1 Erfahrungsbericht Universidad de La Laguna/Teneriffa von Sara

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1 Erfahrungsbericht Universidad de La Laguna/Teneriffa von Sara
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Erfahrungsbericht Universidad de La Laguna/Teneriffa
von Sara Crabs
WS 2014/15
Ankunft
Nachdem ich die Universidad de La Laguna bei meiner Erasmusbewerbung als Erstwahl angegeben hatte,
war ich mehr als erfreut, dort auch tatsächlich angenommen worden zu sein. Meinem Auslandssemester in
Spanien stand nichts mehr im Wege. Wegen des Erasmusabkommens zwischen der FH Köln und der ULL war
der bürokratische Aufwand vor der Abreise minimal, und auch ein günstiger Flug war dank Ryanair schnell zu
finden.
Anfang September ging es dann los: für die ersten Tage hatte ich durch Couchsurfing eine Unterkunft mitten
im Zentrum von La Laguna gefunden. Mein Host hatte selbst an der ULL studiert und war so nett und
hilfsbereit, mir an den ersten Tagen nicht nur die Stadt und nähere Umgebung zu zeigen, sondern auch zu
helfen, mich an der Uni zu organisieren.
Für alle Erasmus-Studenten war eine erste Kennenlernwoche geplant. Bei Sandwichs und Kaffee wurde uns
die Uni vorgestellt, besonderes Augenmerk wurde dabei auf die außeruniversitären Aktivitäten gelegt:
neben unzähligen Sportaktivitäten – von Fußball über Ultimate Frisbee bis hinzu Wandern und Surfen – gab
es auch Angebote speziell für uns Erasmusstudenten. Gleich in der ersten Woche konnte man beispielsweise
eine kostenlose Stadtführung, ein gemeinsames Tapasessen, einen Besuch im Weinmuseum oder einen Trip
auf den Teide mitmachen. Allerdings musste man sich bei der Anmeldung ranhalten, da die Frist relativ kurz
angesetzt war.
Alles in allem war die Willkommenswoche eine gute Gelegenheit um erste Kontakte zu knüpfen und einen
Eindruck von der Insel zu bekommen.
Wohnungssuche
Als nächstes stand die Wohnungssuche an. Es gibt zwar die Möglichkeit, sich in einem der
Studentenwohnheime einzuquartieren, jedoch muss man sich dafür verhältnismäßig früh bewerben.
Außerdem liegen die Wohnheime etwas außerhalb der Stadt und sind ein wenig teurer als normale
Wohnungen. Darum stand für mich ziemlich schnell fest, dass ich mir lieber ein WG-Zimmer suchen würde.
Von Freunden wurde ich gewarnt, dass sich diese Suche als kompliziert erweisen würde, da Anfang
September jede Menge Studenten auf Wohnungssuche gehen und somit der Konkurrenzkampf um freie
Zimmer groß ist.
Umso erstaunter war ich, als ich an Tag 3 auf der Insel mit einer Freundin zusammen auf der Straße
angesprochen wurde, ob wir eine Wohnung suchten. Etwas skeptisch folgten wir dem älteren Mann, der uns
alsbald zu zwei Wohnungen im Barrio Nuevo (durch seine Lagezwischen Zentrum und Uni bei Studenten
sehr beliebt) führte. Eine halbe Stunde später hatten wir unsere Traumwohnung gefunden: hell, 4
Schlafzimmer, Wohnzimmer, 2 Bäder, Dachterrasse und Balkon. Und all das zu einem Preis von dem man als
Wahlkölnerin nur träumen kann.
Uns fehlten nur noch 2 Mitbewohner, die wir aber dank Facebook und einer eigenen Erasmusgruppe
innerhalb von 2 Tagen fanden.
Nach 3 Tagen auf der Insel hatte ich also ein eigenes Zuhause, ohne jeglichen Aufwand.
Ich kann nur empfehlen, eine eigene WG zu gründen, da man sich dadurch die zeit- und
nervenaufreibenden WG-Castings (ohne die es heute leider nicht mehr zu gehen scheint) spart. Auch mit
unserem Vermieter hatten wir unglaubliches Glück, ohne Probleme bekamen wir einen Sechsmonatsvertrag,
die Miete wurde Anfang des Monats in bar bezahlt und bei jedem Problem war er stets zur Stelle.
Einziges Manko war die Kälte innerhalb der Wohnung, für La Laguna leider normal. Auch wenn man es sich
im September noch nicht vorstellen kann: es wird im Winter ziemlich kalt und die wenigsten Häuser sind
isoliert geschweige denn beheizt. Es lohnt sich daher früh genug in eine warme Decke, Tee und dicke Socken
zu investieren (dank naheliegendem Ikea kein Problem).
