Retourenmanagement - Versandhausberater

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Retourenmanagement - Versandhausberater
Retourenmanagement
und die Rolle der Logistik
Warum Kunden retournieren –
und was man daraus lernen kann
Autor: Redaktion Versandhausberater, www.versandhausberater.de,
Die E-Commerce-Experten vom Marktforschungsinstitut iBi Research an der Universität Regensburg haben über 350 Online-Händler dazu befragt, warum ihre Kunden eigentlich Ware zurück­
senden. Wer die häufigsten Gründe verinnerlicht, findet auch Lösungsansätze, um Retouren zu
vermeiden:
0 1. Grund: Artikel gefällt nicht (Produkt sieht z.B. billig aus)
Über hochwertige Produktfotos, 360-Grad-Ansichten und Zoom-Funktionen lassen sich Produkte zwar detailliert darstellen. Anfassen kann der Kunde die Ware vor dem Kauf allerdings
immer noch nicht. So bleibt immer ein Risiko, dass der Kunde andere Ansprüche an den Artikel
stellt. Kundenbewertungen können aber die Retourenquote senken. Wenn sich zum Beispiel
mehrere Kunden über eine billige Verarbeitung bei einem Rucksack beklagen, werden andere
Interessenten den Artikel eher nicht kaufen. Das führt zunächst auch zu weniger Umsatz – gibt
Versendern aber zusätzlich die Chance, retourenanfälliige Produkte zu identifizieren und aus
dem Sortiment zu nehmen.
0 2. Grund: Artikel passt nicht/mehrere Größen bestellt
Virtuelle Anproben sind zwar momentan sehr angesagt, der Proof-of-Practice steht in vielen
Fällen aber noch aus. Selbst wenn Kunden ihre Körpermaße über 3D-Scans einlesen und in
Shops hinterlegen, bewerten Hersteller und Marken ihre Größenangaben oft unterschiedlich.
Bei vielen Online-Anproben müssen Kunden zudem erst mühsam Avatare anlegen oder Daten
hinterlegen lassen, was auch nicht jeder Nutzer mitmachen dürfte. Versender sollten daher vielleicht gar nicht versuchen, Auswahlbestellungen zu vermeiden. Sinnvoller kann sein, Kunden
mit Einkaufsgutscheinen zu belohnen, wenn sie im Nachhinein nichts zurückschicken und Artikel stattdessen an Freunde oder Verwandte weiter reichen.
0 3. Grund: Falscher Artikel geliefert
Bonus-Zahlungen sind in der Logistik ein probates Mittel, um Mitarbeiter für gute Arbeit in der
Logistik zu belohnen. Denn falsche Artikel werden nicht zuletzt dann geliefert, wenn Mitarbeiter
beim Kommissionieren nicht bei der Sache sind und Fehler machen. Wo Menschen arbeiten,
lässt sich das grundsätzlich nie ausschließen. Wer aber Prämien für gute Arbeit auslobt, kann die
Konzentration seiner Mitarbeiter steigern. Wenn ein Artikel von vornherein auf dem falschen
Platz eingelagert wurde, hilft allerdings auch ein Prämiensystem wenig.
0 4. Grund: Artikel ist defekt oder beschädigt
Im Regelfall sollten Artikel das Lager in einem einwandfreien Zustand verlassen. Ware kann allerdings jederzeit beim Transport beschädigt werden. Versender sollten also verstärkt darauf achten, dass Waren beispielsweise bruchsicher verpackt und gut gepolstert ausgeliefert werden.
Das ist an sich eine Binsenweisheit. Die Praxis zeigt aber, dass viele Händler ihre Produkte
anscheinend noch nicht gut genug verpacken.
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0 5. Zu lange Lieferzeiten
Gerade Online-Kunden sind ungeduldig. Versender sollten ihre Ware daher so schnell wie
möglich auf den Weg bringen – vor allem, da die Konkurrenz zunehmend mit entsprechenden
Versprechen wirbt („Heute bestellt, morgen geliefert“). In den Niederlanden liefert Coolblue
beispielsweise alle Bestellungen am nächsten Tag aus, die bis Mitternacht eingehen. Solche
Strategien ziehen aber oft deutlich höhere Kosten nach sich: Schließlich braucht man auch
Personal, das bis Mitternacht die Pakete versandfertig macht.
