Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und

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Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und
Team-Fortbildung
„Vorurteilsbewusste
Erziehung und
Elternarbeit“
Handreichung zum Transfer
Impressum
2
Impressum
Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“
Handreichung zum Transfer
© 2014 Lernen vor Ort, Amt 43
Offenbach am Main,
Berliner Straße 77,
63065 Offenbach am Main
V.i.S.d.P.: Dr. Gabriele Botte
Herausgeber
Stadt Offenbach, Lernen vor Ort
Text Iris Bawidamann, Beatrice Ploch, unter Mitwirkung von Claudia Kaufmann-Reis, Sabine Kriechhammer-Yağmur,
Olivia Sarma und Dr. Alice Selinger
Redaktion: Lernen vor Ort
Layout & Satz Anna P. Köhler, Köhler Kreation, Offenbach
Lektorat/Korrektorat Birgit Kirchner, ECS – Euro-Communication-Service, Stockstadt am Main
August 2014
Alle Angaben ohne Gewähr
Inhaltsverzeichnis
3
Inhaltsverzeichnis
Impressum2
1Ausgangslage
4
2 Bisherige Praxis der Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“ in Offenbach
5
2.1
„Vorurteilsbewusste Erziehung und Arbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund“
im Rahmen der Qualifizierungsoffensive des EKO
„Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“ im Rahmen des Fortbildungsprogramms
2.2
für die Ganztagsklassen-Teams
2.3 Schlussfolgerung
5
7
9
3 Ansatz, Konzept und Umsetzung der Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“
10
3.1
Ansatz und Konzeptentwicklung
10
3.2
Erfahrungen im Rahmen der Qualifizierungsoffensive des EKO
11
3.3
Transfer der Fortbildungskonzeption in die Offenbacher Ganztagsklassen-Teams
13
4 Wirkungen der Fortbildung auf die pädagogische Praxis in Offenbach –
Eine Befragung der Teilnehmer/innen aus Kitas und Ganztagsklassen
14
4.1
Persönliche Erfahrungen im Rahmen der Fortbildung
14
4.2
Transfer von Fortbildungsinhalten in die berufliche Praxis
15
4.3
Einfluss auf die professionelle Haltung
16
4.4
Wünsche und Vorschläge
16
5 Konzeptionelle Weiterentwicklung der Team-Fortbildung und Anpassung
an die Bedarfe von Grundschul-Kollegien
17
5.1
Erwartete Ergebnisse des Transferprojekts für die beteiligten Grundschulen
18
5.2
Umfang und Verlauf
18
5.3
Der Ansatz der „Integrated Clarity“
19
6Anhang
20
1. Ausgangslage
4
1. Ausgangslage
Das in Ganztagsklassen an Offenbacher Grundschulen er-
onsprojekt von Schule und Jugendhilfe in Offenbach quer
probte „Modell einer vorurteilsbewussten Erziehung und El-
durch die Parteienlandschaft gewollt ist und vom staatli-
ternarbeit“ unterstützt die pädagogischen Fachkräfte dabei,
chen Schulamt aktiv unterstützt wird. Eine Besonderheit
konstruktiv mit der für Offenbach charakteristischen Vielfalt
ist auch, dass die Kommune unter enger Einbindung der
umzugehen, eigene Vorurteile wahrzunehmen, Differenzen
Landesebene und in gemeinsamer ämterübergreifender
anzuerkennen und besser mit kulturell begründeten Kon-
Zusammenarbeit sehr viel mehr Verantwortung für gelin-
flikten umzugehen. Es ist auch ein Türöffner für gelingende
gende Bildungsprozesse der Offenbacher Kinder und Ju-
Elternarbeit. In Offenbach sind die Rahmenbedingungen
gendlichen übernimmt, als dies ansonsten der Fall ist. Sie
für das Zusammenwirken von Elternhaus und Schule be-
beschränkt sich längst nicht mehr auf die Übernahme von
sonders herausfordernd, weil sich viele Familien in risiko-
Verantwortung für „äußere“ Schulangelegenheiten.
behafteten Lebenslagen befinden. Zugleich ist es für den
Bildungserfolg der Kinder entscheidend, dass Eltern und
LvO moderiert, begleitet den Prozess und unterstützt pro-
Schule eng zusammenarbeiten und dass Lehrkräfte Kinder
fessionell die Steuerungsebene und die Fachebene in den
unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religionszugehörig-
komplexen Veränderungsprozessen, die im Rahmen des
keit oder anderen Merkmalen annehmen und fördern. Diese
Transfers zu bewältigen sind. Dabei stellt LvO die Beteili-
hohe Relevanz einer vorurteilsbewussten Erziehung und El-
gung der relevanten Akteure sicher, berücksichtigt die un-
ternarbeit gerade in Offenbach begründet die Auswahl die-
terschiedlichen Sichtweisen, identifiziert förderliche und
ses Transfergegenstandes in der zweiten Programmphase
hinderliche Strukturen und begleitet die Reflexion und Aus-
von „Lernen vor Ort“ (LvO).
wertung.
„Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“ ist unter
Rahmenbedingungen
Moderation und Prozessbegleitung durch LvO zum Transfer
innerhalb der Kommune von den bisher fünf Modellschulen
Die Vielfalt der Offenbacher Bevölkerung spiegelt sich in
auf andere Schulen desselben Schultyps (Grundschulen)
den Kitas und Grundschulen der Stadt. Sie ist Thema der
geplant. Diese Transferschulen sind in anders strukturier-
Kinder, der Eltern und der Pädagogen sowohl im Umgang
ten Sozialräumen in Offenbach angesiedelt, darunter auch
mit- als auch untereinander. Die soziale und kulturelle He-
in solchen, deren Schulen z.T. unterdurchschnittliche sozi-
terogenität der Familien in Offenbach erfordert besondere
ale Belastungen aufweisen. Insgesamt gibt es in Offenbach
Bildungsanstrengungen im Elementarbereich. In den Bil-
14 staatliche Grundschulen. Die konzeptionelle und fach-
dungsplänen des Landes Hessen ist diese Thematik nicht
liche Vorarbeit, die im Modellprojekt geleistet wurde, wird
ausführlich genug bedacht. So sind in den Bildungsplänen
durch Einbeziehen erfahrener pädagogischer Fachkräfte
des Landes zwar Inhalte und Ziele definiert; es wird aber
in den Transfer für weitere Schulen zugänglich. Transfer ist
nicht hinreichend ausgeführt, wie deren Umsetzung im All-
in diesem Kontext nicht lediglich als Verbreitung von Inno-
tag erreicht werden kann. Deshalb besteht die Gefahr, dass
vationen zu betrachten. Vielmehr sollen Innovationen, die
wichtige bildungspolitische Impulse die Kinder im pädago-
bisher in Offenbach erprobt wurden, in neuen Kontexten
gischen Alltag nicht erreichen. Kinder aus bildungsfernen
modifiziert und anders gearteten Bedürfnissen der dortigen
und marginalisierten Familien, in Offenbach häufig Kinder
Schulgemeinde, schulorganisatorischen Bedingungen oder
aus Familien mit Migrationshintergrund, sind in ihren Lern-
anderen sozialräumlichen Rahmenbedingungen angepasst
voraussetzungen und -möglichkeiten benachteiligt. Um das
werden.
pädagogische Handeln der Erzieher/innen tatsächlich und
nachhaltig zu verändern, sind daher in Offenbach umfas-
Für die Erfolgsaussichten dieses Transfers ist von besonde-
sende Weiterbildungsprojekte durchgeführt worden, denn
rer Bedeutung, dass die Kompetenzen der beteiligten Pro-
die pädagogische Qualität der Institutionen ist ein wichtiger
fessionen optimal zum Wohle der Kinder genutzt werden
Faktor für eine gelingende Alltagspädagogik. Differenzierte
und dass das Modell der Ganztagsklassen als Kooperati-
Weiterbildungen der Erzieher/innen und der Lehrkräfte über
5
1. Ausgangslage / 2. Bisherige Praxis der Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“ in Offenbach
einen längeren Zeitraum sollen diese dazu befähigen, den
deutschen Bevölkerung betrug im Dezember 2013 34%
komplexen Herausforderungen ihres Arbeitsalltags in den
(vgl. Statistischer Vierteljahresbericht I/2014). Der Anteil
Kitas und Grundschulen kompetent zu begegnen. Die zen-
der Bevölkerung mit Migrationshintergrund liegt aktuell bei
tralen Fragestellungen lauten: Wie erreichen die in den Bil-
57%. Bei Kindern bis zum zehnten Lebensjahr liegt dieser
dungs- und Erziehungsplänen geforderten pädagogischen
Anteil sogar bei 80%.
Inhalte und Bildungsziele real und konkret die Kinder in den
Einrichtungen der Elementarbildung? Was müssen Erzie-
In den Einrichtungen des Eigenbetriebs Kindertagesstät-
herinnen und Erzieher lernen und bewältigen, um nachhal-
ten Offenbach (EKO) in der Innenstadt beträgt der Anteil
tig Bildungserfolge zu erreichen?
der Kinder mit nichtdeutschem Hintergrund zwischen 84%
und 100% (Regelbericht Belegung Kindertagesstätten
Die Bevölkerung der Stadt Offenbach wächst seit 2009
vom 01.05.2008). Gleichzeitig ist Offenbach eine Stadt mit
kontinuierlich. Während es Zuzugswellen von Nichtdeut-
einer schwachen Sozialstruktur. Die Arbeitslosigkeit lag im
schen gibt, verringert sich zugleich in geringem Umfang
ersten Quartal 2014 bei 12,9 %. Im Vergleich dazu liegt
der Anteil der deutschen Einwohner. In Offenbach leben
sie im selben Zeitraum in Hessen bei 5,9 % (Statistischer
über 140 verschiedene Nationalitäten. Der Anteil der nicht-
Vierteljahresbericht der Stadt Offenbach IV/2012).
2. Bisherige Praxis der TeamFortbildung „Vorurteilsbewusste
Erziehung und Elternarbeit“ in
Offenbach
„Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“ war
Im Folgenden werden die Kontexte der beiden Programme
grundlegender Baustein zweier weitreichender Quali-
wie auch deren Durchführung und Ergebnisse auf der Basis
fizierungsprogramme in Offenbach, nämlich
vorliegender Dokumente1 beschrieben.
• der EKO-Qualifizierungsoffensive in städtischen
2.1 „Vorurteilsbewusste Erziehung und Arbeit mit Eltern mit
Migrationshintergrund“ im Rahmen der Qualifizierungsoffensive
des EKO
Kindertageseinrichtungen „Projekt zur Weiterentwicklung
der pädagogischen Qualität im Eigenbetrieb Kindertages stätten in Offenbach“ (2009 – 2011) und
• der Weiterbildung von Ganztagsklassen-Teams „Modell
eines gemeinsamen Bildungstages als Kooperation
zwischen Jugendhilfe und Schule in kulturell heterogenen
Von 2009 bis 2011 wurde in allen 24 städtischen Kinder-
Grundschulklassen“ im Rahmen des Bundesprogramms
tagesstätten ein Weiterbildungsprojekt durchgeführt. Ziel
„TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“ des Projekts war es, die pädagogischen Fachkräfte (44 Lei-
(BMFSJ; 2011 – 2014).
tungskräfte und ca. 400 Erzieher/innen) darin auszubilden,
1
Dazu zählen u.a.: Presseerklärungen/-artikel, Protokolle von Steuerungs-/Lenkungsgruppen, Projektanträge/-berichte etc., die uns von der EKO-Leitung zur Verfügung gestellt wurden.
