Ratten und die kleinen
leute, deren lebensdramen hauptmann auf die Bühne
bringt. dass der theologiestudent erich spitta, der unbedingt schauspieler werden möchte und bei hassenreuther
unterricht nimmt, als eine art alter ego hauptmanns auftritt und vehement fordert, dass es auf der Bühne genauso
lächerliche Figuren wie im leben geben sollte, hält dem
naturalismus den spiegel vor und erinnert daran, dass
manchmal die dramen des echten lebens die bewegendsten sind.
Regie: David Bösch
Bühne: Dirk Thiele
Kostüme: Meentje Nielsen
Dramaturgie: Sabine Reich
Mit: Manfred Böll, Florian lange, nicola Mastroberardino, Ronny Miersch, Bernd Rademacher, Felix Rech, henrik
schubert, xenia snagowski, daniel stock, Werner strenger,
Klaus Weiss
david bösch
Auch wenn David Bösch in den letzten Jahren viel in Essen am
Schauspiel inszenierte, oder in Wien, Zürich und Frankfurt,
wohnt er in Bochum, wo er in den nächsten Jahren wieder regelmäßig arbeiten wird. Geboren wurde er 1978 in Lübbecke/
NRW, dann studierte er Regie an der Hochschule für Musik
und Theater in Zürich. 2004 brachte er in Bochum „Romeo
und Julia“ von Shakespeare auf die Bühne, 2005 eröffnete er
die Intendanz von Anselm Weber am Schauspiel Essen mit seiner Inszenierung „Ein Sommernachtstraum“, 2006 gewann
er mit „Viel Lärm um nichts“ (Thalia Theater Hamburg) den
„Young Directors Award“ der Salzburger Festspiele. Aber nicht
nur Shakespeare inszeniert er, er bringt Klassiker von Büchner, Hauptmann, Schiller und Goethe ebenso auf die Bühne
wie zeitgenössische Stücke oder große Opern.
35
Regie: David Bösch
Bühne: Patrick Bannwart
Fadhel Jaibi — Ich lebe in einem schizophrenen Land
Ich lebe
in einem
schizophrenen
Land
Interview: Thomas Laue und Anselm Weber
Fotos: Christian Rolfes
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FadheL JaIbI — ICh Lebe In eInem sChIzophrenen Land
Warum nicht?
weil ich in meinem Gedächtnis,
meinen Reflexen und dem, was ich
bis jetzt gelernt oder erworben habe,
dinge mit mir herumtrage, die nicht
mehr auszulöschen sind. Ich habe,
wie hoffentlich jeder Künstler, meine eigene welt, die mich schon sehr
lange begleitet.
Was beschäftigt dich in dieser Welt derzeit am meisten?
die zukunft meiner tochter. sie ist
einundzwanzig und lebt in paris.
Warum lebt sie nicht in Tunesien?
weil es einerseits notwendig war, sie
ein bisschen von ihren eltern zu lösen. und weil das Leben in tunesien
einen jungen menschen töten kann.
adhel Jaibi, anders als viele Regisseure
inszenierst du nur ein Stück im Jahr.
sogar weniger! Ich produziere ein
stück alle drei oder vier Jahre.
Warum brauchst du so lange, um eine
neue Produktion vorzubereiten?
nach der premiere begleite ich zunächst die aufführungen meiner
stücke, die an vielen orten der welt
gezeigt werden. In jeder neuen arbeit
bringe ich dann junge schauspieler,
die zum ersten mal mit mir arbeiten, mit schauspielern zusammen,
die mich seit 20 Jahren begleiten.
so wird jede produktion zu einem
neuen, komplizierten abenteuer. Ich
versuche dabei jedes mal, das vorangegangene stück zu vergessen. mit jedem neuen thema ändere ich meine
art zu arbeiten.
Fängst du immer wieder bei Null an?
man fängt nie bei null an. es ist immer eine Kontinuität und ein bruch
zugleich. aber null nicht. auch wenn
ich wollte, könnte ich nicht bei null
anfangen.
Wie das?
der horizont dort ist eingeschränkt.
die türen und Fenster dieses Landes schließen sich immer mehr: die
religiöse und moralische zensur, die
zensur der medien, die zensur des
ausdrucks. Ich möchte, dass meine
Tochter dem entfliehen kann. Aber
wenn ich davon spreche, dass meine größte sorge die zukunft meiner
tochter ist, dann meine ich auch die
zukunft überhaupt.
Während wir hier reden, sollte zu Hause in Tunis eigentlich eine neue Produktion von dir zu sehen sein. Aber die
Premiere am letzten Samstag hat nicht
stattgefunden, weil dein Stück von der
Zensurkommission nicht freigegeben
wurde. Wie geht es nun weiter?
als ich am montag in düsseldorf
am Flughafen auf meine Koffer gewartet habe, rief mich der minister
„Ich habe meIne eIgene
Welt, dIe mIch, WIe hoffentlIch jeden Künstler, schon sehr lange
begleItet.“
an, der letzten donnerstag eine probe meines stückes gesehen hat. Ich
wartete seit samstag, an dem eigentlich premiere sein sollte, auf diesen
anruf. als er dann anrief, verlangte
38
Wer unter
bedIngungen
theater macht
WIe der tunesIsche regIsseur
fadhel jaIbI,
entWIcKelt
vIele PersönlIchKeIten: er
Ist eIner der
schärfsten
KrItIKer seInes
landes und
zugleIch eInes
seIner WIchtIgsten aushängeschIlder. In jedem
fall also eIne
staatsangelegenheIt. eIn
IntervIeW.
Fadhel Jaibi — Ich lebe in einem schizophrenen Land
der Minister die Textfassung des
Stückes. Nun ist es so, dass dieser
Minister früher selbst Regisseur war.
Er kennt also die subversive Kraft des
„Ich begreife mich als
unabhängigen Bürger
und nicht als Künstler.“
Bildes und es ist erstaunlich, dass
er, obwohl er die Aufführung schon
kennt, jetzt auch noch den Text haben möchte. Nun erwarte ich jeden
Moment seine Entscheidung. Es
kann sein, dass das Stück wegen des
Themas – es ist eine Metapher auf das
Leben in der derzeitigen tunesischen
Gesellschaft – ganz verboten wird,
weil er Angst um sich selbst und seine Stellung hat. Vielleicht wird der
Minister aber auch nur Kürzungen
verlangen, die ich aber nur bereit bin
vorzunehmen, wenn sie nichts an der
Essenz des Stückes verändern. Wenn
er die Essenz berühren will, werde ich
nein sagen. Dann ist es mir lieber,
dass das Stück ganz verboten wird.
Dann müsste ich allerdings eine sehr
schwere Verantwortung tragen: die
für 20 Familien, die von mir und dieser Produktion abhängig sind.
Würdest du dich unter diesen Arbeitsumständen als einen mutigen Mann
bezeichnen?
Ich bin nicht in der Position, so
etwas von mir zu behaupten. Ich
begreife mich in erster Linie als unabhängigen Bürger und nicht als
Künstler. Ich habe nie Kunst um der
Kunst willen gemacht, ich habe immer Ideen verteidigt, die dem tunesischen Establishment und der tunesischen Nomenklatura missfielen. Ich
bin seit vierzig Jahren Regisseur und
seltsamerweise hat man nur zweimal
versucht, meine Stücke zu verbieten.
Einmal unter Präsident Bourguiba
und jetzt, viel radikaler, unter Ben
Ali. Warum erlaubt man mir in der
Regel, die Stimme zu erheben? Warum akzeptiert man, dass ich auf eine
subversive Art sehr kritisch bin? Weil
meine Arbeit respektiert wird und
weil behauptet wird, dass ich wichtige Sachen auf intelligentere Art und
Weise sage als andere. Und weil ich
für die Regierung auch eine Art Vorzeigekünstler bin, weil meine Stücke
auf der ganzen Welt zu sehen sind.
Wenn man mir in Tokio, in Seoul, in
Berlin oder London die Frage stellt:
„Du lebst doch in einer Diktatur?“,
dann sage ich: „Ja“. Und dann wird
immer gefragt, ob das Stück, das gerade gespielt wurde, in Tunesien zensiert ist, und ich antworte: „Nein“.
Man versucht, mich zu vereinnahmen und durch mich die Illusion zu
erzeugen, dass ich in einer Demokratie lebe. Aber ich lebe in einem Land
der Schizophrenie: Man toleriert im
Theater und im Kino durch mich und
andere etwas, das im Fernsehen nie
akzeptiert würde. Im Fernsehen bin
ich seit zehn Jahren verboten. Weder meine Stücke noch meine Filme
werden im tunesischen Fernsehen
gezeigt. Auch meine Interviews sind
nur im arabischen oder westlichen
Fernsehen zu sehen.
Ist Tunesien in dieser Hinsicht besonders streng im Vergleich zu anderen
nordafrikanischen Ländern?
Was die Medien angeht, ist Tunesien
ein totalitäres Land. In Marokko und
Algerien gibt es eine freie Presse, wie
wir sie in Tunesien nicht haben. Aber
„Man toleriert im Theater und im Kino durch
mich und andere etwas,
das im Fernsehen nie
akzeptiert würde.“
in Tunesien haben wir eine Freiheit
im Tonfall, wie du sie weder in Marokko noch in Algerien und noch weniger in Libyen finden wirst. Aber das
ist eine Freiheit, die sich der Einzelne,
das Individuum einräumt, und keine, die vom System vorgegeben wird.
Wir sind immer im Konflikt mit dem
System. Meine Frau Jalila Baccar und
ich stehen auf einer roten Liste.
Die Schizophrenie, die du für deine eigene Arbeit beschreibst, also einerseits auf
einer roten Liste zu stehen und gleichzeitig aber auch ein Aushängeschild der
Kultur zu sein, was bedeutet die für das
40
Land und für die Menschen, die in diesem Land leben und die nicht in so einer
ausgestellten Situation sind wie du?
Mein Glück ist, dass meine Arbeiten
im Ausland gezeigt werden. Alle anderen werden auf der Stelle erstickt.
Leider haben nur wenige den Mut,
durch Kunst das zu sagen, was sie
denken. Fast alle meine Freunde, die
wie ich im Ausland studiert haben,
in Rom, London oder Paris, sind dem
Staat hörig, um bestimmte Positionen und Posten zu bekleiden. Sie
machen formales, oberflächliches
oder historisches Theater, um nicht
über die Realität zu sprechen. Viele
bleiben aus Angst auch einfach zu
Hause.
In den sechziger und siebziger Jahren
hat Tunesien unter dem ersten unabhängigen Präsidenten Habib Bourguiba einen enormen Aufschwung erlebt.
Bourguiba hat sich auch sehr um die
Künstler und Intellektuellen des Landes
gekümmert. Inzwischen ist seit fast 25
Jahren Zine el-Abidine Ben Ali Präsident. Was hat sich verändert von Bourguiba zu Ben Ali? Und was hat sich für
dich verändert?
Was Bourguiba für Tunesien getan
hat, ist außergewöhnlich und einmalig im afrikanischen Raum. Auf der
Ebene der Bildung, der Gesundheit,
der Freiheit der Frau und der Kultur.
Er hat den Kulturdenkmälern, dem
Buchwesen, den Medien und vor allem dem Theater ein großes Budget
zur Verfügung gestellt. Er hat überall
Kultur- und Jugendzentren eingerichtet. Aber das alles tat er nur um
seiner selbst willen. Für seine eigene
Ehre. Aber auf der Ebene der Freiheiten war er ein Monster, ein düsterer Diktator, schlimmer als Franco,
schlimmer als Ceauşescu. Wir waren zu der Zeit noch sehr jung. Aber
schon damals versuchte man, uns zu
vereinnahmen, weil unsere Stücke
von Anfang an im Maghreb und im
mittleren Orient sehr gefragt waren.
Die Nomenklatura wollte sich unserer bedienen, um durch junge Künstler zu glänzen.
Was hat sich unter Ben Ali dann verändert?
Unter Ben Ali gab es eine exponentielle Entwicklung von allem. Das
Fadhel Jaibi — Ich lebe in einem schizophrenen Land
heißt, es gibt immer mehr Leute auf
dem Markt, immer mehr Kunstschaffende, immer mehr Techniker,
Schauspieler, im Theater wie im Film.
Er hat das Budget für Kunst nochmal
erhöht, so dass jetzt 1,5 Prozent des
Staatshaushalts für Kunst ausgegeben wird. Das ist für die arabische
Welt äußerst ungewöhnlich.
Saal habe, sind mindestens 50 von
ihnen Polizisten. Es ist völlig wahnsinnig. Es geht so weit, dass die Tunesier selber zu Polizisten werden. Es ist
eine Terrorherrschaft. Ben Ali hat die
Liga der Menschenrechte verboten.
Er hat alle Parteien der Opposition
verboten und die Zivilgesellschaft
zerstört.
Heißt das, dass sich die Situation unter
Ben Ali verbessert hat?
Nein! Absolut nicht! Auch bei Ben
Ali wird dieses Geld für seine eigene Ehre und die Ehre seines Staates
eingesetzt und manchmal gibt es
dann ein paar Krümel für unabhängige Künstler, wie wir es sind, in der
Hoffnung, etwas davon zurückzuerhalten. Aber Ben Ali ist ein Diktator
und die Freiheiten waren noch nie so
eingeschränkt wie jetzt. Durch Ben
Welche Auswirkungen hat das auf das
Leben der normalen Menschen, die
eben nicht die Möglichkeit haben, sich
künstlerisch auszudrücken?
Es gibt mindesten zwei Arten von
Tunesiern im Land. Viele sind wie
du und ich. Sie sind die Kinder von
Bourguiba und Erben des französisch- und englischsprachigen
Raums. Laizisten und Republikaner,
die eigentlich Bürger der Welt sind.
Die an Freiheit, Demokratie und
Menschenrechte glauben. Daneben
existiert ein Land, das religiös und
konservativ ist. Dieses Land zieht
sich immer mehr auf sich selbst zurück. Seit dem 11. September und
den Diskursen, die dieses Datum mit
sich gebracht hat, wegen der Medien
und des arabischen Fernsehens, wegen Israel und der Probleme in Palästina, aber auch wegen des Westens,
der sich immer mehr verschließt,
gibt es Leute, die sich radikalisieren.
Innerhalb einer einzigen Familie gibt
es so den progressiven Vater und
den konservativen Sohn. Es gibt die
progressive Tochter und die konservative Mutter. Innerhalb dieser Familien herrschen ständig Konflikte.
Die gleichen Konflikte findet man
in der Schule, auf der Straße und
in den Büros. Und sogar unter der
herrschenden Klasse. Ich habe das
bei meinem Stück „Corps otages“
miterlebt. Minister und Abgeordnete
aus der gleichen und einzigen Partei
stritten sich darum, was mit mir zu
tun sei. Sollte man mir mein Visum
geben oder mich eher ins Gefängnis
stecken? Man braucht mich. Die, die
nicht für mich sind, sind nicht unbedingt gegen mich. Das ist schizophren.
„Es ist verboten, den
Präsidenten zu kritisieren. Ihn und seine Familie, die Familie seiner
Frau, ihre Brüder und
Schwestern, die Mafia.“
Ali sind wir auf der roten Liste und
dürfen nicht im Fernsehen auftreten. Durch Ben Ali sind wir zensiert,
noch mehr als unter Bourguiba.
Was hat diese Diktatur, die du beschreibst, für einen Charakter? Ist es
eine religiöse Diktatur, wie wir sie aus
anderen arabischen Ländern kennen?
Nein, sie ist fast ausschließlich politischer Natur. Es ist verboten, den
Präsidenten zu kritisieren. Ihn und
seine Familie, die Familie seiner
Frau, ihre Brüder und Schwestern,
die Mafia. Es ist verrückt. Ich denke,
dass Tunesien das Land auf dieser
Welt mit den meisten Polizisten ist.
Wenn du auf der Avenue Bourguiba
in Tunis spazieren gehst, steht alle
zehn Meter ein Polizist, in Uniform
oder zivil. Es herrscht die totale Paranoia. Sie glauben, dass es alle zehn
Meter ein Attentat geben könnte. Die
Theater, die Stadien, die Moscheen,
die Straßen sind voll von Polizisten.
Wenn ich 500 Zuschauer in einem
Was bedeutet es für dich, in Europa, in
Deutschland zu arbeiten?
Ich denke nicht: ich werde zu Hause
unterdrückt, also werde ich es aus41
nutzen, im Westen zu sein, um endlich zu sagen, was ich denke. Was ich
euch jetzt gerade erzähle, könnte ich
genau so gut in Tunesien erzählen.
Deshalb spreche ich auch nicht gerne von Mut. Ich wurde nie bedroht
oder verhaftet. Reporter werden abgewehrt, wenn ich komme, und Kameras werden zerstört, und jedes Mal
erwarte ich, dass mir etwas angetan
wird. Dass man meine Frau angreift
oder meine Tochter entführt. Aber
nein, nie passiert etwas. Aber ich lebe
trotzdem in dieser Paranoia. Wenn
ich nach Europa komme, ist das für
mich erstmal ein menschliches und
künstlerisches Aufatmen. Aber die
„Medea“, die hier entstehen wird,
wäre die gleiche, wie wenn ich alleine in Tunesien beschlossen hätte,
„Medea“ zu produzieren.
Wir haben dich eingeladen, in Bochum zu inszenieren, auch weil uns
die Konfrontation mit einem fremden
Blick interessiert. Wie schaust du auf
Deutschland und sein eurozentristisches Weltbild?
Erstmal denke ich, dass ich mit all
meinen Eigenarten hierher komme.
Ich entwickele ja selbst eine doppelte
Identität: Zur Hälfte bin ich Araber,
also aus einer muslimischen Kultur,
obwohl ich Atheist bin. Das ist meine mediterrane, meine afrikanische
Identität. Aber ich bin auch, ob ich
will oder nicht, die Kreuzung von 33
„Wenn ich 500 Zuschauer in einem Saal habe,
sind mindestens 50 von
ihnen Polizisten.“
Völkern, die Tunesien im Laufe der
Geschichte besetzt haben. Zusätzlich
habe ich das Glück, dass ich reisen
kann. Mein Theater und meine Filme reisen um die Welt. Ich arbeite
überall und lerne dadurch auf der
ganzen Welt Künstler kennen. Wenn
ich ein Stück in Europa inszeniere,
tue ich das mit den gleichen Ansprüchen, mit denen ich zu Hause inszeniere. Als ich vor fast zehn Jahren in
Deutschland „Araberlin“ inszeniert
habe, gab es deswegen viele Ausein-
andersetzungen. mit den schauspielern, dem dramaturgen, mit einem
bestimmten publikum und mit einer
bestimmten presse. Ich habe gelernt,
dass es überall totalitäres und konservatives denken und auch Intoleranz gibt, in jedem Land. warum das
Ganze? weil „araberlin“ sich getraut
„man braucht mIch. dIe,
dIe nIcht für mIch sInd,
sInd nIcht unbedIngt
gegen mIch. das Ist
schIzoPhren.“
hat, den deutschen zu sagen, dass es
ihnen schwer fällt, sich von ihren alten rassistischen dämonen zu trennen. wenn ihr nach einem palästinensischen terroristen fahndet oder
nach jemandem, den ihr dafür haltet, vergesst ihr, dass ihr mit baader
meinhof das gleiche gekannt habt.
Ihr urteilt über uns, und wir urteilen
auch. versuchen wir also gemeinsam
durch die Kunst uns ein bisschen
besser zuzuhören. es war eine unglaubliche erfahrung, in der wir die
Komplexität und die Widersprüche
deutschlands entdeckt haben.
Du lebst in Tunis, hast aber noch ein
Haus an der Küste. Denkst du manchmal daran, dich dorthin zurückzuziehen und dich nur noch um deine Olivenbäume zu kümmern?
nein. nach all der arbeit träume ich
davon, mehr als nur ein wochenende dort zu verbringen. aber nach
einem wochenende muss ich sofort
die arbeit wieder aufnehmen.
Wer kümmert sich dann um die Olivenbäume?
Ich habe einen Gärtner.
ben würde. und ich hätte angst um
sie, wenn sie nach tunesien zurückkehren würde.
aus dem FranzÖsIsChen von aLmut pape
fadhel jaibi
wurde 1945 geboren. Er hat in den
1960er und 70er Jahren an der Sorbonne und an der Université Internationale du Théâtre in Paris studiert.
Anschließend ist er wieder in sein Heimatland Tunesien zurückgekehrt, wo er
seitdem als Regisseur und Filmemacher
arbeitet. In Tunis leitet er seit 1993 die
Theater- und Filmcompagnie „Familia Productions“ und gilt als einer der
profiliertesten, aber auch streitbarsten
Künstler des Landes. Seine Inszenierungen, für die er mit seiner Frau, der
Schauspielerin Jalila Baccar, meist auch
die Texte schreibt, entstehen in der Regel in einer sehr intensiven und langen
Proben- und Improvisationsphase gemeinsam mit dem Ensemble. Seine Arbeiten werden im gesamten arabischen
Raum gezeigt, unter anderem in Beirut,
Damaskus und Kairo. Zunehmend
sind seine Arbeiten auch als Gastspiele
in Europa zu sehen, unter anderem in
Holland, Spanien, Portugal und Frankreich. „Junun“ entstand 2002 mit dem
Festival Avignon, seine Produktion
„Khamsoun“, eine Auseinandersetzung
mit dem modernen Islam, 2006 als Koproduktion mit dem Theater l’Odeon in
Paris und war anschließend weltweit
auf Festivals zu sehen.
Im April 2010 sollte in Tunis seine
aktuelle Inszenierung Premiere haben,
zum Zeitpunkt des Gesprächs war sie
aber noch nicht von der tunesischen
Zensurkommission freigegeben.
Wenn du also über die Zukunft deiner
Tochter nachdenkst, was glaubst du,
wie diese Zukunft aussieht?
dieses schizophrene Land hat auch
aus mir einen schizophrenen gemacht. Ich weiß heute selber nicht,
was ich meiner tochter sagen soll:
bleib im westen oder komm zurück
nach tunesien. Ich wäre sehr unglücklich, wenn sie im westen blei42
Medea
in einer Bearbeitung
von Jalila Baccar und Fadhel Jaibi
premiere am 8. oktober 2010 in den Kammerspielen
wenn wir den namen medea hören, denken wir sofort an
die ganz großen Gefühle und ihre tragischen Folgen: an
Kindsmord und eifersucht, an hass und raserei. schon
deswegen gehört ihre Geschichte bis heute zu den bekanntesten mythen der griechischen antike. aber medea
ist auch die sehr gegenwärtige Geschichte einer doppelten
Fremdheit: einer jungen Frau, die ihre heimat verlässt, weil
sie sich dort, wo sie lebt, fremd fühlt, und statt zu bleiben,
lieber dem mann folgt, den sie liebt: Jason. und die dort,
wo Jason lebt, wieder fremd ist, als barbarin verschrien
und als ungläubige verunglimpft. Kompliziert wird die
Geschichte dadurch, dass auch Jason doppelt fremd ist: In
medeas heimat gilt er als eindringling, als ungläubiger und
als Fanatiker, der gekommen ist, um die Kultur des Landes
zu zerstören und mit dem Goldenen vlies das heiligste zu
rauben. und zu hause ist er ebenfalls fremd, weil er nicht
alleine zurückkommt, sondern medea mitbringt, die andersartige, die nicht dazu gehört und so sehr auf den bräuchen und Kulturen ihres Landes beharrt. alles eine Frage
der perspektive also. der tunesische regisseur Fadhel Jaibi
wagt den versuch eines perspektivwechsels und erzählt mit
einem deutschen ensemble und der autorin Jalila baccar
seine überraschend nahe version einer fremden medea.
Regie: Fadhel Jaibi
Bühne: Kaïs Rostom
Kostüme: Gerhard Gollnhofer
Licht: Yvan Labasse
Dramaturgie: Thomas Laue
mit: dunja dogmani, mandana mansouri, marco massafra, matthias redlhammer, nadja robiné, stephan ullrich
43
MITTELMEERBEWOHNER — MuSTApHA CHERIF
MITTELMEER
BEWOHNER
TEXT: MuSTApHA CHERIF
papst Benedikt der XVI. lud Mustapha
Cherif 2006 ein zu einem Gespräch
über das Verhältnis der Religionen
in Europa, als der sogenannte „Clash
of Civilizations“ heiß diskutiert wurde. „Der Clash der Kulturen“ ist
ein Begriff des uS-amerikanischen
politikwissenschaftlers Samuel phillips Huntington, der einen dauerhaften Kampf insbesondere von Christentum und Islam behauptet.
Dem gegenüber erinnert der algerische philosoph und Soziologe Mustapha Cherif an die gemeinsamen
Wurzeln von Okzident und Orient.
Westen und Osten, oder anders gesagt, der Norden und Süden Europas,
haben sich schon immer in einem
engen und fruchtbaren Austausch
entwickelt. Es waren die Kulturen des
Mittelmeerraumes, die von Andalusien ausgehend bis in den Maghreb
eine erste Idee von Europa formulierten. Er ruft auf zu einem Dialog,
der sich erinnert und auf die Suche
begibt nach einer Kultur Europas, die
noch fehlt.
44
Dialog der Kulturen, diese Worte sind so abgenutzt, dass
ihr Gebrauch suspekt erscheint. Bezeichnen sie nicht in
einem Kontext, in dem Zynismus, Grausamkeit, Arroganz und Doppelzüngigkeit banalisiert werden, den Versuch, die Hegemonie zu rechtfertigen, deren Gesetz in
der zunehmenden Konzentration des Reichtums und der
Entscheidungsinstrumente besteht? Aber der, der sich als
Mittelmeerbewohner und Erbe des andalusischen Geistes
versteht, kennt den wahren Wert dieses Begriffes, der die
Begegnung der Kulturen, die sich dennoch nicht vereinen,
meint. Heute sind die zwei Welten durchdrungen und verflochten. Goethe, Hegel und Hölderlin, genau wie Averroès, Rumi und Ibn Arabi, sie alle wussten, dass der Islam
Teil des Okzidents ist.
Ein Dialog ist immEr auch Ein
Dialog mit sich sElbst.
Es braucht immEr DEn anDErEn, um
DEn EigEnEn horizont zu öffnEn.
So haben sich einstmals die Kulturen und Völker des Orients und des Okzidents gemischt. Warum sind wir heute
nicht in der Lage, uns unsere Völker als einen Schmelztiegel vorzustellen, der eine Kultur, noch unbekannt und unvorhersehbar, hervorbringt? Die Globalisierung birgt die
Chance, Raum für eine gemeinsame Sinngebung zu schaffen. Ich habe mich dieser Überzeugung verschrieben und
daran glaube ich. Im Angesicht der Hegemonialstrategie
und des Wiedererstarkens fremdenfeindlicher Strömungen
sind Dialog, Annäherung und Öffnung der Kulturen umso
wichtiger. Der Ausweg aus der moralischen Krise führt über
den Dialog. Man spricht nicht miteinander, um dem anderen sein Gesetz aufzuzwingen. Ein Dialog ist nicht nur
eine Begegnung von Fremden oder Gegnern. Ein Dialog ist
immer auch ein Dialog mit sich selbst. Wir brauchen den
anderen, um den eigenen Horizont zu öffnen.
„DiE WahrhEit DEs glaubEns kann
niEmals im WiDErspruch sEin zur
WahrhEit DEr VErnunft.“
Seit 1993 und schon vor den Attentaten des 11. Septembers
waren die Theorien über den Clash der Kulturen zwischen
der muslimischen Welt und dem Westen Ausdruck der Erfindung eines neuen Feindes. Sie wurden 1989 nach dem
Fall der Berliner Mauer zur offiziellen Theorie. Die Islamfeindlichkeit ist eine Täuschung, die schon vor dem Terrorismus der Schwachen bestand. Das Konzept der „Kultur“
MITTELMEERBEWOHNER — MuSTApHA CHERIF
verbirgt die Widersprüche des vorherrschenden Systems
und reduziert die Spannungen auf kulturelle Fragen. Die
Islamfeindlichkeit im Norden und die entsprechenden
Strömungen im Süden stellen angesichts jahrhundertelanger fruchtbarer Beziehungen verkürzte Sichtweisen
dar. Sie verleugnen die Verbindungen zwischen dem „Griechen“ und dem „Araber“, zwischen dem „Juden“ und dem
„Araber“, zwischen dem „Römer“ und dem „Araber“. Werturteile werden gebildet, die die Vielfalt negieren und imaginäre Gegensätze schaffen: Jesus und Mohammed, Orient und Okzident, Islam und Christentum, Barbaren und
Zivilisierte, rationaler Westen und emotionale Araber.
Der Okzident wurde sowohl jüdisch-islamisch-christlich als auch griechisch-arabisch geprägt. Der Monotheismus und der gemeinsame Raum des Mittelmeeres sind
unsere gemeinsamen ursprünge. Man kann den Humanismus, das heißt die Frage „Was ist der Mensch?“, ohne
den Dialog mit anderen Kulturen nicht verstehen. „Der
Humanismus denkt nicht hoch genug über die ,humanitas’ des Menschen“, so Martin Heidegger. Die Kultur des
Humanismus ist nicht sichtbar. Es geht nicht darum, auf
das Religiöse als eine Lösung zurückzugreifen, sondern
drei punkte zu sehen:
1. Der andere trägt dazu bei, zu verstehen, was „Menschsein“ bedeutet,
2. sich einem gemeinsamen Horizont zu öffnen hat wenig zu tun mit den Gefahren, denen geschlossene Systeme
Freiheit und Menschenwürde aussetzen und
3. ein Zusammenleben ist möglich.
Wie es Averroès ausdrückt: „Die Wahrheit des Glaubens
kann niemals im Widerspruch sein zur Wahrheit der Vernunft.“
Es dominiert die Täuschung eines Clashs der Kulturen
und sie nährt sich aus der Hegemonie des Nordens und
den subjektiven Reaktionen des Südens. politiker, Intellektuelle und die Medien drängen dem Norden eine negative
Debatte auf über den Islam, den propheten und die muslimischen Bürger in den Städten Europas und dem Süden
drängen sie eine Debatte über den Okzident auf. Doch die
zentrale Stellung des Mittelmeerraumes erfordert, dass
man sich nicht nur auf technische projekte beschränkt.
Ohne die politische und kulturelle Dimension ist die partnerschaft um wesentliche Teile verkürzt.
Europa: hEimgEsucht Vom
gEspEnst DEr rEligion
Der Westen wurde im Grunde seit mehr als zweitausend
Jahren von kulturellen umbrüchen geprägt. Es lohnt, sich
die Säkularisierung, die als prozess von Europa monopolisiert wurde, zu hinterfragen. Religiösen Dogmatismus
durch den Dogmatismus des Laizismus zu ersetzen, ist keine Lösung. Es setzen zwar nicht alle Europäer den Islam
mit Fanatismus gleich, aber in weit verbreitetem unwissen
betrachtet man den „Moslem“ als einen Gläubigen, der
sich dem modernen Wertesystem verschließt. Moslems
Fragen zu stellen, ist legitim. Wir akzeptieren Kritik bezüglich problematischer Verhaltensweisen, aber keine Verallgemeinerungen.
Das Licht der Aufklärung, das instrumentalisiert wurde,
erleuchtete nicht alle Menschen. Wenn Fragen wie „Wie
lernt man zu leben?“, „Was ist der Mensch?“, „Welchen
Sinn dem Leben geben?“ gestellt werden, verweigert man
uns das Recht, Formen der modernen Kultur zu kritisieren.
Die Europäer fragen nach dem Zustand der muslimischen
Welt: Es gibt Debatten über Reformen, pluralismus und
gute politische Führung. Es ist nicht islamfeindlich, diese
Fragen zu stellen. Aber im Gegensatz zu dem, was NichtMoslems denken könnten, existiert eine Islamfeindlichkeit, in der es der Moslem ist, der, wie vormals der Jude,
verurteilt wird. Heimgesucht vom Gespenst der Religion
wird Europa von zwei Bewegungen bestimmt: von dem Bemühen, Integration zu fördern und von einer verkrampften Haltung gegenüber den muslimischen Mitbürgern, die
ihre Religion überwiegend friedlich ausüben.
Das licht DEr aufklärung
ErlEuchtEtE nicht allE mEnschEn
Es stimmt nicht, dass der gesamte Westen „muslimisch“
mit „fanatisch“ gleichsetzt, aber die propagandisten, um
ihre Defizite und ihre Schande zu verbergen, lassen uns
glauben, dass der Islam eine Quelle der Gewalt sei. Diese
propagandisten „machen“ den Terror und die „Terroristen“
und manipulieren sie, um Angst zu erzeugen und um die
Besetzung und Vormachtstellung zu rechtfertigen. Chaos,
ungerechtigkeit und eine politik wie in palästina, die mit
zweierlei Maß misst, widersprechen den prinzipien, die der
Norden selbst predigt. Im Kontext der brutalen präsenz
fremder Soldaten auf islamischem Boden – 20 Mal zahlreicher als während der Kreuzzüge, wobei auf einen getöteten
westlichen Soldaten oder einen getöteten Israeli 100 getötete Moslems kommen, die überwiegend Zivilisten sind –
stellt sich eine Frage: Wie lange noch werden ungerechtigkeit und Aggression andauern, die im Süden Verzweiflung,
Extremismus und eine Kultur der Wut hervorbringen und
Angst im Norden erzeugen? Anstatt von Zusammenprall
und Teilung zu sprechen, wäre es dringend an der Zeit, gemeinsam über die ursachen nachzudenken.
Das unverständnis dominiert und die öffentliche Meinung erschöpft sich darin, nur noch die Gewalt des anderen zu sehen, obwohl sie nichts weiß über ihre Gründe.
Natürlich nimmt die ganze Welt wahr, zu welchem Extremismus die fanatische Ausprägung bestimmter „Anhänger“ einer großen Religion wie des Islam führen kann.
Dabei handelt es sich aber um Archaismen. Der Missbrauch des Namens des Islam ist unentschuldbar und „der
Moslem ist manchmal eine Manifestation gegen seine Religion“, wie es vor einem Jahrhundert Emir Abdelkader El
Djazairi formulierte. Aber dies ist, wie es Hannah Arendt
unterstrich, oft das Ergebnis von provokationen und ungerechtigkeit: „In totalitären Regimen wird die provokati45
MITTELMEERBEWOHNER — MuSTApHA CHERIF
on […] eine Art und Weise, sich gegenüber seinem Nachbarn zu verhalten; eine Methode, der jeder, trotz guten
Willens, folgen muss.“ Auch wenn die Vorurteile fünfzehn
Jahrhunderte zurückreichen, es ist die Islamfeindlichkeit,
die seit Ende des Kalten Krieges die blinden Reaktionen der
muslimischen Welt ausnutzt und verstärkt.
Die Strategie hinter dem Clash der Kulturen betreibt
Desinformation und erzeugt die Vorstellung, dass Widerstand gegen Hegemonie und Besatzung einen Akt unzulässiger Gewalt darstellt. Doch der Einsatz von Gewalt wurzelt vielmehr in den Bedingungen, die seinen Gebrauch
gestatten – oder untersagen. Im Islam kann die Frage des
Widerstands, wie es der Hl. Augustinus für den Begriff des
gerechten Krieges ausdrückt, nicht außerhalb seines Kontextes gedacht werden. So kann der Rückgriff auf „Gewalt“
nur erfolgen, wenn der Frieden, das Überleben oder die
Würde beeinträchtigt werden. Dank des Monotheismus
war die Humanisierung der menschlichen Beziehungen
möglich. Die Freiheit hat der Gläubige im 18. Jahrhundert
nicht gefunden, doch die Werte Abrahams sind eine der
Quellen des Humanismus. Das, was probleme bereitet, sind
die Repräsentation der modernen Welt und die Instrumentalisierung der Religion.
nicht Das EnDE DEr WElt,
abEr Das EnDE EinEr WElt
Trotz der Emanzipation gegenüber religiösen Autoritäten
und der logischen Trennung zwischen kirchlicher und
staatlicher Autorität wie auch der öffentlichen und privaten Sphäre erleben wir einen Rückzug des Rechts, die Verdrängung der prinzipien Abrahams von Gastfreundschaft
und Dialog sowie den Zusammenbruch der Gerechtigkeit.