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Fünf Tipps: So lassen sich viele
Retouren vermeiden
Autor: Redaktion Versandhausberater, www.versandhausberater.de,
Retouren sind sowohl für Händler als auch Kunden unangenehm. Vermeiden lassen sich Rücksendungen zwar nie. Es gibt aber einige Hausmittel, um die Zahl der Retouren künftig einzudämmen.
Retouren kosten Zeit, Geld und auch Nerven. Umso erschreckender, dass viele Händler das Thema
noch stiefmütterlich behandeln. Die jüngste Studie „Shop- Systeme, Warenwirtschaft und Versand
– So verkaufen Online-Händler“ des Projekts E-Commerce-Leitfaden jedenfalls zeigt: Knapp 60 Prozent der kleinen Onlinehändler kennen derzeit die eigene Retourenquote noch gar nicht. Bei mittleren und großen Händlern, die diese Zahl ermitteln, liegt der Wert im Schnitt bei 22 Prozent.
Die durchschnittliche Retourenquote über alle untersuchten Händler beträgt 9,9 Prozent – wobei
Mode-Versender naturgemäß unter deutlich höheren Retourenquoten leiden als etwa Händler von
CDs oder Büchern. Die Kosten, die pro Retoure verursacht werden (z.B. vom Händler zu tragende
Kosten der Rücksendung, Bearbeitung der Retoure), liegen im Durchschnitt bei knapp 12,50 Euro.
Dazu kommt, dass ein Fünftel der retournierten Ware als B-Ware verkauft werden muss oder nicht
mehr verwendbar ist. Nicht nur aus diesem Grund würden auch knapp 30% der Händler ihre Retourenabwicklung gerne an den Versanddienstleister auslagern. Die Zahlen zeigen: Wer auf Dauer im
Versandhandel wettbewerbsfähig bleiben will, sollte alles dafür tun, um Retouren möglichst zu
vermeiden. Dafür müssen jedoch zuerst die Gründe für die Retouren analysiert werden. Sieht man
sich die Rücksendungsgründe genauer an, fällt auf, dass diese sehr vielseitig sind.
Retouren-Grund: Artikel entspricht nicht Beschreibung
Der häufigste Grund für eine Rücksendung ist, dass der gelieferte Artikel nicht passt, gefällt oder
nicht der Produktbeschreibung entspricht. In vielen Fällen ist jedoch das Produkt auch defekt,
beschädigt oder manchmal wurde einfach der falsche Artikel geliefert. In seltenen Fällen ist die
Lieferzeit zu lang bzw. handelt es sich um einen Doppelkauf oder um eine Doppellieferung.
So wie es verschiedenste Gründe für Retouren gibt, so gibt es auch unterschiedlichste Arten, mit
ihnen umzugehen. Zuerst muss überprüft werden, weshalb der Kunde die Ware zurückgesandt
hat und ob die Rücksendung überhaupt gerechtfertigt ist. Ist beispielsweise die Sendung bei der
Lieferung beschädigt worden, so sollte der Händler, oder bei einem sichtbaren Schaden des Pakets
bereits der Kunde, den Versanddienstleister darüber informieren.
Ist die Ware defekt, liegt vielleicht ein Garantiefall vor, so dass gegebenenfalls der Hersteller angesprochen werden muss. Zudem gilt es, die zurückgesendete Ware auf Wiederverwendbarkeit hin zu
überprüfen.
Rücksendungen: Es liegt nicht immer nur am Kunden
Ist die Ware beschädigt oder verschmutzt, muss sie aussortiert werden. Ist die Originalverpackung
beschädigt, sollte diese ersetzt werden. Falls der Rücksendegrund eine falsche Adresse ist (Empfän-
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ger unbekannt oder unbekannt verzogen), sollte geklärt werden, wie die korrekte Adresse ermittelt
werden kann bzw. wie solche Vorfälle zukünftig verhindert werden können.
Retouren haben also sehr viele Facetten. Oftmals kann die Retourenquote aber schon durch
einfache Maßnahmen deutlich reduziert werden. Das Team vom ECommerce- Leitfaden hat daher
einige „Hausmittel gegen Retouren“ in einer Checkliste zusammengefasst (siehe Kasten). Wer
entsprechend reagiert, sichert sich langfristig Wettbewerbsvorteile.