2. Bisherige Praxis der Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“ in Offenbach
6
die Bildungsbedarfe der Kinder professionell auf dem Stand
Insgesamt – von 2009 bis 2011 – absolvierte jedes Kita-Team
des heutigen Wissens darüber, wie Kinder lernen und sich
25 Fortbildungstage in den Wahlbausteinen, zehn im Kern-
entwickeln, befriedigen zu können. Die gesamte pädagogi-
strang und zehn halbe Tage in dialogischer Entwicklungs-
sche Praxis der Kitas des Eigenbetriebs Kindertagesstätten
förderung (Wahlbaustein 1). Von den insgesamt 40 Fortbil-
Offenbach (EKO) sollte weiterentwickelt werden, so dass
dungstagen waren zwölf Samstage, und an 23 Tagen waren
alle Kinder möglichst nachhaltig profitieren können. Das
die Einrichtungen geschlossen. Darüber hinaus hatten ein-
Projekt „Projekt zur Weiterentwicklung der pädagogischen
zelne Fachkräfte die Chance, sich in „künstlerischem und
Qualität im Eigenbetrieb Kindertagesstätten in Offenbach“
musischem Gestalten“ jeweils an fünf Tagen fortzubilden.
wurde mit 900.000 € finanziert. Entwickelt wurde das Weiterbildungsprogramm von den Verantwortlichen des EKO.
Im Februar 2011 veranstaltete der EKO unter dem Titel „Jedes Kind mitnehmen – Soziale und kulturelle Vielfalt als He-
Struktur des Weiterbildungsprogramms
rausforderung an die pädagogische Professionalität“ eine
Fachtagung, bei der auch eine Zwischenbilanz der Quali-
Renommierte Fachleute aus dem In- und Ausland führten In-
fizierungsoffensive auf dem Programm stand. So wurde
house-Weiterbildungen durch. Das Projekt arbeitete in drei
zu den beiden Wahlbausteinen „Vorurteilsbewusste Erzie-
Linien, die aufeinander abgestimmt waren, so dass Lern-
hung“ und „Arbeit mit Eltern, wenn der Umgang schwierig
erfolge gesichert und weiterentwickelt werden konnten:
wird“ Folgendes festgehalten: Die beiden Bausteine sind
inhaltlich eng verbunden. Das Modul „Vorurteilsbewusste
• „Leitungsqualifizierung“: In vier Gruppen wurden die Kita-
Erziehung“ hatten 17 Kitas gewählt, „Elternarbeit“ 18 Kitas.
Leitungen auf ihre Vermittlerrolle in der pädagogischen
Beide Bausteine wurden damit von mehr als zwei Dritteln
Arbeit ihrer Kita vorbereitet.
der Kitas gewählt. Zwölf Kitas, also 50% aller städtischen
• „Arbeit im Kernstrang – Pädagogische Begleitung der
Kitas, wählten beide Bausteine.
Kitas“ hatte das Ziel, eine klare pädagogische „Profi lierung“ der jeweiligen Kita zu erarbeiten und umzusetzen
Erste Ergebnisse des Weiterbildungsprogramms
(Begleitung von Leitungen und Teams, Reflexion,
Nachbereitung der fachlichen Qualifizierungen,
Die offene Aussprache über Ängste, Vorbehalte, unter-
Konfliktmoderation).
schiedliche Werte und Einstellungen hat zu mehr Verständi-
• „Weiterbildung in fachlichen Bausteinen“: Gemeinsam mit
gung untereinander geführt und die Benennung von Proble-
den Leitungen der Einrichtungen wurden zehn solcher
men deutlich enttabuisiert. Alle Kitas, die in diesem Baustein
Weiterbildungsbausteine etabliert, bei acht davon
gearbeitet haben, fühlen sich nun besser in der Lage, Kinder
handelt es sich um Wahlbausteine. Diese wurden von den
und Eltern aus anderen Kulturen willkommen zu heißen, aber
Kitas ausgewählt (jeweils insgesamt fünf Wahlbausteine).
auch die Reflexion der eigenen Werte und pädagogischen
Vorstellungen nicht aus den Augen zu verlieren und im Inter-
Durchführung des Weiterbildungsprogramms
esse der Kinder selbstbewusst dafür einzutreten.
Zu Beginn des Weiterbildungsprojektes entschied sich je-
Hinzu kam, dass fehlendes Wissen wesentlich dazu beitrug,
des Team für fünf Bausteine. Dieser Entscheidungsprozess
unbewusste Ängste zu schüren. Das neu erworbene Wissen
wurde von den Leitungen vor Ort verantwortlich geführt.
führt jetzt zu mehr Sicherheit und Verständnis im Umgang
Die Kita-Leitungen nahmen grundsätzlich an allen Fortbil-
mit Menschen aus anderen Kulturen. Die Erfahrungen aus
dungsveranstaltungen teil und führten mit allen Referentin-
den Teamgesprächen haben gezeigt, dass es möglich ist,
nen und Referenten intensive Vorgespräche, um möglichst
Probleme anzusprechen, ohne sich gleich dem Vorwurf der
Bedarf vor Ort und Angebot in Deckung zu bringen. Jeder
Ausländerfeindlichkeit auszusetzen. Erzieher/innen haben
Baustein umfasste fünf Tage. Jede Kita absolvierte zwei
gelernt, wie wichtig es für die Kinder ist, ihre eigene Kul-
dieser Bausteine in einem Jahr. „Vorurteilsbewusste Er-
tur in die Kita mitbringen zu dürfen und dort einen Ort zu
ziehung“ wurde als Wahlbaustein von 17 Kitas ausgewählt
finden, der Anknüpfungen an ihr zu Hause gelebtes Leben
und absolviert. Für die Konzeption und Durchführung zeich-
ermöglicht. Jede Kita hat ihr gesamtes Spielmaterial da-
neten drei Bildungsreferenten des Paritätischen Bildungs-
raufhin überprüft, ob Kinder aus anderen Kulturen sich da-
werks BV Frankfurt verantwortlich (ausführlich in Kapitel 3
rin wiederfinden können, ob beispielsweise auch Kinder mit
dargestellt).
anderer Hautfarbe in den Bilderbüchern, den Spielfiguren
etc. vorkommen.
7
2. Bisherige Praxis der Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“ in Offenbach
Auf die Elternarbeit hat die Arbeit im Baustein einen großen
Zielsetzung des Moduls
Einfluss gehabt: Die Erzieher/innen gehen nun offener auf
die Menschen zu, versuchen Zugänge zu ihnen zu schaffen
Für das Modul „Vorurteilsbewusste Erziehung und Eltern-
und sie am Leben der Kita zu beteiligen, ihre Feste mitzu-
arbeit – Schule als Lebensort“ wurden sechs Tage Fortbil-
feiern etc., aber sie wagen es auch, Fragen zu stellen, wenn
dung im Gesamtzeitraum des Projekts eingeplant. Folgende
sie etwas nicht verstehen, oder Wünsche abzulehnen, wenn
Ziele wurden für das Weiterbildungsmodul im Projektantrag
diese nicht mit einer emanzipatorischen und demokrati-
formuliert: Ausbildung in einem die Eltern und Familien in
schen Kindererziehung zu vereinbaren sind.
den Alltag der Schule integrierenden Konzept, das Vielfalt
fördert und Differenzen integriert. Professioneller Umgang
2.2 „Vorurteilsbewusste
Erziehung und Elternarbeit“
im Rahmen des Fortbildungsprogramms für die Ganztagsklassen-Teams
mit kulturell begründeten Konflikten. Auf Seiten der Fachkräfte gilt es das Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass die
eigenen Vorurteilsstrukturen und Alltagstheorien über fremde kulturelle Lebenszusammenhänge einen erheblichen
(negativen) Einfluss auf die Bildungsarbeit mit Kindern und
Eltern haben.
Gerade die sehr heterogene Bevölkerungsstruktur in Offenbach verleiht dem Ansatz der vorurteilsbewussten Bildung
Es wurden folgende Sekundärziele abgeleitet:
und Erziehung besondere Relevanz. Deshalb wurde dieses
Fortbildungsmodul gewählt, um es in die Ganztagsklassen-
• Das soziale Klima in den Kindertagesstätten und Grund-
Teams der Grundschulen zu transferieren.
schulen entspannt und verbessert sich und nimmt positi ven Einfluss auf das friedliche Zusammenleben in der
Bei der Qualifizierung der Kindertagesstätten-Teams wurde
Stadt.
deutlich, dass die Ganztagsklassen-Kitas zwar ebenso von
• Das Leben in der Stadtgesellschaft wird bereichert durch
der Weiterbildung profitierten, jedoch deren Kollegen/innen
die Repräsentanz der unterschiedlichen Kulturen mit
von der Grundschule nicht daran teilhatten. Ein eigenes
ihren Gepflogenheiten, Festen und Lebensformen.
Weiterbildungsprojekt für die Ganztagsklassen-Teams soll-
• Insgesamt stärkt sich die Kooperationsfähigkeit der
te gewährleisten, dass beide Berufsgruppen gemeinsame
Professionellen untereinander und gegenüber den Eltern.
Lernprozesse durchlaufen, um ihre Kooperation zu verbessern und gemeinsame pädagogische Standards zu etablie-
Inhalt des Moduls
ren. Hierfür hat der EKO Drittmittel aus dem Bundesprogramm „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“
Anregung zur Auseinandersetzung mit den eigenen Vorur-
akquiriert. Der Fokus dieses dreijährigen Projekts liegt auf
teilsstrukturen und deren Wirkung auf die Beziehungsarbeit
ganztägiger Bildungsförderung für die Schülerinnen und
und Lernunterstützung der Kinder. Vermittlung von didak-
Schüler. Die Konzeptentwicklung wurde durch unterschied-
tischen und methodischen Bausteinen für eine interkultu-
liche Fortbildungsbausteine qualitativ unterstützt.
relle Förderung. Weiterbildung in einer aktiven und aufsuchenden interkulturellen Elternarbeit und Etablierung einer
Dieses Projekt lief über drei Jahre, es begann im August
Schulkultur, die Vielfalt begrüßt und Differenzen sprachfä-
2011 und endete im August 2014. Es wurde mit insgesamt
hig sowie für die Verständigungsprozesse mit den jeweili-
600.000 € gefördert; die Finanzierung bestand jeweils zur
gen Communities nutzbar macht. Die Weiterbildung wird
Hälfte aus Eigenmitteln des EKO und aus Mitteln des Bun-
praktische Umsetzungsschritte enthalten, die von außen
desministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
begleitet und im reflexiven Prozess weiterentwickelt wer-
(BMFSFJ). In diesem Ministerium war es Teil des Programm-
den. Gelernt wird ein professioneller Umgang mit kulturell
bereichs „Modellprojekte: Jugend, Bildung und Prävention“.
begründeten Konflikten. Insgesamt soll die Weiterbildung in
Die Projektleitung lag bei der EKO-Leitung und der Leitung
diesem Modul dazu beitragen, dass Schule sich zu einem
des staatlichen Schulamts für den Landkreis Offenbach
interaktiven und interkulturellen Ort und Lebensraum entwi-
und die Stadt Offenbach; „Lernen vor Ort“ fungierte als Ko-
ckelt, der nach innen und außen offen ist.
operationspartner.