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Akademisches Leben
Eine Woche nach Ankunft begannen bereits die Vorlesungen, und mit ihnen der Papierkram. Um sich das
dauerhaft Hinundhergeeiere zu sparen, unter dem wir leiden mussten, lohnt es sich auf jeden Fall, von allen
Dokumenten die IRGENDWIE nützlich sein könnten, circa ein Dutzend Kopien zu machen. Selbst dann ist es
noch genug Aufwand, aber wenigstens spart man sich den ein oder anderen Gang zum Copyshop (nach
stundenlangem, sinnlosen Warten).
All diese Bürokratie ist leider unerlässlich, da man sich ohne sie nicht in die Kurse einschreiben kann.
Glücklicherweise hatten die Dozenten mit uns “Erasmen” relativ viel Geduld, so dass wir an den Kursen auch
teilnehmen durften, als wir noch nicht eingeschrieben waren.
Doch auch die Kurswahl selbst stellte sich als ziemlich kompliziert heraus. Zum einen, weil die Website der
Filologiefakultät veraltet war, und deshalb das Kursangebot für das wir uns interessiert hatten gar nicht mehr
bestand. Zum anderen, weil für gut die Hälfte aller Kurse Altgriechisch beziehungsweise zumindest Latein
vorausgesetzt war, womit ein Großteil des Angebots für uns gar nicht in Frage kam.
Unser Betreuungsdozent war uns in dem Fall leider auch keine wirkliche Hilfe, er schien mit der auf ihn
übertragenen Aufgabe etwas überfordert zu sein, weshalb wir letztendlich beschlossen, das Problem alleine
zu lösen. Letztendlich schafften wir es, auf die geforderte Stundenanzahl zu kommen, beziehungsweise diese
zu überschreiten, da jedes Fach ca 5 Wochenstunden umfasst.
Ich entschied mich für die Kurse “Introducción a los Problemas Filosóficos”, “Técnicas deExpresión” und
“Bases lingüisticas de la Comunicación”. Letztere zwei haben mich leider etwas enttäuscht, da das Niveau mir
verglichen mit Deutschland sehr niedrig erschien.
Ich muss leider sagen, dass ich fachbezüglich im Auslandssemester nicht viel gelernt habe, die Methoden der
Dozenten schienen mir veraltet und ineffizient, es wurde von den Studenten nichts erwartet und auch von
Motivation war im Unterricht keine Spur zu entdecken.
Einzig “Introducción a los Problemas Filosóficos” lohnte die Teilnahme am Unterricht. Der Dozent verstand
es, die Studenten zu fesseln und für das Fach zu begeistern. Am Ende des Semesters mussten wir eine
fünfzehnseitige Arbeit zu den behandelten Themen verfassen – auf Spanisch eine durchaus anspruchsvolle
Aufgabe – was aber half, die Materie nochmal zu festigen.
In “Técnicas de Expresión” wurde während des Semesters ein Buch gelesen und kommentiert und ein
Gedicht analysiert beziehungsweise vorgestellt. Leider bekam zu diesen Arbeiten jedoch niemand eine
Bewertung (trotz Nachfrage). Am Ende des Semester stand noch eine Klausur an, die aber so lachhaft war,
dass sie (selbst für Nichtmuttersprachler) mit einem Tag Vorbereitung leicht zu schaffen war.
Alles in Allem hat mir die Uni zwar äußerlich gefallen – man sieht vom Campus aus das Meer und es gibt jede
Menge Grünflächen zur Erholung – ich war jedoch vom Angebot an der Filologiefakultät enttäuscht.
Anders als an der FH Köln gab es keine Fächer die mit Translation oder gar Dolmetschen zu tun hatten,
insofern war es für mich mehr ein Wiederholen des kommunikationswissenschaftlichen Stoffes, der an der FH
Köln bereits in den ersten beiden Semestern behandelt wurde.
Bezüglich der Sprache waren die ersten Unterrichtsstunden zwar etwas anstrengend, man gewöhnte sich
jedoch schnell daran. Einzig die Länge der Unterrichtseinheiten (meist 2 Stunden am Stück) machten es
manchmal hart, zu folgen.
Begegnet wurde uns Erasmusstudenten mit wohlwollender Gleichgültigkeit. Anders als an der FH Köln
bekamen wir die gleichen Aufgaben und Klausuren wie unsere spanischen Mitstudenten, was dank des
niedrigen Niveaus machbar war, aber uns trotzdem am Anfang etwas erschreckte.
Leben in La Laguna
La Laguna ist ein wunderschönes Städtchen mit einem reizenden historischen (und seit ein paar Jahren
autofreiem) Zentrum. Vom Barrio Nuevo, wo es viele günstige Wohnmöglichkeiten für Studenten gibt, sind
es zum Stadtkern zu Fuß etwa 15 Minuten. Auch die unterschiedlichen Fakultäten sind alle in Gehnähe,
weshalb ich in 6 Monaten Teneriffa wohl mehr zu Fuß gegangen bin als je zuvor in meinem Leben.