Hausmittel gegen Retouren
Eine gute Produktpräsentation
Damit die Kunden keine bösen Überraschungen erleben, sollten die Bilder und Beschreibungen
im Web-Shop so genau wie möglich sein. Größe, Farbe sowie Zubehör (z. B. Batterien) und Systemvoraussetzungen und Kompatibilität sollten auf jeden Fall angegeben werden.
Gut verpackt ist halb behalten
Eine geeignete Verpackung ist wichtig, damit die Ware unversehrt beim Kunden ankommt.
Zudem ist zu empfehlen, dass die Verpackung möglichst professionell wirken sollte, denn eine
professionelle Verpackung (z. B. fabrikneue Kartons, ordentlich angebrachtes Klebeband) gehört
zum positiven Einkaufserlebnis.
Schneller Versand
Kurze Lieferzeiten sind häufig ein entscheidender Grund für einen Produktkauf. Oftmals werden
auch Produkte im Internet aus einem Impuls heraus bzw. spontan gekauft. Die Lieferung des Produktes sollte deshalb schnell erfolgen, bevor die „Kaufeuphorie“ abnimmt.
Hilfe anbieten
Weisen Sie Ihren Kunden auf die Möglichkeit hin, bei Problemen mit dem Produkt Kontakt zu
Ihnen aufzunehmen. Beispielsweise kann bei leicht beschädigten Artikeln ein Nachlass ausgehandelt oder bei Elektronikartikeln die Inbetriebnahme erklärt werden.
Schwachstellen eliminieren
Um die Retourenquote zu verbessern, muss man Gründe für Rücksendungen kennen.
Deswegen sollten Händler den Sendungen einen Fragebogen beilegen, um Gründe für Retouren
zu erfahren.
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Drei Tipps für das internationale
Retourenmanagement
Autor: Stefan Heine, Geschäftsführer Docdata, erschienen auf www.versandhausberater.de,
Immer mehr deutsche Online-Händler beginnen damit, Kunden im Ausland zu beliefern. Neben
dem Marketing und der (Neu-)Kundenansprache ist bei der Auslandsexpansion auch das Retourenmanagement ein entscheidender Faktor. Um Rücksendungen effizienter abzuwickeln, empfehlen
sich drei zentrale Vorgehensweisen:
0 Kommunizieren Sie einheimische Versandadressen:
Ein zentraler Aspekt beim internationalen Retourenmanagement ist der Faktor Vertrauen. Dies
schaffen Online-Shops beispielsweise durch die Retourenvereinnahmung im jeweiligen Land.
Für einen Kunden ist es eine vertrauensbildende Maßnahme, wenn er sein Paket nicht ins Ausland verschicken und erst einige Tage auf ein Feedback warten muss. Eine einheimische Adresse
signalisiert eine zeitnahe Rückmeldung und eine schnelle Gutschrift.
0 Bieten Sie Support in der jeweiligen Landessprache:
Retouren machen am wenigsten Aufwand, wenn sie erst gar nicht entstehen. Um Fragen vor
einer Rücksendung klären zu können, sollten Online-Shops beispielsweise Kunden-Hotlines in
der jeweiligen Landessprache einrichten. Manche Online-Anbieter arbeiten auch mit integrierten Chat-Tools, über die sich Kunden mit den jeweiligen Experten auf der Website austauschen
und Rückfragen zu den einzelnen Produkten stellen können.
0 Entsorgen Sie Ware bei Bedarf im Ausland:
Darüber hinaus sind natürlich auch die Prozesse im internationalen Retourenmanagement
produkt- und damit margenabhängig. Bleibt ein Produkt beispielsweise unter einer gewissen
Marge, ist es meist profitabler beim Altwarenmanagement, die Entsorgung direkt im Ausland
vorzunehmen. Allein der Versand wäre in diesem Fall schon zu kostspielig. Auch die Entsorgung
in Deutschland ist oftmals teurer als im europäischen Ausland.
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Der Versandhandel der Zukunft
braucht neue Logistik
Autor: Redaktion Versandhausberater, www.versandhausberater.de,
Schneller, flexibler und individueller: Nachdem sich Versender bislang vor allem durch
die Art der Kundenansprache von Wettbewerbern unterscheiden, wird künftig die Logistik
zum vielleicht wichtigsten Differenzierungsmerkmal. Denn Kunden wollen Bestellungen in
Zukunft nicht einfach nur schneller erhalten. Sondern auch flexibler bestimmen, wann und
wohin Lieferungen erfolgen. Gut, dass Logistiker an passenden Lösungen arbeiten.