Das Modellprojekt wird durch den Wechsel von Weiterbildungsphasen mit direkt folgenden begleiteten Praxisphasen bereits während der Projektlaufzeit in den Alltag
2. Bisherige Praxis der Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“ in Offenbach
transferiert. Innerhalb der Projektdauer werden alle neu
• 2 Tage Goetheschule/Kita 6
gelernten Module ausprobiert und durch gemeinsame Re-
• 2 Tage Eichendorffschule/Kita 22
flexionsveranstaltungen immer wieder verändert und dem
• 1 Tag Mathildenschule/ Kita 23
Bedarf angepasst. Dadurch, dass die pädagogischen Fach-
• 1 Tag Grundschule am Buchhügel/Kita 24
8
kräfte in beiden Institutionen voraussichtlich mehrheitlich
dieselben Personen sind, die die Ergebnisse des Modell-
Folgende Ergebnisse fasst der Projektbericht im
projekts dann auch weiter umsetzen, ist die Nachhaltigkeit
Förderzeitraum 2012 zusammen:
auch an dieser Stelle gesichert. Am Ende ist dafür Sorge zu
tragen, dass die Fachkräfte zum Erhalt ihrer fachlichen Qua-
Die Teilnehmer/innen sind in ihrer Arbeit sensibilisiert und
lität Standards entwickeln, die diese Qualität weiter sichern
achten im Alltag auf die Methoden der vorurteilsbewussten
und überprüfbar machen.
Erziehung. Zwei Einrichtungen haben bereits zwei Fortbildungstage absolviert, es folgt ein weiterer Fortbildungs-
Das Ganztagsklassen-Projekt wird von den kommunalpoli-
tag. Zwei weitere Einrichtungen haben bisher einen Fort-
tisch Verantwortlichen unterstützt. Die Stadt Offenbach hat
bildungstag in vorurteilsbewusster Erziehung erhalten, es
beschlossen, diese Form der Ganztagsklassen-Betreuung
folgen zwei weitere. Eine neue Einrichtung wird 2014 mit
allen interessierten Grundschulen anzubieten. Daher ist die
dem Baustein beginnen. Erste konzeptionelle Schritte zur
Wahrscheinlichkeit hoch, dass innerhalb der nächsten Jahre
Entwicklung einer integrationsfördernden Elternarbeit wur-
noch mehr solcher Ganztagsklassen in Kooperation mit EKO
den eingeleitet.
an weiteren Grundschulen etabliert werden können. Die
konzeptionelle und fachliche Vorarbeit, die im Modellprojekt
Maßnahmen zur gleichberechtigten Einbeziehung von
„Gemeinsamer Bildungstag“ im Rahmen des Bundespro-
Mädchen und Jungen wurden in den Bausteinen „Konzept-
gramms „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“
entwicklung“ und „Vorurteilsbewusste Erziehung“ er- und
geleistet werden konnte, ist dann ohne große Schwierigkeit
bearbeitet. Besonders bedeutsam ist die Fragestellung im
durch die schon darin erfahrenen pädagogischen Fachkräfte
Modul „Vorurteilsbewusste Erziehung“, aber sie betrifft na-
auf weitere Grundschulen zu transferieren.
türlich auch die Konzeptentwicklung, die eine geschlechtsspezifische Förderung und Unterstützung von Mädchen
Durchführung des Moduls
und Jungen im Blick haben muss.
Das Modul „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternar-
Im Sachbericht 2013 steht zu dem Thema
beit“ wird im Rahmen des Projekts von 2011 bis 2014 an
„Zielerreichung, einschließlich Darstellung von
fünf Grundschulen in Offenbach durchgeführt. Jede Schule
Querschnittszielen“ das Folgende:
hat acht bis zehn Tage Fortbildung in zwei Schuljahren.
Teilnehmende sind alle Ganztagsklassenlehrer/innen sowie
Das wesentliche Ziel, die Kinder besser unterstützen und
Erzieher/innen. Das Paritätische Bildungswerk Frankfurt hat
fördern zu können, ist der Gradmesser, an dem sich alle Ver-
die Weiterentwicklung des Konzepts und erneut die Durch-
änderungs- und Entwicklungsprozesse orientieren. Demzu-
führung des Fortbildungsbausteins übernommen.
folge sind die Projektziele für den Weiterbildungsprozess an
diesem Hauptziel orientiert. Vor allem die Auseinanderset-
Im Rathaus der Stadt Offenbach fand am 27.08.2011 die
zung mit der heterogenen Herkunft der Familien zieht sich
Auftaktveranstaltung zum Projekt „TOLERANZ FÖRDERN –
als roter Faden durch den gesamten Entwicklungsprozess:
KOMPETENZ STÄRKEN“ statt. Alle inhaltlichen Bausteine
Das kulturell geprägte Werte- und Normensystem der Fa-
wurden im Vorfeld eingehend mit der gesamten Zielgruppe
milien zu erkennen, zu verstehen und nach Brücken zum
und allen Leitungspersonen aus beiden Institutionen ent-
eigenen Wertesystem zu suchen, ist ein Querschnitts-Ziel
wickelt, diskutiert und vereinbart. Die beiden Fortbildungs-
des Modellprojekts.
module „Vorurteilsbewusste Erziehung“ und „Sprachförderung“ begannen erst 2012.
Alle Teams arbeiten an dieser Thematik und versuchen, ihre
gemeinsam entwickelten pädagogischen Grundhaltungen
2012 wurde das Modul „Vorurteilsbewusste Erziehung“
mit den Erfordernissen einer auf Anerkennung und Selbst-
an folgenden Grundschulen für die Lehrer/innen und
bestimmungsrechten basierenden Wertehaltung in Über-
Erzieher/innen der ersten Ganztagsklassen durchge-
einstimmung zu bringen. An diesem Prozess wird noch lan-
führt:
ge gearbeitet werden müssen. Diese Wege zu sichern und
9
2. Bisherige Praxis der Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“ in Offenbach
zu verstetigen, wäre ein wichtiges Ziel für die Zeit nach dem
sem eine ebenso große Wirkung wie Relevanz. Die Leitun-
Abschluss des Modellprojekts.
gen der Eichendorffschule und der Kita 22 sind sehr zufrieden mit dem Verlauf dieses Weiterbildungsstranges: „Das
2013 wurde das Modul „Vorurteilsbewusste Erziehung“
Modul ‚Vorurteilsbewusste Erziehung‘ ist immer sehr gut
an folgenden Grundschulen für die Lehrer/innen und
vorbereitet: Grenzen setzen oder in Vorurteilsfallen tappen?
Erzieher/innen der ersten Ganztagsklassen durchge-
Wie kann man Identität leben, ohne andere zu übergehen?
führt:
Das sind wichtige Fragestellungen in unserer Arbeit.“
• 3 Tage Goetheschule/ Kita 6
„Frau Kriechhammer-Yağmur hat uns sehr weit gebracht,
• 3 Tage Eichendorffschule/Kita 22
wir haben ein stabiles Gerüst erarbeitet“, urteilen die Leitun-
• 3 Tage Mathildenschule/Kita 23
gen der Mathildenschule und der Kita 23. Auch die Leitun-
• 3 Tage Buchhügelschule/Kita 24
gen der Goetheschule und der Kita 6 heben die Kompetenz
der Dozentin und deren Bedeutung für den Entwicklungs-
• (Beethovenschule/Kita 25 prozess hervor.
ziehen die Arbeit an der Konzeption vor und starten 2014 mit dem Modul)
2.3 Schlussfolgerung
Ergebnisse im bisherigen Förderzeitraum:
Es kann festgehalten werden, dass sich die Relevanz des
Weiterbildungsmoduls „Vorurteilsbewusste Erziehung“ in
Die Teilnehmenden sind in ihrer Arbeit sensibilisiert und
der Praxis der städtischen Kindertagesstätten und der sich
achten im Alltag auf die Methoden der vorurteilsbewussten
aus Erziehern/innen und Lehrern/innen zusammengesetz-
Erziehung. Vier Einrichtungen haben drei Fortbildungstage
ten Ganztagsklassen-Teams in Offenbach bestätigt hat.
absolviert. Eine neue Einrichtung wird 2014 mit dem Baustein
Dies unterstreichen die Berichte, Stellungnahmen und Pro-
beginnen. Erste konzeptionelle Schritte zur Entwicklung einer
tokolle der beiden in diesem Kapitel dargestellten Weiter-
integrationsfördernden Elternarbeit wurden eingeleitet.
bildungsprojekte bzw. -programme. Das folgende Kapitel
fokussiert den Ansatz der „Vorurteilsbewussten Erziehung
Ergebnisse aus der Perspektive der Teams (Protokoll
und Elternarbeit“ und seine Umsetzung in den angebotenen
des Steuergruppentreffens am 21.05.2013):
Qualifizierungen. Es geht auf die zugrundeliegende Konzeption, die Durchführung und erste Ergebnisse aus Sicht der
Die Berichte und Stellungnahmen der Grundschulen zum
Baustein „Vorurteilsbewusste Erziehung“ bescheinigen die-
Dozenten/innen ein.
3. Ansatz, Konzept und Umsetzung der Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“
10
3. Ansatz, Konzept und Umsetzung
der Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“
Dieses Kapitel widmet sich den Inhalten und der Durch-
Das Modul „Vorurteilsbewusste Erziehung und Arbeit mit
führung des fünftägigen Moduls in 17 städtischen Kinder-
Eltern mit Migrationshintergrund“ basiert auf dem „Anti-
tageseinrichtungen des EKO im Rahmen der Qualifizie-
Bias Approach“ der Amerikanerin Louise Derman-Sparks2.
rungsoffensive (2009 – 2011) und seinem Transfer in die
Dieser Ansatz wurde vom Projekt KINDERWELTEN (2000
Ganztagsklassen-Teams im Rahmen des vom BMFSFJ
– 2008 in Berlin) auf das deutsche Bildungssystem über-
geförderten Offenbacher Projekts „TOLERANZ FÖRDERN
tragen.
