Der Schliff nach dem Schnitt
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Der Schliff nach dem Schnitt
Digital Video Publisher 6 · 2003 Postproduktion, Animation und Spezialeffekte für Digital Video: After Effects 6 Der Schliff nach dem Schnitt Motion Tracking, Rotoskoping, Traveling Matten und 3:2 Pulldown: Der Anblick solcher Fachwörter lässt die Postproduktion von Videos als unerreichbare Domäne erscheinen. Die neue Version von After Effects beweist, dass es weniger kompliziert ist, als es scheint. ALEXANDER GRAF In der letzten Ausgabe des Publisher haben wir uns mit dem Videoschnittsystem Final Cut Pro 4 auseinandergesetzt. Nach der Schnittarbeit ist das digitale Video aber noch nicht fertig. Bevor das Projekt publiziert werden kann, bedarf es noch intensiver Nachbearbeitung, der so genannten Postproduktion. Farbkorrekturen und kleinere Animationen wie Bewegungen und Skalierungen sind mittlerweile in den NLE-Programmen Premiere, Final Cut Pro und Avid Xpress realisierbar. Für aufwändiges Compositing, exakt kontrollierbare Effekte und komplexe Animationen muss nach wie vor auf Spezialprogramme zurückgegriffen werden. Solche Programme haben oft eine andere Philosophie als die Schnittprogramme. Deshalb muss man eine lange Einarbeitungszeit einrechnen, bevor man sie sinnvoll einsetzen kann. Eine Ausnahme ist After Effects aus dem Hause Adobe, welches die Werkzeuge aus Illustrator und Photoshop verwendet und so den Einstieg vereinfacht. Trotzdem muss man sich an eine andere Vorgehensweise gewöhnen. Die Videos, Bilder und Grafiken werden nicht hintereinander in eine Spur geschnitten, sondern als Ebenen übereinander gestapelt, wie in Photoshop. Compositing und anderes Mit After Effects können Elemente wie Videoclips, Bilder und Grafiken miteinander kombiniert und animiert werden. Solche Compositings entstehen, indem mehrere Elemente in Form von Ebenen übereinander gelegt und passende Füllmethoden oder Transparenzen angewendet werden. Für möchte ich noch speziell eingehen. Der Zaxwerks 3D Invigorator ermöglicht mit einfachen Mitteln 3D-Animationen in After Effects. Dazu erstellt man zuerst eine Grafik in Illustrator. Dieser wird nun im Plug-in extrudiert und texturiert. Mit den vielen Einstellungsmöglichkeiten zu Kanten, Tiefe, Oberfläche usw. sind ansprechende Resultate realisierbar. Eine naturgetreue Animation ist damit natürlich nicht möglich. Für rotierende Logos oder Schriften besteht jedoch kein solcher Anspruch. Ausserdem spart man sehr viel Zeit, da in der gewohnten Oberfläche weitergearbeitet werden kann und die Animation sauber in die gesamte After-EffectsKomposition eingebettet ist. die Arbeit mit Transparenzen bietet After Effects verschiedene Techniken zur Maskierung und zur Animation der Pfadmasken, aber auch KeyingFilter zum Ausstanzen von ähnlichen Farbbereichen. Natürlich werden auch Matten, die pixelbasierten Alphakanäle, unterstützt. Jede Ebene kann nun mit verschiedenen Parametern wie Position, Skalierung, Ankerpunkt, Drehung und Transparenz richtig angeordnet und bei Bedarf in Bewegung gesetzt werden. Die Animationen können wahlweise Bild für Bild oder über Keyframes erstellt werden. Bei der Arbeit mit Keyframes interpoliert das Programm automatisch die Bilder zwischen den Keyframes. Bewegte Ebenen werden auf Wunsch mit genauer Bewegungsunschärfe gerendert. Mit der Verschlusszeit der virtuellen Kamera kann dieser Effekt gesteuert werden. Seit der Version 5 sind Compositings Die neuen Textfunktionen vereinfachen Gestaltung und Animation von Titeln mit den komfortablen