Das Risiko besteht in der Neutralisierung der beiden Dimensionen des Menschen: das politische (die Demokratie)
und das Religiöse (die Ethik). Nichts ist politisch, nichts ist
religiös, so sagt man, um dem Nihilismus und der parole
„alles ist Ware“ Raum zu lassen. Diese Sichtweise erzwingt
einen Dialog der Tauben mit katastrophalen Folgen.
Die Sinnfrage hat für die meisten keine Verbindung
mehr zur Religion. Das ist nicht das Ende der Welt, aber
das Ende einer Welt. Das müssen wir verstehen, um etwas
anderes zu finden, das sich der Begrenzung entzieht. Im
Bereich des Wissens besteht der besorgniserregende Aspekt darin, dass die Möglichkeit des Denkens und des Andersdenkens in Frage gestellt wird. Das moderne Denken
bevorzugt die Mathematik und ihre Anwendungen auf den
Markt. Zwei paradoxe Sichtweisen der modernen Kultur
besagen, dass die Religion entweder trösten soll, ohne sich
in das Weltgeschehen einzumischen, oder sie ist Entfremdung. Im Bereich der politik wird die Gesellschaft als ein
produktivkörper wahrgenommen, unterworfen den Interessen der Kapitaleigner. Diese Entpolitisierung stellt die
Möglichkeit in Frage, ein Volk zu sein, das im Namen der
Freiheit darüber entscheiden kann, einen Gesellschaftsentwurf nach erfolgter Debatte Realität werden zu lassen.
46
Trotz der Legitimität der Institutionen und des freien
Marktes ist die öffentliche und gemeinsame Suche nach
dem Gerechten, dem Schönen und dem Wahren rund
um das Mittelmeer mit Hypotheken belastet. Diese Sackgassen, die sich globalisieren und von der politik der zwei
Maße gegenüber den eher passiven Moslems noch vergrößert werden, macht die Idee des Clashs der Kulturen hinfällig und die Notwendigkeit einer neuen Kultur, die ein
Zusammenleben ermöglicht, dringend.
notWEnDigkEit EinEr nEuEn kultur
Der Dialog hat drei Ziele: Das erste Ziel ist die wechselseitige Erkenntnis, verbunden mit der Notwendigkeit, den
anderen und sich selbst zu erkennen. Das zweite Ziel ist
die gemeinsame Suche nach dem Schönen, dem Guten
und dem Wahren, um einen gemeinsamen Begriff und
universelle Normen zu finden. Das dritte Ziel des Dialogs
ist die Tat. Das Ziel ist die Vermehrung guter und gerechter
Handlungen. Wechselseitige Erkenntnis, eine gemeinsame
Sprache und Begriffe sowie Gerechtigkeit sind die drei Ziele des Dialogs zwischen Orient und Okzident.
Was die muslimische Welt verstehen muss, ist, dass
die Stärke der europäischen Kultur, trotz ihrer probleme,
in der Entschlossenheit besteht, mit der sich die Vernunft
ihren eigenen Grenzen stellt.
Was der Okzident verstehen muss: der Islamismus ist
ein Anti-Islam. Der Moslem jedoch hat immer schon
teilgenommen und kann immer noch teilnehmen an der
Suche nach einer Kultur, die noch fehlt.
mustapha chErif IST pHILOSOpH, pROFESSOR FÜR INTERNATIONALE BEZIEHuNGEN AN DER uNIVERSITé D’ALGER uND, NEBEN VIELEN ANDEREN
puBLIKATIONEN, AuTOR VON „DER ISLAM uND DER WESTEN – BEGEGNuNG MIT JACQuES DERRIDA“, WILHELM FINK VERLAG MÜNCHEN 2009.
AuS DEM FRANZÖSISCHEN VON EVA NACKE
'SFVEF 'FVFS 'PSUF
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wdr"VT-VTUBN)zSFO
WDR3_AZ_SchausphausBochum_A4.ind1 1
WDR 3 Anzeige Schauspielhaus Bochum, Jahresprogramm · DIN A4, Beschnitt · 4c · 24. März 2010
25.03.2010 15:45:44 Uhr
Foto: Zhang huan
Dries VerhoeVen — nachricht Vom anDeren enDe Der Welt
48
24. märz 2010
LIFE
STREAMING
Is it really possible to connect to people
hallo Bochum,
hier kommt eine nachricht vom anderen ende der Welt:
gerade arbeite ich an der Produktion „life streaming“, die wir im oktober an
ihrem theater zeigen werden. ich habe eben mal im internet nachgesehen und
herausgefunden, dass Bochum 8212 km von dem ort entfernt ist, an dem ich
im augenblick bin.
in den letzten Jahren habe ich Produktionen entwickelt, die die Distanz definiert haben, die wir zueinander haben; also die tatsächliche und die emotionale Distanz, die wir für Menschen empfinden, denen wir zufällig begegnen
– im supermarkt, in der nachbarschaft, in dem haus, in dem wir leben. in „You
are here“ habe ich ein hotel gebaut, das ein model für unsere gesellschaft sein
sollte, in der wir nur 80 cm von unseren nachbarn entfernt schlafen, ohne sie
eigentlich zu kennen. in „life streaming“ werde ich das gegenteil machen. ich
versuche, die Distanz zu den menschen zu bestimmen, die wirklich ganz woanders leben, denen wir aber über das internet oder die medien zu jeder beliebigen
tagesszeit in unseren Wohnzimmern begegnen können. ich arbeite mit einer
gruppe von zwanzig Darstellern. Die eigentliche Vorstellung wird in einem internet-Café stattfinden, das wir auf dem Platz vor dem Schauspielhaus aufbauen
werden. Jeder Zuschauer wird mit einem Darsteller in direkten Kontakt treten,
der hier am strand sein wird.
ich habe mich entschieden, nicht zu sagen, wo ich genau bin. Der ort liegt
von Bochum etwa soweit entfernt wie miami, ist aber auf einem anderen Kontinent. ich arbeite in einem land, in dem es keine schauspielschule gibt. Die
Vorstellungen, die ich hier bisher gesehen habe, würden wir europäer als Folklore beschreiben. es ist ein tourismusland, aber in der hauptstadt sind überall
checkpoints des militärs. Die surfer am strand wurden gestern von einem Boot
der marine bewacht. Vor noch nicht all zu langer Zeit waren Bilder einer Katastrophe aus diesem land auf der ganze Welt zu sehen. es scheint, als würden tourismus und tod manchmal hand in hand gehen: ich wohne gerade in einem
der beliebtesten städtchen am meer und doch geben sich die leute hier keine
mühe, die vielen gräber vor den touristen zu verstecken. aber wenn man es
nicht selber gesehen hat, versteht man wahrscheinlich nicht, wie friedlich und
schön es hier ist.
Wie und ob ich all diese Eindrücke in die Produktion einfließen lasse, weiß
ich noch nicht. Bis jetzt kann ich nur sagen, dass all dies sehr inspirierend und
verwirrend ist. ich frage mich, wie wir europäer mit tod und Verlust umgehen,
bei der Überdosis von Bildern, mit denen wir täglich in den acht-uhr-nachrichten konfrontiert werden. und ich frage mich, ob die menschen hier emotional
anders beschaffen sind und uns das die erbärmlichen Bilder, die wir in europa
empfangen, gar nicht vermitteln. schaffen medien wie das internet wirklich
einfachere Verbindungen zwischen den menschen oder sorgt eine höhere Bandbreite der Datenströme für eine größere Unfähigkeit, wirklich miteinander in
Kontakt zu treten?
Es grüßt herzlich von einem windigen Ort
Dries Verhoeven
aus Dem englischen Von olaF KröcK
49
at the other side of the world?
Eine Weltverbindung von Dries Verhoeven
Premiere am 1. oktober 2010
auf dem Platz vor dem schauspielhaus
Dries Verhoeven zählt zu den interessantesten jungen europäischen Künstlern. seine arbeiten bewegen sich zwischen Dokumentar-theater und bildender Kunst. Der
1973 geborene niederländer entwirft seit 2002 eigene installationen und experimentelle inszenierungen, die auf
diversen Festivals gezeigt wurden. Sie finden oft im öffentlichen raum statt. in seinen aufwendigen Produktionen
bekommt der Zuschauer immer eine aktive rolle und wird
in das geschehen verwickelt. und man lässt es erstaunlicherweise gerne mit sich machen. Verhoeven spielt mit
unserer Wahrnehmung, manipuliert die Besucher seiner
installationen emotional. er kommt uns nahe, balanciert
an der grenze, wo es zu nah werden kann. Dabei ist er aber
nie aggressiv überrumpelnd, immer lässt er raum für den
rückzug. so erlebt man in seinen inszenierungen die Welt
auf eine neue, verwirrende und poetische Weise. 2009
erhielt er für seine hotel-installation „You are here“ den
„Young Directors award“ der salzburger Festspiele. Jetzt
zeigt er seine neue Produktion in Koproduktion mit dem
schauspielhaus Bochum, in der sich die Zuschauer live mit
dem anderen ende der Welt verbinden und mit fremden
menschen in direkten Kontakt treten.
Konzept und Regie: Dries Verhoeven
30. September (Voraufführung); 1. (Premiere) bis 3. Oktober und 7. bis 10. oktober 2010 jeweils um 10.00 uhr,
12.00 uhr und 13.45 uhr für je 20 Personen auf dem Platz
vor dem schauspielhaus.
aufgrund der Zeitverschiebung zum anderen ende der Welt
finden die Vorstellungen am Vormittag statt.
Die Vorstellungen sind in englischer sprache.
Eine Produktion von Dries Verhoeven in Koproduktion mit
dem Schauspielhaus Bochum, dem Festival a/d Werf (Utrecht)
und LIFT (London)
Mit Unterstützung durch den Fonds Podiumkunsten, Prince
Bernhard Cultural Fund, Hivos-NCDO Cultural Fund, BKVB
and SNS Reaal Fund, VSBfonds und dem Theaterinstitut der
Niederlande im Rahmen von NL-RUHR.2010
&
Otto Schily — Schuld & Verantwortung
Schuld
Verantwortung
Ein Gespräch über Politik,
Recht und Entscheidungsstärke mit Otto Schily
51
OttO Schily — Schuld & VerantwOrtung
Er wurdE in bochum GEborEn
und ist sEit übEr viErziG JahrEn politisch aktiv. Er war
anwalt von Gudrun Ensslin
und GründunGsmitGliEd dEr
GrünEn, spätEr sass Er für diE
spd als bundEsinnEnministEr
auf dEr rEGiErunGsbank. wEr,
wEnn nicht otto schily, soll
dEnn bEschEid wissEn übEr diE
vErstrickunGEn von macht
und vErantwortunG, von EntschEidunGsnot und schuld?
interView: thOmaS laue und Sabine reich
FOtOS: harry weber
Herr Schily, woher nehmen Sie Ihre
Überzeugungen? Wie kommen Sie dahin, zu sagen: „Das, was ich tue, ist
richtig.“?
indem ich das Für und wider abwäge. in der Politik gibt es eine einfache
grundregel für entscheidungen:
„was kann ich durch einen bestimmten Schritt gewinnen, und was
kann ich verlieren?“ das ist eine abwägung, die ich immer vornehmen
muss. Sie unterscheidet sich von
der Frage „Kann ich die entscheidung verantworten, oder kann ich
sie nicht verantworten?“ auch diese
Frage muss ich mir stellen. da kommen Sie in der Politik nicht selten in
sehr belastende entscheidungssituationen.
Können Sie eine solche Entscheidung
benennen?
als ich ganz neu im amt als innenminister war, hatten wir es mit einem erpressungsversuch zu lasten
der bahn zu tun ... da wollte jemand
von der bahn viel geld. dann brachte er – oder die, die da am werke
waren – einen güterzug zum entgleisen. Man merkte, das sind Profis,
die verstehen ihr handwerk. und
dann fingen die Erpresser an, sich an
eine ice-Strecke heranzumachen.
die Vorstellung, ein ice-Zug könnte durch das verbrecherische treiben
der erpresser verunglücken, hat mir
seinerzeit schlaflose Nächte bereitet.
es ist ja nicht einfach, hunderte von
Kilometern der eisenbahnstrecke
zu überwachen. um der erpresser
habhaft zu werden, habe ich mich
seinerzeit entschlossen, Kräfte der
bundespolizei von der grenze abzuziehen. das war nicht ungefährlich,
aber in der risikoabwägung war es
sicherlich die richtige entscheidung.
dank der ausgezeichneten arbeit der
bundespolizei und des bundeskriminalamtes konnten wir schließlich
den erpresser – es stellte sich heraus,
dass es ein einzeltäter war – hinter
Schloss und riegel bringen.
eine weitaus schwierigere entscheidung war die beteiligung deutschlands am Kosovokrieg. wir kamen
1998 in die regierung und wurden
bereits in den ersten monaten mit
dieser Frage konfrontiert. die entscheidung über den einsatz im Kosovo ist mir ungeheuer schwer gefallen.
Sie begleitet mich bis heute und wird
mich bis an mein lebensende begleiten. merkwürdigerweise ist mir in
erinnerung geblieben, dass durch einen bombenabwurf auf ein Fernsehgebäude in belgrad eine Friseuse zu
tode kam. Sie hatte mit dem ganzen
nichts zu tun, hatte mit milošević
nichts zu tun, und sie verlor ihr junges leben. es sind viele andere umgekommen. wir bemänteln diese Opfer
als so genannte Kollateralschäden
52
militärischer Operationen. entscheidungen, die wir in der Politik zu treffen haben, die lasten schwer auf uns.
weil wir damit Konsequenzen in unsere Verantwortung aufnehmen, die
mitunter grauenvoll sind.
Stellt sich dann die Frage nach Schuld?
das ist das thema der griechischen
dramen: die unausweichlichkeit
der Schuld. ganz egal, wie Sie handeln, Sie werden stets schuldig.
Ist es ein Kern von Politik, dass man bereit ist Schuld auf sich zu laden?
ich würde es eher Verantwortung
nennen. wie gesagt, ich muss mich
entscheiden: will ich die Konsequenzen verantworten, auch die
negativen Konsequenzen? Vielleicht
kann ich das mit einem medizinischen Vergleich erläutern. auch bei
einer erkrankung müssen wir eine
entscheidung treffen. anhand einer gründlichen anamnese gelangt
der arzt im idealfall zu einer klaren
diagnose der Krankheitsursache.
dann müssen sich arzt und Patient
für eine therapie entscheiden. meist
ist es ratsam, zunächst die mildeste
therapie zu wählen, vielleicht durch
Verabreichung homöopathischer
medikamente. ist der Krankheitsprozess schon weiter fortgeschritten,
helfen möglicherweise nur noch
allopathische Pharmazeutika und
im schlimmsten Fall ist ein chirurgischer eingriff notwendig. in allen
Fällen müssen Sie aufgrund einer lagebeurteilung risiken abwägen und
danach ihre entscheidungen treffen.
So ist es auch in der Politik. leider
lässt sich auch in der Politik manchmal die chirurgie nicht vermeiden.
Das beschreibt eine Position, von der
aus man von außen auf Dinge schaut,
beobachtet, analysiert und dann eingreift und handelt. Aber das Tragische
in der Tragödie wie in der Politik ist ja,
dass die Menschen nicht außen stehen,
sondern dass die Personen, die handeln,
immer Teil einer Geschichte sind und
deshalb niemals einen distanzierten
Blick haben.
Ja, gut beobachtet. da haben Sie
schon recht. Sie befinden sich
manchmal in einem geschehen,
in dem Sie selber nur noch weni-
OttO Schily — Schuld & VerantwOrtung
ge möglichkeiten haben. ich kann
ein ereignis wie den 11. September
nicht mehr rückgängig machen. ich
bin also vor eine Situation gestellt,
aus der heraus ich handeln muss.
natürlich hätte ich lieber den 11.
September vermieden und die Folgerungen, die sich daraus ergaben. das
wird übrigens sehr eindrucksvoll von
leo tolstoi in den historischen Zwischenbetrachtungen seines großen
romans „Krieg und Frieden“ dargestellt. er beschreibt dort, dass nicht
nur das individuum entscheidet,
sondern dass sich aus einer Vielzahl
von wirkungen ein geschehen entwickelt und der einzelne mit seinen
individuellen entscheidungen darin
verwoben ist und seinem Schicksal gewissermaßen nicht entfliehen
kann. Früher hieß es: „männer machen geschichte“. Vielleicht macht
eher die geschichte die Personen.
Sie beziehen sich auf reale Ereignisse,
die nicht planbar sind, die aber plötzlich in das Leben treten, nicht nur eines
Politikers, sondern auch einer Gesellschaft. Hat Realität Sie in Ihren Überzeugungen verändert?
Jede neue erfahrung eröffnet neue
einsichten. unser leben ist deshalb
ein ständiger lernprozess. ich nehme für mich in anspruch, dass ich
selbst im fortgeschrittenen alter
noch die augen und Ohren offen
halte. Vielleicht würde ich in der
rückschau manches anders beurteilen und mich anders verhalten. aber
Sie können ja manche Sachen nicht
vorher wissen. da sind wir genau
bei dem Punkt: Sie werden vor eine
bestimmte Situation gestellt und Sie
müssen rasch entscheiden. wie der
berühmte Pilot, donald Sullivan, der
auf dem hudson notgelandet ist, ein
bewundernswerter mann. er kommt
in eine äußerst bedrohliche lage, es
geht um leben oder tod und er muss
in Sekunden entscheiden. er war gut
trainiert, auch kaltblütig und wusste
mit der maschine umzugehen. und
er war entscheidungsstark. das ist
auch in der Politik wichtig. was übrigens gerhard Schröder auszeichnet.
das ist ein mann mit außergewöhnlicher entschiedenheit und willensstärke.
Heißt das, dass es manchmal wichtiger
ist, eine schnelle Entscheidung zu treffen als gar keine Entscheidung?
gelegentlich ja.
Auch wenn diese Entscheidung möglicherweise falsch ist?
auch wenn sie mit einem risiko behaftet ist, ja.
Dann ist Politik in jedem Fall mit Intuition verbunden, weil man in so einem
kurzen Moment nicht mit der Vernunft
entscheiden kann.
mit intuition, ja. man muss die Situation erkennen. Sie müssen in
der lage sein, mehrere Sachverhalte
gleichzeitig zu erfassen. wenn Sie es
sehr intellektuell angehen, dann wie
ein Schachspieler, der mindestens
drei Züge im Voraus berechnen kann.
Schach ist bekanntlich ein intuitives
Spiel. deshalb verdirbt uns zum bei-
spiel der computer das Schachspiel,
weil Sie da nur ein flächiges Bild haben. immer, wenn ich mit dem computer Schach gespielt habe, habe ich
mein Schachtalent verschlechtert.
Schach ist ein räumliches Spiel und
Sie müssen es räumlich erfassen können. Sie müssen die intuition haben
und fragen: „wie kann sich das entwickeln?“ auf die Politik übertragen
bedeutet das: Sie brauchen einfach
die Fähigkeit, verschiedene Faktoren
und Koordinaten so wahrzunehmen,
dass Sie daraus eine Orientierung gewinnen.
53
Danach scheint Politik etwas Intuitives, Schnelles zu sein, auch etwas Dynamisches, was aus bestimmten Situationen heraus agiert. Wohingegen doch
Recht etwas Statisches sein muss, das
sich von den Dingen abstrahiert.
ich könnte sagen, das recht kommt
immer a posteriori und die Politik
kommt a priori. das heißt, die Politik ist vorausschauend, das recht
beurteilt das geschehen aus der retrospektive. – na ja, eigentlich ist das
nicht ganz korrekt, die rechtsnorm
soll ja gewissermaßen auch eine
handlungsanleitung sein.
Gibt es Zwänge, in denen Sie in Ihrer
Position als Innenminister waren, wo
Sie aus politischen Überlegungen anders handeln mussten, als Sie als Jurist
und Anwalt gehandelt hätten?
cicero hat von sich gesagt, er habe
unterschiedliche aufgaben innerhalb staatlicher institutionen und
früher als anwalt wahrgenommen,
und man dürfe nicht Äpfel mit birnen vergleichen. das gilt auch für
mich. meine tätigkeit als anwalt im
Vergleich zur tätigkeit als innenminister muss man ebenso in einem
anderen Kontext sehen. ich betone
aber, es gibt eine Kontinuität und
das ist die rechtsstaatsorientierung.
die gilt für den innenminister wie
für den anwalt.
Wie machtbewusst muss ein Politiker
sein?
er muss macht anstreben, selbstverständlich. Ohne macht kann er keine
Politik gestalten. im demokratischen
rechtsstaat ist machtausübung aber
an legitimation gebunden. wenn Sie
keine legitimation aufbauen, haben
Sie keine Überzeugungskraft und
dann geht es schief.
Als Innenminister mussten Sie immer
wieder Maßnahmen verantworten, die
oftmals um die Frage kreisten, wie weit
der Staat Persönlichkeitsrechte oder
die Rechte des Einzelnen einschränken
darf, um den Staat zu schützen.
da kommen Sie leider in die verquere Fragestellung, der ich sehr häufig
begegne. dass Sie nämlich einen
gegensatz bilden wollen zwischen
staatlichen Sicherheitsinteressen
und den individualrechten. das,
OttO Schily — Schuld & VerantwOrtung
entschuldigen Sie, wenn ich das jetzt
ein bisschen grob sage, ist ja unsinn. der Staat schützt ja nicht den
Staat um seiner selbst willen. das
tut vielleicht der totalitäre Staat, der
demokratische Staat tut das nicht.
im demokratischen rechtsstaat ist
artikel 1 des grundgesetztes die
höchste norm, mit der der Staat sich
selbst grenzen setzt, sich selbst an
die Verfassung und an die gesetze
bindet und sich verpflichtet, das Individuum in seiner eigenmacht, in
seiner autonomie zu respektieren.
das kommt in dem grandiosen Satz
von artikel 1 des grundgesetzes zum
ausdruck: „die würde des menschen ist unantastbar. Sie zu achten
und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen gewalt.“ So steht das
in artikel 1. aber ein Satzbestandteil
in artikel 1 wird oft übersehen. da
steht nämlich nicht nur, der Staat hat
die würde des menschen zu achten,
sondern er hat auch die Pflicht, sie
zu schützen. und darum geht es. der
Staat hat eine Schutzverpflichtung
gegenüber dem einzelnen. das heißt,
er muss durch seine institutionen
dafür sorgen, dass Sie nicht getötet
werden, nicht verletzt werden, nicht
erpresst werden, ihnen nicht ihr hab
und gut weggenommen wird, Frauen nicht vergewaltigt werden.
nun haben wir eine sehr freie
und sehr offene gesellschaft, mit
einem hohen maß an individuellen
Freiheiten. wir leben heute in einem
europa, das wir einen raum der Freiheit, der Sicherheit und des rechts
nennen. heute reisen wir durch ganz
europa ohne grenzkontrollen. aber
es gibt leider menschen, die die Freizügigkeit missbrauchen. Verbrecher,
Verbrecherbanden, organisierte Kriminalität und terrorismus. und der
Staat darf sich damit nicht abfinden,
etwa mit der behauptung, das sei der
Preis der Freiheit. die Kernaufgabe
des Staates ist daher, für die Sicherheit der bürgerinnen und bürger zu
sorgen. denn ohne Sicherheit gibt es
keine Freiheit.
Hat sich Politik im Laufe der letzten
40 Jahre, die Sie begleitet haben, verändert?
Ja, sie hat sich verändert, meiner
meinung nach durchaus zum guten.
das verdanken wir nicht zuletzt dem
aufkommen der grünen. am anfang
der bundesrepublik sah es so aus, als
ob wir einen geschlossenen Kreis
von politischen Kräften hätten, in
dem sich nie etwas verändern kann.
dann hat sich aber eine entwicklung
vollzogen, in der neue politische
Kräfte allmählich in den demokratischen Prozess hineingekommen sind
und etwas verändert haben, auch die
diskussionsweise. bestimmte Fragen
haben einen anderen charakter gewonnen. Ökologische Fragen zum
beispiel ... insofern bin ich überzeugt, dass die demokratisierung der
gesellschaft in deutschland vorangekommen ist und die demokratie
sich deutlich stabilisiert hat. in diesem Sinne ist auch die neu gewonnene staatliche einheit deutschlands
eine erfolgsgeschichte. eine erfolgsgeschichte ist das vor allem deshalb,
dieser ewigen rückwärtsgewandten,
nostalgischen Sicht. Früher hieß
es, nach herbert wehner, helmut
Schmidt, thomas dehler, Fritz erler,
carlo Schmid und Konrad adenauer gibt es überhaupt keine Politiker
mehr. helmut Schmidt, gewiss ein
großer Staatsmann, lässt uns in seiner erhabenheit manchmal spüren,
dass nach ihm nur noch Zwerge
kommen. Sicher ist es wichtig, dass
menschen, die Politik machen, eine
Biografie haben. Willy Brandt hatte
eine Biografie, er hatte auch Narben.
Gerhard Schröder hat eine Biografie.
Sie auch ...
Ich hab auch eine Biografie, auch
narben. ebenso Joschka Fischer, mit
einer wirklich spannenden lebensgeschichte. demokratie ist sicherlich
immer mit einer gewissen nivellierung verbunden. aber wissen Sie, das
ist ein auf und ab. es werden auch
wieder neue menschen heranreifen,
und die werden ihre ganz eigenen
spannenden Profile haben.
Was vermissen Sie am meisten?
aus der Politik? gar nichts! ich habe
keine entzugserscheinungen. ich bin
froh, dass ich die sieben Jahre als minister heil überstanden habe. im Parlament war ich 26 Jahre, das reicht
völlig aus.
weil es gelungen ist, die staatliche
einheit deutschlands mit der integration in die europäische gemeinschaft zu verbinden. das ist übrigens, bei aller Kritik, die ich sonst
an ihm habe, ein unbestreitbarer
historischer Verdienst von helmut
Kohl. er hat die wiedervereinigung
europäisch gestaltet.
Hat sich in diesem Prozess der Politikertypus verändert? Gibt es die großen charismatischen Typen noch, oder
brauchen demokratische Gesellschaften
gar keine Helden mehr?
ich scheue mich ein bisschen vor
54
Was ist Ihnen am wichtigsten, wenn
Sie auf Ihre Laufbahn zurückschauen?
die modernisierung der deutschen
und europäischen innenpolitik, die
reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts und die gestaltung einer weltoffenen Zuwanderungs- und
integrationspolitik, aber auch die
Stärkung der Kompetenz der Sozialdemokratie, für recht und Ordnung
zu sorgen und Sicherheit als Fundament der Freiheit zu festigen.
Würden Sie sagen, Sie haben Deutschland verändert?
das glaub ich schon, ja.
Und hat Deutschland Sie verändert?
Ja, natürlich.
Stream of consciousness
der regisseur roger vontobel über
noch ungeordnete Gedanken vor
dem ersten probentag.
die labdakiden. lange vor dem ersten Probentag. ein berg von einem
Stück. wie beginnen? Zwei textstellen während der Vorbereitung:
„lass nicht ab, mein Zorn, lass
nicht ab, und ihn, der großes sinnt,
schlage nieder, miss dich mit ihm,
zerfleische ihn selbst mit deinen
händen. du suchst dem alkiden
einen ebenbürtigen?! Keiner ist es,
außer ihm selbst: so führe er fortan
Kriege mit sich selbst! ... nun soll
der Krieg beginnen: hell wird der tag,
und in safranfarbigem aufgang tritt
titan leuchtend hervor.“
das unauswegliche, geradzu unmögliche in den worten Senecas, die
er als Juno im Prolog seinem Stück
„hercules“ voranstellt, in Kombination mit folgendem Zitat aus Kleists
Penthesilea:
der älteren generation von griechen
zumindest.
ach ja, und eigentlich meine lieblingsstelle aus dem „Philotas“ von
lessing, die muss auch immer irgendwie noch am anfang mal im
Kopf rumgeistern:
„was wollte ich also sagen? So
einen guten einfall nun, wollte ich
sagen, als das glück oft in das albernste gehirn wirft, so einen habe
ich jetzo ertappt. bloß ertappt; von
dem meinigen ist nicht das geringste
dazu gekommen. denn hätte mein
Verstand, meine Erfindungskraft einigen anteil daran, würde ich ihn
nicht gern mit dir überlegen wollen?
aber so kann ich ihn nicht mit dir
überlegen; er verschwindet, wenn ich
ihn mitteile, so zärtlich, so fein ist er,
ich getraue mir ihn nicht in worte zu
kleiden; ich denke ihn nur, wie mich
der Philosoph gott zu denken gelehrt
hat, und aufs höchste könnte ich dir
nur sagen, was er nicht ist.“
„wenn du dem wind, der von den
bergen weht, willst horchen, Kannst
du den donnerruf der Königin, gezückter waffen Klirren, rosse wiehern, drommeten, tuben, Zimbeln
und Posaunen, des Krieges ganze
eh’rne Stimme hören.“
roGEr vontobEl
Zusammen ergeben sie für mich den
drang und die notwendigkeit Fragen
zu stellen – theatral Fragen zu stellen
– an menschen, über menschen,
durch menschen. und vor allem wegen menschen. denn um menschen
geht es immer in erster linie. um
menschen und ihre geschichte, ihre
Biografie – oder wie es die Griechen
und nach ihnen viele mehr nannten:
Schicksal.
„tun. leiden. lernen“, heißt es in
der „Orestie“, die ich 2008 in essen
inszeniert habe. auch damals antike.
und passend. denn tun tun wir alle,
leiden auch manchmal wegen unseres tuns, und lernen können wir
daraus, indem wir die Fragen an die
beiden vorherigen tätigkeiten stellen
und sie verknüpfen – und schon sind
wir wieder beim motto der griechen,
geboren 1977, aufgewachsen in Zürich
und Johannesburg, gehört derzeit zu
den wichtigen Regisseuren seiner Generation. In seinen Inszenierungen sucht
er immer wieder sehr genau nach einem
eigenen ästhetischen Zugriff für den
vorliegenden, meist literarischen Stoff.
2006 war er zum „Young Directors
Project“ der Salzburger Festspiele eingeladen und wurde von den Kritikern der
Zeitschrift „Theater heute“ zum Nachwuchsregisseur des Jahres gewählt. Seit
der Spielzeit 2005/06 arbeitet er regelmäßig am Schauspielhaus Hamburg,
an den Münchner Kammerspielen
und am Schauspiel Essen, wo er „Das
Goldene Vlies“ von Franz Grillparzer,
„Die Orestie“ des Aischylos und zuletzt
Ibsens „Peer Gynt“ inszeniert hat. Ab
der Spielzeit 2010/2011 wird er Hausregisseur am Schauspielhaus Bochum.
So, und dann fangen wir mal an, das
bevorstehende neue Stück zu lesen –
erster Schritt: buchdeckel umklappen
...
55
Die
LabDakiDen
Eine Politsaga – Ödipus,
Sieben gegen Theben und Antigone
von Sophokles und Aischylos
Premiere am 9. Oktober 2010 im Schauspielhaus
Sie sind die herrscherfamilie thebens, benannt nach ihrem Stammvater, labdakos. Von generation zu generation geben sie die macht in der Stadt weiter, aber auch den
blutigen Fluch, der ihre herrschaft keine glückliche sein
lässt: laios, der Sohn des labdakos, wird von seinem Sohn
Ödipus getötet, der dann, die eigene Schuld nicht kennend,
mit seiner mutter iokaste vier Kinder zeugt: antigone und
Ismene, Eteokles und Polyneikes. Kaum ist der Frevel entdeckt, bringt sich iokaste um und Ödipus geht ins exil. die
nächste generation ist am Zug, doch sie ist nicht erfolgreicher: Polyneikes und Eteokles verwickeln die Stadt in einen blutigen bürgerkrieg, an dessen ende beide tot vor den
Stadtmauern liegen. antigone, die Schwester, will einen
von ihnen begraben, was gegen die gesetze ihres Onkels
Kreon verstößt. der ist nun verzweifelt darum bemüht,
recht und Ordnung wiederherzustellen und wenigstens
etwas vom ruf der Familie zu retten. eine wuchtige Sage
über die Kraft und Zerstörung von Politik und die beispielhaften Verwicklungen einer beispiellosen Familie – erzählt
in drei großen antiken Stücken, inszeniert in einer Fassung
für einen abend.
Regie: Roger Vontobel
Bühne: Claudia Rohner
Kostüme: Nadine Grellinger
Dramaturgie: Anna Haas, Thomas Laue
mit: manuela alphons, matthias eberle, Jonas gruber,
Paul herwig, barbara hirt, dieter hufschmidt, Katharina
linder, dimitrij Schaad, michael Schütz, lena Schwarz,
Philipp weigand
Die Jungfrau von
orLeans
von Friedrich Schiller
Premiere im Juni 2011 in den Kammerspielen
Sie fragt sich nicht, woran sie glauben soll. Sie glaubt. eine
göttliche Stimme hat ihr befohlen, Frankreich von den englischen invasoren zu befreien. dabei ist Johanna ein mädchen vom land. unbeirrt folgt sie ihrem göttlichen auftrag
und führt das französische heer, dessen verzagender Führer, der französische König Karl, kurz vor der Kapitulation
stand, von Sieg zu Sieg. Souverän bewegt sie sich auf dem
männlichen Schlachtfeld von Krieg, macht und Politik.
ihr glaube ist unerschütterlich, doch plötzlich gerät sie
ins Straucheln: im Zweikampf mit dem engländer lionel
verliebt sie sich – in den Feind. Völlig überrascht sieht sich
die scheinbar unbesiegbare Jungfrau mit einer macht konfrontiert, vor der sie ihre waffen strecken muss. woran soll
sie noch glauben? an ihren „Schlachten gott“, an die
macht der liebe, an sich selbst?
Regie: Roger Vontobel
Bühne: Claudia Rohner
next generation — Die neuerfinDung Des ruhrgebiets
ESSEn – UnESco-SchUlE:
WEltWEItEIGEnhEIm
schülerinnen unD schüler Der
unesco-schule in essen, Die jugenDliche aus über 40 nationen Zum abitur führt, bauen auf ihrem schulhof
ein haus Der Zukunft: mit allem, was
sie sich für ein Zusammenleben Der
kulturen wünschen – hausorDnung
inklusiVe. ein weltweiteigenheim. im
sommer wirD es mit einem grossen
fest eingeweiht unD mit leben gefüllt.
ESSEn – mäDchEnBAnD DES noRDEnS
Die popmusikerin, autorin unD performerin bernaDette la hengst hat im
essener norDen eine mäDchenbanD
gegrünDet. eigene texte werDen geschrieben, songs komponiert unD
einstuDiert, ein konZertprogramm
entwickelt. auf Der bühne Zeigen sie,
Dass man Die Zukunft Der staDt auch
singen kann. anschliessenD gehen
sie auf tour Durchs ruhrgebiet.
BochUm – EIn JAhR opEl
Die VerhanDlungen über Die Zukunft
Des opel-werks in bochum sinD Zu
einem internationalen wirtschaftskrimi geworDen. aber auch bei opel
haben jugenDliche Vor kurZem erst
ihre ausbilDung begonnen, sich Ziele
gesetZt. nun ist ihre berufliche Zukunft schon am anfang ungewiss.
Die Dokumentarfilmer unD grimmepreisträger ulrike franke unD michael
loeken Drehen mit ihnen einen film
über ein jahr opel.
hERnE
BochUm
ESSEn
DUISBURG
DUISBURG – mEDIEn-BUnkER mARxloh
Die film- unD fotoexperten aus Dem
meDien-bunker marxloh graben in
Der Vergangenheit Des staDtteils,
reflektieren ihre gegenwart, besuchen Die anDeren Zukunftshäuser
unD entwickeln Daraus Visionen für
Die staDt Von morgen. immer mit Der
kamera im anschlag. am enDe stehen
ein film unD ein bilDbanD über marxloh, Das ruhrgebiet unD Die welt Der
nächsten generation.
