Bevor`s losgeht: Hast du Hunger
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Bevor`s losgeht: Hast du Hunger
Bevor’s losgeht: Hast du Hunger? Der Laden brummt, alle Tische sind belegt. An der Theke suchen Menschen nach einem kleinen Plätzchen, um ihr Schnitzel abzustellen und essen zu können. Das Publikum ist gemischt. Zwei Engländer staunen über das riesige Ergebnis ihrer Schnitzel-Bestellung und ein vor drei Tagen Zugezogener darüber, dass er automatisch ein volles Kölschglas vor die Nase gestellt bekommt. „Ich dachte, dass wäre nur in Brauhäusern so“, sagt der Mann in einem fremden Dialekt. Es gefällt ihm hier. Er beschließt, nun öfters zu kommen. Für die Sparkästchen an der Wand gibt es mittlerweile eine Warteliste, erfährt er aus einem Gespräch, das die Wirtin mit zwei Damen eines Stammtisches führt, der sich hier seit 25 Jahren trifft. Ein Kellner legt eine CD ein, die ein anderer Stammgast produziert hat und auf der er zu elektronischen Beats von Schnitzeln singt. An der Theke wird ein Kölsch auf Oma Kleinmann getrunken. An der Wand hängt ein kleines Bild der Frau, die dieser Kneipe einst ihren Namen gab. Heute taucht sie nur noch selten im Lokal auf. Es müssen schon besondere Anlässe sein – wie der eigene Geburtstag oder ein rauschendes Karnevalsfest, wo sie es sich nehmen lässt, den Gästen einen „gemütlichen Abend“ zu wünschen. Die meiste Zeit verbringt sie in ihrer Wohnung. Um zu ihr zu gelangen, muss man durch die Küche, in der sie über dreißig Jahre gekocht hat, vorbei an den besungenen Schnitzeln und den Menschen, die diese in großen Pfannen wenden und brutzeln lassen. Man klopft laut an der Tür, die hinter der Küche zu der Zwei-Zimmer-Wohnung führt. Paula Kleinmann antwortet nicht, weil sie an ihrem alten Esstisch vor dem überlauten Fernseher eingeschlafen ist. In einem Regal stehen Fotos ihrer Urenkel und Enkel, ihres Sohnes und einer Schwester. Auf einem zweiten Tisch befinden sich Kartons, in denen sie offenbar nach alten Fotos oder Zeitungsartikeln gesucht hat. Vorsichtig wird die alte Dame geweckt. Sie habe heute wieder gut gegessen, meint sie unmittelbar nach der Begrüßung. „Der Olaf kocht anders als ich“, sagt sie über ihren Nachfolger. „Aber auch sehr gut. Hast du Hunger?“ Diese Frau hat mehr Jahre ihres Lebens gearbeitet als andere alt werden. Immer unter Volldampf, ohne Pause. Und sie hat mit ihrer Art, ihrem Humor und ihrer Gastlichkeit aus einer Kneipe eine KultGaststätte gemacht. „Die Paula hat es in sich“, heißt es schon 1951 in einer Restaurantkritik. Sie wurde zu einer Institution und Attraktion im Viertel und zur Ersatzmutter einiger Studentengenerationen. Das Lokal „Zum Goldenen Krug“, das im Januar 1999 der Wirtin zu Ehren in „Bei Oma Kleinmann“ umgetauft wurde, lockte Kölsche und Imis. Während sich das Quartier zum Vergnügungsviertel entwickelte, blieb ihre Kneipe das Wohnzimmer für alteingesessene Bewohner, Studenten und zeitweise auch viele Prominente, die es genossen, Teil dieses ganz speziellen, kölschen Mikrokosmos zu sein. Von der Geschichte dieses Lokals in einem Viertel, das in den letzten 60 Jahren mehrfach völlig sein Gesicht veränderte, und dem Leben einer außergewöhnlichen Frau, in dem Freud und Leid, Lachen und Weinen so eng beieinander liegen, erzählt dieses Buch. Es ist ein Lese- und Bilderbuch mit Rezepten aus Paula Kleinmanns Küche, aber auch aus ihrem Erfahrungsschatz. Einiges wird sie selbst berichten. In diesen Kapiteln spricht die 92-jährige Kultwirtin über das Leben, die Liebe und den Tod, über Kölsch, die Kölner und die Westfalen sowie über die Kunst, eine gute Wirtin zu sein. Diese Texte hat sie nicht selbst verfasst. Es sind die Ergebnisse mehrerer aufgezeichneter Treffen mit der 92Jährigen, die zwischen Sommer 2006 und Anfang 2007 stattfanden. Gespräche mit Zeitzeugen, Wegbegleitern und Stammgästen sowie die Recherche in schriftlichen Quellen wie Zeitungsartikeln, Briefe oder andere Erinnerungsstücke sind die Grundlage für die Biographie Paula Kleinmanns, die Kneipen- und die Veedelsgeschichte. Mit den Rezepten am Ende des Buches lassen sich Gerichte nachkochen, die typisch für das Lokal waren und sind. Paula Kleinmann hat in ihrer Küche nicht nach einer Anleitung aus einem Kochbuch sondern "aus dem Kopf" gekocht, wie sie sagt. Ihr Nachfolger Olaf Wolf hat dabei geholfen, die Rezepte für dieses Buch so in Form zu bringen, dass man sie leicht nachkochen kann. Ihm genau wie seiner Partnerin Maureen Küther gebührt ein besonderer Dank - auch für die Hilfe bei der Recherche und dem Durchsuchen vieler Fotokisten und -alben.