– KOMPETENZ STÄRKEN“ an fünf Offenbacher Grundschulen (2012 – 2014). Dabei steht die Perspektive der Trai-
Nicht selten ging und geht man davon aus: „Kleine Kinder
ner/innen im Mittelpunkt. Verantwortlich für die inhaltliche
haben keine Vorurteile“. Wissenschaftliche Erkenntnisse
Planung und Durchführung war das Paritätische Bildungs-
zeigen jedoch, dass Kinder im zweiten Lebensjahr Merkma-
werk BV Frankfurt, namentlich dessen Bildungsreferent/
le wie Geschlecht und Hautfarbe unterscheiden können und
innen Iris Bawidamann, Rüdiger Hausmann und Sabine
im dritten Lebensjahr versuchen, sich diese Unterschiede
Kriechhammer-Yağmur. Auf der Grundlage der Auswertung
zu erklären und eigene Theorien darüber zu entwickeln. So
ihrer Konzeptpapiere und Erfahrungen sowie eines aus-
können Dreijährige bereits gelernt haben, welche äußeren
führlichen Gesprächs von LvO mit Sabine Kriechhammer-
Merkmale gesellschaftlich anerkannt sind oder Unbehagen
Yağmur wird folgenden Fragen nachgegangen:
gegenüber weniger anerkannten Merkmalen entwickeln
(z.B. in Bezug auf Geschlecht, körperliche Beeinträchtigung,
• Auf welchen theoretischen bzw. fachwissenschaftlichen
Hautfarbe). Demnach prägen diese sozialen Konstrukte die
Grundlagen basiert der Ansatz der „vorurteilsbewussten
Identitätsbildung der Kinder, und Kindertageseinrichtungen
Bildung und Erziehung“?
wie auch Schulen üben ebenfalls einen starken Einfluss aus.
• Welche Bedarfe und Erwartungen begründeten darüber
hinaus die Konzeption des Moduls?
Erwachsene, die in diesen Institutionen professionell arbei-
• Welche Erfahrungen machten der Referent/die Referen-
ten, sind doppelt gefordert: zum einen als Gestalter/innen
tinnen mit dem Konzept bei der Durchführung der Team-
von vorurteilsbewussten Bildungsprozessen und zum an-
qualifizierung?
deren als Vorbilder im Umgang mit Vorurteilen. Um vorur-
• In welcher Weise gingen diese Erfahrungen in den Trans-
teilsbewusste Bildungsprozesse zu gestalten, ist die grund-
fer des Moduls auf die Fortbildung/Qualifizierung der
legende Haltung „Vielfalt ist Normalität“ notwendig. Von
Ganztagsklassen-Teams ein?
den Gemeinsamkeiten ausgehend, können Kinder dann Be-
• Wie gestaltete sich die Durchführung dieses Moduls im
sonderheiten thematisieren und beispielsweise Mehrfach-
Zusammenhang der Fortbildung/Qualifizierung der Ganz-
zugehörigkeiten erfahren. Unterschiede bieten demnach
tagsklassen-Teams?
Gesprächsanlässe, die einer pädagogischen Rahmung bedürfen.
3.1Ansatz und
Konzeptentwicklung
Nach Derman-Sparks verfolgt die vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung von Kindern vier Ziele. Kinder sollen
Die fachwissenschaftliche Grundlage des Moduls
2
darin bestärkt werden:3
Derman-Sparks, Louise: Anti-Bias Curriculum. Tools for empowering young children. Washington 1989 und Derman-Sparks/Phillips: Teaching/Learning Anti-Racism. A Developmental Approach. Teachers College Press, New York 1997
3
vgl. Wagner/Hahn/Ensslin: Macker, Zicke, Trampeltier ... Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung in Kindertageseinrichtungen. Handbuch für Fortbildungen, Berlin 2006, S. 19ff
3. Ansatz, Konzept und Umsetzung der Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“
11
1.Ein starkes Selbstbewusstsein zu entwickeln, das sich
Für das fünftägige Weiterbildungsmodul „Vorurteilsbewuss-
aus einer starken Ich-Identität und Gruppenidentität
te Erziehung und Arbeit mit Eltern mit Migrationshinter-
speist.
grund“ entwickelten die Bildungsreferenten/innen des Pa-
2.Empathie zu entwickeln und sich angesichts von Unter-
ritätischen Bildungswerks folgende Konzeption:
schieden wohl zu fühlen.
3.Kritisch über Vorurteile nachzudenken.
Tag 1 und 2:
4.Konkrete Aktionen gegen Ungerechtigkeit zu
Auseinandersetzung mit dem Kulturbegriff, Geschichte der
unternehmen.
Migration, Kulturstandards, Reflexion eigener Werte, interkulturelle Kommunikation in der Elternarbeit, Grundlagen-
Um in diesem Sinne vorurteilsbewusst mit Kindern arbeiten
wissen zur Alltagsreligiosität im Islam.
zu können, müssen pädagogische Fachkräfte ihre eigenen
Vorurteile, Haltungen und Werte wie auch deren Einfluss auf
Tag 3:
ihr berufliches Handeln reflektieren. Zudem ist es wichtig,
Vorstellung des Konzepts der vorurteilsbewussten Erzie-
im Team einen Konsens darüber herzustellen, wie mit Un-
hung nach Louise Derman-Sparks und Beratung zu geeig-
terschiedlichkeit umgegangen wird. Gelungene interkultu-
neten Materialien für diesen Ansatz sowie Vorstellung von
relle Kommunikation mit allen Akteuren ist eine Vorausset-
Best-Practice-Beispielen.
zung, damit vorurteilsbewusste Erziehung gelingen kann.
Als Basis benötigen pädagogische Fachkräfte zusätzliches
Tag 4:
Wissen, das ihnen im Rahmen ihrer Ausbildung häufig nicht
Tagsüber Hospitation in der Einrichtung mit dem Einver-
vermittelt wurde. Dazu gehören z.B. die Auseinanderset-
ständnis der Teams, nachmittags/abends Beratung zur
zung mit den unterschiedlichen Lebenslagen der Familien
möglichen Umsetzung des Ansatzes im Rahmen einer ver-
im Sozialraum wie auch die Geschichte ihrer Migration und
längerten Dienstbesprechung, orientiert an den Fragen und
die religiösen, ethischen und persönlichen Haltungen, die
Bedürfnissen des Teams und auf der Grundlage der in der
sie mitgebracht und an ihrem neuen Lebensort weiterent-
Hospitation und den Fortbildungen gemachten Erfahrungen.
wickelt haben.
Tag 5:
Voraussetzung, Zielsetzung und Konzeption des
Auswertung, ggf. Vertiefung einzelner Themen über inhaltli-
Moduls
che Inputs (je nach Bedürfnis der jeweiligen Kita).
Die Kita-Teams wünschten sich im Vorfeld der Qualifizie-
Methodisch sieht die Konzeption Übungen in Klein- und
rung, dass der Fortbildungsbaustein eine der möglichen
Großgruppen vor, welche die Selbsterfahrung und Reflexion
Differenzlinien fokussierte, nämlich Familien mit Migrations-
der Teilnehmer/innen unterstützen. Trainer/innen geben in-
hintergrund, und Raum für die Reflexion und konkrete Ge-
haltliche Inputs, Prozesse werden gemeinsam ausgewertet.
staltung der eigenen Praxis in der jeweiligen Institution las-
Besonders wichtig war es dem Dozenten/den Dozentinnen,
sen sollte. Vor diesem Hintergrund formulierten Dozent und
ein Lernumfeld zu schaffen, in dem die Teilnehmenden das
Dozentinnen die folgenden zentralen Ziele für das Modul:
Tempo selbst bestimmen konnten. Das Wissen um eigene
Gruppenzugehörigkeiten und mögliche Machtasymmetrien
• Die Erzieher/innen sollen zu Perspektivwechseln ermutigt
im Fortbildungskontext galt der Dozentenschaft als grund-
werden.
legend für die Transparenz des Prozesses – so repräsen-
- Ressourcen der Kinder, Eltern, Kollegen/innen und
tierten sie selbst bereits Vielfalt in Bezug auf Geschlecht,
Alter und Migrationserfahrung.
Träger sollen in den Mittelpunkt gestellt werden.
- Eine erkundende, wertschätzende Haltung bestimmt
die Methoden.
- Erkundendes Fragen hält die Balance zwischen
3.2 Erfahrungen im Rahmen der
Qualifizierungsoffensive des EKO
Wissen und Unwissen.
• Vermittlung und Stärkung von Kompetenzen wie z.B.
Die 17 städtischen Offenbacher Kitas hatten sich im Rah-
- Selbstreflexion,
men der Gesamtqualifizierung freiwillig zur Durchführung
- Beobachtung,
dieses Bausteins entschlossen. Vor Beginn fand ein Vorge-
- kollegiale Beratung,
spräch im Rahmen einer Teamsitzung statt, in dem der Do-
- interkulturelle Kommunikation.
zent bzw. die Dozentinnen die Bedarfe und Fragestellungen
3. Ansatz, Konzept und Umsetzung der Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“
der Einrichtung und ihres Teams im Hinblick auf dieses Mo-
12
Eltern und Kollegen/innen wie auch Veränderungen bei
dul kennenlernten. An den fünf Tagen der Inhouse-Team-
Abläufen, bei der Gestaltung von Räumen und Materialien.
fortbildung blieben die Kitas geschlossen. Die Teilnahme
• Es wurde eine Wertschätzung von Vielfalt und von Diffe-
war für alle Mitarbeitende verpflichtend.
renzlinien erreicht, sichtbar z.B. bei mehreren Familiensprachen.
Jedes Team kann für sich genommen als eine interkulturelle
Lerngruppe beschrieben werden, denn es bildet zahlreiche
Schwierigkeiten, die im Kontext der Qualifizierung auf-
Differenzlinien hinsichtlich Geschlecht, Alter, Migrationser-
traten, aus Sicht der Dozenten/innen:
fahrung, Lebensform, sexueller Orientierung etc. ab. Zwischen den einzelnen Fortbildungstagen lagen – idealerweise
• Abwehrende Haltung der Teilnehmenden zu Beginn aus
– jeweils vier bis sechs Wochen. Dieser zeitliche Abstand hat
Angst davor, als „rassistisch“ geoutet zu werden.
sich bei der Durchführung bewährt und positiv auf den Ent-
• Die Differenzierung von Beobachtung und Bewertung fiel
wicklungsprozess ausgewirkt. Neben Inputs durch die Do-
schwer.
zentenschaft, wie in der Konzeption beschrieben, umfassten
• Schmerzhafte Lernprozesse von der Nennung eines Vor-
die Fortbildungstage außerdem eine „Rallye“ durch die eige-
urteils bis zum Einüben eines anderen Umgangs damit.
ne Einrichtung mit der Suche nach geeigneten Materialien
• Personelle Fluktuation schmälerte u.a. die Sicherung der
für die vorurteilsbewusste Erziehung, Übungen, Fallbespre-
Nachhaltigkeit der Weiterbildungsinhalte bzw. deren
chungen, kollegiale Beratung und Arbeitsgruppen-Arbeit.
strukturelle Verankerung.