ESSEn – AltEnDoRf Am BUnkER REchtS
krupp kehrt Zurück unD baut sein
neues hauptquartier am ranDe Von
altenDorf. auch anDere akteure betreiben hier staDtumbau. Die regisseurin ines habich hat Zwischen
ent weihter kirche, autofrieDhof
unD geisterstrasse Das Zukunftshaus
„am bunker rechts“ gegrünDet. mit
jugenDlichen erkunDet sie Den staDtteil unD entwickelt ein Dokufiktionales theaterstück über, in unD für
Die Zukunft Von altenDorf.
56
GEDächtnIS DES RUhRGEBIEtS
Zukunft braucht Vergangenheit, auf
Der sie aufbauen kann. auf Der suche
nach Dem geDächtnis Des ruhrgebiets
wanDert mirjam strunk mit ihrem
erinnerungsmobil Durchs ruhrgebiet.
jung unD alt können ihre geschichten einspeisen: auf erinnerungskarten, auf ViDeo, per erinnerungshotline oDer im internet. beim tag Der
generationen am 19. noVember 2010
entfaltet sich Dann Das geDächtnis
Des ruhrgebiets in einer sZenischen
installation im schauspielhaus.
next generation — Die neuerfinDung Des ruhrgebiets
nExt GEnERAtIon:
DIE nEUERfInDUnG
DES RUhRGEBIEtS
NEXT GENERATION ist ein Projekt von Schauspielhaus
Bochum, Schauspiel Essen, der Bundeszentrale für politische
Bildung und der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010. Gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen. Partner: Deutschlandradio Kultur.
hERnE – REnEGADE:
tAnz von DER StRASSE
renegaDe ist tanZ, Der Von Der
strasse kommt. für next generation
entwickeln sie mit Der new Yorker
choreografin patricia noworol ein
stück tanZtheater mit jugenDlichen
aus herne unD Dem ganZen ruhrgebiet. eine bewegte sprache Zwischen
streetDance unD Zeitgenössischem
tanZ, Die mehr über Zukunft sagt als
tausenD worte.
BochUm – x-vISIon:
hIphop In WAttEnSchEID
x-Vision ist gelebte integration unD
gelebter hiphop in wattenscheiD. hier
schreiben, singen, rappen unD tanZen
Die jugenDlichen nicht nur, sonDern
proDuZieren ihre musik selbst. es geht
um ihr leben, Die Zukunft Von wattenscheiD, ihre eigene unD Die ihrer
musik. am enDe steht ein neues album
unD DaZu – wie es sich gehört – ein
lautes recorD-release-eVent.
DoRtmUnD
Der jugend gehört die Zukunft. familie, beruf, glück und
erfolg – alles liegt vor ihnen, so denkt man. Doch das meiste liegt auch schwer auf ihren schultern. arbeit und familie, bildung und herkunft, das sind die säulen, auf denen
ein gelungenes leben aufbaut. Doch selten zuvor waren
diese zentralen bereiche so belastet und infrage gestellt wie
heute. höchste Zeit also, die nächste generation selbst zu
wort kommen zu lassen: wovon träumt sie? was will sie?
welche bedeutung hat unsere herkunft in Zukunft?
Die Zukunft der stadt und die Visionen ihrer jungen
einwohner stehen im mittelpunkt dieses projekts. in zehn
Zukunftshäusern in bochum, essen, Duisburg und herne
erfinden Jugendliche aus sehr unterschiedlichen Stadtteilen gemeinsam mit filmemachern, musikern, theatermachern und wissenschaftlern ihre stadt neu. ein jahr
lang erzählen sie sich gegenseitig und uns, was sie bewegt
und wie sie in Zukunft leben möchten. sie erzählen von
sich und ihrem stadtteil, drehen filme, spielen theater,
gründen eine band oder bauen einfach den platz vor ihrer haustür um. sie diskutieren miteinander über das,
was sie verbindet, und das, was sie trennt. und im herbst
2010 bringen sie dann ihre ideen mit dem regisseur nuran
David calis auf die bühne der kammerspiele. Zum ersten
mal gemeinsam, über alle grenzen der städte, kulturen
und sprachen hinweg. Denn ob sich aus dem Dickicht der
städte in Zukunft tatsächlich eine lebenswerte metropole
bilden wird, liegt nicht zuletzt in ihren händen. es ist ihre
geschichte: next generation.
Aufführungen und Veranstaltungen in den Zukunftshäusern, im
Schauspielhaus Bochum sowie in der gesamten Metropole Ruhr.
Alle Infos unter: www.next-generation-2010.de
BochUm – RUhR-UnIvERSItät
schon lange beschäftigt sich Das
institut für theaterwissenschaft Der
ruhr-uniVersität mit chorischem theater. nachDem Die stuDierenDen theorie-texte über generationenkonflikte
gewälZt haben, Verknüpfen sie Diese
erkenntnisse unter Der leitung Von
„kainkollektiV“ mit ihren eigenen erfahrungen unD stehen im herbst 2010
mit einer eigenen insZenierung auf
Der bühne. natürlich mit chor.
nExt GEnERAtIon – DAS Stück
eine gemeinsame theaterproDuktion
VerbinDet Die Zukunftshäuser miteinanDer: autor unD regisseur nuran DaViD calis ist Das jahr über unterwegs,
um Die geschichten Der jugenDlichen
Zu sammeln. er wirD ihre Vorstellungen Von Zukunft bünDeln unD
mit beteiligten aus allen häusern im
schauspielhaus bochum auf Die bühne bringen – als starkes stück theater
Der nächsten generation.
57
Text: Nuran David Calis
Hassan will es wissen. Folgende Frage
lässt ihn nicht mehr in Ruhe schlafen: Warum werden 80 Prozent der in
Berlin produzierten HipHop-Tracks
im Ruhrgebiet verkauft und nur 20
Prozent in Berlin selbst oder im Rest
der Republik? Hassan ist 16, er besucht das Gymnasium in Bochum
und Zahlen sind sein Ding. Hassan
ist X-VISION beigetreten, einem
von zehn NEXT-GENERATION-Zukunftshäusern im Ruhrgebiet. Seins
steht in Bochum-Wattenscheid. XVISION ist eine Musikproduktionsfirma. Und kein Jugendclub, betont
er. Hier wird nicht rumgehangen.
Das gesamte Haus ist
auf der Suche nach der
Wahrheit. Und die muss
auch wehtun dürfen.
Die Zukunftshäuser von NEXT GENERATION sind kreative ThinkTanks
mit unterschiedlichen Schwerpunkten. X-VISION ist dabei so etwas
wie die DEATHROW RECORDS des
Ruhrgebiets. Ja, sie wollen die Antwort sein auf die EASTCOASTRapper aus Berlin. Wie damals, als
N.W.A. in L.A. die Antwort auf Erik
B. Rakim und Grand Master Flash
in New York war. Und ja, Hassan
will der 2Pac des Ruhrgebiets werden. Worüber die Berliner so rappen,
das kann er auch: Man hat hier denselben Alltag zu bewältigen. Also
warum dann nicht auch gleich selber darüber erzählen? Warum nicht
selber Dinge produzieren? Warum
immer das konsumieren, was andere auf die Beine stellen? Dann zieht
Hassan seinen Pullover hoch und auf
seinem Unterarm sieht man eine Tätowierung: NO PAIN NO GAIN.
Träume verwirklicht man nicht
durch Reden. Es gilt, Dinge anzupacken. Jetzt, meint Hassan. Und wenn
er das nicht schafft, hat er immer
noch sein Abitur. Hassan ist Träu-
mer und Realist zugleich. Ja, sagt er,
das geht hier beides. Das muss. Diese beiden Dinge machen, dass ich
morgens meinen Arsch hoch kriege,
während andere ihr Handy noch auf
Schlummermodus geschaltet lassen.
STOP. Kurzes Innehalten und die
Frage: Wird mit der Aussage, das
Ruhrgebiet sei das New York der Zukunft, eigentlich der Startschuss für
diesen Traum gegeben, oder hat man
mit dieser Aussage diesen Traum
bereits abgeschossen? Fakt ist: Im
Moment gibt es mehr Sehnsüchte,
als von allen Seiten gestillt werden
können.
Das ist Hassan und den Jungs und
Mädels von X-VISION klar. Das ist allen Zukunftshäusern klar. Aber auch:
Jugendzentrum war gestern. Aus den
Räumen der Elendsverwaltung sind
Ideen-Werkstätten geworden. Hier
werden Gleise in die Zukunft gelegt.
Sie arbeiten. Täglich. Morgens Schule. Abends Zukunftshaus. Sie wollen
miteinander gestalten. Sie wollen
Dinge, die nicht vereinbar waren,
miteinander vereinen. Sie versuchen,
im Kleinen ihre Welt zu verändern.
Sie sind Real-Utopisten.
Das Ruhrgebiet als Sanierungsfall. Im Zukunftshaus in DuisburgMarxloh haben sie eine Videowerkstatt gegründet und wollen die Dinge
einfangen, wie sie sind. Keine Imagefilme nach dem Motto: schaut-wietoll-es-hier-ist. Das gesamte Haus
ist auf der Suche nach der Wahrheit.
Und die muss auch wehtun dürfen.
Sie wollen die Chronisten dieser
Region werden und ihren Wandel
dokumentieren: narrativ, subversiv.
Die Kids haben immer eine Einwegkamera bei sich und knipsen alles,
was sie vor die Linse bekommen. Ein
Bild lügt nicht, meint einer. Sie sind
Wahrheitsjäger.
In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurde hier viel dafür ausgegeben, Dinge von außen nach innen
zu holen. Dinge, die man brauchte,
oder Dinge, mit denen man versuchte, das fragile Selbstbewusstsein
dieser Region zu stärken. Aber überall hier gibt es kreatives Potenzial,
das ungenutzt bleibt. Das muss sich
ändern, darin sind sich alle einig.
Wenn man mit den Leuten in den
Zukunftshäusern redet, merkt man,
58
No Pain
next generation — Die neuerfindung des ruhrgebiets
NoGain
next generation — Die neuerfindung des ruhrgebiets
wie sehr sie an dieser Region hängen
und die Fehler der Vergangenheit
nicht wiederholen möchten. Es geht
nicht um die Frage, wie weit das, was
ein anderer hier aufstellt, in die Ferne leuchtet, sondern wie hell das,
was sie tun, in die verwinkeltsten
Gesellschaftsschichten ihrer Region
strahlt. Wie tief haben sich die Identitäts-Wurzeln in diesen Boden, auf
dem sie stehen, geschlagen? NEXT
GENERATION ist keine Party, sondern eine Bestandsaufnahme.
Mit diesen Gedanken im Kopf
streife ich durch das Ruhrgebiet und
sehe, wie vieles, was herangeschafft
wurde, diese Region im wahrsten Sinne des Wortes ausgehöhlt hat. Das
ganze Ruhrgebiet ist ein Schweizer
Käse, das wissen die hier oben sehr
gut. Aber nicht nur der Boden unter ihren Füßen ist löchrig, sondern
auch vieles über der Erde. Die Gesellschaft ist löchrig. Das Miteinander
ist löchrig. Das zwischenmenschliche Leben ist ausgehöhlt. Der Gesellschaftspakt in den Kommunen
steht kurz vor seiner Kündigung. Das
spüren sie täglich, wenn sie merken,
dass sie nicht wirklich miteinander
reden, sich nicht zusammentun.
Das Ruhrgebiet ist ein
Schweizer Käse. nicht
nur der Boden unter
den FüSSen ist Löchrig,
sondern auch vieles
Über der Erde
Der Verteilungskampf werde härter, sagen sie bei POTTPORUS, dem
Zukunftshaus in Herne. Man sei
sich all die Jahre eher aus dem Weg
gegangen als aufeinander zu. Damit
muss Schluss sein. Die Zukunftshäuser wollen das ändern. Man will
nicht nur für sich arbeiten, sondern
miteinander und vor allem: füreinander. Schluss mit dem Klein-Klein
der eigenen Ideen. Dieser Ideenwahn
ist der goldene Käfig, aus dem man
nicht mehr rauskommt. Stattdessen:
Die Kräfte und die Ideen bündeln.
Ab jetzt. Global denken? Oder: doch
regional? Vielleicht: regional-global?
Wer wagt es, die Bewegung von in59
nen nach außen zu tragen? Wie auch
immer. Mit larmoyanten Frequenzen, kitschigen Selbstbeweihräucherungen, heimatlicher Folklore und
Kochkursen ist Schluss. Dieser Wind
geht durch alle Zukunftshäuser. Diese Region hat sich niemals vor Arbeit
gedrückt. Sie sind in 1.000 Meter
Tiefe gestiegen, um den Rest der Republik mit Wärme zu versorgen und
die Zeche zu zahlen für einen sinnlosen 2. Weltkrieg. Und jetzt?
NEXT GENERATION ist keine Party, sondern eine
Bestandsaufnahme.
Hier gibt es mit Abstand die jüngsten und zupackendsten Menschen
unserer Republik. Nirgendwo sonst
sieht man Migranten und Deutsche
so eng und friedlich nebeneinander
leben. Hier brennen keine Mülltonnen. Keine Polizeiautos. Keine
Schulen. Keine Kirchen. Keine Synagogen. Keine Moscheen. Während
die Schweiz über Minarette streitet,
zieht hier ein deutscher Maurer die
Innenwände einer Moschee hoch.
Das sind die Leuchttürme, die
in die Tiefe leuchten und die dunklen Löcher unserer Gesellschaft mit
Licht füllen. Das sind Geschichten,
die erzählt werden müssen. Mit den
Mitteln, die zur Verfügung stehen.
Das sind die Antworten, die gefunden
werden müssen und die aufhorchen
lassen, wenn man durch die Gassen
von Marxloh geht, durch Herne,
durch Wattenscheid. Raus aus dem
Zukunftshaus. Rein ins Leben.
Seit Jahren sei hier nicht so
was Großartiges gebaut worden,
schwärmt der deutsche Maurer,
Matthias, aus Marxloh. Und ja: er
ist stolz auf diese Moschee, in der
sein Kumpel, Massoud, der Araber,
betet. Die Wand der Moschee hat er
verputzt. Ärger hat er zunächst schon
bekommen, einige haben ihre Aufträge zurückgezogen. Ein paar Leute
seien richtig angepisst gewesen. Aber
da habe er gemerkt, dass die gar kein
Problem mit Massouds Glauben haben, sondern mit diesem Riesending.
So als würde plötzlich einer, der die
WAS WIRD
AUS MIR?
8. FESTIVAL
POLITIK IM FREIEN THEATER
HERBST 2011
www.bpb.de/politikimfreientheater
ganze Zeit einen klapprigen golf gefahren hat, jetzt einen porsche fahren. wie kommt das denn? neid sei
das. nicht mehr, nicht weniger. Die
wissen nicht, was gut und richtig
ist, bis einer ihnen sagt, was gut und
was richtig ist. und diese moschee
ist richtig hier. und sonst nirgendwo. matthias und massoud sind zusammen aufgewachsen. warum soll
massoud diesen ort hassen, wenn
er hier ein stück seines glaubens
errichtet? er kenne massoud und
massoud scheißt nicht da, wo er isst.
man ist hier zusammen durch dick
und dünn gegangen. jetzt hat matthias kinder und massoud auch.
WEnn mAn mEnSchEn
WIE pRImAtEn BEhAnDElt,
BEnEhmEn SIE SIch IRGEnDWAnn AUch So.
anstatt den krieg zu beschwören,
sollen die kriegsberichterstatter
konkret sagen, wie das miteinander
gehen könnte. sie sollen ihren platz
verlassen und ihr ohr an den beton
legen, den matthias für massoud
hochzogen hat, damit massoud von
außen gut sichtbar seinen glauben
ausleben kann und nicht in einer
garage, in einem heruntergekommenen hinterhof. wenn man einen menschen wie einen primaten
behandelt, dann benimmt er sich
irgendwann auch so. was bedeutet
menschsein? Darüber will hassan
rappen in wattenscheid. Darüber, dass man grenzen überwinden
muss, um zu wachsen. Darüber wollen jens und asye aus marxloh einen
film machen, in der Videowerkstatt.
so werden träume verwirklicht. so
was schafft eine gemeinsame identität. indem alle über ihren horizont
springen und Dinge zulassen, an die
man bis jetzt nicht gedacht hat. no
pain no gain.
Die welt da draußen soll sich
nach uns umschauen, meinen sie,
und sehen, wie es gelingt, nicht nur
den traum von der koexistenz der
verschiedenen ethnischen und kulturellen gruppierungen zu träumen.
sondern wie sie diesen traum mit
herz, hirn und seele täglich anpacken und gestalten. Das sei die kohle, die sie jetzt hier rausholen müssen. Damit werde man die herzen
der welt wärmen.
und für einen moment bekommt
der vage traum kontur: Diese kleinen Dinge werden die region zu einer metropole machen. schritt für
schritt. Vielleicht nicht sofort, aber
bald, sehr bald. und die menschen
in dieser region mit ihren Zukunftshäusern müssen pioniere dieses
traumes werden. es ist schmerzhaft,
Dinge aufzugeben und neue Dinge
anzunehmen. sich verwandeln tut
weh. Das wird alles andere als eine
party. Das wissen sie. aber sie stellen
sich dem schmerz. irgendwann wird
auch Zeit für party sein, aber sie ist
nicht jetzt. auch das wissen sie.
nURAn DAvID cAlIS ist autor, filmemacher
unD regisseur. Das ganZe jahr 2010 ist er in
Der ruhrregion unterwegs unD sammelt
im rahmen Von next generation Die geschichten unD Die ZukunftsVorstellungen ihrer jugenD, Die ab oktober auf Der
bühne Der kammerspiele Zu sehen sinD.
NEXT GENERATION hat eine Stimme,
mit der sich die Jugend des Ruhrgebiets
im Jahr 2010 weit über die Grenzen
der Region hinaus Gehör verschafft:
DEUTSCHLANDRADIO KULTUR begleitet das Projekt als Kooperationspartner. Regelmäßige Reportagen berichten
von der Entwicklung in den Zukunftshäusern, gemeinsame Diskussionsveranstaltungen bündeln die Ergebnisse
und mit der „Deutschlandrundfahrt“
macht der Sender mehrmals im Jahr
mit einem Übertragungswagen in Essen, Bochum und Duisburg Station.
Deutschlandradio Kultur ist in der
Ruhrregion auf folgenden Frequenzen
zu empfangen:
Mülheim auf 93,7 MHz
Bochum auf 89,3 MHz
Essen auf 88,3 MHz
61
Next GeNeratioN
das
stuck
von Nuran David Calis
und Jugendlichen aus dem ganzen Ruhrgebiet
premiere am 28. oktober 2010 in den kammerspielen
Voraufführung am 27. oktober 2010 im rahmen des
bundesfachkongress interkultur
ein jahr lang haben sie gearbeitet. sie haben ihr leben
transparent gemacht, die lage ihrer stadt analysiert und
große und kleine pläne entworfen. sie haben gelernt zu
tanzen, zu singen, zu spielen und filme zu drehen – und
vor allem haben sie gelernt ihre meinung zu sagen. sie
kommen aus bochum, essen, Duisburg, herne und dem
gesamten ruhrgebiet. aus stadtteilen, die so unterschiedlich sind wie sie selbst. Vor einem jahr haben sie einander
noch nicht gekannt und nur wenig voneinander gewusst.
Zusammen stehen sie im herbst 2010 auf der bühne der
kammerspiele im bochumer schauspielhaus. es wird ihr
stück sein, das sie hier spielen, und ihre geschichte, die sie
erzählen. alle gemeinsam und über die grenzen der städte
hinweg. Der autor und regisseur nuran David calis wird
die Zukunftshäuser das ganze jahr lang begleiten. unter
seiner leitung gehen sie auf die bühne in bochum. egal
wo sie herkommen, welche sprache sie sprechen und egal,
wo sie in Zukunft leben werden: es wird ihr stück und ihre
Zukunft. ein stück über das panorama einer besonderen
stadtjugend und eine neue geschichte über die Zukunft an
der ruhr.
Regie: Nuran David Calis
Bühne: Irina Schicketanz
Kostüme: Silke Rekort
Musik: Vivan Bhatti
Video: Karnik Gregorian
Alle Infos aus den Zukunftshäusern und
der Blog von Nuran David Calis unter:
www.next-generation-2010.de
NEXT GENERATION ist ein Projekt von Schauspielhaus
Bochum, der Bundeszentrale für politische Bildung und der
Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010. Gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen. Partner:
Deutschlandradio Kultur.
DIETmar bär*
Friederike Becht
Anne-Marie Bubke*
Manuela Alphons
Manfred Böll
Maja Beckmann
Ensemble
matthias eberle
jonas gruber*
Jürgen Hartmann
Barbara Hirt
Martin Horn*
bettina engelhardt
Therese Dörr
Andreas GRothgar
Paul Herwig*
Florian Lange
Katharina Linder
Marco Massafra
Nicola Mastroberardino
Veronika Nickl
Kristina-Maria Peters
Raiko Küster
Thomas Loibl*
Ronny Miersch
Roland Riebeling
Nadja Robiné
Armin RoHde*
Heiko Ruprecht*
Dimitrij Schaad
HEnrik Schubert
Matthias Redlhammer
Felix Rech*
Bernd Rademacher
Xenia Snagowski
Daniel Stock
Werner Strenger
Stephan Ullrich*
Joep van der Geest*
Jutta Wachowiak*
Krunoslav Šebrek
Lena Schwarz*
Michael Schütz
Klaus Weiss
Franck Edmond Yao*
Anke Zillich
*gäste
Thomas Anzenhofer
Roland Bayer
Simon Breuer
Reinout Bussemaker
Dunja Dogmani
Roeland Fernhout
Christoph Finger
Daniel Flieger
Hauke Heumann
Karolina Horster
Dieter Hufschmidt
Holger Kunkel
WERNER LUSTIG
Andreas Maier
Mandana Mansouri
Hadewych Minis
Oliver Möller
Karin Moog
Frieda Pittoors
Alwin Pulinckx
Sierk Radzei
Alexander Ritter
THOMAS SCHWEIBERER
Yonina Spijker
Henriette Thimig
Leon Voorberg
Philipp Weigand
Judith van der Werff
Aljoscha Zinflou
sowie Studierende der Folkwang Universität, Tänzer
und Streetart-Künstler von Pottporus/Renegade
und Teilnehmer der Next-Generation-Zukunftshäuser
Wie kommt die welt ins theater? — DIE AUTOREN
Das Schauspielhaus Bochum war schon
immer auch ein Ort für Uraufführungen und neue Autoren. Fünf von ihnen
werden in der kommenden Spielzeit
ihre Stücke in Bochum zeigen. Sie gehören alle zur gleichen Generation, was
nicht heißt, dass sie immer das Gleiche
denken. Nicht einmal, dass sie alle immer das Gleiche tun. Wie unterschiedlich sie sind, wird Bochum bald nicht
nur durch ihre Stücke erfahren, sondern auch durch viele Veranstaltungen,
in denen sie von sich und ihrer Welt
erzählen werden. Ein erstes Treffen mit
Nuran David Calis, Reto Finger, Dirk
Laucke, Jan Neumann und Christoph
Nußbaumeder.
Interview: Anna Haas und Thomas Laue
Fotos: Diana Küster
68
Aus welchen Gründen entscheidet man
sich heute dafür, ausgerechnet Theaterautor zu werden?
Jan Neumann: Arbeitest du immer
noch als Jurist?
Reto Finger: Ja, hin und wieder.
Reto Finger: Ich wollte ursprünglich
gar nichts mit theater zu tun haben,
obwohl es in meiner Familie einige
musiker und theaterleute gibt. Ich
habe Jura studiert. mit 25 habe ich
gemerkt, dass mir das nicht reicht.
Ich wollte mich nicht ausschließlich
Nuran David Calis: Immer, wenn ich
ihn anrufe, höre ich: „Ich verfasse
gerade einen Bericht für einen richter.“ Als ich ihn in Zürich besucht
habe, sind wir durch das Büro irgendeines staatsanwaltes und haben
Akten gesucht. manchmal findet
man ihn nur noch im Gericht.
Christoph Nußbaumeder: Ich wollte
auch nie zum theater. Aber ich habe
früh geschrieben. verschiedenes:
Kurzprosa, Lyrik, alles mögliche und
plötzlich entstand auch ein theaterstück. das wurde relativ rasch uraufgeführt und danach kamen die ersten
stückaufträge. Ich hätte nie gedacht,
dass es eine spezielle szene für dramatik gibt und dass man davon leben
kann. Ich hatte mir Autoren immer
eher wie Goethe vorgestellt (lacht):
man macht irgendwie alles.
Christoph Nußbaumeder
geboren 1978 in Eggenfelden/Niederbayern, lebt seit 11 Jahren in Berlin.
2004 gewann er den Preis des Stückewettbewerbs der Berliner Schaubühne
für sein Stück „Mit dem Gurkenflieger
in die Südsee“.
Nußbaumeder schreibt in der Tradition des kritischen Volksstücks, erzählt von den Verlierern, aber auch von
den Gewinnern unserer Gesellschaft.
Mit wenigen Worten gelingt es ihm,
seine Figuren messerscharf zu charakterisieren. Nußbaumeders Stücke wurden an der Schaubühne am Lehniner
Platz Berlin, bei den Ruhrfestspielen
Recklinghausen, am Nationaltheater
Mannheim, am Schauspiel Köln und
am Schauspiel Essen uraufgeführt.
als Jurist mit dem Leben auseinandersetzen. nun wechsele ich hin und
her: es gibt Phasen, in denen man
das Leben beschreiben kann, und es
gibt Phasen, in denen man es leben
muss. Ich kann deshalb auch nicht
durchgehend intensiv schreiben. Ich
muss immer wieder außerhalb des
theaters arbeiten, um auf neue dinge zu stoßen, die mich inspirieren.
Dirk Laucke: Ich habe szenisches
schreiben studiert, an der udK in
Berlin. mir war es auch nicht so klar,
dass ich theaterautor werden möchte. Ich habe halt t
texte geschrieben,
auch mal ein theaterstück. Ich habe
mich dann mit einem Fragment
beworben und studiert, weil es besser war als Psychologie, was ich ursprünglich machen wollte. nach den
ersten erfolgen bin ich dann auch in
diese sogenannte spirale gekommen.
Ich habe aber auch keinen Bock, einen anderen Beruf zu machen, also
schreibe ich.
Nuran, du bist Regisseur, Autor und
Filmemacher. Was hast du studiert?
Nuran David Calis: regie. In münchen, an der Falckenberg schule. daher kenne ich auch Jan neumann.
der war auf der theaterakademie als
schauspielschüler ein Jahrgang über
mir. wir fanden das damals total
krass, dass euer gesamter Jahrgang
ans residenztheater engagiert wurde. Ihr wart unsere Idole.
Jan Neumann: da hattet ihr aber komische Idole.
69
EisEnstE
nst in
nstE
von Christoph Nußbaumeder
uraufführung am 26. september 2010
in den Kammerspielen
Glücklich sind sie nicht geworden, die schatzschneiders
aus eisenstein. sind von eisenstein nach münchen gegangen, reicher geworden und mächtiger über die Jahre, aber
das unglück lag wie ein Fluch über dieser Familie. dabei
standen 1945 die sterne gut für den alten Josef schatzschneider: In den wirren der nachkriegsjahre hat er sich
gut gestellt mit den Alliierten, hat seinen Bruder, der bei
der ss war, durchbringen können und nebenbei noch erna,
die junge Frau, die als Flüchtling zu ihnen kam in den letzten Kriegstagen. einen unehelichen sohn hat er mit ihr,
glaubt er. der Junge Georg wächst in eisenstein auf, erhält
Josefs Bruder zum stiefvater und wird zum ehrgeizigen und
erfolgreichen unternehmer. Als Georg sich in Gerlinde,
Josefs t
tochter, verliebt, muss Josef seine v
vaterschaft beichten und das Paar trennen. erna schweigt zu alledem, doch
sie allein und die w
wahrheit über Georgs wirklichen vater
v
könnten die beiden unglücklichen erlösen. Als sie zu reden beginnt, ist es zu spät. Georg heiratet Heidi, die jüngere
schwester Gerlindes, die ehe scheitert. erst die dritte Generation der schatzschneiders ist in der Lage, das schweigen und die Lügen zu durchbrechen.
eingebettet in historische und politische ereignisse
erzählt Christoph nußbaumeder die saga einer zerrissenen Familie, die nicht zu sich findet. So ist es auch die
Geschichte der Bundesrepublik deutschland, die sich nur
langsam aus den schatten und dem schweigen der verganv
genheit löst.
Regie: Anselm Weber
Bühne: Patrick Bannwart
Kostüme: Meentje Nielsen
Musik: Cornelius Borgolte
Video: Bibi Abel
Dramaturgie: Thomas Laue, Sabine Reich
mit: dietmar Bär, roland Bayer, maja Beckmann, Annemarie Bubke, Bettina engelhardt, Andreas Grothgar, Jonas
Gruber, martin Horn, Karolina Horster, Kristina-maria
Peters, sierk radzei, Krunoslav Šebrek
„Das finde ich vollkommen in Ordnung.“
wIe K
Kommt dIe weLt
L Ins tHeAter?
Lt
Ater? — dIe Autoren
A
Jan, du hast auch mehrere Berufe oder?
Jan Neumann: nach meinem erstengagement als schauspieler in münchen bin ich ans schauspiel Frankfurt gegangen. dort ging es mir eine
Zeit lang nicht gut. Also habe ich
geschrieben: mein erstes stück, das
ich schon auf der schauspielschule
begonnen hatte. die uraufführung
fand ich so schlimm, dass ich herausfinden wollte, ob es am Stück lag
oder an der regie. Ich habe die Leitung in Frankfurt solange bearbeitet,
bis ich es selbst inszenieren durfte.
so wurde ich Autor und regisseur.
Seitdem finde ich es ziemlich irre,
wie dieser „markt“ funktioniert:
man hat das Gefühl, dass jedes
Jahr eine neue Generation erfunden
wird und stellvertretend einer in die
höchsten sphären des Feuilletons geschossen wird. man weiß genau, dass
da schnell wieder ein neuer name
zwischen den sternen steht. Ich habe
erlebt, dass ich eine gute Kritik in der
„süddeutschen“ hatte, und plötzlich
kamen die Anrufe. Auch von Leuten,
die seit Jahren kaum mit mir geredet
haben. die haben mir plötzlich sachen angeboten, ohne überhaupt etwas gesehen zu haben. Ich finde das
interessant, aber auch enttäuschend.
Worüber habt ihr euch zuletzt richtig
geärgert?
Jan Neumann: über die deutsche
Bahn, gerade eben wieder. das klingt
total kleinkariert, aber es ist etwas,
über das ich mich wirklich aufregen
kann. Ich gehe oft in den speisewagen und ärgere mich darüber, dass es
dort seit Jahren schlechter, aber dafür immer teurer wird. es geht überall
nur um Gewinnmaximierung und
um nichts anderes mehr. das klingt
wirklich kleinkariert und gewollt politisch! Aber es ist doch überall so:
Als die deutsche Bank vor kurzem 5
milliarden Gewinn bekannt gegeben
hat, habe ich mich richtig aufgeregt.
Zwei tage vor der nacht, als Frau
merkel und Herr Ackermann dieses
erste rettungspaket für die Banken
geschnürt haben, hat mich ein befreundeter Banker angerufen und
meinte, er hätte gerade seine Konten
bei der deutschen Bank aufgelöst,
denn es kursierten Gerüchte, dass
die nächste w
woche Pleite geht. Absolute Hysterie. und dann verkünden die wenige monate später einen
5-millarden-Gewinn! wahnsinn.
was ich vermisse, ist eine generelle
w
Form von moral als ein Gegenprogramm zur Gewinnmaximierung.
Dirk Laucke: Ich denke nicht, dass
man von Bankern eine moralische
schimpfe, kann ich wenigstens eine
sehnsucht formulieren. es gibt keine Gesprächskultur mehr, in der die
dinge an- und ausgesprochen werden, wie sie sind. schon gar nicht in
der Politik. Ich verstehe nicht, wie zum
Beispiel so eine hochkarätige truppe
t
wie auf der Klimakonferenz keine
Form der Kommunikation findet.
Christoph Nußbaumeder: Ich glaube,
das ist ein symptom für ganz viele
Bereiche in der Gesellschaft, aber
darüber kann ich mich nicht so
echauffieren! Die Ursachen liegen
ganz woanders.
Jan Neumann: Klar, sind das nur symptome. die ursache kann ich aber
letztendlich nicht greifen. Ich kann
mich deshalb ehrlicherweise auch
nicht hinstellen und sagen: Kapitalismus ist scheiße, weg mit dem Kapitalismus.
Jan Neumann
geboren 1975 in München, lebt in
Berlin. Der Autor, Schauspieler und
Regisseur ist Spezialist für Stückentwicklungen. Dabei lässt er sich von
einem Schlüsselbegriff leiten, dem er
mit seinem Ensemble in Diskussionen,
Recherchen, Improvisationen und biografischen Erkundungen nachgeht. So
hat er bereits eine Anzahl spannender
und weithin wahrgenommener Stücke
und Inszenierungen geschaffen: „Kredit“ am Schauspiel Frankfurt, „Fundament“ am Staatstheater Stuttgart und
zuletzt „Gott allein“ am Staatsschauspiel Dresden. Darüber hinaus inszeniert Jan Neumann auch die Werke anderer Autoren und schreibt Stücke, bei
denen er nicht selbst Regie führt und
die am Thalia Theater in Hamburg, am
Düsseldorfer Schauspielhaus und am
Schauspiel Essen uraufgeführt wurden.
Position erwarten kann. die machen ihren Job aus ihrer sicht genau
richtig, auch wenn sie scheiße bauen. das kann man ihnen nicht vorwerfen, sie sind schließlich nicht für
Amnesty International engagiert.
Jan Neumann: Aber wenn ich darüber
70
Nuran David Calis: der Gesellschaftspakt, den es ja mal gab und zu teit
len immer noch gibt, wird nach und
nach ausgehöhlt. unterm strich laufen die dinge gegen uns und überm
strich soll es so aussehen, als würde
alles für uns getan. Alles ist darauf
bedacht, das system am Laufen zu
halten, dabei wird es im Kern immer
weiter ausgehöhlt.
Also Revolution?
Nuran David Calis: vielleicht utopien. w
wo steuert unsere Gesellschaft
hin?
Dirk Laucke: michail Bakunin, ein
Anarchist, meinte, dass die utopie
die Leute verrät, weil sie ein Bild von
einem Paradies schafft, das es gar
nicht gibt. Bakunin ist im Prinzip für
eine permanente entwicklung. das
ist ja vielleicht auch im theater immer wieder der Fall. die Glücksmomente der Freiheit beim schreiben
oder Proben sind ja die momente des
Ausprobierens.
Christoph Nußbaumeder: man kann
von den meisten menschen nicht
erwarten, dass sie permanent revolution betreiben. man sehnt sich ja
auch nach sicherheit und festen or-
ten. das ist die diskrepanz zwischen
wille und wirklichkeit.
Dirk Laucke: wir ziehen uns zurück
und horten unseren reichtum!
Jan Neumann: Ich kann doch nicht
glaubhaft den Aufruf zur revolution
hinschreiben. Ich kann auch kein
politisches theater machen, weil ich
mich beim schreiben in viel zu viele
Positionen hineindenken kann. Ich
erzähle lieber von der schwierigkeit,
Position zu beziehen und wie unmöglich das heute ist.
Nuran David Calis: mir reicht das
nicht, es einfach nur bei der Kritik zu
belassen oder zu sagen: es gibt so viele Antworten. eine Antwort reicht,
wenn es deine ist. Ich will meine eine
Antwort schon kundtun. dafür kassiere ich dann auch gerne Prügel.
Jan Neumann: mir ist es wichtiger,
Fragen zu stellen. oder zu fragen,
welche Fragen nicht gestellt werden.