„Logistik ist heute viel mehr als nur der Warenversand von A nach B“: Wenn man die aktuelle Stimmungslage in der Logistikbranche auf den Punkt bringen will, dann geht das wohl kaum treffender
als mit diesem einen Satz. Schließlich fällt diese Aussage in unserer aktuellen Spezialausgabe zu
Logistik-Trends gleich mehrmals. Und – so viel sei an dieser Stelle bereits verraten – völlig zu Recht.
Aktuell befindet sich der Versandhandel am Scheideweg. Auf der einen Seite investieren Versender
wie verrückt in Apps für mobile Endgeräte oder Social-Commerce-Anwendungen, um neue Wege
bei der Kundenansprache zu erproben. Auf der anderen Seite dagegen verlassen sich Versender
letztlich auf Service-Leistungen im Backend, an denen sich prinzipiell in den vergangenen Jahren
kaum etwas geändert hat.
Wer seinen Versandhandel fit für die Zukunft machen will, darf aber nicht am Frontend schrauben.
Denn langfristig entscheiden vor allem zukunftsfähige Backend- Prozesse darüber, wie lange sich
ein Versender am Markt halten kann.
Blitz-Lieferungen: Shutl stellt Ware in nur 90 Minuten zu
Es kann jedenfalls nicht sein, dass die Branche einerseits über Social Networks in Echtzeit mit
Kunden kommunziert, Werbeplätze in Milli-Sekunden über Realtime- Bidding ersteigert werden
und die über solche Marketing-Investitionen gewonnen Kunden anschließend mehrere Werktage
auf ihre Bestellungen warten müssen – Echtzeit-E-Commerce geht jedenfalls anders.
Zukunftsweisendere Lösungen kommen von jungen Start-Ups. In Großbritannien beispielsweise
sorgt der Logistik- Dienstleister Shutl zunehmend für Furore. Kein Wunder, denn das Konzept der
Briten kann sich sehen lassen. Das Prinzip: Sobald Kunden bei einem Versender online bestellen,
wird die Order über die nächstgelegene Filiale des Händlers abgewickelt. Von dort aus beliefern
dann lokale Kurierdienste die Kunden vor Ort: in der Regel innerhalb von gerade einmal 90
Minuten.
Mehr Service am Kunden geht aktuell kaum. Natürlich ist so ein System aktuell nur für Multi-­
Channel-Versender mit dem entsprechenden Filialnetz interessant. Diese aber dürften durchaus
ihre Online- Verkäufe über solche Blitz-Lieferungen künftig deutlich steigern. Wer online einkauft,
will Ware schließlich möglichst sofort. Und wer diesen Wunsch bedienen kann, sichert sich Wett­
bewerbsvorteile.
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In Deutschland verfolgt Gaxsys ein ähnliches Konzept, wobei der Dienstleister statt Multi-ChannelVersendern vor allem Hersteller und Marken als Kunden gewinnen will. Punkten können Versender
künftig aber nicht nur mit zunehmend kürzeren Lieferzeiten. Ebenfalls ein Trend-Thema ist nämlich
grüne Logistik. Dienstleister wie Hermes beraten ihre Kunden daher dabei, wie sich CO2-Emissionen beim Transport der Ware minimieren lassen.
Andere Unternehmen wie DPD transportieren CO2-neutral ohne Aufpreis. Auch flexible Zustellservices sind ein Pfund, mit dem Versender künftig wuchern können. Wer beispielsweise Ware über
DHL ausliefert, kann Pakete auf Wunsch bereits heute an mehr als 2.500 Packstationen ausliefern
lassen.
Schnelle Lieferungen senken die Retourenquoten
Künftig werden Kunden aber noch kurzfristiger entscheiden können als heute, wann und wohin
ihre Bestellungen geliefert werden. Die Deutsche Post DHL und General Logistics Systems planen
jedenfalls schon entsprechende Angebote. Zukunftsweisende Logistik bietet aber nicht nur Mehrwerte für Endkunden. Genauso wichtig ist auch, dass – analog zum Vergleich zu Beginn – die Prozesse im Backend stimmen.
Entscheidend sind im Hintergrund vor allem zwei Dinge. Zum einen müssen Versender die Kosten
für ihre Intralogistik senken, da der zunehmende Wettbewerbsdruck im Online-Handel weiter zu
einem Preisverfall und sinkenden Margen führen wird. Auf der anderen Seite sollten Versender
auch in Zukunft alles dafür tun, um Retouren so weit wie möglich einzudämmen – selbst wenn das
in manchen Segmenten (Modehandel, etc.) wohl auch künftig so gut wie unmöglich ist.