• Einige wenige Fachkräfte verließen die Einrichtungen, weil
Wie bereits konzeptionell vorgedacht, änderte sich durch das
sie den sich aus dem Qualifizierungsprojekt ergebenden
teilnehmerzentrierte Arbeiten auch das Fortbildungskonzept.
neuen Haltungen nicht folgen wollten.
Beispielsweise wünschten einige Teams einen ausführlichen
Input zum Thema „Islam im Alltag“ mit Bezug auf Ernährung,
Der Dozentenschaft boten die Rahmenbedingungen in Of-
Kleidung und Feiertage. Hier zeigte sich die Wichtigkeit des
fenbach die Gelegenheit, dieses Fortbildungskonzept erst-
Prozesses, zu einer gemeinsamen Haltung für die Einrichtung
mals in der Praxis zu erproben. Das Konzept wurde während
zu kommen. Als notwendig und entsprechend wirkungsvoll
eines halben Jahres insgesamt 17-mal mit jeweils fünf Tagen
erwies sich in allen Kitas der Input zur Migrationsgeschich-
in einem Einrichtungsteam durchgeführt. Diese Bedingungen
te in Deutschland und in Offenbach. Vor allem Pädagogen/
machten es möglich, Vertrauen aufzubauen und geschützte
innen ohne Migrationshintergrund äußerten großes Interesse
Lernräume zu schaffen. Die Bildungsreferenten/innen Iris Ba-
an diesem bisher vernachlässigten Thema.
widamann, Rüdiger Hausmann und Sabine Kriechhammer-
4
Yağmur zogen aufgrund dieser Erfahrungen auch den
Positive Wirkungen der Qualifizierung aus Sicht der
Schluss, „Vorurteilsbewusste Erziehung“ künftig nur noch für
Dozenten/innen:
Teams anzubieten, da nur in diesem Kontext eine gemeinsame Haltung entwickelt und Prozesse mit Langzeitwirkung in
• Besonders bewährt hat sich das Vorgespräch mit dem
der jeweiligen Institution angestoßen werden können.
Team, denn dadurch konnten Bedenken eingedämmt,
Vertrauen aufgebaut und der Fortbildungsbedarf genauer
In Bezug auf die thematischen Felder und Inputs hat sich
eingeschätzt werden.
das Konzept bewährt. Es zeigte sich allerdings, dass gerade
• Bewährt hat sich auch die Hospitation von Dozent und
für durch Vielfalt gekennzeichnete Teams die Klarheit der
Dozentinnen in der Einrichtung mit anschließender
Kita-Leitung von großer Bedeutung ist für die Entwicklung
Beratung zur Umsetzung in einen Prozess, um als
von „Haltungen“ im Sinne vorurteilsbewussten Handelns.
Team eine gemeinsame Haltung für die Einrichtung
Leitung bedarf demzufolge der besonderen Aufmerksam-
zu entwickeln (Methoden zur Konsensbildung).
keit und Unterstützung der Dozentenschaft.
• Als Hinweis für eine gelungene Sensibilisierung für
unterschiedliche familiäre Lebenslagen werteten Dozent In den vergangenen Jahren – nach Abschluss der Weiter-
und Dozentinnen differenzierte Sichtweisen auf Kinder,
bildungsoffensive – haben in diesem Modul geschulte Kita-
4
Nach Sabine Kriechhammer-Yağmur sind die Kenntnisse über die Migrationsgeschichte so gering, weil diese auch nicht Gegenstand von schulischer Vermittlung z.B. im
Geschichtsunterricht ist.
13
3. Ansatz, Konzept und Umsetzung der Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“
Teams Folgeveranstaltungen gewünscht und zum Teil auch
die Fortbildung als eine Möglichkeit begreifen konnten, ihre
eintägig wahrgenommen. Diese wurden als Chance begrif-
eigene Praxis zu reflektieren und gemeinsame Haltungen
fen und dazu genutzt, Aushandlungsprozesse fortzuführen
zu entwickeln. So führt eine erkundende und beobachten-
oder neue anzustoßen. Dieser Bedarf untermauert die Re-
de Zugangsweise auf Situationen im Kita- und Schulalltag
levanz dieser Weiterbildung für pädagogische Fachkräfte in
auch zu neuen Wahrnehmungen, die einer Konsensbildung
Offenbach.
für den Umgang damit bedürfen. Insgesamt, so war der
Eindruck von Dozent und Dozentin, lasse sich bei diesem
3.3 Transfer der Fortbildungskonzeption in die Offenbacher
Ganztagsklassen-Teams
Modul von einer Langzeitwirkung ausgehen. Eine Heraus-
Im Rahmen des Fortbildungsprogramms für Ganztagsklas-
• Die einzelnen Teams setzten sich aus Erziehern/innen
sen-Teams, das durch das Bundesprogramm „TOLERANZ
und Lehrkräften der Ganztagsklassen zusammen
FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“ gefördert wird, bildet
und machten nur einen Teil der an der Grundschule
das Modul „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“
tätigen Fachkräfte aus.
einen der drei Fortbildungsschwerpunkte, die als maßge-
• Fluktuationen in den Teams machten es nötig, Methoden
bend für eine gemeinsame Konzeptentwicklung angesehen
zu finden, wie Neue ins Boot geholt werden konnten, ohne
forderung stellte das neue Setting für die Dozentin/den Dozenten dar:
werden. Im Unterschied zur erstmaligen Durchführung war
Inhalte ständig wiederholen zu müssen.
hier die Teilnahme für alle Teams Pflicht. Aufgrund der Er-
• Vorurteilsbewusstes Arbeiten braucht Zeit für die Ausei-
fahrungen bei der Durchführung wurde der Qualifizierungs-
nandersetzung mit sich selbst, dem Team und mit Kin-
baustein in diesem Kontext um einen Tag auf insgesamt
dern und Eltern, die im Schulalltag nicht immer vorhanden
sechs Tage erweitert. Dieser sollte die Praxisrelevanz bzw.
bzw. vorgesehen ist.
Praxisnähe durch Rollenspiele und die Entwicklung ge-
• Die Kooperation von zwei Systemen (Kita und Schule)
meinsamer Projekte stärken.
erfordert auch eine vorurteilsbewusste Auseinanderset zung der beiden Systeme miteinander.
Durchgeführt wurden auch diese Fortbildungen von Rüdiger
• Die Lehrkräfte stellten eine homogenere Gruppe hinsicht-
Hausmann und Sabine Kriechhammer-Yağmur. Beide sahen
lich Geschlecht, Schicht und Lebenslage dar als die Teams
sich bereits bei der Auftaktveranstaltung, in der das Kon-
der an der ersten Fortbildung und an den Ganztagsklas-
zept den teilnehmenden Kita-Erziehenden und Lehrenden
sen-Teams beteiligten Kitas. Dies schränkte die Erfahr-
an Grundschulen vorgestellt wurde, mit Widerständen der
barkeit von unterschiedlichen Lebensentwürfen in der
teilnehmenden Lehrkräfte und Grundschulleitungen kon-
Lerngruppe etwas ein.
frontiert. Typische Kommentare waren: „Ihr unterstellt uns
Rassismus“, „Das brauchen wir nicht“, „Der Ansatz geht zu
Die gemeinsame Abschlussauswertung des Moduls an ei-
stark auf individuelle Lebenslagen ein und ist dadurch nicht
ner Offenbacher Grundschule zeigt, dass eine geringe Fluk-
umsetzbar“. Aber auch die in den Ganztagsklassen-Teams
tuation der Teilnehmenden und die kontinuierliche Präsenz
tätigen Kita-Fachkräfte, insbesondere diejenigen mit eige-
der Schulleitung dem Prozess und damit der Wirkung der
nen Migrationserfahrungen, standen dem Angebot eher ab-
Fortbildung sehr förderlich sind. Die Teilnehmenden waren
lehnend gegenüber („Das kennen wir doch schon alles.“).
im Nachhinein sehr zufrieden mit der großzügig bemessenen Zeit, denn dadurch konnte ihr Wunsch erfüllt werden,
Dozentin und Dozent machten die Erfahrung, dass dieser
schwierige Gespräche in Rollenspielen zu üben und eigene
Widerstand in dem Maß sank, in dem die Teilnehmenden
kleine Projekte zu entwickeln und umzusetzen.
4. Wirkungen der Fortbildung auf die pädagogische Praxis in Offenbach
14
4.Wirkungen der Fortbildung auf die
pädagogische Praxis in Offenbach –
Eine Befragung der Teilnehmer/innen
aus Kitas und Ganztagsklassen
„Vorurteilsbewusste Elternarbeit“ war – wie zuvor bereits
Ihrer Schule und im Rahmen des gesamten Fortbildungs-
ausführlich beschrieben – grundlegender Baustein von
programms?
zwei weitreichenden Qualifizierungsprogrammen in Offen-
• Haben sich Themen zwischen den Fachkräften, den El-
bach, nämlich für EKO-Kitas (2009 – 2011) und Ganztags-
tern und den Fachkräften sowie zwischen den Kindern
klassenteams (2011 – 2014). Nachdem die Perspektiven der
und den Fachkräften verändert?
verantwortlichen Dezernenten, des EKO, des staatlichen
• Haben sich die Inhalte in der pädagogischen Arbeit ver-
Schulamtes und der Dozentin dargestellt wurden, stehen
ändert?
hier nun die Erfahrungen der Fortbildungsteilnehmer/innen
• Welche Materialien und Methoden wurden erprobt und
im Zentrum.
können weiterempfohlen werden?
• Findet das Thema Einzug in die Konzeption der Einrich-
In Abstimmung mit dem EKO und dem staatlichen Schulamt
tung? Wie wird es verankert?
befragte „Lernen vor Ort“ zehn pädagogische Fachkräfte,
• Wie wird die nachhaltige Etablierung der Fortbildungs-
die an der Fortbildung teilgenommen haben – eine Schul-
inhalte gesichert?
leiterin, drei Grundschullehrer/innen, zwei Kita-Leiterinnen
und vier Erzieherinnen. Die Interviewpartner/innen stammen
3. Perspektiven
aus drei Ganztagsklassen-Teams an Grundschulen und einer Kindertagesstätte in Offenbach. Die Befragung – qua-
• Können Sie Faktoren benennen, die einen guten Verlauf
litative Interviews entlang eines Frageleitfadens – wurde im
oder eine positive Wirkung der Fortbildung begünstigen?
Frühjahr 2014 durchgeführt. Die Befragten hatten die Mög-
• Welche Schwierigkeiten nehmen Sie bei der Umsetzung
lichkeit, in den Interviews eigene Schwerpunkte zu setzen.
von Fortbildungsinhalten wahr?
Der Interviewleitfaden gliedert sich in drei Bereiche:
• Gibt es weiterhin Bedarf an Unterstützung in diesem Bereich?