Reto Finger: es gibt nicht mehr nur
die eine Antwort. das ist ein symptom unserer Generation. es ist eine
große Herausforderung, davon nicht
paralysiert zu werden. dass ich nicht
nur schreiben darf, wenn ich die Gesamtantwort habe. Ich muss mich
damit begnügen, die widersprüche
zu ertragen und eine t
teilantwort zu
liefern. wir müssen uns damit abfinden, dass wir im Gegensatz zu der
Generation vor uns keine monokausalen Antworten mehr liefern können.
Jan Neumann: Zu ihrer Zeit vielleicht
nicht.
Dirk Laucke: was in deutschland in
der t
tradition, in der wir stehen, überhaupt nicht geht, ist menschen von
der Bühne herab modelle vorzusetzen, wo dann alle zur t
tat schreiten
sollen. Ich habe schiss vor Konzepten, die so einheitlich sind. es gibt ja
nicht nur das linke Konzept. wenn
w
allen Leuten klar gemacht wird, dass
deutschland sich abschotten muss
vor einer Bedrohung, die Globalisierung heißt, dann ist auf jeden Fall
auch das rechte Konzept im Kommen.
es gibt sehr viele Parallelen in linken wie rechten Konzepten. daher
habe ich Bedenken vor monokausalen Antworten. Ich sehe mich lieber
als ein Finger in den wunden.
w
uraufführung am 2. dezember 2010 im theater unten
„Hochstapeln“ meint nicht nur die klassischen Hochstapler, millionenbetrüger, Lügner. das experiment wäre,
diesen Begriff auf alle Lebensbereiche auszudehnen. wann
w
stapeln wir hoch?
Welche Geschichten, welche Realitäten erfinden wir im
Angesicht der Krise? welche
w
sicherheiten bleiben, wenn
nichts mehr gedeckt ist? dem Geldwert schon längst kein
sachwert mehr entspricht? und nichts mehr im verhältv
nis steht? w
welche Behauptungen werden aufgestellt? In der
wirtschaft? der Politik? Im Privatleben? wie erschwindeln wir uns Geld? Aufmerksamkeit? Liebe? Wie erfinde
ich mich selbst? In meinem Facebook-Profil? In meiner
Beziehung? Im Beruf? Wann beginnen wir zu erfinden?
Hochstapler sind märchenerzähler: „das wichtigste,
wenn sie betrügen wollen, sie müssen ihre Geschichte
einfach und logisch erzählen“, rät Profibetrüger Mark Z.
sie sind Geschichtenerzähler, schauspieler, manipulierer –
wie wir alle.
„Hochstapeln“ ist eine stückentwicklung. Ausgehend
von einem schlüsselbegriff entsteht der theatertext während der Probenzeit – gemeinsam mit den schauspielern,
vor ort und für die stadt.
Regie: Jan Neumann
Bühne: Thomas Goerge
Kostüme: Nini von Selzam
Dramaturgie: Anna Haas
Dirk Laucke: das finde ich vollkommen in ordnung.
Christoph Nußbaumeder: die monokausalen stücke waren auch schlechte stücke.
HocHstapEln
von Jan Neumann
Würdet ihr alle zustimmen, dass es
eure Aufgabe ist, Dinge kritisch zu beschreiben?
Jan Neumann: ein teil der Aufgabe,
ja. Ansonsten natürlich spaß, unterhaltung, erzählen.
Dirk Laucke: spaß bedeutet auch,
dass ich spaß habe beim schreiben.
Reto Finger: Ich kann mir gut vorstellen, dass sich die Probleme so
zuspitzen, dass es irgendwann wieder
denkbar wird, stücke zu schreiben,
die die eine Antwort liefern. unsere
Gesellschaft steuert auf missstände
zu, die ab einem gewissen Punkt einfach zu beantworten sind. Ich kenne
die situation in deutschland nur aus
der Zeitung. In der schweiz werden
unter dem titel „sparen“ sozialleistungen abgebaut, was früher oder
später in schweizer städten zu sozialen unruhen führen wird. v
vor zwei
71
„Der schonungslose, subjektive Blick.“
wIe K
Kommt dIe weLt
L Ins tHeAter?
Lt
Ater? — dIe Autoren
A
w
wochen
hat in Zürich eine „reclaim
the street“-Party stattgefunden.
die ist in eine regelrechte straßenschlacht ausgeartet.
Dirk Laucke: es gibt zurzeit eine starke t
tendenz zu stücken oder Projekten, die lokal oder regional sind.
da sehe ich Chancen, dass theater
politisch wird. w
wenn ich ein stück
für ein bestimmtes theater schreibe,
stelle ich die Frage, was in der region
gerade so kocht, was da brennt. In
dem moment ist man sehr konkret.
dass diese paar einzelfälle, mit denen man sich beschäftigt, dann aber
immer für etwas Großes stehen müssen, finde ich schwierig.
Dirk Laucke: In der Probenzeit gab
es immer wieder Augenblicke, wo
entweder die ganze Gruppe gedroht
hat abzuspringen oder einzelne ausgestiegen sind. Aber es gab auch momente, die emanzipatorisch waren.
wo sie im theater eine Chance gesew
hen haben, die sie vorher nicht hatten. das ist irgendwann kaputt gegangen, weil ich dem Chef verboten
habe, bei dem Projekt mitzumachen,
Dirk Laucke: da gab es einige missverständnisse. „ultras“ war ein Projekt, das ich in Halle mit Fußballfans
entwickelt und inszeniert habe. die
„ultras“ sind fanatische Fußballfans,
die nicht überall rechts sind. In Halle allerdings schon. die sagen von
sich, dass sie unpolitisch sind, und
werden in der stadt geduldet. sie tragen rechte Klamotten, haben rechte
Freunde und ein rechtes weltbild:
w
also Chauvinismus, Homophobie,
sexismus, nationalismus, alles was
rechts ist. und trotzdem sagen sie, sie
seien unpolitisch.
das war die schwierigkeit in der
Arbeit mit ihnen, dass sie sich und
der Öffentlichkeit nicht eingestehen
wollten, dass sie selbst Faschos sind.
Letzten endes konnte man es in der
Inszenierung nicht mehr verbergen.
sie haben sich durch ihr eigenes verv
halten verraten.
Jan Neumann: Ist das Bewusstsein im
Laufe der Arbeit gewachsen?
Warum München?
Nuran David Calis: Ich bin in Bielefeld groß geworden. wir sind dort
ins Fußballstadion gegangen: Bayern
gegen Arminia. Ich musste mit den
Kumpels immer in die Fankurve der
Bielefelder.
Aber als ich den rummenigge
gesehen habe, mit diesen krassen
oberschenkeln, da wusste ich einfach, dass ich mehr münchner und
Bayer bin.
Christoph Nußbaumeder: wobei der
rummenigge aus w
westfalen kommt!
Christoph Nußbaumeder: Aber das ist
doch die Kunst dabei. erstmal der
schonungslose, subjektive Blick. das
ist das Beste, reinste was man machen kann. w
wenn darüber sprachbilder oder momente entstehen, die
ein Bild für das so genannte Große
sind, dann ist es wunderbar.
Jan Neumann: dirk, du hattest doch
diesen skandal mit den „ultras“ in
Halle? das war lokal, dann überregional und am ende ein Politikum.
bin zutiefst FC-Bayern-Fan. Ihr werdet mich hassen.
Nuran David Calis: die haben ihn
auch immer als v
verräter beschimpft.
Spielt Herkunft für euer Schreiben eine
Rolle? Bist du beim Schreiben ein Bayer,
Christoph?
Nuran David Calis
geboren 1976 in Bielefeld, lebt heute
in München. Der Autor, Theater- und
Filmregisseur zeichnet sich durch ein
großes Gespür für die Sprache und das
Lebensgefühl junger Menschen aus.
2008 kam sein erster abendfüllender
Spielfilm „Meine Mutter, mein Bruder
und ich“ in die deutschen Kinos. Seine
viel beachtete Bearbeitung von Wedekinds „Frühlings Erwachen!“, die am
Schauspiel Hannover uraufgeführt
wurde, hat er ebenfalls selbst verfilmt.
Neben den Überschreibungen litera rischer Stoffe erarbeitet er Stücke mit
Jugendlichen, darunter „Homestories“
am Schauspiel Essen. Für das Schauspielhaus Bochum entwickelt und
inszeniert er im Rahmen von NEXT
GENERATION ein Stück mit Jugendlichen aus Bochum, Essen, Duisburg und
Herne (siehe Seite 56).
und ihnen klar geworden ist, dass sie
als rechte wahrgenommen werden.
Jetzt haben wir streit.
Christoph Nußbaumeder: natürlich
spielt Herkunft eine rolle, wahrscheinlich das ganze Leben lang.
Gewisse erfahrungen oder Begegnungen mit menschen aus einer bestimmten ortschaft oder Landschaft
bringen eine gewisse mentalität mit
sich. das sind eingebrannte Bilder.
Reto Finger: das schärft sich noch
durch den Abstand, wenn man weggeht.
Christoph Nußbaumeder: Klar, und es
ist ambivalent. man mag ganz vieles
nicht und manches eben doch. es
ist ein t
teil von einem selbst. man
schreibt ja auch über das, was man
nicht aushält. Gerade das beschäftigt
einen. Ich schreibe ja keine oden.
Du bist Schweizer, Reto. Das war man
früher ja gerne. Ist es in letzter Zeit
schwieriger geworden?
Wo seid ihr zu Hause?
Reto Finger: es gab eine Zeit, wo das
irgendwie süß, nett und schön war.
Jetzt sind auch andere Adjektive dazu
gekommen wie ...
Nuran David Calis: In münchen. Ich
liebe diese stadt. schon immer. Ich
Jan Neumann: ... habgierig … böse …
gehässig …
72
Nuran David Calis: ... Gangster ...
Bangster.
Reto Finger: man hat ja nicht die
wahl. Aber noch bin ich nicht sow
weit, dass ich lieber Franzose oder
deutscher wäre. Ich bin in einem
kleinen dorf, fernab der stadt, im emmental groß geworden. das spielt für
mein schreiben absolut eine rolle.
lasse beim schreiben extreme Zustände aufeinander zufahren.
Ich brauche das, um in dialog mit
einem t
text zu kommen. dann kann
ich ihn als Inspirationsquelle nehmen und mich dort im Kern aber frei
bewegen.
Jan Neumann: Für mich stehen am
Anfang ein Gedanke oder eine situation. etwas, dass ich interessant
Kommst du nicht aus so einer HippieFamilie?
Reto Finger: Ich war zum einen mit
meiner mutter auf einem Bauerndorf in rumendingen und an den
wochenenden bei meinem v
w
vater in
einer Kommune im Jura. Heimat ist
immer ein guter ort, um essenzielle
dinge rausschälen zu können.
Dirk Laucke: das finde ich auch.
wobei ich durch Halle an der saale
w
nicht unbedingt positiv beeinflusst
bin. man kann da von einer Hassliebe sprechen. es war nun mal eine
sehr konfliktreiche Gegend und das
lässt mich nicht mehr los: diese gesellschaftlichen umbrüche, die in
meiner Familie stattgefunden haben,
und was ich in meiner Jugend dort
erlebt habe. w
wenn ich recherchiere,
fällt mir ein: Ach, ich kenne ja so einen stasi-mann – wo habe ich den
kennen gelernt? – in Halle. dann
kann ich den ja mal interviewen. so
gesehen ist Halle noch immer meine
Quelle.
Würdest du dich als ostdeutschen Autor bezeichnen?
Dirk Laucke: das würde ja heißen,
dass ich so einen sonderfall von
ostdeutschland annehme, und das
klingt fast positiv besetzt, als ob ich
das gut finden würde, dass es ein
ost- und ein w
westdeutschland gibt.
Was ist als Erstes da, wenn ihr mit einem Stück beginnt?
Reto Finger: eine Atmosphäre, eine
temperatur, ein Gefühl dafür, wie es
t
schmecken muss, wenn es schmecken würde.
Nuran David Calis: oder ein Film. Ich
Dirk Laucke
geboren 1982 in Schkeuditz in Sachsen, wuchs in Halle an der Saale auf.
Nach einem abgebrochenen Psychologiestudium in Leipzig studierte er von
2004 bis 2008 Szenisches Schreiben
an der der Universität der Künste Berlin (UdK). Für sein Stück „alter ford
escort dunkelblau“ erhielt er 2006 den
Kleist-Förderpreis für junge Dramatik,
2007 wurde er in der Kritikerumfrage
der Zeitschrift „Theater heute“ zum
Nachwuchsautor des Jahres gewählt.
„Laucke hat eine eigene Sprache gefunden, die Wirklichkeit auf die Bühne zu
bringen. Ausgestattet mit einem feinen
Gespür für Figuren, nimmt er besonders
Randfiguren der Gesellschaft ins Visier“,
hieß es in der Jurybegründung zum Dramatikerpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI, mit dem er
2010 ausgezeichnet wurde. Darüber
hinaus entwickelt Dirk Laucke auch als
Regisseur Theaterprojekte mit Laien, so
zuletzt „Ultras“ mit jugendlichen Fußballfans am Thalia Theater Halle.
finde und über das ich weiter nachdenken möchte.
Christoph Nußbaumeder: Bei mir ist
es eine situation oder eine Konstel73
Jimi Bowatski
Hat kEin
H
scHamg
H
Hamg
EfüHl
von Dirk Laucke
uraufführung am 25. märz 2011 in den Kammerspielen
Jochen Bowatski lässt sich von allen gerne Jimi nennen,
weil alle Großen Jimi hießen – Hendrix, dean und morrison. nur sind alle großen Jimis tot und Jochen ist gerade
50 geworden. die Autozuliefer-Fabrik, in der er seit zwanzig
Jahren arbeitet, wird nach Indien verfrachtet und er steht
vor dem Aus. er schnappt sich seinen Kumpel markus
welt, dessen t
w
tochter und Lebensinhalt sich demnächst
wohl auch mit ihrer mutter, markus’ ex, aus dem radius
seiner ALGII-technischen Residenzpflicht verabschieden
wird. markus’ ex hat einen besseren Job in der schweiz.
da marschieren Jimi und markus ins w
werk, um dem Chef
die rechnung zu präsentieren, doch statt den Chef im Büro
erwischen sie seine Frau im Bett mit dem jungen, schicken
Lúc, man kann ihn auch Lutz nennen.
Als der w
werksleiter auch noch tot aufgefunden wird,
übernimmt Jimi Bowatski gänzlich die Kontrolle. die Inder
werden am nächsten t
tag heimgeschickt, das w
werk besetzt.
und Jimi Bowatski wäre kein Jimi Bowatski, wenn das kein
von erfolg gekröntes unternehmen wäre. Jimis Aktion zur
sicherung deutscher Arbeitsplätze wird als modellprojekt
gepriesen. sogar markus’ ex kommt aus der schweiz vorbei, um mit ihm über seine v
vaterrolle zu reden. nur der
gigolomäßige Lúc will sich mit einer richtigen Arbeit nicht
so ganz anfreunden und kriegt seine rechnung präsentiert,
als Jimi Bowatski sein schamgefühl gänzlich verloren hat.
dirk Lauckes neues stück erzählt von echten Helden und
wahren Freunden, die bei jedem schritt auf neue Feindbilder stoßen, auch wenn stets die alten Abhängigkeiten im
spiel sind.
Regie: Heike M. Götze
HEikE M. GöTzE
wird das neue Stück von Dirk Laucke inszenieren. Bereits
während ihres Studiums an der Zürcher Hochschule
der Künste war Heike M. Götze mit ihren Inszenierungen zu den Zürcher Festspielen und zum Zürcher
Theaterspektakel eingeladen. Für ihre Diplominszenierung „Spieltrieb“ nach Juli Zehs gleichnamigem Roman
wurde sie 2008 mit dem Körber-Preis für Junge Regie ausgezeichnet. Seitdem arbeitet sie regelmäßig am Theater Basel,
am Schauspielhaus Zürich und am Schauspiel Hannover.
Am Schauspiel Essen hat sie in der vergangenen Spielzeit
John Osbornes „Blick zurück im Zorn“ inszeniert. Ihre
Inszenierungen zeichnen sich durch eine hohe körperliche,
fast tänzerische Energie aus, verbunden mit absoluter Genauigkeit im Umgang mit Sprache. Hin und wieder steht sie
auch selbst als Schauspielerin auf der Bühne, so zuletzt am
Schauspiel Hannover als Christian in „Das Fest“ nach dem
Film von Thomas Vinterberg.
Fotografie: Renate Ritzenhoff
Bühne frei für unsere Kunden
Hunderttausende sind Tag für Tag in unseren modernen Bussen und Bahnen
unterwegs. Jeder hat dabei sein eigenes Ziel: Ob zur Schule, zur Arbeit, zum
Einkaufen oder zum Schauspielhaus. Steigen Sie ein! - Wir bringen Sie hin.
ServiceTelefon: 0180 3 504030
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lation und dann gärt das erstmal vor
sich hin. Ich habe ein notizbüchlein
bei mir, da schreibe ich immer mal
was rein. Vieles fliegt einem ja zu.
Dirk Laucke: die Frage ist ja, wie
kommt die w
welt auf die Bühne? Bei
mir ist es so, dass ich entweder eigene
erlebnisse übersteigert weiterdenke
oder Begegnungen mit menschen,
die ich hatte. Ich habe einen soldaten aus Afghanistan kennen gelernt
und mich mit ihm unterhalten.
dann recherchiere ich auch gezielt,
wie bei dem Stasi-Offizier. Ich gehe
zwar nicht in Bibliotheken, aber ich
lese viel. nicht so theaterkram, sondern eher politisches Zeug.
Christoph Nußbaumeder: die Frage
muss ich aufteilen. w
was wünscht
man sich während der Arbeit und
was von dem ergebnis? Gibt es da
eine w
wechselwirkung mit dem Publikum? Hat es überhaupt eine wirkung? das andere ist, dass ich auch
einen fruchtbaren Austausch will,
also einen offenen und schonungslosen – im besten sinne des wortes
– und nicht nur als erfüllungsgehilfe
Nuran David Calis: Ich bin auch nicht
der t
typ, der in die Bibliothek recherchieren geht. Ich beziehe meine Arbeit aus dem Alltag und dem echten
Leben. Jeder in meiner Familie oder
der mit mir befreundet ist, muss mit
der Gefahr leben, in einem meiner
stücke zu landen.
Reto Finger: Je länger ich schreibe,
desto wichtiger wird es, dass es eine
Kontinuität im Austausch gibt. Auch
um dinge abzubauen, die ich als
nicht förderlich empfinde, wie Buhlen um v
vertrauen oder Angst haben
vor Premieren. In t
truppen zusammenzuarbeiten, die eine gewisse Zeit
dauern, finde ich immer wichtiger.
Nuran David Calis: Ich mache theater aus dem Bewusstsein einer Gang,
einer Bande heraus. w
wo ich arbeite,
entscheide ich über Persönlichkeiten: mit welchen menschen möchte ich theater machen und was für
eine Geschichte verbindet uns. mit
euch wäre ich überall hingegangen.
die persönliche erfahrung mit einer
theatermannschaft durch dick und
dünn gegangen zu sein und am ende
etwas auf die Beine gestellt zu haben,
wo man nur für sich weiß, dass man
da irgendwie schlauer raus geht, als
man rein gegangen ist.
uraufführung im mai 2011 in den Kammerspielen
„Lasst mich ein paar w
worte an euch richten, ich kam zu
spät, ich komm immer zu spät, wie Max zu sagen pflegt,
aber lasst mich trotzdem, jetzt wo wir alle gegessen und
auch ein wenig getrunken haben, ein paar w
worte nur, wie
gesagt, aus gegebenem Anlass: Auf die Blutsverbundenen
und ihre Zugewandten! Auf die, die mich ein zweidrittel
Leben lang begleitet haben. Ich bin selten betrunken genug, euch dafür zu danken, dabei müsste ich das viel öfters
tun, weil man nur bei Blutsverbundenen und Zugewandten sicher sein kann, dass es keine meuchelmörder sind,
und je älter man wird, desto wichtiger ist es, dass man einen Bogen macht um meuchelmörder.“
Robert in „Der Fall des Robert K.“
der unternehmer robert Keller feiert gerne Feste und sich
selbst. Jedes Jahr laden er und seine Gattin Jasmin seinen
Bruder max und dessen Frau sandra für ein langes wow
chenende ein. der dritte Bruder, michael, ist nie eingeladen. er will auch nicht kommen. dass michael in diesem
Jahr entgegen allen erwartungen plötzlich doch auftaucht,
damit hätte robert nicht gerechnet. Als auch noch vera
v
auftaucht und behauptet, sie würde dazugehören, obwohl
sie niemand kennt, beginnt die Fassade von roberts welt
w
zu bröckeln.
Reto Finger: Ja. das wird vom umfeld
gefürchtet.
Was wünscht ihr euch als Autoren vom
Theater?
DEr fall
f
DEs
roBErt
k.
von Reto Finger
Regie: Anselm Weber
Reto Finger
geboren 1972 in Bern, aufgewachsen
im Emmental, ist ursprünglich Jurist.
Heute arbeitet er am Bezirksgericht
Zürich, schreibt Theaterstücke und inszeniert. Für „Kaltes Land“ erhielt er
2005 den Kleist-Förderpreis für junge
Dramatik.
Als Hausautor am Nationaltheater Mannheim entwickelte er die Reihe „Fingers Freunde“, die er auch am
Schauspielhaus Zürich fortführte. Am
Schauspiel Essen wurde sein Stück „Einer wie ich würde mich vom Springen
auch nicht abhalten“ (2007) uraufgeführt, am Schauspielhaus Zürich „Vorstellungen und Instinkte“ (2009).
oder Autorenhaustier t
texte abliefere.
Dirk Laucke: Ich finde es spannend,
ob ich in so einer stadt wie Bochum
einen Blick finden kann, der angemessen ist. Im moment denke ich,
dass das ruhrgebiet dem osten gar
nicht so fern ist. und ich möchte herausfinden, ob das stimmt.
75
Karsten Riedel & Christoph Frick — PHANTOMschmerz
PHANTOMSCHMERZ
TExt: Sabine Reich
FOtos: Lars hillen
Die meisten denken, Romantik sei
dann vonNöten, wenn eine Frau
verführt oder eine Ehe gerettet werden muss. Das ist falsch. Was stimmt,
ist, dass Romantik immer dann zum
Einsatz kommt, wenn es ungemütlich wird. Die Welt wird kalt und
wir sitzen am künstlichen Kamin.
Wir sind Romantiker, seit über hundert Jahren. Zeit, nicht länger den
Mond anzuheulen und sich endlich
mal was Neues auszudenken.
77
Karsten Riedel & Christoph Frick — PHANTOMschmerz
sie prophezeit den drohenden Niedergang und Untergang,
wenn Veränderungsprozesse erlitten und eingeschrieben
werden in Menschen und Ordnungen. Beide Perspektiven kennzeichnen das moderne europäische Denken bis
heute.
Geschwindigkeit und Veränderung sind Leistungen, auf
die Europa stolz ist: es geht voran. Technologie, Forschung,
Ökonomie, perfekt verzahnt und immer in Bewegung. Wir
glauben an den stetigen Wandel, an Fortschritt, Wachstum, Expansion und Innovation.
Aus dem Selbstverständnis, stetiger Motor des Wandels
zu sein, bezieht Europa im Kern seinen Stolz und seine hegemoniale Vormachtstellung in der Welt. Wir waren eben
immer ein bisschen schneller als die anderen.
Der Herbstwind
schüttelt die Linde,
Wie geht die Welt
so geschwinde!
(Joseph von Eichendorff, Zum Abschied)
Wir sind so tief betrübt,
wenn wir auch scherzen;
Die Menschen tosen unten,
gehen und reisen,
Die Welt zieht still und streng
in ihren Gleisen,
Ein feuchter Wind verlöscht
die lustgen Kerzen.
(Joseph von Eichendorff, Sonett)
Welt ändert sich ständig und manchmal gibt es
D ieMomente,
in denen sie besonders schnell zu gehen
Karsten Riedel
(vorherige Seite)
ist Punk und
Romantiker und
einer der besten
Musiker Bochums. Er trifft auf
den Regisseur
Christoph Frick
(links).
scheint. Dann meinen wir zu sehen, wie sie rast und sich
verändert so geschwinde. Es gibt Menschen, die glauben,
jedes Mal wenn Steve Jobs mit einem Gerät in der Hand
auf einem Bildschirm erscheint, verändere sich die Welt.
Andere glauben, die Welt verändere sich, wenn junge
Männer ohne Jacken Computer auf die Straße tragen und
keine Arbeit mehr haben. Am 11. September 2001 haben
wir endlos gedehnte lange Sekunden auf das Flugzeug gestarrt, das auf das Haus zuraste. Wir haben zugesehen, wie
die Welt sich veränderte, geschwinde.
Dass die Welt sich ändert, behaupten und befürchten
wir nicht erst seit der letzten, aktuellen Krise. Wir hoffen
auf die Erfolge der Wissenschaft, Forschung und Technologie, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Gesellschaften industrialisieren und modernisieren, doch ebenso
lange kursieren katastrophische Szenarien. Die Zukunft
Europas sah immer schon finster aus und das Abendland
geht unter, nicht erst, seitdem Klimawandel und Globalisierung debattiert werden.
Die stetige, immer rasanter werdende Veränderung der
Welt ist einer der fundamentalen Glaubenssätze des modernen Europas. Es ist die tiefe Überzeugung der Moderne
selber, die an Veränderung glaubt und sich niemals entscheiden kann, ob sie sie ersehnt oder fürchtet. In dieser
Ambivalenz liegt ein Kern der Moderne: sie begrüßt die
Veränderung der Welt als Triumph, wenn sie sich selber
als Agent und Motor der Veränderung beschreibt, doch
79
wird die Moderne als tief greifende ErG leichzeitig
fahrung von Verlusten beschrieben: der Verlust
von Autonomie und Selbstbestimmung scheint massiv,
Menschen und ganze Gesellschaften wirken maschinell
und kalt. Weil nicht das Schöne und Gute, nicht Empfindungen zählen, sondern die Ware, die Effektivität und die
Leistung. Weil wir zuviel verloren haben: die Natur, das
Authentische, das Echte und Unmittelbare, die Moral und
den Glauben. Weil wir den Boden unter den Füßen verlieren und wir uns viel zu schnell drehen.
Auch gerade jetzt im Moment schauen wir zurück und
konstatieren Verluste und Krisen in allen Bereichen: nie
schien die Welt so dem Untergang geweiht, nie so krisengeschüttelt und finster. Wir bedauern den Verlust sozialer
Sicherheit und familiärer Bindung, ökonomischer und politischer Verbindlichkeit.
Aber daran sollten wir uns gewöhnt haben. Das ist
nichts Neues. Es sind die alten Fragen und die alten Bilder, die uns leiten. Wir sind optimistische Führungspersönlichkeiten und hoffnungslose Melancholiker in einem
Atemzug, selbstbewusste Macher und Romantiker. Doch
wir trauern seit vielen Jahren um Verluste, an die wir uns
nicht erinnern können. Phantomschmerzen.
Karsten Riedel & Christoph Frick — PHANTOMschmerz
Wir wollen stille sitzen
und nicht weinen
(Joseph von Eichendorff, Sonett)
I
t‘s the end of the world as we know it“ – davon sind
wir seit dem Fin de Siècle, dem ausgehenden 19. Jahrhundert überzeugt. Seitdem herrscht Weltschmerz. Jede
aufbegehrende Generation der immer neuen Modernen
findet einen Grund zu trauern. Wir gehen unter, seit mehr
als hundert Jahren. Dabei halten wir uns wie Ertrinkende
fest an Konzepten, die die Realität weder damals noch heute adäquat beschreiben, sondern ästhetisch verklären.
„Modernität“, das war kein Begriff der Ingenieure oder
Wissenschaftler, die im 19. Jahrhundert Fabriken und
Dampfmaschinen bauten. „Moderne“, das ist ein Begriff
aus der Poetik, der die neue Literatur des Sturm und Drang
und der Romantik von den Vorbildern der Antike emanzipierte. Die poetische Moderne war ein ästhetisches Konzept als Gegenentwurf zu einer rasenden Welt. Sie hat den
Stillstand ausgerufen. Sie erfand Begriffe und Konzepte, die
anriefen und beschworen, was verloren war oder niemals
existiert hatte. Es stimmte damals so wenig wie heute.
Es ging um „Nation“, als der Imperialismus erstarkte,
Europa seine Grenzen ausweitete und die Gesellschaften
zum ersten Mal Globalisierung erfuhren. „Heimat“ wurde
im Moment der Heimatlosigkeit und in einer der „migrationsintensivsten Perioden der neueren Geschichte“
(Jürgen Osterhammel) zum zentralen Begriff und nichts
konnte so sehnsuchtsvoll „das abwesende Ganze, die verlorene Kindheit des Menschen“ (Hans Robert Jauß) in einem Wort anrufen wie die „Natur“.
Wir verbinden die Romantik mit schönen Gedichten
über die Natur. In dieser deutschen Dichtung, die die
Landschaft und den Wald besingt, glauben wir, Naturverbundenheit zu finden, die „wir Modernen“ heute schmerzlich vermissen. Dabei wird übersehen, dass diese deutsche
Dichtung auch damals schon Verluste beklagte und ferne
Idyllen besang. Die gesellschaftlichen Umwälzungen des
19. Jahrhunderts griffen massiv in den Umgang mit den
natürlichen Ressourcen ein. Als die Kohle ans Licht gefördert wurde und eine ganze Industrie zum Kochen brachte,
war Natur nichts mehr als Rohstoff und Material einer
unablässig wachsenden Industrie. In diesem Augenblick
erkor die deutsche Empfindsamkeit die „Natur“ zum Labsal frierender Seelen, die an den Kältewellen der Industrialisierung und Modernisierung litten. Wie vor einem
schönen Bild stehen wir bewundernd davor, allein und
frierend. „Deswegen ist das Gefühl, womit wir an der Natur hangen, dem Gefühle so nahe verwandt, womit wir das
entflohene Alter der Kindheit und der kindlichen Unschuld
beklagen“, schrieb Schiller 1795. Die Blümchenmuster auf
den Sitzkissen wärmten innen, als die Welt draußen ungemütlich und kalt wurde.
80
In einem kühlen Grunde,
Da geht ein Mühlenrad,
(...) Hör ich das Mühlrad gehen,
Ich weiSS nicht, was ich will,
Ich möcht’ am liebsten sterben,
Da wär’s auf einmal still.
(Joseph von Eichendorff, Lied)
Z
wischen Idylle und Nostalgie, Vision und Verlust
bewegt sich die romantische Literatur und sie ist
damit die erste moderne Literatur. Alle Spannungen und
Widersprüche der Moderne finden sich in den Texten der
Romantiker. Sie waren die, die genau hinsahen, als die
Welt, die sie kannten, unterging.
Nichts ohne Verfallsdatum, alles relativ: Wer heute
modern ist, ist morgen schon passé. Nichts ist so alt wie
das Kleid aus der letzten Saison, nichts so schal wie die
Trends von Gestern. Plötzlich und blitzartig wechseln die
Moden, Diskurse und Formen. Es ist diese spezifische Erfahrung von Zeitlichkeit, die sich über das Denken legt, die
den Kern der Moderne ausmacht. Von nun an ist alles im
Fluss: Geschichte und Moral, Kunst und Mensch, alles ist
veränderlich und wandelbar, alles der Zeit unterworfen. Es
ist immer schon vorbei und wir stehen immer schon auf
schwankendem Boden.
Doch aus genau dieser Spannung bezieht das moderne
Denken seine Kraft und Dynamik. Genau deshalb beschreiben sich moderne Gesellschaften als offene und dynamische Gesellschaften, die Mobilität und Vielfalt positiv beschreiben. Genau deshalb verstehen wir Identität als
einen vielschichtigen Prozess. Rollen und Biografien sind
in Bewegung. Kultur und Heimat bestimmen sich nicht
durch Herkunft, sondern entstehen aus dem faktischen
Lebensentwurf eines jeden. Aus dieser Spannung heraus
bilden sich eine Ambivalenz und ein Begriff von Freiheit,
die es beide auszuhalten gilt.
Das tut manchmal weh. Wie schön es ist, zu leiden,
sehen wir bei Eichendorff. Und manchmal ist es wichtig,
zu leiden und sich über Verluste zu verständigen. Um uns
daran zu erinnern, brauchen wir die ersten Modernen und
ihre Literatur. Aber es ist Zeit, den Weltschmerz des 19.
Jahrhunderts zu überwinden. Wir leiden immer noch am
selben Phantomschmerz und weigern uns einzugestehen,
dass sich die Amputation vor mehr als hundert Jahren ereignete. Aber die Welt geht so geschwinde. Sie ändert sich
immer.
kARSTEN RiEDEl & CHRiSTOPH FRiCk
Karsten Riedel wurde 1970 in Wattenscheid geboren. Der
Multiinstrumentalist Riedel, der in seiner Freizeit gerne Laminat verlegt und Schwarzbier mag, ist seit 1989 selbstständiger
Musiker, Komponist und Produzent. Er war an Hörspielproduktionen für den WDR beteiligt, arbeitete für diverse Kinofilme und war und ist mit zahlreichen Bands im In- und
Ausland unterwegs. Bekannt wurde er vor allem als Frontmann der legendären Bochumer Ska-Punk-Truppe „Alpha Boy
School“. Der ehemalige Intendant des Schauspielhauses Matthias Hartmann holte ihn als Musiker und Komponisten ans
Bochumer Theater. Es war Riedels erster Kontakt als Musiker
mit der Theaterbühne. Es entstanden Soundtracks für Produktionen wie „1979“, „Einordnen, Ausflug, Land der Toten“,
„Der Hauptmann von Köpenick“ oder „Ivanow“.
In Essen lernte Karsten Riedel dann David Bösch kennen,
der gerade von der Regieschule in Zürich kam. Zwischen Riedel
und dem jungen Regisseur entstand eine intensive Arbeitsbeziehung. Außer in Essen arbeiteten sie am Thalia Theater Hamburg, am Deutschen Theater Berlin, am Schauspielhaus Zürich
und am Wiener Burgtheater zusammen. Riedel, der weiterhin
in Bochum lebt, arbeitet heute hauptsächlich im Theater mit
den Regisseuren Matthias Hartmann, Roland Spohr, Niklas
Helbling und eben David Bösch. Daneben entwickelte er auch
verschiedene musikalische Programme mit Mitgliedern des Bochumer Ensembles. In „Oft ist die Natur nicht einmal schön“
trifft Karsten Riedel zum ersten Mal auf den in der Schweiz
lebenden Regisseur Christoph Frick. Der wurde 1960 geboren
und lebt seit vielen Jahren in Basel. Frick braucht keine Stücke, um Theater zu machen: eine gute Idee, ein Text oder ein
Musikstück reichen ihm, um außergewöhnliche Theaterabende
zu entwickeln. In Basel gründete er 1991 das Theater KLARA,
eine freie Theatertruppe, mit der er kontinuierlich Stücke entwickelte, die in der Schweiz und im Ausland zu sehen waren
und sind. So spielten sie unter anderem beim Theaterspektakel
Zürich, am Kunstencentrum Vooruit Gent und beim Steirischen Herbst Graz.
In Luzern arbeitete Frick 1999 erstmals an einem Stadttheater. In den folgenden Jahren entstanden außerdem Produktionen am Schauspiel Hannover und am Schauspiel Köln, später
am Theater Freiburg und an den Münchner Kammerspielen.
Frick inszenierte dort Stücke des klassischen Dramenrepertoires wie „Wilhelm Tell“ und „Peer Gynt“ in Luzern, „Nathan der Weise“ und „Die Räuber“ in Hannover, „Die Nibelungen“ in Freiburg oder Camus’ „Belagerungszustand“ in
München. Seit kurzem beschäftigt sich Christoph Frick wieder
mit Projekt-Theaterformen im Stadttheater, arbeitet mit Musikern, Tänzern und nichtprofessionellen Darstellern. Jetzt
entwickelt er einen Abend nach zentralen Motiven der Romantik, für den Karsten Riedel die Musik schreibt. Es ist das erste
Mal, dass Frick und Riedel zusammenarbeiten. Es entsteht aus
Gedichten der Romantik, mit Reden von Kanzlern und Kommunalpolitikern, mit Texten von Philosophen und Pop-Poeten
ein romantisch-musikalischer Abend.