Werkzeugen von Photoshop. sogar in der 3. Dimension möglich. Polygonmodelle kommen dabei nicht zum Einsatz, aber mit Ebenen, die zusätzlich zur X- und Y-Achse auch in der Z-Achse animiert werden können, lassen sich beeindruckende Animationen erstellen. Erwartungsgemäss sind auch Kameras und Lichter über diverse Parameter animierbar. Im Gegensatz zu vielen Schnittprogrammen unterstützt After Effects Vektorbilder. Deshalb wird der Vektor erst beim Rendern gerastert, was auch bei grosser Skalierung immer saubere Kanten garantiert. Ebenen können hierarchisch verknüpft werden. Wenn eine Ebene bewegt wird, machen alle untergeordneten Ebenen diese Bewegung mit. Als unverzichtbar erweist sich diese Funktion, wenn beispielsweise gezeichnete Menschen animiert werden müssen. Dreht man den Oberschenkel, folgen Unterschenkel und Fuss automatisch nach. Eigentlich logisch, aber nicht immer selbstverständlich. Effekte für das gewisse Etwas Mit diversen Effekten können die Compositings zusätzlich verfeinert, verfremdet oder korrigiert werden. Die Effektpalette ist so umfangreich, dass eine Textsuche eingebaut wurde. Die Auswahl reicht von Anpassungen der Farbe, Keyingfilter zum Ausstanzen von Farbbereichen über Renderingfilter für Blitze und Blendenflecke und Filter zum animierten Verzerren oder Verflüssigen (Photoshop lässt grüssen) bis hin zu Partikelanimationen und Zertrümmerungen von Ebenen. After Effects-Plug-ins werden von den meisten namhaften Compositing- und SchnittProgrammen unterstützt, was zu einer Plug-in-Vielfalt von Drittherstellern geführt hat. Auf ein mitgeliefertes Plug-in Verbesserte Integration der Adobe Produkte Der entscheidende Vorteil von After Effects gegenüber der Konkurrenz ist die gute Verbindung mit Photoshop, Illustrator und Premiere. Photoshopund Illustrator-Dateien können als Footage oder als Komposition importiert werden. Beim Footage wird das gesamte Bild auf eine Ebene reduziert oder nur eine einzelne Ebene importiert. Braucht man die Datei mit allen Ebenen, Ebeneneffekten und Hilfslinien, importiert man die Datei als Komposition. Alle Füllmethoden bleiben erhalten und After Effects verfolgt die Ebenenreihenfolge, auch wenn diese in Photoshop umgestellt wird. Neu hinzugekommen ist die Möglichkeit, eine Komposition mit beschnittenen Ebenen zu importieren. Diese Funktion beschneidet die Ebenen nicht auf die Kompositionsgrösse, sondern erhält sie, wie sie in Photoshop oder Illustrator erstellt wurden. Texte aus Illustrator wandelt After Effects automatisch in Pfade um, und leere Bereiche werden in Alphakanäle umgewandelt. After Effects importiert Pfade aus Illustrator nicht nur als Footageelemente, sie können Die Malwerkzeuge sind identisch mit denen in Photoshop. Die Pinselstriche basieren aber auf Vektoren, und sind damit animierbar. 57 58 Publisher 6 · 2003 Digital Video Der überarbeitete Motion Tracker analysiert die Bewegungen im Video mit beliebig vielen Trackingpunkten. auch mittels Copy/Paste eingefügt werden. Dies hat jedoch eine andere Funktion. Die Pfade werden nicht als neue Grafikebene eingesetzt, sondern als Maske in die aktive Ebene eingefügt. Mit einigen Einstellungen, wie weiche Maskenkante, Deckkraft und Ausweitung kann die Maskierung zusätzlich gesteuert werden. Natürlich können diese Masken auch animiert werden, was mit der intelligenten Maskeninterpolation von After Effects relativ gut gesteuert werden kann. Die Pfade können auch einzelnen Parametern zugewiesen werden. After Effects interpretiert den Pfad dabei nicht nur zweidimensional, sondern fügt auch