Nicht unterschätzen sollten Händler, wie sehr lange Lieferzeiten die Kauflaune ihrer Kunden trüben
und damit hohe Retourenquoten quasi provozieren. Wer Retourenkosten senken will, sollte daher
Kunden so schnell wie möglich beliefern. Womit sich der Kreis wieder schließt. Denn Logistik im
Versandhandel ist künftig viel mehr, als einfach nur Päckchen von A nach B zu transportieren.
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Ausblick: Wenn der Kostendruck in der
Logistik steigt
Autor: Redaktion Versandhausberater, www.versandhausberater.de,
Ob Amazon oder Zalando: Gerade Online-Pureplayer geraten immer wieder in die Publikumspresse, weil sich Mitarbeiter über miese Arbeitsbedingungen in der Logistik beschweren. Aktuell handelt es sich zwar um Einzelfälle, wenn Picker und Packer auf die Barrikaden
gehen. Doch Trends wie versandkostenfreie Lieferungen werden die Probleme wohl verschärfen. „Ich bin gegen Pausenklau“: Dieser Satz findet sich auf Aufklebern, die zu Beginn des Monats bei
Amazon verteilt wurden – genau genommen von Mitarbeitern im Logistikzentrum Leipzig. Die
Angestellten klagen nämlich darüber, dass ihnen der E-Commerce-Marktführer ihre wertvolle Pausenzeit stiehlt.
Hintergrund: Mitarbeiter müssen Pausen in der Kantine verbringen, doch der Weg dorthin und
zurück frisst bis zu acht Minuten – wertvolle Zeit, die Amazon auf die ohnehin knapp bemessenen
Pausenzeiten von 20 Minuten (morgens) beziehungsweise 25 Minuten (mittags) anrechnet. Trotz
der von der Gewerkschaft Verdi organisierten Protestaktion wurde bislang aber keine Lösung
gefunden. Immer wieder müssen Picker und Packer bluten
Fälle wie Amazons „Pausenklau“ werfen zunehmend ein schlechtes Licht auf unsere Versandhandelsbranche. Das ZDF beispielsweise hat erst im August in einer Reportage (Titel: „Gnadenlos
billig“) enthüllt, unter welch widrigen Arbeitsbedingungen im Logistikzentrum Großbeeren die
Pakete für Zalando auf den Weg gebracht wurden. Im Lager von Fulfillment-Dienstleister Docdata
mussten Angestellte im Sommer ihre Notdurft in einem alten WC-Container verrichten.
Inzwischen wurden die sanitären Anlagen zwar renoviert und bessere Sozialstandards unter
Zalando und Docdata vereinbart. Bis es zum nächsten Skandal kommt, dürfte es aber nicht allzu
lange dauern – auch wenn Insider Amazon und Zalando noch als Einzelfälle einstufen. „Die meisten
Versandhändler behandeln ihre Mitarbeiter in der Logistik gut“, berichtet etwa Jörg Bernhard,
Inhaber der Bernhard Unternehmensberatung. Es sei außerdem üblich, dass Mitarbeiter über Tarif
bezahlt werden und Sonderleistungen (z.B. Zuschüsse zum Kantinenessen) erhalten.
Klar ist aber auch, dass Picker und Packer das schwächste Glied in der Personalkette sind. Ersatz ist
oft schnell gefunden, wenn Mitarbeiter kündigen. Anlernen lässt sich neues Personal oft schon an
nur einem Tag. Betriebswirtschaftlich betrachtet ist es daher durchaus verständlich, dass Händler
ihre Logistikkosten möglichst gering halten wollen. „Die größten Kostenblöcke sind Marketing und
Logistik“, weiß auch Bernd Kratz, Leiter des auf Logistik spezialisierten Instituts des Interaktiven
Handels (IDIH).