81
Oft ist die Natur
Nicht
eiNmal schöN
Ein romantisches Requiem
von Christoph Frick und Karsten Riedel
premiere am 3. dezember 2010 in den Kammerspielen
Wenn wir an die Schönheit der natur denken, blüht sie immer, immer scheint in ihr die Sonne, immer ist es eine sternenklare Vollmondnacht, die den blick auf das Meer und
die imposanten berge frei gibt. Wir wollen eine Urlaubskatalog-natur, ein Schöner-Wohnen-paradies, ein dreiWetter-Taft-Klima, das unsere gestressten Seelen streichelt,
uns das herz erwärmt und der Frisur nichts anhaben kann.
Sicher soll uns die natur auch Ehrfurcht lehren, aber bitte
ohne uns wirklich nah zu kommen. natur, die sticht, kratzt
und juckt, natur, die unsere Keller überschwemmt und den
dreck in die augen bläst, stört. Wir sind gegen TsunamiWellen, gegen Wirbelstürme, gegen dauerregen, Erdrutsche, Lawinenabgänge und Gletscherschmelze. Wir wissen,
dass die Klimakatastrophe auf uns lauert und können doch
nichts anderes, als kleine Schritte tun. „Was sind schon
zwei Grad mehr?“, denken wir und sitzen in perfekter Outdoor-ausrüstung vor einem Lagerfeuer auf dem dafür ausgezeichneten Rastplatz, essen einen bio-apfel, ignorieren
den duft der Mückenschutzcreme in unserem Gesicht und
stimmen ein schönes Lied aus alten Tagen an. Vielleicht
eines von Eichendorff. Er und die anderen Romantiker
betrauerten lange vor uns in ihren Gedichten und Liedern
die Verwandlung der Welt. Viele folgten ihnen nach: Sid
Vicious, Morrisey von The Smiths, The cure – allesamt Romantiker pur. bob dylans balladen einer vergangenen zeit.
Rio Reiser, ein deutscher Romantiker. nick cave, sowieso. Rock pop punk – eine einzige romantische bewegung:
zwischen Wut und Weinerlichkeit, Mut und Melancholie,
Weltschmerz und Wahnsinn bewegen sich die immer neuen Wilden. das hat mit Joseph von Eichendorff begonnen
und wo es endet, das wissen wir nicht. Vielleicht bei Karsten Riedel. zusammen mit dem Regisseur christoph Frick
entsteht dieser abend über ein romantisches bild der natur
im zwielicht des Klimawandels.
Regie: Christoph Frick
Musik: Karsten Riedel
Bühne: Thomas Dreißigacker
Dramaturgie: Olaf Kröck, Sabine Reich
MEPHIST
TANBUL
Mahir Günsiray — Mephistanbul
Goethe war nie in
Istanbul, der Heimat von Mahir
Günsiray. Der
Faust-regisseur im
Gespräch über das
Leben am Bosporus,
die Einsamkeit eines
Pinguins und Picknick in Europa.
INTERVIEW: Thomas Laue und Sabine Reich
Fotos: Ugur Taskin
Wie lebt es sich in Istanbul?
Schwer und gleichzeitig voller Genuss. Das Leben dort ist einerseits
prall und voller Energie, Spannung
und Gewalt; eine Art Karneval, den
man tagtäglich erlebt. Das gibt einen enormen Schub für alles, vor
allem für die künstlerische Arbeit.
Andererseits vermisse ich manchmal
die Ruhe europäischer Länder wie
Deutschland. Es ist in Istanbul kaum
möglich, mal allein zu sein und sich
selbst zur Rechenschaft zu ziehen.
Was ist das für eine Gewalt?
Die Türkei ist ökonomisch an Europa und Amerika gebunden und
die Menschen sind gezwungen, wie
Rennpferde ihrem Leben hinterher zu
jagen. Es ist ein Leben, das zwischen
Geldverdienen und Faulheit pendelt.
So lange du Geld verdienst, existierst
du durch das, was du besitzt. Wenn
nicht, existierst du überhaupt nicht.
Wenn ein Mensch dann wahrgenommen werden will, muss er entweder
zum Theater gehen – was nicht allzu
verbreitet ist – oder auf die Bosporusbrücke oder das Dach eines Hauses
steigen und drohen, sich mit einer
Axt die Hand abzuhacken. Bei den
großen Einkommensunterschieden
und den Lücken in den sozialen und
kulturellen Lebensbereichen ist es eigentlich erstaunlich, dass das Leben
überhaupt funktioniert und es nicht
noch mehr Gewalt gibt. Gleichzeitig
ist Istanbul aber nicht die Türkei.
Worin bestehen die Unterschiede?
Es gibt nicht überall in der Türkei
den gleichen Lebenskampf, das gleiche Streben, das Rennen um die Zeit,
die gleichen Konflikte. Es gibt unterschiedliche Kulturen, Menschen,
Sprachen, Lebensweisen, sehr unterschiedliche religiöse, moralische und
philosophische Ansichten.
Das heißt, eine Mischung, die eine große Metropole ausmacht.
Ja, Istanbul ist eine Metropole, aber
85
man kann Istanbul nicht stellvertretend für die ganze Türkei sehen. Allein optisch und geografisch ist es
ein Unterschied, ob man die rötliche
Erde, die Berge und die trockene Kälte im Südosten betrachtet oder das
Gewirr der Gebäude in Istanbul. An
vielen Orten der Türkei bauen Arme
ihre Häuser mit wenig Geld selbst.
Aber weil man sogar das in Istanbul
schnell machen muss, nennt man
sie hier „gece kondu“, was so viel bedeutet wie „über Nacht gelandet“.
Welche Rolle spielt dabei Religion?
Wir befinden uns in einer Zeit, in der
offen diskutiert wird, was Menschen
überhaupt unter Religion verstehen.
Soll Religion das Leben bestimmen
oder nicht? Soll sie sich in das Leben einmischen oder soll man sie
im Privaten ausleben? Wie weit soll
man die Religion praktisch umsetzen
oder nicht umsetzen? Man sieht jetzt
in Istanbul viele Frauen mit Kopftuch. Es heißt, die Kopftuchdebatte
sei schärfer geworden, dabei ist sie
eigentlich nur ins Tageslicht gerückt.
Das Thema gab es schon immer. Weil
Frauen aus einer religiösen Schicht
früher ihr Kopftuch nicht tragen
durften – sei es aus persönlichen,
moralischen oder aus familiären
Gründen – konnten sie nicht in die
Gesellschaft. Jetzt, wo das Thema so
im Zentrum steht, sieht man auch
überall Kopftücher. Sicher hat das
aber auch dazu geführt, dass manche, die kein Kopftuch getragen haben, jetzt von den Ehemännern dazu
aufgefordert werden.
Ein anderes Beispiel ist Ramadan.
Ich bin Atheist und deshalb hat Ramadan für mich eigentlich keine
Bedeutung. Aber es war mir früher
unangenehm, tagsüber mit einem
Sesamring in der Hand durch die
Stadt zu laufen, weil es eine gewisse
Spannung gab und die Menschen gezeigt haben, dass es sie stört. Es wäre
falsch zu sagen, dass diese Situation
komplett aufgehoben ist, aber sie hat
sich in vielen Gegenden von Istanbul
aufgelockert. Abgesehen davon, dass
die derzeitige Regierungspartei AKP
konservativ, rechtsorientiert, liberal
und islamisch ist, kann man sehen,
dass sie gleichzeitig viel offener ist als
viele Sozialdemokraten und Sozialis-
Mahir Günsiray — Mephistanbul
ten. Wobei zu befürchten ist, dass das
nicht immer so bleiben wird. Wenn
nur ihre Vorstellung vom Islam das
Leben bestimmt, dann wird es nicht
so bleiben können.
Ist das nicht ein Widerspruch? Die Religion bestimmt viel stärker als früher
das Straßenbild, aber gleichzeitig gibt es
einen größeren Liberalismus?
Die AKP gibt sich momentan äußerst
demokratisch, offen, progressiv.
Sie verkündet, dass sie Meinungen,
Glauben und Sprachen der anderen
respektiert. Und sie hat in der türkischen Geschichte mit der größten
und mutigsten Arbeit angefangen:
Um das Kurdenproblem zu lösen,
hat sie viele Türen geöffnet. Noch
hat sich nicht viel verändert, aber es
kann sich weiterentwickeln, wenn es
zugelassen wird. Auch das Thema der
Armenier wurde bis heute nie ernsthaft behandelt. Ich denke nicht, dass
sie all das nur machen, um in die
Europäische Union aufgenommen
zu werden. Sie verfolgen viel größere
Projekte: von all diesen politischen
Themen weg zu kommen, um dann
immer reicher und mächtiger zu
werden. Davor habe ich am meisten
Angst.
Was genau macht dir dabei Angst?
Wenn sie diese Macht erhalten,
fürchte ich mich vor den Dingen, die
die Menschen, die sich mit Politik
befassen, dann tun würden.
Welche?
Zum Beispiel könnten sie denken,
dass Demokratie die Kraft der Mehrheit ist.
Also hast du Angst vor der Herrschaft
der Mehrheit?
Ich habe Angst vor einer politischen
Gruppierung, die Macht in der Hand
hält und wächst. Und das als Waffe
nutzt. Wenn man Macht bekommen
hat, möchte man diese Macht auch
behalten und erweitern.
Wie geht ein Theater mit so viel Spannung und Widersprüchen um?
Seit die Türkei im 20. Jahrhundert
moderner und westlicher geworden ist, ahmt das türkische Theater
das westliche Theater nach. Durch
Stand-ups oder Boulevardtheater
wird es im Stadt- und Staatstheater,
aber auch in privaten Theaterhäusern so gemacht. Aus einer gewissen
Sicht passt das Theater eigentlich
nicht zu unserem Leben.
Inwiefern?
Die Türkei ist mit keinem anderen
europäischen Land vergleichbar. Wir
sind in Bildungs-, Gesundheits- und
Kulturangelegenheiten immer noch
sehr rückständig. Für uns Türken
sind die sogenannten Köy-Oyunlari,
die traditionellen Dorfstücke oder
Geschichten, die in Cafés erzählt
werden, viel unterhaltsamer. Man
sitzt um den Tisch herum, es wird
gegessen, getrunken, gesungen, dann
nimmt jemand die Saz von der Wand
und spielt, man erzählt sich Witze.
Das ist unsere Unterhaltung. Wie
„Soll Religion das Leben
bestimmen oder nicht?
Soll sie sich in das Leben einmischen oder
soll man sie im Privaten
ausleben?“
soll das Theater sich da zurechtfinden? Welche Art von Theater kann
es mit diesen Menschen machen? Es
kommt deshalb darauf an, was wir
unter Theater verstehen. Solange wir
das tote, langweilige Theater, das wir
vom Westen kopieren, fortführen,
können wir nicht gewinnen: Vorne
brennt das Licht, eine Tür, ein Fenster, es wird Leben gezeigt. Du sitzt
da und schaust es dir an. Du siehst
Menschen, die sich streiten, die sich
lieben. Egal, wie gut es ist, es kann in
keiner Weise besser und attraktiver
sein, als eine Serie, die man sich zu
Hause im Pyjama auf der Couch im
Fernsehen anschaut. Und in allen
Dörfern der Türkei gibt es zwei Fernseher pro Haushalt und drei Satellitenschüsseln.
Was verleiht dem Theater Bedeutung?
Man muss einen eigenen Weg finden. Mit unserem Tiyatro Oyun Evi
spielen wir, seit es uns gibt, nicht
nur an einem Ort, sondern gehen
86
auf Tournee. Manchmal müssen wir
große Kompromisse eingehen, auf
den Großteil unserer Dekoration
oder auch auf das gesamte Bühnenbild verzichten. Wir haben auf Straßen gespielt. Wir haben uns nicht
nach den Erwartungen der Zuschauer gerichtet. Wir haben Genets „Die
Zofen“ in einer Stadt wie Diyarbakir
gespielt, oder auch Kafka am gleichen Ort. In Hakkari haben wir
in einem Kino gespielt. Wir haben
niemals darüber nachgedacht, dass
die Menschen vielleicht nichts von
Genet verstehen. Aber im Gegenteil: Als wir in Mersin „Die Zofen“
gespielt haben, hat ein 14-jähriger
kleiner kurdischer Junge das Stück
verstanden, der nicht zur Schule gegangen ist. In Istanbul hat es sich ein
Dramaturg angeschaut und es nicht
verstanden. Aber in Mersin kam der
Junge zu mir und meinte „Hey, ihr
spielt großartig! Eure Performance
ist toll.“ Ich habe ihn gefragt, was er
verstanden hat. Er antwortete: „Du
und der andere schmieden Pläne die
Frau umzubringen, aber sobald sie
kommt, könnt ihr nichts unternehmen. Wenn sie weg ist, steht ihr nur
so da.“
Mich hat überrascht, dass es in einer
Stadt wie Istanbul, in der über 15 Millionen Menschen leben, eigentlich keine
Räume für größere Theaterproduktionen gibt. Wie kommt das?
Ich weiß nicht, wie viele von diesen
15 Millionen Menschen wirklich leben. Je nachdem was wir unter „leben“ verstehen!
Das musst du genauer erklären.
Während ein Haushalt von 5000
Euro lebt, muss eine Großfamilie
direkt auf der anderen Straßenseite
von nur 100 Euro leben. Wie sollen
wir jetzt berechnen, wie viele Millionen Menschen „leben“? Früher hatten wir unser Theater im Osten von
Tarlabasi, dem Vergnügungsviertel
von Istanbul. Uns hat nur eine Straße vom Stadtteil Beyoglu getrennt.
Dort waren Kurden, Armenier, Nigerianer, Prostituierte, Transvestiten
– und wir. Damals hat Claude Leon,
unsere Bühnenbildnerin, umsonst
wöchentliche Workshops für Kinder angeboten. Die Kinder, die mit
Mahir Günsiray — Mephistanbul
normalen Schuhen gekommen sind,
konnten sich glücklich schätzen,
denn die meisten kamen bei Schnee
in Plastiklatschen ohne Socken.
Wie geht eine Gesellschaft mit solchen
Unterschieden um?
Wie schon gesagt, es ist ein Wunder,
wie das funktionieren kann. Vielleicht gibt es immer noch Werte, auf
die man hinarbeiten und aus denen
man etwas lernen kann.
Gibt es Werte, die alle verbinden?
Die gibt es, aber das ist ein gefährlicher Punkt. Es gab eine ähnliche
Situation in Jugoslawien, die wir
Pulverfass nennen. Manchmal habe
ich das Gefühl, dass auch die Türkei
auf einem Pulverfass sitzt. Eine Kleinigkeit könnte jeden Augenblick eine
Explosion verursachen. Die Werte,
die aus dem traditionellen Bereich
kommen, sind zwar einerseits gut,
können aber auch zugunsten von Faschismus oder auch Nationalismus
ausgenutzt werden. Und der Mann in
der Türkei braucht Liebe. Nicht nur
in der Gesellschaft, sondern auch
innerhalb der Familie. Er wächst
ohne Geld, mit Gewalt und Druck
auf. Einerseits herrscht Druck von
der Mutter, andererseits vom Vater.
„Der Mann braucht Liebe“ – Welche
Rolle spielt Männlichkeit überhaupt in
der türkischen Gesellschaft?
Der Mann in der Türkei verfügt über
mehr Rechte als die Frau. Es ist sehr
einfach und durchaus möglich, dem
mit einem modernen feministischen
Ansatz zu begegnen, aber das löst die
Sache nicht. Es isoliert den Mann
noch mehr.
Halten wir also fest: Der Mann hat
mehr Rechte, aber es scheint ihn nicht
glücklich zu machen. Was verhindert
denn, dass er Liebe bekommt?
Er weiß nicht, was Liebe ist. Frauen
wissen viel besser, was Liebe und
Emotionen sind. Der Mann wächst
damit auf, beides zu unterdrücken.
Aber gleichzeitig sucht er danach?
Natürlich. Er sucht sie, kennt sie
aber nicht. (lacht) Aber ich dachte,
wir reden darüber, wie ich früher am
Set die Mädels geküsst habe.
Wie war das, als du am Set die Mädels
geküsst hast?
Mit sechs Jahren habe ich meinen
ersten Film gedreht. Ich habe versucht alle Frauen am Set zu küssen.
Daraufhin hat mir mein Vater verboten Filme zu drehen.
Dein Vater ist ein sehr bekannter Filmschauspieler gewesen. Wie hat das deine Arbeit beeinflusst?
Bis ich sieben oder acht Jahre alt war,
gab es eine Zeit, in der mein Vater
ein großer Star war. Eines Tages hat
ein wichtiger Schauspieler, der ein
sehr guter Freund meines Vaters war,
Selbstmord begangen. Die Produzenten haben ihm sein Geld nicht
gegeben und deshalb geriet er in eine
schlimme Phase und nahm sich das
Leben. Daraufhin hat mein Vater
eine Pressekonferenz veranstaltet
und das Kino komplett aufgegeben.
Obwohl er einer der Großverdiener
des türkischen Kinos war, hatte er
„meinen ersten Bühnenauftritt hatte ich in einer gelben Leggings im
Garten des Archäologischen Museums.“
plötzlich nichts mehr in der Hand.
Er hat immer sehr spendabel gelebt.
Ich selbst bin bei meiner Oma unter
wirtschaftlich eingeschränkten Verhältnissen aufgewachsen. Es kann
sein, dass die Einsamkeit in meiner
Kindheit mich dazu verleitet hat,
Schauspieler zu werden. Obwohl ich
ein gesundes und temperamentvolles
Kind war, hatte ich die Einsamkeit
eines Pinguins in mir. Die Stücke, die
ich in meinem Zimmer allein gespielt
habe, waren wohl der Ursprung.
Und wie bist du zum Film gekommen?
Hat dich dein Vater mitgebracht? Oder
hast du das gegen den Willen deines Vaters getan?
Mit sechs Jahren ist es natürlich
durch meinen Vater passiert. Aber ich
bin mit 17 von zu Hause ausgezogen.
Ich habe als DJ gearbeitet, als Bagboy
in der Kleidungsbranche, habe eine
Ausbildung zum Hotelfachmann
89
absolviert und Lexika vermarktet.
Eines Nachts kam ein Mann in die
Bar, in der ich als DJ aufgelegt habe.
Er fragte, ob wir mal sprechen könnten. „Sie sind doch der Sohn von
Orhan Günsiray, wir würden gerne
einen Film mit Ihnen drehen“, sagte
er. Am nächsten Tag war ich in der
Produktionsfirma und habe meinen
zweiten Film gedreht. Danach habe
ich gedacht, dass ich Schauspiel lernen muss. Bevor ich aufs Konservatorium gegangen bin, habe ich mit
Ballett angefangen und gemodelt.
Ich stand für eine berühmte Marke
auf dem Laufsteg und meinen ersten Bühnenauftritt hatte ich in einer
gelben Leggings mit Frauen im Arm
im Garten des Archäologischen Museums.
Bist du Schauspieler geworden, obwohl
dein Vater so berühmt war, oder weil
dein Vater so berühmt und selbst ein erfolgreicher Schauspieler war?
Wenn ich Schauspieler werde, kann
ich die Mädels besser erobern, habe
ich mir gedacht. (lacht)
Wie blickt man von Istanbul aus auf
Europa? Fühlt man sich dort Europa
zugehörig?
Es gab in der Türkei immer ein gewisses Interesse und Fortschritte bezogen auf Europa. Das geht bis zurück
ins Osmanische Reich. Die Türken
sind sowieso nie zur Ruhe gekommen, sie wollten immer überall hin.
Wenn Europa heute die Türen öffnen
würde, dann würden aus der Türkei
alle mit Sack und Pack auf den Autos nach Europa fahren. Aus reiner
Neugier. Auch ich würde garantiert
kommen, um an einer Autobahn zu
picknicken.
Glaubst du also, dass es so kommen
wird, sobald die Türkei zu Europa gehört? Dass es eine Wanderung von der
Türkei weg geben wird?
Nein, denn bevor die Menschen in
unserem Land nicht verschwinden,
können wir nicht in die Europäische
Union. So lange aber diese Menschen existieren, werden die Türen
geschlossen bleiben.
Was verbindest du mit Deutschland?
Ich mag die Ruhe, die hier herrscht.
Manchmal kann es auch langweilig
sein, dass alles so ordentlich ist. Aber
andererseits bleibt auch viel Zeit übrig, um nachzudenken, weil du dich
nicht permanent mit anderen Dingen beschäftigen musst. In Istanbul
hast du keine Zeit zum Nachdenken.
Du musst ständig etwas machen und
kämpfen. Wann kommt der Bus?
Kommt der Bus oder nicht? In welche Straße muss ich abbiegen? Bekomme ich ein Taxi oder nicht? Wird
es einen Umweg fahren? In welchem
Supermarkt kann man olivenöl zu
welchem Preis kaufen? In einem
Geschäft kannst du Toast für 9 Lira
kaufen, in dem Laden gegenüber bekommst du ihn für 1 Lira. Selbst in
einem Supermarkt kann man nicht
in ruhe einkaufen gehen.
Mit dem ruhrgebiet verbinde
ich aber auch die Zeit, in der ich
als Schauspieler mit roberto ciulli
zusammen gearbeitet habe und die
mein Leben verändert hat. Denn ich
habe gemerkt, dass alles, was ich bis
dahin über Schauspielerei und Theater wusste, nur Müll war. Das war
1994 und wie ein naives Kind habe
ich mich danach wieder mit Schauspiel und Theater auseinandergesetzt. Seitdem habe ich immer davon
geträumt, eines Tages wieder am
Theater an der ruhr als Schauspieler
oder regisseur zu arbeiten. Dazu ist
es nicht gekommen, aber dafür verwirkliche ich jetzt in demselben Gebiet einen ähnlichen Traum.
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit deutschen Schauspielern am Schauspielhaus Bochum.
Und ich bin beides geworden.
Soll man also besser auf seinen Vater
hören?
Nein. Ich bin sehr glücklich darüber,
unglücklich zu sein.
AUS DEM TürKIScHEN VoN SELEN KArA
mahir Günsiray
wurde in Istanbul geboren. Er stammt
aus einer bekannten türkischen Schauspielerfamilie. Nach seinem Abschluss
an einer Schauspielschule in der Türkei
machte er seinen Masterabschluss in
Regie an der Universität Leeds, Großbritannien und studierte an der Fakultät für bildende Künste an der Mimar
Sinan Universität Istanbul. Er lehrte
Bewegung, Improvisation, Schauspiel
und Regie an den Fakultäten für Theater
und darstellende Künste an verschiedenen Universitäten. 1986 begann er als
Schauspieler am türkischen Staatstheater zu arbeiten und gründete 1996 in
Istanbul die freie Theatergruppe Tiyatro
Oyunevi, mit der er als Regisseur zahlreiche Stücke und Romanbearbeitungen
inszenierte, in denen er teilweise auch
selber mitspielte. Darunter “Mann ist
Mann” von Brecht, “Die Zofen” von
Genet und “Don Quixote” von Cervantes. Seine letzte Produktion “Waiting...” entstand als Koproduktion mit
dem internationalen Seas-Festival und
wird in verschiedenen europäischen
Hafenstädten gezeigt.
Was hat das für dich bedeutet, als dein
Vater das Schauspiel aufgegeben hat?
War das auch für dich ein entscheidender Schnitt im Leben?
Ich habe erst viel später realisiert,
dass er aufgehört hat. Aber er war von
Anfang an dagegen, dass ich Schauspieler werde. Wir hatten schon immer ein sehr schlechtes Verhältnis
zueinander. Als ich im Konservatorium angefangen habe, sollte er ein
Formular für mich unterschreiben.
Aber er hat es nicht getan und ich
musste es mir von meinem opa unterschreiben lassen. Er sagte „Wenn
du diese Schule besuchst, wirst du
unglücklich und ein Kommunist!“
90
Faust
von Johann Wolfgang von Goethe
Premiere am 4. Dezember 2010 im Schauspielhaus
Seine Suche nach Glück und Erkenntnis hat ihn weltbekannt gemacht: Wie kaum eine andere Figur der Weltliteratur stellt Goethes Faust die großen letzten Fragen nach
Gut und Böse, nach dem Wesen der religion, nach Wahrheit, Grund und Sinn des Menschseins und nach Liebe.
Und weil ein Menschenleben allein nicht ausreicht, um all
das zu ergründen, was „die Welt im Innersten zusammenhält“, verbündet sich dieser Glückssucher mit dem Teufel
selbst – und bleibt dabei doch nur ein rädchen im Spiel der
Großen und Höchsten, und bei deren zynischer Wette Gegenstand und Einsatz zugleich. Mit seinem Faust entwirft
Goethe aber auch die deutscheste aller literarischen Figuren, die tief in der deutschen Geistesgeschichte verwurzelt
ist. Im ersten Teil seines Lebenswerkes schickt er Faust als
den Prototyp des zweifelnden Intellektuellen auf die reise
durch eine Welt der Verführung, immer auf der Suche nach
dem einem, dem glücklichen Lebensmoment. Im späteren,
zweiten Teil lässt er Faust dann selbst eine Welt erschaffen
und daran scheitern, voller utopischer Hoffnung alle Gegensätze auszusöhnen und zu einem klassischen Lebensideal zusammenzuführen.
Der Istanbuler regisseur Mahir Günsiray verbindet beide Teile und blickt vom südlichsten rand Europas auf den
Goetheschen Kosmos und seinen Protagonisten. Nicht
auszuschließen, dass sein Faust ganz andere Fragen hat
oder andere Antworten auf die bekannten Fragen findet.
oder einfach nur nach Süden wandert.
Regie: Mahir Günsiray
Bühne: Claude Leon
Kostüme: Meentje Nielsen
Dramaturgie: Thomas Laue
Katharina Thalbach — Zeitreise
Zeitreise
Text: Sabine Reich
Fotos: Leonie Droste und Stefania Tosi
92
Katharina Thalbach — Zeitreise
Ein Spaziergang mit Katharina Thalbach durch Venedig,
bei dem man sich zwar verlaufen kann, aber immer weiterkommt.
Ezio Toffolutti, geboren 1944 in Venedig, ist Bühnenbildner, Kostümbildner, Regisseur und Maler.
2
Ulrich Tukur, deutscher Schauspieler
3
Coline Serreau, französische Filmemacherin
und Drehbuchautorin. Ihr Film „Drei Männer
und ein Baby“ (1986) wurde ein internationaler
Erfolg wie auch ihr Bühnenstück „Hase Hase“, das
Benno Besson 1986 mit Katharina Thalbach in der
Hauptrolle inszenierte. Sie arbeitete und lebte viele
Jahre mit Benno Besson zusammen, mit dem sie
drei Kinder hat.
4
Benno Besson, Schweizer Schauspieler, Regisseur
und Theaterleiter. Er ist der Vater von Katharina
Thalbach, ihre Mutter war die Schauspielerin
Sabine Thalbach.
5
Ostberlin, das Gebiet Berlins, das nach der Teilung
der Stadt durch die Siegermächte des Zweiten
Weltkrieges 1945 den sowjetischen Sektor bildete.
Faktisch Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik von 1949 bis 1990.
1
„In Venedig fällt einem immer was
ein“, sagt Katharina Thalbach, als
sie mich für die Vorbereitungen zu
ihrer Inszenierung des „Cyrano de
Bergerac“ nach Venedig einlädt. Katharina Thalbach in Venedig? Berlin,
das ist doch ihre Stadt. In Berlin ist
sie geboren, in Berlin lebt sie. Mit
fünfzehn steht sie das erste Mal auf
der Bühne des Berliner Ensembles,
ist dort Elevin und Schauspielerin,
1976 wechselt sie von Ost nach West,
spielt und inszeniert auf den Bühnen
der Stadt, spielt Brecht und Hauptmann. Sie dreht mit Schlöndorff „Die
Blechtrommel“ und mit Haußmann
„Sonnenallee“. Eine sehr deutsche
Biografie, denkt man, und ein Stück
deutscher Theatergeschichte. Doch
ein Teil ihrer Geschichte findet seit
Jahren in Venedig statt, der Rest in
ganz Europa. „Einmal im Jahr bin ich
hier in Venedig“, erzählt sie. „Früher
war ich in Venedig, weil mein Vater
hier lebte. Oft bin ich aber hier, um
Ezio Toffolutti1 zu sehen. Ich kenne
viele Leute, die hier leben: Meine
Halbschwester lebt hier, Ulrich Tukur2 zum Beispiel, und dort ist das
Haus von Coline Serreau3.“
Ihr Vater Benno Besson4 stammt
aus der französischen Schweiz, kam
aus Zürich nach Ostberlin5, um am
Berliner Ensemble an der Seite von
Brecht Theater zu machen. Er führte
erfolgreich Regie, verließ jedoch nach
Konflikten das Berliner Ensemble,
wechselte ans Deutsche Theater und
übernahm 1974 die Leitung der Volksbühne Berlin, die unter seiner Intendanz zur wichtigsten Bühne der DDR
wurde. 1978 verließ er die DDR, ging
nach Paris und inszenierte anschließend in ganz Europa. An seiner Seite
93
arbeitete immer wieder der venezianische Kostüm- und Bühnenbildner
Ezio Toffolutti. Auch ihn interessierte
das politische Theater Brechts, dafür
tauschte er 1971 das sonnige Venedig gegen Ostberlin. „Grau war es,
sehr grau“, erinnert sich Ezio an seine ersten Jahre in Deutschland, „aber
das Theater war sehr aufregend.“
Heute entstehen in seinem Atelier
in Venedig die Bühne und Kostüme
für „Cyrano de Bergerac“. Seit vie-
„Theater hat mit Vergnügen zu tun. Es ging
um die groSSe Forderung, Theater für alle
zu machen.“
len Jahren schon arbeitet Katharina
Thalbach mit Ezio und beschreibt ihr
Verhältnis als ein sehr besonderes.
„Ezio und ich haben eine gemeinsame Sprache und natürlich eine gemeinsame Geschichte. Wir müssen
uns nicht mehr erklären. Ezio hat die
DDR kennen gelernt, besonders auch
die Theaterwelt in der DDR, daher
weiß er, was meine Wurzeln sind. In
Venedig habe ich seine Wurzeln kennen gelernt. Inzwischen sind das unsere Wurzeln, weil ich seit 25 Jahren
immer mit Venedig zu tun habe. Das
ist eine Symbiose geworden.“
Sie erinnert sich an die erste Zeit,
als Ezio nach Berlin kam und kaum
ein Wort Deutsch konnte. Er begann
als Hospitant und machte schnell
Karriere.
„Ich kenne Ezio, seit ich 17 Jahre alt bin. Todschick! Das war mein
Katharina Thalbach — Zeitreise
erster Eindruck, als Ezio damals nach
Ostberlin kam. Er sah todschick aus.
Das war die Zeit der taillierten Hemden damals. Für mich war Ezio, um
es mal ganz ehrlich zu sagen, die große weite Welt. Ein Venezianer in Berlin – das kann man sich ja vorstellen,
dass das einigermaßen Aufsehen erregte. Er konnte total anders Spagetti
kochen. Die haben zum ersten Mal
geschmeckt!“
Das alles erzählt sie auf dem Weg
ins „Cinema Toffolutti“, der neuesten Erfindung von Ezio: ein altes, leer
stehendes Kino dient ihm seit einem
Jahr als Atelier und Ausstellungsraum. Einstmals befand sich in den
Räumen ein Parteibüro der Kommunistischen Partei, danach eines der
Faschisten, dann wurde es zu einem
Kino, bevor es viele Jahre leer stand.
„Ein Venezianer in Ostberlin – das erregte einigermaSSen Aufsehen!“
„Heute müssen wir ein Vaporetto
nehmen, um ins Atelier zu kommen,
aber früher hatte Ezio eine eigene
Gondel, die er selber restaurierte.
Damit ruderte er uns oft nach Giudecca6.“
Der Venezianer Toffolutti und der
Schweizer Besson haben im Ostberlin der siebziger Jahre eine eigene Art
von Theatersprache entwickelt, die
ein Stück Commedia dell’Arte nach
Preußen brachte. „Bennos Theaterverständnis war ein sehr ungewöhnliches, auch in der DDR. Aus der
französischen Schweiz kommend,
war er mit einer ganz anderen Art
von Theater groß geworden. Seine
Lehrzeit begann in Paris, geprägt von
Arbeiten wie ‚Kinder des Olymp’ 7.
Mit den Leuten, die diesen Film
machten, hat er gearbeitet. Diese
Qualität schätzte auch Brecht sehr
an Benno. Er war aber nicht nur der
pedantische Brechtschüler, sondern
bei ihm hatte Theater auch etwas
mit Vergnügen zu tun. Das habe ich
von Benno gelernt. Nie trockenes Lehrtheater. Ob das nun Brecht
oder Shakespeare ist, egal. Es ging
um die große Forderung, Theater für
alle zu machen. Es war ja nun mal
schwierig damals und man wollte
ein politischer Spiegel sein. Von der
Bühne wurde die öffentliche Meinung verkündet und vom Publikum
verstanden. Es war eine ganz eigene
Art von Volkstheater. Benno hat zum
Beispiel diese Spektakel erfunden
und in allen Räumen und Gängen
Theater gespielt. Das war neu, als wir
jung waren. Wir haben Stücke innerhalb von einer Woche auf die Bühne
gebracht, von jungen Autoren, deren Texte wir so auf Brauchbarkeit
überprüften. Das waren Autoren wie
Thomas Brasch8, aber auch Heiner
Müller9. Das Feuilleton war sowieso
wurscht, was das Publikum dachte,
das war viel interessanter. Diese Haltung hat uns geprägt. Benno hat sehr
viele Leute zugelassen und gefördert,
Künstler wie zum Beispiel Karge/
Langhoff10. Das hatte alles mit einer
großen Großzügigkeit zu tun, aber
vor allem mit einem Riesenspaß! Das
haben wir sicher mitgenommen.“
Katharina Thalbach verließ, wie
auch ihr Vater und viele andere, Ende
der siebziger Jahre die DDR. Unter ih-
94
Giudecca: Die langgestreckte, südlich von
Venedig gelegene Insel befindet sich gegenüber dem
„Zattere” und ist von Venedig durch den Canale
della Giudecca getrennt. Die Giudecca ist heute
überwiegend von Arbeitern und einfacheren Leuten
bewohnt, erfreut sich mittlerweile aber wachsender
Beliebtheit bei der internationalen Prominenz.
7
„Kinder des Olymp“, französischer Spielfilm,
gedreht 1943 bis 1945 von Marcel Carné, Drehbuch
Jacques Prévert. Der Film gilt als herausragendes
Beispiel des poetischen Realismus in Frankreich.
8
Thomas Brasch, deutscher Schriftsteller, Dramatiker, Drehbuchautor, Regisseur und Lyriker. Er
war 1976 Mitunterzeichner der Resolution gegen
die Ausbürgerung von Wolf Biermann und verließ
daraufhin zusammen mit Katharina Thalbach und
ihrer Tochter Anna Thalbach die DDR. Er erhielt für
seine Filme und Texte zahlreiche Auszeichnungen
und Preise. Er starb 2001 in Berlin. Thomas Brasch
war der Lebensgefährte von Katharina Thalbach.
9
Heiner Müller, deutscher Schriftsteller, 19291995, wichtiger Autor der DDR, schrieb Theaterstücke und führte selber Regie.
10
Matthias Langhoff und Manfred Karge, Theaterregisseure
6
Foto: Emanuel Hauptmann
Katharina Thalbach — Zeitreise
Christoph Waltz, österreichischer Schauspieler,
der 2010 den Oscar für seine Rolle des Hans Landa
in dem Film „Inglourious Basterds“ von Quentin
Tarantino erhielt.