gleich die zeitliche Dimension hinzu. Damit kann der Position einer Ebene oder eines Effektes mit wenigen Schritten ein vorgezeichneter Weg zugewiesen werden. Wichtig: Dies funktioniert nur, wenn in der Standardeinstellung von Illustrator unter Zwischenablage Pfade beibehalten aktiviert ist. Projekte aus Premiere können in After Effects auch importiert werden. Die gesamte Schnittliste bleibt erhalten und Einstellungen zu Transparenzen und Bewegungen bleiben editierbar. Neue Funktionen Mit der Version 6 sind viele Wünsche der Anwender erfüllt worden. Endlich sind komfortable Werkzeuge für Textanimation dabei, sodass man nicht mehr auf Photoshop oder Illustrator als Titeldesigner zurückgreifen muss. Für die Retusche von bewegten Bildern sind integrierte Vektorzeichenwerkzeuge mit Spitzen im Stil von Adobe Photoshop hinzugekommen. Zudem wurde das Modul zum Tracken von Bewegungen komplett überarbeitet, sodass es den wachsenden Ansprüchen genügt. Titeldesign Titel in Videos werden immer ausgefeilter. Die neuen Funktionen zum Erstellen und Animieren von Texten bringen da grosse Vorteile. Texte können nun direkt im Kompositionsfenster eingefügt und editiert werden. Dabei stehen die aus Photoshop, Illustrator und InDesign bekannten Zeichenund Absatz-Paletten zur Verfügung. Natürlich gelten auch die gleichen Tastaturbefehle. Jedes Zeichen kann mit unterschiedlichen Schriften, Stilen, Grössen oder Farben versehen werden. Der Text bleibt auch im animierten Zustand jederzeit editierbar. Eine Textänderung in der letzten Minute des Projektes ist kein Problem mehr. Noch interessanter wird es, wenn man einen Blick auf die Animationsmöglichkeiten wirft. Die Textebene kann mit verschiedenen Animatoren versehen werden, wobei jeder Animator mehrere Parameter beinhalten kann. Animator 1 kann beispielsweise die Buchstaben einzeln einblenden und gleichzeitig rotieren lassen. Animator 2 fügt dem mittleren Buchstaben zusätzlich eine Grössenänderung hinzu. Auch Zeichenversatz und Laufweite sind animierbare Parameter. Rotoscoping – Malen im Video Es wäre genau der richtige Ort für die Szene, wenn da im Hintergrund nicht die Drähte der Hochspannungsleitung wären. In einem Standbild ist so eine Störung schnell beseitigt. Im Video mit bewegten Objekten und unruhiger Kamera muss diese Korrektur jedoch auf jedem einzelnen Frame gemacht werden. Das war bisher auch bei einfachen Objekten eine langwierige Handarbeit. Mit den neuen Vektorzeichenwerkzeugen entfällt diese Arbeit zwar nicht, wird aber angenehmer und schneller. Analysierte Bewegungen können die Kamerabewegungen stabilisieren oder auf andere Videos übertragen werden. Da die Zeichenwerkzeuge auf der Pinsel-Engine und den Werkzeugen von Photoshop basieren, ist keine lange Einarbeitung nötig. Dem Zeichnen und Retuschieren im Film, Frame für Frame, steht nun nichts mehr im Wege. Der Pinselstrich kann dabei konstant oder für eine frei wählbare Frameanzahl sichtbar sein. Für einige Fälle mag auch ein animierter Pinselstrich sinnvoll sein. Einen kleinen Unterschied zu Photoshop gibt es trotzdem: Die Pinselstriche sind vektorbasierend. Nur so ist es möglich, die verschiedenen Parameter in der Timeline über Keyframes zu steuern. Dies macht auch deutlich, dass nicht destruktiv gemalt werden kann. Jeder Pinselstrich wird der Ebene als Effekt zugewiesen. Motion Tracking – die Bewegungsanalyse Das Analysieren von Bewegungen im Videomaterial ist nicht neu in After Effects. Für die Version 6 wurde das Werkzeug jedoch einer Revision unterzogen. Während der Arbeit macht sich die