1. Persönliches Erleben des Fortbildungsmoduls
• Welche Verbesserungsvorschläge oder Wünsche haben
Sie bezüglich der Fortbildung?
• Wie haben Sie auf das Fortbildungsangebot reagiert?
(Freiwilligkeit/Pflicht)
• Welche Fragen und Bedürfnisse hatten Sie vor der
4.1Persönliche Erfahrungen im
Rahmen der Fortbildung
Fortbildung? (Erwartungen)
• Können Sie den Verlauf der Fortbildung kurz
Bei den Befragten überwiegen die positiven Rückmeldun-
beschreiben?
gen zur Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und
• Wie denken Sie nun über das Modul?
Elternarbeit“. Sie lassen sich folgenden drei Bereichen zu-
• Welche persönlichen Fragen und Bedürfnisse
ordnen:
sind noch offen?
Positive Statements zu Inhalten und Methoden:
2. Prozesse und Veränderungen in der Institution
• Die Themen Islam, Ethnizität, Migration, soziale Milieus • Warum hat Ihre Kita diesen Baustein gewählt bzw. welche
und interkulturelle Missverständnisse werden als beson-
Bedeutung hat dieses Modul für die Ganztagsklassen an ders weiterführend und interessant bewertet.
15
4. Wirkungen der Fortbildung auf die pädagogische Praxis in Offenbach
• Das Thema Vorurteile, vor allem die Selbstreflexion eige-
wird der parallele Verlauf verschiedener Fortbildungsbau-
ner Denkmuster und Haltungen, wird von allen Teilneh-
steine als verwirrend bezeichnet (zu viel Input, mangelnde
menden als wertvoller Lerneffekt gesehen.
Trennschärfe). Die großen Abstände zwischen den Fortbil-
• In diesem Kontext wird stets die Gefahr der Verallgemei-
dungstagen dieses Moduls verstärken diese Wahrnehmung.
nerung und Kategorisierung deutlich gemacht und es
Der Zeitumfang des gesamten Fortbildungsprogramms/-
werden die Akzeptanz von Verschiedenheit sowie die
projektes wird zum Teil als „Zumutung“ empfunden, auch
Kompetenz zur Differenzierung gestärkt.
weil die Organisation einer Vertretung für den eigenen Un-
• Die Befragten bewerten die Fortbildungsinhalte für die
terricht erheblich ist. Zudem wird angemerkt, dass „Vorur-
beiden Bereiche „Elternarbeit“ und „Kinderliteratur“ als
teilsbewusste Erziehung und Elternarbeit“ kein Thema sei,
besonders wirkungsvoll für den Transfer in die tägliche
dass ausschließlich oder speziell die Ganztagsklassen be-
Arbeit.
treffe, sondern eigentlich für die ganze Grundschule ange-
• Alle Inhalte seien von den Trainern/innen praxisnah auf-
boten werden müsse.
bereitet und wissenschaftlich unterfüttert worden. Diese
Kombination aus berufspraktischer und wissenschaft lich-theoretischer Herangehensweise hat die Teilneh-
4.2 Transfer von Fortbildungsinhalten in die berufliche Praxis
menden auch als unterschiedliche Lerntypen angesprochen.
In den Einrichtungen der Befragten fließen die Fortbil-
• Methodisch werden die Rollenspiele, Fallbesprechungen
dungsinhalte insbesondere in die Bereiche „Elternarbeit“
sowie die spielerische und bildliche Vermittlung zu den
und „Kinderliteratur“ ein, denn in diesen Bereichen sehen
Themen Vorurteile und Elternarbeit gelobt. Die erfahrungs-
die Befragten das größte Potenzial für einen Transfer des
orientierte Methodik sorgt für zahlreiche „Aha-Effekte“.
Erlernten in die Alltagspraxis.
Positive Statements zu organisatorischen Aspekten:
Die Überprüfung von Büchern und Spielen auf „Vorurteilsfallen“ seien die ersten Schritte in den Institutionen gewe-
• Die Teilnahmepflicht wird im Nachhinein überwiegend als
sen. Dem folgte die Anschaffung von Büchern, Spielen und
positiv beurteilt, obwohl sie im Vorfeld kontrovers gesehen
Puppen, die Vielfalt repräsentieren. Wichtig erscheint allen
wurde (z.B. als „Zwangsbeglückung“). Die für das ganze
Befragten, dass die Verschiedenheit und Vielfalt der Kinder
Team verpflichtende Teilnahme wird als wichtig erachtet.
stärker im Alltag berücksichtigt und durch solche Materiali-
Die Befragten befürchten sogar, dass eine Freiwilligkeit
en sichtbar wird.
der Teilnahme dazu hätte führen können, dass einige
Fachkräfte aufgrund hoher Arbeitsbelastung nicht teilge-
In der Elternarbeit wirkten sich Vorurteile am problematischs-
nommen hätten.
ten aus, so die Befragten. Häufig erschweren sie die Kommunikation, sowohl seitens der Fachkräfte als auch von den
Positive Statements zur Trainerin:
Eltern, und bezögen sich auf die unterschiedliche Herkunft,
Religionen, aber auch auf die Institutionen Schule und Kita
• Es wird deutlich, wie wichtig die Persönlichkeit, die Pro-
sowie die Rollen der Eltern und der Fachkräfte. Die Befragten
fessionalität und die Offenheit der Trainerin für das Gelingen
bewerten Elternarbeit als wichtigen Teil der Bildungstätigkeit
dieser Fortbildung ist: Trotz klarer Strukturen der Fortbil-
und somit als einen Bereich, in dem Konflikte am stärksten
dung haben die Teilnehmenden stets Raum für Fragen
das eigene professionelle Handeln behindern und das Wohl-
und eigene Themen. Das Vertrauen zur Trainerin wie auch
befinden aller Beteiligten einschränken. Daran zu arbeiten
deren Vermittlungskompetenz scheinen wesentlich zum
und in Form von Rollenspielen, Gesprächssimulationen und
Gelingen beigetragen zu haben.
Fallbesprechungen Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln,
wird sehr positiv bewertet. Die Fortbildung habe besonders
Der Titel der Fortbildung „Vorurteilsbewusste Erziehung und
in einer Einrichtung zu einer größeren Nähe und Vertrauens-
Elternarbeit“ wird von einigen Befragten kritisiert; sie fühlten
bildung zwischen Eltern und Fachkräften geführt. Eltern wür-
sich dadurch eher provoziert als angesprochen.
den besser in die Abläufe der Einrichtung einbezogen. Die
Elternarbeit gehe besser auf Ängste und Bedürfnisse ein.
Kritische Statements der Teilnehmenden beziehen sich fast
Das Feiern unterschiedlicher Feste aus aller Welt und die
ausschließlich auf organisatorische Aspekte und stammen
Anschaffung eines Festkalenders habe sich häufig als erster
oft aus dem Bereich der Ganztagsklassen-Teams. Zunächst
und wirkungsvollster Transfer in diesem Bereich erwiesen.
4. Wirkungen der Fortbildung auf die pädagogische Praxis in Offenbach
16
Wesentlich für den konkreten Transfer seien aber neben einer
seien auch mehr Fallbesprechungen, um aus den eigenen
veränderten persönlichen und professionellen Haltung auch
Erfahrungen heraus am Thema zu arbeiten (möglicher Rah-
die Rahmenbedingungen, und strukturelle Probleme erge-
men: Supervision oder kollegiale Beratung). Eine vertiefen-
ben sich zum Beispiel durch den Zuzug von nicht Deutsch
de Auseinandersetzung mit Materialien für den Transfer der
sprechenden oder zum Teil traumatisierten Kindern. Den
Fortbildungsinhalte in die Praxis sowie mit kultur- und mili-
Kompetenzzuwachs im Umgang mit Vielfalt und damit
euspezifischen Informationen schlagen die Befragten darü-
verknüpften Herausforderungen nennen viele Befragte als
ber hinaus ebenfalls vor.
wichtiges Ergebnis der Fortbildung.
Um Vorurteilen besser Einhalt gebieten zu können, sprechen
4.3 Einfluss auf die
professionelle Haltung
sich die Befragten für Trainings in Form von Rollenspielen
Die Befragten berichten, dass sie sich durch die Fortbildung
Die Rückmeldungen lassen auf der Erfahrungsebene Un-
der eigenen Vorurteile bewusster seien. Dies wird als gute
terschiede zwischen Teilnehmenden mit und ohne Migra-
Basis für eine gelingende Arbeit mit heterogenen Zielgrup-
tionserfahrungen erkennen. Personen mit Migrationserfah-
pen eingeschätzt. Von Bedeutung ist hierfür, mit eigenen
rungen sehen sich durch die Fortbildung in ihrem Unmut
Annahmen vorsichtig umzugehen sowie ebenfalls die Fä-
gegenüber verallgemeinernden Perspektiven der anderen
higkeit zur Differenzierung auszubauen. Gleichzeitig aber ist
bestätigt und fühlen ihre Sichtweise durch die Trainerin
es für die Teilnehmenden sehr aufschlussreich, die Funkti-
repräsentiert. Sie gehen gestärkt in ihrer Haltung aus der
onsweisen von Vorurteilen kennenzulernen. In Distanz zur
Fortbildung heraus und nehmen ihre Migrationserfahrun-
eigenen Perspektive zu gehen, eigene Wertvorstellungen zu
gen als spezifische Kompetenz für die Arbeit unter Migra-
hinterfragen und die eigenen Denkmuster nicht als unver-
tionsbedingungen wahr. Vor diesem Hintergrund gewinnt
änderliche Norm zu betrachten, ist ein Lerninhalt, der von
die Differenzlinie „Migrationserfahrungen im Team“ für den
allen Befragten als weiterführend für die eigene Arbeit an-
Transfer des Moduls an Bedeutung.
aus, um beispielsweise Argumentationslinien zu üben.
gesehen wird. Die Fähigkeit zum Perspektivwechsel führe
zu mehr Verständnis gegenüber kulturellen Unterschieden.
Als weitere Wünsche und Vorschläge werden genannt:
Informationen über kulturelle Gepflogenheiten, aber auch
über Migration, soziale Milieus, Aufenthaltsstatus, Macht-
Explizites Interesse an Fortbildung ermitteln: Es wird vor-
verhältnisse, den Stellenwert von Bildungsinstitutionen und
geschlagen, die Teams vorab über Themen und Inhalte des
über die Rolle von pädagogischen Fachkräften in anderen
Moduls zu informieren und eine Schwerpunktsetzung im
Ländern seien hierfür eine wichtige Basis. Deutlich werde
Team anzuregen. So werden Mitgestaltung und damit eine
vor diesem Hintergrund aber auch, dass es eine gemeinsa-
aktive Teilnahme gefördert.
me Haltung im Team geben müsse.