Wer aber beim Marketing spart, verliert schnell Umsatz. Preise erhöhen kann man auch kaum, da
Konkurrenten sonst günstiger sind. Kein Wunder, dass gerne beim Personal gespart wird, vor allem,
wenn Versandkosten als Einnahmequelle einmal wegfallen. Eine Auswertung der Versenderprofile
aus unserem Verzeichnis des Versandhandels (VDV) zeigt:
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In Jahr 2012 lieferten bereits knapp neun Prozent der Händler versandkostenfrei (Basis: 5.682
Händler). Im Jahr zuvor ist dieser Wert mit sechs Prozent noch deutlich geringer ausgefallen (siehe
Tabelle). Befeuert wird dieser Trend ausgerechnet durch Amazon und Zalando, die kostenlosen
Versand zunehmend als Standard etablieren und andere Versender damit unter Druck setzen.
Ausblick: Krankheitsquoten steigen, Warnstreiks drohen
An irgendeiner Stellen müssen die Versandkosten aber refinanziert werden. Das könnte dazu
führen, dass künftig generell stärker an den Personalkosten gedreht wird. Nachhaltig ist so eine
Personalpolitik allerdings nicht. Eine Studie von Miebach Consulting beispielsweise zeigt, dass bei
deutschen Logistikdienstleistern die Krankenquote im Schnitt bereits bei 6,54 Prozent liegt.
Zum Vergleich: Der bundesweite Durchschnitt über alle Branchen hinweg beträgt nur 4,8 Prozent.
Wenn im Lager der Druck auf die Arbeitnehmer steigt und Sonderleistungen als Anreiz gestrichen
werden, steigen wohl auch die Ausfallquoten – was ebenfalls Geld kostet. Besonders heikel wird
es außerdem, wenn Streiks drohen. Aktuell verdichten sich die Hinweise, dass die Mitarbeiter von
Amazon (Leipzig) in einen von Verdi organisierten Streik treten, um Pausen voll genießen zu
können und endlich nach Tarif bezahlt zu werden.
Gerade im Weihnachtsgeschäft wäre es aber fatal, wenn Pakete nicht mehr ausgeliefert werden.
Um so einen Super-GAU abzuwenden, muss man in Logistik investieren statt zu sparen. Welche
Ansätze es gibt und wie Versender ihre Logistik nachhaltig optimieren, beleuchten wir in einer der
nächsten Ausgaben.
Was Händler für Versand berechnen
2011
Kein Versandkosten
Immer Versandkosten
Sonstige Regelung
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6 Prozent
38 Prozent
56 Prozent
Express-Lieferungen im E-Commerce:
Trend oder Hype?
Autor: Redaktion Versandhausberater, www.versandhausberater.de,
Ob in Großbritannien, den USA oder Deutschland: Immer mehr Versandhändler versprechen
ihren Kunden, dass Artikel bereits wenige Stunden nach der Bestellung geliefert werden.
Gerade Amazon gibt bei diesem Wettrüsten den Takt vor und erhöht so den Druck auf deutsche Versender, die ebenfalls über Express-Lieferungen nachdenken. Doch Blitz-Lieferungen
sind oft nur in Nischen ein Wettbewerbsvorteil. Das kann sich aber ändern.
In Großbritannien herrscht Krieg. Zumindest in der Logistik. So ist auf der Insel bereits von einem
regelrechten „Fulfillment War“ unter britischen Versendern die Rede. Auslöser ist, dass auch ModeHändler Next künftig Ware bereits am Tag der Bestellung ausliefern will. Die Details stehen zwar
noch nicht fest, wahrscheinlich dürfte aber auch Next mit lokalen Kurierdiensten kooperieren –
so wie es heute bereits Elektronik-Händler Maplin oder Aurora Fashion tun. Beide setzen auf den
Kurierdienst Shutl. Dieser holt Online-Bestellungen in einer Filiale der Multichannel-Händler ab und
liefert sie von dort aus an Kunden.
Amazon: Bundesweiter Express-Dienst in der Pipeline?
Hierzulande sind Expresslieferungen über lokale Kurierdienste im B2C-Geschäft bislang kaum verbreitet – von wenigen Pilotprojekten einmal abgesehen. Versender begnügen sich heute vielmehr
damit, die Ware spätestens zwei Tage nach dem Bestelleingang auszuliefern. „Diese Zeitfenster ist
der Kunde mittlerweile nicht nur gewohnt, er erwartet sie auch“, beobachtet etwa unser Beirat
Patrick Palombo. Die spannende Frage bleibt aber, ob Kunden künftig nicht vielleicht doch mehr
erwarten – weil Amazon beispielsweise einen neuen Takt vorgibt.