gesteigerte Geschwindigkeit bemerkbar. Mit den zusätzlichen Optionen und den erweiterten Steuerelementen können Objekte im Video viel genauer erfasst werden. Da auch die intelligenteste Trackingfunktion bei schwierigem Material versagt, werden die Daten erfasst, ohne auf die Zielebene übertragen zu werden. Diese Daten lassen sich nun über eine Steuerung vorwärts und rückwärts, Schritt für Schritt kontrollieren und korrigieren. Die Tracking-Daten können auch in der Zeitleiste bearbeitet und in Expressions verwendet werden. After Effects erlaubt pro Ebene mehrere Tracking-Vorgänge mit beliebig vielen Tracking-Punkten. Handbuch des Programms zum Schleuderpreis an. Einzig die Programmphilosophie, die einen grossen Lernaufwand erfordert, und die schlechtere Integration von Photoshop und Illustrator können hier als Nachteil erwähnt werden. Auch das Compositingprogramm Commotion Pro von Pinnacle bietet After Effects mit sehr guten Paintingfunktionen die Stirn. Bei 3D-Compositings muss es jedoch passen. Mit der Version 6 hat After Effects viele Schwachstellen ausgemerzt und die fehlenden Werkzeuge implementiert, was den After EffectsAnwender natürlich freut. After Effects 6 Preise Vollversion Standard: Fr. 1299.– Vollversion Professional: Fr. 2109.– Update von Version 5.5: Standard Fr. 389.– Professional Fr. 565.– Fachwörter: Linearer Schnitt Analoges Videomaterial muss linear Clip für Clip auf ein Band kopiert werden. Bei einer Änderung müssen alle nachfolgenden Clips nochmals kopiert werden. Nonlinearer Schnitt (NLE) Bei digitalen Videodateien können die Clips in beliebiger Reihenfolge geschnitten werden. Rotoskoping Bildretusche auf bewegten Bildern. Die Bearbeitung muss auf jedem Frame individuell wiederholt werden. Im Verhältnis zum Leistungsumfang des Programms ist das Handbuch mit 2,5 cm relativ dünn. Die Handbücher von Final Cut Pro 4 beispielsweise brauchen 8 cm im Bücherregal, Cinema 4D 8 beansprucht sogar 11 cm. Als Nachschlagewerk für Fortgeschrittene erfüllt das After-Effects-Büchlein seinen Zweck vollkommen. Anfänger sind jedoch auf zusätzliche Literatur angewiesen, da im Handbuch die Fachbegriffe nicht ausreichend eingeführt und keine allgemeine Erklärungen abgegeben werden. Der Packung liegt noch eine DVD bei, auf welcher sich Tutorials für die gesamte Videokollektion von Adobe befinden. Dies erleichtert den Einstieg und verschafft einen schnellen Überblick über die neuen Funktionen. Motion-Tracking Wachsender Konkurrenzdruck Beim Überlagern von Ebenen müssen die unerwünschten Bereiche transparent werden. In After Effects wird eine Maske als ein geschlossener Pfad definiert, der den sichtbaren Bereich markiert. Die Matte ist ein pixelbasierendes Graustufenbild. Dunkle Bereiche werden transparent, helle bleiben sichtbar. In den letzten Jahren hat After Effects viel Druck von Konkurrenzprodukten bekommen. Vor allem im Bereich Rotoskoping und Textanimation hatten andere Produkte die Nase vorn. Combustion von Discreet war vor einigen Jahren noch so teuer, dass ein Vergleich kaum sinnvoll war. Nun bietet Discreet die riesige Funktionsvielfalt Analysiert die Bewegungen im bewegten Bild. Diese Bewegungen können für Kamerastabilisierungen verwendet oder auf andere Ebenen übertragen werden, um den Bildinhalt durch einen anderen zu ersetzen. Compositing Beim Compositing werden verschiedene Ebenen übereinandergelegt, um statische Bilder oder 3D-Animationen mit gedrehtem Material zu kombinieren. Dies erfordert transparente Bereiche, die mit Farbkeying, Masken oder Matten erzeugt werden. Maske vs. Matte