Freiwilligkeit als wichtige Teilnahme-Bedingung: Die BereitFast alle Befragten äußerten, dass sechs Fortbildungstage
schaft, eigene Denkmuster und Haltungen zu reflektieren,
für das Thema „Vorurteilsbewusste Erziehung und Elternar-
erfordere Vertrauen und Offenheit, Bedenken und Unmut zu
beit“ nicht reichten und man langfristig „dranbleiben“ müs-
äußern. Eine freiwillige Teilnahme sei hierfür die bessere Ba-
se, um etwas zu verändern.
sis als eine verpflichtende. Dieses Vertrauen müsse seitens
der Trainerin/des Trainers hergestellt werden, aber auch in-
Eine konkrete Implementierung der Fortbildungsinhalte
nerhalb des Teams vorhanden sein. Als gute Voraussetzung
durch die Leitung mit den entsprechenden konzeptionellen
für das Gelingen des Bausteins wurden funktionierende
Vorgaben oder Anweisungen ist zum Zeitpunkt der Befra-
Teamstrukturen/-beziehungen identifiziert (Kommunikation,
gung noch in keiner Institution zu finden.
Teamentwicklung).
4.4 Wünsche und Vorschläge
Lernende brauchen Transparenz: Sowohl der Verlauf und
die Struktur wie auch die Ziele der Fortbildung müssen
Nahezu alle Befragten wünschen sich für die Zeit nach der
deutlich gemacht werden. Eine Visualisierung des Fortbil-
Fortbildung eine/n Ansprechpartner/in für Fragen, die sich
dungsverlaufs, die jederzeit zeigt, wo man sich gerade be-
erst in der alltäglichen beruflichen Praxis ergeben, Super-
findet, wird für den Überblick von fast allen Befragten als
vision oder rhythmisierte Bildungstage. Wünschenswert
wesentlich betrachtet.
17
5. Konzeptionelle Weiterentwicklung der Team-Fortbildung und Anpassung an die Bedarfe von Grundschul-Kollegien
Konkrete Ergebnissicherung als Basis für den Transfer in
Bezug zur Praxis des Teams wichtig: Die Fortbildung selbst
die Praxis: Die Dokumentation der Fortbildung soll von den
soll stets praxisnah sein und Handlungsmöglichkeiten deut-
Teilnehmenden erarbeitete Meilensteine definieren, um den
lich machen. Forderungen, Haltungen zu verändern, ohne
Transfer in die Praxis zu gewährleisten. Eine Überprüfung
den Bezug zur konkreten Handlung herzustellen, riefen eher
dieser Meilensteine in Form von Prozessbegleitung oder
Blockaden hervor, als dass sie motivierten. Die Fortbildung
Supervision durch eine/n Trainer/in ist wünschenswert.
solle Lust machen, sich mit dem Thema zu beschäftigen
und Perspektiven aufzeigen, wie die Auseinandersetzung
mit den Fortbildungsinhalten die Arbeit verbessern könne.
5. Konzeptionelle Weiterentwicklung
der Team-Fortbildung und Anpassung
an die Bedarfe von GrundschulKollegien
Die Stadt Offenbach erprobt seit 2009 in Kindergärten und
• Das Herunterbrechen von komplexen Fachinhalten auf
Ganztagsklassen, wie die Arbeit mit einer breiten Vielfalt
die professionelle Handlungsebene unterstützt die Teil-
an Kindern, Eltern und pädagogischen Fachkräften so ge-
nehmenden direkt in ihrem pädagogischen Handeln.
staltet werden kann, dass möglichst alle davon profitieren.
• Inhalte, Struktur und Verlauf der Fortbildung sollten den
Zugehörigkeit soll nicht über Ausgrenzung anderer definiert
Teilnehmenden zu jedem Zeitpunkt transparent sein.
werden, sondern über einen offenen, vorurteilsbewussten
• Teilnehmende wünschen sich die gemeinsame Erarbei-
Umgang miteinander. Für die bisherigen Projekte wurde als
tung von Meilensteinen zur Veränderung der eigenen ins-
fachwissenschaftliche Grundlage mit großem Erfolg der An-
titutionellen Praxis.
satz der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung nach
• Teams brauchen auch im Nachgang der Fortbildung Un-
Louise Derman-Sparks verfolgt, mit besonderem Schwer-
terstützung (z.B. Überprüfung der Meilensteine oder kon-
punkt auf der Differenzlinie „Migrationshintergrund“.
zeptionelle Weiterentwicklung durch Coaching, Prozess begleitung oder Supervision).
Bezugnehmend auf die vorangestellten Kapitel werden
nachfolgend die wichtigsten Gelingensbedingungen zu-
„Lernen vor Ort“ möchte jetzt überprüfen, inwieweit die ge-
sammengefasst:
sammelten Erfahrungen dieser Qualifizierungsmaßnahmen
in den städtischen Kitas und den Ganztagsklassen an Of-
• Die Teilnehmenden-Gruppe sollte mit dem gesamten –
fenbacher Grundschulen nun auf weitere Grundschulen und
pädagogischen – Team einer Institution deckungsgleich
langfristig auf möglichst alle Bildungseinrichtungen über-
sein, damit auch institutionelle Effekte eintreten können.
tragbar sind. Hierfür soll das Modell mithilfe einer Prozess-
• Eine freiwillige Teilnahme an der Team-Fortbildung erhöht
begleitung an eine Offenbacher Grundschule transferiert
die Offenheit für die eher schwierigen Inhalte (z. B. durch
werden. Zu Beginn ist zu fragen: Inwieweit entspricht das
Team-Entscheidung und nicht Leitungsvorgabe).
tägliche Handeln dieser Institution bereits dem Ansatz der
• Die Klärung gemeinsamer Interessen bzw. Festlegung vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung? Ob und wie
von Fortbildungsbedarfen im Team erhöht die Relevanz lässt sich dieses professionelle Handeln weiterentwickeln?
wie auch den Ertrag sowohl für das Team als auch für die
Und können sich daraus Standards für andere Schulen ab-
Institution.
leiten lassen? Für das Transferprojekt soll zunächst eine
5. Konzeptionelle Weiterentwicklung der Team-Fortbildung und Anpassung an die Bedarfe von Grundschul-Kollegien
Grundschule gewonnen werden, in der Vielfalt bewusst als
• Sich Klarheit über die Ausrichtung schaffen: Welche Ziele
Ressource gesehen wird und die sich Unterstützung bei der
in Bezug auf Vielfalt werden – bis wann – angestrebt?
diesbezüglichen Weiterentwicklung wünscht, um ihre Ideen
• Absichten und Strategien entwickeln, um ihre Identität
nachhaltiger zu verankern und ihr Profil zu schärfen.
18
auch in Zukunft zu bewahren.
• Ihr Wissen über mögliche Netzwerkpartner erweitern.
Die Lauterbornschule – eine Offenbacher Grundschule –
• Sich spezifisches Wissen über Hintergründe einzelner
interessiert sich für einen derartigen Transfer. Im Rahmen
Diskriminierungsmerkmale wie auch über die Differenz-
eines intensiven Austausches zwischen der Schulleitung,
linie Migrationshintergrund aneignen.
einer Lehrerin, der mit der Fortbildung beauftragten Dozen-
• Den pädagogischen Handlungsspielraum bei Diskrimi-
tin und mit „Lernen vor Ort“ wurden Rahmenbedingungen
nierungen erweitern.
und Vorgehensweise besprochen. In der Folge hat sich das
• Den Kontakt mit Eltern unter dem Aspekt der Vielfalt
Kollegium der Lauterbornschule in seiner Gesamtkonferenz
öffnen und enger gestalten.
für die Durchführung der Fortbildung „Vorurteilsbewusste
• Den Raum Schule als Ort der Vielfalt ausbauen.
Erziehung und Elternarbeit“ ausgesprochen. Die erste Pha-
• Insgesamt einen angenehmen und konstruktiven
se der Team-Fortbildung – Abfrage und Analyse der Fort-
Lernraum für Schüler/innen, Lehrer/innen, Eltern
bildungsbedarfe zur Erstellung eines maßgeschneiderten
und sonstige Schulangehörige schaffen.
Konzepts – wird von LvO begleitet. Zudem gilt es, die Bereitstellung der für die Durchführung der Team-Fortbildung
5.2 Umfang und Verlauf
benötigten Ressourcen zu gewährleisten (z.B. adäquate
Räumlichkeiten, Honorare für Dozentin und pädagogische
Zeitlicher Umfang
Vertretungskräfte sowie Materialkosten).
Der Transfer des Qualifizierungsmoduls „VorurteilsbewussDie Prozessbegleitung basiert auf dem Modell der „Integra-
te Erziehung und Elternarbeit“ an die Schule sollte innerhalb
ted Clarity“ nach Marie Miyashiro. Dieses Modell betrachtet
eines Schuljahres bzw. innerhalb von zwölf Monaten laufen
das Gesamtsystem „Schule“ und bringt den Faktor Empa-
und neben Einzelaktivitäten (wie z.B. die Abfrage aller Teil-
thie in alle Bereiche ein, um auf diese Weise sicherzustel-
nehmenden bezüglich ihrer Interessen) insgesamt 4,5 Tage
len, dass die speziellen Bedürfnisse des Komplexes Schule
mit dem Kollegium umfassen.
ebenso betrachtet werden wie die der einzelnen Beteiligten
– Lehrer/innen, weitere pädagogische Fachkräfte, Schüler/
Ablauf
innen und Eltern. „Integrated Clarity“ bezieht alle bisherigen
Erfahrungen der Schule und der Beteiligten als Ressource
Um eine möglichst exakte Bedarfsermittlung zu erreichen,
ein und baut auf dem Expertenwissen aller Beteiligten auf.
den aktuellen Stand der Schule aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, sowie zur Vertrauensbildung ge-
5.1 Erwartete Ergebnisse
des Transferprojekts für
die beteiligten Grundschulen
genüber der Prozessbegleiterin und Fortbildnerin stehen zu
Beginn des Qualifizierungsmoduls ausführliche Interviews
mit der Schulleitung wie auch mit allen Lehrern/innen (ggf.
in Kleingruppen) an. Darauf folgt eine intensive anderthalb-
Im Rahmen der Team-Fortbildung „Vorurteilsbewusste Er-
tägige Fortbildungseinheit, die die gemeinsame Basis für
ziehung und Elternarbeit in der Grundschule – ein Entwick-
das Projekt legt. Die Inhalte basieren auf den Ergebnissen
lungsprozess“ werden Ergebnisse in folgendem Rahmen
der Interessenabfrage. Schwerpunkte könnten sein: Ist-
erwartet:
Stand-Erhebung der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung, Bedarfserhebung, Ressourcenauswertung, Aus-
Die ausgewählte Schule kann:
richtung der Schule in Bezug auf Schüler/innen und Eltern
mit Migrationshintergrund, Auswertung von positiven und
• Herausarbeiten, was ihr einzigartiges authentisches,
negativen Erfahrungen sowie Sichtbarmachung der Diffe-
kollektives Selbstbild, ihre Werte und Leidenschaften
renzlinie Migrationshintergrund im Schulalltag. Während
in Bezug auf Vielfalt und den Umgang damit sind.
dieser ersten Einheit werden die inhaltlichen Schwerpunk-
• Ihr Profil stärken, inwieweit das Handeln und die Struktur
te für die darauffolgenden Fortbildungstage gemeinsam
der Schule den Bedürfnissen der Kinder, Eltern und Leh-
festgelegt. Für eine optimale Verzahnung, einen „Eindruck
rer/innen dienen.
von außen“ sowie maximalen Praxisbezug wird die Refe-
19
5. Konzeptionelle Weiterentwicklung der Team-Fortbildung und Anpassung an die Bedarfe von Grundschul-Kollegien
rentin einen halben Tag an der Schule hospitieren. Vorab
transparent verankert wird. Das erleichtert den Fokus auf
kann das Kollegium den Fokus der Hospitation festlegen.
die Umsetzung im Alltag.