12
„Macbeth“ von William Shakespeare, erste
Regiearbeit von Katharina Thalbach 1987 in der
Werkstattbühne des Berliner Schillertheaters.
11
nen auch die beiden Regisseure Matthias Langhoff und Manfred Karge,
die in den frühen 1970ern bei Benno Besson an der Volksbühne inszenierten, wo sie mit Regisseuren und
Autoren wie Fritz Marquardt, Heiner Müller und anderen namhaften
DDR-Künstlern die berühmte Volksbühnenära nach 1945 prägten. 1977,
nach dem Weggang des Intendanten
Benno Besson, arbeiteten und lebten
Karge/Langhoff im Westen. In Bochum, wo sie unter der Leitung von
Claus Peymann regelmäßig inszenierten, brachten sie die Arbeiten
von vielen Künstlern aus der DDR
auf die Bühne und machten sie in
Westdeutschland bekannt, so zum
Beispiel Thomas Brasch mit seinem
Stück „Lieber Georg ...“ (Uraufführung 1980) sowie Heiner Müller
(1983, „Verkommenes Ufer ...“).
Zusammen mit Thomas Brasch
lebte Katharina Thalbach in Westberlin und verlor Ezio Toffolutti für einige Zeit aus den Augen. „Die nächste
große Begegnung war dann wieder
in Zürich, als Benno dort ‚Hamlet’
inszenierte, mit Christoph Waltz 11
als Hamlet und mir als Ophelia. Das
war 1983. So kamen wieder die Tücher von Ezio auf die Bühne. Dann
haben wir das erste Mal hier in Venedig zusammen gearbeitet, um ‚Macbeth’12 vorzubereiten. Das war meine
erste Regiearbeit und ich brauchte
jemanden, der mit einem kleinen
Etat etwas Besonderes bauen konnte.
Für mich kam nur Ezio in Frage. Als
Venezianer arbeitet Ezio eigentlich
immer mit Schiffsprinzipien. Er erklärte uns, dass die ersten Techniker
im Barocktheater Matrosen gewesen
waren. Die Theatermaschine mit ih-
95
ren schnellen Wechseln ist gemacht
wie ein Schiff mit vielen Segeln. So
wie die Matrosen die Segel setzten
mit Stoff und Seilen, so hat Ezio auf
der Bühne Räume gewechselt und
verändert. Mit ‚Macbeth’ wurden
wir zu Gastspielen in ganz Europa
eingeladen.“
Seitdem arbeitet Katharina Thalbach europaweit als Schauspielerin
und Regisseurin: Sie steht auf der
Bühne in Paris und Zürich, inszeniert „Die Fledermaus“ am Teatro
Sao Carlos in Lissabon, spielt in internationalen Filmproduktionen,
doch Venedig bleibt eine ganz wichtige Station. „Venedig ist die lebendigste Stadt der Welt. Du hast eine
besondere Beziehung dort zu dem
Raum, in dem du bist. In Venedig
arbeitet man anders als in anderen
„Ich habe mich auf meiner ersten Reise nach
Venedig wirklich gefürchtet vor der Stadt.
Man fühlt sich hier wie
in einem Zeittunnel, zurückversetzt in die Geschichte.“
Städten. Das liegt an vielen Dingen,
aber auch an der Lagune. Es gibt keine Stadt auf der Welt, wo die Natur
zweimal am Tag die Stadt verändert:
es gibt hier Ebbe und Flut. Die Lagune ist lebendig. Auch die Häuser leben, sind ständig in Bewegung. Das
Wasser wechselt durch das Salz die
Farbe, das Licht und die Perspektive
ändern sich. Diese Stadt ist gebaut
wie ein Organismus, ist ein lebendiger Körper und ein Labyrinth.“
Das stimmt – gerade jetzt haben
wir uns verlaufen. Für 2,50 € kaufen wir einen Stadtplan, auf dem
wir den Namen der Straße, in der
wir Ezios Wohnung vermuten, nicht
finden. Irgendwie in diese Richtung,
hier kann kein Weg der falsche sein
und wen interessiert schon das Ziel,
wenn es an jeder Ecke Schönes aus
allen Jahrhunderten, Zeiten und
Epochen zu entdecken gibt. Sich verlaufen, komplett die Orientierung
verlieren, auf schwankendem Boden
stehen und dann doch weiterkommen, wohin auch immer, ist eine
sehr typische Erfahrung in Venedig.
Dass weiß auch Katharina Thalbach.
„Meine erste Touristenreise ging
nach Venedig und endete irgendwann nachts im Canale Grande. Das
war eine sehr bedeutsame erste Reise, weil ich mich wirklich gefürchtet
habe vor dieser Stadt. Man fühlt sich
Cyrano
de
Bergerac
von Edmond Rostand
Premiere am 29. Januar 2011 im Schauspielhaus
Katharina Thalbach
hier wie in einem Zeittunnel, wird
zurückversetzt in die Geschichte. Damals war die Stadt noch viel ruhiger,
es gab nur einen Maskenladen am
Markusplatz. Wenn wir jetzt wieder
ein Vaporetto nehmen und von Giudecca nach Venedig fahren, kommen wir direkt zu San Marco. Die
Seufzerbrücke ist zur Zeit gar nicht
mehr zu sehen, die ist eingemauert
hinter riesigen Bulgari-Plakaten.“
Was kann schon ein Bulgari-Plakat der Schönheit Venedigs anhaben? Die alte Stadt zuckt die Achseln
und lacht. Wir haben uns wunderbar verlaufen und Ezios Wohnung
gefunden. Darin wartet auf uns das
Modell für die Bühne von „Cyrano
de Bergerac“. In wenigen Monaten
schon beginnen die Proben. Der
Schauspieler Armin Rohde wird als
Cyrano seine eigene Reise antreten,
nicht nach Venedig, aber zum Mond
vielleicht. Venezianische Wechsel
garantiert.
„Kathi ist die Bühne. Wenn sie auf der
Bühne ist, passiert etwas“, sagt Ezio
Toffolutti über Katharina Thalbach.
Sie ist Schauspielerin, dreht Filme
und steht auf der Bühne, ist aber auch
seit vielen Jahren Theater- und Opernregisseurin. Im Westen wurde sie 1979
durch den Film „Die Blechtrommel“
von Volker Schlöndorff berühmt, in der
DDR war sie schon lange ein Star. Sie
wurde 1954 in Ostberlin geboren und
ist die Tochter des Regisseurs Benno
Besson und der Schauspielerin Sabine Thalbach. Sie war Elevin am Berliner Ensemble bei Helene Weigel und debütierte mit 15 Jahren als Hure Betty in
„Die Dreigroschenoper“. Bis 1976 folgten weitere erfolgreiche Auftritte an den
großen Ostberliner Bühnen und verschiedene Rollen in zehn DEFA-Filmen.
Im Jahr 1976 siedelte Katharina Thalbach nach Westberlin über. Sie arbeitete
weiterhin am Theater mit den Regisseuren Thomas Brasch, Jürgen Flimm,
Benno Besson, Hans Neuenfels, Jérôme
Savary und Leander Haußmann, mit
dem sie 1999 den Film „Sonnenallee“
drehte. Ihr Debüt als Regisseurin
gab sie 1987 mit Shakespeares „Macbeth“ in Berlin am Schillertheater, wo
sie viele Jahre engagiert war. Zu ihren
Inszenierungen gehörte auch „Der
Hauptmann von Köpenick“ am Maxim
Gorki Theater mit Harald Juhnke in der
Hauptrolle. Ihre letzten Operninszenierungen waren 2008 „Rotter“ an der
Oper Köln und 2009 „Der Barbier von
Sevilla“ an der Deutschen Oper Berlin.
Für ihre Arbeiten erhielt sie zahlreiche
Film- und Theaterpreise.
97
Ein Unzeitgemäßer war er, ein Freigeist und Erfinder, ein
Poet und ein großer Utopist. Cyrano de Bergerac lebte von
1619 bis 1655. In seinen Schriften reiste er zur Sonne und
zum Mond und wusste genau, dass der Mond eine Welt
unter vielen ist, so wie die Erde, die sich bewegt und um die
Sonne kreist. Das war vermessen und mutig in einer Zeit,
in der Galileo widerrufen musste und die Scheiterhaufen noch schwelten. Keine Regel respektierte er und kein
Gesetz, am wenigsten das der Kirche. Scharf waren sein
Degen und sein Verstand, sein Witz und sein Geist. Wen
wundert es, dass dieses heiße Herz sich mit allen anlegte,
mehr Feinde als Vertraute hatte und aller Wahrscheinlichkeit nach einem Anschlag zum Opfer fiel. Seine Schriften
verschwanden und wir wissen nicht viel mehr über ihn als
das, was Edmond Rostand in seinem Stück „Cyrano de Bergerac“ 1897 über ihn verewigt hat. Ob es Roxanne wirklich
gab, das wissen wir nicht, aber wir glauben ganz sicher an
die Reinheit und Tiefe seiner Liebe zu ihr, die er verschwieg
ein Leben lang. Im Namen seines Freundes fand er die
schönsten Worte der Liebe, schrieb die leidenschaftlichsten Briefe und gestand doch niemals, dass es sein eigenes
Herz war, das sprach. Noch eines wissen wir: er hatte eine
große Nase. Armin Rohde spielt den Cyrano de Bergerac in
der Regie von Katharina Thalbach.
Regie: Katharina Thalbach
Bühne und Kostüme: Ezio Toffolutti
Musik: Emanuel Hauptmann
Dramaturgie: Sabine Reich
In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität
Jan Klata
auf dem weg nach amerika
Jan Klata — auf dem weg nach amerika
Polen macht seine
Theatermacher zu
Stars, die auf der
StraSSe erkannt
werden. Der
Theaterkritiker
Roman PawŁowski,
der für die gröSSte
Tageszeitung des
Landes schreibt,
portrÄtiert einen
von ihnen und zeigt,
warum das Theater
des Regisseurs Jan
Klata zwischen Pop,
Poesie und Politik für
Aufregung weit über
den zuschauerraum
hinaus sorgt.
Text: Roman Pawłowski
Fotos: Christian Rolfes
Linker Katholik, konservativer Rebell, klassikaffiner Punk – nicht nur
Talent und eine bildmächtige Fantasie, auch seine widersprüchliche
Persönlichkeit machen Jan Klata zu
einem der interessantesten Regisseure des europäischen Gegenwartstheaters.
Klata ist das Kind einer von Paradoxien geprägten Zeit. Seine Generation sah bekennende Marxisten, mit
Michael Gorbatschow an der Spitze,
den Kommunismus zu Grabe tragen.
Sie erlebte mit, wie einstige Parteigenossen und ehemalige Dissidenten
Hand in Hand ein neues System unter marktliberalen Vorzeichen errichteten. Und sie debütierte zu einem
Zeitpunkt, an dem islamistische Fanatiker die Geschichte, die 1989 zum
Stillstand gekommen schien, wieder
ins Rollen brachten.
Wer wie Klata in einem Schmelztiegel widersprüchlicher Ideen, Traditionen und Ideologien aufwuchs,
ist meist vor allem eines: kritisch. Er
traut weder den Sympathisanten des
Ancien Régime, noch den Propheten
der schönen neuen Welt. Er steht
den Sozialutopien des vergangenen
Jahrhunderts ebenso skeptisch gegenüber wie den liberalen und neoliberalen Dogmen des neuen. Er sucht
eigene Wege durch eine von Spannungen und Konflikten geprägte globalisierte Welt – auf eigene Faust und
auf eigenes Risiko.
Genau so ist auch Jan Klatas Theater. Schon mit seinem Regiedebüt
stellte er den polnischen Status quo
in Frage, der auf Abmachungen zwischen Vertretern der einstigen Opposition und den zu Postkommunisten
gewendeten Repräsentanten der alten volksrepublikanischen Nomenklatura beruhte. In Wałbrzych, einer
abgewirtschafteten Bergbaustadt in
der niederschlesischen Provinz, versetzte er 2003 Gogols „Revisor“ ins
kommunistische Polen der 1970er
Jahre. Die nach dem damaligen Premier Gierek benannte Epoche, eine
Zeit des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts und der
Öffnung nach Westen, aber auch
der Korruption und des politischen
Zynismus, diente Klata als Zerrspiegel für das von politischen Affären,
Arbeitslosigkeit und Korruption ge100
plagte Polen der Gegenwart.
Spätere Inszenierungen führten
die radikale Kritik an den Verhältnissen im postkommunistischen Polen
fort. Seine schlicht „H.“ betitelte
Hamlet-Version in der Danziger
Werft 2004 war eine Abrechnung
mit den politischen Eliten des Landes, denen nach 1989 im Kampf um
Macht und Pfründe das Ethos der
gesellschaftlichen Solidarität abhanden gekommen war. Schon der
Spielort symbolisierte den Verfall:
Eine heruntergekommene Halle in
der ehemaligen Lenin-Werft, der
Wiege der „Solidarność“ und einem
der ersten Opfer der kapitalistischen
Marktwirtschaft.
Den Regisseur Jan Klata interessiert aber keineswegs nur die Gegenwart, er setzt sich auch mit der Vergangenheit auseinander. In seiner
Fassung von Stanisław Ignacy Witkiewiczs „Fizdejkos Tochter“ legte er die
latenten, anlässlich des polnischen
EU-Beitritts wieder aufgebrochenen
Ängste und Psychosen von Polen
und Deutschen offen. Die Deutschen zeigte Klata als Technokraten,
denen immer noch die Gespenster
von Auschwitz nachspuken. Die Polen wiederum präsentierte er dem
deutschen Stereotyp entsprechend
als betrunkene Arbeitslose, die ihre
Habseligkeiten in Plastiktüten mit
sich herumschleppen. „Transfer!“,
eine auf Erzählungen polnischer und
deutscher Opfer der Vertreibungen
um 1945 basierende Theaterdokumentation, zeigte dagegen die Perspektive einer Versöhnung auf, in
der das Leid des anderen anerkannt
wird, ohne die historischen Fakten
und die Differenz der Erfahrungen
zu leugnen.
Mit der Zeit erweiterte Klata die
Kampfzone und wandte sich globalen
Themen zu. Er befasste sich mit dem
Krieg gegen den Terrorismus und den
Mechanismen der Erzeugung von
Furcht, er kritisierte die Mediendemokratie, in der Medien und Meinungsforschungsinstitute die Macht
übernommen haben, er fragte nach
dem Sinn von Revolutionen in einer postpolitischen Welt, die keine
Klassenkonflikte mehr kennt. Und
mitten in der Finanzkrise analysierte er 2009 in „Das gelobte Land“ die
Jan Klata — auf dem weg nach amerika
kranke „Geiz ist geil“-Mentalität des
neoliberalen Kapitalismus.
Das treffendste Bild der postmodernen Welt zeichnete Klata in
seiner Inszenierung von Stanisława
Przybyszewskas epischem Drama
„Die Sache Danton“. Er verlegte die
Handlung in einen Slum unserer
Zeit, ließ die Revolutionäre aber in
Kostümen des 18. Jahrhunderts auftreten. Zwischen Hütten aus Pappe
und Wellblech wirkte Robespierres
und Dantons verbissenes Ringen um
die Führerschaft grotesk, die Revolution wurde zur Farce. Eindrücklicher
lässt sich ein Abgesang auf die Ideale
der französischen Revolution kaum
gestalten.
Klata entwickelt seine Kapitalismus- und Utopiekritik aus der
Position des bekennenden und engagierten Katholiken. Sein Danziger
Hamlet zog auf Polonius’ Frage „Was
leset Ihr, mein Prinz?“ ein Gotteslob
aus der Tasche und zitierte aus den
Zehn Geboten. Als gläubiger Katholik – einer von sehr wenigen in
der gegenwärtigen Theaterlandschaft
– steht er gleichwohl dem in Polen
weit verbreiteten religiösen Fanatismus äußerst kritisch gegenüber. Das
zeigt seine Adaption von André Gides
Roman „Die Verliese des Vatikan“,
in der er religiösen Fanatismus und
westlichen Nihilismus konfrontierte.
Auf der einen Seite standen die Hörer
des ultrakatholischen Senders Radio
Maryja, die sich in einer Festung der
Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit verschanzten, auf der anderen
Seite Jugendliche, die durch Popkultur und antikirchliche Einstellungen
geprägt wurden. Klata ließ sie ihren
Streit musikalisch austragen: Die einen sangen ein Madonnenlied, die
anderen antworteten mit „Sympathy for the Devil“ von den Rolling
Stones.
Der politischen Radikalität Klatas
entspricht die Radikalität seiner Theatersprache. Jan Klata ist ein DJ auf
dem Regiestuhl: Er scratcht Inszenierungen, indem er klassischen Stücken Gossensprache untermischt,
er loopt Repliken, um den Effekt
stillstehender Zeit zu erreichen, er
sampelt die unterschiedlichsten Texte und lässt etwas Neues daraus entstehen. Eine Schlüsselrolle in seinen
Inszenierungen spielen Musikzitate:
In „Die Sache Danton“ sind es „Revolution No. 9“ von den Beatles und
„Talkin’ bout a Revolution“ von Tracy
Chapman, in „Schuster.am.Tor“ ist
es „London Calling“ von The Clash,
und in „Das gelobte Land“ ist „In the
Air Tonight“ von Phil Collins zu hören. Die symbolische Bedeutung dieser und anderer Zitate ist von einem
popkulturell sozialisierten Publikum
leicht zu erfassen.
Manche Zuschauer irritiert die
Brutalität von Klatas Inszenierungen,
die direkt und plakativ daherkommen wie Parolen an Häuserwänden.
Wer nur einen angenehmen Abend
im Theater verbringen möchte, für
den sind sie nichts. Doch genau so
muss Theater sein: unbequem und
beunruhigend. Nur so lebt es. Nur so
hat es einen Sinn.
Roman Pawłowski ist Theaterkritiker
und Redakteur der „Gazeta Wyborcza“,
der gröSSten überregionalen Tageszeitung Polens.
Aus dem Polnischen von Bernhard Hartmann
Jan Klata
wurde 1973 geboren und studierte
Regie an der Warschauer Theaterakademie und später an der staatlichen
Theaterschule Krakau. Er assistierte polnischen Theatergrößen wie
Jerzy Grzegorzewski oder Krystian
Lupa. Seine erste Inszenierung von
Nikolai Gogols „Revisor“ wurde als
wichtigstes Debüt des Jahres 2003 gefeiert. Seither inszeniert Jan Klata an
den bedeutendsten Bühnen Polens, in
Warschau, Krakau und Wrocław. Seine Inszenierungen waren auf diversen
Festivals im Ausland zu sehen, so unter
anderem am HAU Berlin, beim Festival
d’Automne in Paris oder beim Internationalen Festival Buenos Aires. 2006
inszenierte Jan Klata in Graz erstmals
im deutschsprachigen Raum und 2009
am Düsseldorfer Schauspielhaus zum
ersten mal in Deutschland. Seine Inszenierungen wurden mit zahlreichen
bedeutenden polnischen Theaterpreisen
ausgezeichnet.
102
Amerika
von Franz Kafka
Premiere am 2. April 2011 im Schauspielhaus
„Wir wollen nicht das Neuste lesen – wir wollen das Beste, das Bunteste, das Amüsanteste lesen. Ja, also Amerika“,
schrieb Kurt Tucholsky in einer Kritik zur Veröffentlichung
des Romanfragments „Amerika“ von Franz Kafka. Das unvollendete Werk erzählt die Geschichte von Karl Rossmann,
der von seinen Eltern nach Amerika geschickt wird und
nun fern der Heimat lernen muss, erwachsen zu sein. Kafkas Erzählung ist mit all dem ausgestattet, was die Literatur
des Prager Versicherungsangestellten so unverwechselbar
macht. Der 16-jährige Immigrant Rossmann bemüht sich
nach Kräften, die Regeln in der neuen Welt zu verstehen
und zu befolgen. Doch er strauchelt ständig in dieser komplizierten, verwirrenden Welt. Erst sind es die unverständlichen und ungerechten Gesetze des mächtigen, reichen
Onkels, dann die kriminelle, ausbeuterische Energie der
zwielichtigen Wandergesellen, später die Durchtriebenheit
der älteren Liftboys im Hotel Occidental, die ihm das Leben
schwer machen. Doch Karl verliert nicht seine Zuversicht.
Die durchaus komische Geschichte hat viele Momente, in
denen die Sache auch gut gehen könnte, wenn beispielsweise die Oberköchin des grotesken Hotels Karl Obdach
und Arbeit verschafft. Und auch Glück scheint möglich in
diesem überfordernden Fantasie-Amerika: Karl stellt sich
zu den Engeln mit den Trompeten in die Reihe, um beim
großen Naturtheater von Oklahoma auf eine Anstellung
zu hoffen.
Regie: Jan Klata
Bühne und Kostüme: Justyna Łagowska,
Mirek Kaczmarek
Choreografie: Maćko Prusak
Dramaturgie: Olaf Kröck
104
SAHIKA TEKAND — SPIELREGELN
SPIELREGELN
TExT: SAHIKA TEKAND
FoToS: UgUR TaSkin
Ich bin eine Spielemacherin: Obwohl ich eigentlich die
Verwandlung des Lebens in ein reines Spiel ablehne, versuche ich als Künstlerin eine Form zu entwickeln, die sich
der Verwechslung des Spiels mit dem Leben widersetzt.
Mein Theater konzentriert sich auf das Spiel.
Zurzeit behandeln wir alle unser Leben als ein Spiel, ein
Spiel, in das wir nicht eingreifen können, das uns keine
Wahl zu lassen scheint. Leben und Spiel werden von den
aktuellen Strömungen in der Kunst negiert. Wir wissen
nicht, was real und was virtuell ist. Leben und Spiel verschwimmen zunehmend. Dagegen steht für mich das Theater. Das Theater, das von der Realität des augenblicklichen
Momentes erzählt. Theater ist nicht Leben, sondern strikt
etwas anderes.
Als ich in den frühen achtziger Jahren Schauspiel studierte, waren die Veränderungen, die in der Welt geschahen, so schnell und intensiv, dass sie beinah überall greifbar wurden. In diesen Jahren interessierte mich besonders
die Frage, wie Performance-Kunst aussehen könnte. Als
Künstlerin fragte ich mich, wie man zeitgenössisches Theater machen könne, das die Realität des augenblicklichen
Momentes in sich aufnimmt, ohne seine eigene künstliche Form zu verschleiern. Ich wollte das Theater zu einer
aktuellen, zeitgenössischen Kunstform machen.
So habe ich eine Form entwickelt, die ich „Darstellende Aufführungs- und Schauspielmethode“ nenne. Meine
Methode entstand als Auseinandersetzung und Kritik an
den formalen Theatermitteln und an einer Tendenz in den
Künsten, das Leben zunehmend zu ästhetisieren. Gerade
das Theater, das mit einem kritischen Anspruch formuliert
wurde, gab eine naturalistische und sehr idealistische Abbildung der Welt wieder. Ich aber war auf der Suche nach
einem Theater, das einem zeitgenössischen Publikum und
seiner Sichtweise entsprach und das dennoch der Realität
des Aktuellen gerecht wurde. So gründete ich meine eigene Ausbildungsstätte „Studio“, aus der heraus sehr schnell
ein eigenes Ensemble entstand: Die „Studio Oyunculari“
(„Studio Spieler“), eine unabhängige Company, die ohne
finanzielle Unterstützung arbeitet und mit der ich auf
der Suche nach neuen Arbeitsweisen und Theaterformen
bin. Wir arbeiten seit nahezu zwanzig Jahren in derselben
Spielstätte. Das ist kein einfacher Ort, aber oft inspirieren
Schwierigkeiten unsere Kreativität. Wir haben dort eine
Bühne mit 45 Sitzen und ein kleines Studio, in dem unsere
Workshops stattfinden. Dort unterrichte ich Schauspieler, Autoren und junge Regisseure in meiner Arbeitsweise.
Dort spielen wir aber auch unsere Produktionen. Unsere
großen Arbeiten seit dem Ende der neunziger Jahre bringen
wir jedoch auf anderen Bühnen heraus.
„Spieler“ ist der wichtigste Begriff in meiner Arbeit.
Damit ist hier nicht „Schauspieler“ gemeint, sondern
„Spiel-Spieler“. Schauspiel und Virtuosität sind nur das
Handwerk, mit dem wir unser Spiel spielen. In meinen Inszenierungen fühlt sich der Spieler weder in die Psyche der
Rolle hinein und durchwandert die Labyrinthe des Unbewussten noch steht er als epischer Erzähler neben seiner
Rolle. Dem „Spiel-Spieler“ und seiner Rolle ist es erlaubt
und möglich, sich in unzähligen Schichten zu überlagern.
Sie sind gleichzeitig anwesend und erkennbar. In all ihrer
Sichtbarkeit und Realität existieren die Theaterfigur und
der Spieler in einem Augenblick. Sie erzählen und begründen sich gegenseitig.
Das Spiel fordert vom Spieler Ehrlichkeit im Hinblick
auf die realen Risiken und Herausforderungen des Augenblicks. Die Glaubwürdigkeit des Spielers erwächst in dem,
was er tut, unter den Bedingungen, die der Regisseur ihm
bietet. Das Publikum ist überzeugt, dass diese Handlung
nur so und nicht anders unter den gestellten Bedingungen
möglich sein konnte. Es geht nicht darum, das Publikum
etwas glauben zu lassen, sondern es zu überzeugen, indem
es die Bedingungen der Inszenierung und die Sprache der
Ästhetik versteht. In diesem realen Augenblick vollzieht
105
sich mit den künstlerischen Auslösern, die diese bestimmte Situation bedingen, in diesem bestimmten Raum und
Moment diese Handlung und das ist einzigartig.
Der Chor ist eine gute Möglichkeit, das Spiel auf der
Bühne voranzutreiben und die Herausforderungen für
die Spieler zu gestalten. Der Chor erfordert eine extreme
Spannung in der Gruppe. Die Harmonie und Synchronizität, die in der chorischen Arbeit nötig sind, erfordern viel
von den Spielern, besonders wenn sie ohne Chorführer
arbeiten. Dabei verwandeln sie sich jedes Mal in Seiltänzer ohne Netz. Diese Herausforderung und Spannung der
chorischen Arbeit bringt eine besondere Freude in die Inszenierung.
Der Text auf der Bühne ist ebenso Teil des Spiels. Es gibt
immer einen konflikt zwischen Text und Theater, auch
wenn der Regisseur mit einer großen Verantwortung für
den Autor arbeitet. Der Text ist immer schon fertig. Er hat
seine Zeit gehabt, seine Entwicklung genommen. Er gehört
zur Vergangenheit. Aber zur Bühne gehört der Moment, der
sich vor einem Publikum ereignet und sich immer wieder
neu erfindet. also gibt es eine wichtige Spannung zwischen
diesen beiden Ebenen im Theater. Was geschrieben werden
kann, muss geschrieben werden. Was gesagt werden kann,
muss gesagt werden, und was getan werden kann, muss getan werden. Die Bühne ist der Ort zu handeln. Hier wird
getan.
Ich gehöre zu den glücklichen Personen, die die Möglichkeit hatten, zu spielen, zu schreiben, Regie zu führen
und das alles gleichzeitig. Das hat mir immer viel Freude
bereitet. Aber die allergrößte Freude ist für mich die Zeit,
in der ich das Spiel erfinde, das später auf der Bühne zu
sehen sein wird.
aUS Dem engLiSchen von SaBine Reich
Sahika TEkand
ist in Istanbul eine bekannte Schauspielerin und Theatermacherin und wurde 1959 in Izmir geboren. 1984 schloss sie ihre
Ausbildung zur Schauspielerin im Fachbereich Schauspielkunst
der Fakultät der Darstellenden Künste an der 9 Eylül Universität in Izmir ab, an der sie zwei Jahre später zur Dr. phil.
promovierte. Im selben Jahr begann sie ihre Karriere als Theater- und Filmschauspielerin und stand u.a. in Bertolt Brechts
„Das Leben des Galilei“ auf der Bühne. Daneben trat sie mit
selbst erarbeiteten Performances in Kunstgalerien auf. 1988
gründete sie „Studio“, eine Ausbildungsstätte für Schauspieler
und Künstler, an der sie ihre eigene Methode lehrt, die auch in
ihren Inszenierungen zur Anwendung kommt. Um sie zu realisieren, schuf sie 1990 die Theatergruppe „Studio Oyunculari“. Mit „Studio Oyunculari“ hat sie zunächst eine Reihe von
Produktionen fremder Texte erarbeitet, z.B. 1992/93 Becketts
„Glückliche Tage“. Ab 1996 inszenierte sie dann vor allem ihre
eigenen Stücke: „Die Verwandlung zu Nashörnern” (nach Ionesco), 2000 „(Spiel)er”, 2002-06 ihre „Ödipus-Trilogie” –
„Wo ist Ödipus?”, „Ödipus im Exil” und „Eurydikes Schrei”
– und 2008 „Furcht vor der Finsternis”.
106
Der
aufhaltsame
aufstieg Des
arturo
ui
von Bertolt Brecht
Premiere am 28. Mai 2011 im Schauspielhaus
aufhaltsam war er, der aufstieg des arturo Ui, und konnte
dennoch nicht verhindert werden. Ein kleiner Gangster in
schwierigen Zeiten, nicht mehr und nicht weniger ist er.
Die Konjunkturkrise ist groß und die Wirtschaft verunsichert. Er nutzt die schlechten Zeiten, für sich. Korruption,
Mord und Terror sind die Mittel, mit denen er die Stadt und
die Händler in seine Hände bringt. Niemand stellt sich ihm
entgegen, nichts kann ihm Einhalt gebieten. Warum? Weil
sie ihm glauben? Weil er sie überzeugt? Ihnen aus der Seele
spricht? Weil er die Show beherrscht, am besten von allen?
An wen denken wir heute, wenn wir Brechts Parabelstück
aus dem Jahr 1958 lesen? An Berlusconi-Superstar oder an
Hitler, dessen Karriere Brecht modellhaft nachzeichnet?
Es ist nicht Hitler, der gewinnt, es sind die anderen in der
Stadt und in der Politik, die verlieren. Sie verlieren ihre
Glaubwürdigkeit und ihre Identität, ihre Ideen und Visionen. Es war nicht seine Stärke, sondern ihre Schwäche, die
Hitler nicht aufhalten konnte. Die türkische Regisseurin
Sahika Tekand wird diese berühmte Arbeit Brechts inszenieren. In ihrem Theater in Istanbul hat sie eine Form für
chorisches Theater entwickelt, die sie nun im Dialog mit
Brecht weiterführen wird.
Regie: Sahika Tekand
Bühne: Esat Tekand
Dramaturgie: Sabine Reich
Fotos: Diana Küster
JunGes sCHausPieLHaus — tHeater Für aLLe
theater für alle:
Junges schauspielhaus
Das Junge schauspielhaus unter der Leitung von Martina van Boxen steht für ein theater für Kinder, Jugendliche und auch
erwachsene, das sowohl durch soziale als auch künstlerische ansprüche geprägt ist; das sich besinnt auf seine kulturellen
Möglichkeiten schule des sehens zu sein, Kommunikation in Gang zu setzen und Mut zum Leben zu machen.
Das Junge schauspielhaus ist ein ort der Begegnung, Kommunikation und Kreativität für Kinder und Jugendliche aus allen
sozialen schichten. Hier bekommen sie, von Künstlern wie theaterpädagogen begleitet, die Gelegenheit, sich auszuprobieren, zu entfalten, ihre Kreativität zu nutzen und damit Wege und Handlungsstrategien für ihr Leben zu entdecken.
Theaterpädagogisches Angebot
Columbus
Das Junge schauspielhaus bietet eine Vielzahl an Workshops, Jugendclubs und regiewerkstätten für Kinder und
Jugendliche in den Bereichen theater, tanz, Musik, Medien und Literatur an. es werden klassische und moderne
theaterstücke erarbeitet sowie themenorientierte eigenproduktionen entwickelt. Das angebot wird komplettiert
durch theaterpädagogische Vor- und nachbereitungen der
Produktionen des schauspielhauses, Fortbildungen für
Pädagogen und ein vielfältiges angebot im Bereich theater und schule, wie zum Beispiel unsere neuen Projekte
„schulen in Bewegung“ oder „Columbus“:
„Columbus“ – so heißt das neue angebot des schauspielhauses Bochum in Kooperation mit der schulaufsicht Bochum. es wendet sich an alle schulklassen, Kurse und arbeitsgemeinschaften des 9. und 10. Jahrgangs aus Bochum
und der region Bochum.
Schulen in Bewegung
80 schülerinnen aus fünf Bochumer schulen entwickeln
zusammen mit Künstlern ein theaterprojekt. Das Besondere daran: die schüler kommen nicht nur aus fünf unterschiedlichen schulen, sondern auch aus fünf unterschiedlichen schulformen: Förderschule, Hauptschule,
realschule, Gymnasium und Gesamtschule. „schulen in
Bewegung“ – der name ist Programm. sowohl die schulen
als auch die schüler werden angeregt, sich in Bewegung zu
setzen: indem die schüler an einer schule arbeiten, die sie
nicht kennen, indem die Lehrer der verschiedenen schulformen miteinander an ein und dem selben Projekt arbeiten, indem alle Beteiligten mit ihren Vorurteilen über die
jeweils anderen – Die Hauptschüler, Die Gymnasiasten
etc. – konfrontiert und herausgefordert werden, diese in
der Praxis und im Kontakt zu überprüfen.
Gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes
Nordrhein-Westfalen
„Columbus“ steht für neugier, aufbruch, die Lust am entdecken und ist eine einladung an schülerinnen und schüler, ab der kommenden spielzeit gemeinsam zwei Jahre
lang das Bochumer schauspielhaus kennen zu lernen und
in Besitz zu nehmen.
Kernstück des Projekts „Columbus“ sind zwei Vorstellungsbesuche der teilnehmer pro schuljahr, die von einführungen durch die theaterpädagogen und Dramaturgen oder
durch Nachbesprechungen flankiert werden, bei denen es
Gelegenheit gibt, nachzufragen, zu kritisieren und sich ein
Bild von der entstehung der inszenierung zu machen.
Wir machen den teilnehmenden Klassen monatlich Vorschläge, welche stücke aus unserem Gesamtspielplan für
„Columbus“ besonders geeignet sind und für die die teilnehmer Kartenkontingente abrufen können.
anmeldeschluss für „Columbus“ im Klassenverband ist
der 10. september 2010.
Weitere informationen und anmeldung bei:
Junges schauspielhaus
Martina van Boxen
tel.: 0234 / 33 33 -54 28 oder -55 28
Fax: 0234 / 33 33 54 24
e-Mail: [email protected]
109
Kindertheater des Monats
in der Gastspielreihe „Kindertheater des Monats“ zeigen
wir über die spielzeit verteilt sechs ausgewählte Produktionen von theatern aus ganz Deutschland. Die eingeladenen
stücke präsentieren die ganze Bandbreite an hochwertigem
theater für Kinder von 3 bis 13 Jahren in einer Mischung
aus schauspiel, Figuren- und objekttheater.
In Kooperation mit dem Kultursekretariat NRW
Patenkarten
Der Freundeskreis des schauspielhauses und das Junge
schauspielhaus suchen Menschen, die Geld für Kinder
und Jugendliche spenden, deren eltern sich den Besuch
des schauspielhauses nicht leisten können. auch die teilnahme an Workshops und Jugendclubs werden dadurch
finanziert. Ab einer Spende von 50 Euro werden Spendenbescheinigungen ausgestellt.
Kontakt: Hans Joachim salmen
tel.: 0234 / 47 35 93
e-Mail: [email protected]
Wenn sie Patenkarten in anspruch nehmen möchten, rufen sie uns im Jungen schauspielhaus an:
tel.: 0234 / 33 33 54 28
Wir helfen ihnen schnell und unbürokratisch!
Förderverein
ob als Förderer oder als aktives Mitglied: Jeder, der die
theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen am schauspielhaus Bochum unterstützen möchte, ist in diesem
Verein willkommen. natürlich freuen wir uns auch über
spenden, für die wir auch gerne spendenbescheinigungen
ausstellen.