Im Stadtzentrum gibt es jede Menge Restaurants, Läden und Bars. Wochenends kann man im Cuadrilatero
wunderbar bis in die Morgenstunden feiern, unter der Woche ist allerdings nicht viel los.
Die Hauptsadt Santa Cruz ist mit der Tranvía in 30 Minuten erreichbar, dort gibt es ein größeres Angebot an
Bars und Clubs, allerdings fehlt der Hauptstadt auch das besondere Flair von La Laguna.
Teneriffa verfügt über ein ausgezeichnetes öffentliches Verkehrssystem, für wenig Geld kann man von La
Laguna oder Santa Cruz aus die Insel erkunden. Auch nach der Uni kann man es sich so gönnen noch an den
Strand zu fahren, mit dem "Guagua" ist man in einer guten halben Stunde an Surfspots wie Bajamar oder
weißen Stränden wie Las Teresitas.
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Überhaupt ist Teneriffa ein Paradies für Freunde von Outdooraktivitäten. Ich persönlich habe dort meine
Begeisterung fürs Trekking entdeckt, die Insel lockt mit unterschiedlichsten Wanderrouten von denen keine
der anderen gleicht. Egal ob Teide, Anaga- oder Tenogebirge, die Mascaschlucht oder der Weg zum Roque
Bermejo, es gibt immer etwas Neues zu entdecken.
Auch für Surfer und Kiter ist Teneriffa ein ideales Ziel, je nach Küste lockt der Atlantik mit Wind, Wellen und
angenehmen Temperaturen.
Für Sonnenhungrige kann ein Auslandssemester in La Laguna jedoch etwas enttäuschend sein. Nicht
umsonst bezeichnen die Einheimischen die Stadt gerne als “Mordor”, wegen der dunklen Wolke die sich
gerne über ihr festhängt. Es gibt sogar einen eigenen Begriff für den ortstypischen Nieselregen: Chipi Chipi.
Erfreulicherweise ist der sonnige Süden mit dem Bus in nur einer Stunde zu erreichen, dort kann man
(umringt von sonnenverbrannten Touristen) auch im Dezember Sonne tanken.
Das Leben auf Teneriffa ist verglichen mit Deutschland etwas günstiger, besonders was Miete und Dinge wie
Essen gehen angeht. Selbst mit dem Budget eines armen Studenten kann man sich regelmäßigen Tapas-,
Wein- oder Kaffeegenuss gut leisten. Was ein Glück ist, da es an der Studentenjobfront nicht ganz so rosig
aussieht. Auf Teneriffa – besonders im weniger tourismusverwöhnten Norden – sind die Auswirkungen der
Krise immer noch sehr spürbar. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und viele Lokale stehen leer, was gottseidank der
Gastfreundschaft der Tinerfeños nicht abträglich ist.
In jedem Fall lohnt es sich, sich am Anfang des Aufenthalts als “Residente” anzumelden, da man dadurch in
den Genuss von unzählige Ermäßigungen, beispielsweise was die Überfahrten zu den anderen Inseln angeht,
kommt.
Fazit
Alles in allem hatte ich ein wunderschönes Auslandssemester. Zwar hat die ULL mich etwas enttäuscht, doch
hat mein Spanisch auf jeden Fall sehr gewonnen und ich habe die kanarische Kultur kennen und lieben
gelernt.
Teneriffa ist eine wunderschöne Insel mit einer faszinierenden Natur und La Laguna ist ein sehr niedliches
Städtchen mit einem ganz besonderen Charme.
Die kanarische Kultur ist geprägt von Gastfreundlichkeit und es fällt unheimlich leicht Kontakte zu knüpfen.
Es lohnt sich, tiefer in die kanarische Kultur einzutauchen, denn was wäre ein Teneriffaaufenthalt ohne einen
Besuch in einem Guachinche, bei Tapas, Wein und Gesang?
All jenen, die mit Natur nicht so viel anfangen können würde ich jedoch von einem Semester auf Teneriffa
abraten. Jeder Großstadtfan würde in dem beschaulichen Städtchen wohl vor Langeweile eingehen, von
hektischem Treiben ist hier keine Spur.
Genau das ist es jedoch, was für mich den Reiz dieser Insel ausmacht: die Beschaulichkeit, die
abwechslungsreiche Natur, und die Tatsache, dass man nach sich nach wenigen Tagen schon wie zu Hause
fühlt, weil man in den örtlichen Supermärkten mit einem freundlichen “Hola mi niña” begrüßt wird wie eine
alte Bekannte.
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