Zum Jahresende dürfte der E-Commerce-Riese jedenfalls schon über sieben Logistikzentren in
Deutschland verfügen, von wo aus Amazon quasi deutschlandweit Kunden mit Express-Zustellungen versorgen kann. Bislang werden diese Blitzlieferungen (unter der Bezeichnung „Morning“ bzw.
„Evening Express“) nur in Großstädten angeboten.
Doch was wäre, wenn Amazon künftig Bestellungen bundesweit bereits wenige Stunden nach dem
Klick auslieferen könnte? Auf der einen Seite halten Versender schnelle Zustellungen dann ebenfalls für unverzichtbar, um Kunden nicht an Amazon zu verlieren. Auf der anderen Seite argumentieren Händler, dass Kunden auch künftig froh sind, wenn ihr Paket überhaupt zum vereinbarten
Termin ankommt. Recht haben beide Parteien. Dennoch zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass
Blitz-Lieferungen für folgende Versender wichtiger werden:
1. Versender mit einer jungen Zielgruppe
„Online-Kunden sind ungeduldig“: Diesen Satz hören wir immer wieder, wenn wir mit Versendern sprechen. Zwar hat jede Regel ihre Ausnahmen: Wer aber in erster Linie junge Kunden
adressiert, muss künftig Ware womöglich schneller versenden können als heute.
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2. Versender mit zeitkritischem Sortiment
Das Versandhaus Walz beispielsweise will seine Logistik für Babywalz auslagern, um Ware
künftig schneller versenden zu können. Denn gerade jungen Eltern fehlen oft Zeit und Nerven,
um lange auf bestellte Spielwaren oder Windeln warten zu können. Auch eine neue Wasch­
maschine oder Schutzhüllen für das Smartphone möchten Kunden oft so schnell wie möglich
haben. Sonst brauchen sie nicht zu bestellen und kommen im stationären Handel womöglich
schneller an das Produkt. Im Umkehrschluss sind Blitz-Lieferungen also für viele Versender zunächst kein Muss. Auch in
Zukunft dürfte eine Lieferzeit von bis zu zwei Tagen kein Beinbruch sein, wenn Kunden sich
dafür lange Wege in Innenstädte oder Shopping-Center sparen können. Blitz-Lieferungen sind als
zusätzliche Option aber von Vorteil, wenn Kunden tatsächlich nicht auf Ware warten können. Wenn
der Leidensdruck hoch genug ist, dürften Händler auch Express-Aufschläge einfach durchboxen
können. So weit, so gut. Denn zwei Gründe sprechen doch dafür, dass Blitz-Lieferungen in Zukunft
generell an Bedeutung gewinnen werden:
1. Die Filialisten erhöhen den Lieferdruck
Stationäre Händler drängen mit aller Macht in den E-Commerce. Ihr Vorteil ist das Filialnetz.
So lassen sich Kunden von lokalen Filialen aus beliefern, was schnellere Lieferungen garantiert.
Bei deutschen Multi-Channel-Händlern wie Media Saturn holen sehr viele Online-Kunden
aktuell noch ihre Ware ab. Das dürfte aber ein Übergangsprozess sein. Viele Verbraucher sind dem
Online-Handel gegenüber noch skeptisch eingestellt und können durch Abholungen auf Nummer sicher gehen, dass ihr Geld nicht verloren geht. Kunden werden aber merken, dass es komfortabler ist, wenn bestellte Ware auch geliefert wird. Dann dürfte die Express-Initiative der Filialisten
anrollen. Wer mit Media Markt und H&M konkurriert, muss also womöglich schneller liefern.
2. Blitz-Lieferungen steigern Impulskaufpotenzial:
Kunden geben Ware gerne zurück, wenn sie lange auf Pakete warten müssen. Dass sich Retourenquoten mit Blitzlieferungen senken lassen, ist noch nicht bewiesen. Wenn ich als Kunde ein
Produkt aber sofort bekommen kann, kaufe ich es vielleicht eher. Wer von Impulskäufen lebt,
sollte das Thema Blitz-Lieferungen daher im Auge behalten. Wird ein Artikel aber nicht wirklich
sofort gebraucht, dürften nur wenige Verbraucher einen Lieferaufschlag bezahlen. Amazon
etwa verlangt für Express-Lieferungen 13 Euro, während reguläre Bestellungen ab 20 Euro kostenlos geliefert werden. Bei so einem Preismodell bleiben Expresslieferungen ein Nischenthema.
Fulfillment-Krieg hin oder her.
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