Kontakt: ulricke Hasselbring
tel.: 0234 / 58 11 48
Das detaillierte Programm des Jungen Schauspielhauses, weiterreichende Informationen und Ansprechpartner entnehmen
Sie bitte der Broschüre, die ab September 2010 ausliegt, sowie
www.schauspielhausbochum.de/jungesschauspielhaus
110
Jim Knopf und
LuKas der
LoKomotivführer
Kinder- und Familienstück von Michael Ende
Premiere am 14. november 2010 im schauspielhaus
Mitten im tiefen weiten Meer liegt die winzige insel Lummerland. Hier leben Lukas der Lokomotivführer mit seiner
Lokomotive emma und natürlich König alfons der Viertelvor-Zwölfte mit seinen beiden untertanen Frau Waas und
Herr Ärmel.
eines tages bringt der Postbote ein Paket nach Lummerland, adressiert an Frau Malzahn (oder so ähnlich).
Doch es gibt keine Frau Malzahn in Lummerland. Die
einzige Frau auf Lummerland ist Frau Waas. also ist das
Paket vielleicht für sie, beschließt König alfons der Viertelvor-Zwölfte und gibt ihr seine königliche erlaubnis, es zu
öffnen. Was für eine überraschung, als sie darin ein Baby
finden. Der Junge wird von den Inselbewohnern adoptiert
und Jim Knopf genannt. als aus Jim schon fast ein halber
untertan geworden ist, beschließt König alfons, dass die
gute alte emma auf Grund der drohenden Bevölkerungsexplosion abgeschafft werden muss. Das können Lukas
und sein bester Freund Jim nicht zulassen und so machen
sie sich mit emma bei nacht und nebel auf den Weg in
die weite Welt. ihre reise führt sie übers Meer bis ins ferne
Mandala, durch den tausend-Wunder-Wald und das tal
der Dämmerung in die Wüste und schließlich durch den
Mund des todes ins Land der tausend Vulkane und in die
Drachenstadt zu Frau Malzahn.
in diesem Jahr feiert Michael endes roman seinen 50. Geburtstag. Bis heute begeistern die abenteuer von Jim Knopf
und Lukas dem Lokomotivführer, dem kleinen Ping Pong,
dem scheinriesen Herrn tur tur, dem Halbdrachen nepomuk und dem goldenen Drachen der Weisheit nicht nur
Kinder.
Regie: Katja Lauken
Bühne: Kathrine von Hellermann
Dramaturgie: Anna Haas
Katja LauKen
wurde 1970 in Wuppertal geboren und wuchs in Hamburg
auf. Nach ihrem Studium in Köln war sie Regieassistentin am Schauspielhaus Bochum. Dort zeigte sie 2002 ihre
erste eigene Inszenierung: „Die Präsidentinnen“ von Werner Schwab. In den folgenden Jahren arbeitete sie als freie
Regisseurin am Theater Aachen, am Theater Oberhausen
und am Schauspiel Essen. Für ihre Inszenierung von „Die
Schaukel“ in Oberhausen wurde sie 2006 mit dem Hauptund Publikumspreis des Kinder- und Jugendtheatertreffens
NRW ausgezeichnet. 2007 erhielt sie den NRW-Künstlerinnenpreis.
honigherz
Ein Stück für Kinder ab 2 Jahren
von Cristina Gottfridsson
Premiere am 3. oktober 2010 im Melanchthonsaal
Knuddel und schnute, Musik und Zeichensprache, Äpfel
und Kerne – und schon entsteht starkes theater für die allerjüngsten. Da braucht es gar nicht viele Worte. schnute
zum Beispiel kann sowieso nicht sprechen, aber wozu auch:
mit Musik kann er uns doch viel mehr erzählen. und Knuddel spricht zwar, aber ohne ihre Gesten und Bewegungen
würden wir sie vielleicht nur halb so gut verstehen. aber
wie verstehen sich die beiden eigentlich untereinander?
Zuerst gar nicht, sie sind vor allem erschrocken voreinander, ängstlich. aber auch neugierig. und sie erleben, dass
man ein gemeinsames Problem am besten auch gemeinsam löst. Dann ist am ende nicht nur das Problem weg,
sondern auch das Leben um die schöne erfahrung reicher,
gemeinsam etwas geschafft zu haben. und die Früchte der
gemeinsamen anstrengung schmecken gut, ganz in echt.
Mit „Honigherz“ hat die schwedin Cristina Gottfridsson
ein wunderschönes kleines stück theater geschrieben, geeignet für Kinder ab 2 Jahren.
Regie: Martina van Boxen
Bühne: Michael Habelitz
Kostüme: Cathleen Kaschperk
hiKiKomori
von Holger Schober
für Jugendliche ab 13 Jahren
Premiere am 26. november 2010 im Melanchthonsaal
H sitzt in seinem Zimmer. schon lange. sehr lange. allein.
niemand darf hereinkommen, auch Mutter und schwester
kommen nicht mehr an ihn ran. irgendwann hat H einfach vergessen, wo die tür ist. sich entschieden, nicht mehr
mitzumachen, ganz bei sich zu bleiben. Von dort aus über
die Welt nachzudenken und manches an ihr so klarer zu
sehen. im Chat trifft er eines tages rosebud. sie scheint
ihn zu verstehen. Könnte sie sogar das rothaarige Mädchen
sein, an das er sich erinnert, wenn er an früher denkt? oder
ist rosebud die letzte Chance für seine schwester zu ihm
durchzudringen? Menschen wie H, die sich einschließen,
manchmal über Jahre, und den Kontakt zu ihren Mitmenschen abbrechen, nennt man Hikikomori – ein Phänomen,
das in Japan nach schätzungen bis zu einer Million junger
Menschen betrifft. Krankheit oder Protest gegen die verqueren erwartungen der Gesellschaft?
Regie: Martina van Boxen
Bühne und Video: Michael Habelitz
Kostüme: Cathleen Kaschperk
parzivaL
von Lukas Bärfuss
nach dem Versroman
von Wolfram von Eschenbach
für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene
Premiere am 18. Februar 2011 in den Kammerspielen
Parzival weiß von nichts. nicht einmal seinen namen. seiner Mutter fragt er Löcher in den Bauch. Doch sie erklärt
ihm nichts. sie will ihn vor der Welt bewahren. einer Welt
des übergangs, in der jede Gewissheit verloren ist, regeln
nur behauptet und Werte vorgetäuscht werden. Deshalb
hat sie ihn in der einöde großgezogen. aber Parzival will die
Welt sehen, möchte ein ritter werden. er zieht los, trifft
bald schon auf artus und die ritter der tafelrunde – und
stellt die dümmsten Fragen. Doch der dumme Junge ist
stark, erschlägt den roten ritter und legt sich seine rüstung an. ein alter Mann unterrichtet ihn. sagt ihm, was
er tun soll und was nicht: Vor allem soll er nicht mehr
fragen. und Parzival gehorcht. er kommt an einen ort,
den es nicht gibt, den man nicht suchen darf, und trifft
auf den kranken, schmerzverzerrten König anfortas. Parzival wundert sich, doch Fragen stellt er keine mehr. er hat
die Gralsburg nicht erkannt. am nächsten Morgen ist sie
verschwunden. Warum hat er anfortas nicht nach dem
Grund seiner Leiden gefragt, schimpft ihn ein Knecht, er
hätte alle erlösen können. Parzival ist verwirrt, verzweifelt.
er will zurück. sucht nach der Gralsburg. Doch die ist wie
vom erdboden verschluckt. erst als er nicht mehr sucht
und jeden ehrgeiz verloren hat, taucht sie wieder vor ihm
auf und Parzival stellt die rettende Frage.
Regie: Martina van Boxen
In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität
Martina van Boxen
geboren 1960, ist Schauspielerin und Regisseurin. Seit
der Spielzeit 2005/06 leitet sie das Junge Schauspielhaus
Bochum. Zunächst studierte sie Visuelle Kommunikation in Düsseldorf, dann Schauspiel an der Hochschule für
Musik und Theater in Hannover. Nach Gastengagements
an verschiedenen Theatern wurde sie 1992 künstlerische
Leiterin und Geschäftsführerin der Theaterwerkstatt
Hannover. Schnell wurde sie in der freien Theaterszene
auch über Hannover hinaus bekannt. Ihre Inszenierungen
wurden zu zahlreichen Festivals eingeladen, sie erhielt den
„Traumspiel“-Festivalpreis (1994), den Niedersächsischen
Theaterpreis (2000) sowie den Publikumspreis des Kinderund Jugendtheatertreffens NRW 2007 in Oberhausen.
111
lisa niElEbock — bochum für fast umsonst
Kunstgenuss gratis:
Offene Künstlerateliers im Freien
Kunst Territorium - FKT
das EhEmaligE l agErhaus in dEr
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ausstEllungEn und pErformancEs
allEr art. rEgElmässig gibt Es tollE
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80er-Jahre Schimanski-Feeling
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man kilomEtErlang radEln odEr
wandErn, bis nach zollvErEin,
wEnn man möchtE. dEn schönstEn
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kann auch minigolf spiElEn, glEich
nEbEn dEr „milchbudE“, und am
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wEr gErnE wEin trinkt, für dEn
gibt Es im una más (hans-böcklErstrassE 34) das glas für 1,70 Euro –
und dazu richtig lEckErE tapas. dEr
ladEn ist Einfach, warm und köstlich, man kann zu viElEn kommEn
odEr EinEn gutEn abEnd zu zwEit
vErbringEn.
Kasimir und
Karoline
von Ödön von Horváth
Besuch beim UBU-Mann
allE nEnnEn ihn nur dEn ubumann. sEin antiquariat in dEr univErsitätsstrassE 26 ist das grösstE in bochum. mit rund 100.000
büchErn lädt das zwEistöckigE
antiquariat zum stundEnlangEn
blättErn, schmökErn, lEsEn, abschaltEn und vErsinkEn Ein –
fachkundigE bEratung inklusivE.
dEnn nur EinEr wEiss ganz gEnau, wElchE schätzE diEsE buchhandlung birgt: dEr ubu-mann.
premiere am 19. februar 2011 im schauspielhaus
kasimir ist chauffeur. gestern wurde er entlassen, morgen muss er aufs arbeitsamt, aber heute geht er aufs oktoberfest – mit karoline, seiner braut. die will sich amüsieren, Eis essen, mit der achterbahn fahren. doch das
ist ein teurer spaß. kasimir hat angst, dass karoline ihn
verlassen wird. jetzt wo er arbeitslos ist. das lässt er sie
spüren, jähzornig wie er ist. Er hat noch ein kapital von
rund vier mark: „heut sauf ich mich an und dann häng
ich mich auf“, beschließt er. auch karoline stürzt sich ins
vergnügen. sie lernt den angestellten Egon schürzinger
kennen und durch ihn seinen chef, kommerzienrat rauch
und landgerichtsrat speer, einen feinen herrn aus norddeutschland. „das leben ist hart und eine frau, die wo was
erreichen will, muss einen einflussreichen Mann immer
bei seinem gefühlsleben packen“, meint karoline und fällt
dabei heftig auf die nase. kasimir sucht inzwischen trost
bei dem merkel franz seiner Erna.
„und die liebe höret nimmer auf“, heißt es im untertitel zu horváths stück. doch was ist ein mensch wert,
wenn er keine arbeit mehr hat? und was kann die liebe da
ausrichten? „jeder intelligente mensch ist ein pessimist“,
meint kasimir und das leben gibt ihm am Ende dummerweise recht.
„Es ist die ballade vom arbeitslosen chauffeur kasimir
und seiner braut“, schreibt ödön von horváth, „eine ballade voll stiller trauer, gemildert durch humor, das heißt
durch die alltägliche Erkenntnis: sterben müssen wir alle!“
Regie: Lisa Nielebock
Bühne und Kostüme: Sascha Gross
Dramaturgie: Anna Haas
illustration: thomas wEllmann
Lisa NieLebock
wurde 1978 in Tübingen geboren und ist in Bochum keine Unbekannte: Seit 2005 lebt sie in Bochum und inszeniert regelmäßig am Schauspielhaus. Zu ihren herausragenden Arbeiten
gehört „Penthesilea“ von Heinrich von Kleist. Bereits für ihre
Diplominszenierung „Elektra“ von Hugo von Hofmannsthal/
Aischylos an der Folkwang Hochschule Essen wurde sie 2004
mit dem „Folkwangpreis“ und beim „Körber Studio Junge Regie“ ausgezeichnet. Mit „Phaidras Liebe“ von Sarah Kane war
sie zum Festival „Radikal jung“ am Münchner Volkstheater
eingeladen. Neben ihren Inszenierungen am Schauspielhaus
Bochum führte sie auch am Nationaltheater Mannheim und
am Schauspiel Essen Regie.
RANJIT HOSKOTE — PHÖNIx AUS DER KOHLE
Phönix aus
der Kohle
Sein Vater arbeitete für
einen groSSen Stahlkonzern. alS kind war
daS ruhrgebiet, daS er
nur Von fotoS kannte, für ihn ein idyll, ein
arkadien, daS weit weg
in unerreichbarer ferne lag. Später hat er eS
mehrere male beSucht –
alS touriSt. der in bombay lebende indiSche
JournaliSt und lyriker
ranJit hoSkote über die
lektionen einer untergegangenen welt.
TExT: RANJIT HOSKOTE
Die Industrie verschwindet, Ruinen
bleiben. Es herrscht Stille, doch diese
ist ein nicht weniger starker Ausdruck
des menschlichen Geistes als die Fabrikhallen, Schornsteine und Raffinerien, die einst im Rhythmus des
Fließbands surrten und dröhnten.
Ich laufe durch die Kokerei Hansa in
Dortmund, im Herzen des Ruhrgebiets. Wo auch immer ich hinblicke,
entdecke ich wiedererwachende Natur, die sich zurückerobert, was der
Mensch ihr nahm. Hier und da gibt
es Protest.
Doch der Wald kehrt nach langen
Jahren des unterirdischen Exils triumphierend zurück. Gras bedeckt die
ausgetretenen Pfade einer Kühlanlage
mit einem groben Teppich. Gestrüpp
bricht aus Scharnieren und Säulen
hervor und erringt die Herrschaft
über Werkzeuglager. Kletterpflanzen
ranken sich zu Vorhängen, die ehemalige Fertigungsstätten vor neugierigen Blicken schützen. Die Anzeigenadel eines Druckventils wehrt
sich hartnäckig gegen den Verfall.
Ein verlassener Kohlewaggon steht
wie ein Fels in der Brandung der Zeit.
Rostige Rauchabzüge vor verhangenem Himmel. Schrott – Kettenräder,
Triebwerke, Riemen, Erzkübel – leistet schweigend, doch nachdrücklich
Widerstand gegen das Kommando
der Windböen. Noch lange nachdem
die Kokereiarbeiter die letzte Schicht
gefahren, ihre Blaumänner ausgezogen und den Heimweg angetreten
haben, liegt der Geruch geschmolzenen Teers auf den Mauern und in der
Luft.
Relikte erinnern an die Jahrhunderte, in denen die Fabriken, Minen
und Kohleverarbeitungsanlagen im
Ruhrgebiet lebendig waren und von
der Arbeit, dem Lärm, der Hoffnung
und den Träumen tausender Männer
und Frauen widerhallten, die in der
Ferne des Baltikums, an der Atlantikküste, im östlichen Mittelmeerraum,
ja selbst in der Pazifikregion den Ruf
der Täler am Nordrhein vernommen
hatten und ihm gefolgt waren.
Der Regen spielt Verstecken mit
uns. Es herrscht Frieden, so lange
wir im Auto sitzen. Sobald wir aussteigen, lockt er uns jedoch in einen
Hinterhalt. Wir passieren Dortmund, Bochum und Essen. Überall
prägen stillgelegte Zechen das Bild
der Landschaft. Bahndämme werden
114
von Birkenwäldern überwuchert. Auf
Fabrikgeländen wachsen Pappeln
und Linden, hinter denen das Panorama der Kühltürme zu verschwinden beginnt. Der Phoenix hat sich
gut in Position gebracht: Er ist jetzt
das Wappentier der Region.
Die Industrie ging, und es kam
die virtuelle Ökonomie: IT, internationale Finanzdienste und der
Heritage-Tourismus des postindustriellen Zeitalters besetzten die geräumten Brachen. Vor ein paar Jahren führten mich Freunde zu einem
Aussichtspunkt, von dem wir auf ein
riesiges Gelände blickten. Es war ein
Schlachtfeld, übersäht von Wunden,
die die Schaufelräder und Raupenketten geschlagen hatten. Hier hatte
sich einst das größte Stahlwerk Dortmunds befunden. Nach der Demontage wurde es in Einzelteilen in eine
chinesische Billiglohnprovinz verschifft. Künftige Generationen werden am alten Standort durch einen
Park schlendern und neben einem
künstlichen See relaxen. Nicht wenig
symbolträchtig trägt der neue Komplex den Namen der großen Ikone
der Wiederauferstehung: Phoenix.
eS war, alS hätte ich einen riSS im koSmiSchen
gewebe Von zeit und
raum entdeckt.
Als ich in den 1970er Jahren in Goa
und Bombay aufwuchs, waren Dortmund, Bochum und Essen die ersten Ortsnamen, die ich hörte. Mein
Vater arbeitete für Tata, eines der
größten indischen Unternehmen,
Hersteller von Autos, Baumaschinen
und Stahl.
Zu meinen frühesten Erinnerungen gehören Fotos von riesigen Fabriken und Produktionsanlagen im
Ruhrgebiet, zu dem der Tata-Konzern
enge Beziehungen pflegte. Als ich
2003 zum ersten Mal nach Dortmund kam, um einen Urlaub bei
meinem Freund, dem Dichter und
Übersetzer Jürgen Brôcan, zu verbringen, erschienen mir die Architektur
und die Topografie der Stadt ungeheuer vertraut. Es war, als hätte ich
RANJIT HOSKOTE — PHÖNIx AUS DER KOHLE
einen Riss im kosmischen Gewebe
von Zeit und Raum entdeckt, als sei
ich zurückgekehrt an einen Ort, der
zumindest in meiner Fantasie Teil
meiner Kindheit war, der irgendwie
zu mir gehörte.
Nie werde ich die Begeisterung
vergessen, die ich empfand, als ich
bei der Einfahrt meines ICE in den
Bahnhof den kolossalen Turm der
Dortmunder Union Brauerei erkannte. Auf den Fotografien meines Vaters
hatte ich ihn immer als Wächter über
die Stadt wahrgenommen. Sein krönendes Neon-„U“ war der Kompass,
an dem man sich orientierte. Als ich
vor sieben Jahren an dem dunkelroten Ziegelbau hinaufblickte, rührten
mich die Spuren jahrzehntelanger
Vernachlässigung und Verwitterung
zu Tränen. Als Zentrum eines Technoparks unseres E-Zeitalters wieder
hergestellt, soll ihm in diesem Jahr
neues Leben eingehaucht werden.
Das Ruhrgebiet, das ich als Junge
aus der Ferne liebte, ist anders in der
Erinnerung meiner Freunde aus der
Region. Für mich verkörpert es die
heroische Energie der Industrie, die
der grünen, postindustriellen Heiterkeit der Moderne weichen musste.
Obwohl ich oft genug hier war,
um zu wissen, dass nicht immer Ruhe
herrschte in Arkadien, dass die Straßen so manches Mal gelb waren von
den Bannern der protestierenden Arbeiter, die um ihren Job fürchteten,
weil die Unternehmen die Produktion in die Betriebe im Süden der Welt
verlagerten.
Die Erinnerung meiner etwa
gleichaltrigen Freunde aus Unna,
Hamm, Bielefeld und Gelsenkirchen
ist hingegen weniger erfüllt von Souvenirs einer Idylle. Ihre Bilder ähneln
eher einem phantasmagorischen
Gemälde von Hieronymus Bosch. Sie
erzählen mir vom Himmel, der um
Mitternacht Feuer fing. Sie sprechen
von ihren Großmüttern, die sagten,
das Glühen des geschmolzenen Eisens wäre ihr wahrer Sonnenaufgang. Noch heute rümpfen sie die
Nase, wenn sie an den Geruch des
Hopfens denken, der in der Nähe
der Brauereien in der Luft hing. Und
noch immer hören sie das Rumpeln
des Zuges, der das Roheisen gemächlich vom einen Ende des riesigen
Industriereviers zum anderen transportierte, obwohl die Gleise, auf
denen er fuhr, längst geborsten sind
und Blumenfelder da wachsen, wo
sie einst ihr Bett hatten.
Schnallt euch an, ihr
Sterblichen!
die reiSe in daS leben
nach dem tod beginnt!
Stapelweise Geranien und Azaleen.
Wir sind durch den Nieselregen gefahren, erreichen nun ein anderes
Denkmal, das eine andere Geschichte erzählt: Bochum Hauptfriedhof.
Hinter einem Palisadenzaun an der
Immanuel-Kant-Straße, durch einen
Vorhang von Trauerweiden spähend,
versuche ich, den hohen, den viel zu
hohen Gebäudekomplex zu erkennen. Wir passieren ein schwarzes
Tor, das von zweifelhaften Helden
gehütet wird, die Schwerter, Schilde
und ein kaum maskiertes Hakenkreuz tragen. Wir laufen durch den
Eingangsbereich, der einem Lichtschacht ähnelt, doch es ist Dunkelheit, die aus großer Höhe über uns
hereinbricht. Einen kurzen Moment
lang sind wir wie blinde Fische auf
dem tiefsten Grund des Ozeans, bevor uns das perlmuttfarbene Licht
erreicht und befreit.
Nun stehen wir in der düsteren
Halle der Geister, die von den hohen,
dunklen Fenstern, schmalen Schlitze in den Wänden, die scheinen, als
seien sie in Erfüllung des Befehls
eines Burgvogts in einem Paradies
im Belagerungszustand entstanden,
kaum erhellt wird. In den 1930er
und 1940er Jahren machten Menschen auf ihrem langen Weg nach
Walhalla hier gezwungenermaßen
Station und wurden Zeugen der Inszenierung. Fackeln brennen an den
Mauern, spiegeln sich in den Metallsternen, hinter dem Altar. Die Totenbahre wird von unten hochgefahren.
Schnallt euch an, ihr Sterblichen!
Die Walküren sind hier! Die Reise
in das Leben nach dem Tod beginnt.
Im Rücken der Trauernden steht ein
Mann, ein Beobachter, ein Zuhörer,
ein Chronist, in einer versteckten
115
Zelle: Weniger ein Mensch als eine
Membran, die die bebende Unruhe auf die auf hohen Stühlen thronenden Herrengeister überträgt, die
das Land überwachen und den Weg
der anderen in Kriegsgebiete, Besatzungszonen, Arbeits- und Todeslager
lenken.
Eine Familie, Trauernde, nähert sich vom Friedhof kommend.
Schwarz gekleidet, doch nicht mehr
dem Anlass entsprechend schweigend. Die Ewigkeit entlässt sie aus
ihrem Griff. Sie schauen auf ihre
Uhren, klappen Handys auf, rufen
ein Taxi und kehren zu ihrem restlichen Tagewerk zurück. Niemand
nimmt von den Gespenstern der Nazizeit Notiz.
Der Friedhof selbst widerlegt aufs
Beste die Idee von der (r)einrassigen
Nation; Ein Volk, Ein Reich: Zwischen den moosbewachsenen Namen auf den Grabsteinen taugt die
Doktrin nicht mehr. Bauermann
ruht neben Czerwinka, Schindler
liegt neben Koslowski. Sie bezeugen
den ethnischen Mix der Migranten,
die das Ruhrgebiet aufgebaut haben
– Rheinländer und Polen, Slowaken
und Balten, später Griechen, Türken,
Italiener, Portugiesen und Koreaner.
Bezeichnenderweise befand sich das
größte Gefängnis der Gestapo im
Dritten Reich im Ruhrgebiet: Die
Dissidenten unter den Arbeitern der
Region leisteten in den 1930er und
1940er Jahren permanenten Widerstand gegen das NS-Regime.
Heute schweigen die Zechen und
Fabriken im Ruhrgebiet. Doch ihre
Lektion haben sie der Welt hinterlassen: Starke Gemeinschaften entstehen nicht da, wo wir kulturelle
Monotonie durch Repression und
Repressalien durchsetzen, sondern wo
wir das Andere zulassen und unterschiedliche Stärken bündeln.
ranJit hoSkote, GEBOREN 1969 IN BOMBAy,
IST KULTURKRITIKER FÜR DIE BOMBAy TIMES
UND THE HINDU, DICHTER UND SEKRETäR DES
INDISCHEN PEN. ER ZäHLT ZU EINER GRUPPE
ENGLISCH SCHREIBENDER AUTOREN, DIE IN
INDIEN ALS „DIE ZWEITE GENERATION DER
POSTKOLONIALEN DICHTER INDIENS“ BEZEICHNET WIRD.
AUS DEM ENGLISCHEN VON
LILIAN-ASTRID GEESE
IN BOCHUM — DIETMAr Bär
L
aufen, lesen und schreiben
habe ich in meiner Heimatstadt Dortmund gelernt –
aber das Theaterspielen in
Bochum!
Stolz trug man das Trikot der
„Westfälischen Schauspielschule Bochum“ von 1982-85 und ging damals
schon gerne ins Café Treibsand.
Als „Müsli“ noch ein Schimpfwort sein konnte, war das Spezial-Müsli im Treibsand (mit der legendären Hausmischung aus dem
„Arche“ Bioladen!) das leckerste in
der Stadt – und das teuerste.
Auch sonst ließ es sich im Treibsand fabelhaft frühstücken, der
altersmilde Blick des Anfang Zwanzigjährigen ruhte auf allen Abiturientinnen des benachbarten Gymnasiums, die hier im Außengehege ihre
Freistunden abfeierten, nachmittags
konnte man hier die eigene Freizeit
zwischen den Unterrichtsblöcken
der Schauspielschule bei einem ausgezeichneten Milchkaffee verbringen und abends beim frischen Fiege
zusammen mit den Mitschülern
Probleme der Menschendarstellung
diskutieren. Es war schon ein großes
BAföG-Grab, das Café Treibsand,
aber ein Platz zum Wohlfühlen,
sommers wie winters, drinnen und
draußen. Das Schöne für mich ist,
es hat sein Flair behalten, sodass
man sich seine Erinnerungen, seine
eigene Nostalgie hier jederzeit beim
Müsli, Bier oder Milchkaffee wieder
abholen kann. Auf dass es noch lange so bleibe – Glück auf!
Dietmar Bär kOMMT AUS DOrTMUND UND
STUDIErTE vON 1982 BIS 1985 AN DEr WESTFäLISCHEN SCHAUSPIELSCHULE BOCHUM.
ANSCHLIESSEND SAMMELTE Er SEINE ErSTEN
BüHNENErFAHrUNGEN AM SCHAUSPIELHAUS.
116
IN BOCHUM
IN BOCHUM
Sie wurden in der Gegend
geboren, sie wurden hier
ausgebildet, sie spielten
schon vor Jahren am Schauspielhaus und kehren jetzt
zurück, oder sie sind zum
ersten Mal hier. Sechs Ensemblemitglieder zeigen uns
einen besonderen Ort der
Stadt.
Fotos: Nils-Hendrik Zündorf
117
IN BOCHUM — MATTHIAS rEDLHAMMEr
D
as alte Fährhaus an der
ruhr. Auf der anderen Seite droht die Burg
Blankenstein.
Man traf sich hier, trank, redete und schaute auf den Fluss. Am
Schluss die Frage: Wer kann noch
fahren?
kann man wieder mal machen,
aber Oje, Urs, Uwe, Helmut, Wolfgang, Wolfi, Silvester, Tana, Anneliese, Eleonore, Lore und Lacky fehlen.
Ich denke an Euch.
matthiaS reDlhammer STUDIErTE vON
1979 BIS 1981 SCHAUSPIEL IN BOCHUM UND
WAr ANSCHLIESSEND vON 1981 BIS 1992 ENSEMBLEMITGLIED DES SCHAUSPIELHAUSES BOCHUM. NACH JAHrEN DES FrEIEN ArBEITENS
kEHrT Er NUN ZUrüCk NACH BOCHUM INS
FESTENGAGEMENT.
118
IN BOCHUM — NICOLA MASTrOBErArDINO
I
Ich habe schon fünf Jahre reviererfahrung und bin somit
kein Neuling im Pott, aber
meine Wurzeln liegen eindeutig weiter südlich, nämlich in der
Schweiz. Bis auf meine Familie und
meine Freunde fehlt es mir hier an
nichts: Berge sind überbewertet, bei
dm gibt’s Ovomaltine-Schokolade,
Edeka verkauft rivella, das Schweizer Nationalgetränk, und in Sachen
Schnee steht Deutschland, zumindest in diesem Winter, der Schweiz
in nichts nach.
Dennoch muss ich sagen, als ich
im Oktober 2009 nach Bochum gezogen bin und mir die Stadt genauer
anschauen wollte, präsentierte sich
mir die „Blume im revier“ eher als
kakteenart; kalt, im Hotel Eden am
ring wuchs Moos auf dem Boden,
der Weihnachtsmarkt nervte, wie
in Essen, bereits nach sehr kurzer
Zeit und Burger king war zu (pleite
oder aber auch Asbest wie im Hotel
Eden)!
Doch mittlerweile kenne ich Bochum besser, das Weitmarer Holz
mit den Wildschweinen, die belgischen Pommes im Bermudadreieck
und das englische Frühstück im
konkret. vor Honeyhair, der Frisierbar bei mir um die Ecke, stehen jetzt
die Stühle draußen, und im Westpark
blühen Gänseblumen und mit ihnen
die „Blume im revier“.
Nur bei Burger king sind noch
immer die Schotten dicht. Macht
nix, hol ich mir halt ne Apfelpfanne
im Glas-Café auf der kortumstraße
und schlendere damit noch mal am
Hotel Eden vorbei.
NicOla maStrOBerarDiNO kAM AUS DEr
SCHWEIZ BErEITS IM JAHr 2005 INS rUHrGEBIET. NACH FüNF JAHrEN ESSEN LEBT Er NUN
SEIT HErBST 2009 IN BOCHUM, WO Er AB SOMMEr ENSEMBLEMITGLIED IST.
119
IN BOCHUM — MAJA BECkMANN
W
isst ihr eigentlich
warum die U35
„U35“ heißt? Weil
sie genau 35 Minuten braucht, um Herne und Bochum
zu verbinden.
Ich bin früher oft mit meiner
Oma U-Bahn gefahren, aber immer
nur von Herne nach Herne, zum Entenfüttern. Da kannte ich Bochum
noch gar nicht, war aber schwer
enttäuscht darüber, dass die Untergrundbahn nicht meiner vorstellung einer Geisterbahn entsprach.
Irgendwann wagte ich mich dann bis
zum Engelbert-Brunnen. In die große Großstadt Bochum, die Stadt der
Punks, Dealer und Diskotheken. Im
Sommer schüchtern meinen Döner
am Brunnen gegessen, Obdachlose
ängstlich fasziniert beobachtend, um
mich rum kinder barfuß im Brunnen spielend. Der Müll schaukelt
an der Wasseroberfläche wie kleine
Schiffe. Ein bisschen Italien und Ankara. Dann der erste Milchkaffee im
Café konkret. riesen Schale für fünf
Mark. Wieder zurück zum Brunnen
und warten, wo die anderen bleiben.
Aber die U35 heißt auch „U35“, weil
man immer 35 Minuten warten
muss, bis man wieder zu Hause ist.
Ich vermisse den Brunnen, wo ist
der überhaupt? Und warum heißt
der Engelbert-Brunnen immer noch
Engelbert-Brunnen? Ist scheiß-egal,
ich warte immer noch da. Nur für
fünf Mark einen kaffe zu kriegen ist
schwer.
Meine Oma ist schon gestorben,
aber wenn die U35 irgendwann bis
nach köln gebaut würde, bin ich
mir sicher, meine Oma würde die
Fahrt mit mir machen. Sie würde das
Abenteuer wagen, über 35 Minuten
hinaus! Und wenn ich mal genug
Geld habe, dann bau ich einen neuen Brunnen, mit einem echten Engelbert.
PS: Die U35 hält nicht am Engelbert-Brunnen. Für alle, die von
Herne nach Bochum fahren wollen:
mich anrufen oder Hauptbahnhof
aussteigen und richtung Innenstadt
laufen. Dann kommt man zum Engelbert-Brunnen.
maJa BeckmaNN kOMMT AUS DEM rUHrGEBIET UND IST SEIT 2001 ENSEMBLEMITGLIED
AM SCHAUSPIELHAUS BOCHUM.
120
IN BOCHUM — kATHArINA LINDEr
v
or zwanzig Jahren habe
ich schon mal in Bochum
angefangen. Da habe ich
in der villa Wahnsinn
gewohnt und habe mir wenig Gedanken über die Stadt gemacht. Eigentlich nur über das Theater. Jetzt
komme ich mit meiner Familie. Deshalb ist die Annäherung an Bochum
ganz anders. Wir suchen eine schöne Wohnung, eine Schule haben wir
schon gefunden. Ich bin noch nie an
ein Theater gegangen, wo so viele, die
dort arbeiten, kinder haben. Fühlbare verantwortung für die Zeit, die
kommt, für das, was kommen soll.
Wie werden wir leben? Wie wollen
wir leben? Was können wir mit dem
Theater bewirken?
kathariNa liNDer SPIELTE vON 1990 BIS 1995
AM SCHAUSPIELHAUS UND kEHrT NACH ENGAGEMENTS IN BErLIN UND FrANkFUrT ZUrüCk
NACH BOCHUM.
121
IN BOCHUM — ANDrEAS GrOTHGAr
D
ie Eisenbahnüberführung königsallee. Wenn
man mit dem Zug von
Essen aus durch Bochum fährt, sieht man ganz kurz
das Schauspielhaus auf der rechten Seite. Ein ganz kurzes Bild. Eine
Trutzburg, Würde und Tradition, ein
festes Haus. Die Fahnen auf dem
Dach. Ein erhabener Anblick. Ich
hatte immer den Eindruck, in Bochum ist das Theater das größte und
wichtigste Gebäude der Stadt. Später
hab ich immer danach Ausschau gehalten, bin manchmal sogar extra
an ein freies Fenster gegangen, um
es zu sehen. Ein kollege, der länger
in Bochum engagiert war, erzählte
mir, ihm gehe es genauso. Er hat die
Zeit in Bochum geliebt. Da er viel
mit der Bahn unterwegs ist, fährt
er oft durch Bochum. Er steht jedes
Mal auf und guckt, und wenn er das
Haus sieht, kommen ihm manchmal
die Tränen. Ich glaube, ich verstehe,
was er meint.
aNDreaS GrOthGar LEBT UND ArBEITET
SEIT 2005 IM rUHrGEBIET. IM SOMMEr 2010
WECHSELT Er ANS SCHAUSPIELHAUS, WO Er
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Freunde
FREUnDESKREIS
Das Schauspielhaus Bochum ist eine Institution, von der
wegweisende Impulse für die Entwicklung der deutschen
Theatergeschichte ausgingen. Seit seiner Gründung 1919
durch Saladin Schmitt sind hier Dramatiker entdeckt und
gefördert worden, hat sich mancher Regiestil entwickelt,
haben hier Schauspieler ihre Karriere begonnen oder sich
künstlerisch weiterentwickelt, die zu den Großen des
deutschsprachigen Theaters zählen. So hat dieses Haus
eine Bedeutung gewonnen, die weit über die Grenzen der
Stadt hinausragt. Das verlangt ideelle und materielle Unterstützung.
Die Freundeskreismitglieder wählen auch die Schauspieler, die für den Bochumer Theaterpreis nominiert werden,
der seit 2006 in zwei Kategorien verliehen wird.
Der Freundeskreis unterstützt aus seinen und eingeworbenen Einnahmen durch Patenkarten auch junge Menschen, die sich aus finanziellen Gründen einen Theaterbesuch nicht erlauben können.