Die Auswertung erfolgt gemeinsam in der Gruppe. Zur besseren Integration und um Nachhaltigkeit anzustoßen, sind
Der ausgewählte Ansatz der „Integrated Clarity“ von Ma-
die Lehrer/innen aufgefordert, während des Fortbildungs-
rie Miyashiro geht davon aus, dass im Arbeitsalltag ständig
zeitraums Kleinprojekte durchzuführen. Diese werden in
drei unterschiedliche Ebenen empathischer Verbindung im
den Teamtagen gemeinsam vorbereitet, begleitet und aus-
Spiel sind: Die Verbindung mit unserem eigenen inneren Zu-
gewertet. Den Abschluss bildet ein ganzer Fortbildungs-
stand, die Verbindung mit anderen – vom Kollegium bis hin
tag, an dem die Projekte vorgestellt, die offenen Themen
zur Schülerschaft und den Eltern – und die Verbindung mit
bearbeitet oder zur Weiterbearbeitung aufbereitet werden.
der gesamten Organisation.
Den Schlusspunkt setzt die gemeinsame Auswertung der
Qualifizierungsmaßnahme.
Nach Miyashiro ist bei der überwiegenden Mehrheit interpersonaler Konflikte innerhalb von Organisationen nicht der
Kurzübersicht des Ablaufs
Mensch das Problem, sondern das System. Mithilfe dieses Ansatzes kann den Bedürfnissen des Systems Schule
• Auftragsklärung zwischen Prozessbegleiterin und Schul-
Rechnung getragen werden, ohne dabei die Bedürfnisse
leitung und Interview zu aktuellem Stand und Bedarf aus
der Lehrkräfte, Schülerschaft oder der Eltern zu überge-
Sicht der Schulleitung.
hen. „Integrated Clarity“ hilft, den gesamten Betriebsab-
• Auftaktveranstaltung mit allen Beteiligten zur Information
lauf zu verbessern und im Ergebnis nicht nur eine bessere
über das anstehende Qualifizierungsmodul (45 Minuten).
Arbeitsatmosphäre, sondern auch bessere Ergebnisse zu
• Interessenabfrage bei allen am Fortbildungsprozess
erzielen. Die Aufgabe einer Organisation besteht darin, sich
beteiligten Lehrkräften (z. T. einzeln und in Kleingruppen;
auf die positive Zukunft zu konzentrieren und darauf zu ach-
ca. 1,25 Stunden pro Gruppe).
ten, dass andere dies ebenfalls tun – ohne jedoch Schwie-
• Fortbildungsblock (anderthalbtägig zusammenhängend),
rigkeiten zu ignorieren.
inhaltlich basierend auf den zuvor ermittelten Bedarfen,
orientiert an den Organisationsbedürfnissen nach „Integ-
Literatur
rated Clarity“.
• Hospitation der Prozessbegleiterin (ein Vormittag) mit an-
Derman-Sparks, Louise: Anti-Bias Curriculum. Tools for
schließendem Teamtreffen (ein Nachmittag) zur Auswer-
empowering young children. Washington 1989 und Der-
tung der Beobachtung mit dem Blick von außen und der
man-Sparks/Phillips: Teaching/Learning Anti-Racism. A
Planung von Projekten an der Schule.
Developmental Approach. Teachers College Press, New
• Drei thematische Schwerpunkttage (jeweils ein Nachmit-
York 1997
tag).
• (Zwischen den Schwerpunkttagen: Durchführung von
Miyashiro, Marie: Der Faktor Empathie. Ein Wettbewerbs-
Kleinprojekten seitens der Teilnehmenden).
vorteil für Teams und Organisationen. Junfermann 2013
• Abschluss (ganztägig): Präsentation der Projekte,
Perspektive Verstetigung, Feedback.
Wagner/Hahn/Ensslin: Macker, Zicke, Trampeltier ... Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung in Kindertageseinrich-
5.3 Der Ansatz der
„Integrated Clarity“
Die Qualifizierung wird nach neuesten Erkenntnissen der
Organisationsentwicklung begleitet. Erfolgreiche Prozesse,
um mit laufenden Veränderungen umzugehen, stellen sich
dort ein, wo nicht nur das Handeln im Vordergrund steht,
sondern auch das „Sein“ einer Organisation – die Frage:
„Was macht uns aus?“ stellt sich noch vor der Frage: „Was
sollen wir als nächstes tun?“. Somit wird garantiert, dass
das Thema der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung
mit Schwerpunkt Migrationshintergrund systemisch und
tungen. Handbuch für Fortbildungen, Berlin 2006
Anhang
20
Anhang
Literatur- und
Materialempfehlungen
Wagner, Petra; Hahn, Stefani; Ensslin, Ute (Hrsg.):
Macker, Zicke, Trampeltier.... Vorurteilsbewusste Bildung
und Erziehung in Kindertageseinrichtungen. Handbuch für
Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Baden-Würt-
Fortbildungen, Verlag das netz, Berlin, 2006
temberg (Hrsg.):
Altan, Melahat; Foitzik, Andreas; Goltz, Jutta:
Wagner, Petra (Hrsg.):
Eine Frage der Haltung. Eltern(bildungs)arbeit in der Mig-
Handbuch Kinderwelten. Vielfalt als Chance – Grundlagen
rationsgesellschaft. Eine praxisorientierte Reflexionshilfe,
einer vorteilsbewussten Bildung und Erziehung, Herder,
Stuttgart 2009
Freiburg/Basel/Wien, 2008
Arbeitskreis Neue Erziehung (ANE), Berlin:
Wagner, Petra (Hrsg.):
Elternbriefe, Elternberatung, interkulturelle Erziehungsbe-
Handbuch Inklusion – Grundlagen einer vorurteilsbewuss-
ratung etc. in mehreren Sprachen. Infos im Internet unter:
ten Bildung und Erziehung, 1. Aufl., Verlag Herder 2013
www.arbeitskreis-neue-erziehung.de
Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften,
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:
iaf e.V., hat zahlreiche Broschüren zum Thema heraus-
Statistik Migration und Flucht: www.bamf.de
gegeben, folgend eine kleine Auswahl:
WeltkinderSpiele – Interkulturelle Materialien und Ideen für
klein & groß:
den Alltag mit Kindern, Bonn 2005
Dolmetscher für ErzieherInnen, Beltz-Verlag, Weinheim/Basel, 2006
Das Praxishandbuch beinhaltet nicht nur theoretische Anregungen, sondern gibt vor allen Dingen wertvolle Anleitun-
Knisel-Scheuring, Gerlinde:
gen zur praktischen Umsetzung interkulturellen Lernens im
Interkulturelle Elterngespräche. Gesprächshilfen für Erzie-
Kinderalltag. Diese reichen von Tipps zur anti-rassistischen
herInnen in Kindergarten und Hort, Kaufmann, Lahr 2002
und interreligiösen Gestaltung der Kinderwelt über kritische
Anstöße bei der Auswahl und dem Einsatz von Spielmate-
Schlösser, Elke:
rialien, die unter der Bezeichnung „interkulturell“ erhältlich
Zusammenarbeit mit Eltern – interkulturell. Informationen
sind, bis hin zu Vorschlägen, wie Eltern und Erzieher/innen
und Methoden zur Kooperation mit deutschen und zuge-
interkulturelles Lernen gemeinsam gestalten können.
wanderten Eltern in Kindergarten, Grundschule und Familienbildung, Ökotopia Verlag, Münster 2004
Interkulturelle Kinderbücher – Erläuterungen und Empfehlungen, Bonn 2012
Sinus Sociovision:
Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in
Welche Kinderbücher stellen die Lebenswelt der heute auf-
Deutschland, Heidelberg 2008/2009; www.sinus-sociovisi-
wachsenden Generation realistisch und klischeefrei dar?
on.de
In welchen Geschichten agieren Kinder unterschiedlicher
Herkunft als selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft?
Tunc, Michael:
Die Broschüre „Interkulturelle Kinderbücher – Erläuterun-
Väter mit Migrationshintergrund zwischen Skandalisierung
gen und Empfehlungen“ leistet bei der Auswahl der Bücher
und Vernachlässigung. Umrisse einer Väterarbeit in der Mi-
wertvolle Hilfestellung. Unter den 140 Titeln sind Bücher für
grationsgesellschaft. In: Zeitschrift für Migration und Sozi-
verschiedene Altersgruppen von 0 bis 12 Jahren, darunter
ale Arbeit, 1/2007
auch mehrsprachige Bücher.
21
In vielen Sprachen zuhause – Türkisch
Die Zahl der Familien, in denen mehrere Sprachen gesprochen werden, nimmt zu. Immer mehr Eltern möchten, dass
ihre Kinder mehrsprachig werden. Die Broschüre will Eltern
dazu ermutigen und ihnen Anregungen und Unterstützung
bei der Spracherziehung ihrer Kinder geben. Erhältlich auf
Türkisch-Deutsch, Italienisch-Deutsch, Russisch-Deutsch
und Spanisch-Deutsch.
Erhältlich über www.verband-binationaler.de
Die Fachstelle Kinderwelten unterstützt Kitas und Schulen
u.a. mit Publikationen und Materialien. Sie ist 2011 hervorgegangen aus mehreren Kinderwelten-Projekten, die im
Institut für den Situationsansatz durchgeführt wurden. Die
Fachstelle steht für den Ansatz der Vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung© in Kitas und Schulen. Weitere Informationen zur Fachstelle Kinderwelten:
www.situationsansatz.de/fachstelle-kinderwelten.html
Anhang
Dieses Vorhaben wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und aus dem Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert.
Der Europäische Sozialfonds ist dasDieses
zentrale
arbeitsmarktpolitische
Förderinstrument
der Europäischen
Union.
ErForschung
leistet einen
Beitrag zur Entwicklung der BeschäfVorhaben
wird aus Mitteln
des Bundesministeriums
für Bildung
und
und
tigung durch Förderung der Beschäftigungsfähigkeit,
des Sozialfonds
Unternehmergeistes,
der Anpassungsfähigkeit
aus dem Europäischen
der Europäischen
Union gefördert.sowie der Chancengleichheit und der Investition in die
Humanressourcen.