Als Dankeschön für ihren Einsatz für das Schauspielhaus wird den Freundeskreismitgliedern auch ein früherer
Vorverkaufstermin gewährt. Sie können ihre Karten bereits
einen Tag vor den Wahl-Abonnenten beziehen.
Um das zu leisten, hat sich 1994 der Freundeskreis Schauspielhaus Bochum gegründet. Seine Mitglieder wollen nicht
nur dem Haus die angemessene Unterstützung zukommen
lassen, sie wollen auch durch vielfältige Aktionen mit dazu
beitragen, dieses Theater und seine Mitarbeiter noch besser kennen zu lernen, um die Identifikationsbereitschaft
zu erhöhen.
Die Freundeskreismitglieder kommen nicht nur aus Bochum, sondern auch aus anderen Städten der Region, ja,
sogar aus Berlin, wie unser prominentestes Mitglied Otto
Sander.
Es lohnt sich, Mitglied im Freundeskreis des Schauspielhauses Bochum zu werden. Wollen Sie nicht auch dabei
sein?
Wie kann das gelingen?
Hans Joachim Salmen – Vorsitzender des Freundeskreises
Gespräche mit Regisseuren, Dramaturgen, Schauspielern
und anderen Mitarbeitern des Hauses tragen dazu bei,
Theater besser zu verstehen. Freundeskreismitglieder können vielleicht auch schon durch Probenteilnahme erfahren,
was einer Premiere voran geht. Führungen durchs Haus
oder einzelne Abteilungen helfen, die Produktionsprozesse
besser zu verstehen.
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Heinrich-König-Str. 73
44795 Bochum
Tel.: 0234 / 47 35 93
E-Mail: [email protected]
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MITARBEITER
Mitarbeiter
Theaterleitung
Bühnen- und
Kostümbildner
Sprecherziehung und
Stimmbildung
Patrick Bannwart, Irina Bartels,
Raimund Bauer, Julia Borchert,
Dorothee Curio, Thomas Dreißigacker, Muriel Gerstner, Thomas Goerge, Gerhard Gollnhofer, Nadine
Grellinger, Sascha Gross, Michael
Habelitz, Mirek Kaczmarek, Cathleen Kaschperk, Knut Klaßen, Justyna
Lagowska, Claude Leon, Theun
Mosk, Christina Mrosek, Meentje
Nielsen, Silke Rekort, Isabell Robson, Claudia Rohner, Kaï Rostom,
Irina Schicketanz, Kathrin Schlecht,
Nini von Selzam, Ansgar Silies, Julia
Ströder, Esat Tekand, Dirk Thiele,
Ezio Toffolutti, Carla Johanna von
Gehren, Kathrine von Hellermann
Prof. Peter-Georg Bärtsch,
Eva Pieper
Musik
Statisterie
Beatrix Feldmann
Chefdramaturg Thomas Laue
Dramaturgen Anna Haas,
Olaf Kröck, Sabine Reich,
Paul Slangen (Gast)
Dramaturgieassistent
Sascha Kölzow
Henning Beckmann, Vivan Bhatti,
Anke Brouwer, Cornelius Borgolte, Jean Claude Dagbo, Emanuel
Hauptmann, Torsten Kindermann,
Daniel Friedel Murena, Will-Jan
Pielage (Sounddesign), Karsten
Riedel, Roderik Vanderstraeten, Lars
Wittershagen
Kommunikation
Musiker
Leitung und Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit
Christine Hoenmanns
Marketing und Öffentlichkeitsarbeit Janna Balke
Grafik Stephanie Weber
Fotografen Thomas Aurin, Arno
Declair, Diana Küster
Lieke Arts, Jean Claude Dagbo,
Gregor Hengesbach, Andreas Jansen, Torsten Kindermann, Ingmar
Kurenbach, Antonis Pratsinakis,
Karsten Riedel, Hans van der Meer,
Ton van der Meer, Roderik Vanderstraeten, John van Oostrum, Jan
Sebastian Weichsel, Katya Woloshin
Junges Schauspielhaus
Video
Leitung Martina van Boxen
Theaterpädagogin Sandra Anklam
Bibi Abel, Karnik Gregorian,
Michael Habelitz, David Lammers,
Ansgar Silies
Intendant Anselm Weber
Kaufmännischer Direktor
Rolf D. Suhl
Persönliche Mitarbeiterin
der Intendanz Tonia Tilch
Persönliche Referentin des
Kaufmännischen Direktors
Anne Rockenfeller
Verwaltungsleitung Brigitte Käding
Künstlerisches
Betriebsbüro
Künstlerischer Betriebsdirektor Stephan Wasenauer
Chefdisponentin und Leiterin
des Künstlerischen Betriebsbüros
Jutta van Asselt
Mitarbeiterin Christina Lutz
Dramaturgie
Regie
Malou Airaudo, David Bösch (leitender Regisseur), Carola Bühn, Nuran
David Calis, Cilli Drexel, Christoph
Frick, Monika Gintersdorfer, Heike
M. Götze, Mahir Günsiray, Fadhel Jaibi, Jan Klata, Paul Koek, Katja Lauken,
Jan Neumann, Lisa Nielebock, Arne
Nobel, Sebastian Nübling, Stephanie
Sewella †, Sahika Tekand, Katharina
Thalbach, Martina van Boxen, Dries
Verhoeven, Roger Vontobel (Hausregisseur), Anselm Weber
Regieassistenz
Barbara Hauck, Jasna Miletić,
Christina Pfrötschner; Monika Gies
(Gast), Christian Jäger (Gast)
Bühnen- und
Kostümbildassistenz
Henriette Barniske, Sarah Bernardy, Mara Klimek, Bettina Knaack,
Nadine Richter, Carla Johanna von
Gehren
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choreografie
Klaus Figge (Kampfszenen),
Malou Airaudo, Maćko Prusak,
Renegade
Inspizienz
Christina Baston, Gerd Beiderbeck,
Christiane Laux, Alexander Störzel,
Ulrike Schaper
Souffleusen
Sybille Hadulla-Kleinschmidt,
Jutta Schneider, Fee Sachse, Isabell
Weiland
Technische Leitung
Technischer Direktor Hajo Krause
Sekretariat Marion Treckmann
Assistenz des Technischen
Direktors Alexandra Kaiser
Produktions- und Werkstättenleiter Oliver Kroll
Produktionsbüro Christian Acht,
Michael Friebele
Bühnentechnische Leitung
Franz Schenkel
Bühnenobermeister
Michael Mikolajczak
Bühnenmeister Andreas Dudzik,
Uwe Marx, NN
Bühnentechnik
Thomas Arndt, Verena di Battista, Michael Doering, Christian
Drolshagen, Holger Dünnebacke,
Frank Engel, Klaus Fabri, Andreas
Fernau, Erwin Fiebrandt, Jan Flügge,
Reinhard Frese, Dietmar Görtzen,
Jörg Hommann, Anatolij Kalencuk,
Andreas Korfmann, Detlef Kornath,
Frank Koslowski, Frank Kuhlmeier,
Abdelkader Lashab, Hans-Georg
Ludwiczak, Alfred Lübbehusen, Lucian Martin, Manfred Mollenhauer,
Maik Rohnke, Saskia Sawatzki,
Nafiz Sayki, Peter Schaffrinna, Olaf
Schmeink, Jürgen Schnurbusch,
Martin Sievering, Patrick Steinkamp, Christian Szyska, Ali Tugrul,
Uwe Wagner, Thomas Wessling,
Dirk Wils, Thomas Wrobel
Mitarbeiter
Beleuchtung
Schreinerei
Leitung und Lichtgestaltung
Andreas Bartsch, Bernd Felder
Assistenz der Leitung NN
Beleuchtungsoberinspektor
Bernd Kühne
Beleuchtungsmeister Denny Klein
Beleuchter Timo Berghaus, Armin
Bönnemann, Fiorenzo Bonazza,
Hans Dzwigoll, Norbert Eggers,
Christoph Jacob, Detlev Jon, Gerd
Jordan, Kay Kämper, Waldemar Lehmann, Frank Lukaschewski, Ulrich
Meist, Axel Middeke, Alfred Rapp,
Max Reinhardt, Marek Schoder,
Thomas Sikora, Michael Stumpf,
Paul Wallraff, Michael Zoll
Leitung Jürgen Brucks
Schreiner Vitalij Grauberger,
Andreas Rauth, Britta Sabanovic,
Ursula Schemme, Oliver Sievers
Veranstaltungstechniker
Frank Engel, Michael Hopp, Sven
Klauswald, Daniel Lüder
Auszubildende Moritz Macho,
Demian Meier, Christian Mertens,
Marie-Claire Pauli
Technische Leitung
Theater unten
Alexandr Gershman
Ton/Video
Leitung Christoph Bonk,
Andreas König
Tontechniker Andreas Eich, Karl
Haase, Jürgen Jaeger, Frederic Mingo
Video Matthias Fleskes, NN
Malersaal
Leitung Gudrun Schönbeck-Wach
Theatermaler Markus Loer,
Anja Mauruschat, Silke Kost
Theatermalerin/Kascheurin
Miriam Sasserath
Näherin Heike Ringelband
Maler Jörg Palmberg
Auszubildende Maike Prause
Polsterei
Dekorateurin Julia Wagner
Schlosserei
Leitung Olaf Schug
Schlosser Michael Bitzkowski,
Jörg Borrmann, Michael Holle,
Thomas Marx, Joachim Stroka
Schneiderei
Kostümdirektorin Britta Brodda
Gewandmeisterin Damen
Cornelia Fischer
Gewandmeister Herren
Dieter Zunke
Damenschneiderei Anne Burkhardt, Anke Flüs, Claudia Hellwig,
Anita Pyrkosch, Ellen Salewsky,
Doris Schaefer, Petra Woytke
Herrenschneiderei Hannah Brüggemann, Erich Ciecior, Monika Drost,
Jörg Liebisch, Andrea PoglajenLoetters, Christel Sareyka, Nicole
Wippich, Robert Zydek
Ankleiderinnen Oumlaid Strenger,
Silvia Stemmer
Schuhmacher
Ralf Oberste-Beulmann
Putzmacherin Andrea Räckers
Fundusverwalter Guido Hußmann
Maske
Chefmaskenbildnerin Elke Böttcher
Stellvertretender Chefmaskenbildner Georg Herzog
Maskenbildner Tanja Bade, Christian Bernecker, Katharina Bondzin,
Parwin Fakir, Birte Greiwe, Monika
Jankowski, Stefanie Lingener, Barbara Lork, Ursula Menßen, Henryk
Minkiewicz, Jana Müller, Astrid
Schenkel, Ursula Schürer
Auszubildende Svenja Hartnack
Requisite
Leitung Kornelia Helisch
Requisiteure Jessica Cosse, Andrea
Figger, Astrid Freyer, Sonja Klisch,
Juliane Görtzen, Wolfgang Vogt,
Janneta Turska
Verwaltung
Leitung Brigitte Käding
Sekretariat Christiane Koscholleck
Personalabteilung
Elke Günthner
Mitarbeiter Natalie Dammer,
Petra Halfmeier, Sabine Sallamon,
Dirk Welschehold, Linda Wuttke
Rechnungsabteilung
Ute Hellwig
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Mitarbeiter Jan Herder,
Sandy Bäcker, Sabine Blome,
Detlev Massmann
EDV Michael Kowalczyk
Haus- und Gebäudeverwaltung
Dominik Hübschen
Urheberrechte, Werbung, Gastspiele Ulrike Klimach
Personalrat
Vorsitzende Linda Timmermann
Theaterkasse/Abobüro
Leitung Karin Bünten
Mitarbeiterinnen Christina Brand,
Renate Dehnhardt, Eylem Durus,
Heike Glöckner, Ellen Heiermann,
Daniela Koscholleck, Petra Krolikowski, Ute Kruse, Christel Müller,
Brigitte Siepa, Ursula Steingaß, Tülin
Ucur, Susanne Wuttke
Einlass/Garderobe
Leitung Oliver Blum
Vorarbeiterinnen Renate
Münch-Gallasch, Regina Koch
Mitarbeiterinnen Dragina Barzik,
Rosel Christa Bönnemann, Ute
Grutsch, Carola Gurok, Rita Held,
Christiane Kunick, Heide Lobschat,
Birgit Uschkurat
Hausdienst
Manfred Bartnick, Oliver Bußmann,
Udo Hermes, Johannes Raser, Helge
Werthschütz
Pforte
Rosel Christa Bönnemann, Cornelia
Kiszka, Wolfgang Kroner, Cornelia
Skusa, Barbara Sonnak
Nachtpförtner Bernhardt Jeloneck,
Wolfgang Welt
Transportarbeiter
Ulrich Brozio, Udo Giehl, Bernhard
Kampik, Torben Schmidt
Kraftfahrer Willy Doering, Jürgen
Gönder, Christian Kückelheim
Gastronomie
Leitung Helge van Dornick,
Jochen Stein
Verwaltung Julian Schmitz
Leitung Tanas Fabian Strelow
Küche André Thurm
Eve Bar Lena van Dornick
Kantine Elken Krüger,
Angelika Stanek
Kartenverkauf
Wir spielen mit
Ihrem Leben.
Abend für Abend.
0234 / 33 33 55 55
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Kartenverkauf
Kartenverkauf
Schriftliche Kartenbestellung
Legen Sie bei schriftlichen Kartenbestellungen bitte einen
Verrechnungscheck oder einen Wahl-Abo-Gutschein bei.
Gerne rufen wir Sie für eine Zahlung mit Kreditkarte zurück. Die Eintrittskarten werden Ihnen kostenfrei zugesandt. Abonnenten werden bevorzugt berücksichtigt.
Postanschrift:
Theaterkasse
Schauspielhaus Bochum
Königsallee 15
44789 Bochum
Vorverkaufsbeginn
0234 / 33 33 55 55
www.schauspielhausbochum.de
Der freie Verkauf für Veranstaltungen des Schauspielhauses Bochum beginnt am 1. Mittwoch des Vormonats. Inhaber eines Wahl-Abonnements können ab dem 1. Montag
des Vormonats ihre Wahl-Abo-Gutscheine einlösen.
Theaterkasse
Kartenreservierung
Oskar-Hoffmann-Straße 26 / Ecke Hans-Schalla Platz
44789 Bochum
Holen Sie Ihre reservierten Karten bitte innerhalb von 14
Tagen ab. Nicht abgeholte Karten gehen zurück in den freien Verkauf. Wir bitten um Verständnis, dass nur bezahlte
Karten an der Abendkasse hinterlegt werden können.
MO – FR10.00 – 18.00 Uhr
SA 10.00 – 14.00 Uhr,
18.00 Uhr bis Öffnung der Abendkasse
SO 17.00 – 18.00 Uhr
(Abendkasse Schauspielhaus)
Tel.: 0234 / 33 33 55 55
Fax: 0234 / 33 33 55 12
E-Mail: [email protected]
Bezahlung
Bar, mit EC- oder Kreditkarte an der Theater- und Abendkasse. Mit Kreditkarte über den Online-Spielplan unter
www.schauspielhausbochum.de.
Geschenkgutscheine
Vom 5. Juli bis zum 15. August 2010 und an Feiertagen ist
die Theaterkasse geschlossen.
Vorverkauf an der Ruhr-Universität Bochum
Auf dem Campus der Ruhr-Universität sind wir montags
bis freitags von 10.00 – 14.00 Uhr für Sie da! An unserem
Verkaufs- und Infostand im Mensafoyer erhalten Sie während der Vorlesungszeit Karten für alle Vorstellungen.
Abendkasse
Ab einer Stunde vor Vorstellungsbeginn.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir an der Abendkasse nur Karten für die Abendvorstellungen verkaufen.
Kartenkauf über das Internet
www.schauspielhausbochum.de
Sichern Sie sich rund um die Uhr Ihre Eintrittskarten für
den nächsten Theaterbesuch! Beim Kartenkauf über unseren Online-Spielplan zahlen Sie mit Ihrer Kreditkarte und
drucken sich Ihre Karten anschließend über das „Print-atHome“-System bequem zu Hause aus.
Über das Internet gekaufte Karten können nicht zurückerstattet oder umgetauscht werden.
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Verschenken Sie Theater! Gutscheine für Theatervorstellungen erhalten Sie das ganze Jahr über an unserer Theaterkasse. Wir beraten Sie gern! Die Gutscheine sind ab
Kauf zwei Jahre lang gültig und gelten für alle Spielstätten
des Schauspielhauses Bochum.
Preise
Preise
Premierenzuschlag: Auf alle Karten und Wahl-Abo-Gutscheine 4,00 €.
Ermäßigung: Für Schüler und Studenten (bis zum 29.
Lebensjahr), Azubis, Wehr- und Ersatzdienstleistende,
Schwerbehinderte (ab 80%) und Inhaber eines Vergünstigungsausweises.
Volle Hütte: Achten Sie auf die Aktion „Volle-Hütte“ in unserem Spielplan und zahlen Sie bei der ausgesuchten Vorstellung in den Preisgruppen 1 - 3 nur 10,00 €!
Last-Minute-Tickets: 5,50 €. Erhältlich an der Abendkasse
ab 20 Minuten vor Vorstellungsbeginn für Schüler und
Studenten (bis zum 29. Lebensjahr), Azubis und Wehrund Ersatzdienstleistende.
Schauspielhaus
& Kammerspiele
Repertoire
ermäßigt
Preisgruppe 1
Preisgruppe 2
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23,10 €
17,60 €
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8,80 €
12,10 €
8,80 €
6,60 €
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Theater unten
Repertoire
ermäßigt
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9,35 €
6,60 €
Repertoire
ermäßigt
9,00 €
5,00 €
8,00 €
4,00 €
Repertoire
ermäßigt
9,00 €
5,00 €
Jugendvorstellungen
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& Jugendclubs
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Kinder- und
Familienstück
„Jim Knopf und
Lukas der
Lokomotivführer“
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SA 19. Februar 2011
Kasimir und Karoline
AmerikA
SA 2. April 2011
Der aufhaltsame Aufstieg
des Arturo Ui
SA 28. Mai 2011
Premieren-Abo 2:
Schauspielhaus & Kammerspiele
Der Sturm
SA 25. September 2010
Eisenstein
SO 26. September 2010
die labdakiden
SA 9. Oktober 2010
Oft ist die Natur
nicht einmal Schön
FR 3. Dezember 2010
Cyrano de Bergerac
SA 29. Januar 2011
Jimi Bowatski hat
kein schamgefühl
FR 25. März 2011
Der aufhaltsame Aufstieg
des Arturo Ui
SA 28. Mai 2011
Die Jungfrau von Orleans
im Juni 2011
Premieren-Abos
Preisgruppe 1
Preisgruppe 2
Preisgruppe 3
Preisgruppe 4
135
8 Premieren
208,00 €
164,00 €
120,00 €
98,00 €
Abonnements
Werktags-Abonnements
Sonntagnachmittags-Abonnement
Machen Sie den Mittwoch oder den Freitag zu Ihrem Theatertag und sehen Sie von Ihrem festen Lieblingsplatz aus
acht Neuinszenierungen der laufenden Saison in Schauspielhaus und Kammerspielen. Ihre Plätze sind Ihnen sicher – bei einer Ermäßigung von bis zu 25%.
Der Vorstellungsbesuch am Abend ist Ihnen und Ihrer Familie zu spät? Dann kommen Sie doch einfach Sonntagnachmittag ins Theater! An fünf ausgewählten Terminen
sehen Sie jeweils um 17.00 Uhr eine unserer Neuinszenierungen in Schauspielhaus und Kammerspielen. Dabei
sparen Sie bis zu 45% gegenüber den regulären Eintrittspreisen und können Ihr Wochenende ganz entspannt ausklingen lassen.
Werktags-Abo 1: Mittwoch
Medea
MI 20. Oktober 2010
Faust
MI 8. Dezember 2010
Candide oder Der Optimismus
MI 12. Januar 2011
Oft ist die Natur
nicht einmal Schön
MI 2. Februar 2011
kasimir und karoline
MI 16. März 2011
Der Sturm
MI 20. April 2011
Der Fall des Robert K.
MI 18. Mai 2011
Die Labdakiden
MI 29. Juni 2011
Candide oder Der Optimismus SO 31. Oktober 2010
Eisenstein
SO 9. Januar 2010
Faust
SO 6. Februar 2010
Cyrano de Bergerac
SO 17. April 2011
Die Jungfrau von Orleans
SO 3. Juli 2011
SonntagsAbo
Werktags-Abo 2: Freitag
Die Labdakiden FR 15. Oktober 2010
Eisenstein
FR 17. Dezember 2010
Der Sturm
FR 14. Januar 2011
Faust
FR 4. März 2011
Jimi Bowatski hat
kein schamgefühl
FR 1. April 2011
Amerika
FR 29. April 2011
Cyrano de Bergerac
FR 3. Juni 2011
Die Jungfrau von
FR
Orleans
15. Juli 2011
Werktags-Abo
Preisgruppe 1
Preisgruppe 2
Preisgruppe 3
Preisgruppe 4
5 x Schauspielhaus +
3 x Kammerspiele
ermäßigt
145,20 €
110,00 €
74,80 €
52,80 €
110,00 €
83,60 €
57,20 €
44,00 €
136
Preisgruppe 1
Preisgruppe 2
Preisgruppe 3
Preisgruppe 4
3 x Schauspielhaus +
2 x Kammerspiele
ermäßigt
63,80 €
47,30 €
33,00 €
27,50 €
27,50 €
27,50 €
27,50 €
27,50 €
Abonnements
6 Richtige: Das Revier-Abo
Abo-Bedingungen
Für Schauspiel-Liebhaber, die auch gern in die Oper gehen, haben wir ein besonderes Vorstellungspaket für Sie
geschnürt, mit dem wir die alte Verbundenheit mit dem
Musiktheater im Revier Gelsenkirchen wieder aufleben
lassen. Kommen Sie bei dem neuen städteübergreifenden
Fest-Abo jeweils donnerstags zu drei Theatervorstellungen
ins Schauspielhaus Bochum und zu drei Opern ins Musiktheater im Revier.
Vertrag
Mit der Bestellung eines Abonnements und der Zusendung
der Abo-Unterlagen wird ein rechtsgültiger Vertrag zwischen
Ihnen und dem Schauspielhaus Bochum geschlossen. Bitte
teilen Sie uns Änderungen Ihrer Adresse oder Telefonnummer
mit, damit der Monatsspielplan und andere Informationen Sie
ohne Verzögerung erreichen.
GE: Mefisto
BO: Candide oder
Der Optimismus
GE: Anatevka
BO: Der Sturm
GE: Zar und Zimmermann
BO: Cyrano de Bergerac
6 Richtige:
Das Revier-Abo
Preisgruppe 1
Preisgruppe 2
Preisgruppe 3
Preisgruppe 4
DO 11. November 2010
Bezahlung
Bar, mit EC- oder Kreditkarte im Abo-Büro. Für eine besonders
komfortable Abwicklung bieten wir unseren Abonnenten das
Lastschrifteinzugsverfahren an.
DO 3. Februar 2011
DO 3. März 2011
DO 14. April 2011
DO 12. Mai 2011
DO 30. Juni 2011
Fristen
Ihr Abonnement verlängert sich automatisch um eine weitere
Spielzeit, sofern der Vertrag nicht von einem der beiden Vertragspartner bis spätestens 15. Juni der laufenden Spielzeit
schriftlich gekündigt wird.
3 x Schauspielhaus +
3 x Musiktheater im Revier
140,00 €
120,00 €
100,00 €
-
Hinweise
Das Schauspielhaus Bochum behält sich vor, bei Premieren
und bei Vorstellungen mit großer Nachfrage pro Wahl-Abo nur
zwei Gutscheine einzulösen. Wahl-Abo-Gutscheine sind nicht
in die folgende Spielzeit übertragbar, ein Ersatz bei Verlust der
Gutscheine ist nicht möglich.
Im Rahmen der Fest-Abo-Bestellung wird das Schauspielhaus Bochum alles unternehmen, die durch den Abonnenten
getroffene Platzwahl einzuhalten. Es hat aus künstlerischen
und/oder organisatorischen Gründen allerdings das Recht,
kurzfristig Platzänderungen oder Änderungen der Spielstätte
vorzunehmen, Abonnement-Vorstellungen auf einen anderen
Termin zu verlegen oder das vorgesehene Programm zu ändern.
Bei Ausfall einer Vorstellung durch Streik oder höhere Gewalt
hat der Abonnent keinen Anspruch auf eine Ersatzleistung.
Dies gilt ebenso bei Versäumnis einer Vorstellung.
Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des
Schauspielhauses Bochum.
Änderungen vorbehalten.
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InfOS unD AnreISe
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Anschlusssstelle
Bochum-Zentrum
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Ihr Besuch im
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Südring
unser Spielzeit-Magazin informiert Sie über die geplanten
Premieren der Saison und erscheint einmal jährlich zur
vorstellung des kommenden Spielplans im frühjahr.
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Königsallee
„Boropa“ – Das Magazin
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SCHAUSPIELHAUS
BOCHUM
Spielplan
Mit dem Auto
Der Monatspielplan mit allen terminen des Schauspielhauses Bochum erscheint zu Beginn des vormonats und
liegt an der theaterkasse, in unseren Spielstätten und an
vielen weiteren Orten in Bochum und umgebung für Sie
aus. Auf Wunsch schicken wir Ihnen den Monatsspielplan
auch zu. Eine Download-Version finden Sie im Internet
unter www.schauspielhausbochum.de
Das Bochumer Schauspielhaus befindet sich in der südlichen Bochumer Innenstadt und ist von den Autobahnen A40 und A43 in wenigen Minuten zu erreichen.
eine detaillierte Anfahrtsbeschreibung finden Sie unter
www.schauspielhausbochum.de.
Theaterzeitung
Die Zieladresse für Ihr navigationsgerät:
Königsallee 15, 44789 Bochum
Die neue theaterzeitung von Schauspielhaus Bochum und
dem Musiktheater im revier Gelsenkirchen liegt ab Herbst
2010 monatlich als Beilage der WAZ bei und natürlich
auch an der theaterkasse.
Der Melanchthonsaal liegt ebenfalls an der Königsallee
und ist nur wenige Meter vom Schauspielhaus entfernt:
Königsallee 40, 44789 Bochum
Website
Parkhaus am Schauspielhaus (P9, Zufahrt Königsallee)
zum Pauschalpreis von 3,00 euro.
Auf www.schauspielhausbochum.de finden Sie aktuelle
Änderungen und alle Infos zum Schauspielhaus Bochum,
zum Spielplan, den Schauspielern, regisseuren und ihren
Inszenierungen. Hier können Sie auch online Ihre Karten
für die vorstellungen kaufen.
Programmhefte
Die Programmhefte unserer aktuellen Inszenierungen
sind zu den vorstellungen und nach der Premiere auch an
der theaterkasse erhältlich.
Parken
Mit Bus und Bahn
Zur Haltestelle „Schauspielhaus“ gelangen Sie mit den
Buslinien SB 37, Ce 31, 353, 354 und 365, den nachtexpresslinien ne 4 und ne 5 sowie den u-Bahnlinien 308
und 318. Alle Linien fahren über den Bochumer Hauptbahnhof. Planung über www.vrr.de.
Barrierefreiheit
Im Schauspielhaus stehen Ihnen zwei rollstuhlplätze zur
verfügung (3. reihe, links außen). Wir bitten um rechtzeitige reservierung. um barrierefrei zu Ihren Plätzen zu
gelangen, nutzen Sie bitte die rampe am Haupteingang.
Behindertengerechte WC-Anlagen befinden sich im Erdgeschoss links. Leider sind die weiteren Spielstätten bislang
noch nicht barrierefrei erreichbar. Gemeinsam mit den
Politikern und der verwaltung der Stadt Bochum arbeiten
wir an einer verbesserung der Zugangsmöglichkeiten.
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GasTRoNomie
Tanas
Vorhang auf
für Reiselust.
Die Speisekammer im Schauspielhaus Bochum
Öffnungszeiten:
MO – fr 12.00 – 14.30 uhr (Mittagstisch)
MO – SA 18.00 – 1.00 uhr
SO
17.00 – 1.00 uhr
Abends geschlossen, wenn sowohl im Schauspielhaus, im
theater unten als auch in den Kammerspielen keine vorstellung stattfindet.
reservierungen:
tel.: 0234 / 33 33 54 44
Eve Bar
Cocktail Lounge
Öffnungszeiten:
DO – SA
21.00 – 3.00 uhr
und vor feiertagen
www.evebar.de
Foyers
Wir bieten Ihnen an drei tresen vor vorstellungsbeginn
und in der Pause kleine Snacks sowie eine breit gefächerte
Getränkeauswahl an.
TheaTeRFühRuNGeN
Werfen Sie einen interessanten Blick hinter die Kulissen!
Die kostenlosen Führungen finden in der Regel einmal im
Monat an einem Sonntag statt, termine entnehmen Sie
bitte unserem Monatsspielplan.
Anmeldung bei Beatrix feldmann:
MO – DO 10.00 – 12.00 uhr
tel.: 0234 / 33 33 55 48
e-Mail: [email protected]
Was die hohe Kunst des Bühnenschauspiels
mit Reisen verbindet? Beide erfreuen den
Geist und bereichern die Seele. Deshalb
arbeiten wir ständig an aufregenden Inszenierungen für Ihre Reiselust. Ganz gleich, wie
Ihre Wünsche und Ansprüche an individuellen
Urlaub sind. Als Vollsortimenter können Sie
bei uns jede Reise, jede Airline und jeden
Veranstalter buchen. Beliebt sind unsere
Honeymoon-Angebote mit Romantik pur
und Erlebnissen, die zu Herzen gehen.
Und wie man Geschäftsreisende mit einem
perfekten Service glücklich macht, wissen
unsere eingespielten Teams aus langer
Erfahrung. Welche Traumziele und Traumstrände auf unserem tagesaktuellen Reiseplan stehen, rezitieren wir gerne in einem
persönlichen Gespräch. Besuchen Sie uns
und genießen Sie eine ganz persönliche
Beratung. Von Menschen, die sich fürs
Reisen begeistern.
Zu GasT iN bochum
Informationen über die Stadt Bochum, Übernachtungsmöglichkeiten, Stadtführungen und viele weitere Angebote
rund um Ihren Aufenthalt in Bochum erhalten Sie bei der
Bochum touristinfo, Huestraße 9, 44787 Bochum
tel.: 01805 / 26 02 34 (14ct/Min. aus dem dt. festnetz)
e-Mail: [email protected]
www.bochum-tourismus.de
FRaGeN, aNReGuNGeN, KRiTiK?
Wir freuen uns über Ihre nachrichten und Ihr feedback.
e-Mail: [email protected]
Kortumstraße 37
44787 Bochum
Tel. 02 34-9 61 80 0
Fax 02 34-9 61 80 30
[email protected]
www.lcc-bochum.de
Reiselust spürbar nah.
139
Kontakt
Kontakt
Kommunikation
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:
Christine Hoenmanns
Tel.: 0234 / 33 33 55 23
Fax: 0234 / 33 33 54 37
E-Mail: [email protected]
Marketing und Öffentlichkeitsarbeit:
Janna Balke
Tel.: 0234 / 33 33 54 35
Fax: 0234 / 33 33 54 37
E-Mail: [email protected]
Dramaturgie
Assistenz: Sascha Kölzow
Tel.: 0234 / 33 33 54 38
Fax: 0234 / 33 33 55 19
E-Mail: [email protected]
SCHAUSPIELHAUS BOCHUM
Anstalt des öffentlichen Rechts
Königsallee 15
44789 Bochum
Tel.: 0234 / 33 33 -0 (Zentrale)
Junges Schauspielhaus
Theaterkasse
Oskar-Hoffmann-Straße 26 / Ecke Hans-Schalla Platz
44789 Bochum
Tel.: 0234 / 33 33 55 55
Fax: 0234 / 33 33 55 12
E-Mail: [email protected]
Abo-Büro
Oskar-Hoffmann-Straße 26 / Ecke Hans-Schalla Platz
44789 Bochum
Tel.: 0234 / 33 33 55 -40 oder -49
Fax: 0234 / 32 55 957
E-Mail: [email protected]
Intendanz
Anselm Weber
Persönliche Mitarbeiterin: Tonia Tilch
Tel.: 0234 / 33 33 55 20
Fax: 0234 / 33 33 55 21
E-Mail: [email protected]
Kaufmännischer Direktor
Rolf D. Suhl
Persönliche Referentin: Anne Rockenfeller
Tel.: 0234 / 33 33 55 30
Fax: 0234 / 33 33 55 21
E-Mail: [email protected]
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Martina van Boxen, Sandra Anklam
Tel.: 0234 / 33 33 -54 28 oder -55 28
Fax: 0234 / 33 33 54 24
E-Mail: [email protected]
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www.boropa.de
Willkommen in
Weltexperimen
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IMpRESSUM
IMpRESSUM
Herausgeber:
fotografen, grafIKer und
Illustratoren dIeser ausgabe:
Schauspielhaus Bochum AöR
Intendant:
svenja blasberg
Anselm Weber
glaubt wirklich daran, dass die Welt mit
gutem Magazindesign ein besserer Ort
werden kann.
KaufmännIscHer dIreKtor:
Rolf D. Suhl
redaKtIon:
Thomas Laue (verantwortlich), Anna Haas, Sascha Kölzow,
Olaf Kröck, Sabine Reich (Dramaturgie Schauspielhaus
Bochum); Janna Balke, Christine Hoenmanns (Kommunikation Schauspielhaus Bochum)
autoren:
David Bösch, Nuran David Calis, Mustapha Cherif, Ranjit
Hoskote, Roman Pawłowski, Sahika Tekand, Roger Vontobel, Dries Verhoeven, Arnd Wesemann
fotos und IllustratIonen:
siehe rechts
lars Hillen
fotografiert schöne Menschen und macht
aus ihnen Ikonen einer längst vergessenen
Zukunft.
annika Kep
zeichnet mit liebevoller Feder die unerhörtesten Dinge (die man leider nicht überall
abdrucken kann).
diana Küster
WeItere fotos:
David Bösch, Leonie Droste, Emanuel Hauptmann, Harald Hoffmann, Zhang Huan, Andrea Huber, Birgit Hupfeld, Rainer Kzonsek, Jannes Linders, Catrin Mackowski,
Martin Steffen, Stefania Tosi
redaKtIonsadresse:
ist Fotografin, macht neben Theaterfotografie auch Stand-, Dokumentar-, und Porträtfotografie.
Philipp lemm
war in einem früheren Leben Tätowierer.
Heute ist er Illustrator. Und in seinem
nächsten Leben wird er Tierschützer.
Schauspielhaus Bochum, Kommunikation,
Königsallee 15, 44789 Bochum; www.boropa.de
anzeIgen:
Rolf D. Suhl, Janna Balke ([email protected],
Tel.: 0234 / 33 33 54 35)
christian rolfes
hat sehr selten schlechte Laune. Das überträgt sich auf seine Models, Bilder und
schließlich deren Betrachter.
desIgn:
Scheer Werbeagentur, www.scheer.tv
creatIVe dIrector:
Stefan Scheer
mycha schekalla
layout:
fotografiert mit den seltsamsten Kameras
der Welt. Und wenn das nicht reicht, baut
er sie auch selbst.
Svenja Blasberg, Christian Frenssen, Mycha Schekalla
lItHografIe:
purpur
Wolfgang Herrig e. K.
ugur taskin
drucK:
NEEF + STUMME premium printing GmbH & Co. KG
ausgabe 1
auflage 30.000
erscHeInungstermIn:
kommt aus Essen und befasst sich in seinen
Arbeiten unter anderem mit visueller Kultur.
Harry Weber
ist Fotograf und leidenschaftlicher Bochumer auf geheimer Mission in Berlin.
21. Mai 2010
redaKtIonsscHluss:
12. April 2010
Spielplanänderungen vorbehalten
thomas Wellmann
zeichnet einen Strich und versetzt die Welt
ins Staunen.
nils-Hendrik zündorf
fotografiert Orte so, wie Andere Menschen
fotografieren und andersrum.
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Stadtwerke Bochum
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